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Bericht der

Mehrheit der Kommission des Ständerathes über das Begehren um Revision von Artikel 39 der Bundesverfassung.

( Vom 17. September 1880.)

Tit.

Die Kommission, welche Sie mit Prüfung des Begehrens um Revision des Artikels 39 der Bundesverfassung beauftragten, hat sich zweimal versammelt: zuerst um den Mitgliedern derselben Gelegenheit zu geben, ihre Anschauungsweise in einer vorläufigen allgemeinen Diskussion auszutauschen, und sodann gestern Abend, nach der Beschlußfassung des Nationalraths. Erst in dieser zweiten Sizung konnten Anträge formulir und definitiv angenommen werden. Sie werden es daher begreiflich finden, daß dem Unterzeichneten die nöthige Zeit fehlte, um einen so vollständigen Bericht auszuarbeiten, als wünschbar gewesen wäre.

Bevor ich in die Hauptfrage eintrete, glaube ich in kurzen Worten den geschichtlichen Hergang dieser Angelegenheit berühren zu sollen.

Der Art. 39 der Bundesverfassung bestimmt, wie Sie wissen, daß der Bund befugt ist, im Wege der Gesezgebung allgemeine Vorschriften über die Ausgabe und die Einlösung von Banknoten zu erlassen. Dann fügt der gleiche Artikel bei : Es darf der Bund jedoch keinerlei Monopol für die Ausgabe von Banknoten auf-

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stellen und ebenso keine Rechtsverbindlichkeit für die Annahme derselben aussprechen.

Im Jahr 1875 erließen die eidg. Räthe, gestüzt auf das erste Alinea von Art. 39, ein Gesez über diese Materie, welches aber, auf erfolgtes Begehren dem Referendum unterstellt, vom Volke am 23. April 1876 verworfen wurde.

Im März, 1879 stellte hierauf Herr Nationalrath Dr. Joos im Nationalrathe eine Motion des Inhalts: der Art. 39 sei durch eine neue Bestimmug zu ersezen, welche dem Bunde das Monopol der Banknotenemission verleihen würde. Diese Motion wurde nach vorausgegangener Diskussion abgelehnt.

Infolge dieser Ablehnung regte sich dann die auf Sammlung von 50,000 Unterschriften abzielende Bewegung, in der Richtung, daß in Anwendung von Art. 120 der Bundesverfassung die Frage der Verfassungsrevision zur Volksabstimmung zu bringen sei. Ungefähr zu gleicher Zeit wandte sich eine Versammlung von Abgeordneten des schweizerischen Volksvereins an die Bundesversammlung mit dem Begehren, es möchte diese leztere selbst die Initiative für Revision der Art. 39 und 120 ergreifen.

In der Session vom Dezember gleichen Jahres beschlossen die beiden Räthe mit großer Mehrheit, in Uebereinstimmung mit dem bundesräthlichen Gutachten, diesem Verlangen keine Folge zu geben.

Infolge dessen wurde die Petitionsbewegung, welche inzwischen eine Unterbrechung erfahren hatte, wieder aufgenommen und im Laufe des Monats August abhin die erforderliche Anzahl Unterschriften zusammengebracht. Heute ist die Petition durch die Ziffer von 56,526 Unterschriften vertreten, wovon 52,588 als gültig anerkannt worden sind.

Der Wortlaut derselben ist folgender :

,,Volks-lnitiative.

,,Die unterzeichneten Schweizerbürger, gestüzt auf Art. 120 der Bundesverfassung, geben anmit ihren Willen kund, es habe eine Revision des Art. 39 der Bundesverfassung stattzufinden, und zwar sei diese Revision in dem Sinne zur Hand zu nehmen, daß verfügt werde: 1. Artikel 39 der Bundesverfassung ist aufgehoben.

2. An seine Stelle tritt folgender Artikel: ,,,,Nur dem Bunde steht das Recht zu, Banknoten, beziehungsweise Kassenscheine auszugeben.

