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Schweizerisches Bundesblatt.

32. Jahrgang. IV.

Nr. 55.

24. Dezember 1880.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

per Zeile 15 Kp. -- Inserate sind franko an die Expédition einzusenden Drnk und Expedition der Stämpflischen.

in Bern.

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Bundesrathsbeschluss in

Sachen der Eheleute Jakob und Katharina Emmenegger von Schüpfheim, Kts. Luzern, Holzschuhmacher in Läufelfingen (Baselland), betreffend Entzug der Niederlassung.

(Vom 19. Oktober 1880.)

D e r s c h w e i z e r i s c h e Bundesrath hat

in Sachen der Eheleute Jakob und Katharina E m m e n e g g e r von Schüpfheim, Kantons Luzern, Holzschuhmacher in Läufelfingen, (Baselland), betreffend Entzug der Niederlassung ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben: I. Die Eheleute Emmenegger beschwerten sich gegen einen Beschluß der Regierung des Kantons Baselland vom 19. Juni 1880, womit Emmenegger ausgewiesen wurde. Letzerer sei allerdings am 10. Dezember 1870 wegen Unterschlagung zu 3 Monaten Zuchthaus verurtheilt worden, welche Strafe den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge gehabt; allein durch Landrathsbeschluß vom 1. November 1875 sei er rehabilitirt worden. Die Folgen dieser Bestrafung seien also aufgehoben. Seither sei Emmenegger am 25. Oktober 1877 nur noch korrektionell zu 3 Monaten Gefängniß verurtheilt worden. Diese Strafe habe jedoch den Verlust der bürgerlichen Rechte nicht zur Folge. Zudem sei sie wegen einer Bundesblatt, 32. Jahrg. Bd. IV.

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Schlägerei eingetreten, wobei Emmenegger für seine Familie gegen Uebermacht sich habe wehren müssen. Die Gegner seien auch bestraft und der Frau Emmenegger sei für Verlegungen eine Entschädigung zugesprochen worden. Seither habe Emmenegger keine Bestrafung erlitten. Es liegen also die Voraussezungen von Art. 45> Absaz 3 der Bundesverfassung nicht vor.

Die Anschuldigung im Ausweisungsbeschlusse, daß Emmenegger und Frau sich ,,höchst ungebührlich" aufgeführt haben, werde besti'itten und wäre übrigens kein Grund zur Ausweisung. Emmenegger sei im eigenen Hause von zwei vergellstagten Schnapsern wörtlich und thätlich insultirt worden. Er habe sich natürlich zur Wehr gesezt, sei aber dennoch von dem ihm feindlichen Gemeindepräsidenten und einem Landjäger abgefaßt und von dem Statthalteramte Sissach 4 Tage ohne Verhör im Gefängniß behalten worden.

Er klage wegen Amtsmißbrauches und beantrage die Aufhebung der Ausweisung.

II. Die Regierung von Basel-Landschaft antwortete : Die Ausweisung der Familie Emmenegger sei nicht wegen ,,höchst ungebührlicher Aufführung" erfolgt. Die Veranlaßung hiezu sei eine Beschwerde der Frau Emmenegger gegen die Verhaftung ihres Mannes gewesen. Diese Verhaftung sei erfolgt wegen eines öffentlichen Skandals, den Ernmeuegger im Streite mit seiner Frau und den Nachbarn veranlaßt habe. Der Gemeinderath von Läufelfiiigen habe diese Verhaftung und die Ausweisung angetragen, und das Statthalteramt Sissach habe diesen Antrag unterstüzt. Die wirklichen Gründe der Ausweisung bilden die wiederholten gerichtlichen Verurtheilungcn Emmeneggers. Das erste Urtheil habe auf SVs Monate Kettenstrafe II. Grades gelautet und habe den Verlust der bürgerlichen Rechte und Ehren zur Folge gehabt. In Folge der Rehabilitation sei allerdings diese accessorischo Strafe weggefallen, sonst würde die Entziehung der Niederlassung durch den zweiten Absaz von Art. 45 der Bundesverfassung gerechtfertigt sein. Jezt könne sie nur auf den dritten Absaz sich stüzen, nachdem noch eine andere Bestrafung hinzugekommen. Das Urtheil vom 25. Oktober 1877 erkläre den Emmenegger ausdrüklich der s c h w o r e n Körperverlezung schuldig. Nach Art. 45 der Bundesverfassung kommen nicht bloß solche Verurtheilungen in Betracht, wo die Strafe noch nicht erstanden, sondern auch solche, wo sie verbüßt sei. In diesem Sinne sei die
Entziehung der Niederlassung gerechtfertigt.

