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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Albert Hirsbrunner und Mithaften in Emmenmatt (Bern).

(Vom 18. Juni 1880.)

Tit.!

Die Regierung des Kantons Bern übermachte uns mit Schreiben vom 9. Juni 1. J. eine Petition des A l b e r t H i r s b r u n n e r , Stationsvoratand in Emmenmatt bei Langnau, und fünf Mithaften, womit die leztern um theilweise Begnadigung von der Strafe nachsuchen, zu welcher sie wegen nachläßiger Gefährdung des Eisenbahnbetriebes verurtheilt sind, und stellte das Gesuch, daß wir diese Angelegenheit noch in der gegenwärtigen Session der Bundesversammlung vorlegen möchten.

Der Thatbestand ist kurz folgender: Am 2. Juni 1879 Mittags entgleiste der Gepäkwagen des von Bern nach Luzern fahrenden Schnellzuges bei der Station Emmenmatt. Einige Arbeiter hatten unter der Leitung des Vorarbeiters Johann Ulrich B a n n w a r t in Langnau wenig oberhalb dieser Station Reparaturarbeiten auf der Bahnlinie zu besorgen und ihren Werkzeug, sowie das nöthige Material auf einem kleinen Schotterwagen mitgeführt, der inzwischen auf der Linie stehen blieb. Kurze

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Zeit vor Ankunft,des Schnellzuges beauftragte Bannwart die Arbeiter Gottlieb A e s c h l i m a n A , Johann T h q m i und Samuel Pf äff li T den Rollwagen nach der Station in ein Seitengeleise zu schieben.

Nahe bei der Weiche ließen sie ihn jedoch auf dem Hauptgeleise stehen und liefen weg, um Wasser zu trinken. Als plöülich die Ankunft des Zuges signalisirt wurde, eilten die Arbeiter herbei; es war ihnen aber nicht mehr möglich, den Rollwagen vom Hauptgeleise zu schaffen. Aeschlimann zog indeß sofort die Weiche, um den Zug auf das Seitengeleise zu leiten. Es gelang, in dieser Weise den Zusammenstoß mit dem Rollwagen zu verhindei'A, aber dennoch wurde der leztere von der Maschine erfaßt und theilweise zertrümmert. Der Gepäkwagen, welcher unmittelbar hinter der Lokomotive sich befand, entgleiste und lief bis zur Station neben den Schienen.

Was den Stationsvorstand Hirsbrunner und den Weichenwärter Job. F r a n k betrifft, so waren diese im Güterschuppen beschäftigt.

Kurze Zeit vor der Ankunft des Zuges wollte Frank an seinen Posten zur Weiche gehen, konnte diese aber nicht mehr erreichen, Hirsbrunner begab sich in den Bahnhof, um hier seinen Aufgaben zu genügen.

Nach kurzer, Verspätung konnte der Zug mittelst einer vonLangnau requirjrten Gütermaschine weiter fahren. -- Nach einen» Berichte der Direktion der Jura-Bern-Luzern-Bahn übersteigt der entstandene Schaden nicht den Betrag von Fr. 100. Sie anerkennt zugleich, daß der Zug um zwei Minuten zu früh in Emmenmatt angekommen sei, und daß ohne diesen Umstand der Zusammenstoß mit dem Rollwagen wohl nicht stattgefunden hätte.

Nachdem wir durch die Direktion der Justiz und Polizei des Kantons Bern am 25. September 1879 von diesem Vorfalle Kenntniß erhalten, überwiesen wir am 29. gleichen Monats gemäß Art. 74 des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853 die Untersuchungund Beurtheilung desselben im Sinne der Artikel 67 und 8 des gleichen Gesezes den Gerichten des Kantons Bern. Da es sich jedoch ergeben hatte, daß der Stationsvorsteher Hirsbrunner und der Weichenwärter Frank schon von der Bahnverwaltung mit achttägiger Diensteinstellung ohne Gehalt, Vorarbeiter Bann wart mit Fr. 20 und jeder der drei Arbeiter Aeschlimann, Thomi und Pfäffli mit Fr. 5 Buße als theilweiser Schadensersaz bestraft worden, waren, so wurde die Regierung des Kantons Bern eingeladen, der Direktion der Jura-Bern-Luzern-Bahn zu eröffnen, daß es nicht angehe, die Urheber von Gefährdungen des Eisenbahnbetriebes mit

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358 bloßen Disziplinarstrafen zu ahnden, sondern daß dieses durch die ordentlichen Gerichte in Anwendung der betreffenden Bundesgeseze geschehen müsse.

