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Bundesblatt

72. Jahrgang.

Bern, den 10. November 1920.

Band IV.

Erscheint wöchentlich. Preis HO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 60 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & Cte. in Bern.

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XV. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914 und 3. April 1919 getroffenen Massnahmen.

(Vom 9. November 1920.)

Wir beehren uns, Ihnen im nachstehenden über die von uns vom 9. Mai bis zum 31. Oktober 1920 auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914*) und 3.April 1919**) getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten.

A. Allgemeines.

In der Septembersession der eidgenössischen Räte wurde der Bundesrat durch eine vom Nationalrat erheblich erklärte, des imperativen Charakters entkleidete Motion de Dardel eingeladen zur Vorlage eines Beschlussentwurfes, wodurch die ausserordentlichen Vollmachten vom 1. Januar 1921 an aufgehoben werden sollen; ein Postulat der nationalrätlichen Neutralitätskommission verlangte Bericht und Antrag, ob nicht der Bundesbeschluss vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten im Sinne einer weitergehenden Einschränkung zu revidieren sei.

Der Bundesrat glaubt, diesem von ihm entgegengenommenen Auftrag zur Berichterstattung am besten dadurch gerecht zu werden, dass er im Ingress des XV. Neutralitätsberichtes seine Stellungnahme zu den erwähnten Anregungen auseinandersetzt.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 347.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. IV.

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580 Die Frage nach der grundsätzlichen und verfassungsmässigea Grundlage der ausserordentlichen Vollmachten im Zeitpunkte der Bewilligung -- also am 3. August 1914 und 3. April 1919 -- hier wieder aufzurollen, sehen wir uns nicht veranlasst. Di» Bundesversammlung, der wir Rechenschaft zu geben haben, hat sich hierüber unzweideutig ausgesprochen ; wir fürchten auch das Urteil der Geschichte nicht, welche auf das Ganze sehen, den Drang und die Not der Zeit gerecht als Beurteilungsfaktor einstellen und nicht am Kleinen messen wird. Heute steht zum Entscheide nur die Frage, ob die ausserordentlichen Vollmachten in ihrer Umgrenzung vom 3. April 1919 weiter andauern, ob sie auf einen bestimmten Zeitpunkt aufgehoben, ob sie weiter beschnitten werden sollen.

Kein Zweifel kann darüber herrschen, dass eine Fortsetzung der Notverordnungstätigkeit nur denkbar wäre unter den bisherigen Einschränkungen, d. h. dass 1. die Sicherheit des Staates oder wirtschaftliche Interessen diese Massregeln unbedingt erheischen ; 2. auch der Ausnahmeweg unumgänglich notwendig erscheint,, weil entweder ein Verfassungshemmnis besteht oder die Dringlichkeit sogar die Lösung durch Bundesbeschluss ausschliesst ; 3. die Zwangslage eine Folge des Weltkrieges und seiner direkten Auswirkungen sei.

Wenn auch die letztere Bedingung weder in dem Beschlüsse vom 3. August 1914, noch in demjenigen vom 3. April 1919 expressis verbis aufgestellt ist, so nimmt der Bundesrat keinen Anstand, sie als die selbstverständliche Grundlage dieses ausserordentlichen Rechtszustandes anzuerkennen, da nur ein Notstand des Staates selbst der höchsten Behörde der Eidgenossenschaft, der Bundesversammlung, das Recht verleihen konnte, das Grundgesetz, die Verfassung, auch nur für kürzeste Frist beiseite zu setzen. Mit dieser Feststellung ist für den Bundesrat gegeben, dass er eine Fortsetzung des heutigen Zustandes bloss dann postulieren darf, wenn ein Zusammentreffen der soeben genannten drei Voraussetzungen auch für die Zukunft noch denkbar, ja wahrscheinlich ist. Diese Frage ist denn auch, in Nachachtung des erteilten Auftrages, sorgfältig geprüft worden.

Die Antwort der meisten Departemente ging dahin, dass aller Wahrscheinlichkeit nach der Erlass neuer Notverordnungen in den ihnen zugewiesenen Rechtsgebieten nicht mehr nötig sein werde. Dabei betrachtete man es als unbestritten und selbstverständlich -- auch die Begründung des Postulats der Neutralitätskommission und der Motion de Dardel hat darüber kaum

581 Zweifel offen gelassen -- dass auch nach der Aufhebung der Notverordnungen die durch sie geschaffenen Tatsachen und Reehtswirkungen nicht hinfällig werden, sondern weiter bestehen, die Aufhebung also keine Rückwirkung auf bereits geordnete Rechtsverhältnisse haben solle. Ebenso dürfte man darüber einig sein, dass da, wo Vollmachtsbestimmungen sich als notwendig und praktisch erwiesen haben, so dass ihre Hinübernahme ins ordentliche Recht auf dem Wege von dessen Ergänzung sich aufdrängt, vernünftigerweise niemand daran denken wird, nun aus Doktrinarismus sofort die Notverordnung aufzuheben und das bis anhin zweckmässig verwaltete Rechtsgebiet ganz unbelegt zu lassen, bis der ordentliche Gesetzgeber nachgekommen ist. Die Verordnung soll vielmehr bis dahin vikariieren, so z. B. bei der allgemein geforderten Hinübernahme von gewissen Kriegsbestimmungen ins Zivilgesetzbuch, ins Obligationenrecht, ins Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz.

Diese Überlegung 'schliesst, wenn als richtig anerkannt, zum vornherein die Aufhebung aller Kriegsverordnungen auf ein bestimmtes Datum aus. Wenn aber der a l l m ä h l i c h e Abbau des Bestehenden, sei es durch direkte Aufhebung zur gegebenen Zeit, sei es durch Gegenstandsloswerden, sei es durch Überführung ins ordentliche Recht, im Interesse eines ausgeglichenen Rechtslebens verlangt werden muss, so verschliesst sich der Bundesrat anderseits der Wünschbarkeit, ja der Notwendigkeit einer völligen Rückkehr ins verfassungsmässige Staatsleben in keiner Weise.

Wie bereits oben angedeutet, könnte der Bundesrat für die meisten Departemente unter den obigen Vorbehalten auf die ausserordentlichen Vollmachten schon jetzt verzichten, wie übrigens ein Blick auf das Verzeichnis der Vollmachtsbeschlüsse zeigt. Er hegt aber die grössten Bedenken dagegen, dies z. B. zu tun auf dem Gebiete des nationalökonomischen und finanziellen Lebens. Auf dem Gebiete des wirtschaftlichen Lebens haben wir es am meisten empfunden, dass mit den Friedensverträgen keineswegs, wie man sich das bei Erlass des Vollmachtsbeschlusses noch vorstellen durfte, auch die Kriegswirkungen dahinfallen und das normale Leben wiederkehre. Wir haben es noch mit ausserordentlichen Produktions-, Konsumtions- und Verkehrsverhältnissen und in Verbindung damit und als direkte Folge des Krieges auch mit anormalen
Finanzverhältnissen zu tun, wo oft nur durch rasche und ausserordentliche wirtschaftliche und rechtliche Massnahmen ein für das Staatswesen erträglicher Ausgleich der Reibungen erzielt werden kann. Der Gesetzgebungsapparat ist hier noch zu unbeholfen 5 selbst der dringliche Bundesbeschluss würde oft zu spät kommen. Dass ein solcher gar als Eintagsfliege geboren werden könnte, wie in der Diskussion des Nationalrates behauptet wurde,

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ist ein theoretischer Scherz, welcher der Praxis nicht standhält.

Es darf wohl auch noch beigefügt werden, dass die wirtschaftliche Lage der Welt und auch der Schweiz recht trübe erscheint.

Die Arbeitslosigkeit nimmt überall, nicht nur bei uns, zu; die Folgen der Valutamisere drohen unsere Finanzwirtschaft zu erschüttern. Ungewissheit überall. Da muss die Möglichkeit rascher Intervention des Bundesrates bestehen.

In dem Dilemma zwischen dem Rufe nach Aufhebung der Vollmachten einerseits, dem Bedürfnis nach teilweisem Festhalten anderseits fragten wir uns zuerst, ob eine Lösung in der Formel gefunden werden könnte, dass da, wo in der Zukunft doch noch Notverordnungen als wünschbar erscheinen, sie vor dem Inkraftsetzen durch den Bundesrat den Räten oder doch wenigstens den Neutralitätskommissionen zur Prüfung vorzulegen seien. Aber abgesehen davon, dass dies Zwitterding zwischen Bundesbeschlus und Bundesratsbeschluss auch den Räten und ihren Kommissionen nicht sympathisch erscheint, wäre diese Lösung oft gerade da, wo der praktische Anwendungsfall nun eintreten sollte, unpraktisch und untunlich. Man denke z. B. an den Erlass eines schützenden Einfuhrverbotes, dessen ganze Wirksamkeit gelähmt würde durch eine über mehrere Wochen sich erstreckende Beratung und Publizität. vor dem Inkrafttreten ; eine Korrektur dieser lähmenden Nebenwirkung etwa durch Rückwirkungsbestimmungen würde ebenfalls zu unbefriedigenden, oft ärgerlichen Rechtszuständen führen. Es widerspricht eben dem ganzen Wesen der auf Grund der Vollmachten zu erlassenden Beschlüsse, wenn zuerst der Zweikammerbetrieb mit Detailberatung darübergehen muss; die Verantwortlichkeit wird vom Bundesrat halb abgeladen, von der Bundesversammlung halb übernommen.

Es liesse sich nun auch die Lösung denken, dass die Vollmachten ausdrücklich auf die Dikasterien beschränkt würden, für welche sie auch für die Zukunft noch notwendig erscheinen.

Aber abgesehen davon, dass diese Scheidung nach Departementen schon formell gewissen Bedenken rufen würde, muss materiell gesagt werden, dass sehr wohl auch auf andern Gebieten in diesen schwer übersehbaren Kriegsfolgejahren sich plötzlich Bedürfnisse auftun können, denen sofort genügt werden sollte. Ist es z. B. undenkbar, dass durch schwere Unruhen in einem Nachbarlande eine über die verfassungsmässigen
Kompetenzen des Bundesrates nach Art. 102 BV hinausgehende Tätigkeit dieser Behörde von einem Tag auf den andern nötig wird, welche das Post- und Eisenbahndepartement, das Justiz- und Polizeidepartement und andere Ressorts ergreift? -- Übrigens wird der selbst in aller Ruhe verlaufende Abbau des Kriegsrechts Übergangsverordnungen notwendig machen, welche da und dort mit dem

583 eigentlichen Abbau auch noch- vorübergehende Neuordnungen praktischer Natur bis zur gänzlichen Aufhebung der Kriegsmassregel oder bis zur Überführung ins Normalrecht verbinden, also Massnahmen, welche dann, nach dem Buchstaben eines Aufhebungsbeschlusses gemessen, eigentlich nicht mehr erlassen werden dürften oder auf das Parallelgeleise eines Bundesbeschlusses verwiesen werden müssten -- eine unpraktische, doktrinäre Reibung !

Wir weisen endlich hin auf die Tatsache, dass die Unterdrückung der gesetzlich festgelegten militärischen Kurse nur auf einem ausdrücklich auf. das Jahr 1920 begrenzten Bundesratsbeschluss beruht; will man eine längere Einschränkung z. B. der.

Wiederholungskurse als Kriegsfolge aufrechthalten, so kann dies nur entweder durch regelrechtes Bundesgesetz oder durch Notverordnung geschehen.

Wenn also eine durchgreifende sofortige Aufhebung jeglicher Neuanwendung der Vollmachten noch nicht möglich erscheint, auch eine neue Formel für eine modifizierte Anwendung derselben, ein neues Verfahren, nicht befriedigt, so gelangt der Bundesrat zum Entschlüsse, es sei einer halben Lösung durch einen neuen Etappenbeschluss die Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes vorzuziehen. Er darf sich dabei der Bundesversammlung und dem Schweizervolke gegenüber darauf berufen, dass er von seinem wiederholt ausgesprochenen Willen, selbst am Abbau der Vollmachten ehrlich mitwirken zu wollen, reichlich Beweise gegeben hat. Wenn bei Begründung des letzten Abbaupostulates von 350 Notverordnungen gesprochen wurde, so kann heute festgestellt werden, dass am 15. Oktober 1920 noch deren 198 in Kraft bestanden ; darunter finden sich häufig eine ganze Reihe von sukzessive erlassenen Beschlüssen, die sachlich zusammengehören und nur leichte Änderungen oder Ergänzungen bedeuten, oft auch schon den Abbau einleiten. Einer weiteren Serie von Erlassen läutet das Totenglöcklein in den neuesten Anträgen der Departemente. Dazu kommt die heute neuerdings in unserem Berichte liegende Tendenz und formell hiermit von uns abgegebene Erklärung, dass wir von der uns am 3. April 1919 noch reservierten ausserordentlichen Vollmacht nur da Gebrauch machen werden, wo uns tatsächlich der normale Gesetzgebungsweg als gänzlich ungangbar erscheint. Räte und Volk dürfen wohl auch damit rechnen, dass der Bundesrat sich nicht ohne
Not der Unannehmlichkeit aussetze, seine Notverordnung in der nächsten Session der Bundesversammlung durch diese desavouiert zu sehen, wozu sie ja das volle Recht jetzt schon besitzt. Er wird das übrigens nicht bloss um seiner eigenen Autorität willen nicht riskieren. Sachlich wichtiger noch ist es, dass durch die

584 Notverordnungen stets neue Rechtsverhältnisse geschaffen werden, die ins Leben oft tief eingreifen. Wir dürfen es nicht verantworten, dass dann nach Monatsfrist diese neugeschaffene Ordnung wieder über Bord geworfen und so auch objektiv ganz unbefriedigende Zustände, Rechtsunsicherheit, Verwirrung geschaffen werden. Wir haben wohl am besten durch unser Vorgehen bei Vorlage der abgeänderten Nachlassvertragsverordnung gezeigt, wie sehr wir uns davor hüten möchten, ohne den nötigen Kontakt mit der Bundesversammlung solche Materien einseitig zu ordnen, die zwar nach rascher ausserordentlicher Abhülfe schreien, aber eine verschiedenartige Auffassung, verschiedene Lösungen zulassen. Da wird eben ausnahmsweise die vorausgehende Konsultation der Räte vor dem Inkrafttreten zu Hülfe genommen werden müssen.

Wir beantragen demnach der Bundesversammlung, den Bundesbeschluss vom 3. April 1919 auf Zusehen hin aufrechtzuhalten und von den Erklärungen des Bundesrates über die Richtlinien, die er für die Anwendung dieser beschränkten Vollmachten sich setzt, Vormerk zu nehmen.

B. Departement des Innern.

Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. Die T o r f p r o d u k t i o n des Jahres 1920 ist trotz ungünstiger Witterungsverhältnisse quantitativ sehr befriedigend ausgefallen. Leider hat sich die Absatzmöglichkeit infolge vermehrter Kohleneinfuhr gegen den Herbst hin ausserordentlich stark vermindert, so dass gegenwärtig noch grosse Mengen Torf unverkauft auf den Feldern liegen und wie im Vorjahre den Produzenten Vorschüsse auf eingelagerten Torf gewährt werden mussten.

Die Aufsicht über die Einfuhr von ausländischem Brenntorf und den Handel mit diesem Brennmaterial ist durch Verfügung des eidgenössischen Departements des Innern vom 15. Juni 1920 der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen übertragen worden.

Es sind seit Ende Januar 1920 bedeutende Mengen holländischen Torfes eingeführt worden, im Sommer hat jedoch diese Einfuhr zufolge der allgemein verminderten Nachfrage nach Torf und wegen der durch Holland erlassenen Ausfuhrbeschränkungen wesentlich abgenommen.

