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Schweizerisches Bundesblatt.

32. Jahrgang. L

Nr. 9.

28. Februar

1880.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrüknngsgebtihr per Zeile 15 Bp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Bundesrathsbeschluss betreffend

den Rekurs des Hrn. Johann Matter von Engelberg (Obwalden).

(Vom 27. Januar 1880.)

Der schweizerische B u n d e s r a t h hat in Sachen des J o h a n n M a t t e r von Engelberg, in Kägiswyl, Gemeinde Samen, betreffend Beeinträchtigung der Handelsund Gewerbefreiheit.

Nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Die Korporationen Kägiswyl, Römersberg und Freitheil Samen besizen gemeinschaftlich mehrere Wälder im Gebiete der Gemeinde Sarnen. Die Verwaltung wird durch eine sogenannte ,,Holzkammer" besorgt, welche jährlich aus diesen Wäldern an die berechtigten Genossen ein bestimmtes Quantum Holz, sogenannte Loose, abgibt.

Im Jahre 1877 kaufte der Rekurrent die Loose von mehrern Korporationsgenossen, zusammen 54 Klafter, wovon er im Jahre 1878 zwölf Klafter nach Alpnach verkaufte.

In Folge dessen wurde bei der Holzkammer von Sarnen eine Straf klage gegen ihn eingeleitet uud Matter nach den aufgenommenen Verhören am 26. Juni 1879 zu einer Buße von Fr. 30 und zur Bezahlung der Verhör- und Untersuchungskosten verurtheilt.

Bundesblatt. 32. Jahrg. Bd. I.

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In Folge des Rekurses bestätigte das Polizeigericht des Kanton» Unterwaiden o. d. W. am 16. September 1879 das Urtheil, indem es in Betracht zog, daß die Handlung des Joh. Matter durch Art. 20' und 21 der Holzordnung verboten sei.

II. Diese Artikel 20 und 21 der ,,Holzordnung der drei Theil~ samen Freitheil, Kägiswyl und Römersberg"1 vom Jahre 1875 lauten wie folgt: ,,Art. 20. Die Korporationen oder Theilsamen als Eigen,,thümer der Waldungen geben das Holz an die korporations,,genössigen, resp. anspruchsberechtigen Beisäßen von Kägiswyl ,,und Römersberg nur zum eigenen Gebrauch. Wenn Theiler ,,der einen oder andern Theilsarne ihr Brennholz nicht voll,,ständig gebrauchen, so mag ihnen (oder selben) von der Holz,,kommission innert den betreffenden Theilsamen der Verkauf, ,,nachdem es heimgethan, gestattet werden, es ist aber darüber ,,ein "Verzeichniß zu führen.tt ,,Art. 21. Wer immer entgegen diesen Bestimmungen Holz ,,aus Hochwäldern sich aneignet, oder wohl gar Theile ankauft ,,und fällt, gilt als Holzfrevler und ist mit einer angemessenen ,,Strafe zu belegen."· III. Matter beschwerte sich beim Bundesrath wie folgt: Er sei nicht Korporationsbürger von Kägiswyl, und da er dort auch kein Grundeigenthum besize, so erhalte er kein Holz von der Korporation. In Folge dessen komme derselben ihm gegenüber keine Strafgerichtsbarkeit zu. Auch das Polizeigericht habe seine Kompetenzen überschritten.

Das Verbot, Korporationsholz an Bewohner anderer Gemeinden zu verkaufen, involvire eine ungleiche Behandlung von Schweizerbürgern und stehe somit im Widerspruch mit Art. 4 der Bundesverfassung.

Auch sei Art. 31 der Bundesverfassung verlezt. Der Verkauf von Holz genieße den allgemeinen Schuz der Handels- und Gewerbefreiheit, ob das Holz aus Korporations- oder aus andern Waldungen stamme. Das von ihm gekaufte Holz sei sein unbeschränktes Privateigenthum geworden. Der Entscheid des Bundesraths vom 3. April 1877 in Sachen des Josef Maria Gisler von Spyringen (Uri) rechtfertige sein Verfahren.

Allerdings bestehen aus der Zeit der Herrschaft der Bundesverfassung von 1848 entgegenstehende Entscheide der Bundes-

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behörden, allein man könne sich auf diese nicht berufen, weil der Art. 31 der gegenwärtigen Bundesverfassung weiter gehe als der alte Art. 29. Unter dem leztern haben noch allerlei Monopole und Beschränkungen in Wirthschaftssachea fortbestehen können, diejezt unzuläßig seien. In dieser Beziehung berufe er sich auf das Kreisschreiben des Bundesraths vom 11. Dezember 1874 (Bundesblatt 1874, III, 888).

Matter stellte das Gesuch, es möchte das gegen ihn erlassene Strafurtheil aufgehoben und die Regierung von Obwalden zur Verhinderung weiterer Rekurse dieser Art veranlaßt werdeu, dafür zu sorgen, daß die am 15. Januar 1879 von ihr genehmigte neue Holzordnung der Theilsamen Freitheil, Kägiswyl und Römersberg, vom 12. August 1878, namentlich der Art. 30 derselben, mit der neuen Bundesverfassung in Einklang gebracht, resp. abgeändert werde.