Diese Maßregel sei aber auch dringend geboten gewesen. Die Verurtheilung Emmeneggers im Jahr 1870 sei erfolgt wegen einer

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weitverzweigten Unterschlagung von Seide durch Arbeiter. Aus Rüksichten für den Schuz der in Baselland sehr verbreiteten Seidenindustrie habe kräftig verfahren werden müssen. Das Treiben der Verführer der Arbeiter und Käufer der Seide habe indeß noch nicht aufgehört. Noch im Jahr 1878 habe eine bezügliche Untersuchung auf die Eheleute Emmenegger zurükgeführt, und die Frau Emmenegger habe deßhalb eine 43tägige Untersuchungshaft ausgestanden, ohne daß ihr der Richter eine Entschädigung im Urtheile zugesprochen hätte. Emmenegger sei auch Abnehmer gefrevelten Holzes. Die Frevler von Lindenholz haben dasselbe geständigermaßen ihm als Holzschuhmacher zugeführt.

Die Wegweisung der Familie Emmenegger erscheine somit vollkommen begründet.

^»* Gestüzt auf folgende rechtliche Gesichtspunkte: Auf den Rekurrenten Emmenegger findet Art. 45, Absaz 3 der Bundesverfassung Anwendung, wonach die Niederlassung denjenigen Personen entzogen werden kann, welche wegen schwerer Vergehen wiederholt gerichtlich bestraft worden sind. Aus den vorgelegten neuern Untersuchungsakten ergibt es sich überdies, daß die Eheleute Emmenegger ungeachtet jener Vorgänge einen sehr verdächtigen Verkehr unterhalten und mit der Umgebung in Unfrieden leben, so daß Emmenegger in einer am 15. Juni 1880 vor dem Statthalteramte Sissach unterzeichneten Erklärung selbst anerkennen mußte, er sehe ein, daß er nicht mehr in Läufelfingen wohnen könne, und sich bereit erklärte, diesen Ort zu verlassen ; beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Basel-Landschaft, sowie dem Potenten, unter Rükschluß der Akten mitzutheilen.

B e r n , den 19. Oktober

1880.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Bericht des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über den Rekurs J. M. Bläsi & Consorten aus dem Kanton Graubünden, betreffend Ausübung der thierärztlichen Praxis durch Laien.

(Vom 13. Dezember 1880.)

Tit.

Mit Auszug aus dem Protokoll des Nationalrathes vom 3. 1. Mts.

haben Sie uns einen Rekurs von Thierarzt J. M. Bläsi & Consorten, d. d. Klosters, 30. November 1880, gegen unsern Beschluß vom 2. Juli abbin, betreffend Ausübung der thierärztlichen Praxis durch Laien, zur Berichterstattung überwiesen.

Indem wir uns beehren, Ihnen die sämmtlichen Vorakten, sowie unsern Beschluß vom 2. Juli 1880 (siehe Seite 3 hienach) zu übermachen, haben wir dem leztern nur noch folgende zwei Bemerkungen beizufügen : 1. Artikel 33, den die Rekurrenten anrufen, lautet im ersten Alinea folgendermaßen : ,,Den Kantonen bleibt es anheimgestellt, die Ausübung der ,,wissenschaftlichen Berufsarten von einem Ausweise der Befähigung ,,abhängig zu machen."

Der Kanton Graubünden verlangt nun allerdings von Thierärzten einen solchen Ausweis und kann somit allen den Personen, die einen solchen Ausweis nicht besizen, verbieten, die Thierheilkund

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Bundesrathsbeschluss in Sachen der Eheleute Jakob und Katharina Emmenegger von Schüpfheim, Kts. Luzern, Holzschuhmacher in Läufelfingen (Baselland), betreffend Entzug der Niederlassung. (Vom 19. Oktober 1880.)

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Jahr

1880

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

55

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.12.1880

Date Data Seite

701-704

Page Pagina Ref. No

10 010 935

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