2. H o l z v e r s o r g u n g . Von verschiedenen Kantonen ist wiederholt auf die Wünschbarkeit einer baldigen Aufhebung der

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noch bestehenden Einschränkungen des Brennholzhandels "durch ·den Bund hingewiesen worden, mit der Begründung, der Brennstoffbedarf für kommenden Winter sei grösstenteils gedeckt, Torf und Kohle seien leichter erhältlich, auch halten die grössern Städte und Porstverwaltungen bedeutende Brennholz Vorräte auf Lager. Von der Abhaltung grösserer Holzsteigerungen verspreche man sich einen günstigen Einfluss auf die allzuhoch angestiegenen Fuhrkosten, indem die ländlichen Pferdebesitzer und Fuhrhalter ·selbst als Käufer auftreten werden. Zudem entsprechen die durch Verfügung vom 1. März 1920 festgesetzten Höchstpreise für Brennholz den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr und vermisse man den Einfluss einer regulierenden Konkurrenz.

Wenn auch die Richtigkeit dieser Argumente nicht bestritten -werden kann, so erschienen uns etwelche Bedenken in bezug auf die Brennholzversorgung einiger grösserer Städte, wie Zürich, Basel und Genf, durch dieselben nicht ganz beseitigt. Um solchen Rechnung tragen zu können, erachteten wir als zweckentsprechendste Lösung, die noch bestehenden Erlasse des Bundes über -die Holzversorgung durch Beschluss vom 15. Oktober 1920 auf den 25. gleichen Monats ausser Kraft zu erklären, gleichzeitig -aber durch Übertragung ähnlicher Kompetenzen an die noch unter Brennholzmangel leidenden Kantone eine lokale Brennholzversorgung zu erleichtern. Diese Kompetenz wird auf die Winterperiode 1920/21 beschränkt, in der Weise, dass mit dem 1. Mai 1921 auch die von den Kantonen getroffenen Massnahmen ausser Kraft treten und auf diesen Tag sämtliche Einschränkungen in der Holzversorgung dahinfallen. Dieser Lösung wurde auch von ·der Subkommission der Neutralitätskommission beigestimmt.

Hierdurch findet das vom Nationalrat anlässlich der Behandlung des XIV. Neutralitätsberichtes unterm 6. Oktober 1920 angenommene Postulat über Ausserkraftsetzung der Maximalpreise und ausserordentlichen Kompetenzen kantonaler Organe für den Handel mit Brennholz seine Erledigung.

C. Justiz- und Polizeidepartement.

Justizabteilung.

1. Der A b b a u der K r i e g s g e s e t z g e b u n g hat weitere Fortschritte gemacht. Wir luden sämtliche Departemente ein, uns «die entbehrlich gewordenen, gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten erlassenen Bestimmungen zu bezeichnen. Durch den

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B u n d e s r a t s b e s c h l u s s v o m 2 6 . O k t o b e r 1920 b e t r e f f e n d A u f h e b u n g v o n N o t e r l a s s e n (Gesetzsammlung XXXVI, 726) konnten' wir wieder eine grössere Zahl von Notverordnungen aufheben oder gegenstandslos erklären. Damit sind auch die gestützt auf diese Bundesratsbeschlüsse erlassenen Departementalverfügungen ohne weiteres dahingefallen, ohne dasa sie im Aufhebungsbeschluss ausdrücklich erwähnt zu werden brauchen.

2. Von den B e t r e i b u n g s - und S t u n d u n g s v e r o r d n u n g e n ist nunmehr die sog. K r i e g s n o v e l l e vom 28. S e p t e m b e r 1914 zum Schuldbetreibungsgesetz, von der nur noch die Art. l, 2 und 24 galten, gänzlich aufgehoben. Auf Umfrage hin, ob die Aufschiebung der Verwertung durch Leistung monatlicher Achtelszahlungen (Art. l und 2) noch einem Bedürfnis entspreche, verneinte dies etwa die Hälfte der Kantone, die übrigen sprachen sich meist für vorläufige Beibehaltung der Bestimmung in abgeänderter, dem Art. 123 SchKG angenäherter Fassung aus. Wir glaubten indessen, angesichts dieser durch das Gesetz selbst gewährten Erleichterung die Art. l und 2 der Novelle nicht noch abändern zu sollen, und haben sie (durch den erwähnten Beschluss vom 26. Oktober 1920) auf Ende desJahres aufgehoben. Vor diesem Zeitpunkt noch gewährte Aufschübe behalten ihre Wirksamkeit. Art. 24 sodann, der die Kantonsregierungen zur Normierung der öffentlich-rechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses auf dem Verordnungsweg ermächtigt, verliert seine Existenzberechtigung mit dem Tage des Inkrafttretens des Bundesgesetzes vom 29. April 1920 betreffend die öffentlich-rechtlichen Folgen, der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses (1. August 1921); auf diesen Zeitpunkt haben wir daher, mit Beschluss vom 9. Oktober 1920 (Gesetzsammlung XXXVI, 638), den Art. 24 der Kriegsnovelle aufgehoben.

Auch der Bundesratsbeschluss vom 4. Dezember 1914 betreffend Schutz des in der Schweiz domizilierten Schuldners konnte nun aufgehoben werden, da er nach den Erfahrungen der Gerichte sich nicht mehr · als notwendig erweist, wie eine Anfrage an die Kantone ergeben hat.

Das von der Chambre suisse de l'horlogerie in La Chauxde-Fonds gestellte, im letzten Bericht erwähnte Gesuch um Wiedereinführung der allgemeinen Betreibungsstundung wurde im Laufe des Sommers wieder zurückgezogen, dagegen von der Regierung des Kantons Solothurn mit Rücksicht auf die in einigen Bezirken,

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ausgebrochene schwere Krisis der Uhrenindustrie aufgegriffen.

Wir haben, in Übereinstimmung mit allen von ans begrüsstea Instanzen (Handel und Industrie, Banken), die neue Störung der Rechtsordnung und Gefährdung des Kredits durch eine Betreibungsstundung abgelehnt, dagegen der augenblicklichen NotlageRechnung getragen durch Zustimmung zu einem von der Solothurner Regierung für einige Bezirke auf die Dauer eines Monatsgemäss Art. 62 SchKG beschlossenen Rechtsstillstand, der ohnehin zum Teil durch die Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche notwendig geworden war.

3. Am 20. S e p t e m b e r 1920 haben wir eine neueVerordnung betreffend Ergänzung und Abänderung der B e s t i m m u n g e n des Bundesgesetzes über Schuldb e t r e i b u n g und K o n k u r s b e t r e f f e n d den Nachlassv e r t r a g erlassen, die an Stelle der Verordnung vom 27. Oktober 1917 treten soll. Über den neuen Erlass ist Ihnen ein besonderer Bericht zugegangen. Die Publikation und das Inkrafttreten der Verordnung haben wir einstweilen verschoben, um zuvor den Neutralitätskommissionen der Räte und wenn möglich auch den Räten selbst Gelegenheit zu geben, zu ihr Stellung zu nehmen.

4. Ebenso können wir für den B u n d e s r a t s b e s c h l u s s v o m 2 0 . S e p t e m b e r 1920 b e t r e f f e n d A b ä n d e r u n g * d e r V e r o r d n u n g v o m 20. F e b r u a r 1918 ü b e r die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen (Gesetzsammlung XXXVI, 623) auf unsern besondern Bericht an die Räte verweisen.

5. Nachdem der Bundesratsbeschluss vom 8. Juli 1919 betreffend Abänderung und Ergänzung des Obligationenrechts in Ziffer IX (Zusatz zu Art. 656 OR) die Aktiengesellschaften, deren Grundkapital mindestens eine Million Franken beträgt oder die Inhaberobligationen ausgegeben haben, zur V e r ö f f e n t l i c h u n g i h r e r B i l a n z nebst Gewinn- und Verlustrechnung im schweizerischen Handelsamtsblatt verpflichtet hat, ist fraglich geworden,, ob auch die E i s e n b a h n a k t i e n g e s e l l s c h a f t e n dieser Verpflichtung unterstehen. Die Gründe, die zur Aufstellung jener Vorschrift geführt haben, treffen für diese Gesellschaften angesichts der strengen staatlichen Kontrolle nicht zu. Anderseits sind die Bilanzvorschriften des Art. 656 OR für die Eisenbahnen durch die Spezialgesetzgebung bedeutend
erweitert worden, und ihre Bilanzen werden in der jedermann zugänglichen amtlichen Eisenbahnstatistik publiziert. Wir haben daher mit Beschluss vom 14. September 1920 festgestellt, dass die Eisenbahnaktien-

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Gesellschaften der Ziffer IX des Bundesratsbeschlusses vom 8. Juli 1919 n i c h t unterstellt sind.

6. Wie sehr der B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 9. A p r i l 1920 b e t r e f f e n d B e k ä m p f u n g d e r M i e t - u n d W o h n u n g s n o t einem Bedürfnis entspricht, beweist die Tatsache, dass bis heute schon 16 Kantonsregierungen Ausführungsverordnungen erlassen haben, die von unserm Justiz- und Polizeidepartement genehmigt worden sind und einzelne oder sämtliche Forschriften des Bundesratsbeschlusses für einzelne Gemeinden oder für das ganze Kantonsgebiet anwendbar erklärt haben. Es ·sind alle Kantone ausser Uri, Schwyz, Nidwaiden, Freiburg, Appenzell I.-Rh., Graubünden, Tessin und Waadt; der Entwurf von Zürich wird demnächst genehmigt werden können.

7. Als H o t e l u n t e r n e h m e n im Sinne des Art. 27 der Verordnung vom 2. November 1915 betreffend Schutz der Hotelindustrie wurde die Eröffnung einer Fremdenpension in Amden (Kanton St. Gallen) bewilligt; sie war von allen Behörden befürwortet und vermochte ein Bedürfnis nachzuweisen.

Polizeiabteilung, D e s e r t e u r e und R e f r a k t ä r e . Der Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 betreffend die fremden Deserteure und Refraktäre ist durch Beschluss des Bundesrates vom 7. Mai 1920 auf Antrag des Militärdepartements abgeändert worden wie folgt : ,,Art. l erhält folgende Fassung: Fremde Deserteure, die die Schweizergrenze überschreiten wollen, sind festzunehmen und nach durchgeführter sanitarischer Kontrolle der kantonalen Polizeibehörde zuzuführen. In gleicher Weise ist zu verfahren mit Deserteuren und Refraktären, welche die Grenze überschritten haben, sobald sie im Innern des Landes betroffen werden.

Bei den genannten Stellen sind die Zugeführten sofort zu Protokoll einzuvernehmen. Dabei sollen ihre Personalien, ihre Herkunft und die Gründe, die sie für ihr Ausreissen oder ihre Dienstverweigerung angeben, sowie erlittene Vorstrafen und alle Tatsachen, die zur Beurteilung des Mannes ' geeignet sind, möglichst genau festgestellt werden.

Art. 2 erhält folgenden Zusatz : Eine Abschrift des Einvernahmeprotokolls ist dem eidgenössischen Militärdepartement zu schicken.

589 Art. 5 wird gestrichen.

Art. 11 lautet: Deserteure und Refraktäre dürfen nur mit Bewilligung der kantonalen Behörde, deren Kontrolle sie unterstehen, ihren Aufenthaltsort wechseln.

Art. 14 wird gestrichen.

Dieser Beschluss tritt am 7. Mai 1920 in Kraft.'1 'Der Vergleich dieser neuen Bestimmungen mit dem Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 zeigt, dass die Abäaderungen lediglich organisatorischer Natur sind und im wesentlichen darin bestehen, dass die bisher vom Armeekommando und den Territorialkommandanten ausgeübten Funktionen an die bürgerlichen Polizeiorgane übertragen werden. Dem eidgenössischen Militärdepartement ist nur mehr ein Doppel des Einvernahmeprotokolls einzusenden. Diese Übertragung an die kantonalen Polizeibehörden erwies sich deshalb als notwendig, weil nur noch wenige Territorial- und Platzkommandanten im Dienste standen.

Wir fügen bei, dass zurzeit an die Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1918 wie auch desjenigen vom 7. Mai 1920 noch nicht gedacht werden kann, da die Démobilisation in verschiedenen der ehemaligen kriegführenden Länder, so in Italien und Frankreich, noch nicht durchgeführt ist. Aus diesen beiden Ländern suchen immer noch häufig Deserteure bei uns Zuflucht. Dazu kommt, dass in Frankreich bis jetzt Amnestievorschriften nur in sehr beschränktem Umfang erlassen worden sind. Die zu uns gekommenen zahlreichen französischen Fahnenflüchtigen hätten, wenn sie jetzt in ihr Heimatland zurückkehren würden, schwere Strafen zu gewärtigen. Es bleibt deshalb nichts anders übrig, als diese Leute vorderhand nach Massgabe der beiden genannten Bundesratsbeschlüsse weiter zu dulden. Wir werden auf die Aufhebung der für die fremden Fahnenflüchtigen geltenden bundesrechtlichen SpezialVorschriften Bedacht nehmen, sobald die Verhältnisse es irgendwie gestatten.

Unterm 23. Oktober 1920 haben wir an die Polizeidirektionen der Kantone ein Kreisschreiben gerichtet, worin wir hinwiesen auf die in der italienischen ,,Gazzetta Ufficiale" vom 13. Oktober d. J. veröffentlichten zwei neuen kgl. Verfugungen, beide datiert vom 5. Oktober 1920, in bezug auf die bisher ergangenen Amnestien.

Nach Art. l der einen Verfügung wird den in Art. 4 des Amnestiedekretes vom 2. September Ï919 (siehe unser Kreis-

590 schreiben vom 15. November 1919) genannten D e s e r t e u r e » eine neue Frist von zwei Monaten, von der Veröffentlichung des Dekretes an, eingeräumt, um der Amnestie teilhaftig zu werden.

Die Frist läuft demgemäss am 13. Dezember 1920 ab. Die ausgesprochenen oder auszusprechenden Strafen sollen ermässigt und bedingt erlassen werden.

Nach Art. 4 der zweiten Verfügung werden die ausgesprochenen oder auszusprechenden Strafen denjenigen, welche vor dem 2. September 1919 zu R e f r a k t ä r e n geworden sind, erlassen, falls sie sich bei einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung Italiens im Ausland gemeldet haben oder sich innert zwei Monaten, vom Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Dekretes ab gerechnet, noch stellen werden. Auch diese Frist läuft am 13. Dezember 1920 ab.

Um im vorliegenden Neutralitätsbericht ein Bild über die Deserteurbewegung geben zu können, haben wir vor kurzem die Kantone um Mitteilungen über die jetzige Gesamtzahl der Fahnenflüchtigen, ihre Verteilung auf die einzelnen Staaten, und sodann darüber ersucht, wie viele Fahnenflüchtige nach ihrer Amnestierung und nach Erhalt von Ausweispapieren zum Verlassen des Landes veranlasst, wie viele von ihnen auf Grund der Deserteurverordnung, vom 29. Oktober 1918 ausgewiesen, und endlich, wie vielen der amnestierten Militärflüchtlinge der weitere Aufenthalt oder die Niederlassung gewährt wurden.

Mehrere Kantone haben uns noch nicht auf unsere Anfrage antworten können, weshalb wir nicht in der Lage sind, eine allgemeine neue Statistik aufzustellen. Wir müssen uns damit begnügen, die erhaltenen Zahlen einiger Grenzkantone (Genf, Tessin, Basel-Stadt) und einiger Kantone im Innern des Landes (Zürich und Luzern) zu berücksichtigen.

1. G e n f . Die Zahl der im Kanton Genf seit Anfang des Krieges bis zum 15. Oktober 1920 geduldeten Deserteure und Refraktäre beträgt . .

Die Zahl der am 15. Oktober 1920 noch im Kanton sich aufhaltenden Militärflüchtlinge beträgt

5211 Mann

Es ergibt sich somit eine Verminderung von

1797 Mann

3414

,,

Bei der gegebenen Zahl ist jedoch zu berücksichtigen, dass 160 Deserteure und 285 Refraktäre nur das g e n f e r i s c h e K a n t o n s g e b i e t verlassen haben.

591 2. T e s s i n : Italiener Deutsche Österreicher .

