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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Betheiligung des Bundes an den permanenten Schulausstellungen.

(Vom 23. November 1880.)

Tit.

Bei der lezten Büdgetberathung haben Sie anläßlich des Postens für Schulausstellungen den Bundesrath eingeladen, über die Frage der Betheiligung des Bundes an solchen Ausstellungen besondern Bericht zu erstatten. Dio Veranlaßung dazu waren Eingaben, die Ihnen damals von verschiedener Seite gemacht worden waren und von denen die einen die Ansicht vertraten, es solle der Bund seine Unterstüzung auf eine einzige der bereits schon bestehenden oder in Aussicht genommenen sogenannten permanenten Schulausstellungen konzentriren, während die andern den Wunsch aussprachen, es möchte der Bund solche Ausstellungen, sofern sie gewisse Bedingungen erfüllen würden, überall in gleicher Weise mit finanziellen Beiträgen bedenken.

Die Priorität in der Gründung und Einrichtung solcher Anstalten auf unserm Gebiet kommt Zürich zu, wo bereits im Jahre 1875 als Theil des Gewerbemuseums eine ,,permanente schweizerische Schulausstellung" entstand und mit Hülfe von Bund, Kanton, Korporationen und Privaten rasch sich entwikelte. Einige Jahre darauf folgte Bern und andere Kantone schienen sich anzuschiken, mit ähnlichen Anstalten in nächster Zeit in die Linie zu rüken.

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Ueber Zwek, Inhalt und allgemeine Organisation dieser Ausstellungen orientiren uns deren Programme. Wir entnehmen demjenigen von Zürich folgende Bestimmungen : Das Institut bezwekt eine permanente Ausstellung der Lehrmittel der schweizerischen Unterrichtsanstalten aller Schulstufen mit Ausschluß der Hochschulen und der polytechnischen Schule.

Es werden alle Kantone der Schweiz, somit auch die verschiedenen Sprachen und Nationalitäten berüksichtigt. Auf die schweizerische Ausstellung wird zuerst Bedacht genommen. Es soll jedoch auch das Ausland insoweit in Berüksichtigung gezogen werden, als es für unser schweizerisches Schulwesen von Einfluß und Interesse ist.

Es reihen sich die auszustellenden Objekte unter folgende Abtheiluugen : O Obligatorische Schulbücher, Veranschaulichungsmittel, Physikalische und chemische Apparate, Schulsammlungen, Schulutensilien, Baupläne und Modelle, Schulliteratur, Verschiedenes.

Fakultativ in Schulen eingeführte Lehrmittel kommen ebenfalls in Betracht. Die Ausstellungsobjekte werden zu beschaffen gesucht durch Schenkungen von Erziehungsbehörden, von Fabrikanten der Schulapparate, von Buchhandlungen, von Schulfreunden und durch direkten Ankauf. Objekte, welche nicht in's Schulfach einschlagen, sind von der Ausstellung ausgeschlossen. Es werden die Tit. Schulbehörden um jeweilige Zusendung der Jahresberichte, Geseze und Verordnungen, Programme etc. ersucht. Der Besuch der Schulausstellung' ist frei.

Im Wesentlichen ganz das gleiche Programm hat die permanente schweizerische Ausstellung in Bern.

Im dritten Jahre seines Bestehens war das Institut in Zürich, welches der Bund von Anfang an mit einer jährlichen Summe von Fr. 1000 unterstüzte, schon zu einer ansehnlichen Bedeutung herangewachsen und mit dem fortschreitenden Aufbau erweiterten sich auch seine Ziele und Bestrebungen. ,,Das Archiv,tt sagt der Jahresbericht pro 1877, ,,ist eine unserer Hauptaufgaben geworden. Wir gedenken nicht allein nach und nach alle Schriftstüke zu sammeln, welche zur Beschaffung einer schweizerischen Schulgeschichte von Interesse sind, sondern ebenso sehr die Gegenwart mit ihren Bestrebungen zu umfassen. Eine pädagogische Bibliothek, die kontinuir-

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sind in unser Programm aufgenommen. Dieß und die E r s t e l l u n g eines s c h w e i z e r i s c h e n S c h u l b ü r e a u sind Ziele, welche wir in Zukunft anstreben werden."· Die Ausführung des Art. 27 der Bundesverfassung, sagt hierüber ein Spezialbericht aus demselben Jahre, wird nicht auf die Dauer vertagt werden können. Andererseits sind die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, derart, daß die genaue Kenntniß der einschlägigen gegenwärtigen Verhältnisse und die allgemeine Verbreitung des Gefühls von der Nothwendigkeit eines einheitlichen Vorgehens innert bestimmter Schranken in allen Theilen unseres Vaterlandes die unerläßlichen Vorbedingungen des Gelingens bilden.