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,,,,Er darf keine Rechts Verbindlichkeit für deren Annahme ausspreclien.

,,,,Der aus der Ausgabe von Banknoten, beziehungsweise Kassenscheinen sich ergebende Gewinn wird, nach einem gesezlich zu bestimmenden Maßstabe, zwischen Bund und Kantonen vertheilt. aa 3. Dieser Revisiousartikel ist der Volksabstimmung zu unterbreiten.

4. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses leztern Beschlusses beauftragt."

Nachdem der Bundesrath eine Verifikation der Unterschriften hat vornehmen lassen , sah er sich dann, entsprechend den Bestimmungen des Bundesgesezes vom 5. Dezember 1867, veranlaßt, die Bundesversammlung einzuberufen, damit sie von den Petitionen Kenntniß nehme und über den Inhalt derselben Beschluß fasse.

Bei dieser Einberufung der Bundesversammlung hat der Bundesrath den Mitgliedern derselben eine Botschaft nebst Beschlußentwurf unterbreitet, wonach an das Schwei/ervolk die Frage zu stellen sei : Soll die Bundesverfassung revidirt werden ?

Dieß der geschichtliche Hergang der vorliegenden Angelegenheit. Bevor an ihre Prüfung gegangen wird, scheint es mir angemessen zu sein, die Frage auf ihren richtigen Boden zu stellen. Die Petenten bezweken, daß in die Bundesverfassung der Gruudsaz des Banknotenemissionsmonopols zu Gunsten des Bundes aufgenommen werde. Allein im gegenwärtigen Augenblike handelt es sich für die Räthe nicht darum, diese Monopolfrage in Prüfung zu ziehen. Diese Prüfung kann sich später darbieten, je nach der Antwort, welche das Volk auf die an dasselbe gestellte Frage geben wird, und wenn später über diese Bauknotenfrage Diskussion waltet, so dürfte voraussichtlich die Gi'uppirung der Mitglieder der beiden Räthe ein wenig anders ausfallen als heute. Doch in diesem Augenblike handelt es sich für uns lediglich um den Entscheid darüber, in welcher Weise angesichts des Art. 120 der Bundesverfassung den Petitionen mit Rüksicht auf das Initiativrecht Folge zu geben sei.

Sodann muß ich erinnern, daß wir uns nicht darum zu bekümmern haben, was wir bei gegebener Sachlage gern thun möchten, was wir in die Verfassung hineingelegt zu sehen wünschten; sondern nur- um das, was in Wirklichkeit darin steht, und um eine loyale und gerade Anwendung hievon. Wir müssen die Verfassung so nehmen, wie sie ist, und nicht so, wie Jeder von uns sie wünschte.

62 Ich gelange nun zum Kern der Frage. Mehr als 56,000 Bürger verlangen von den Käthen, gestüzt auf Art. 120 der Verfassung, die Revision von Art. 39 und die Ersezung desselben durch eine andere Bestimmung, deren Text sie selbst aufstellen.

Um den Werth dieses Begehrens würdigen zu können, muß man den Abschnitt III der Bundesverfassung aufschlagen, betitelt: Revision der Bundesverfassung, welcher vier Artikel enthält, deren erster besagt, daß die Bundesverfassung jederzeit revidirt werden kann. Im zweiten heißt es : Die Revision geschieht auf dem Wege der Bundesgesezgebung. Der dritte, für die vorliegende Frage wichtigste Artikel ist der von den Potenten selbst angerufene Art. 120. Wie lautet derselbe? -- ,,Wenn eine Abtheilung der Bundesversammlung die Revision beschließt und die andere nicht zustimmt, oder wenn fünfziglauseud stimmberechtigte Sehweizerbürger die Revision der Bundesverfassung verlangen, so muß im einen wie im andern Falle die Frage, ob eine Revision stattfinden soll oder nicht, dem schweizerischen Volke zur Abstimmung vorgelegt werden.a Dieser Artikel sieht also zwei Fälle vor, in denen das Schweizervolk befragt werden muß. Der erste Fall tritt ein, wenn einer der Bäthe die Revision der Verfassung will, der andere nicht.