Franzosen Russen Türken Belgier Rumänen

Heutiger Stand 790 2 18 14 5 l 2 2 "834

Tatsächliche Abnahme seit der letzten Statistik = 524 Mann.

3. B a s e l - S t a d t : Heutiger Stand Deutsche 48 Österreicher 7 Franzosen 44 Italiener 107 Russen 33 Elsässer 28 Türken u n d Armenier . . . .

2 Rumänen 2 Tyroler 3 "274 Tatsächliche Abnahme seit der letzten Statistik = 211 Mann.

4. Z ü r i c h : Heutiger Stand Deutsche 73 Italiener 615 Österreicher u n d Ungaren . . . 4 5 Russen 79 Franzosen 62 Rumänen 34 Serben . . . . ° 10 Bulgaren 10 Türken 5 Engländer 2 Belgier 2 Amerikaner 2 Griechen 2 Polen 35 976 Tatsächliche Abnahme seit der letzten Statistik = 2329 Mann.

592 5. L uz er n: Italiener Deutsche Österreicher Franzosen Türken Russen Rumänen Amerikaner Serben

Heutiger Stand' 129 14 8 4 2 2 l l l 162 Tatsächliche Abnahme seit der letzten Statistik = 295 Mann.

Aus diesen Angaben ist ersichtlich, dass die Zahl der Militärflüchtlinge stark im Abnehmen begriffen ist. Allerdings ist in Betracht zu ziehen, dass es sich bei der Grosszahl um Leute handelt, die infolge der Amnestien Ausweispapiere erhalten haben, und welchen auf Grund derselben Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung gewährt worden ist (vgl. unser Kreisschreiben vom 17. Juli 1919). Eine verhältnismässig kleine Zahl von Leuten hat die Schweiz tatsächlich verlassen.

Bei diesem Anlasse sei die im letzten Neutralitätsberichte veröffentlichte Statistik über die Deserteurübergänge dahin berichtigt, dass die Zahl der Fahnenflüchtigen im Kanton Neuenburg bis zum 30. März 1920 nicht um 206 Mann zugenommen, sondern um 25 Mann sich vermindert hat. Die Gesamtabnahme betrug 7488 Mann.

Zentralstelle für Fremdenpolizei.

Am 15. Juli trat der Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1920 betreffend Abänderung der Verordnung vom 17. November 1919 über die Kontrolle der Ausländer in Kraft, durch welchen, trotz Bedenken des Justiz- und Polizeidepartements und verschiedener Kantone, auf Zusehen hin verschiedene Erleichterungen der fremdenpolizeilichen Vorschriften, besonders hinsichtlich der Meldepflicht, geschaffen wurden (vgl. Näheres in der Beilage zum XIV. Neutralitätsbericht : Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 30. August 1920).

Durch den Bundesratsbeschluss vom 5. August 1920 betreffend Durchführung der polizeilichen Grenzkontrolle durch das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement wurde, nachdem die militärische Grenzbewachung am 24. Juli 1920 aufgehoben worden war, die Durchführung der fremdenpolizeilichen Grenzkontrolle

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in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Land (Rheingrenze), Aargau?

Zürich, Schaffhausen, Thurgau und St. Gallen dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement übertragen (siehe Näheres in der oben erwähnten Beilage zum XIV. Neutralitätsbericht).

Zur Kontrolle der mit Luftfahrzeugen einreisenden Ausländer wurde mit der Zollverwaltung vereinbart, dass deren Organe auch die Kontrolle der Ausweisschriften besorgen.

Auf den 31. Juli 1920 wurde im Interesse der Einschränkung des Betriebes die Abteilung Statistik aufgelöst, und es wurden die einzelnen Abteilungen (Niederlassung, Grenzkontrolle und Aufsicht intern) mit der statistischen Zusammenstellung ihres Materials beauftragt. Auf Ende Oktober wird die Militärabteilung liquidiert sein, von welchem Zeitpunkt an die Einreisegesuche der entlassenen Wehrmänner (Heimkehrer) nach den gleichen Grundsätzen wie bis anhin von der Zivilabteilung behandelt werden. Durch die Aufhebung der Bundesratsbeschlüsse vom 10. und 26. November 1918 betreffend Grenzpolizei und Quarantänemassnahmen gegenüber entlassenen Soldaten der kriegführenden Armeen durch den Bundesratsbeschluss vom 7. Mai 1920, und durch die Schaffung eines eidgenössischen Grenzsanitätsdienstes durch den Bundesratsbeschluss vom 18. Juni 1920 erübrigten sich die speziellen Quarantänevorschriften für die entlassenen Wehrmänner, wie sie in den Bundesratsbeschlüssen vom 23. Mai 1919 betreffend Grenzpolizei und Quarantänemassnahmen gegenüber entlassenen oder beurlaubten Soldaten der kriegführenden Armeen und vom 1. März 1920 betreffend die Einreise- von entlassenen Wehrmännern der französischen Armee in den Kanton Genf festgelegt wurden.

' Diese Beschlüsse wurden daher, aufgehoben.

Ausser mit Frankreich und England wurden Vereinbarungen betreffend Spezialvisa mit Amerika und Belgien abgeschlossen, ferner sind Unterhandlungen mit Holland und Spanien im Gange.

Mit Italien konnte eine Vereinbarung nicht getroffen werden, da dieses Land die Gültigkeit des Spezialvisums auch auf die Einreise zum Zwecke des Antrittes einer Stellung erstrecken will. Mit Rücksicht auf den Arbeitemarkt und die Überfremdung kann schweizerischerseits eine solche Bedingung nicht angenommen werden.

Den besondern Verhältnissen des Kantons .Graubünden und dessen Abhängigkeit von den Arbeitern aus dem angrenzenden Ausland Rechnung
tragend, wurde für die dorthin einreisenden Land- und Bauarbeiter ein spezielles Einreiseverfahren eingeführt.

Vom 15. November ab werden die bisher von den Grenzposten ausgestellten Ein- und Ausreisefichen von den Konsulaten ausgefüllt.

S94

Bundesanwaltschaft.

Nachrichtendienst zugunsten fremder Mächte.

Durch den Bundesratsbeschluss betreffend Nachrichtendienst zugunsten fremder Mächte vom 22. Februar 1916 wurde die Beurteilung der nach Art. 5 der Verordnung vom 6. August 1914 ·betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand strafbaren Handlungen dem Bundesstrafgericht übertragen. Die Bundes·anwaltschaft ist gleichzeitig mit der Leitung der gerichtlichen Polizei betraut worden. Der Bundesrat ernannte zum ausser"Ordentlichen Bundesanwalt Herrn Oberrichter Bäschlin in Bern, und zu ausserordentlichen Untersuchungsrichtern wurden vom Bundesgericht ernannt vorerst für die deutsche Schweiz Herr Dr. S. Bickel in Zürich, für die französische Schweiz Herr ßob.

Pahud in Lausanne ; ausser diesen wurden später noch ernannt die Herren Dr. Münch in Basel, Dr. von Grebel in Zürich und Dr. A. Bonzanigo in Bellinzona, und schliesslich an Stelle des ;auf 15. März 1919 zurückgetretenen Herrn Pahud Herr A. Graz in Genf.

Seit dem 15. März 1916 wurden von der B.undesanwalts c h a f t , gestützt auf eingegangene Meldungen und Anzeigen, 1207 p o l i z e i l i c h e U n t e r s u c h u n g e n geführt. Der ausserordentliche Bundesanwalt hat auf den Antrag des Sekretärs der Bundesanwaltschaft in 314 Fällen die gerichtliche Voruntersuchung anbefohlen. In 139 Fällen wurde die Verfolgung durch überein·stimmenden Beschluss von Untersuchungsrichter und Bundesanwalt «ingestellt, und in 10 weitern Fällen hat die A n k l a g e k a m m e r ·entsprechend dem Antrage des Bundesanwalts die Anklage nicht .zugelassen. Entschädigungsbegehren wegen angeblich ungerechtfertigter Untersuchungshaft, über welche ebenfalls die Anklagekammer zu urteilen hatte, sind nur ganz vereinzelt zugebilligt worden.

Durch Überweisungsbeschluss der Anklagekammer sind dem B u n d e s s t r a f g e r i c h t 150 Fälle zur Beurteilung überwiesen worden; das Bundesstrafgericht tagte in Zürich, Genf, Bern, Lausanne, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Neuenburg, Locamo und Lugano. Die. behandelten Fälle umfassen im ganzen 462 Angeklagte ; 387 Angeklagte sind verurteilt und 61 freigesprochen worden; gegenüber 14 Angeklagten wurde das Verfahren durch Verfügung des urteilenden Gerichts aufgeschoben oder eingestellt.

Die nachstehende Zusammenstellung gibt die Staatsangehörigkeit ·der 387 Verurteilten an und zeigt, zu wessen Gunsten sie auf schweizerischem Gebiete Nachrichtendienst getrieben haben, wobei .zu beachten ist, dass mehrere gleichzeitig in verschiedenen .Spionageorganisationen tätig waren.

595 Deutschland England. Frankreich Italien Österreich 156 schweizerische Staatsangehörige . 6 4 7 92 7 -- 110 deutsche ,, .78 l 31 davon 20 Elsässer 3 englische ,, . -- 2 l -- -- 52 französische ,, .12 l 38 l -- 18 italienische ,, . 1 -- 8 12 -- 2 3 österreichische ,, .

6 1 6 6 6 », j t von der verbündeten Mächtegruppe -- 3 l -- --

M anuere l von Am Zentra|mächten . . 7 _ _ ötaaten | ^ neutra|en Staaten . . . 3 --

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6

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5

l

Die Kassationsbeschwerde an den K a s s a t i o n s h o f des Bundesgerichts ist gegenüber 11 Urteilen des Bundesstrafgerichts in Spionagesachen ergriffen und in allen Fällen abgewiesen worden, sowie auch das einzig erhobene Revisionsbegehren.

Nachdem seit Erledigung des letzten Spionageprozesses kein Interesse mehr bestand, den fremden Nachrichtendienst in der Schweiz weiter zu verfolgen, hat der Bundesrat mit Beschluss vom 26. April. 1920 den Bundesratsbeschluss betreffend den Nachrichtendienst zugunsten fremder Mächte vom 22. Februar 1916 a u f g e h o b e n ; damit sind auch die vorerwähnten Funktionen der Herren Bäschlin, Bickel, Münch, von Grebel und Graz als Untersuchungsrichter ad hoc dabingefallen.

Die Verordnung betreffend Straf bestimmungen für den Kriegszustand vom 6. August 1914, in deren Art. 5 die Strafandrohungen für verbotenen Nachrichtendienst zugunsten einer fremden Macht enthalten sind, wurde mit Aufhebung des Aktivdienstzustandes durch den Bundesratsbeschluss vom 14. September 1920 auf den 1. Oktober 1920 ausser Kraft gesetzt.

Amt für geistiges Eigentum.

Fristerstreckungen in Sachen des gewerblichen Eigentums.

Durch Beschluss vom 26. Oktober 1920 (A. S. XXXVI, 731) hat der Bundesrat den Ablauf der durch seine Beschlüsse vom 23. Juni 1915 (A. S. XXXI, 246) und vom 11. Februar 1916 (A. S. XXXII, 33) gewährten Fristerstreckungen festgesetzt. Er hielt sich hierbei im wesentlichen an die Fristverlängerungen, welche in dem am 30. September 1920 in Kraft getretenen, auch von der Schweiz ratifizierten internationalen Abkommen vom 30. Juni 1920 betreffend Erhaltung oder Wiederherstellung durch den Weltkrieg geschädigter gewerblicher Eigentumsrechte vereinbart worden sind. Massgebend hierfür war die Erwägung, dass es sich rechtfertigt, den Schweizern die gleichen Vorteile zuBundesblatt. 72. Jahrg. Bd. IV.

47

596 zuwenden, welche die Schweiz auf Grund des Abkommens Ausländern gewähren muss. Allerdings sind, in loyaler Anwendung des in Art. 2 der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums aufgestellten Grundsatzes der Gleichbehandlung, die schweizerischen Fristerstreckungen ohne weiteres auch den Angehörigen solcher Verbandsländer zu gewähren, die dem Abkommen fernbleiben.

Demnach lässt der Bundesratsbeschluss vom 26. Oktober 1920 endigen : Am 31. März 1921 die durch Bundesratsbeschluss vom 23. Juni 1915 gewährte Verlängerung der Prioritätsfristen für Patente und gewerbliche Muster und Modelle ; Am 30. September 1921 die übrigen im Bundesratsbeschluss vom 23. Juni 1915 gewährten Verlängerungen, nämlich: a. der Frist für die Einreichung vollständiger Prioritätsausweise für eingetragene Patente und gewerbliche Muster und Modelle ; b. der Fristen zur Erledigung amtlicher Beanstandungen von Patentgesuchen, Muster- oder Modellhinterlegungen oder Markeneintragungsgesuchen ; c. der gegen amtliche Zurückweisung solcher Gesuche oder Hinterlegungen vorgesehenen Rekursfristen ; d. der gesetzlichen Nachfristen zur Bezahlung von Patentgebühren und von Schutzverlängerungsgebühren für Muster und Modelle;.

Am 30. September 1922 die durch den Bundesratsbeschluss vom 11. Februar 1916 gewährte Verlängerung der gesetzlichen Frist für die Ausführung patentierter Erfindungen.

Schliesslich ordnet der Bundesratsbeschluss vom 26. Oktober 1920 noch folgende, mit den Fristerstreckungen zusammenhängende Punkte : 1. Er lässt während des verlängerten Abschnittes der Patentprioritätsfrist die Erwerbung eines Mitbenutzungsrechtes an Erfindungen im Sinne von Art. 8 des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1907 betreffend die Erfindungspatente zu, nachdem auch das internationale Abkommen die Entstehung eines solchen Rechtes innert verlängerter Prioritätsfrist anerkennt (während der normalen Dauer der Prioritätsfrist ist nach dem Bundesgesetz vom 3. April 1914 betreffend Prioritätsrechte an Erfindungspatenten und gewerblichen Mustern und Modellen die Erwerbung eines Mitbenutzungsrechtes ausgeschlossen).

597

2. Er gewährt eine bis zu einem Jahr betragende Nachfrist für die Anhebung der in Art. 20 des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente vorgesehenen Klage auf Abtretung unrechtmassig erworbener Patente, weil infolge der Erstreckung der Fristen zur Erledigung von Beanstandungen die gesetzliche Klagefrist ganz oder grösstenteils abgelaufen sein kann, bevor die Möglichkeit zur Klage tatsächlich gegeben ist.

D. Militärdepartement.

Am 14. September 1920 ist der B u n d e s r a t s b e s c h l u s s betreffend d i e A u f h e b u n g d e s A k t i v d i e n s t z u s t a n d e s erlassen worden. Er hebt auf den 1. Oktober 1920 namentlich die beiden Beschlüsse des Bundesrates auf, durch die er am 31. Juli 1914 die Armee auf Pikett gestellt und am 1. August 1914 aufgeboten hat. Damit ist auf dem Gebiet des Militärwesens der ordentliche Zustand, wie er vom Gesetz für die Friedenszeit vorgesehen ist, zur Hauptsache wieder hergestellt.

Es ist aber klar, dass wir nicht in allen Teilen auf die Verhältnisse vor Ausbruch des Weltkrieges zurückgehen können. Die hinter uns liegenden sechs Jahre haben namentlich auch in militärischen Dingen viele Neuerungen gebracht. Soweit ihnen durch Beschlüsse, die der Bundesrat auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten erlassen hat, bereits Rechnung getragen ist, wird die so geschaffene neue Ordnung fortbestehen müssen. Das gilt auch für die Fälle, in denen die heutigen veränderten Lebensbedingungen?

den Anstoss zum Erlass von neuen Vorschriften gegeben haben.

Eine umfassende und bleibende Anpassung des Militärwesens an die heutigen Bedürfnisse und Anschauungen dagegen wird nur auf dem Wege der Gesetzgebung durchgeführt werden können.