Es wird aber kaum auf anderem Wege ein richtiges Bild von dem, was im Schulwesen der 25 Kantone geleistet und nicht geleistet wird, zu gewinnen sein und es wird kaum auf anderem Wege dieses Bild zum allgemeinen Bewußtsein kommen, als indem man die Einrichtungen der verschiedenen Kantone mit ihren individuellen Vorzügen uad Nachtheilen neben einander stellt und auf diese Weise zu Jedem, der dafür Interesse hat, die Thatsacheu selbst sprechen läßt. Die Erkenntniß, daß es mit dieser Mannigfaltigkeit der Schuleinrichtungen in unserem kleinen schweizerischen Gemeinwesen nicht weiter gehen kann, die Erkenntniß, daß bei dem gesonderten Vorgehen der 25 kantonalen Schulverwaltungen in jeglichem Detail auf unnüzeste Weise Geld und gute Kraft vergeudet wird, während große erzieherische Aufgaben, deren. gedeihliche Lösung über die Kräfte der Einzelkantone geht, aus Mangel an Mitteln und Kräften brach liegen -- diese Erkenntniß wird, wie durch die schweizerische Schulausstellung überhaupt, so auch durch die hier besprochene Abtheilung gewekt und damit der Boden zu einer vernünftigen Centralisation geebnet, während gleichzeitig die Gefahr einer über die Nothwendigkeit hinausgehenden Nivellirung eben dadurch gemindert wird, daß das Schulwesen der verschiedenen Kantone unseres Vaterlandes vermittelst der Nebeneinanderstellung auch seine individuellen Vorzüge und berechtigten Eigentümlichkeiten zur Geltung bringen kann.

Diese Aufgabe hätte, nach der Ansicht des Berichterstatters, eine s c h w e i z e r i s c h e ' p ä d a g o g i s c h e C e n t r a l s t e l l e zu lösen,
eine Einrichtung ähnlich dem ungefähr in gleichen konstitutionellen Verhältnissen in Nordamerika existirenden und im ganzen Lande aufs Beste akkreditirten National-Bureau of éducation in Washington.

So kommt jener Bericht zu dem bestimmten P o s t u l a t e , ,,daß für die Schweiz eine C e n t r a l s t e l l e geschaffen werde, bei der eine genaue Kenntniß der schweizerischen Schul Verhältnisse und der schwei-

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zerischen Schulentwiklung, sowie eine Vergleichung mit den analogen Verhältnissen des Auslandes gewonnen werden kann," wobei die Meinung die ist, daß das Archivbüreau der Schulausstellung von Zürich, mit entsprechender Dotation durch den Bund, diese eidgenössische Aufgabe übernehme.

Am schweizerischen Lehrertag in Zürich, September 1878, welcher einer großen Anzahl von Schulmännern aus verschiedenen Theilen der Schweiz Gelegenheit bot, von der dortigen permanenten Schulausstellung Kenntniß zu nehmen, wurde von einem Vertreter der leztern der obige Gedanke auseinandergesezt und der Antrag gestellt: ,,Der Lehrertag spricht seine B e f r i e d i g u n g aus über die V er w i r k l i c h u ng der I d e e e i n e r p ä d a g o g i s c h en C e n t r a l s t ell e und e r s u c h t den B u n d , sowie auch die K a n t o n s regierungen um finanzielle U n t e r s tüzung."

Der Vorstand des schweizerischen Lehrervereins, welchem der Antrag zur weitem Behandlung und Erledigung überwiesen wurde, lud in dem Vereinsorgan zur Einreichung von Gutachten ein, wobei er die zu beantwortende Frage dahin formulirte: 1) Ob dem schweizerischen Schulwesen besser gedient sei durch Errichtung einer ei n z i g e n p ä d a g o g i s c h en Ce n tralst elle oder aber durch G r ü n d u n g z w e i e r o d e r m e h r e r e r solcher Anstalten?

2) Ob und in welcher Weise im lezteren Falle eine Vertheilung der Aufgabe auf die verschiedenen Institute durchgeführt werden könnte?

