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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Aenderung der Konzessionen der Tößthalbahn.

(Vom 26. November 1880.)

Tit.

Wie die meisten Eisenbahnkonzessionen unseres Landes enthalten auch die vom Stande Zürich für eine Tößthalbahn von Winterthur bis Bauma (vom 25. Oktober 1870) und von Bauma nach Wald (vom 22. November, resp. 30. Oktober 1871) ertheilten die Vorschriften, daß 1) die Personenzüge mit einer mittleren Geschwindigkeit von mindestens 24 Kilometern per Zeitstunde befördert und 2) für die Beförderung von Personen mindestens drei Wagenklassen aufgestellt werden sollen (§§ 21 u. 23 der Konzession vom 25. Oktober 1870 u. 21 u. 22 derjenigen vom 30. Oktober 1871).

Die Tößthalbahngesellschaft gelangt heute mit dem Begehren an Sie, eine Aenderung dieser Verpflichtungen bewilligen zu wollen in dem Sinne, daß einmal die mittlere Fahrgeschwindigkeit von mindestens 24 Kilometern per Zeitstunde auf eine solche von 18 Kilometern in offener Bahn (also exklusive der Aufenthaltszeiten auf den Zwischenstationen) reduzirt und sodann die Beseitigung der ersten Wagenklasse ihr gestattet werde.

Die Verminderung der Fahrgeschwindigkeit wird einestheils durch Gründe der Oekonomie befürwortet, anderntheils wird darauf

526 verwiesen, daß die vielen und starken Kurven, die besondern Steigungs- und Gefällsverhältnisse, sowie die verhältnißmäßig große Zahl von Stationen Berüksichtigung verlangen.

Um das Wegfallen der ersten Wagenklasse zu motiviren, wird angebracht, daß in den Jahren 1878 und 1879 nicht ein einziges Billet dieser Klasse verlangt worden sei.

Der Regierungsrath des Kantons Zürich empfiehlt das Doppelgesuch der Tößthalbahnverwa.ltung zur Entsprechung, da er keine Veranlaßung habe, gegen dasselbe Einwendungen zu erheben und dem Bestreben, Betriebsersparnisse zu erzielen, entgegenzutreten.

Wir begleiten die Frage mit folgenden Erläuterungen : 1) Von Wiuterthur bis Bauma steigt das Trace der Tößthal" bahn beinahe ununterbrochen 10--15 °/oo, zwischen Bauma und Steg und zwischen Steg und Gibswil finden sich Rampen bis auf 20 °/oo, während von Gibswil bis Wald die Linie im Gefalle von 30 %o liegt. Kurven, zum Theil mit Radien von nur 250 Metern, erzeigt die Bahn 45 °/o. Auf einer Streke von 39,850 Kilometern (WinterthurWald) sind 15 Stationen zu bedienen. Die bisherige Zuggeschwindigkeit gestaltete sich in der Praxis zu durchschnittlich 22 Kilometern per Zeitstunde; sie stieg, wenn durch raschere Fahrt Anschlüsse in Winterthur oder Wald zu erzielen waren; sie sank, wenn die Züge wesentlich dem Gütertransporte dienten. Auch wenn dem Gesuche der Tößthalbahnverwaltung willfahrt wird, ist es unzweifelhaft, daß die Anschlüsse ihre Einwirkung auf die Fahrzeit auszuüben fortfahren.

Niemand wird bestreiten können, daß die Tößthalbahn bei ihrer gegenwärtigen Organisation zu den Lokal- oder Sekundärbahnen zu zählen sei, und bei diesen macht sich seit einiger Zeit allerwärts das lebhafte Bestreben geltend, neben andern Ersparnissen im Betriebe auch solche herbeizuführen durch Reduktion der Fahrgeschwindigkeit. Die erfahrensten Eisenbahntechniker haben ihre Stimmen zu Gunsten dieser Maßregel erhoben, und die Gesezgebung begünstigt sie mehr und mehr. So hat Frankreich den Sekundärbannen eine kleinste Fahrgeschwindigkeit, unter Ausschluß des Anhaltens, von 20 Kilometern in der Stunde bewilligt, mit dem weitern Zugeständniß, daß dieses Minimum beim Befahren von Linien mit Steigungen von 15 °/oo und mehr höchstens um die Hälfte reduzirt werden darf. In Deutschland beträgt die Fahrgeschwindigkeit der Sekundärbahnen 15--30
Kilometer per Stunde, die ,,Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung"1 vom 12. Juni 1878 läßt die größte Fahrgeschwindigkeit durch die Landesaufsichtsbehörde feststellen, schreibt aber allgemein vor, daß eine raschere

527 Fahrt als 30 Kilometer in der Stunde nicht gestattet werde. Es liegt auf der Hand, daß die Kosten der Zugkraft, der Materialreparaturen, der Bahnerhaltuna; und Bahnbewachung u. s. w. durch Ermäßigung der Fahrgeschwindigkeit sich bedeutend mindern. Wir sind der Ansicht, daß die Bundesbehörden gegenwärtig eher Grund haben, das Betreten dieses Weges von Seite schweizerischer Lokalbahnen zu ermuntern, als sich ihm entgegenzustellen.