Wir bemühen uns mit aller Sorgfalt, die infolge der Grenzbewachung geschaffenen Arbeiten und Einrichtungen, die mit der Rückkehr friedlicher Zustände verschwinden müssen, so rasch wie möglich zu beseitigen. Wenn das bis zur Stunde nicht vollständig gelungen ist, so liegt der Grund darin, dass Dinge, die in der langen Kriegszeit entstanden sind und die zum Teil Jahre hindurch gedauert haben, nicht in allen Teilen so geschwind erledigt werden können, wie man vielfach glaubt und wie wir selber es wünschen. Wie auf andern Gebieten zeigt sich auch hier, dass der Krieg in ungeahnter Weise in alle Verhältnisse des Lebens eingegriffen hat und seine Wirkungen noch viel länger fühlen

598 lassen wird, als man nach den Erfahrungen früherer Zeiten je erwartet und gefürchtet hat.

Im einzelnen haben wir über folgende Gegenstände zu berichten: . I. D e m o b i l m a c h u n g . Die Armee ist zur Stunde vollständig entlassen. Die zuletzt im Dienste gestandenen Truppen waren die aus Freiwilligen zusammengesetzten ßewachungstruppe und die Heerespolizei. Am 18. Juni 1920 haben wir dre Aufhebung der beiden auf den 24. Juli beschlossen. Da nach amtlichen Mitteilungen und eigenen Erfahrungen der Bundeshehörden zu befürchten war, dass der gänzliche Rückzug der Truppen von der Grenze die Einreise vieler unerwünschten Leute zur Folge haben würde, änderten wir den Beschluss vom 18. Juni am 20. Juli in dem Siune ab, dass rund die Hälfte der damals noch im Dienste stehenden Truppen zurückbehalten wurde. Die Heerespolizei wurde gänzlich aufgelöst. Ein grosser Teil ihrer Angehörigen trat in den Dienst der Zollverwaltung und der Fremdenpolizei, die den Grenzschutz übernahmen. Ihnen war die Bewachungstruppe, die noch im Dienste geblieben war, bei der Ausübung dieser Aufgabe behülflich. Am 14. August, d. h. sobald die Sachlage es erlaubte, wurde aber die Entlassung auch dieser letzten Truppe von uns auf den 31. August 1920 beschlossen und auf diesen Zeitpunkt durchgeführt.

Im Anschluss an die Übernahme der Grenzaufsicht durch andere Abteilungen der Verwaltung wurden die Territorialkommandos. IV, V und VII entlassen. Ebenso konnte der Etappendienst, der vom eidgenössischen Zeughause Kriens-Luzern besorgt worden war, aufgehoben werden.

Zurzeit steht nur noch der Stab der Bewachungstruppe im Dienst, der die umfangreichen Arbeiten der Liquidation durchzuführen hat.

Damit war die Voraussetzung für unsern bereits erwähnten Beschluss vom 14. September 1920 betreffend Aufhebung des Aktivdienstzustandes gegeben.

Der Beschluss stellt die Aufhebung der Pikettstellung und der Mobilmachung der Armee auf den 1. Oktober 1920 fest. Er hebt ferner eine ganze Reihe von Erlassen, die das Militärwesen betreffen und heute entbehrt werden können, auf. Und endlich nennt er die hauptsächlichsten Erlasse, die vorläufig noch in Kraft bleiben sollen.

599 Zu diesen letztem gehören namentlich : die während der Mobilisationszeit eingeführten Abänderungen der Truppenordnung, die infolge der allgemeinen Verteuerung der Lebensverhältnisse eingeführten Erhöhungen der Leistungen des Bundes an Sold, Entschädigung der Militärversicherung etc., die auf dem Gebiete der Militärrechtspflege erfolgten Milderungen, wie die Herabsetzung einer Anzahl Strafminima, der militärische Strafvollzug der Gefängnisstrafe hei nicht ehrenrührigen Delikten und das Institut der bedingten Begnadigung, die Verordnung vom 4. März 1919 betreffend die Gefährdung der militärischen Ordnung.

Die bisher durch die Militärgerichte gehandhabte Ahndung der Widerhandlungen gegen die Verbote der Einfuhr von Waffen und. Kriegsgerät, der Einfuhr und des Besitzes von Sprengstoffen und Zündmitteln und des Handels mit Munition und der Anlage von Munitionsvorräten wird den kantonalen Gerichten übertragen.

Aufgehoben werden : in Art. 3 die durch Art. l der Verordnung vom 11. November 1918 betreffend Massnahmen gegen die Gefährdung und Störung der innern Sicherheit der Eidgenossenschaft erfolgte Unterstellung des Personals der Militärverwaltung und der Verkehrsanstalten unter die Militärgesetze, in Art. 7 endlich eine ganze Reihe von mit dem mobilen Zustande der Armee in engerer Beziehung gestandenen Erlassen, insbesondere auch die Verordnung vom 6. August 1914 betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand.

II. A l l g e m e i n e M a s s n a h m e n . Die Entlassung des vorübergehend angestellten Personals-wurde fortgesetzt. In den meisten Abteilungen ist es entweder bereits entlassen oder ist ihm auf Ende des Jahres gekündet. Die Rückkehr zum alten Zustand ist nicht leicht ; zum einen Teil ist die Arbeit heute noch so gross, dass sie nicht von den ordentlichen Beamten erledigt werden kann, zum andern handelt es sich um Leute, die jahrelang im Dienste des Bundes gestanden sind und von denen manche sehr gute Leistungen auf weisen.

Leider ist der Abbau der Militärversicherung nicht so weit gediehen, wie wir es bestimmt erwartet haben. Ihr Personalbestand ist heute mit 130 Arbeitskräften (Beamte und Aushülfsangestellte) ungefähr gleich wie im Zeitpunkt der letzten Bericht-

600

erstattung. 2000 Patienten stehen noch in Behandlung bei der Militärversicherung, und die Zahl der Rentner beträgt beinahe 4000. Wir haben im letzten Bericht ausgeführt, dass die Gesamtausgaben der Militärversicherung filr das Jahr 1920 zirka 15 bis 16 Millionen betragen werden. Von Januar bis September 1920 belaufen sich die Ausgaben auf Fr. 12,328,809. 06; für das ganze Jahr wird daher mit 16 Millionen gerechnet werden müssen. Aus der Grippezeit besonders sind noch viele Patienten vorhanden, die an schweren Krankheiten leiden und erst nach langer Zeit aus dem Kreis der Militärpatienten verschwinden werden. Die Pensionierung hat irn grossen Massstab eingegriffen.

Trotzdem die Pensionskommission alle drei Wochen Sitzung hält, kann sie die vorliegende Arbeit kaum bewältigen. Mit der vermehrten Pensionierung hoffen wir mit der Zeit einen merklichen Abbau der Militär Versicherung zu erreichen. Dieses Pensionierungsverfahren bewirkt allerdings eine vermehrte Berufung an das eidgenössische Versicherungsgericht, weil die Pensionsleistungen gegenüber den Krankengeldzahlungen etwas geringer sind.

III. A b b a u d e r R ü s t u n g s a r b e i t e n u n d L i q u i d a t i o n e n . Bei Aufstellung des Kriegsmaterialbudgets 1921 ·wurden die Begehren auf das Äusserste eingeschränkt, und es wurden nur die absolut notwendigen Anschaffungen aufgenommen.

Der Arbeiterbestand der fünf Militärwerkstätten beträgt heute zirka 1450 Mann, gegenüber zirka 1500 Mann im April 1920, 2076 Mann im Juli 1914 und zirka 6000 Mann im Sommer 1918.

Somit werden heute ungefähr 600 Mann weniger beschäftigt als unmittelbar vor Ausbruch des Krieges, was gegenüber der Vorkriegszeit eine Reduktion von nahezu einem Drittel bedeutet.

Während der nunmehr bevorstehenden Winterszeit wird von weiteren Arbeiterentlassungen Umgang genommen werden müssen.

Eine irgendwie wesentliche weitere Reduktion ist aber auch ausgeschlossen, sofern die durchaus notwendige Betriebsbereitschaft erhalten bleiben soll. Gemäss einem in der Sommersession 1920 vom Nationalrat angenommenen Postulat wird geprüft, ob nicht die in den Militärwerkstätten eingestellte Kriegsproduktion in eine Friedensproduktion für die Bedürfnisse des Bundes umzuwandeln sei. Von anderer Seite wird aber verlangt, dass auf die Übernahme von Zivilarbeiten auch dieser Art verzichtet
werde. Die Beschäftigung der oben erwähnten Arbeiterzahl nur auf Militärartikel würde aber die Rechnung ausserordentlich belasten. Heute haben wir vorläufig den Weg eingeschlagen, dass ein T e i l der Arbeiter mit Privataufträgen beschäftigt wird. Die Prüfung, welche

601 Richtung in Zukunft eingeschlagen werden soll, ist noch nicht beendigt.

Die Liquidation der Rohmaterial- und Rohstoffvorräte wurde weitergeführt. Soweit die Militärwerkstätten hierfür Bedarf haben, übernehmen sie die ihnen dienenden Warenposten. Infolge der grossen Geldknappheit und der ungünstigen Valutaverhältnisse sowie der unsichern Marktlage ist die Liquidation der übrigen zum Verkauf vorgesehenen Waren mit grossen Schwierigkeiten verbunden.

Nach den Aufräumungsarbeiten im Gebiet von Murten und am Hauenstein sind nun auch diejenigen betreffend die Befestigungsanlagen in Graubünden und im Jura beendigt. Es bleiben noch einige Entschädigungsansprüche durch den Oberfeldkommissär zu erledigen. Ferner müssen die Baracken abgebrochen und an den Ort ihrer neuen Aufstellung gesandt werden, womit ein kleines Détachement zurzeit beschäftigt ist.

Infolge des Bezuges der Felsenmunitionsmagazine in der Rinachtfluh bei Altdorf konnten die im Jahre 1918 erstellten provisorischen Munitionsmagazine i m Gasi b e i W e e s e n - N ä f e l s vollständig geräumt und die Verwaltung, die in letzter Zeit durch einen Waffenkontrolleur besorgt worden war, sowie das sämtliche Arbeiterpersonal endgültig entlassen werden.

Ein Teil der Anlage soll zur Unterbringung von Baracken der Sanitätsabteilung weiter Verwendung finden, während die übrigen Gebäulichkeiten auf Abbruch verkauft werden sollen, mit Ausnahme des Bureaus, das zu einer Wohnung umgebaut worden ist.

E. Finanz- und Zolldepartement.

Finanzverwaltung.

Stand der Finanzoperationen des Bundes.

Auf den 31. Oktober bezogen, ergibt sich folgendes Bild der hauptsächlichsten Posten: 1. Anleihen.

Langfristige Anleihen Fr. 1,106,886,000 Kassenscheine, 2-jährige 1918 ,, 36,695,300 ,, 3- v 1919 ,, 143,870,000 ,, 2- ,, 1920 ,, 113,646,500 ,, 3- ,, 1920 ,, 60,105,000 ,, 5- ,, 1920 ,, 44,909,000 Übertrag Fr. 1,506,111,800

602

Übertrag Fr. 1,506,111,800 Schatzanweisungen im Umlauf ,, 127,000,000 Übrige schwebende Schuld (Postverwaltung) ,, 70,000,000 Barguthaben der Spezialfonds (Vermehrung seit 1914) ,, 90,494,700 Zusammen 2. Steuern.

Kriegssteuer Kriegsgewinnsteuer.

Fr. 1,793,606,500 ,, ,,

99,028,100 482,725,700

Fr. 2,375,360,300 3. Verwendung der Mittel.

Kriegsmobilmachungskosten Fr. 1,221,014,000 Kosten d e r Bewachungstruppen . . . . ,, 39,958,200 In Unternehmungen für die Versorgung der Zivilbevölkerung angelegte Gelder . . . ,, 350,000,000 Vorschüsse für die Kosten der loternierung ,, 612,500 Beteiligung des Bundes an im Interesse der Landesversorgung gegründeten Unternehmungen ,, 56,713,000 Betriebsverluste infolge verbilligter Abgabe von Lebensmitteln, nach Verrechnung der anfänglichen Gewinne und der Gebühren für Ein- und Ausfuhrbewilligungen . . ,, 195,711,000 Defizite der Verwaltungsrechnung bis Ende 1919, nach Abzug des Vorschlages der Kapitalrechnung ,, 267,816,000 Vermehrung des Betriebskapitals der Regiebetriebe seit 1913 ,, 96,200,000 Vorhandene Zahlungsmittel ,, 23,558,000 Die verbleibenden ,, 123,777,600 fanden Verwendung für verschiedeae vorübergehende Vorschüsse und Ausstände, für die noch zu tilgenden Anleihensemissionskosten, zur Deckung des Defizites der Jaufenden Verwaltungsrechnung und für Verschiedenes.

Fr. 2,375,360,300

603

Wir begleiten die einzelnen Posten, soweit sie gegenüber dem letzten, XIV. Neutralitätsbericht wesentliche Änderungen aufweisen, mit nachfolgenden Bemerkungen : 1. Anleihen. Die Vermehrung der langfristigen Anleihen um Fr. 1 4 2 , 5 0 0 , 0 0 0 ist auf das III. 8% Anleihen in Amerika von $ 25,000,000 zurückzuführen, das zum festen Kurse von 5. 70 verbucht wurde.

Von den am 5. November 1920 falligen 5 °/o Kassenscheinen von 1918, II. Serie, von Fr. 109,019,900 sind rund 72,s Millionen in 6 °/o Kassenscheine III. Serie konvertiert worden, und zwar 40,i Millionen auf zwei Jahre, 18,i Millionen auf drei und 14,i Millionen auf fünf Jahre.

Hinsichtlich der Aufnahme des 8 % Anleihens in Amerika und der Ausgabe der 6 % Kassenscheine III. Serie haben wir Ihren Räten mit Vorlagen vom 24. August 1920 Bericht erstattet (Bundesbl. 1920, IV, 167 und 173). Es erübrigt uns, hier festzustellen, dass die Ausgabe der Kassenscheine einen sehr erfreulichen Erfolg gezeitigt hat, indem im ganzen rund 220 Millionen gezeichnet wurden.

Die aus den erwähnten Anleihensoperationen uns zugeflossenen neuen Mittel ermöglichten es, den Betrag der bei der Nationalbank diskontierten S c h a t z a n w e i s u n g e n um Fr. 206,000,000 zu vermindern. Gleichzeitig ist auch das Guthaben der Postverwaltung beim Finanzdepartement um 20 Millionen zurückgegangen, welche Summe in das Betriebskapital der genannten Verwaltung überführt wurde. Durch die vom Finanzdepartement und der Oberpostdirektion am 25. Oktober 1920 beschlossene Massnahme der Placierung von zirka 30 Millionen bei Kantonalbanken und staatlich garantierten Hypothekarinstituten in S1/« % Kassenscheinen auf drei und fünf Jahre, zum Zwecke der Förderung der Wohnbautätigkeit, wird das G u t h a b e n der P o s t v e r w a l t u n g weiterhin ermässigt werden.

Die Verminderung des Barguthabens der S p e z i a i f o n d s ist eine Folge von Auszahlungen, besonders aus dem Fonds für Arbeitslosenfürsorge.

2. Steuern. Seit unserm letzten Bericht sind an Kriegsgewinnsteuern 73 Millionen eingegangen, inbegriffen die Betreffnisse für den Fonds für Arbeitslosenfürsorge.

604 3. Verwendimg der Mittel.

B e w a c h u n g s t r u p p e n . Die grosse Vermehrung auf diesem Konto rührt daher, dass die über den Konto Kriegsmobilmachung gebuchten Ausgaben inzwischen aus letzterer Rechnung ausgeschieden wurden.

E i d g e n ö s s i s c h e s E r n ä h r u n g s a m t . Die Verminderung der in Unternehmungen für die Versorgung der Zivilbevölkerung angelegten Gelder um 61,2 Millionen ist eine Folge der teilweisen Liquidierung der Vorräte.