Die Ergebnisse der später in seiner Mitte vorgenommenen Berathung legte der Vorstand in einem Berichte vom August 1879 dem Bundesrathe vor und theilte denselben auläßlich der Büdgetberathung im Dezember 1879 unter Bezugnahme auf den im Budget enthaltenen Posten für Schulausstellungen auch den Mitgliedern der Bundesversammlung mit. Der Bericht kam zu folgenden Schlüssen: 1) Permanente Schulausstellungen sind ein unbestrittenes und wirksames Förderungsmitte) des Schulwesens eines Landes.

2) Abgesehen davon, ob schweizerische Kantonsregierungen, Ortsbehörden oder Vereine permanente Schulausstellungen gründen und unterhalten oder nicht, liegt es im hohen Interesse des schweizerischen Schulwesens, daß e i n e schweizerische permanente Schulausstellung mit pädagogischer Centralstelle bestehe und mit ausreichenden Mitteln versehen sei.

3) Die schweizerische pädagogische Centralstelle bedarf eines reichen Materials und einer fachmännischen Leitung, welche

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dasselbe geistig verarbeitet und die gewonnenen Resultate den weitesten Kreisen zugänglich macht.

4) Die schweizerische pädagogische Centralstelle kann ihre Aufgabe erfüllen, ohne reine Staatssache zu sein; sie sei und bleibe vorderhand ein von der Privatthäligkeit getragenes, von Behörden, Gesellschaften, Privaten subventionirtes und unterstüztes Werk öffentlicher schweizerischer Gemeinnüzigkeit.

5) Da eine solche Anstalt in erster Linie dem gemeinschweizerischen Interesse dient, dann aber auch den speziellen Schulzweken desjenigen Kantons oder Ortes, wo sie sich befindet, so werde sie unter angemessener Betheiligung dieses Kantons und Ortes vom Bunde subventionirt.

6) Als Siz der schweizerischen permanenten Schulausstellung wird Zürich vorgeschlagen, d. h. die in Zürich bereits bestehende Anstalt sollte im Sinne von These 4 zur schweizerischen pädagogischen Centralstelle erhoben werden.

Veranlaßt durch diese Vorstellung wandte sich die Direktion der schweizerischen permanenten Schulausstellung in Bern ebenfalls an die Bundesversammlung. Die bezügliche Eingabe ist zwar mit der ersten These, betreffend die Bedeutung von Schulausstellungen, vollkommen einverstanden, hält aber dafür, daß die Wirksamkeit einer Schulausstellung sich größtenteils auf das Gebiet desjenigen Kautons beschränke, in dessen Hauptstadt sie sich befinde, daß deßhalb dem Schulwesen des Landes weit mehr gedient sei durch eine Mehrzahl von Schulausstellungen in verschiedenen Theilen der Schweiz, als durch eine einzige, und daß die mögliche Reichhaltigkeit und Vollständigkeit einer solchen den großen Nachtheil einer für die große Mehrzahl sehr beschränkten Zugänglichkeit nicht aufwiege.

Sie erinnert im Uebrigen an die Erklärungen, o O O i welche bei Anlaß der ersten Bundessubvention in den Rätheu abgegeben worden seien und die dahin lauteten, daß jede permanente Schulausstellung, welche au irgend einem andern centralen Punkte der Schweiz errichtet würde, dasselbe Anrecht auf einen Bundesbeitrag habe, wie Zürich.

Die Bundesversammlung gewährte hierauf vorläufig einen Kredit von Fr. 3000 für permanente Schulausstellungen und lud gleichzeitig durch das Eingangs erwähnte Postulat den Bundesrath zur besonderen Berichterstattung über die Angelegenheit ein.

Seit jenem Beschlüsse hat sich die Sachlage nicht unwesentlich geändert.

