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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Gewährleistung einer theilweisen Revision der Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden.

(Vom 18. August 1880.)

Tit.

Nach Vorschrift vom Artikel 28 der Verfassung des Kantons Appenzell I. Rh. vom 24. November 1872 hatte bis jezt der G r o ß e R a t h eine Reihe von ständigen Kommissionen mit einjähriger Amtsdauer zu wählen. Darunter befand sich auch die Waldwirthschaftskommission. Bei der legten Landsgemeinde vom 25. April 1880 wurde nun der Autrag gestellt, daß diese Kommission künftig durch die B e z i r k s g e m e i n d e n gewählt werden soll in dem Sinne, daß jede Bezirksgemeinde ein Mitglied zu wählen habe.

Dieser Antrag wurde von der Landsgemeinde zum Beschlüsse erhoben und durch die Neuwahlen vom 2. Mai in Vollziehung gesezt.

Nachdem die Regierung des Kantons Appenzell I. Rh. mit Schreiben vom 12. Mai uns von diesem Vorgange Kenntniß gegeben, machten wir sie darauf aufmerksam, daß diese theilweise Verfassungsänderung gemäß Artikel ß der Bundesverfassung der eidgenössischen Gewährleistung bedürfe. In Folge dessen Übermächte uns die Regierung von Innerrhoden einen Auszug aus dem Protokoll der Landsgemeinde vom 25. April abhin, wonach der Artikel 33 der Verfassung dieses Kantons als Lemma 3 folgenden Zusaz erhält :

641 ,,Sie (die Bezirksversammlung) wählt ein Mitglied in ,,die kantonale Waldwirthschaftskommission."

Durch die erwähnte Aenderung ist offenbar nichts in die Verfassung von Appenzell I. Rh. eingeführt worden, was mit der Bundesverfassung im Widerspruche wäre, und da sie von der Landsgemeinde, d. h. von der Mehrheit des Volkes angenommen worden ist, so kann deren Gewährleistung nicht beanstandet werden.

In Folge der erwähnten Abänderung lautet mio gemäß dem Protokoll der Landsgemeinde das Lemma l vom Art. 28 der Verfassung von Innerrhodeo wie folgt : ,,Er (der Große Rath) nimmt auf einjährige Dauer die ,,Wahlen der ständigen Kommissionen vor, als: der Landes,,schulkommission, i n w e l c h e r d i e G e i s t l i c h k e i t ,, d u r c h ein v o n i h r g e w ä h l t e s M i t g l i e d v e r t r e t e n ,, i s t ; ferner der Militär-, Bau-, Sanitäts-, Kriminal-, Stipen,,dien- und Rechnungsprüfungskommission. a Das Protokoll der Landsgemeinde enthält zugleich die Bemerkung, daß die Stelle in obigem Lemma l vom Art. 28, welche sich auf die Betheiligung der Geistlichkeit bei der Wahl der Landesschulkommission bezieht, durch Art. 2 der Uebergangsbestimmungen zu der Bundesverfassung dahin gefallen sei, ,,wie solches auch durch Schreiben von Landammann und Standeskommission an den hohen Bundesrath vom 15. Juli 1874 ausdrüklich ausgesprochen worden ist.a Zu einer bezüglichen Abänderung des Textes der Verfassung habe jedoch die Landsgemeinde deßwegen keine Veranlaßung gehabt, weil ein dahin zielender Antrag nicht gestellt worden sei.

Mit Bezug auf das Schreiben von Landammann und Standeskommission des Kantons Appenzell I. Rh. vom 15. Juli 1874 ergeben sich aus unserm Archiv folgende Aufschlüsse : Nachdem die Bundesverfassung von 1874 in Kraft getreten war, erließen wir am 3. Juni 1874 an sämmtliche eidgenössischen Stände ein Kreisschreiben, womit wir auf den Inhalt vom Art. 27 der neuen Bundesverfassung und auf den Art. 4 der Uebergangsbestimmungen hinwiesen und die Kantone einluden, uns die nöthigen Nachweise über die Einrichtung des Schulunterrichtes in solcher Weise vorzulegen, daß wir uns überzeugen könnten, ob den Vorschriften der Bundesverfassung Genüge geleistet sei.