Auf dem Konto Betriebsverluste infolge verbilligter Abgabe von Lebensmitteln ergibt sich eine Vermehrung von 13,s Millionen, die hauptsächlich auf die Milch- und Brotversorgung (Notstandsaktion) zurückzuführen ist. Die Betriebsverluste des Ernährungsamtes per 30. Juni 1920 sind noch nicht inbegriffen, weil noch nicht festgestellt.

D e f i z i t e der V e r w a l t u n g s r e c h n u n g . In der Aufstellung zum letzten Neutralitätsbericht waren nur die bilanzmässig nicht gedeckten Defizite mit Fr. 165,316,000 eingesetzt, während der durch Abbuchung des Staatsvermögens von Franken 102,500,000 ausgeglichene Teil der Rückschläge unter ,,Verschiedenem"1 enthalten war. Um den Posten ,,Verschiedenes" nicht unverhältnismässig gross erscheinen zu lassen und der bessern Übersichtlichkeit wegen, haben wir den zuletzt genannten Betrag abgetrennt.

Aus dem gleichen Gruad erscheint auch neu ,,Vermehrung des Betriebskapitals 'der Regiebetriebe", welche Vermehrung fast ausschliesslich auf die Telegraphen- und Telephonverwaltung entfällt.

Verschiedene Massnahmen.

1. Durch Beschluss vom 4. Oktober 1920*) haben wir die Einfuhr von silbernen Fünffrankenstücken der lateinischen Münzunion verboten. Die Massnahme drängte sich auf, da nach Meldungen der Nationalbank und der Zollorgane grosse Silberschiebungen, die sich immer mehr als organisierter Silberimport qualifizierten, stattfanden. Diese unverhältnismässig grosse Einfuhr von Fünffrankenstücken drohte dem Lande schädlich zu werden im Hinblick auf die Liquidationsklausel im Münzvertrag von 1885, wonach die Prägeländer ihre Stücke nur bis zu einer bestimmten *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 619.

605

Summe gegen Gold zurückzunehmen verpflichtet sind. Ein weiterer Umstand, der die Einfuhr von Fünffrankenstüeken als unerwünscht erscheinen lässt, ist der, dass es sich zu einem grossen Teil um stark beschmutzte und .beschädigte Stücke handelt. Und schliesslich zeigte es sich, dass der schweizerische Verkehr mit silbernen Fünffrankenstücken reichlich versehen ist, was sich deutlich in dem fortwährend zunehmenden Bestand der Nationalbank zeigt; Während dieser Bestand im Jahre 1913 durchschnittlich 23 Millionen betrug, weist die Bank auf Ende Oktober 1920 einen solchen von über 100 Millionen auf.

Was unsere Stellung zu unseren Münzverbündeten, die wir von der Notwendigkeit der Massnahme verständigt haben, anbelangt, so ist zu erwähnen, dass diese seit langem ein Ausfuhrverbot für gemünztes Silber besitzen und dass unsere Massnahme daher nicht als unfreundlicher Akt aufgefasst, sondern eher begrüsst werden wird. Von Seiten der belgischen Regierung ist uns dies inzwischen bereits bestätigt worden.

Wir fügen schliesslich noch bei, dass wir durch das Einfuhrverbot hauptsächlich die ungesunde Valutaspekulation verhindern wollten, weshalb wir für besondere Fälle die Möglichkeit der Erteilung von Einfuhrbewilligungen vorgesehen haben (Art. 2).

Wo es sich um die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen für bezogene Waren usw. handelt, werden nach Prüfung der Verhältnisse Einfuhrbewilligungen erteilt.

2. Die nämlichen Umstände, die uns zur Ergreifung der eben besprochenen Massnahme veranlassten, zwangen uns, auch den belgischen Silberscheidemünzen zu Fr. 2, Fr. l und 50 Rp.

den Eintritt in das Gebiet der Schweiz zu verbieten. Der betreffende Bundesratsbeschluss datiert vom 2. November 1920*).

Es ist ausserordentlich zu bedauern, dass durch diese letztere Massnahme die einzige noch bestehende gemeinschaftliche Münzzirkulation zwischen den Staaten der lateinischen Münzunion und der Schweiz aufgehoben werden müsste. Und wir fürchten sehr, dass, solange die Entwertung der Valuta verschiedener Verbandsstaaten, sowie die grosse Unsicherheit in der Gestaltung .des Silberpreises weiterbestehen, es unmöglich sein wird, die gemeinschaftliche Münzzirkulation wieder herzustellen. Die Gestaltung des Silberpreises ist hier jedoch weniger ausschlaggebend als die Verschiedenheit der Valuten.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 733.

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Die bezüglich der belgischen Silberscheidemünzen notwendig gewordene Massnahme zeigt deutlich, dass auch eine Degradierung des Fünffrankenstückes zur Scheidemünze, unter Herabsetzung des Feingehalts, die infolge der Verschiedenheit der Valutaentwertung in den einzelnen Ländern bestehenden Schwierigkeiten mit Bezug auf eine gemeinschaftliche Zirkulation nicht zu heben vermöchte.

Wir werden der Frage der lateinischen Münzunion weiterhin unsere volle Aufmerksamkeit zuwenden und prüfen, inwieweit die derzeitigen unbefriedigenden Verhältnisse saniert werden könnten, d. h. welche Vorschläge die Schweiz der Münzunion zu machen in der Lage wäre.

Im Zusammenhange mit dem Einfuhrverbot für belgische Silberscheidemünzen glauben wir Ihnen Kenntnis geben zu sollen, dass die Bedürfnisse des Verkehrs durch Silberscheidemünzen schweizerischer Prägung vollkommen sichergestellt sind. Gestutzt auf Ziffer l, dritter Absatz, des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten*) beantragen wir, Sie möchten von vorstehendem Berichte Kenntnis nehmen und beschliessen, dass die Bundesratsbeschlüsse vom 4. Oktober 1920 betreffend das Verbot der Einfuhr von silbernen Fünffrankenstücken der lateinischen Münzunion, und vom 2. November 1920 beireffend das Verbot der Einfuhr von belgischen Silberscbeidemünzen weiter 'in Kraft zu bleiben haben.

Eidgenüssische Steuerverwaltung.

Militärsteuer.

Am 20. Januar 1920 hat der Bundesrat folgenden Beschluss betreffend Aufhebung verschiedener militärsteuerrechtlicher Noterlasse gefasst: Art. 1. Der Bundesratsbeschluss vom 11. Juni 1917**) betreffend die Befreiung von der Militärsteuer des zur bewaffneten Bahnbewachung im Friedensbetrieb verpflichteten Eisenbahnpersonals wird aufgehoben.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXIII, S. 351.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

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Art. 2. Der Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1915*) betreffend die Militärsteuer mit Bezug auf den Aktivdienst wird mit Ausnahme der Art. l, 2 und 4 aufgehoben.

Art. 3. Der Art. 2 des Bundesratsbeschlusses vom 15. Januar 1915 erhält folgenden neuen Wortlaut: ,,Art. 2. Auf den Aktivdienst des Auszuges, der Landwehr und des Landsturms findet das Kreisschreiben des Bundesrates vom 7. Januar 1887 (Bundesbl. 1887, I, 81) keine Anwendung, d. h. es tritt eine Abstufung der Besteuerung nach der Dauer der Dienstleistung bei den in Art. l hiervor aufgeführten Kategorien nicht ein, wenn der zu leistende Dienst länger als zwanzig Tage dauert. a Nachdem die bewaffnete Bahnbewachung infolge der vom Generalstabschef am 22. Juli 1918 verfügten Aufhebung des Befehls des^ Gewehrtragens durch die Bahnwärter faktisch längst aufgehört hatte, ergab sich die in Art. l des obzitierten Beschlusses erwähnte Aufhebung des Bundesratsbeschlusses vom 11. Juni 1917 betreffend die Befreiung von der Militärsteuer des zur bewaffneten Bahnbewachung im Friedensbetrieb verpflichteten Eisenbahnpersonals von selbst.

Dagegen musste davon abgesehen werden, den Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1915 betreffend die Militärsteuer mit Bezug auf den Aktivdienst ganz aufzuheben. Von diesem Beschlüsse bleiben vielmehr die Art. l, 2 und 4 in Kraft und überdies wurde Art. 2, wie oben ersichtlich, durch eine Bestimmung ergänzt, wonach auf den Aktivdienst das Kreisschreiben des Bundesrates vom 7. Januar 1887 Anwendung findet, wenn der zu leistende Dienst zwanzig Tage oder weniger lang dauert, während bei längerm Aktivdienst die Steuerberechnungsnormen des zitierten Kreisschreibens nicht Anwendung finden.

Der Grund dafür, dass trotz der Wünschbarkeit ihrer Aufhebung nicht alle Bestimmungen der auf das Notverordnungsrecht gegründeten militärsteuerrechtlicben Erlasse ausser Kraft gesetzt wurden, liegt darin, dass die besondern Verhältnisse militärischer Natur, welche seinerzeit den Erlass der Notverordnungen notwendig machten, zu Beginn des Jahres wenigstens zum Teil noch bestanden. Die freiwillige Bewachungstruppe, welche zu Beginn des Jahres 1919 den Grenzschutz an Stelle der autgebotenen Einheiten des Auszuges, der Landwehr oder des Landsturmes *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXI, S. 15.

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übernommen hatte, leistete ihren Dienst gemäss Art. 7, Absatz 2, des Bundesratsbeschlusses vom 7. Januar 1919 betreffend die Organisation der ßewachungstruppe als Aktivdienst.. Auch einzelne Dienstzweige des Heeres, wie der Motorwagendienst und der Feldtelegraphendienst, befanden sich noch, wenn auch mit reduzierten Beständen, im Aktivdienstverhältnis.

Es erschien somit nicht als zweckmässig, im Zeitpunkt des Erlasses des eingangs erwähnten Beschlusses, in welchem sich nicht abschätzen liess, wie lange die in Europa bestehenden außerordentlichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch andauern werden, die Bestimmungen, welche im Hinblick auf diese Verhältnisse erlassen worden sind, in globo aufzuheben.

Der Bundesrat hat deshalb in seinem Aufhebungsbeschluss diejenigen Bestimmungen nicht einbezogen, deren Aufrechterhaltung im Interesse der Gleichmässigkeit der Steuerauflage unbedingt notwendig war. Ein im Jahre 1920 Aktivdienst leistender Wehrmann soll bei gleichen Voraussetzungen im Falle von Dienstversäumnis militärsteuerrechtlich gleich behandelt werden wie der in den Jahren 1914--1919 zu Aktivdienst Aufgebotene. Er soll, wenn seine Einheit zu einem längern Dienst aufgeboten wird, nur besteuert werden, wenn er nicht mehr als zehn Tage Dienst geleistet hat, d. h. auf ihn sollen die für den Aktivdienst aufgestellten Besteuerungsgrundsätze (vgl. Art. l des Bundesratsbeschlusses vom 15. Januar 1915 und Interpretationsentscheid*) des Bundesrates vom 15. August 1916) Anwendung finden und nicht das Kreisschreiben des Bundesrates vom 7. Januar 1887.

Da nun aber der Bundesratsbeschluss vom 15. Januar 1915 im Hinblick auf Aktivdienst von längerer Dauer erlassen worden war und die Ordnungsdienste in der Regel nur kurz sind, können *) Dieser Entscheid lautet: ,,Der erste Satz von Art. l des Bundesratsbeschlusses betreffend die Militärsteuer mit Bezug auf den Aktivdienst, vom 15. Januar 1915, wird dahin ausgelegt, dass die Militärsteuer zu entrichten hat, wer anlässlich der Mobilmachung seiner Einheit entlassen worden ist, und zwar zur ganzen gesetzlichen Taxe, wenn er nicht mehr als fünf Tage Dienst im Jahre geleistet hat, und zur halben gesetzlichen Taxe, wenn er mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Tage Dienst geleistet hat.

Bei den Einheiten des Landsturmes, die in einem Jahr zu Dienst
von nicht mehr als drei Wochen aufgeboten worden sind, erfolgt die Besteuerung zur ganzen gesetzlichen Taxe nur, wenn nicht mehr als vier Tage, und zur halben gesetzlichen Taxe nur, wenn nicht mehr als sechs Tage Dienst geleistet worden sind.

Die Bestehung der Inspektion und die Erfüllung der Schiesspflicht werden nicht eingerechnet."

609 die im Interpretationsentscheid vom 15. August 1916 für die Bemessung der Ersatzsteuerschuld aufgestellten Grundsätze immer dann nicht Anwendung finden, wenn die Gesamtdauer des Ordnungsdienstes die nach dem genannten Interpretationseotscheid für die Steuerbefreiung notwendige Anzahl Diensttage nicht oder nur unwesentlich übersteigt. Der Bundesrat sah sich deshalb veranlasst, am 18. Juli 1919 mit Bezug auf den Ordnungsdienst vorn November 1918 zu beschliessen, dass bei Versäumnis dieses Dienstes für die Bemessung der Brsatzsteuerschuld nicht die für den Aktivdienst aufgestellten Mindest' ienstleistungen massgebend sind, sondern das Kreisschreiben des Bundesrates vom 7. Januar 1887, wonach Besteuerung zur halben oder ganzen gesetzlichen Taxe eintritt, wenn der Betreffende weniger als die Hälfte des vorgeschriebenen Dienstes geleistet oder den ganzen Dienst versäumt bat bzw. am Einrückungstage wieder entlassen worden ist. Durch den Ergänzungsbeschluss vom 20. Januar 1920 findet dieser für einen bestimmten Dienst aufgestellte Grundsatz nun in allen Fällen Anwendung, in welchen der in Frage kommende Aktivdienst nicht länger als zwanzig Tage gedauert hat.

Die Anwendungsfälle des Art. 4 des Bundesratsbeschlusses vom 15. Januar 1915 werden in Zukunft selten sein. Eine Aufhebung des Artikels erschien aber aus den oben dargelegten Gründen der Gleichmässigkeit der Steuerauflage nicht zweckmässig, weil die Demobilmachung der Armee noch nicht vollStändig durchgeführt war und somit die Möglichkeit einer Einberufung von Hülfsdienstpflichtigen immer noch bestand.

Kriegsgewinnsteuer.

Von den Schwierigkeiten der Veranlagung und des Bezuges der eidgenössischen Kriegsgewinnsteuer und ihren Gründen ist schon in den frühern Neutralitätsberichten und im Geschäftsbericht pro 1919 ausführlich gesprochen worden. Die Verhältnisse haben sich seither nicht gebessert, im Gegenteil verschlimmert. Der Verschlechterung der Valuta der Staaten und Sukzessionsstaaten der frühern Zentralmächte ist diejenige der europäischen Ententestaaten gefolgt, so dass der Absatz in diese Länder erschwert ist und das Inkasso der Auslandsguthaben immer schwieriger und überdies, selbst wenn die Forderungen auf Schweizerfranken lauten, verlustreicher wird. Das macht sich bei der Einschätzung in der Weise geltend, dass grosse, zum Teil übermässige Abschreibungen und Rückstellungen verlangt werden, und beim

610 Bezug ergibt sich daraus, in Verbindung mit der durch die Absatzstockung vielerorts bedingten starkeu Immobilisation der Mittel eines Unternehmens, die Notwendigkeit der Gewährung von Terminen und selbst von Nachlässen. Stundungs- und Nachlassgesuche laufen denn auch in grosser Zahl ein und ihre Erledigung bildet für die eidgenössische Steuerverwaltung keine geringe Aufgabe.

