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Schweizerisches Bundesblatt.

32. Jahrgang. I.

Nr. 11.

13. März 1880.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

E i n r n k u n g s g e b ü h r per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden Drnk und Expedition der Stämpnischen Bnchdrnkerei in Bern.

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Bundesrathsbeschluss in

Sachen von Bürgern von Ruswyl und Buttisholz (Luzern) gegen die Regierung von Luzern, betreffend Beschwerden wegen Verlezung des Art. 27 der Bundesverfassung.

(Vom 24. Februar 1880.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen von Bürgern von R u s w y l und But t i s h o l z (Luzern) gegen die Regierung von Luzern, betreffend B e s c h w e r d e n wegen V e r l e z u n g d e s Art. 2 7 d e r B u n d e s v e r f a s s u n g ; nach Einsicht eines Berichtes des Departements des Innern und der Akten, aus denen sich ergibt : A. Beschwerde von Ruswyl.

I. Diese Beschwerde, datirend vom 10. September 1876, wurde im Namen von 200 stimmfähigen Bürgern von Ruswyl, wie in eigenem Namen eingereicht von Matth. Schmidlin, Fürsprecher daselbst. Er bringt im Wesentlichen Folgendes an : Anläßlich der Abgabe der Gemeinderechnung pro 1875 brachte der Gemeinderath und die Rechnungsprüfungskommission bei einer Gemeindeversammlung daselbst vom 7. Mai 1876, ohne daß im publizirten Traktandenverzeichniß hierüber etwas vorgemerkt war, Bundesblatt. 32. Jahrg. Bd. J.

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an die Gemeinde"den Antrag, es möchte die G r ü n d u n g einer T ö c h t e r - F o r t b i l d u n g s s c h u l e in R u s w y l und die U e b e r g a b e d e r s e l b e n ^ a n d i e L e h r s eh w e s t e r n von Menzingen beschlossen werden.

Entgegen einem von mehreren Bürgern gestellten Antrag, in' diesen Verhandlungsgegenstand, weil nicht publizirt, nicht einzutreten, wurde die Angelegenheit zur sachlichen Prüfung und Begutachtung an eine Kommission gewiesen und in der Gemeindeversammlung vom 25. Juli 1876 behandelt.

Die Zusammenberufung fand nicht in genügender und dem Geseze entsprechender Weise statt. Nach dem luzernischen Geseze soll zu solchen Gemeindeversammlungen, unter Angabe der Verhandlungsgegenstände, entweder öffentlich 14 Tage zum voraus, oder 10 Tage vorher von Haus zu Haus geboten werden. Die fragliche Gemeindeversammlung aber wurde lediglich am Sonntag vorher in Ruswyl von der Kanzel verkündet, dagegen nicht in der Pfarrkirche ·von Buttisholz, welcher acht Höfe von Stalten und Roth angehören, die Theile der politischen Gemeinde von Ruswyl bilden.

Der Art. 244, Alinea 2 und 3, des luzernischen Organisationsgesezes schreibt vor, daß bei jeder Gemeindeversammlung die Ablesung der Bürgerliste erfolgen solle und daß von dieser Formalität nur dann Umgang genommen werden dürfe, wenn zwei Dritttheile der Anwesenden dies beschließen. Die Ablesung der Bürgerliste aber fand nicht statt und die Gemeinde ward nicht einmal angefragt, ob dieselbe unterbleiben solle oder nicht.

Von 1020 stimmberechtigten Bürgern, welche Ruswyl zählt, waren bei der Gemeindeversammlung 80 anwesend.

DieSpezialkommission beantragte, es möchte beschlossen werden, ,,es sei in der Gemeinde Ruswyl für die Mädchen eine Fortbildungsschule unter der Leitung einer kompetenten Lehrerin zu errichten und diese Schule mit Beginn der Winterschule 1876 zu eröffnen."1 Hiegegen stellten mehrere Bürger den Antrag, es sei der ganze Vorschlag zu verwerfen, eventuell solle gesagt werden : ^es sei für die Mädchen eine Fortbildungsschule unter der Leitung einer kompetenten weltlichen Lehrerin zu errichten."

Nach Ablehnung dieses eventuellen Antrages wurde der Kommissionalantrag in der Hauptabstimmung mit 53 Stimmen von 80 zum Beschlüsse erhoben, gegen welchen Beschluß Fürsprecher Schmidlin, unter Einrükung einer Erklärung in das Protokoll, Beschwerde bei oberer Behörde ankündigte. Der abgegebenen Erklärung schlössen sich während der gesezlichen Rekursfrist noch

445 200 stimmfähige und steuerpflichtige Einwohner der Gemeinde Rusvvyl an und beauftragten gleichzeitig Fürsprecher Schmidlin mit der weiteren Verfolgung der Angelegenheit vor den kantonalen, eventuell den Bundesbehörden.

Mittelst Eingaben vom 4., 8. und 15. Juli 1876 verlangten die Rekurrenten bei dem Regierungsrathe Kassation der fraglichen Gemeindebeschlüsse, weil die Gemeindeversammlung nicht überall gehörig ausgekündet und weil vor Eröffnung der Verhandlungen der Namensaufruf nicht ergangen und die Bürgerliste nicht verlesen worden sei, und in der Hauptfrage Aufhebung der Beschlüsse, eventuell für den Fall, daß die zu gründende Töchterfortbildungsschule unter die Leitung von klösterlichen Lehrschwestern gestellt werden sollte, Anerkennung der Unverbindlichkeit des Gemeindebeschlusses für die Rekurrenten und deren Steuerpflicht.

Mittelst Erkenntniß des luzernischen Regierungsrathes vom 18./24. August wurden die Rekurrenten mit allen ihren Begehren abgewiesen.

Sie zeigten nun dem Gemeinderath von Ruswyl an, daß sie über diesen Beschluß den Rekurs an den Schweiz. Bundesrath ergreifen werden und inzwsichen gegen die Vollziehung des Gemeindebeschlusses vom 25. Juli protestiren. Der Gemeinderath ließ sich indessen dadurch nicht abhalten, die Gemeindeversammlung zur Vornahme der Wahl einer Töchterlehrerin auf Sonntag den 24. September einzuberufen.

In der B e s c h w e r d e s c h r i f t , welche von den Rekurrenten nunmehr bei dem B u n d e s r a t h e eingereicht wurde, stellen dieselben das G e s u c h : 1) Die Verhandlungen und Schlußnahmen der Gemeindeversammlung von Ruswyl vom 25. Juni und des luzernischen Regierungsrathes vom 18./24. August seien aus f o r m e l l e n M ä n g e l n zu kassiren; 2) E v e n t u e l l sei auch in der Hauptsache die A u fh e b u ng der r e k u r r i r t e n S c h l u ß n a h m e als bundesverfassungswidrig zu verfügen; 3) Im Fall theilweiser Abweisung der Rekurrenten sei zu erkennen , d a ß f r a g l i c h e r G e m e i n d e b e s c h l u ß , sofern die zu gründende Töchter-Fortbildungsschule unter die Leitung k l ö s t e r l i c h e r L e h r s c h w e s t e r n gestellt werden sollte, f ü r s ä m m t l i c h e R e k u r r e n t e n u n d ihre S t e u e r p f l i c h t k e i n e V e r b i n d l i c h k e i t habensollte;

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4) Der Gemeinderath von Ruswyl sei anzuweisen, die mittlerweile zur Vornahme der Wahl einer Lehrerin auf den 24. September angesezte Gemeindeversammlung abzustellen oder d i e L e h r e r i n w ä h l n i c h t v o r n e h m e n z u lassen.

