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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Hrn. F. E. Hug und Konsorten, betreffend Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit.

(Vom 27. Februar

880.)

Der schweizerische Bundesrath hat

in Sachen des Herrn F. E. Hug in Freiburg und Konsorten, betreffend Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Am 22. Dezember 1877 erließ der Große Rath des Kantons Waadt ein Gesez über Besteuerung des Detailverkaufs von Tabak, welches folgende Bestimmungen enthält : ,,Art. 1. Jedermann, der Tabak im Detail verkaufen will, hat sich mit einem Patent zu versehen.

,,Art. 3. Das Patent ist nur in derjenigen Gemeinde giltig, für die es genommen ist; es verleiht nur ein persönliches Recht.. .

,,Art. 4 Das Patent wird auf vier Jahre ausgestellt, gegen Bezahlung von 5 Franken nebst Stempelgebühr.

,,Art. 5. Jeder Tabak Verkäufer ist außerdem gehalten, eine jährliche Steuer von mindestens 10 bis höchstens 300 Franken zu entrichten. Diese Steuer, welche während der ganzen Dauer des Patents unveränderlich bleibt, ist halbjährlich zahlbar, zuerst bei der Patenterwerbung, und von da an je im ersten Monat eines Semesters."

442 II. Die Herren F. E. Hug in Freiburg, Rob. Haas in Murten, Dardel Kiinzli & Cie. in Aarberg und H. Hediger & Söhne in Reinach, sämrntlich Cigarren- und Tabakfabrikanten, rekurrirten gegen dieses Gesez, weil es die durch Artikel 31 der Bundesverfassung gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit verleze, indem esdurch seine Strenge den außer dem Kanton wohnenden Fabrikanten und Händlern den Verkauf von Tabakproduktea im Kanton, Waadt unmöglich mache.

Allerdings seien im Art. 31 der Bundesverfassung ,,Verfügungen über Besteuerung des Gewerbebetriebs" den Kantonen vorbehalten, aber sie ,,dürfen den Grundsaz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen."1 Lezteres sei hier der Fall; denn das Gesez, obschon Besteuerungsgesez genannt, sei in Wirklichkeit ein Prohibitivgesez.

Es möge dies nicht zutreffen für kleine Gemeinden, wo die Steuer in den Minimalansäzen gehalten werde, wohl aber sei dies in größern Ortschaften, namentlich in Lausanne der Fall, wo die Steuer auf 80--300 Franken angesezt sei. Solche Ansäze kommen einer Unterdrükung des Detail-Tabakhandels gleich. Sie haben auch faktisch den außerkantonalen Fabrikanten und Händlern dea waadtländischen Markt gänzlich verschlossen.

Ebenso haben die Besizer von Hôtels und Wirtschaften den Vertrieb von Cigarren und Tabak ganz aufgeben müssen.

Sämmtliche größere Tabakgeschäfte in den Städten könnten bezeugen, daß ihr Verkauf um 3--10,000 Franken abgenommen habe ; es sei ihnen unmöglich geworden, ihren Bedarf von Außen zu beziehen 5 einige seien sogar ganz eingegangen.

Die Rekurrenten stellen daher das Gesuch, es möge eine Annullirung oder zum Mindesten eine Modifizirung der beanstandeten Gesezesbestimmungen angeordnet werden.

IH. Die Regierung des Kantons Waadt trug auf Abweisung an, und zwar aus folgenden Gründen : Die Handels- und Gewerbefreiheit sei durch das Gesez vom 22. Dezember 1877 n i c h t beeinträchtigt, denn: 1) Die Tabaklieferanten erleiden keinerlei Einbuße; wenn bei einzelnen Detaillanten der Vertrieb abgenommen, andere gar ihr Geschäft aufgegeben haben, so sei diese Erscheinung kompensirt durch die Zunahme des Vertriebs anderei' Häuser und durch die Etablirung neuer Geschäfte.

2) Der Detailhandel stehe j e d e m S c h w e i z e r offen, der die fiskalischen Bedingungen des Gesezes erfülle.

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3) Diese Bedingungen, weit entfernt, eine Prohibitivsteuer zu enthalten, stellen eine mäßige Konsumsteuer dar von bloß 15 Rappen per Kopf der Bevölkerung.

43 Der Kanton Waadt habe daher nur von seinem im Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Gewerbebesteuerungsrechte Gebrauch gemacht.

In E r w ä g u n g : 1) Im Artikel 31, Litt, c der Bundesverfassung ist den Kantonen die Besteuerung des Gewerbebetriebes vorbehalten, immerhin in dem Sinne, daß dadurch der Grundsaz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigt werden darf.

2) Eine solche Beeinträchtigung wäre vorhanden, wenn Bestimmungen des Gesezes, gegen welches der Rekurs gerichtet ist, ein Privilegium zu Gunsten Einzelner schaffen würden, oder wenn sie derart wären, daß sie eia wirkliches Hinderniß gegen die Ausübung des Gewerbes, das hier in Frage liegt, bilden würden.

3) Dies ist nicht der Fall, denn : a. indem die fragliche Steuer allen Detaillisten ohne Unterschied auferlegt wird, erscheint der Grundsaz der Gleichheit der Bürger vor dem Geseze nicht als verlezt; b. der Betrag derselben ist im Vergleiche zu den in andern Ländern erhobenen Taxen verhältnismäßig nicht bedeutend, und jedenfalls nicht derart, daß er den Kleinverkauf von Tabak wesentlich schmälert; beschlossen: 1. Der Rekurs ist als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist dern Staatsrath von Waadt, sowie den Rekurrenten, unter Rükschluß der Akten, zuzufertigen.

B e r n , den 27. Februar 1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r äs i d en t:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Caspar Corpataux von und in Preiburg, betreffend Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit.

(Vom 30. Dezember 1879.)

Der schweizerische Bundesrath hat

in Sachen des K a s p a r C o r p a t a u x , von und in Freiburg, betreffend Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Der Rekurrent wurde am 25. Oktober 1867 als Advokat für den Kanton Freiburg patentirt, aber nachdem er mit Urtheil des Assisenhofes des zweiten Kreises dieses Kantons vom 7. Februar 1872 wegen Angriffes auf die Schamhaftigkeit gegenüber einem Kinde unter 12 Jahren kriminell zu zwei Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden war, von der Liste der Advokaten gestrichen, indem gemäß Artikel 30 des freiburgischen Strafgesezbuches mit dieser Strafart stets der Verlust der bürgerlichen Rechte verbunden ist.

Nach Abbüßung der Zuchthausstrafe wurde Corpataux auf sein Gesuch am 13. September 1879 von dem Kantonsgerichte von Freiburg wieder in den vollen Besiz der bürgerlichen und politischen Rechte eingesezt, in dem Sinne, daß alle Wirkungen seiner Verurtheilun vom 7. Februar 1872 aufhören sollen. Gestüzt hierauf verlangte er bei dem Staatsrathe, daß er wieder auf die Liste der

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Hrn. F. E. Hug und Konsorten, betreffend Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit. (Vom 27. Februar 1880.)

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