Dieser Fall liegt jezt nicht vor. Der zweite Fall ist vorhanden, wenn 50,000 Bürger die Revision verlangen, und diesen haben wir nun heute vor uns.

Kommen wir auf den Wortlaut dieses Artikels zurük.

,,Wenn fünfzigtausend Schweizer!)urger die Revision verlangen.a Ich betone hier, daß es heißt ,,die Revision1'-, nicht ,,eine Revision''-.

Es ist dies eine nicht unwichtige Nuance. Was ist nun unter den Worten ,,die Revision11 zu verstehen ? Sind dieselben anwendbar auf jede beliebige Abänderung an der Verfassung, auf einen einzelnen Artikel, auf ein einzelnes Alinea ?

Ihre Kommission verneint dies, mit Ausnahme eines einzigen Mitgliedes, einstimmig. Indem sie diesen Worten ,,die Revision-1 ihren natürlichen Sinn verleiht, wie ihn dei- gesunde Verstand au die Hand gibt, interpretirt sie dieselben im Sinne einer Revision überhaupt. Hätte man den 50,000 das Recht einräumen wollen, eine totale oder theihveise Verfassungsänderung zu verlangen, so hätte man dies zum Ausdruke gebracht, indem man z. B. gesagt hätte: Wenn 50,000 Bürger eine totale oder theilweise Revision der Verfassung verlangen.

Noch mehr: Der Art. 120 fügt bei, daß man in diesem Falle dem Volke eine Frage vorzulegen hat, auf welche es mit Ja oder

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Nein zu antworten hat. Wie lautet nun diese Frage ? Sie lautet: Soll die Bundesverfassung revidirt werden, nicht aber, soll sie ganz oder theilweise, soll dieser oder jener Artikel revidirfc werden.

Wie man sieht, ist, wenn man sich an den Buchstaben des Art. 120 hält, das den 50,000 Bürgern eingeräumte Recht nicht auf eine Partialrevision, sondern nur auf eine allgemeine Revision anwendbar. Ich füge bei, daß das Gesez vom Jahr 1867, welches das Verfahren bei Revisionsbegehren normirt, im Art. 5 wörtlich die gleichen Ausdrüke gebraucht. Allerdings erheben die Anhänger der andern Ansicht einen Einwand, welcher auf den ersten Blik einleuchtet, der aber doch mehr nur ein Scheinargument als etwas Stichhaltiges ist. Sie sagen nämlich : Wie ! die Verfassung gibt 50,000 Bürgern das Recht, jederzeit die allgemeine Revision zu verlangen, und sie würde ihnen aber das Recht zur Austrebung einer theilweiseu Revision verweigern! Eine solche Auslegung würde dem gesunden Verstande und dem Saze widersprechen: wer das Mehr kann, kann auch das Blinder.

Die Antwort auf diese Einwendung ist indeß nicht schwer. Ist es, fragen wir zunächst, so ganz sicher, daß das Recht, die Revision überhaupt zu verlangen, wirklich ein Mehreres ist, als das Recht, die Revision von diesem oder jenem Artikel zu verlangen? Auf den ersten Blik scheint mau dies bejahen zu müssen; untersucht man die Sache aber näher, so stößt man zum Mindesten auf Zweifel hierüber. Wenn man nämlich Revision überhaupt verlangt, so überläßt man es den Räthen, zu revidiren was sie für gut finden.