Nach Abschluß einer Einvernahme der Kantonsregierungen über einen einläßlichen , von uuserm Departement des Innern vor-

445 gelegten Bericht, betreffend die Ausführung des Art. 27 der Bundesverfassung, haben wir im Laufe dieses Jahres eine Botschaft an Sie gerichtet, in welcher wir Ihnen, unter summarischer Mittheilung der Ergebnisse jener Einvernahme, die Notwendigkeit darlegen, behufs fortlaufender Ermittlung, Zusammenstellung und Berichterstattung über die Schulverhältnisse der Kantone, soweit sie in den Bereich des Art. 27 fallen, in dem Departemente des Innern eine eigene Beamtung zu errichten. Dieses Bureau entspricht bezüglich Zwek und Aufgabe im Wesentlichen der pädagogischen Centralstelle, wie sie sich Zürich als Spize seiner Schulausstellung dachte und welche von dem Vorstand des Schweiz. Lehrervereins so angelegentlich empfohlen wird. Wir pflichteten vollständig den Argumenten bei, welche von diesen Seiten für die Errichtung einer solchen Centralstelle angebracht worden sind , mußten uns aber überzeugen, daß es in keiner Weise anginge, aine so wesentliche Aufgabe der verantwortlichen Bundesbehörde der Privatthätigkeit zu überlassen.

So weit diese es auch gebracht haben mag, so lange es sich nur um Sammlung von Gesezen, Reglementen, Schulbüchern, Programmen etc. handelt, so rasch würde ein privates Komite seine Unzulänglichkeit erfahren, sobald besondere Enqueten bei den Kantonen zu machen wären, was zur Erfüllung der Aufgabe unumgänglich ist. Und in die Stellung kann sich die verantwortliche " Behörde nicht einlassen, daß sie nach dem Programm eines privaten Komites Enqueten macht, Materialien sammelt und dann auch die beliebige Verarbeitung diesem Kornite überläßt. Auch bezüglich der Kosten wäre dabei durchaus nichts zu gewinnen. Für die zu machenden Arbeiten müßten selbstverständlich entsprechende Kredite ausgesezt und dem Komite überhaupt ein Budget gegeben werden, welches ihm gestatten würde, sich bezüglich Hülfsarbeiter, Büreaubedürfnisse u. s. w. frei und ohne Beeinträchtigung seiner sonstigen Fonds zu bewegen. Es mag dieses System einfacher oder sogar zwekmäßig sein, wenn es sich um Ausführung einzelner abgegrenzter Aufgaben vorwiegend wissenschaftlicher Natur handelt, wie z. B. Herstellung der geologischen Karte, Bearbeitung und Herausgabe geschichtlicher Quellenwerke u. dg].; wo aber eine von der Verfassung dem Bunde übertragene Aufgabe von der Wichtigkeit vorliegt, wie die auf das Schulwesen
der Schweiz bezügliche ist, da muß dieselbe nothwendig von der verantwortlichen Bundesbehörde selbst an die Hand genommen und in der Hand behalten w erden. Bei dieser Einrichtung bleibt immerhin privater Bestrebung und Thätigkeit auf dem weiten Felde des Schulwesens voller Raum, und die staatliche Behörde selbst wird großen Werth darauf legen, in geeigneter Weise sich den Rath und die Beihülfe einsichtiger und erfahrener Fachmänner za sichern.

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Eines eigenen vollständigen Schulmuseums bedarf dieses amtliche Bureau nicht. Ihm genügt derjenige Theil, welcher bei der permanenten Schulausstellung unter dem Namen ,,Archiv" zusammengefaßt ist. Die Bundesbibliothek enthält jezt schon eine ansehnliche Sammlung bezüglicher Dokumente; diese wird zu ergänzen und zu einer besondern Abtheilung der Bibliothek zu gestalten sein. Dagegen haben wir für unsere Aufgabe physikalische und chemische Apparate, Schulsammlungen, Schulutensilien, Baupläne und Modelle kaum nöthig.

Wenn die Bundesversammlung auf den ihr durch Botschaft vom 3. Juni 1880 unterbreiteten Entwurf eines Bundesbeschlusses, betreffend Errichtung einer besondern Beamtung für Unterrichtswesen, eintritt und denselben im Wesentlichen adoptirt, so ist die Frage der Schulausstellungen augenscheinlich sehr vereinfacht. Die Frage ist alsdann nicht mehr zu stellen, wie sie der Vorstand des Schweiz. Lehrervereins gestellt hat, ,,ob dem Schweiz. Schulwesen besser gedient sei durch Errichtung einer einzigen pädagogischen Centralstelle oder aber durch Gründung zweier oder mehrerer solcher Anstalten", sondern es handelt sich dann lediglich · um Schulausstellungen ohne weitere Zuthat und um die A u f g a b e , welche der Bund hiebei noch zu ü b e r n e h m e n hätte.

