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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Caspar Corpataux von und in Preiburg, betreffend Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit.

(Vom 30. Dezember 1879.)

Der schweizerische Bundesrath hat

in Sachen des K a s p a r C o r p a t a u x , von und in Freiburg, betreffend Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : I. Der Rekurrent wurde am 25. Oktober 1867 als Advokat für den Kanton Freiburg patentirt, aber nachdem er mit Urtheil des Assisenhofes des zweiten Kreises dieses Kantons vom 7. Februar 1872 wegen Angriffes auf die Schamhaftigkeit gegenüber einem Kinde unter 12 Jahren kriminell zu zwei Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden war, von der Liste der Advokaten gestrichen, indem gemäß Artikel 30 des freiburgischen Strafgesezbuches mit dieser Strafart stets der Verlust der bürgerlichen Rechte verbunden ist.

Nach Abbüßung der Zuchthausstrafe wurde Corpataux auf sein Gesuch am 13. September 1879 von dem Kantonsgerichte von Freiburg wieder in den vollen Besiz der bürgerlichen und politischen Rechte eingesezt, in dem Sinne, daß alle Wirkungen seiner Verurtheilun vom 7. Februar 1872 aufhören sollen. Gestüzt hierauf verlangte er bei dem Staatsrathe, daß er wieder auf die Liste der

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Advokaten aufgenommen werde. Der Staatsrath lehnte jedoch am 27. Oktober und 7. November 1879 dieses Gesuch ab, weil er durch den Beschluß des Kantonsgerichtes nur in seinem Aktivbürgerrechte rehabilitirt worden, allein durch denselben nicht diejenige Ehrenfähigkeit wieder erworben habe, welche das Gesez für die Ausübung des Advokatenberufes fordere.

Ueber einen bezüglichen Rekurs des C. Corpataux an den Großen Rath schritt dieser am 21. November 1879 zur Tagesordnung.

II. Corpataux beschwerte sich nun bei dem Bundesrathe, und stellte unter Berufung auf die Artikel 2, 4, 5, 31 und 33 der Bundes- und Artikel 9 und 11 der Kantons Verfassung, sowie auf die Artikel l, 2, 4 und 10 des freiburgischen Gesezes vom 22. November 1851 über die Ausübung des Advokatenberufes, das Gesuch, daß es ihm möglich gemacht werde, seinen Beruf als Advokat wieder auszuüben.

Durch die Rehabilitation habe er das Recht zur Ausübung seines Berufes wieder erworben. Der Art. 403 des freiburgischen Strafgesezbuches schreibe vor: ,,Wer geschäfts- und arbeitslos im Kanton umherzieht, ohne sich darüber ausweisen zu können, daß er die Mittel zu seinem Unterhalte besize oder doch eine Gelegenheit zu demselben aufsuche, wird als Landstreicher mit Einsperrung im Zuchthause während 3 Monaten bestraft." Er sei daher gesezlich verpflichtet, seinen Beruf auszuüben. Daß er den in Art. 11, Ziffer 2 des erwähnten Gesezes von den Bewerbern um das Advokatenpatent geforderten guten Leumund besize, beweise er durch die Vorlage mehrerer guten Zeugnisse.

III. Der Staatsrath von Freiburg trug auf Abweisung der Beschwerde an. Man brauche nur einen Blik in die gegen den Rekurrenten geführte Untersuchung zu thun, um sich zu überzeugen, daß er, ungeachtet der Wiedereinsezung in die politischen Rechte, nicht die nöthige Ehrenfähigkeit besize, um vor den Gerichten als Anwalt aufzutreten. Die verfassungsmäßig garantirten Freiheiten und Rechte haben mit dem Patente des Rekurrenten nichts gemein/ Nach Art. 33 der Bundesverfassung müsse vielmehr sein Begehren abgewiesen werden, weil dieser Artikel den Kantonsregierungen das Recht vorbehalte; über die Ausübung der freien Berufsarten Maßnahmen zu treffen. Was das kantonale Gesez über den Advokatenberuf betreffe, so sei dasselbe nicht mißachtet worden. Wenn dieses aber auch der Fall wäre, so würde der Bundesrath nicht kompetent sein, auf diesen Punkt einzutreten.

446 In E r w ä g u n g : 1) Die Betreibung des Advokatenberufes fällt nicht unter den Begriff von Handel und Gewerbe, deren Freiheit im Artikel 31 der Bundesverfassung von Bundes wegen gewährleistet ist. Nach Art. 33 der Bundesverfassung sind die Kantone vielmehr bei-echtigt, einen Ausweis über die Befähigung zu verlangen, und im Abgang entgegengesezter Bundesvorschriften können dieselben auch weitere Bedingungen feststellen, welche die Eigenthümlichkeit des Advokatenberufes und dessen Beziehungen zur staatlichen Organisation als nöthig erscheinen lassen. Wenn daher die Gesezgelmng des Kantons Freiburg für die Ausübung dieses Berufes den Besiz eines unbescholtenen Leumundes fordert, so ist eine solche Forderung nicht bundesrechtswidrig. Ueber die Frage aber, ob der Rekurrent kraft der ihm ertheilten Rehabilitation dieser Forderung genüge, steht der Entscheid lediglich den kantonalen Behörden zu.

2) Soweit sich die Beschwerde auf die Artikel 2, 4 und 5 der Bundesverfassung, sowie'auf die Verfassung und Gesezgebung des Kantons Freiburg bezieht, ist dieselbe gemäß Art. 39, Litt, a des Bundesgesezes über die Organisation der Buudesrechtspflege an das Bundesgericht zu richten;

beschlossen: 1. Die Beschwerde wegen Verlezung der Artiiel 31 und 33 der Bundesverfassung wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist dem Staatsrathe des Kantons Freiburg, sowie dem Rekurrenten, unter Rükschluß der Akten, mitzutheilen.

B e r n , den 30. Dezember 1879.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundesjpräsident: Hammer.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schieß.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Caspar Corpataux von und in Freiburg, betreffend Beeinträchtigung der Gewerbefreiheit. (Vom 30. Dezember 1879.)

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