2) Nach einer andern Richtung hin zielt die ökonomisirende Tendenz dieser Art von Bahnen auf die möglichste Beseitigung todter Lasten, beziehungsweise auf thunlichste Ausnuzung des Wagenraumes im Personen- und Güterverkehr. Seit am 27. September 1825 der bescheidene Wagen ,,Expérience" -- eine Art von Landkutsche, worin achtzehn Reisende sich auf zwei Seiten gegenübersaßen -- die erste Fahrt von Darlington nach Stockton machte, ist hinsichtlich des Personenwagenbaues ein immer steigender Luxus entfaltet worden. War die Einrichtung einer bequemen ersten Wagenklasse für lange Reisen, insbesondere ehe eigentliche Schlafwagen konstruirt wurden, eine gewisse Nothwendigkeit, so ging man offenbar zu weit, indem man auch die Lokalbahnen mit mindestens drei Wagenklassen versehen zu müssen glaubte. Dies trat besonders deutlich zu Tage, seit das Eisenbahngesez vom 23. Dezember 1872 den Reisenden dritter Klasse die wohlverdienten Rüksichten angedeihen ließ, indem es die Beleuchtung und Beheizung der Wagen anbefahl und auch für Vorkehrungen gegen den Zutritt der Sonnenstrahlen sorgte. Die schweizerischen Bahnverwaltungen sind diesen Bestimmungen überall nachgekommen, und wohl hauptsächlich als deren Folge (der Druk der Zeit mag allerdings auch seinen Einfluß ausgeübt haben) gestaltete sich die Personenbeförderung der fünf großen schweizerischen Bahnen im Jahr 1879 folgendermaßen : I. Klasse.

II. Klasse.

III. Klasse.

Reisende. Ertrag. Reisende. Ertrag. Reisende. Ertrag.

V. S. B.12 N. 0. B.

S. C. B.3 J. B. L. B.* S. 0.

1 2

°/o

»/o

"/o

"/o

0,41 0,49 1,19 0,67 2,54

2,72 2,71 6,47 3,22 10,36

13,39 17,90 14,42 13.70 27,09

23,32 32,71 31,43 25,34 43,31

»/o

°/o

86,20 , 73,96 81,68 64,58 84,39 62,10 85,63 71,44 70,37 46,33

MitAusnahme derToggenburgerbahn, Wald-Rüti, Rappersweil-Pfäffikon.

Mit Ausnahme der Linien Zürich-Zug-Luzern, Effretikon-Hinweil nnd Bötzberg.

3 Mit Ausschluß der Basler Verbindungsbahn, der aargauischen Südbahn und 4der Linie Wohlen-Bremgarten.

Mit Ausnahme der Bern-Luzcrn- und der Bödelibahn.

528 Die nämliche Erscheinung vom steigenden Uebergewicht der III. Klasse finden wir auch in andern Ländern. Im Jahr 1878 entfielen in Prankreich von 139 Millionen ausgegebenen Billets 11 Millionen auf die I. Klasse, " " *,, 86 ,, ,, " ,, IÎI III.

In England betrug die Einnahme der III. Klasse im Jahr 1878 um 79 °/o mehr als die Erträgnisse der I. und II. Klasse zusammen.

Preußen erzeigt vom Jahre 1873 bis 1878 eine Zunahme der Reisenden III. Klasse von 14,3 °/o, IV. Klasse 22,1 °/o, dagegen eine Abnahme in der I. Klasse von 7,1 °/o, in der II. Klasse von 0,6 °/o. Daß solche Ziffern ihren Eindruk auf die Bahnverwaltungen nicht verfehlten, ist sicher, und da und dort ist man bereits zur Ausrangirung der ersten Wagenklasse geschritten. Nur vereinzelt ist die englische Midlandbahn mit 1084 Kilometern im Betrieb vorgegangen, indem sie die II. Klasse unterdrükte. Auch schweizerische Bahnen sind wiederholt an uns gelangt mit dem Gesuche, ihnen das obligatorische Mitführen der ersten Wagenklasse zu erlassen, und wir entsprachen ihnen, zwar nur in provisorischer Weise und unter der Bedingung, daß sie thunlichst darauf Bedacht nehmen, den Reisenden III. Klasse auch Coupes zur Verfügung zu stellen, in welchem das Verbot des Rauchens gehandhabt wird.

Da von keiner Seite Reklamationen eingingen, so nehmen wir um so weiliger Anstand, Ihnen heute das Gesuch des leitenden Ausschusses der Tößthalbahn zur definitiven Gutheißung auf dem Wege der Konzessionsänderung zu empfehlen. Wir schlagen Ihnen die Annahme des nachstehenden Beschlußentwurfes vor, und benuzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 26. November

1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

Aenderung der Konzessionen für die Tößthalbahn.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Gesuches der Verwaltung der Tößthalbahn vom 13. Dezember 1879/2. Juli 1880 und einer Botschaft des Bundesrathes vom 26. November 1880, beschließt : 1. Es wird der Verwaltung der Tößthalbahn gestattet, die Züge auf der Linie Winterthur-Bauma-Wald ohne Beigabe einer ersten Wagenklasse und mit einer Minimalgeschwmdigkeit von 18 Kilometern per Zeitstunde auf freier Bahn zu führen.

2. Soweit die Vorschriften der §§ 21 und 23 der Konzession für eine Tößthalbahn von Winterthur bis Bauma vom 25. Oktober 1870 und die §§ 21 und 22 derjenigen vom 22. November, resp.

30. Oktober 1871 für eine Eisenbahn von Wald nach Rüti und deren Fortsezung nach Bauma hiemit im Widerspruche stehen, sind dieselben aufgehoben.

3. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Aenderung der Konzessionen der Tößthalbahn. (Vom 26. November 1880.)

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