Die G r ü n d e , welche die Rekurrenten zur Unterstüzung ihres Gesuches anbringen, sind im Wesentlichen folgende : Ad 1. V e r l e z u n g der Art. 5 und 243 des l u z e r n i s c h e n O r g a n i s a t i o n s g e s e z e s , betreffend Auskündung und Ansagung einer Gemeindeversammlung. Verlezung des Art. 244 desselben Gesezes, betreffend Vornahme des Namensaufrufes vor Beginn der Verhandlungen (s. oben).

Ad 2. Die A n s t e l l u n g von k l ö s t e r l i c h geb i l d e t e n L e h r S c h w e s t e r n a n ö f f e n l i c h e n Schulen ist n i c h t v e r e i n b a r mit Art. 27 der B u n d e s v e r f a s s u n g . Die Lehrschwesterinstitute gestatten nach ihren Klosterregeln dem Staate gar keinen Einblik und keine Aufsicht über ihre Lehrmethode. Das Personal aller derartigen Lehrinstitute folgt einzig den Befehlen ihrer geistlichen Obern und nirgends den Verordnungen der weltlichen Aufsichtsbehörden. Namentlich der religiöse Unterricht, der Unterricht in der Natur- und Sprachkunde und vor Allem der Unterricht in der Geschichte wird nur nach konfessioneller Vorschrift und klösterlicher Anschauung ertheilt.

Im Kanton Luzern wird von staatlicher Seite für bessere weltliche Ausbildung von Töchtern wenig oder nichts gethan. Dagegen schießen die Schulen von klösterlichen Lehrschwestern wie Pilze aus dem Boden. Bereits ist der Primarunterricht in den Gemeinden Hochdorf, Hohenrein (Ibenmoos), Buttisholz, Tann, Altishofen, Egolzwyl, Buchenrein und Root solchen Menzinger- oder Ingenbohlschwestern übergeben.

Die Leistungen all' dieser Kloster-Institute in fachlicher Beziehung stehen aber in Wirklichkeit weit unter Null. Keine oder nur eine verschwindend kleine Anzahl der daherigen LehrschwesterKandidatinnen war im Stande, die kantonale Kompetenzprüfung zu bestehen.

Dagegen sind alle sehr eifrig bemüht, ihrer religiösen Anschauung in den verschiedenen Familienkreisen Eingang zu verschaffen, und den Protektoren dieser klösterlichen Erziehungsanstalten ist es auch nicht sowohl um fachliche Fortschritte der Schule zu thun, als um ultramontan-religiöse-Erziehung der Jugend, welche sie überall zu fördern eifrig bemüht sind.

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Den Eltern, welche diese Bildung und Erziehung nicht wollen, ist nicht damit geholfen, daß sie ihre Kinder von dem Religionsunterricht dieser Schule dispensiren können ; denn der JugendUnterricht , den Klosterangehörige ertheilen, kann nach ihrem innern Wesen und nach ihren Ordensregeln nie konfessionslos sein.

Ad 3. Die Rekurrenten, von der Ueberzeugung durchdrungen, daß Klosterschulen für das praktische Leben untauglich und für Schaffung fortschrittlicher sozialer Zustände verderblich sind, p r o t e s t i r e n gegen die Gründung einer solchen Schule in Ruswyl. Sie wollen nicht, daß ihre Töchter zur Dummheit, zur Heuchelei und zum Fanatismus herangezogen werden. I h r e St eue r kraft kann für ein solches I n s t i t u t auch nie h e r a n g e z o g e n w e r d e n , weil nach Sinn und G e i s t d e r B u n d e s v e r f a s s u n g d e r U n t e r r i c h t an den ö f f e n t l i c h e n S c h u l e n k o n f es si o n s l o s" s e i n muß.

Ad 4. Die S u s p e n d i r u n g der Gemeindeversammlung, beziehungsweise der Wahl der Lehrerin an die neu gegründete Schule i n Ruswyl r e c h t f e r t i g t s i c h d u r c h d i e i n zwischen erfolgte Beschwerdeführung an den B u n d e s r ath gegen die dieser Wahl zu Grunde liegenden Beschlüsse.

II. Durch Beschluß vom 22. September 1876 hat der Bundesrath das Begehren sub 4, wonach dem Rekurse aufschiebende Wirkung zugemessen werden wollte, abgelehnt.

III. Die auf den 24. September einberufene Gemeindeversammlung fand nun wirklich statt, schritt über den Protest des Herrn Schmidlin zur Tagesordnung und nahm die Wahl vor. Es waren zwei Kandidatinnen mit Kompetenzzeugnissen angemeldet : eine klösterliche Lehrschwester aus Menzingen, Kath. Huber aus Mosnang (Kanton St. Gallen), und eine weltliche Lehrerin, Jungfer Putschert aus Luzern. Erstere wurde mit großer Mehrheit von der Gemeindeversammlung auf ein Jahr gewählt.

Mittelst Eingabe vom 28. September sezte Herr Schmidlin das Departement des Innern von diesen Thatsachen in Kennlniß und ergänzte den frühern Rekurs durch das Begehren, daß auch diese Verhandlung der Gemeindeversammlung als ungültig aufgehoben werden möge, und zwar vorab aus dem formellen Grunde, weil nach eingelegtem Rekurse und vor,Erledigung desselben durch die Bundesbehörden die Gemeinde Ruswyl nicht befugt war, die

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Lehrerin-Wahl vorzunehmen, sodann aus den früher schon angeführten materiellen Gründen, weil die Rekurrenten ihre Töchter keiner Klosterfrau zur Erziehung und Ausbildung anvertrauen wollen und dazu auch nicht angehalten werden können. Die fragliche Schule muß, als öffentliche Schule, sofern die Rekurrenten von der Benuzung nicht ganz ausgeschlossen werden sollen, konfessionslos und weltlich sein. Eine Klosterfrau nun aber kann nach ihren Ordensregeln nie konfessionslosen Unterricht ertheilen. Schließlich verwahren sich die Rekurrenten neuerdings gegen eine Besteurung für eine Schule, welche mit den 'Grundsäzen des Art. 27 der Bundesverfaßung im Widerspruche steht.

IV. D e r R e g i e r u n g s r a t h v o n L u z e r n b e a n t w o r t e t e die ihm zur Vernehmlassung mitgetheilten Beschwerden mittelst Eingabe vom 10. November im Wesentlichen mit folgenden A u s e i n a n d e r s e z u n g e n : Was die angeblichen f o r m e l l e n M ä n g e l betrifft, auf welche gestüzt die Beschwerdeführer Kassation von Gemeindeverhandlungen in Ruswyl verlangen, so steht den Bundesbehörden ein Entscheidungsrecht hierüber nicht zu. Die Beschwerdeführer behaupten selbst nicht, daß die Bundesverfassung, ein Bundesgesez oder die Kantpnsverfassung verlezt worden sei. In Frage steht ein kantonales Gesez: darüber aber, ob ein kantonales Gesez verlezt worden sei, haben nicht die Bundesbehörden, sondern einzig die zuständigen Kantonsbehörden zu erkennen.