Mit dem oben erwähnten Schreiben vom 15. Juli 1874 berichtete nun die Regierung des Kantons Appenzell I. Rh., daß hin-

642 sichtlich des obligatorischen Besuches und der Unentgeltlichkeit der Schule durch Art. 12, Lemma 2 der Kantonsverfassung und durch Art. 4 und 10 der Schulverordnung vom 3. November 1873 bereits die Uebereinstimmung mit der Bundesverfassung liergestellt sei.

Was aber die ausschließliche staatliche Leitung der Schule anbelange, so müsse anerkannt werden, daß die Bestimmungen der Verfassung, welche die Schule betreffen, nämlich Art. 12, erster Saz, lautend : ,,Das öffentliche Unterrichtswesen ist nach Maßgabe eingehender Bestimmungen Sache des Staates und der Kirche, 1 " und Art. 2& in der bereits oben erwähnten Bestimmung betreffend die Landesschulkommission, sowie Lemma 2 vom Art. 47, dahin lautend : ,,Der Ortsgeistliche ist von Amtes wegen Mitglied sowohl des Kirchenais des Schulrathes", durch Art. 27 der Bundesverfassung eine Aenderung erleiden. Diese Vorschriften seien schon durch Art. 2 der Uebergangsbestimmungen zu der Bundesverfassung abgeändert.

Die offizielle Mitgliedschaft der Geistlichen in den Schulbehörden höre unbedingt auf, und es genieße der Geistliche künftig bloß das gleiche aktive und passive Wahlrecht, wie jeder andere Bürger.

Bei den ordentlichen jährlichen Wahlen der Landesschulkommission und der Ortsschulräthe werde man sich von diesem Prinzipe leiten lassen. Auch die Bestimmungen der Schulverordnung, welche auf die erwähnten Verfassungsvorschriften sich stüzen, fallen selbstverständlich dahin.

Obschon die oben citirten Bestimmungen der Verfassung von Innerrhoden betreffend das Schulwesen anerkanntermaßen im Widerspruche stehen mit der Bundesverfassung, so scheint uns doch, daß gegenwärtig keine Veranlaßung vorliege, auf diesen Widerspruch einzutreten. Es genügt, zu konstatiren, daß diese Thatsache allseitiganerkannt wird, und daß durch Art. 2 der Uebergangsbestirnmungen zur Bundesverfassung die Anwendung der ursprünglichen Verfassungsbestimmungen ausgeschlossen ist. Es wäre allerdings wünschbar gewesen, die Landsgemeinde von Innerrhoden hätte den Anlaß benuzt, um diese Aufhebung direkt auszusprechen; allein es ist bis anhin davon abgesehen worden, die Kantone anzuhalten, daß sie ihre Verfassungen mit der Bundesverfassung formell in Einklang bringen.

Wir glauben uns daher lediglich auf die positive Seite der vorliegenden Revision, d. h. auf die Enthebung des Großen
Rathes von der Wahl der Waldwirthschaftskommission und die Verweisung dieser Wahl in die Kompetenzen der Bezirksversammlungen beschränken und in diesem Sinne die Gewährleistung durch die Genehmigung des nachfolgenden Beschlußentwurfes beantragen zu sollen.

643

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 18. August 1880.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

eine theilweise Revision der Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenoßenschaft, nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vom 18. August 1880 über eine am 25. April 1880 vorgenommene theilweise Revision vom Artikel 28 und 33 der Kantonsverfassung von Appenzell Innerrhoden vom 24. November 1872, betreffend die Wahl der kantonalen Waldwirthschaftskommission,

644 in Betracht: daß diese Revision nichts enthält, was mit den Bestimmungen der Bundesverfassung im Widerspruche stünde; daß dieselbe in der Landsgemeinde vom 25. April 1880 von dem Volke des Kantons Appenzell I. Rh. angenommen worden ist, beschließt: 1. Der vorgelegten theilweisen Revision vom Art. 28 und 33 der Kantonsverfassung von Appenzell I. Rh. wird die Bundesgarantie ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit dem Vollzuge dieses Beschlußes beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Gewährleistung einer theilweisen Revision der Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden. (Vom 18. August 1880.)

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