Verlangt man dagegen eine Partialrevision, so liegt darin etwas Imperatives, indem man damit sagt: diesen oder jenen Artikel sollt ihr unabwendlich revidiren; ihr könnt zwar auch noch andere revidiren, wenn es euch beliebt; aber in Bezug auf diejenigen, die wir euch bezeichnen, ist die Revision obligatorisch. Ein solches Recht den 50,000 Bürgern einzuräumen, hieße dieß nicht in gewisser Beziehung ihnen ein ausgedehnteres Recht zuerkennen, als das Recht, die Revision überhaupt zu verlangen ? Wie man also sieht, ist dieser so laut geltend gemachte Einwand nichts weniger als konkludent.

Aber noch weitere Betrachtungen lassen über den Sinn und den wahren Gedanken von Art. 120 keinen Zweifel; es sind solche, die sich nicht bloß auf den Buchstaben, sondern auf den Geist,
der diesen Artikel diktirt hat, stüzen.

Der Artikel enthält ein leztes Alinea, welches lautet: ,,Sofern in einem dieser Fälje die Mehrheit dei1 stimmenden Schweizerbürger

64 über die Frage sich bejahend ausspricht, so sind beide Räthe neu zu wählen, um die Revision zur Hand zu nehmen. a Also jedesmal, wo das angefragte Volk sich dafür ausspricht, daß die Verfassung rcvidirt werden soll, müssen beide Räthe neu gewählt werden. Warum diese Neuwahl ? Weil der ausgesprochene Wille des Volkes, daß die Verfassung revidirt werde, vorausseht, daß im Volke neue Gedanken und Bedürfnisse in Bezug auf eine Reihe von Fragen vorhanden sind, und daß daher die Revisiousarbeit solchen Männern anvertraut werden sollte, deren Anschauungen mit denjenigen des Volkes im Einklang stehen. Kann man aber, wenn es sich um eine Partialrevision, um Revision eines einzigen Artikels, wie es jezt der Fall ist, handelt, annehmen, auch eine solche Revision müsse mit der Gesammterneuerung der beiden Räthe und mit den daran geknüpften Langwierigkeiten, Zeitverlusten und bedeutenden Kosten für Land und Bürger verbunden sein? Offenbar nicht; die Erneuerung der Räthe, die begreiflich ist und sich rechtfertigt, wenn es sich um eine allgemeine Revision handelt, wäre dagegen zweklos bei einer Partialrevision, wobei die Vertreter der Nation den imperativen Auftrag erhielten, diese oder jene besondere Bestimmung der Verfassung zu revidiren.

Wenn die Urheber der Verfassung dem Art. 120 den Sinn hätten geben wollen, daß 50,000 Bürger eine Partialrevision verlangen können, so hätten sie im lezteii Alinea einen Unterschied gemacht zwischen dem Fall einer allgemeinen und demjenigen einer theilweisen Revision und nur im erstem Falle die Neuwahl der Räthe verlangt; oder sie hätten festgesezt, daß im Falle einer Partialrevision das Volk darüber anzufragen sei, ob dio Räthe erneuert werden sollen oder nicht.

Noch mehr. Wenn eine allgemeine Revision zur Durchführung gelangt ist, so ist füglich anzunehmen, daß man für eine Zeitlaug nicht mehr an der Verfassung rütteln wird, weil durch die neue Verfassung den neuen Bedürfnissen und Bestrebungen des Landes ein Genüge geleistet worden sein dürfte. Es ist also nicht zu besorgen, daß die Räthe allzuoft einer Neuwahl unterliegen müßten.

Anders verhält es sich aber bei Partialrevisionen. Es wird nämlich eine Partialrevision, besonders wenn sie sich auf wenige Artikel, vielleicht auf einen einzigen beschränkt, niemals Alle befriedigen.

Jeden Augenblik kann daher eine mehr
oder weniger zahlreiche Gruppe von Bürgern mit dem Wunsche auftreten, daß dieser oder jener Artikel der Verfassung geändert werde. Mau hätte demnach keine Gewähr dafür, daß einer durchgeführten Partialrevision nicht bald wieder ein neues Revisionsbegehren auf dem Fuße folgen würde.