Diese Beschwerde ist übrigens a u c h an s i c h n i c h t beg r ü n d e t . Die Gemeindeversammlungen vom 7. Mai, 25. Juni und 24. September0 wurden in den Pfarrkirchen sämmtlicher Kirchgemeinden , zu welchen Einwohner der politischen Gemeinde Ruswyl gehören, ausgekündet. Namentlich geschah dieß auch in der Pfarrkirche zu Buttisholz, wie es sich aus der (bei den Akten liegenden) Bescheinigung des dortigen Kantonsblattverlesers ergibt. -- Richtig ist, daß an der Gemeindeversammlung vom 25. Juni die Bürgerliste nicht verlesen und von der Gemeindeversammlung darüber nicht abgestimmt wurde, ob die Verlesung stattfinden solle oder nicht. Dieser Umstand müßte in Betracht fallen, wenn von den Rekurrenten behauptet würde, daß irgend ein Nichtstimmberechtigter an der Gemeindeversammlung Theil genommen hätte. Dieß ist aber nicht der Fall, und es bleibt ein unerheblicher Formfehler, welcher um so eher zu entschuldigen ist, als auch kein -einziger Bürger die Vornahme der Verlesung verlangt hatte.

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Was sodann die m a t e r i e l l e n R e k u r s m o t i v e anbelangt, so verlangt der Art. 27, Lemma 3 der Bundesverfassung bloß, ^daß die öffentlichen Schulen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können", was die Anstellung einer Lehrschwester nicht ausschließt, indem mit Ausnahme .des Religionsunterrichts die übrigen Unterrichtsfächer die Religions- und Gewissensfreiheit nicht berühren, vom Besuche des Religionsunterrichts aber, falls die Lehrschwester denselben ebenfalls zu ertheilen hätte, auf Verlangen des Inhabers der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt die betreffenden Töchter dispensirt würden. Nach § 73 des Erziehungsgesezes von 1848 hat der Erziehungsrath die Lehrbücher an allen öffentlichen Erziehungs- und Bildungsanstalten zu bezeichnen oder zu genehmigen. An diese haben sich die Lehrer und Lehrerinnen zu halten und darnach zu unterrichten, und die Schulaufsichtsbehörden haben darüber zu wachen, daß dieß wirklich geschehe. Sollte aber dessen ungeachtet der Fall eintreten, daß die Lehrerin, abgesehen vom Religionsunterrichte, in den andern Fächern den Unterricht nicht so ertheilte, daß derselbe von den Angehörigen jeder Konfession ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden kann, oder sollten die Rekurrenten finden, die vom Erziehungsrathe bezeichneten, beziehungsweise genehmigten Lehrbücher entsprechen der bezüglichen Forderung der Bundesverfassung nicht, dann mögen sie hiegegen Beschwerde führen ; im vorliegenden Falle aber ist, weil auf keine derartige Behauptung oder nachgewiesene Thatsache gestüzt, der Rekurs grundlos.

Ebenso ist das Begehren um B e f r e i u n g i h r e s S t e u e r k a p i t a l s vom Beitrage an die Kosten mehrgenannter Schule abzuweisen. Denn entweder ist der betreffende Gemeindebeschluß nach Verfassung und Gesez zulässig oder er ist es nicht. Im lezteren Falle müßte der Beschluß einfach aufgehoben werden; im erstem Falle, welcher zutrifft, müssen sich die Beschwerdeführer der Mehrheit der Gemeindeversammlung fügen, da es sich hier durchaus nicht um Ausgaben für Kultuszweke handelt.

Der Bericht des Regierungsrathes gibt .sodann nähere Nachweise sowohl über die .Zahl der, im Kanton Luzern an öffentlichen Schulen angestellten Lehrschwestern,
wie über deren Qualität und Leistungen. Aus denselben ergibt sich, daß unter den 244 Lehrern und Lehrerinnen des Kantons 6 Lehrschgestern sich befinden, und daß die Leistungen der Lehrschwestern und deren Schulen hinter dem Durchschnitte derjenigen des im Kantone wirkenden Lehrerpersonals im Allgemeinen nicht zurükstehen. Allerdings seien bei den Kompetenzprüfungen im lezten Herbste (1875) drei Lehr-

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Schwestern bei der daherigen Prüfung durchgefallen, haben aber eben deßwegen kein Wahlfähigkeitszeugniß erhalten und können daher auch nicht als Lehrerinnen angestellt werden ; andere dagegen haben die Prüfung mit gutem Erfolge bestanden und so namentlich gerade die in Ruswyl gewählte.

Auf das Anbringen der Rekurrenten, daß die Lehrschwestern.

alle sehr eifrig bemüht seien, ihrer religiösen Anschauung in den verschiedenen Familienkreisen Eingang zu verschaffen u. s. w., erwidert der Regierungsrath, daß wenigstens bei ihm oder dem Erziehungsrath noch nie irgend eine Klage gestellt oder ihm sonstwie mitgetheilt worden sei, daß irgend eine Lehrerin aus dem Ordensstande Intoleranz sich habe zu Schulden kommen lassen, und es dürfe also bis auf Weiteres angenommen werden, es sei auch diese Anschuldigung grundlos erhoben worden.

Auf diese Darlegung gestüzt s t e l l t der R e g i e r u n g s r a t h d e nA n t r a g , e s s e i d e r R e k u r s n e b s t N a c h t r a g in a l l e n T h e i I e n a b z u w e i s e n .

V. Auf den Wunsch der Rekurrenten, auf diese Beurtheilung ihrer Beschwerde erwidern zu dürfen, wurde ihnen dies gestattet.

Sie reichten in Folge dessen unterm 9. Dezember dem Bundesrathe ein n e u e s M e m o r i a l ein, aus dem wir Folgendes entnehmen : Es handelt sich im vorliegenden Rekurse vorab um die Frage, ob Verhandlungen und Beschlüsse dreier Gemeindeversammlungen von Ruswyl, deren materieller Inhalt den Art. 27 der Bundesverfassung verlezt, für die Rekurrenten formelle Gültigkeit haben.

Sowie nun der Bundesrath unbestritten kompetent ist, den materiellen Inhalt der Beschlüsse in den Bereich seiner Beurtheilung zu ziehen, so ist er gewiß auch kompetent, die formelle Verbindlichkeit derselben zu prüfen, weil beide Fragen in unzertrennlichem Zusammenhange stehen.

Die Kassationsbeschwerde selbst ist begründet, weil zugestandener Maßen die vorgeschriebene Verlesung der Bürgerliste unterlassen worden ist, und dieser Mapgel ist wesentlich, namentlich im Hinblik auf die geringe Betheiligung der Bürger an den daherigen Verhandlungen.

Die Replik ergeht sich sodann in allgemeinen Betrachtungen über die Ziele und den Charakter der klösterlichen Lehrerinnenbildungsanstalten, über deren nothwendige Folgen für die Anschauungen und .Tendenzen dßr, aus ihnen hervorgebenden Lehrerinnen, über die Unvereinbarkeit dieser Tendenzen mit dem Wesen und

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der Aufgabe der freien bürgerlichen Volksschulen, über die Berechtigung, der Einführung solcher Lehrerinnen in die öffentlichen Schulen entgegenzutreten und eventuell die finanzielle Mitunterhaltung solcher Schulen zu verweigern.