Das Amtsgericht Signau erklärte mit Urtheil vom 23. März 1880 alle Betheiligten der fahrläßigen Gefährdung eines Eisenbahnzuges im Sinne von Art. 67, litt, b des Bundesstrafrechtes schuldig, fand aber, daß nur eine möglichst geringe Strafe gerechtfertigt erscheine, indem der fragliche Unfall nicht allein der Schuld der Angeklagten beizumessen sei, sondern auch dem zu frühen Eintreffen des Zuges auf der Station Emmenmatt, und der entstandene Schaden nur gering sei, während sämmtliche Angeschuldigte von der Direktion der Jura-Bern-Luzern-Bahn bereits disziplinarisch nicht unempfindlich bestraft worden seien, und allen Angeschuldigten, insbesondere dem Stationsvorstand, dem Weichenwärter und dem Vorarbeiter, von Seite der genannten Direktion das Zeugniß getreuer Pflichterfüllung ·ertheilt werde. Das Gericht verurtheilte sodann den Hirsbrunoer, Frank und Bannwart jeden zu zwei Tagen Gefangenschaft und Fr. 3 Geldbuße, Aeschlimann, Thomi und Pfäffli jeden zu «inem Tag Gefangenschaft und Fr. 3 Buße, und alle sechs Verurtheilten zu gleichen Theilen zur Bezahlung der Untersuchungskosten im Betrage von Fr. 128. 70, resp. Fr. 131. 70, und faßte im Weitern den Beschluß, im Falle die Verurtheilten ein Gesuch um Erlaß der Gefangenschaft auf dem Gnadenwege bei kompetenter Behörde eingeben sollten, dieses Gesuch zu empfehlen.

Mit der oben erwähnten Eingabe stellen nun wirklich sämmtliche Verurtheilte das Gesuch, es möchte ihnen die Gefängnißstrafe erlassen werden, und das Amtsgericht Signau empfiehlt dieses Gesuch zur geneigten Berüksichtigung. Zur Unterstüzung wird wesentlich auf den Umstand abgestellt, daß der Unfall durch das zu frühe Eintreffen des Zuges, also durch eine Thatsache herbeigeführt worden sei, für welche die Petenten nicht verantwortlich seien ; sodann sei mit Rüksieht auf die Disziplinarstrafe der Direktion die gerichtliche Strafe zu hart, und namentlich für Hirsbrunner auch ·ökonomisch von zu großem Nachtheil.

Nach unserer Ansicht kann dem Begehren nicht entsprochen werden. Es waltete auf der Station Emmenmatt zu der Zeit, da der Schnellzug ankommen sollte, offenbar zu große Nachläßigkeit.

Kein Mensch war an seinem Plaze, obschon das
Stationspersonal ganz genau und schon gewohnheitshalber wissen mußte, daß der Äug ganz nahe sei. Der Umstand, daß er um zwei Minuten zu früh kam, mildert allerdings ihr Verschulden etwas; allein wir

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finden, daß dieser Umstand in der geringen Strafe vollkommen genügend berüksichtigt sei. Es ist dieses auch allein der Grund, weßhalb wir die von der Staatsanwaltschaft gegen das erstinstanzliche Urtheil erklarte Appellation nicht fortsezten. Wir stellen daher den Antrag, daß auf das Gesuch der Petenten nicht einzutreten sei.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 18. Juni 1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r a s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

Sundesblatt 32. Jahrg. Bd. III.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend eine provisorische Handels-Convention zwischen der Schweiz und Serbien.

(Vom 21. Juni 1880.)

Tit.

Nachdem Serbien durch den zwischen Deutschland, Oesterreich, Frankreich, England, Italien, Rußland und der Türkei am 13. Juli 1878 in Berlin abgeschlossenen Vertrag als unabhängiger Staat erklärt worden ist, hat die serbische Landesregierung die Geneigtheit ausgesprochen, mit andern Staaten Handelsverträge abzuschließen. Dies veranlaßte uns sofort, die Frage näher zu prüfen, ob auch die Schweiz vom Anerbieten Serbiens Gebrauch machen solle. Die Verhältnisse, welche hier in Betracht fallen, sind folgende: Serbien zählt circa 1,860,000 Einwohner. Sein Export besteht ausschließlich in Erzeugnissen der Landwirtschaft und Viehzucht.

Was den Import betrifft, so stehen der österreichische mit circa 10 Millionen Gulden und der deutsche mit circa 6,400,000 Mark obenan.

Aus diesen Staaten werden hauptsächlich folgende Artikel in Serbien importirt: Webewaaren, Seidenwaaren, Bürstenbinderwaaren, Gummiwaaren, Porzellan, Modewaaren, Leder- und Kürsehnerwaaren, Cigarren, Papier, Kurzwaaren aller Art, feine und grobe Herren-und Damenkleider, Nürnbergerwaaren, Eisenwaaren aller Art, Möbelstoffe in Baumwolle und Halbwolle, Sammet in Seide, Halb-

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Albert Hirsbrunner und Mithaften in Emmenmatt (Bern). (Vom 18. Juni 1880.)

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26.06.1880

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