65 50,000 Bürgern das Recht einräumen, eine Partialrevision kraft Art. 120 zu verlangen, hieße also, sich der Gefahr aussezen, daß die Räthe fortwährenden Erneuerungswahlen unterliegen und daß das Volk und sämmtliche Bürger zu bedauerlichen Agitationen, Störungen und Ausgaben gedrängt würden. Bei solchen Zuständen könnte der öffentliche Geist unseres Landes nur verlieren.

Mit Recht bemerkt der Bundesrath im Fernern, daß man bei Berechtigung von 50,000 Bürgern, die Revision eines einzelnen Artikels zu verlangen, auf praktische Schwierigkeiten stoßen würde, da ein solcher Artikel in engem Zusammenhange mit andern stehen und unantastbar sein könnte, ohne daß leztere ebenfalls revidirt und mit jenem in Einklang gebracht würden. So könnte die Revision des Art. 39 in dem anbegehrten Sinne auch die Revision der Artikel 42 und 31 nothwendig machen.

Gestüzt auf das Angebrachte findet die Mehrheit der Kommission das Begehren der Potenten durchaus unkorrekt und im Widerspruche mit Buchstaben und Geist des Art. 120. Ein Punkt namentlich ist absolut unstatthaft, wie ich annehmen darf selbst in den Augen der Minderheit und der meisten Anhänger ihrer Ansicht : es ist dieß die Prätension der Potenten, den Rätlien geradezu den Wortlaut vorzuschreiben, welcher an die Stelle des jezigen Art. 39 treten sollte. Handle es sich um eine allgemeine oder um eine theilweise Revision, so müssen die neuen Redaktionen jedenfalls den Rätlien zustehen, und man kann ihnen nicht Texte vorschreiben, die sie einfach zu registriren hätten.

Allein selbst nach Beseitigung dieses Punktes bleibt das Begehren der Petenten gleichwohl unstatthaft. Dasselbe kann nur eine der drei folgenden Erledigungen finden : entweder die Käthe müssen es einfach als verfassungswidrig; von der Hand weisen; oder sie können es, absehend von dem durch die Petenten angerufenen Art. 120, als eine gewöhnliche Petition betrachten .und demgemäß behandeln ; oder endlich, die Räthe können, mit Rüksicht auf die relativ bedeutende Anzahl Unterschriften, hinweggehen über die Formwidrigkeit des Anbegehrens einer Partialrevision, und, um den Potenten in einer Weise zu entsprechen, welche den Art. 120 nicht verlezt, das Begehren verallgemeinern und dem Volke die Frage vorlegen, ob die Verfassung revidirt werden solle. Bejaht das Volk die Frage, so werden die neugewählten
Räthe sehen, ob der Art. 39 zu revidiren sei; verneint es sie, so wird man wissen, daß es weder den Art. 39 noch einen andern revidirt haben will.

Diese leztere Erledigung ist nun diejenige, welche der Bundesrath beantragt und die der Nationalrath mit sehr großer Mehrheit

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(97 Stimmen gegen 11) mit einer Redaktionsänderung im dritten Erwägungsgrund des Beschlussentwurfes angenommen hat ; und dieser nämlichen Lösung schließt sich auch die Kommissionsmehrheit des Ständerathes au.