Als Beweis für die Tendenzen der die Lehrsehwestern protegirenden Geistlichkeit und die Unduldsamkeit, mit welcher einigermaßen liberaler denkende Lehrer im Kanton Luzern verfolgt werden, gibt diese Rekursschrift folgende Beispiele: a. Der Pfarrer von Großdietwyl beseitigte vor einem Jahre einen sehr tüchtigen Lehrer aus seiner Gemeinde mit der Erklärung: ,,Den will ich nicht mehr, er ist zu wenig katholisch.tc b. Der Pfarrer von Buttisholz erklärte jüngsthin dem dortigen Lehrer Meier, der an der Gemeinde gegen die Anstellung einer zweiten Lehrschwester stimmte: ,,Ihr habt gegen die Klosterfrau gestimmt; ich werde dafür sorgen, daß ihr entfernt werdet."

c. Ein Bezirkslehrer in Ruswyl, welcher die Mittheilung der Thatsache, daß nur etwa ein Zehntel der Erdbevölkerung sich zum Katholizismus bekenne, mit der Bemerkung begleitet hatte, es sei unrichtig, die andern neun Zehntel zu verdammen, und es könne nicht angenommen werden, daß Goft dieselben nur wegen des äußern Religionsbekenntnisses zur ewigen Verdammniß erschaffen hätte, wurde als Irrlehrer denunzirt und mit Absezung bedroht.

d. Ein Inspektor, welcher einen Besuch in der Schule einer Lehrschwester machen wollte, fand dieselbe geschlossen und erhielt vom Pfarrer die Auskunft, er habe sie entlassen, weil sie von ihrer Oberin in Ingenbohl zur Abhaltung vom Exerzitien in's Mutterkloster berufen worden sei.

VI. In seiner D u p l i k vom 12. Januar 1878 bekämpft deifi e g i e r u n g s r a t h , unter Verweisung auf seine erste Vernehmlassung, die Behauptungen' der Rekurrenten und beleuchtet die angeführten speziellen Angaben mit folgenden Erklärungen.

Ad a. Ein Pfarrer kann einen Lehrer weder wählen noch beseitigen ; Lezteres steht allein dem Regierungsrathe zu.

Ad b.. Laut beigelegten Zuschriften bestreiten sowohl der Pfarrer als der betreffende Lehrer die Richtigkeit der Angaben.

Ad c. Der Regierungsrath weiß durchaus nichts von Absezungsdrohungèn. Zeitungen haben jedenfalls nicht die Macht, einen Lehrer zu entfernen.

452 Ad d. Der Grund vorzeitiger Schließung der fraglichen Schule sei lediglich der frühere Beginn ländlicher Hauptarbeiten gewesen.

B. Beschwerde von Buttisholz.

1. Diese Beschwerde, datirend vom 29. Oktober 1876, wurde beim Bundesrath eingebracht von Hrn. Jul. Schmid, Kaufmann in Buttisholz, und 21 Bürgern und Einwohnern dieser Gemeinde. Die Thatsachen, welche zu dieser Beschwerde Veranlaßung gegeben haben, sind nach der Darstellung der Rekurrenten folgende : Im September 1874 sandte der Erziehungsrath eine Conventualin Cäcilia Abletshausen aus dem Töchterlehrinstitute Ingenbohl, Kanton Schwyz, als Lehrerin an die Unterschule zu Buttisholz, obschon dieselbe über den Besiz der Kompetenzfähigkeit sich gar nie gesezlich ausgewiesen hatte, sondern lediglich ihre klösterlichen Zeugnisse besaß. Diese Lehrschwester wurde im September 1875 für ein Jahr gewählt, und ein liberaler, sehr tüchtiger Lehrer, mit den ersten Zeugnissen versehen, verdrängt.

Unterm 15. Oktober 1876 wurde sie sodann, obschon ihre lezte Schulprüfung sehr mangelhaft ausgefallen, auf 4 Jahre an die obere Töchterschule definitiv gewählt.

Gleichzeitig mit dieser Wahl wurde von gleicher Gemeinde noch eine zweite Lehrschwester aus Menzingen, Kanton Zug, Adelheid Bucher von Buttisholz, an die untere Primarschule berufen, nachdem sie, ebenfalls nur auf ihre klösterlichen Zeugnisse hin, vom Erziehungsrath ein Wahlfähigkeitszeugniß erhalten hatte.

Die Rekurrenten verlangen nun, daß diese beiden Wahlen kassirt werden, aus folgenden Gründen : a) Die Schulen, an welche die genannten Lehrerinnen gewählt sind, sind öffentliche Schulen und müssen als solche kraft Art. 27, Lemma 3, der Bundesverfassung von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können. Nun sind aber die Genannten theils Angehörige, theils Zöglinge eines jesuitisch gesinnten Klosterinstitutes. Solche Klosterschulen gestatten nach ihren Ordensregeln k e i n e s t a a t l i c h e A u f s i c h t , k e i n e w e l t l i c h e L e i t u n g derselben. S i e empfangen .ihre Parole einzig von ihren Klosterobern und verfolgen eine spezifisch jesuitisch-klösterliche Richtung. , · Soloher Erziehung .wollen die Rekurrenten, katholische liberale Bürger, ihre Töchter nicht anvertrauen, und sie halten

453 dafür, daß sie nicht nur hiezu nicht gezwungen, sondern auch, kraft Art. 27 der Bundesverfassung, zur Steuerentrichtung an diese Klosterschule nicht angehalten werden können.

b) Im Kanton Luzern sind bereits 10 Primarschulen mit Lehrschwestern besezt. Keine der Angestellten besizt die gesezlich erforderte Kompetenzfähigkeit ; k e i n e d i e s e r S c h u l e n l e i s t e t das b u n d e s g es e z l i c h g e f o r d e r t e M i n i mum der B i l d u n g s l e i s t u n g , wie sich dieß ohne Zweifel durch eine amtliche Untersuchung herausstellen würde.

«) Die fraglichen Schulen sind n i c h t k o n f e s s i o n s l o s und gestatten keine staatliche Aufsicht und Leitung.

d) Es wird in ihnen der G e i s t r e l i g i ö s e r I n t o l e r a n z gehegt und groß gezogen, und es ist in Folge dessen öfters vorgekommen, daß die Kinder überzeugungstreuer, liberaler Eltern zurükgesezt und verfolgt worden sind.

Die Rekurrenten stellen daher das G e s u c h : 1. Die zwei Gemeind e b e s c h l ü s a e , beziehungsweise L e h r e r i n n e n w a h l e n der Gemeinde Buttisholz, vom 15. Oktober 1876, s e i e n g e m a ß Ar t. 27 der B u n d e s verfassung aufzugeben.

2. E v e n t u e l l sei zu erkennen, daß diese Beschlüsse für die S t e u e r p f l i c h t der R e k u r r e n t e n k e i n e v e r bindlichen Folgen haben.

II. D e r R e g i e r u n g s r a t h v o n L u z e r n e r w i d e r t auf diese ihm zur Vernehmlassung mitgetheilte Beschwerde in seiner Eingabe vom 11. Dezember 1876 im Wesentlichen F o l g e n d e s : Was die Kompetenzertheilung an die Schwester Abletshausen anbetrifft, so hat der Erziehungsrath allerdings auf Zeugnisse hin, allein nicht auf klösterliche, sondern auf solche, und zwar gute, von staatlichen Schulbehörden über bisherige Schulführung derselben, der Gemeinde Buttisholz gestattet, sie für das Schuljahr 1874/75 als Lehrerin anzustellen. Es liegt in diesem Verfahren des Erziehungsrathes nichts Ungesezliches ; kann er doch gemäß § 9 der Voziehungsgs Verordnung von '1869 zum Geseze über Anstellung und Entlassung der Lehrer, vom Jahre 1864, selbst den Lehramtskandidaten, die sich noch gar nicht praktisch ausgewiesen, beim Austritt aus dem Seminar ein provisorischeWahlfähigkeits-szeugniß auf ein Jahr ausstellen. Durch ihre Anstellung wurde kein Lehrer verdrängt, indem an deTöchterschulele schon «vorher eine Lehrerin und nicht ein Lehrer angestellt gewesen war.

