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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössischen Stände, betreffend Zusaz zum Artikel 6 des Vollziehungsreglements vom 6. Februar 1880 über Vorkehrungen gegen die Reblaus.

(Vom 18. August 1880.)

Getreue, liebe Eidgenossen !

Nach Artikel 6, Alinea 3, des Vollziehungsreglements vom 6. Februar 1880, betreffend Vorkehrungen gegen die Reblaus (Amtl.

Samml. n. F., V, 10), müssen in den Verkehr gebrachte Sezlinge, Gesträuche und sonstige Produkte der Baumschulen, Gärten, Treibhäuser und Orangerien fest verpakt, die Wurzeln vollständig von Erde gereinigt sein; es können die leztern mit Moos umgeben werden, müssen aber jedenfalls mit einem Paktuch so eingewikelt sein, daß kein einziges Theilchen entweichen kann, daß aber auch die Vornahme der erforderlichen Konstatirungen dadurch nicht gehindert wird.

Der Zvvek, den man bei Aufstellung dieser Bestimmung im Auge hatte, war, vorzubeugen, daß Pflanzen, welche allerdings mit der Rebe nichts gemein haben, aber in der Nähe phylloxerirter Weinstöke gewachsen sind, nicht Rebläuse in der an ihren Wurzeln haftenden Erde mit sich führen und für den Fall, daß sie wiederum in die Nähe von Weinstöken verpflanzt werden, leztern die Infektion mittheilen.

610 Wenn die Verpflichtung, die Erde von den Wurzeln zu entfernen, für die in den Verkehr gesezten Obstbäume und im Allgemeinen für die blattwechselnden Bäume und Gesträuche keine Inkonvenienzen nach sich zieht, so ist dies nicht der Fall bei den immergrünen Pflanzen, Coniferen etc. und den Topfpflanzen. Die Versendung dieser nur dann zu gestatten, wenn ihre Wurzeln vollkommen erdefrei sind, kommt in der That einem absoluten Verbote gleich, sie von einem Orte zum andern zu bringen, d. h. der gänzlichen Unterdrükung des Handels mit denselben.

Die Gefahr, welche nicht zur Weinkultur gehörige Vegetabilien mit Bezug auf die Verbreitung der Phylloxéra bringen können, läßt sich auch, in wenigstens eben so hohem Grade, vermeiden, wenn die Vorschrift aufgestellt wird, daß sie nur dann zum Versandt gelangen dürfen, wenn offiziell konstatirt ist,, daß sie aus Etablissementen kommen, die keine Rebstöke enthalten, mit solchen keinen Handel treiben und nicht in unmittelbarer Nähe von Rebenpflanzungen sich befinden.

Wir haben deßhalb und um die Schwierigkeiten, welche dem Vollzug obenerwähnter Vorschrift sich entgegenstellten, zu heben, sowie um den Beschwerden der Handelsgärtner und Baumzüchter etwelche Rechnung zu tragen, heute folgende Zusazbestimmung zum Reglement vom 6. Februar angenommen : ,,Sezlinge, Bäume, Gesträuche und sonstige Erzeugnisse des Gartenbaus, welche ohne Erde an den Wurzeln nicht versandt werden können, dürfen auch mit solcher aus dem Auslande eingeführt werden und im Innern der Schweiz circuliren, wenn die Sendungen von einer Bescheinigung einer Amtsstelle des Landes, aus dem sie herkommen, begleitet sind, welche enthält : a) daß sie aus einem von der Reblaus nicht heimgesuchten Gebiete kommen, welches auch als solches auf der von dem betreffenden Staate erstellten und auf dem Laufenden gehaltenen Spezialkarte sich ausweisen muß; b) daß sie nicht erst neulich dorthin eingeführt worden sind; c) daß das Etablissement, aus dem sie kommen, keine Reben besizt, nicht Handel mit solchen treibt und sich nicht in unmittelbarer Nähe einer Weinpflanzung irgendwelcher Art befindet.

Die Sendungen, mit Ausnahme derjenigen von Topfpflanzen, müssen fest verpakt sein, daß kein Theilchen der - Pflanzen entweichen kann.11

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Es ist somit bei der Untersuchung von in den Verkehr gesezten Pflanzen*) zu unterscheiden zwischen solchen, die unbeschadet ihrer Wieder Verpflanzung ohne Wurzeln spedirt werden können, und den immergrünen Pflanzen, Coniferen und Topfgewächsen, deren Wurzeln ohne Erdumhüllung zu Grunde gehen würden. Auf jene bleibt der Artikel 6, Alinea 3 und ff. des Reglements wie bisanhin in Anwendung; diese unterliegen den Bestimmungen unsers heutigen Beschlusses.

Wenn durch leztern dem Handel mit Gartenbauerzeugnissen ·einerseits eine Erleichterung gewährt wird, so erscheint dieselbe durch die in lit. c des Beschlusses aufgestellte, weder in der internationalen Konvention, noch im Reglement vom 6. Februar vorgesehene Forderung in Bezug auf die der Rebenkultur zu gewährenden Garantien vollständig compensirt. Es ist sogar anzunehmen, daß das Verlangen des in lit. c enthaltenen Ausweises noch einen höhern Schuz gewährt als die bisherigen Bestimmungen, da dasselbe zweifelsohne sehr viele Handelsgärtner veranlaßen wird, die so gefährlichen Rebenpflanzungen aufzugeben.

Wir benuzen diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in den Schuz des Allmächtigen zu empfehlen.

B e r n , den 18. August 1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

*) Selbstverständlich bleiben Artikel 4 und Artikel 9 des ^Règlements 6. Februar 1880 von unserm heutigen Beschlüsse unberührt.

Bundesblatt. 32. Jahrg. Bd. III.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche eidgenössischen Stände, betreffend Zusaz zum Artikel 6 des Vollziehungsreglements vom 6. Februar 1880 über Vorkehrungen gegen die Reblaus. (Vom 18. August 1880.)

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