Die Elemente einer kleinen permanenten Schulausstellung -- nennen wir leztere im Unterschiede von den nicht permanenten, ,,pädagogisches Museum" -- sollen sich eigentlich in jedem Kanton finden. Jedes Ernährungsdepartement, jeder obereErziehungsrathh soll für seinen eigenen Gebrauch , wie für die ihm unterstellten Gemeindebehörden,Schulkommissionenn etc. eine Sammlung haben, bestehend aus Bauplänen fürSchulhäuserr, Modellen von Schulmobiliar, Karten, Tabellen,Lehrbüchernu u. s. w.; soll doch die bescheidenste Gemeindeschulkommission bei der Erziehungsbehörde ihres Kantons sich die nöthigen Anleitungen verschaffen können, um eine Primarschule einfach, aber zwekmäßig zu bauen, zumö-bliren und auszustatten. Beschränkt in Kantonen mit einfachen Schul Verhältnissen, werden diese Sammlungen ausgedehnter und vielfältiger sein müssen in größern Kantonen, welche Schulen von allen Stufen haben und also im Falle sind, für sehr verschiedenartige Bedürfnisse sorgen zu müssen. Denkt man sich die Sammlung von Materialien, Dokumenten, Modellen etc., welche
die Schulbehörde eines unserer größern Kantone unter der Hand haben muß,, uni die ihr vorkommenden Fragen mit Sachkenntniß lösen zu können , in einem eigenen Saale geordnet aufgestellt, so hat man den Kern eines pädagogischen Museums, das man nun, vom Einen; zum Andern fortschreitend, beliebig erweitern und ausbauenkann« CT

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Die Kosten eines solchen Schulmuseums, selbst eines solchen von größerer Ausdehnung und Reichhaltigkeit, sind verhältnißmäßig nicht bedeutend. Amtliche Dokumente aus dem eigenen Lande und selbst aus fremden Ländern sind leicht erhältlich , Dank dem sich immer mehr entwikelnden liberalen Austausch; mit den bescheidensten Mitteln konnten an den Weltausstellungen reiche und werthvolle naturgeschichtliche und Produktensammlungen erworben werden; die Herstellung von Schulmobiliar ist eine eigene große Industrie geworden, repräsentirt von mächtigen Firmen, welche ein Interesse haben, sich bezüglich aller Verbesserungen fortwährend auf dem Laufenden zu erhalten und bei denen ein Museum sich die Muster und Modelle, die Zeichnungen und photographischea Darstellungen , mit denen es sich zu bereichern wünscht, zu ganz, ausnahmsweise billigen Bedingungen , ja häufig unentgeltlich verschaffen kann. Selbst die Gegenstände, welche nur auf dem Wege des Ankaufs erhältlich sind, erheischen selten größere Summen.

Während ein Kunstmuseum schon für ein bescheidenes Gemälde Tausende von Franken verwenden muß, wird es nicht häutig vorkommen , daß ein Schulmuseum für einen anzukaufenden Gegenstand über hundert Franken auszugeben im Falle ist. Auch die Kosten der Aufstellung und der Besorgung eines pädagogischeu Museums sind nicht sehr beträchtliche.

Dies Alles unter der Voraussezung, daß man innerhalb der Grenzen des praktischen Bedürfnisses bleibt. Man kann natürlich unendlich weiter gehen. Maa kann sich z. B. die Aufgabe stellen, alle Dokumente zu sammeln , welche auf die Geschichte der Erziehung seit den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage Bezug haben; graphische und andere Darstellungen würden uns von Jahrhundert zu Jahrhundert und von Land zu Land die Einrichtung der Schulen, ihre Organisa ti o u und die Unterrichtsmethoden vor Augen führen ; man würde sich im Räume und in der Zeit ausdehnen und so allmälig zu einem pädagogischen Universalmuseum kommen. Man könnte bei den Sammlungen darauf ausgehen, alle Natur- und Kunstprodukte, alle Werkzeuge und Instrumente, welche für alle professionellen, industriellen und kommerziellen Schulen nothwendigsind, zu sammeln und auszustellen. Einmal in die Spezialitäten hineingerathen, gibt es kein Aufhören mehr, und nichts ist leichter,, als unter dem Aushängeschild von Erziehung
statt einer nüzlichen Sammlung einen ungeheuerlichen konfusen Bazar herzustellen. Aehuliche Zweküberschreitungen sind möglich in Betreff der physikalischen und chemischen Apparate, in Betreff der naturhistorischea Sammlungen , in Betreff der Literatur. Alles kann unter den Gesichtspunkt des Unterrichts gestellt werden. Man braucht sich nur ohne Regel und ohne Auswahl gehen zu lassen, so wird das Schul-

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muséum zum physikalischen Kabinet, zum naturhistorischen Museum, zur allgemeinen Bibliothek.