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Was die Schulprüfungen anbetrifft, so erhielt die fragliche* Lehrerin, wie sich aus den vom Ortsinspektor und vom Kreisinspektor ihr für die Kurse vom Winter 1875/76 ertheilten Note» ergibt, überall wenigstens die Note ,,guta.

Jungfer Adelheid Bucher von Buttisholz ist weder Lehrschwester,, noch sonst Angehörige irgend eines Klosters oder Ordens, sondern weltlichen Standes. Sie erhielt Kompetenz, und zwar bloß provisorische, für ein Jahr, gestüzt auf einen vom Erziehungsrathe des Kantons Zug auf Grund einer Prüfung ihr ausgestellten Kompetenzakt für Primarschulen des dortigen Kantons.

·Auf die fernem Anbringen der Rekurrenten erwidert der Regierungsrath : Ad a. Die von Lehrschwestern geführten Schulen sind ganz wie alle anderen öffentlichen Volksschulen des Kantons einer staatlichen Aufsicht und Leitung unterstellt, und es ist der Regierung, noch gar nie mitgetheilt worden, als wolle Schwester Abletsbauserr diese nicht anerkennen.

Ad b. Es sind im Kanton Luzern gegenwärtig in Wirklichkeit bloß fünf Primarschulen mit Lehrschwestern oder weiblichen Ordenspersonen besezt. Alle besizen Wahlfähigkeitszeugnisse und zwar 3 auf Prüfungen, 2 auf ihre Leistungen hin, welches leztere durchaus zuläßig ist.

Was die Leistungen ihrer Schulen betrifft, so verweist die Regierung auf ihre Nachweise in der Vernehmlassung über den Ruswyler Rekurs, ebenso bezüglich der Auslassungen sub e und d der Rekursschrift, und schließt auch hier mit dem Antrage, es sei der Rekurs abzuweisen.

Nach Einsichtnahme der Beschwerden von Ruswyl und Buttisholz und deren Beantwortung durch die Regierung von Luzern fand d i e B u n d e s b e h ö r d e sich veranlaßt, ü b e r d i e t h a t s ä c h lichen Schulverhältnisse in jenen Gemeinden und über die W i r k s a m k e i t der Lehr S c h w e s t e r n ü b e r h a u p t mit R ü k s i c h t auf die gegen sie angeb r a c h t e n K l a g e n und die Vorschriften des Art. 27 der Bundesverfassung w e i t e r e E r h e b u n g e n anzuordnen, um so mehr als inzwischen ähnliche Beschwerden auch aus einem andern Kanton eingelangt waren.

· · Mit der bezüglichen Untersuchung 'wurde vom Departement des Innern, soweit es die Schulen der Lehrschwestern im Kanton

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Luzern betraf, Herr Ständerath Birmann in Liestal beauftragt, welcher über d i e E r g e b n i s s e s e i n e r U n t e r s u c h u n g e n durch Eingabe vom 17. Juni 1877 dem Departemente Bericht erstattete.

Der genannte Delegirte hat persönlich die S c h u l e n d e r L e h r s c h w e s t e r n in R u s w y l und B u t t i s h o l z , wie auch andere Lehrschwesterschulen besucht. Sein Bericht lautet über beide Schulen, sowohl was die Befähigung der Lehrerin und ihre Unterrichtsmethode, als auch was die geistige Entwiklung der Schülerinnen betrifft, günstig. Weder da noch dort machte er Wahrnehmungen, welche darauf hätten schließen lasset), als ob die Lehrerinnen das Konfessionell-Religiöse mit Allem vermengen und darauf ausgehen würden, in den Kindern den Geist religiöser Intoleranz zu pflanzen. In allen durchgesehenen Schulheften, sagt der Berichterstatter über Ruswy], spricht sich der nüchternste Geist aus : die alltäglichen Bedürfnisse und Vorkommnisse, Besehreibungen und geschichtliche Erzählungen bilden den Inhalt der Aufsäze; selten nur ist ein allgemein religiöser Anklang zu finden.

Ueber die Frage, ob die S c h u l e n der L e h r s c h w e s t e r n ü b e r h a u p t den Forderungen, des Art. 27 der Bundesverfassung nachkommen, lautet das Urtheil des Delegirten, gestüzt auf die in ·verschiedenen Kantonen vorgenommenen Untersuchungen solcher Schulen, im Wesentlichen dahin: 1) Betreffend g e n ü g e n d e n U n t e r r i c h t : Die besuchten Schulen gehören unter die bessern der ihm bekannten Anstalten dieser Altersstufe. Die Schulen der Lehrschwestern ertheilen den Primarunterricht in so genügender Weise, als andere Schulen unter den gleichen Verhältnissen.

2) Betreffend die ausschließlich s t a a t l i c h e L e i t u n g : Die Akten und die Thatsaehen zeigen, daß die Leitung der Schulen der Lehrschwestern ausschließlich in der Hand des Staates liegt. Patentirung, Wahl und Entlassung, Lehrmittel, Lehrplan, Schulordnung, Inspektion, dieses Alles wird durch die Staatsgeseze bestimmt.

Wenn mit Recht ein Bedenken entstehen muß darüber, daß das Recht der Abberufung und Versezung einer Lehrerin nach den Konstitutionen auch den Obern der Kongregationen vorbehalten wird, so spricht, nach dem Berichte, ein anerkannter Gewährsmann sich dahin aus, daß eine Versezung glüklieh wirkender
Lehrerinnen in praxi nur selten vorkomme, dagegen schon bei leise erhobenen Bedenken der Schulbehörde mangelhafte Lehrerinnen ohne Anstand oder Aufsehen zurükgezogen worden seien.'

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3) Betreffend die Möglichkeit des B e s u c h e s i h r e s U n t e r r i c h t s Seitens der A n g e h ö r i g e n anderer B e k e n n t n i s s e o h n e B e e i n t r ä c h t i g u n g ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit: Daß die Lehrschwestern sehr gläubige Katholikinnen sind, das.

ist klar; aber darin liegt wohl kein Ausschließungsgrund, so wenig als wir einen solchen finden können für die Ausschließung irgend welcher andern religiösen Richtung, deren die schweizerische Lehrerschaft so viele umfaßt. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist auch jedem Lehrer gesichert, und keine Richtung hat ein Monopol für die Schulführung. Alle können nebeneinander wirken an der Schule, wenn sie erfüllt sind von jener von Pestalozzi geforderten Achtung vor der Individualität des Kindes.

Daß die Lehrschwestern römisch-katholische Propaganda machen, ist behauptet, aber nicht bewiesen worden. Der Hinweis auf die Schulhefte hat keinen Anhalt gegeben; die ebenfalls mündlich behauptete Thatsache, daß die Lehrschwestern mit dem Stundenschlage jeden Unterricht mit einem Gebete unterbrechen sollten, vermochte ich nicht festzustellen. In keiner der besuchten Schulen ist dieß vorgekommen.

In den Akten ist nicht Eine Thatsache der Intoleranz und deiPropaganda konstatirt: die Anklagen betreffen im Allgemeinen die geistige Richtung der Lehrerinnen.

Auch in der Organisation des Instituts besteht nicht jener Zusammenhang mit dem Orden der Jesuiten, welcher die Ursulinerinnen in so bedenklichem Lichte erscheinen läßt.

Für jezt, so schließt der Bericht, halte ich dafür, daß k e i n Grund'vorliegt, der den Bund veranlaßt, auf G r u n d des Art. 27 d e r B u n d e s v e r f a s s u n g g e g e n d e n K a n t o n L u z e r n Verfügungen zu treffen.