Ich muß beifügen, daß es derselben zur Befriedigung gereichte, aus dem von unserm geehrten Vertreter bei der Regierung der französischen Republik, Herrn Dr. und Minister Kern, an den dem Departement des Innern vorstehenden Herrn Bundesrath gerichteten und an die Mitglieder der Bundesversammlung ausgetheilt Antwortschreiben zu ersehen, daß die Auffassung der Kommission von unserm Landsmanne vollständig getheilt wird, welcher wegen seiner einsichtigen und regen Mitwirkung bei Ausarbeitung der Bundesverfassung von 1848 besser als irgend ein Anderer im Falle ist, den Kommentar zum Art. 120, diesem Artikel, der nichts Anderes ist als eine wörtliche und ganz unveränderte Wiedergabe des Artikels 113 der Verfassung von 1848, zu geben. Eine solche Autorität kann nicht verfehlen, bei den Mitgliedern des Ständerathes Gewicht zu haben. Hr. Dr. Kern stüzt seine Auffassung auf maßgebende Argumente, welche wir hier wegen Zeitmangel nicht reproduzir zu können sehr bedauern.

Zürn Schlüsse dieses Berichtes noch eine persönliche Bemerkung des Berichterstatters. Wenn der Antrag, dem Volke die allgemeine Frage zu unterstellen, vom Ständerath angenommen wird und damit zwischen den beiden Räthen Uebereinstimmung erzielt ist, so wird das Volk sehen, was zu thun ist. Ich kann mich aber nicht enthalten, die Hoffnung auszusprechen, daß die Bürger mit bedeutender Mehrheit die Anfrage verneinen werden. Ich bin weit davon entfernt, zu den Männern zu gehören, welche vor jeder Aenderung zurükscheuen, welche sich allemal an das Alte anklammern, welche gleichsam die bestehenden Institutionenkristallisirenu möchten, wenn dieselben sich bis zu dem Grade entwikelt haben, welcher ihrem persönlichen Ideale entspricht. D i e Menschheit Fortschritts, welchem Geseze auch unsere Bundesverfassung von 1874 nicht entgehen wird. Auch sie ist nur Menschen werk, also weit davon entfernt, vollkommen zu sein; und es wird unausweichlich ein Tag kommen, wo sie revidirt und im Sinne der Anpassung an neue Gedanken und Bedürfnisse umgearbeitet werden muß. Aber ich glaube, daß dieser Augenblik nicht schon da sei.

D a s durch d i e Revision v o
n 1874 aufgestellte Programm i s t die einten obligatorisch, die andern fakultativ. Das Volk im Großen und Ganzen scheint mit diesVerfassungnü; zufrieden und fordert

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nicht, daß sie durch eine neue ersezt werde. Das Land ist ruhig; es wünscht, friedlich der Arbeit nachgehen und, ohne durch die mit Verfassungsänderungen verbundene Agitation davon abgelenkt zu werden, die Breschen repariren zu können, welche die seit mehreren Jahren auf unserer Landwirthschaft, Industrie und Handel lastende Krise verursacht hat.

Sodann dürfen wir nicht vergessen, daß die Verfassung von 1874 eia Werk der Versöhnung, eine Art Verständigung, Kompromiß zwischen den Bestrebungen und Bedürfnissen der verschiedeneu Theile der Schweiz gewesen ist. Wollte man also schon jezt die Verfassung in einzelnen Punkten revidiren, so wäre zu befürchten, daß man dadurch mühsam errungene Resultate gefährden, das gegenseitige Zutrauen erschüttern und von Neuem eine Kluft öffnen könnte, die jezt von Tag zu Tag mehr verschwindet.

Ich schließe mit dem namens der Mehrheit der Kommission gestellten Antrage, einfach dem Beschlüsse des Nationalraths beizustimmen.

Eine Minderheit von einem Mitgliede will dem Begehren der Petenten im Sinne des Antrages entsprechen, den Herr Nationalrath Büzberger stellte, und wird die Motive für ihre Ansicht selbst «ntwikeln.

B e r n , 17. September 1880.

Namens der Mehrheit der Kommission des Ständeraths, Der B e r i c h t e r s t a t t e r :

Ch. Estoppey.

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Bericht der Mehrheit der Kommission des Ständerathes über das Begehren um Revision von Artikel 39 der Bundesverfassung. (Vom 17. September 1880.)

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