Es ist nicht anzunehmen und noch viel weniger zu wünschen, daß der fruchtbare Gedanke der permanenten Schulausstellungen bei uns eine solche zwekwidrige Entwiklung nehme. Sie worden sich vielmehr auf ihrem natürlichen Boden halten, dessen Grenzen durch die praktischen Bedürfnisse unsere? Primär- und Sekundärschulen, Bezirksschulen, höhern Töchterschulen und der Real- und Literargymnasien gegeben sind. Es werden nicht wissenschaftliche Museen sein, unbegrenzt wie die Wissenschaft selbst, sondern praktische Sammlungen, in welchen der Besuchende von allen reellen Fortschritten, welche bei uns und in andern civilisirten Staaten bezüglich Bau, Einrichtung, Ausstattung von Schulen der genannten Kategorien gemacht werden. Einsicht nehmen kann.

O ' Die Erstellung, Ausrüstung und Verwaltung solcher Sammlungen erheischt, wie schon gesagt, nicht so große Mittel, daß nicht jeder größere oder mittlere Kanton oder eine Gruppe kleinerer Kantone diese Einrichtung für sich treffen könnte. Sie sind unbedingt von großem Werth und üben in weite Kreise hinein einen dem Schulwesen förderlichen, wohlthätigen Einfluß aus.

Wenn auch die Sorge für das Schulwesen den Kantonen obliegt , so hat immerhin der Bund daran ein mächtiges Interesse : ein allgemeines, weil es sich dabei um die Wohlfahrt des Schweizervolks handelt, und ein besonderes, weil ihm durch die Verfassung Recht und Pflicht auferlegt ist, darüber m wachen, daß die Jugend in allen Kantonen einen ,,genügenden" Unterricht erhalte. Es ist nicht leicht, hier gesetzgeberisch richtig einzugreifen, und noch schwerer dürfte es sein, mit Gesez und Vorschrift zu ersprießlichen Resultaten zu kommen, wenn nicht die Behörden, welche auszuführen haben, und das Volk selbst Mittel und Ziele klar erkennen und von der Zwekmäßigkeit und praktischen Brauchbarkeit der verlangten Verbesserungen sich selbst überzeugen können. Wenn es ein einfaches, probates Mittel gibt, diese Vorbedingungen herbeizuführen , so sind es die Schulausstellungen, und es ist gewiß gerechtfertigt, wenn der Bund sich dafür interessirt und das Zustandekommen dieser Einrichtungen durch bescheidene Beiträge erleichtert.

Das ist der Grund , warum wir auch in dem Budget für das Jahr 1881 für permanente Schulausstellungen
eine Summe von Fr. 3000 aufgenommen haben und Ihnen deren Gewährung empfehlen. Wir beabsichtigen nicht, diese Summe auf ein einzelnes Institut zu verwenden. Es ist wohl wahr, daß , wenn der Bund seine Subvention auf ein einziges pädagogisches Museum konzen-

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triren würde, damit die Möglichkeit gegeben wäre, binnen einer Anzahl von Jahren ein reichhaltiges, wohl ausgestattetes Institut zu erstellen, und wenn er diese Absicht hätte, so würde es dann wohl nahe liegen, dieses Schweiz, pädagogische Museum dahin zu verlegen, wo das Schweiz. Schulbüreau seinen Siz hat. Allein wir sind der Ansicht, daß dem Schweiz. Schulwesen dermalen viel mehr gedient ist, wenn in verschiedenen Theilen unseres Landes solche Anstalten entstehenund sich entwikelu , selbst wenn dieselben einfacher und beschränkter bleiben , und wir können nur wünschen , daß die bezüglichen Bestrebungen kräftigst fortgeführt werden. Selbstverständlich kann der Bund nur unterstüzend eintreten, und wenn er dies irgendwo thun soll, so muß nachgewiesen sein , daß die Anstalt an Gemeinden, Kanton und Privaten einen sichern Halt h a t , eine richtige Organisation und ein den Verhältnissen entsprechendes Programm besizt und Gewähr für zwekmäßige Verwendung der Bundesunterstüzung bietet.