In Erwägung: 1. Die Rekurrenten von Ruswyl verlangen Kassation der Beschlüsse der Gemeindeversammlung vom 25. Juni 1876 wegen U n t e r l a s s u n g gewisser vom luzernischen Organisationsgesez vorgeschriebenen Förmlichkeiten.

Es steht nun aber der Entscheid darüber, ob fragliche Gemeindeversammlung nach luzernischem Gesez gültig zusammenberufen worden sei und gültig verhandelt habe, nicht denti Bundesrathe, sondern der Kantonsbehörde von Luzern zu, welche die an

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sie gerichtete Beschwerde abgewiesen und die Beschlüsse als gültig anerkannt hat.

2. Die Rekurrenten von Ruswyl und von Buttisholz bes t r e i t e n übereinstimmend d i e Z u l ä ß i g k e i t d e r A n s t e l l u n g von L e h r s ch w e s t e r n in ö f f e n t l i c h e n Schulen, gestüzt auf Art. 27 der Bundesverfassung, weil a. dieselben k l ö s t e r l i c h e O r d e n s s c h w e s t e r n sind; b. ein g e n ü g e n d e r P r i m a r u n t e r r i c h t von ihnen nicht e r t h e i l t w i r d und in Folge eigener mangelhafter Bildung nicht ertheilt werden kann; c. ihre Ordensregel sie auch in Betreff ihrer Schulführung an die Weisungen ihrer klösterlichen Vorgesetzten bindet und somit sie und i h r e S c h u l e n der s t a a t l i c h e n Leitung entzieht; d. ihr U n t e r r i c h t , als durch und durch konfessionell, nicht d e r Art ist, daß die Angehörigen anderer Bekenntnisse denselben o h n e B e e i n t r ä c h t i g u n g i h r e r G l a u b e n s und G e w i s s e n s f r e i h e i t besuchen können.

3. Hierauf bezüglich ist zu bemerken: Ad a. Nach Art. 51, Lemma l, der Bundesverfassung sind vom Unterricht an den Schulen ausgeschlossen die Mitglieder des Ordens der Jesuiten und solcher Gesellschaften, welche diesem Orden affiliirt sind, und nach Art. 51, Lemma 2, kann dieses Verbot durch Beschluß der Bundesversammlung auch auf andere Orden ausgedehnt werden, deren Wirksamkeit staatsgefährlich ist oder den Frieden der Konfessionen stört.

Keines von beiden trifft dermalen bei den Lehrschwestern zum heiligen Kreuz zu. Ebensowenig enthält der angerufene Art. 27 eine Bestimmung, welche Ordenspersonen im Allgemeinen von dem Lehramt an öffentlichen Schulen ausschließen würde.

Ad b. Es ist nicht behauptet worden, daß die Forderungen, welche im Kanton Luzern für die Erwerbung des Wahlfähigkeitszeugnisses an die Aspiranten gestellt werden, überhaupt zu niedrige seien, um einen genügenden Primarunterricht zu sichern, und es sind auch keine Thatsachen vorhanden, welche zu dieser Annahme berechtigen. Nach den Erklärungen der Regierung von Luzern muß der Bundesrath annehmen, daß Lehrsehwestern, wenn sie ein Wahlfähigkeitszeugniß für den Kanton Luzern erwerben wollen, sich der vorgeschriebenen Prüfung zu unterziehen haben und daß an sie dieselben Forderungen gestellt werden, wie an

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weltliche Aspiranten und Aspirantinnen, was durch die mitgetheilte Thatsache bestätigt wird, daß an einer im Herbst 1875 abgehaltenen Prüfung drei Lehrschwestern durchfielen. Es darf daraus der Schluß gezogen werden, daß Lehrschwestern, welche ein Wahlfähigkeits.zeugniß erworben haben, zur Ertheilung eines genügenden PrimärUnterrichts hinlänglich qualifizirt sind. Ob Seitens der Behörde von der Bestimmung des luzernischen Gesezes, wonach auch ohne Prüfung eine Licenz zum Unterricht ertheilt werden kann, ein die Lehrschwestern ausnahmsweise begünstigender Gebrauch gemacht .werde, läßt sich aus den Akten nicht mit Sicherheit beurtheilen.

Dagegen ergibt sich aus den von der Regierung von Luzern den Inspektionsberichten über den Stand der Schulen entnommenen .Nachweisen, daß die Schulen der Lehrschwestern bezüglich der Leistungen nicht unter dem Durchschnitt der gleichartigen Schulen stehen, ein Ergebniß, auf welches auch der eidgenössische Delegirte nach eigenen Untersuchungen, namentlich bei den betreffenden Schulen in Ruswyl und Buttisholz, gekommen ist.

Ad c. 1) Die Konstitutionen des Instituts der Lehrs c h w e s t e r n v o m III. O r d e n d e s h e i l . F r a n c i s c u s v o n Assisi, unter dem besondern Titel ,,Schwestern vom h. Kreuze", enthalten im 15. Kapitel, welches von der S c h u l e handelt, unter .anderen folgende Vorschriften : "Alle Schwestern sollen sich genau an die im Mutterhause .,,ihnen beigebrachte Methode halten, und keine darf aus was immer ,,für einem Grunde von sich aus irgend welche Veränderung vor. ,,nehmen weder an der Methode, an den Lehrfächern oder Büchern, ,,an dem Stundenplane, noch sonst. Wo sich Anstände ergeben, ,,Aenderungen wünschbar oder nothwendig erscheinen, haben sie ,,sich an die Vorgesezten des Mutterhauses zu wenden und ihrer .,,Weisung sich su fügen" Im 17. Kapitel (Verhalten gegen Gemeinde- und Schulb e h ö r d e n ) steht sub N. 2 Folgendes: ,,Werden ihnen vom Schulinspektor oder irgend einer andern .,,Behörde Wünsche geäußert oder Zumuthuugen gemacht, irgend ,,etwas in der Schule einzuführen, was sich in der vorgeschriebenen .,,Schulorganisation nicht vorfindet, so sollen siedieselben mit Hin,,weisung auf ihre Regel an die Vorgesezten verweisen.a Im 18. Kapitel (die Versezungen) findet sich folgende Vorschrift : · ,,Keine'Schwester welche versezt wird, darf Abschiedsbesuche ,,machen " oder den Gemeindevorstehern von ihrer Versezung Kennt-

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,,niß geben. Diese angehen, daß sie um ihre Beibehaltung an die ,,Vorgesezten schreiben, wäre ein Verbrechen gegen d;;u Gehorsam, ,,und es wird solchen Ansuchen nie entsprochen werden."

Unter den Bedingungen hinsichtlich U e b e r n a h m e von E l e m e n t a r s c h u l e n (IV. Abschnitt, 2. Kapitel) ist Folgendes vorgeschrieben : *5 1) ,,Die Hauptbedingungen bei Uebernahme einer Elementar.,schule sind folgende: a. ,,Es müssen die Schwestern auf der zu übernehmenden ,,Schulanstalt ihrem religiösen Berufe ungehindert obliegen ,,können."

b. ,,Es muß die Zusicherung gegeben werden, daß sie nach der ,,im Institute eingeführten, den Bedürfnissen der Zeit ent,,sprechenden Lehrmethode ohne Beeinträchtigung von irgend ,,einer Seite her lehren dürfen. Man kann sich jedoch zum ,,Gebrauche anderer Lehrbücher, zur Uebernahme mehrerer ,,Fächer, als der Schulplan enthält, bestimmen lassen, wofern ,,es durchaus gefordert würde, und bei der Anwendung jener ,,und Einführung dieser die Lehrmethode des Institutes, die ,,überall die gleiche sein muß, keine Aenderung erleidet."