IV. Die Regierung von Unterwaiden ob dem Wald trug auf Abweisung der Beschwerde an.

Gemäß Art. 8, litt, b der Kantonsverfassung seien die Korpo-' rationeu befugt, wegen Uebertretungen ihrer Verordnungen Bußen auszufällen, ohne zu unterscheiden, ob der Uebertreter der Korporation angehöre oder nicht. Diese Strafbefugniß stüze sich darauf, daß die Korporationen neben ihrem privatrechtlichen Charakter bis zu einem gewissen Grade auch eine öffentlich rechtliche Bedeutung haben. Dabei seien die Interessen der Angeschuldigten durch das im gleichen Art. 8 vorgeschriebene Verfahren und durch die Möglichkeit des Rekurses an die kantonalen Strafbehörden hinreichend gewahrt.

Die Korporationen verfügen über ihre Waldungen, abgesehen von der staatlichen Forstpolizei, völlig unbeschränkt. Das Holz werde den Korporationsgenossen alljährlich nach ihren Bedürfnissen verabfolgt, gehe aber nur unter der Beschränkung an sie über, daß es inner der Gemeinde verwendet werden müsse. In dieser Beschränkung liege keine Beeinträchtigung der Handels- und Verkehrsfreiheit. Sie sei lediglich ein Ausfluß des Eigenthumsrechtes der Genossenschaft an den Waldungen und trage durchaus den Charakter einer privatrechtlichen Servitut an sich. Jedermann, der Holz aus Korporationswaldungen empfange, sei an diese Bedingungen gebunden. Deßhalb haben die Verkäufer des fraglichen Holzes nicht weitergehende Rechte an Matter übertragen können, als sie selbst besaßen. Das Verbot der Holzausfuhr sei uralt, stets erneuert und gehörig publizirt worden. Matter habe dasselbe auch gekannt.

Wenn man eine Korporation anhalten wollte, den Genossen das

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Holz als unbeschränktes Eigenthum zu überlassen, so wäre dieses ein Eingriff in das Eigenthumsrecht der Korporation.

Art. 4 der Bundesverfassung sei nicht verlezt, da alle Korporationsgenossen gleich behandelt werden. Früher haben die Korporationen den Verkehr mit ihrem Loosholze auf die Korporationsgenossen beschränkt, nunmehr sei aber auch den nicht korporationsgenössigen Einwohnern der Ankauf von Genossenholz gestattet.

Das Verbot der Holzausfuhr sei zu Gunsten der Land- und Alpwirthschaft aufgestellt worden. Ohne dasselbe würde das Holz nicht mehr in der Gemeinde zur Errichtung und zum Unterhalte der nöthigen Bauten, Umzäunungen etc. verwendet, sondern es würde Gegenstand der Handelsspekulation werden. Dadurch würden die Zweke der Genossenschaften wesentlich leiden, und die ärmere Bevölkerung, namentlich die Niedergelassenen, hart betroffen.

Der Entscheid des Bundesraths in Sachen Gisler sei hier nicht zutreffend. Dagegen sei der vorliegende Rekurs bereits entschieden durch den Beschluß der Bundesversammlung vom 29. Juli 1861, über die Beschwerde einer Kommission von Beisizenden von Sarneu (Ullmer II, Nr. 736). In diesem Beschlüsse habe die Bundesversammlung das Holzausfuhrverbot der Korporationen geschüzt, gestüzt darauf, daß die Bestimmungen der angefochtenen Waldreglemente über die Benuzungsweise der Genossengüter sich als Ausfluß der den Eigenthümern zustehenden Verfügungsbefugnisse und der zu Handhabung der erstem, sowie der Forstordnung erforderlichen Polizeigesezgebung darstellen. -- Auf den gleichen Standpunkt habe die Bundesversammlung in ihrem Entscheide vom 13. Juli 1861, über den Rekurs der Gemeinde Schuls (Ullmer II, Nr. 735), sich gestellt, und dieser Anschauung sei auch der Bundesrath in seinen Beschlüssen vom 16. August und 4. Dezember 1861 und vom 21. März 1862 (Ullmer II, Nr. 737, 738 und 739) gefolgt.

Die unter der frühern Verfassung zur Anwendung gekommenen Grundsäze haben ihre Geltung auch jezt noch nicht verloren, wie sich aus dem Entscheide ergebe, welchen der Bundesrath noch im Jahr 1878 in dem ganz analogen Rekurse des Hans Jeger aus Graubünden gegen die Gemeindebehörde von Klosters-Serneus gefällt habe.

In E r w ä g u n g :

Daß sowohl die Bundesversammlung als auch der Bundesrath, leztere Behörde ganz neulich im Jahr 1878, in einer Reihe von Rekursalentscheiden, welche oben im faktischen Theile angezogen

405 werden, grundsäzlich anerkannt haben, es verstoßen sich die Bestimmungen über die Benuzungsweise von Genossengütern, insbesondere Verfügungen von Waldreglementen, Korporationsstatuten u. dgl. über Untersagung oder Beschränkung des Verkaufes von Genossentheilen aus Korporationswaldungen keineswegs gegen die im Art. 31 der Bundesverfassung garantirte Handels- und Gewerbefreiheit, vielmehr seien sie als privatrechtliche zuläßige Akte freier Willensbestimmung von Seite des Eigentümers, resp. der Korporation, aufzufassen; beschlossen: 1. Der Rekurs des Job. Matter wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Unterwaiden o. d. W., sowie dem Herrn Fürsprecher Durrer in Sächseln, als Anwalt und zuhanden des Rekurrenten, unter Rükschluß der von ihm vorgelegten Akten, mitzutheilen.

B e r n , den 27. Januar 1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, D e r Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Bundesrathsbeschluss betreffend den Rekurs des Hrn. Johann Matter von Engelberg (Obwalden). (Vom 27. Januar 1880.)

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