Hiermit könnten wir, da es sich dermalen nur um permanente Schulausstellungen handelt, unsern Bericht schließen. Es sei uns indessen gestattet, über die unmittelbar vorliegende Frage hinausgreifend, noch über die nicht permanenten, die temporären Schulausstellungen Einiges beizufügen.

Die Schulausstellungen, welche wir bisher in der Schweiz gesehen haben , waren sehr partielle. Hie und da war es nur ein kleinerer oder größerer Bezirk , welcher aa eine lokale Gewerbeausstellung auch eine Schulausstellung anschloß , meistens ein einzelner Kanton, und höchst selten fand sich eine Gruppe von Kantonen zusammen. Einzelne dieser Ausstellungen sind sehr gut ausgefallen und haben bei dem Publikum großes Interesse erwekt.

Einige Kantone haben sich auch bei den Weltausstellungen, in Wien, Philadelphia und Paris repräsentiren lassen. Nicht alle hatten Grund . damit zufrieden zu sein. Die Organisation dieser ungeheuern Konkurse und namentlich desjenigen von Paris war so entschieden mangelhaft, daß die Klugheit uns vielleicht bestimmen könnte, inskünftig wegzubleiben, es sei denn, daß ganz kapitale Reformen eingeführt würden. Nichts desto weniger haben diese unförmlichen Versuche ihren großen Nuzen gehabt. Sie haben eine ganze Reihe von Studien veranlaßt,, infolge deren wichtige Fragen, welche früher vernachläßigt worden waren ,
au die Tagesordnung kamen; sie haben einen Wetteifer hervorgerufen , weicher immer weitere Kreise zog und dessen Wirkungen auch in mehrern unserer Kantone zu verspüren waren. Man verdankt ihnen unter Anderem, in der Schweiz und anderswo, den kräftigen Anstoß zu den großen Arbeiten der Schulstatistik. Ohne diese universellen und lokalen Ausstellungen hätte man sich bei Weitern weniger, als es bis jezt

450 geschehen ist, von der alten Routine oder vielmehr der alten Nachläßigkeit in Allem, was die Einrichtung der Schulen anbetrifft, losgemacht. Endlieh sind diese vorübergehenden Ausstellungen den permanenten Schulausstellungen vorausgegangen, und ihnen sind diese zu verdanken.

Die ständigen Schulmuseen können die eigentlichen Schulausstellungen nicht ersezen. Die leztern haben einen viel größern Umfang und einen andern Charakter. Haben wir bezüglich der ständigen Schulmuseen der Décentralisation das Wort geredet, so möchten wir die Ergänzung des Systems und die Zusammenfassung in der von Zeit zu Zeit wiederkehrenden schweizerischen Schulausstellung finden.

Es würde uns viel zu weit führen , wollten wir hier in alle Fragen näher eingehen, welche hier in Betracht kommen bezüglich Umfang und Inhalt, Vorbereitung, Organisation , Möglichkeit der Ausführung , finanzielle Mittel u. s. w. Wir verhehlen uns nicht, daß die Realisirung dieser Idee mit großen Schwierigkeiten nach allen Seiten verbunden ist; aber ebenso sehr sind wir überzeugt, daß eine solche Schulausstellung nirgends größeres Interesse böte, als in der Schweiz , und daß sie, richtig und praktisch organisirt, eine Fülle der fruchtbarsten Anregungen und Bestrebungen zur wetteifernden Hebung des Schulwesens im ganzen Lande erzeugen würde. Wir gedenken denn auch, dieser Frage unsere ernste Aufmerksamkeit zu schenken und sie nach allen Richtungen hin durch sachkundige Männer untersuchen und studiren zu lassen. Hier aber glaubten wir derselben vorläufig Erwähnung thun zu sollen, weil die periodische schweizerische Schulausstellung nur die iiothwendige Ergänzung des Systems permanenter Schulausstellungen zu bilden scheint.

Indem wir schließlich bemerken, daß wir im Hinblik auf den bereits im Voranschlag pro 1881 ausgesezteu Posten für permanente Schulausstellungen unsererseits weitere Anträge in dieser Angelegenheit nicht vorzulegen haben, ergreifen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 23. November

1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

Schieß.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Betheiligung des Bundes an den permanenten Schulausstellungen. (Vom 23. November 1880.)

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