2) ,,Es sollen die Vorgesezten sich jedesmal um die hierauf .,,sich beziehenden Geseze genau erkundigen."

3) ,,Der Vertrag zwischen den Vorgesezten des Instituts und ,,den Gemeindevorstehern ist schriftlich zu verfassen, von beiden ^Kontrahenten zu unterzeichnen und jedem derselben ein Exemplar ,,zuzustellen."

4) Wo die Prüfung sämmtlicher Lehrpersonen durch Landes,,geseze vorgeschrieben ist und dieselbe auf angemessene Petition ·,,hin nicht erlassen wird, dürfen sich die Schwestern derselben ,,unterziehen."

In dem Kapitel über ,,Besezungen, der L e h r s t e l l e n " steht folgende Bestimmung: .......

,,Es liegt im Rechte, wie in der Pflicht der Vorgesezten, die ,,Schwestern auch im Laufe des Jahres zu versezen, wofern der ,,Zwek des Institutes, das Wohl des Ganzen wie der Einzelnen ,,es erheischt. Dieß Recht sollen sich die'Vorgesezten bèi Schließung ,,eines Vertrags ausdrüklich vorbehalten.,.. Solche .Verätzungen sollen ,,jedoch nie Folge einer Aufwallung, Leidenschaft, menschlicher ,,Rüksicht sein und überhaupt nicht' zu häufig stattfinden."

Bundesblatt. 32. Jahrg. Bd. I.

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2) Der S c h u l p l a n der L e h r s c h w e s t e r n sezt im I. Abschnitt Zwek und Eintheilung der Schule fest, nennt im II. Abschnitt die Unterrichtsgegenstände und bestimmt den Stufengang des Unterrichts in allen Fächern für die sechs Klassen in detaillivter Weise, fixirt im Abschnitt III die Lehrmethode und gibt im Abschnitt IV die Lehrmittel an für die Schulen, für die Lehrerin und die Kinder.

3) Wenn die aus den Konstitutionen hervorgehobenen Vorschriften sammt Schulplan strenge beobachtet werden, so ist schwer einzusehen, wie behauptet werden kann, daß die Lehrschwestern und die von ihnen geleiteten öffentlichen Schulen bezüglich Wahl und Entlassung, Lehrmittel, Lehrplan, Schulordnung, Methode u. s. w.

ausschließlich unter staatlicher Leitung stehen, wie dieß von der Regierung von Luzern erklärt wird. Voll und ganz scheinen die beiden Verhältnisse nicht nebeneinander bestehen zu können.

4) Einen wenigstens theilweisen Aufschluß bieten die Erk l ä r u n g e n , welche die Obei'in des I n s t i t u t s von I n g e n b o h l in einem bei den Akten liegenden Schreiben an den eidgenössischen Delegirten abgegeben hat. Sie sagt; ,,Die Schwestern unseres Instituts haben , in welchem Lande immer sie bisher in öffentlichen Schulen thätig waren, in Wirklichkeit alle für die öffentlichen Schulen von den resp. Staatsbehörden aufgestellten Vorschriften über Schulführung, Lehrmittel und Stundenplan unbedingt beobachtet und waren auch jederzeit bemüht, den ausgesprochenen Wünschen der Schulinspektoren nachzukommen und deren Weisungen zu befolgen. Wir hatten in dieser Beziehung weder in der Schweiz noch in Oesterreich irgendwelche Anstände mit den Erziehungsbehörden, und ist uns von leztern niemals eine diesbezügliche Klage zugegangen.11 ,,Die Vorschrift, welche der lehrenden Schwester jede Aenderung in der Methode, den Lehrfächern oder Büchern, im Stundenplan etc. verbietet, wurde von uns immer in dem Sinne aufgefaßt und verstanden, nämlich, daß nur von einem eigenmächtigen Vorgehen einer einzelnen Schwester die Rede sei. Wo aber Aenderungen als wünschenswerth oder nothwendig erscheinen, hat die einzelne lehrende Schwester in der Privatschule des Instituts sich die nöthigen Weisungen einzuholen und sich darnach zu richten.

Uebernimmt aber eine Schwester eine öffentliche Schule, so übernimmt sie sowohl
selbstverständlich als auch nach dem Willen ihrer Oberin die Pflicht, die staatlichen Vorschriften über Schulführung etc. unbedingt zu beobachten.a ,,Es wäre uns niemals beigefallen, die angezogene Bestimmung anders aufzufassen , und es würde uns Unrecht geschehen , wenn

461 man sie im Widerspruche mit unsern bisherigen Uebungen und unserer Auslegung deuten wollte. Der Gründer unseres Instituts, Pater Theodosius sei. , dürfte nach meiner Meinung beim Niederschreiben obiger Bestimmung kaum an die öffentlichen, sondern nur an die Privatschulen des Instituts gedacht haben. Und so wenden wir dieselbe auch nur auf die leztern an, obwohl auch in diesem Falle die Vorschriften der Landesbehörden nicht ohne wesentlichen Einfluß sind."

5) Es ist zu gewärtigen , ob in Schulen von Lehrschwestern Erscheinungen auftreten werden, welche sich mit der Vorschrift der ausschließlich staatlichen Leitung der öffentlichen Schulen thatsächlich in Widerspruch sezen. Was die Rekurrenten vorbringen, sind Befürchtungen, welche allerdings in den Konstitutionen der Lehrschwestern nur zu begründet sind. Sollte jener Vorschrift aber thatsächlich zuwider gehandelt werden wollen, so darf die Bundesbehörde von der Regierung von Luzern nach ihren bestimmten Erklärungen erwarten, daß sie nicht zögern werde, Ordnung zu schaffen, und behält sich im Uebrigen der Bundesrath vor, auf Klage und Nachweise hin das Erforderliche vorzukehren.

Ad d, 1. Die öffentlichen Schulen, in welchen Lehrschwestern unterrichten, können, es ist dies unbestritten, von den Angehörigen aller Konfessionen besucht werden ; ein Ausschluß wegen Glaubensansichten findet nicht statt.

Die Frage ist aber die, ob sie von Angehörigen anderer Glaubensbekenntnisse ,,ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit" (Art. 27 der Bundesverfassung, Lemma 4) besucht werden können.

2) Es wäre dies zunächst zweifelhaft, wenn unter den obligatorischen Lehrfächern auch der eigentliche Religionsunterricht nothwendig mit Inbegriffen sein sollte. Allein, wo dem auch so sein mag, so ist der Einzelne in seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit durch die Bestimmung des Art. 49, Lemma 2 der Bundesverfassung geschüzt, wonach Niemand zur .Theilnahme an einem religiösen Unterricht gezwungen werden kann , woraus folgt, daß da, wo Lehrschwestern in der öffentlichen Schule den Religionsunterricht ertheilen, dem Inhaber der väterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt freisteht, das angehörige Kind an diesem Unterricht theilnehmen zu lassen oder nicht.

Es darf auch nach demselben Artikel Niemand zur Vornahme einer religiösen Handlung angehalten, werden , woraus .folgt, daß, wo in einer öffentlichen Schule solche Handlungen, Gebete, rituelle

462 Ceremonien, ,,Reverenzlena, wie die Beschwerdeführer sagen, vorkommen, den Eltern und Vormündern, welche andere Glaubensansichten haben, für ihre die Schule besuchenden Kinder bezüglich dieser Handlungen dasselbe Recht zusteht, wie bezüglich des religiösen Unterrichts.