Aus diesen Feststellungen darf nicht etwa geschlossen werden, dass keine Übergewinne mehr erzielt werden. Die Handelsbilanz pro 1919 zeigt in ihren Ausfuhrzahlen gegenüber den Vorjahren nicht nur keinen Rückgang, sondern zum Teil gewaltige Zunahmen und die Ausfuhrzahlen des ersten Semesters des Jahres 1920 weisen auch keinen Rückgang auf. Wenn' trotzdem eine Anzahl von Industriezweigen derzeit keine Gewinne mehr realisieren, so geht es vielfach dem Handel nicht so schlecht. Die bis Ende September eingelangten Steuererklärungen für die Steuerperiode des Kalenderjahres 1919 weisen einen Kriegsgewinn von Fr. 133,670,800 auf und zeigen, dass in manchen Unternehmungen, insbesondere der Textil- und Chokoladebranche immer noch grosse Gewinne erzielt werden. Es darf für das genannte Jahr noch auf einen erheblichen Kriegsgewinnsteuerertrag gerechnet werden, wenn schon eia bedeutender Abfall gegenüber dem Jahre 1918 zu erwarten ist. Derselbe ist allerdings nicht ausschliesslich auf die verminderten Kriegsgewinne zurückzuführen, sondern zum Teil auf die vermehrten Abschreibungen, welche gewährt wurden, und die erhöhten Abzüge, die für das Jahr 1919 durch den Bundesratsbeschluss vom 22. April 1919 (A. S. XXXV, 271) eingeführt wurden. Die Abschreibungen wurden insbesondere auch auf solchen Verwendungen in vermehrtem Umfange gewährt, welche dem Arbeiterwohnungsbau dienten. Von 25 °/o stieg die zugelassene Amortisationsquote auf derartigen Bauten im Hinblick auf die Wohnungsnot'rasch auf 40 °/o und beträgt jetzt sogar 50 °/o, während in ausserordentlichen Fällen bis auf 60 % gegangen wird, insbesondere bei Beteiligung an Baugenossenschaften und Baugesellschaften, welche Zins oder Dividende für mindestens 15 Jahre auf 2 % oder weniger limitieren. Eine vollständige Abschreibung wird bei Aufwendungen, welche für Wohnungsbauzwecke à fonds perdu gemacht werden, gewährt. Diese gänzliche Amortisation auch dann einzuräumen, wenn durch die
Aufwendung ein Aktivum zugunsten des Steuerpflichtigen geschaffen wird, schiene uns, trotz des dafür geltend gemachten Grundes der Förderung der Bautätigkeit, zu weit zu gehen.

611 Die Zahl der in Untersuchung gezogenen Fälle, für welche Dossiers angelegt wurden, ist bis Ende September 1920 auf über 43,500 angestiegen. Kriegsgewinnsteuerpflichtige gab es im gleichen Zeitpunkte über 12,000. Auf Ende September 1920 stellten sich die Ergebnisse der Kriegsgewinnsteuer wie folgt: Gesamtsumme der ausgestellten Steuerrechnungen mit Einschluss des Zuschlages gemäss Bundesratsbeschluss vom 24. März 1917 Fr. 662,733,266. 36 Dazu Vorauszahlungen auf Steuerfälle und Steuerperioden, für welche die Einschätzung noch nicht stattgefunden hat . . ,, 20,907,753. 47 Sollbetrag auf 30. September 1920 . . . Fr. 683,641,019. 83 Am l. Oktober 1920 waren hiervon bei der Bundeskasse Fr. 573,623,756. 79 einbezahlt. Aus den bis Ende Juli 1920 eingegangenen Kriegsgewinnsteuern sind den Kantonen in sieben Raten Fr. 42,663,529.18 bezahlt worden.

Dem Arbeitslosenfonds wurden auf Rechnung des ihm zukommenden Anteils am Ertrag der Kriegsgewinnsteuer bis jetzt Fr. 53,000,000 zugewiesen. Der Anteil des Fonds an der Gesamtsumme der bis Ende September 1920 eingegangenen Steuerbeträge beläuft sich auf rund Fr. 92,000,000.

Von den Ausständen von rund Fr. 111,900,000 gegen Fr. 130,000,000 am 1. Oktober 1919, entfallen Fr. 16,500,000 auf noch nicht verfallene, Fr. 40,900,000 auf bestrittene und Fr. 54,500,000 auf fällige Steuern.

F. Yolkswirtschaftsdepartement.

Wirtschaftliches Verhältnis zum Ausland.

I.

Die Société Suisse de S u r v e i l l a n c e E c o n o m i q u e (S. S. S.) hat im Laufe des. Sommers einen mit Zahlen und graphischen Darstellungen reich dokumentierten Tätigkeitsbericht über die Jahre- 1915--1919 herausgegeben, der für die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz von bleibendem Interesse und Wert sein wird. Sie hat dem Bundesrat den Betrag von Fr. 5,817,870. 53 als vorläufiges Liquidationsergebnis zur Verfügung gestellt, welche Summe gemäss Art. 18 der Statuten der S. S. S. an eine oder mehrere Organisationen, welche die Förderung von Landwirtschaft, Handel, Industrie und Gewerbe bezwecken, zu verteilen ist. Diese Verteilung, die durch einzelne pendente Rechtsgeschäfte noch verzögert wurde, wird durch den Bundesrat voraussichtlich bald vorgenommen werden können.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. IV.

48

612 II.

Das W i r t s c h a f t s a b k o m m en mit F r a n k r e i c h , dessen .Wortlaut im letzten Neutralitätsbericht enthalten ist, wurde von Frankreich Ende Juli auf den 30. September gekündigt. Die sofort angehobenen Verhandhingen führten innert nützlicher Frist nicht zu einer Verständigung. Um die beidseitigen Handelsverhältnisse nicht zu stören, wurde deshalb eine provisorische Verlängerung des Abkommens bis 31. Oktober vereinbart. Dabei war leider nicht zu verhüten, dass für die kontigentierten Industrien, vor allem für die Stickerei, gewisse Schwierigkeiten in bezug auf die Verteilung des Kontingents entstanden.

III.

Die s c h w e i z e r i s c h e Z e n t r a l s t e l l e f ü r d i e a u s w ä r t i g e n T r a n s p o r t e konnte in der Berichtsperiode weiter abgebaut werden. Die allmähliche Verbesserung der Transportverhältnisse in den Nachbarstaaten und das Verschwinden der direkt mit dem Weltkrieg zusammenhängenden Erschwerungen des Seeverkehrs gestatten diese Einschränkungen. Die Vertretungen in den Übersee-Staaten wurden aufgehoben und auch die europäischen Bureaux wurden bis auf eines (Genua) geschlossen. Die Beschaffung der Tonnage machte keine Schwierigkeiten mehr.

Einzig die Landtransportverhältnisse haben sich noch nicht derart konsolidiert, dass eine gänzliche Aufhebung der Institution gerechtfertigt gewesen wäre. Um diesen sich allmählich bessernden Zuständen in der Organisation Rechnung tragen zu können, ermächtigte der Bundesrat durch Beschluss vom 29. Juni das Volkswirtschaftsdepartement, die Aufgabe der schweizerischen Zentralstelle für die auswärtigen Transporte den Verhältnissen angemessen einzuschränken und damit auch die nötigen Vereinfachungen und Änderungen in bezug auf dio Organisation eintreten zu lassen (Gesetzessammlung, Bd. XXXVI, S. 332). Dieser Abbau wurde auf den 1. Juli vorgenommen. Durch Verfügung vom 1. Juli (Bd. XXXVI, S. 390) wurde der Tätigkeitsbereich der Fero auf die Organisation der Landtransporte beschränkt. Militärisch begleitete Warenzüge wurden nur noch in geringer Zahl nach Rumänien organisiert. Nach Jugoslavien kamen noch aus einzelnen Wagen bestehende Transporte mit Zivil begleitung zur Ausführung. Die militärische Begleitung der Warenzüge nach Rumänien wurde auf den 1. Oktober durch Zivilbegleitung ersetzt.

IV.

Die Lage der S c
h w e i z e r i s c h e n Seetransportunion, an der bekanntlich der Bund mit der Hälfte des Genossenschaftskapitals, also mit 30 Millionen Franken beteiligt ist, hat im Laufe der Berichtsperiode eine Verschlimmerung erlitten. Die Verhältnisse dieser Genossenschaft haben schon anlässlich der Behandlung

613

des letzten Neutralitätsberiehtes im Nationalrat eine eingehende Würdigung erfahren. Insbesondere hat sich der Berichterstatter der Kommission, Herr Nationalrat Mosimann, darüber ausgesprochen.

Die heutige Lage der Seetransportunion ist derart, dass ein grosser Teil des Genossenschaftskapitals, wenn nicht der grösste Teil, als verloren betrachtet werden muss. Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse wollen wir nicht ermangeln, einige ergänzende Mitteilungen zu machen und zugleich auch die Begebenheiten der letzten Zeit darzulegen. Wir schicken voraus, dass es sich bei der Seetransportunion um eine Organisation gemischt-wirtschaftlichen Charakters handelt, welche als privatrechtliche Genossenschaft der S. S. S.-Syndikate und des Bundes konstituiert worden ist. Die Leitung liegt in den Händen des siebengliedrigen Verwaltungsrates, der seinerseits allein der Generalversammlung der Genossenschafter Rechenschaft schuldet. Der Bund als Genossenschafter stellt vier Verwaltungsräte und besitzt in der Generalversammlung die Hälfte des Stimmrechts. Andere Rechte als die übrigen Genossenschafter hat er nicht.

Die wichtigste Ursache der unerfreulichen Lage der Seetransportunion ist das S i n k e n der S e e f r a c h t s ä t z e , wie dies schon im letzten Neutralitätsbericht erwähnt wurde. Es ist nicht zu bestreiten, dass schon im Moment, als die Seetransportunion gegründet wurde, also im Dezember 1918, die Tendenz des Frachtenmarktes eine sinkende war. Der Entschluss zur Beteiligung des Bundes an dieser Unternehmung ist damals dem Bundesrate auch keineswegs leicht gefallen. Die Engagements, welche zur Gründung der Seetransportunion führten, gehen aber schon auf die Monate Juli und August des Jahres 1918 zurück.

Die später gefassten Entschliessungen und insbesondere die Tatsache der Gründung im Dezember 1918 dürfen daher nur unter voller Berücksichtigung der im Sommer jenes Jahres herrschenden schwierigen Verhältnisse und der damals schon unter ihrem Druck getroffenen Massnahmen beurteilt werden. Wir erachten es als notwendig, auf die damalige Lage kurz hinzuweisen.

Unsere überseeischen Zufuhren wurden schon im Januar 1917 durch ein Abkommen mit der britischen Regierung kontingentiert.

Die schweizerische Regierung durfte monatlich nicht mehr als 10 bis 11 Schiffe von höchstens 55,000 Tonnen Rauminhalt
chartern. Diese Schiffe sollten ausschliesslich spanischer und schwedischer Nationalität sein und nur auf dem Londoner Markt durch einen einzigen Vertreter gechartert werden. Sie mussten überdies die interalliierte Fahrlizenz besitzen. Diese Abmachungen wurden seitens England schon Mitte 1917 dahin interpretiert, dass sämtliche für die Schweiz bestimmten überseeischen Transporte, also nicht etwa nur diejenigen mit Waren für den Bund,

614 in dieser Kontingentierung Inbegriffen seien. Wir haben uns vergeblich gegen diese Auffassung gewehrt.

Was diese Einschränkung für unser Land damals bedeutete, ist daraus ersichtlich, dass wir im Vorjahr, d. h. im Jahre 1916, durchschnittlich 100,000 Warentonnen im Monat überseeisch importierten. Angesichts der in den Jahren 1917 und 1918 bestehenden Rationierung wäre es trotzdem vielleicht möglich gewesen, einige Zeit mit diesen 50,000 bis 60,000 Tonnen monatlich auszukommen, sofern sie überhaupt erhältlich gewesen wären.

Aber schon seit Ende 1917 war es uns nicht mehr gelungen, die uns zugestandenen 10 bis 11 Schiffe auf dem Londoner Markt zu finden. Im Frühjahr 1918 kam es so weit, dass wir sozusagen ausschliesslich auf die wenigen Schiffe angewiesen waren, welche uns die Vereinigten Staaten von Nordamerika auf Grund eines Abkommens für den Getreidetransport zur Verfügung stellten.

Das waren kaum 30,000 Tonnen monatlich. Hinzu kamen hie und da ein spanischer Dampfer mit Zucker und ein Segler oder Motorschoner mit Kolonialwaren und Rohstoffen. Die Vorräte an Monopolwaren gingen zurück, die Rohstoffe unserer Industrien drohten sich zu erschöpfen, und von allen Seiten wurden die mit der Beschaffung der Tonnage betrauten Organe des Bundes, insbesondere die Zentralstelle für die auswärtigen Transporte, mit dringenden Begehren nach Schiffsraum bestürmt.

Wir wandten uns an die Neutralen um Hülfe. Ihre Tonnage stand aber grösstenteils im Dienste der Kriegführenden und war unerhältlich. Weder Holland, noch Schweden, noch Norwegen konnten uns helfen. Einzig einige wenige spanische Schiffe gelang es uns, anfangs 1918 noch zu mieten. Bald aber verschwanden auch diese Dampfer vollständig vom Markt, weil die Regierung in Madrid sie für sich selbst brauchte und sämtliche Schiffe requirierte, die bereits für uns gechartert waren. Wir versuchten auch, die in Spanien internierten Schiffe der Zentralmächte für uns nutzbar zu machen. Die spanische Regierung kam uns in dieser Hinsicht soweit als möglich entgegen. Der Plan scheiterte dann aber, weil es ausgeschlossen war, die von den beiden kriegführenden Mächtegruppen gestellten Bedingungen in Übereinstimmung zu bringen. Es blieb nichts anderes übrig, als sich direkt bei der Entente zu verwenden.

Die Delegierten, welche der Bundesrat im Juli 1918 nach London
entsandte, um dort die Situation der Schweiz darzulegen, die Herren Minister Sulzer und A. Roussy, erhielten keinen befriedigenden Entscheid. Ebenso erfolglos hatten sich die Schritte gezeigt, die schon vorher Herr Minister Sulzer in Washington in gleichem Sinne getan hatte. Unter dem Eindruck dieser trostlosen Situation erteilten nun die beiden Delegierten noch von London aus dem Direktor des Einfuhrbureaus des Schokoladesyndikates,

615 Herrn Vidoudez, welcher bereits früher Schiffe für sein Syndikat gechartert hatte, den Auftrag zur Miete von 20 Schiffen für den Bund. Diese Massnahme wurde dann auf Wunsch des Generalkommissärs für Transporte, der mit den beiden genannten Herren in Paris zusammengetroffen war, der beratenden Kommission der Fero unterbreitet und von ihr dem ßundesrat erstmals am 12. September 1918 zur Ausführung empfohlen.

Da in jenem Augenblick der Auftrag zur Charterung bereits erteilt war und da das Schokoladesyndikat bereits grosse Summen für die Charterungen verausgabt hatte, standen dem Bundesrat, als er den Antrag der beratenden Kommission der Fero erhielt, nur noch zwei Auswege offen : entweder die eingegangenen Verpflichtungen zu desavouieren und einen Prozess mit fraglichem Ausgang zu riskieren oder aber die bereits getroffenen Massnahmen nach Möglichkeit so zu gestalten, wie dies den Interessen des Landes entsprach.

Der Bundesrat hat diesen letztern Weg gewählt. Auch wenn er damals noch vollständig frei gewesen wäre, hätte er nicht leicht daran denken dürfen, den sich ihm bietenden Ausweg aus der unerträglich gewordenen Notlage unserer Seetransporte auszuschlagen, er hätte sich denn dem Vorwurf aussetzen wollen, dem Land die letzte Möglichkeit zur Beschaffung von Frachtraum verschlossen zu haben.

Im Laufe mehrmonatlicher Unterhandlungen, an denen auch ein vom Bunde zugezogener Sachverständiger teilnahm, gelang es, an dem Vertrage eine ganze Reihe von Änderungen zu erreichen. So wurde die Qualität der Schiffe verbessert, indem die Holzschiffe durch Stahlschiffe ersetzt wurden, die Miete wurde von Fr. 60 auf Fr. 55 französischer Währung für die Monatstonne herabgesetzt, die Tonnenzahl etwas reduziert und überdies einige weitere Klauseln gestrichen.

