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Bericht des

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Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über eine Eingabe des Hrn. Moriz R i e d m a t t e n in Sitten, betreffend seine Bevogtung.

(Vom 3. Januar 1880.)

Tit.

Unterm 15. Dezember vorigen Jahres ist uns vom Präsidium des Nationalrathes eine Eingabe des Hrn. Moriz R i e d m a t t e n in Sitten vom 11. Dezember 1879 zum Berichte überwiesen worden.

Hr. Riedmatten führt gegen unsern Bescheid Beschwerde, den wir ihm unterm 22. Juli 1879 auf seinen Rekurs gegen einen Beschluß des Großen Rathes des Kantons Wallis vom 21. Mai 1879 gegeben haben.

Aus der Eingabe des Rekurrenten und aus den von ihm beigebrachten Abschriften von Aktenstüken ergibt sieh folgender Thatbestand : Das Amtsblatt des Kantons Wallis vom Jahr 1878 enthält in der Nr. 14 eine Anzeige, wonach die Vormundschaftsbehörde (chambre pupillaire) von Sitten in ihrer Sizung vom 2. April 1878 den Hrn.

Moriz Riedmatten wegen Unfähigkeit (zu eigener Vermögensverwaltung) unter Vormundschaft gestellt hat.

Am 17. April 1878 erhob Riedmatten bei dem Bezirksgerichte Sitten Einsprache gegen seine Bevogtung. Er erklärte in dieser Eingabe, daß er gegen den Entscheid selbst nichts einwende; er sei bereit, die Verwaltung seines Vermögens, an wen es sein möge, zu übergeben; dagegen könne er den Ausdruk ,,Unfähigkeit (in-

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capacité), welcher gegen ihn gebraucht werde, nicht dulden; er enthalte für ihn eine öffentliche Beleidigung (un affront public).

Nach Anhörung des öffentlichen Berichterstatters und der Replik des Rekurrenten bestätigte das genannte Bezirksgericht am 26. Februar 1879 die über Hrn. Riedmatten verhängte Be-vogtung.

Hr. Riedmalten appellirte gegen dieses Urtheil. Der Appellationsund Kassationshof des Kantons Wallis bestätigte jedoch mit Urtheil vom 21. April 1879 die Bevogtung ebenfalls. Die Erwägungen dieses Urtheils gehen im Wesentlichen dahin, daß Hr. Riedmatten sei» Vermögen schlecht verwaltet und in seinem ererbten Vermögen von zirka Fr. 50,000' ein Defizit von nahe an Fr. 40,000 herbeigeführt habe; daß sein Vermögen bei guter Verwaltung zum Unterhalt seiner Familie reichlich genügt hätte, während seine mangelhafte Verwaltung ihn genöthigt habe, zur Bestreitung der laufenden Ausgaben Vermögensstüke zu veräußern, und daß die Fortsezung diet-es Verfahrens nothwendig den Ruin der Familie herbeiführen müßte.

Hr. Riedmatten wandte sich am 20. Mai 1879 an den Großen Rath des Kantons Wallis und verlangte die Aufhebung dieses Urtheils, weil es im Widerspruche stehe mit der Verfassung. Allein auf den Antrag des Staatsrathes vom 21. Mai 1879 schritt der Große Rath am gleichen Tage über den Rekurs zur Tagesordnung.

Hierauf beschwerte sich Hr. Ried matten mit Eingabe vorn 15. Juli 1879 bei dem Bundesrathe und stellte das Gesuch, derselbe möchte erklären : 1) daß der Werth seiner Güter nach der gegenwärtigen Kadastertaxe abzuschäzen sei; 2) daß die Gerichte in dieser Angelegenheit sich streng an den Wortlaut des Gesezes zu halten haben ; 3) daß das Urtheil des Appellationsgerichtes vom 21. April 1879, indem es die Bevogtung nicht bloß, wie die Vormundschaftsbehörde, wegen Unfähigkeit ausspreche, sondern dieselbe durch das weitere Motiv der Verschwendung verstärke, durch zweifache Bevogtung eine Erschwerung seiner Strafe und deßhalb eine Verlezung der Verfassung enthalte, somit unwirksam sei; 4) möchte der Entscheid des Großen Rathes als verfassungswidrig erklärt werden, weil dadurch in willkürlicher Interpretation das durch die Verfassung gewährleistete Petitionsrecht beeinträchtigt 'e1 worden.

Wir traten jedoch am 22. Juli 1879 auf diese Beschwerde nicht ein, weil das Vormundschaftsrecht Sache der Kantone ist und

235 ·wir uns somit nicht in der Lage befinden, die Frage prüfen und beurtheilen zu können, ob und inwiefern die Behörden des Kantons Wallis kantonale Vorschriften richtig oder unrichtig ausgelegt und angewendet haben bei der Behandlung dieser Vormundschaftsangelegenheit.

Endlich gelangt Hr. Riedmatten mit der uns überwiesenen Eingabe auch noch an die Bundesversammlung und verlangt nun, daß der Entscheid des Großen Rathes von Wallis als verfassungswidrig erklärt und im Weitern ausgesprochen werden möchte, der Bundesrath habe sich durch die Weigerung, auf seinen Rekurs einzutreten, einer strafbaren Rechtsverweigerung schuldig gemacht'.

Es scheint uns, daß diese kurze Darstellung der thatsächlichen Verhältnisse genüge, um sich davon zu überzeugen, daß die administrativen Bundesbehörden nicht kompetent sind, auf diese.Angelegenheit einzutreten. Das Civilrecht ist Sache der Kantone und somit auch das Vormundschaftswesen. Es kann darum auch von einer Rechtsverweigerung unsererseits nicht die Rede sein.

Die Frage, ob die Bevogtung des Hrn. Riedmatten gesezlich begründet sei oder nicht, steht lediglich den kompetenten Behörden des Kantons Wallis zu.

Glaubt aber der Rekurrent, es liege eine Verlezung der Kantonsverfassung vor, so mag er sich gemäß Art. 59 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 an das schweizerische Bundesgericht wenden.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 3. Januar 1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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Bericht des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über eine Eingabe des Hrn.

Moriz Riedmatten in Sitten, betreffend seine Bevogtung. (Vom 3. Januar 1880.)

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