Endlich darf kraft desselben Artikels der Bundesverfassung Niemand wegen Glaubensansichten mit Strafen irgendwelcher Art belegt werden, womit also auch die Eltern und Vormünder für ihre die Schule besuchenden Kinder gegen jede Maßregelung, welche wegen ihrer eigenen Glaubensansichten gegen sie ins Werk gesezt werden sollte, verfassungsmäßigen Schuz in Anspruch nehmen können.

Es sind nun aber weder von den Rekurrenten von Ruswyl noch von denen von Buttisholz Thatsachen mitgetheilt, aus denen hervorgehen würde, daß in den Schulen der Lehrschwestern nach den genannten Richtungen verfassungswidrige Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit stattfinde.

3) Uebereinstimmend heben sie aber hervor, daß die Gefahr solcher Beeinträchtigung damit nicht beseitigt sei, daß ihre Kinder von dem eigentlichen Religionsunterricht der Lehrschwestem ferngehalten werden können , da dieselben auch den ganzen übrigen Unterricht absichtlich mehr oder weniger zum Religionsunterricht machen und zwar in dem klösterlich einseitigen, schwärmerischen, fanatischen Geiste, in dem sie erzogen und gebildet seien.

In der That schreibt die Schulordnung der Lehrschwestern vor : ,,Die R e l i g i o n s l e h r e , als Grundlage der ganzen Er,,ziebung, als Seele aller Bildung, muß j e d e n G e g e n s t a n d . ,, d u r c h d r i n g e n und ist mit A l l e m z u verweben,11 und es erscheint deßhalb nicht zutreffend , was die Regierung von Luzern in einer ihrer Erwägungen zum Abweisungsbeschlusse sagt, nämlich ,,die Anstellung einer Lehrschwester sei mit Art. 27, Lemma 3 der Bundesverfassung nicht im Widerspruch, indem mit Ausnahme des Religionsunterrichts die übrigen Unterrichtsfächer die Frage der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht berühren."

Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß diese ,,Verw e b u n g t t der Religionslehre mit den andern Unterrichtsfächern in den Schulen der Lehrschwestern wirklich existirt, in höherm Grade existirt als in den andern Schulen, und obschon dieselbe ihre Schranken .findet einerseits in der Natur einiger Unterrichtsfächer , andererseits in den staatlichen Vorschriften, welche, wie für den Kanton Luzern die dortige Regierung versichert, für sämmt-

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liehe Primarschulen den Unterrichtsplan, die Unterrichtsziele, die Lehrbücher etc. in verbindlicher Weise bestimmen, so liegt gleichwohl in jener ,,Verwebung" des Religiös-Kirchlichen mit dem ganzen Unterrichte, namentlich in öffentlichen Schulen solcher Gemeinden, in denen verschiedene Glaubensansichten und Bekenntnisse vertreten sind, eine unleugbare Gefahr. Diese scheint um so größer und bedenklicher zu sein, wo es sich um das Wirken von Lehrschwestern handelt, welche in besonderer Weise im Dienste der Kirche stehen, zu unbedingtem Gehorsam gegen ihre Obern verpflichtet sind und einem religiös-ascetischen Leben sich gewidmet haben.

Die Rekurrenten gründen immerhin auch in diesem Punkt ihre Klage mehr auf Befürchtungen, die zu hegen sie Grund zu haben glauben, als auf wirklich belegbare Thatsachen , welche Zeugniß dafür bieten könnten, daß Lehrschwestern in ihren Schulen der Glaubens- und Gewissensfreiheit Von Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften zu nahe treten. Die Regierung von Luzern bezeugt, daß ihr noch nie irgendwelche Klagen dieser Art gegen Lehrschwestern eingegangen seien, und auch der eidgenössische Delegirte erklärt, daß nach Allem , was er gesehen und gehört, den Lehrschwestern berechtigte Vorwürfe von Intoleranz und Betreibung von Propaganda nicht gemacht werden können.

Sollte diese Haltung, welche ihren Erklärungsgrund nicht in den Konstitutionen des Instituts findet, sich ändern und ihre religiös-kirchliche Tendenz in Unterrichtsfächern, welche obligatorisch sind, einen offensiven und aggressiven Charakter annehmen, mit welchem die Glaubens- und Gewissensfreiheit von Angehörigen anderer Bekenntnisse ungeschmälert nicht mehr bestehen könnte, dann würde, falls die betreffende Kantonsbebörde nicht ,von sich aus den durch Art. 27 der Bundesverfassung ihr obliegenden Verpflichtungen nachkommen würde, der Bundesbehörde die Pflicht zur Intervention erwachsen.

4} Die Rekurrenten verlangen endlich für den Fall, daß ihrem Begehren um Aufhebung der Wahlbeschlüsse von Ruswyl und Buttisholz nicht entsprochen werden sollte, E n t b i n d u n g von d e r S t e u e r p f l i c h t für den Unterhalt der mit Lehrschwestern besezten Schulen.

Hierauf ist zu bemerken, daß der Entscheid über, die Steuerpflicht an öffentliche Gemeindeausgaben Sache der,, .kantonalen Behörde ist, und daß auch in dem Fall, .wenn das "Begehren um Entbindung von der Steuerpflicht auf Art,49 leztesLemma, betreffend Kultussteuern, gegründet werden will, hierüber nach dem

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Gesez über Organisation der Bundesrechtspflege, Art. 59, Ziffer 6, nicht der Bundesrath, sondern das Bundesgericht zu entscheiden hat, beschlossen: 1. Die Beschwerde von Hrn. M. Schmidlin und Genossen in Ruswyl und diejenige von Hrn. J. Schmid und Genossen in Buttisholz ist im Sinne der Erwägungen als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung von Luzern, sowie den Rekurrenten zuzufertigen.

B e r n , den 24. Februar 1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess

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# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Stellung der Telegraphenausläufer.

(Vom 5. März 1880.)

Tit.

In der Sizung vom 17. Dezember 1879 haben Sie anläßlich der Büdgetberathung folgendes Postulat angenommen : ,,Der Bundesrath wird eingeladen, zu untersuchen, ob Maßregeln zu ergreifen seien, diejenigen Telegraphenausläufer, deren Zeit ganz dem Dienste der Verwaltung gewidmet ist, in ihrer Besoldung so zu stellen, daß solche für die nothwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht. * Da die Ansichten über die notwendigen Lebensbedürfnisse sehr weit auseinandergehen können, so wird sich der Bundesrath nicht darauf einlassen, zu untersuchen, ob die gegenwärtigen Besoldungen dieser Anforderung entsprechen oder nicht. Das Postulat zielt offenbar darauf hin, die finanzielle Stellung der fraglichen Angestellten zu verbessern, und der Bundesrath ist weit entfernt, dieser Tendenz grundsäzlich entgegentreten zu wollen, wenn er sich auch nicht verhehlen darf, daß hin und wieder Begehrlichkeiten auftauchen, welche zu den beanspruchten Leistungen und den dazu benöthigten Vorkenntnissen nicht im richtigen Verhältnisse stehen.

Bekanntlich besteht die Besoldung der Telegraphenboten aus einem fixen Gehalt und einer Provision von 5 Cts. für jedes be-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesrathsbeschluss in Sachen von Bürgern von Ruswyl und Buttisholz (Luzern) gegen die Regierung von Luzern, betreffend Beschwerden wegen Verlezung des Art. 27 der Bundesverfassung. (Vom 24. Februar 1880.)

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Bundesblatt

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Jahr

1880

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

13.03.1880

Date Data Seite

443-465

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10 010 619

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