Allein abgesehen hiervon drangen wir darauf, dass die Unternehmung nicht, wie die beratende Kommission der Zentralstelle für die auswärtigen Transporte dies vorschlug, durch die für solche Zwecke ungeeignete Bundesverwaltung durchgeführt, ferner dass das Risiko begrenzt und mit den privaten Importeuren geteilt werde. Dieser Wunsch entsprach gewissen, aus Kreisen der S. S. S. Syndikate geäusserten Begehren. So gelang es, die Verantwortlichkeit des Bundes, die nach dem ursprünglichen Projekte sich auf einige 100 Millionen belaufen hätte, auf 30 Millionen
zu limitieren. -- Als der Bundesrat Ende Dezember 1918 seine endgültige Zustimmung zur Gründung der Seetransportunion gab, stützte er sich auf den Bericht seines Sachverständigen, des Herrn Müller-Renner aus Winterthur, der die Übernahme der vom Schokoladesyndikat eingegangenen Verpflichtungen durch die Seetransportunion angesichts der erreichten Verbesserungen

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in "Würdigung aller Umstände empfahl. Dabei war eben zu bedenken, dass gewisse Bindungen bereits bestanden und mit einer Weigerung die Sache nicht erledigt gewesen wäre.

Das Unternehmen litt dann in der Folge unter einer Reihe . von Schwierigkeiten.

In erster Linie ist zu erwähnen der R ü c k g a n g der F r a c h t e n . Blieben diese auch im Vergleich zur Vorkriegszeit noch sehr hoch, so ist doch ihre Reduktion gegenüber 1918 für ein Transportunternehmen sehr fühlbar. Wiederholt, und zwar noch in jüngster Zeit, nahm der Rückgang der Frachten den Charakter eines jähen Sturzes an. Das konnte in diesem Masse nicht vorausgesehen werden ; selbst die grössten englischen Reeder haben noch anfangs 1919 ein langsames Zurückgehen der damals noch sehr hoch stehenden Frachtsätze als gewiss erachtet. Die überaus späte Indienststellung der von der Seetransportunion gecharterten Schiffe hat überdies erheblich dazu beigetragen, die durch den Rückgang der Frachtsätze verursachten Verluste noch fühlbarer zu machen. Entgegen den Erklärungen, welche seinerzeit Herr Vidoudez seinen Auftraggebern über die Ablieferung der Schiffe abgab, konnten diese durchwegs erst in einem Zeitpunkt in Dienst genommen werden, als die Frachtenbaisse bereits erhebliche Fortschritte gemacht hatte. Die von der Seetransportunion ergriffenen Gregenmassnahmen konnten den Schaden nicht wieder gut machen.

Eine wichtige Rolle hat für die Genossenschaft auch das F a l l e n d e r f r a n z ö s i s c h e n Valuta gespielt. Die Schiffsmiete für die erste Reise musste vorausbezahlt werden und ebenso ein Vorschuss von 250 französischen Franken pro Tonne auf die Zeitmiete. Die hierfür benötigten französischen Franken mussten damals zu 80 und 90 gekauft werden. Schon seit einiger Zeit bewertet sich der dem Unternehmen eingehende französische Franken durchschnittlich noch auf zirka 40 Cts. Der daraus entstandene Schaden beträgt viele Millionen.

Auch die Erwartungen auf genügende schweizerische Frachten sind enttäuscht worden. Wir haben uns darüber schon im letzten Neutralitätsbericht ausgesprochen. Deshalb mussten Transportaufträge anderorts gesucht. werden. Dabei ist zweifellos seitens der technischen Leitung der Seetransportunion oft nicht glücklich vorgegangen worden, und es kann nicht bestritten werden, dass die Irrtümer dieser Leitung zu dem
bedauerlichen Resultat, das wir heute vor uns sehen, erheblich beigetragen haben. Leider muss überhaupt festgestellt werden, dass die Persönlichkeiten, welchen der Verwaltungsrat der Seetransportunion sein Vertrauen schenkte, die in sie gesetzten Erwartungen nicht immer erfüllten.

Allerdings hätte der Bundesrat, wenn es ihm zugekommen wäre, hinsichtlich der Wahl der Direktion Entscheidungen zu treffen,

617 mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt wie der Verwaltungsrat, denn es mangelt in unserm Lande an im Seetransportwesen erfahrenen Leuten, die bereit gewesen wären, sich zur Verfügung zu stellen.

Über die finanziellen Ergebnisse im Jahre 1919 hat der Verwaltungsrat in ausfuhrlicher Weise an die Generalversammlung berichtet; diese hat den Bericht, auf den wir verweisen, genehmigt. Auch die Ereignisse, die sich in der letzten Berichtsperiode abspielten, waren nicht dazu angetan, die finanzielle Situation der Genossenschaft zu verbessern. Wohl zeitigte die Untermiete, welche wir im XIV. Neutralitätsbericht besprochen haben, anfänglich die erhofften günstigen Resultate ; aber ein erneuter kräftiger Frachtensturz machte ihnen ein Ende. Der Verwaltungsrat 'der Seetransportunion hat sich zudem genötigt gesehen, der Reederei van Hemelryck eine erhebliche Summe als Abfindung zu bezahlen, um verschiedene bestehende Differenzen zu beseitigen. Diese betrafen zwei Punkte : Einmal die von Mitte Februar 1920 an zu bezahlende Zeitmiete, sodann die Untermiete an Capei und Furness.

Wir haben schon im XII. Neutralitätsbericht erwähnt, dass vom 15. Februar 1920 an die Zeitmiete sich nach den Londoner Kotierungen zu richten habe. Die Reederei van Hemelryck stellte sich auf den Standpunkt, dass. diesen Abmachungen gemäss erhöhte Frachtsätze zu entrichten seien, indem im letzten Frühjahr effektiv in London für Zeitmiete Preise bezahlt wurden, welche die 55 französischen Franken der Seetransportunion ganz bedeutend überstiegen. Ferner erachtete die Reederei van Hemelryck die gewählte Form des Vertrages als einen Eingriff in ihre Rechte, indem ihr seinerzeit der Betrieb der Schiffe übertragen worden sei. Sie machte geltend, der Vertrag qualifiziere sich als ein solcher über die Betriebsführung und nicht als reine Untermiete.

Um einem Prozess, der auch im besten Falle eine Lahmlegung des Betriebes und damit gewaltige Unkosten zur Folge gehabt hätte, zu entgehen, entschloss sich der Verwaltungsrat auf das Gutachten seiner Sachverständigen hin, diese Streitfragen ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Es konnte so erreicht werden, dass der Vertrag vom Reeder vorbehaltlos anerkannt wurde und dass keine höheren Frachtsätze bezahlt werden mussten. Die Abfindung beläuft sich auf 5J/a Millionen französische
Franken.

Bei der Beurteilung dieser Entschliessung muss in Betracht gezogen werden, dass die Seetransportunion, falls sie vom 15. Februar an nur während drei Monaten die Zeitmiete entsprechend den damals in London geltenden Frachtsätzen hätte bezahlen müssen, eine Nachzahlung von zirka 8 Millionen französischen Franken zu leisten gehabt hätte.

618 Es ist zu hoffen, dass damit alle Streitigkeiten mit dem Reeder endgültig beseitigt sind. Erhebliche Schwierigkeiten dürfte dagegen dorn Verwaltungsrat noch die Liquidierung von bestrittenen Frachtengagements der frühern Leitung bereiten.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, kann heute nicht mehr erwartet werden, dass ein Resultat erzielt werde, welches auch nur einigermassen den. Hoffnungen entspricht, die anfänglich in die Schweizerische Seetransportunion gesetzt wurden. Es ist aber bei der Kritik nie ausser acht zu lassen, dass es sich bei dieser Gründung um eine Kriegsmassnahme handelt, getroffen in einem Zeitpunkt, der hinsichtlich der Versorgung unseres Landes mit überseeischen Produkten als der allerschlimmste während des Krieges und der Nachkriegszeit bezeichnet werden muss. Die Schiffe der Seetransportunion waren gemietet worden, um eine Reserve für den äussersten Notfall zu schaffen. Hätte die Frachtenmisere angedauert, so wäre das Kapital dieser Genossenschaft mit Leichtigkeit zurückgewonnen worden. Der eingetretene Verlust muss als eine Art von Prämie betrachtet werden, welche unsere Volkswirtschaft bezahlt, um im Falle der Fortdauer der Frachtennot gegen gäozliche Einstellung aller Zufuhren gesichert zu sein. Zufolge des Sinkens der Frachtsätze sind die überseeischen Produkte erheblich billiger zu stehen gekommen ; daraus hat unsere Volkswirtschaft Vorteile gezogen, welche die Verluste der Seetransportunion um ein Mehrfaches übersteigen. Damit soll keineswegs leichthin über den bedauerlichen Verlust hinweggegangen werden. Er ist beklagenswert, und die Seetransportunion prüft eine Kombination, die eine Besserung bringen soll. Zum Schlüsse dürfen wir hier feststellen, dass der Bundesrat und mit ihm die Zentralstelle für auswärtige Transporte sich allen Projekten gegenüber, die auf die Schaffung einer Schweizer Flotte und ähnliche Kombinationen hinzielten, stets ablehnend verhielten. Wir sind in die hier besprochene Unternehmung durch die wohlgemeinte und durchaus verständliche Initiative Dritter hineingeführt worden. In dieser Lage waren wir bemüht, in vorsichtiger Weise die Verantwortlichkeit des Bundes einzuschränken ; die Führung des Unternehmens haben wir naturgemäss kommerziellen und industriellen Kreisen überlassen müssen. Auch heute, nachdem ein unzweideutiger Misserfolg
eingetreten ist, stehen wir nicht an, die Lauterkeit der Motive anzuerkennen, welche die Initianten geleitet haben, und den Persönlichkeiten, die auf unsero Vorschlag das unangenehme und sorgenvolle Amt eines Verwaltungsrates übernahmen, für ihre Hingebung den Dank auszusprechen, um den sie ein Mangel an Erfolg nicht bringen darf.

619 Anderseits mag die gemachte Erfahrung uns davor bewahren, uns in Zukunft in Unternehmen einzulassen, die unserm Lande und den Schweizern ferne liegen. Dann ist auch dieses Lehrgeld nicht ganz umsonst bezahlt worden. Die Hälfte des Verlustes entfällt auf Private, und es darf auch festgestellt werden, dass gerade auch Kreise, die sich um die Einleitung des Unternehmens bemühten, ihr Vertrauen in die Sache durch sehr wesentliche Beteiligungen bewiesen haben.

Für weitere Aufklärung stehen wir Ihren Kommissionen und Ihnen stets zur Verfügung.

V.

K o h l e n v c r s o r g u n g . In unserm letzten Berichte haben wir darauf hingewiesen, in welch beunruhigender Weise die KohlenversorguDg unseres Landes den nächstgelegenen, früheren Produktionsgebieten entfremdet und immer mehr auf weitentfernte Länder, wie namentlich England und Amerika, angewiesen worden ist. Wir haben festgestellt, dass unsere Kohlenversorgung nur dann gesichert werden könne, wenn es gelinge, aus England und Amerika monatlich mindestens 150,000 Tonnen einzuführen.

Glücklicherweise sind die bezüglichen Besprechungen nicht erfolglos geblieben, und es gelang der Kohlengenossenschaft, dank einer weitausschauenden Politik und energischer und zäher Arbeit, im Verlaufe der letzten Monate sehr erhebliche Mengen englischer und amerikanischer Kohle ins Land zu bringen. Wohl sind die dafür bezahlten Preise ausserordentlich hoch und haben ihre bedauerliche Rückwirkung auf die Kosten der gesamten Lebenshaltung.

Allein wir dürfen doch angesichts der recht erheblichen Vorräte, die wir nun sukzessive ansammeln konnten, mit einer gewissen Beruhigung in die nächste Zukunft blicken.

Über die Kohlenimporte in der Berichtsperiode April bis September 1920 gibt die nachstehende Tabelle Aufschluss: April Mai Juni Juli August September Saar . . 11,919 17, 543 25,812 31,816 15,180 25 ,982 Ruhr . . 15 ,493 22, 532 18,085 38,624 45,372 17 ,754 Braunkohlenbriketts .

8,181 22 ,148 13,810 9,157 2 ,676 Belgien . 19,787 14,096 7,601 2 ,507 England . 61,203 31, 456 75,070 71,213 65,364 66 ,254 Amerika . 33,787 100, 862 193,805 202,086 182 ,082 100 ,533 6,777 4 ,399 4 ,735 Diverses . 4 ,178 7,235 1,520

Total 146,367 188,010 328,705 366,756 337,052 233,804

620

Aus dieser Zusammenstellung springt die gewaltige Bedeutung Englands und Amerikas für die Kohlenversorgung der Schweiz in die Augen. Leider sind die Aussichten, aus diesen beiden Produktionsgebieten auch für die nächste Zukunft wesentliche Mengen zu erhalten, keine günstigen. Glücklicherweise erlauben uns aber unsere Vorräte, mit Ruhe und Umsicht unsere Anstrengungen für eine weitere Versorgungsperiode fortzusetzen.

Das auf Seite 38 des letzten Neutralitätsberichtes wiedergegebene Wirtschaftsabkommen mit Frankreich vom 10. März 1920 ist, was die Lieferung von Saarkohle anbelangt, im grossen und ganzen durchgeführt worden. Immerhin hat die Berechnung der Preise zu einigen Schwierigkeiten Anlass gegeben, die heute noch nicht ganz beseitigt werden konnten.

Was Deutschland anbelangt, so führten die neu aufgenommenen Unterhandlungen nicht zu einem definitiven Zustand. Ein vorbereitetes Kohlenabkommen konnte seitens Deutschlands nicht ratifiziert werden. Immerhin vollziehen sich die Lieferungen im vorgesehenen Umfang von monatlich 15--20,000 Tonnen Kohle und Koks aus dem Ruhrgebiet und 15,000 Tonnen rheinischer Braunkohlenbriketts. Die Preise, die wir zugestehen müssen, sind hohe, da sich auch bei unsern Nachbarländern immer mehr die Tendenz geltend macht, für den so ausserordentlich begehrten Artikel Kohle das Maximum des Erreichbaren herauszuschlagen und die Kohlenpreise dem sogenannten Weltmarktpreis, d. h. dem Preis für englische und amerikanische Kohle, anzupassen. Die Lieferungen Deutschlands sind für uns insbesondere von Bedeutung für die Hausbrandversorgung und ergänzen in dieser Hinsicht vorteilhaft die Kohlenbezüge aus England und Amerika, welche vorwiegend für Transportanstalten und Industrie in Betracht kommen. Abgesehen von den verhältnismässig hohen Preisen und der Zusicherung, an die deutschen Grenzgebiete wie bisher nach Möglichkeit Frischmilch zu liefern, hat die Schweiz keinerlei Gegenleistungen übernommen.

Unsere Bemühungen, auch mit Belgien wiederum zu einem Kohlenabkommen zu gelangen, sind erfolglos geblieben, so dass dieses Land wenigstens vorläufig für unsere Kohlenversorgung nicht in Betracht kommt. Wir hoffen mit Bestimmtheit, über kurz oder lang wieder belgische Kohlen erhalten zu können, deren Qualität für verschiedene Verbrauchergruppen von grosser Bedeutung ist.
Die Kohlenbezüge aus England und Amerika erfolgen bekanntlich nicht im Rahmen besonderer Staatsabkommen. Die Abschlüsse werden vielmehr von der Kohlengenossenschaft und ihren

621

ausländischen Agenturen vorgenommen und mit Hülfe unserer Gesandtschaften nach Möglichkeit zur Durchführung gebracht.

Die schweizerische Kohlengenossenschaft in Basel, die auch für die nächste noch unsichere Zukunft unbedingt weiterbestehen muss, benötigt für ihre Tätigkeit selbstverständlich ganz ausserordentlicher finanzieller Mittel, müssen doch insbesondere die überseeischen Kohlen schon bei Verladung bezahlt werden.

Gemeinsam mit den schweizerischen Bundesbahnen haben wir deshalb der Kohlengenossenschaft die ihr zur Durchführung ihres Finanzprogrammes fehlenden Mittel zur Verfügung gestellt. Die Bundeskasse hat der Genossenschaft einen Kredit von 25 Millionen Franken eingeräumt, dessen Beanspruchung je nach den jeweiligen Kohlenbezügen wechselt. Der Saldo zugunsten des eidgenössischen Kassen- und Rechnungswesens betrug am 26. Oktober rund 14 Millionen Franken.

K o h l e n v e r t e i l u n g . Die Verteilung der durch die schweizerische Kohlengenossenschaft eingeführten Kohlenmengen wurde nach dem schon in früheren Berichten erwähnten Modus gehandhabt. Die ausreichenden Zufuhren der letzten Monate haben es ermöglicht, die Rationierung der industriellen Verbraucher vorübergehend ausser Kraft zu setzen. Die Eingänge von Koks sind noch nicht so günstig, dass hierin der Industrie der Bezug freigegeben werden könnte. Die Versorgung des Hausbrandes stellte sich in den letzten Monaten ebenfalls günstiger als im Vorjahre. Die Kohlengenossenschaft wird bis Jahresende dem Hausbrand monatlich 20,000 Tonnen Koks zuweisen können ; ebenso besteht Aussicht, dass die Zufuhren an Braunkohlenbriketts in der bisherigen Höhe von monatlich 15,000 Tonnen fortdauern werden. Trotzdem ist die Lage der Hausbrandversorgung noch nicht derart, dass wir uns zu einer endgültigen Aufhebung der Rationierung der Hausbrandkonsumenten und Kleinbetriebe entschliessen können. Die geringen Zufuhren von belgischer Kohle hatten zur Folge, dass insbesondere die vom Hausbrand benötigten Anthrazite fehlten, für die aus England und Amerika ein vollwertiger Ersatz nicht beschafft werden konnte. Bei der Beurteilung der Abbaufrage in der Kohlenversorgung darf nicht übersehen werden, in welch enger Abhängigkeit unsere Zufuhren von der Weltsituation bleiben, und diese ist leider immer noch eine unsichere. Solange sich die politischen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nicht einigermassen stabilisiert haben, können Überraschungen aller Art unsere Zufuhren, die bekanntlich auf lange und leicht zu unterbrechende Verbindungen angewiesen sind,

622 hemmen. Ebensolange müssen in der Schweiz die Fundamente der Kohlenrationierung bestehen bleiben, damit die Verteilung auch im schlimmsten Falle einigermassen geregelt werden kann.

Die Knappheit in Hausbrandqualitäten während der letzten Heizperiode hat in der Schweiz zahlreiche neue Brikettfabriken ins Leben gerufen, welche teilweise minderwertige Materialien importierten, verarbeiteten und zu Preisen verkauften, die tatsächlich auf eine Benachteiligung des Publikums hinausliefen.

Um diesen Schäden zu steuern, erliess die eidgenössische Kohlenkommission im Einverständnis mit dem Volkswirtschaftsdepartement am 8. September eine Weisung betreffend die inländische Brikettierung, durch welche die Zuteilung von importiertem Kohlengries an die Brikettfabriken von der Einhaltung schützender Bedingungen abhängig gemacht wurde.

VI.

E i n f u h r b e s c h r ä n k u n g e n (Möbel).

Die Wirkung der hohen Schweizervaluta, vor allem im Vergleich zu den Währungen der uns umgebenden Staaten, hat sich in der Berichtsperiode eher noch verschärft. In der Rohstoffbeschaffung aus dem Ausland kommt uns leider der zu erwartende Vorteil infolge der Preispolitik der Kohle und Eisen liefernden Länder nicht oder nur zum Teil zu. Dagegen spüren wir in voller Schwere die grossen Nachteile, welche die in der hochwertigen einheimischen Valuta zu zahlenden Löhne inbezug auf die Produktions-Selbstkosten zur Folge haben. Unsere Industrien werden in ihrem Export immer mehr bedroht. Gerade die wichtigsten Exportindustrien .erleiden gegenwärtig eine bedeutende Absatzkrisis oder gehen einer solchen entgegen. Das ist die eine Wirkung der hochwertigen Valuta. Dazu kommt eine zweite : Zum Verlust des Auslandmarktes gesellt sich die Bedrohung des Absatzes im Inlande selbst durch die billigere Auslandware. Die so bedrohten Industrien sehen dann in der Import-Behinderung das Mittel zu ihrem Schutz.

So sind denn auch dem Volkswirtsehaftsdepartement in der Berichtsperiode erneut zahlreiche Begehren um Schutz der einheimischen Produktion vor der durch die Valuta begünstigten Überschwemmung des inländischen Marktes mit fremden Waren zugegangen. Mannigfachen Anlass zu Beschwerden gab namentlich auch der Vertrieb des aus fremden Heeresbeständen herrührenden Materials verschiedenster Art ; ferner der Import und Verschleiss von Waren durch nicht der Branche angehörende G-elegenheits-

623 Händler. Der in verschiedenen und grossen Branchen in der letzten Zeit zu beobachtende Rückgang des Exportes macht die Industrie gegenüber der Konkurrenz ausländischer Erzeugnisse auf dem Schweizermarkt noch empfindlicher. Die von uns eingesetzte Expertenkommission für Einfuhrbeschränkungen (vgl. die beiden letzten Berichte) hat neuerdings am 13. Juli und 4. Oktober getagt. Sie hat auch in diesen Sitzungen nach sorgfältiger Prüfung der ihr unterbreiteten Eingaben ihre bisher eingenommene, abwartende Haltung nicht verlassen und dem Departement auf keinem Gebiete die sofortige Anordnung von Importverboten empfohlen. Mitbestimmend für ihre Haltung war neben den handelspolitischen Schwierigkeiten vor allem auch die Erwägung, dass jede Behinderung der Einfuhr dem von allen- Volkskreisen so sehnlichst herbeigewünschten Preisabbau mehr oder weniger entgegenwirkt.

Dagegen verhehlte sich die Kommission keineswegs, dass sich die Lage für weite Kreise der einheimischen Produktion in den letzten Monaten zugespitzt hat. Sollten infolge des erhöhten Imports die da und dort bereits eingetretenen Rückwirkungen auf dem Arbeitsmarkt sich verallgemeinern, so müsste notwendigerweise die Frage der Einfuhrbeschränkungen für einzelne Gebiete der Produktion in ein entscheidendes Stadium treten.

Bis jetzt ist das M ö b e l e In f u h r v e r b o t , über das wir im letzten Neutralitätsbericht uns einlässlich verbreiteten, das einzige geblieben. Durch diese Einfuhrbeschränkung ist der übertnässige Import ausländischer Fabrikate auf ein normales Mass, d. h. auf die durchschnittliche Monatseinfuhr des Jahres 1913, beschränkt worden. Während noch das letzte Quartal 1919 nicht weniger als 1,418,400 kg Einfuhr aus Deutschland und Österreich brachte, sank sie im laufenden Jahr auf ein durchschnittliches Monatsbetreffnis von ca. 144,000 kg. Es muss anerkannt werden, dass die Möbel-Einfuhrbeschränkung bis heute gute Dienste geleistet hat und Arbeitslosigkeit in diesem Industriezweig in grösserem Umfange zu verhüten imstande war. Die nicht mehr ruinöse, aber immerhin noch fühlbare Konkurrenz des Auslandes verlor dadurch ihre preisregulierende Wirkung nicht.

Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft in Liquidation; Sektion für Ausfuhr; Sektion Lederindustrie; Volkstuch A.-G.

Die Abteilung für industrielle Kriegs Wirtschaft in L i q u i d a t i o n ist in der Berichtsperiode weiter abgebaut worden. Das Bureau Zürich wurde aufgehoben und das Sekretariat der Kohlenkommission dem Generalsekretariat zugeteilt.

624

Die verschiedenen, früher der genannten Abteilung unterstellten Bureaux zählten an Beamten und Angestellten: April 1919 . . . . . 353 Oktober 1919 . . . . 139 April 1920 116 Oktober 1920 . . . .

75 I.

S e k t i o n f ü r Aus f u h r . Über die allgemeine Tätigkeit der Sektion orientieren vor allem die beiden letzten Berichte. In ihren Geschäftskreis fallen die Waren der Kategorien III und V-XV des Zolltarifs. Seit der letzten Berichterstattung wurden unter 11 Malen neue generelle Ausfuhrbewilligungen erteilt, die 191 Zonpositionen ganz und 85 teilweise umfassten. Bis heute sind von 1084 Positionen ganz frei 863 und teilweise frei 26, so dass für die Ausfuhr noch 144 Positionen ganz und 26 teilweise gebunden sind.

Eine Freigabe der zurzeit noch unter dem Ausfuhrverbot stehenden Waren erscheint im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse momentan nicht angezeigt, da trotz der niedrigen Valuta der umliegenden Länder unsere Versorgung in diesen Artikeln durch ungehinderten Export gefährdet werden könnte.

Im einzelnen sei noch folgendes bemerkt: Es sind heute fast sämtliche Positionen der Kategorie W o l l e nebst dem Rohmaterial, sowie der grösste Teil der B a u m wo l l w a r en zur Ausfuhr frei.

Unter dem Ausfuhrverbot stehen noch die Baumwoll-Rohgarne und -Rohgewebe, dann an ausgerüsteten Geweben diejenigen, mit denen das Inland heute noch nicht genügend versehen ist. Rücksichten auf die schweizerische Ausrüstindustrie legten bisher noch eine gewisse Zurückhaltung auf.

Das Bureau für U h r e n und B i j o u t e r i e , das bisher die Ausfuhr von Gold- und Platinuhren und Gold- und Silberschmiedwaren im Einvernehmen mit dem eidgenössischen Amt für Goldund Silberwaren und unter Mitwirkung der Organisationen der betreffenden Industrie regelte, wurde auf den 5. Oktober aufgehoben. Auf diesen Zeitpunkt erfolgte auch die Freigabe von Goldund Platinuhren und Gold- und Silberschmiedwaren.

Der Alteisen-Markt ist infolge der Ausfuhrverbote von Seiten einiger uns umgebender Staaten gefährdet. Da das Bedürfnis den Import bei weitem übersteigt, wurde im Einverständnis mit den interessierten Industrien die Alteisen-Ausfuhr nicht mehr gestattet.

625

In bezug auf die übrigen Rohmaterialien und Halbfabrikate der Metallbranche erscheint die Marktlage zurzeit noch nicht genügend abgeklärt, um zu einer Freigabe schreiten zu können.

An Fertigfabrikaten und an Maschinen ist sozusagen alles frei.

Mit dem 15. Juli übernahm die Sektion die Handhabung des Ausfuhrverbotes für B r e n n h o l z von der Abteilung für Landwirtschaft. Mit Ausnahme von Brennholz sind sämtliche Positionen von Holz frei.

An Roh- und H ü l f s s t o f f e n für die chemische I n d u s t r i e , die noch unter dem Ausfuhrverbot stehen, sind die Zufuhren und Vorräte immer noch ungenügend. Vor dem Krieg war Deutschland einer der Hauptlieferanten an Hülfsstoffen für die Chemie. Heute haben sich die Verhältnisse so geändert, dass Deutschland die Ausfuhr der Rohmaterialien verbietet, um die eigene chemische Grossindustrie beschäftigen zu können.

Auch die Position Ö l e , F e t t e und S t ä r k e ist heute teilweise in bezug auf Versorgung und Preisgestaltung noch so grossen Schwankungen unterworfen, dass wir mit einer generellen Ausfuhrbewilligung noch glaubten zuwarten zu müssen.

Die Kontrolle über die Ausfuhr von H ä u t e n , F e l l e n , L e d e r und S c h u h w a r e n wurde auch in der ßerichtsperiode nach den bisherigen Grundsätzen in engster Fühlung mit der Sektion Lederindustrie geregelt. Für Häute, Felle und Leder wurden Ausfuhrbewilligungen nur erteilt, soweit dafür im Inland nachgewiesenermassen kein Absatz vorhanden war. Der Export an Schuhwaren überstieg im ersten Halbjahr 1920, ohne die Inlandsversorgung zu gefährden, denjenigen des Vorjahres, ist aber seither bedeutend zurückgegangen.

II.

S e k t i o n L e d e r i n d u s t r i e . Nach'der im letzten Bericht erwähnten anormalen Preissteigerung auf dem ausländischen Häute- und Ledermarkt erfolgte im Laufe des Sommers ein ebenso unvermittelter Preissturz, dem sich in letzter Zeit wiederum eine neue Aufwärtsbewegung ansehloss. Die vorübergehend unter unsere Höchstpreisgrenzen gesunkenen Preise sind zum Teil schon wieder darüber hinaus gestiegen. Infolge Beibehaltung der behördlichen Preisregelung sind bei uns Handel, Industrie und Gewerbe von der teilweise verheerenden Wirkung

626

dieser unberechenbaren Schwankungen verschont geblieben. Da mit einer baldigen auch nur annähernden Stabilisierung der Weltmarktpreise und, auch abgesehen von der Preisgestaltung, mit einer sichern Rohstoffversorgung unserer Gerbereien aus dem Auslande 'noch immer nicht gerechnet werden kann, ist die Ablieferungspflicht und Preisregelung für die inländische Häute und Felle vorderhand beibehalten worden. Immerhin konnten unter Verzicht auf behördliche Kontingentierung und Höchstpreise die Häuteauktionen, wie sie vor dem Kriege üblich waren, wieder zugelassen werden, allerdings mit der Beschränkung, dass die für die Schuhlederfabrikation wichtigsten Häute und Felle den schweizerischen Gerbereien zu Vorzugspreisen abzugeben sind. Für Leder wurden Höchstpreisgrenzen auf ausdrücklichen Wunsch sowohl der Gerbereien als auch der Lederhändler und Schuhfabriken, allerdings nur noch für die zur Schuhfabrikation gebräuchlichsten Leder und in der allgemeinen Form des Verbotes von Preiserhöhungen, beibehalten (Verfügung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 1. Oktober 1920 betreffend die Leder Versorgung des Landes, die unter Aufhebung aller bisherigen Verfügungen die noch geltenden Bestimmungen enthält).

Die Ausdehnung der im letzten Bericht erwähnten Schuhverbilligungsaktion auf einen Vertrieb von insgesamt rund einer Million Paar verbilligter Schuhe, di'e vom Fabrikanten zu den Selbstkosten abgesetzt werden, hat das Preisniveau für die sogenannten Gebrauchsschuhe merklich zu senken vermocht. Nun sollen verschiedene, immerhin nicht bedeutende Preisreduktionen auf. einigen inländischen Ledersorten in Verbindung mit teilweisen billigeren Importen, trotz sonst erhöhter Gestehungskosten, im kommenden Winter bei den Fabriken neben einem Abschlag auf.

dem Gebrauchsschuhwerk auch eine Preisreduktion auf den in der Preisgestaltung frei gebliebenen sogenannten Luxusschuhen ermöglichen. Mit Rücksicht auf diesen Umstand, wonach die Preiskurve für die inländische' Schuhproduktion den Höhepunkt überschritten zu haben scheint, wird gegenwärtig geprüft, ob nicht im weitern Fortschreiten des Abbaus der ausserordentlichen Massnahmen das Ausfuhrverbot für Schuhwaren und die Inlandkontrolle beim Schuhhandel aufgehoben werden können. Die vorn Volkswirtschaftsdepartement verlangte Verpflichtung, die Schuhpreise
nicht zu erhöhen, kann aber die Schuhindustrie nur dann eingehen, wenn sie die Sicherheit hat, dass wenigstens das inländische Leder zu nicht höhern Preisen als bisher erstanden werden muss.

Eine solche Zusichcrung können die Gerbereien ihrerseits nur geben, wenn auch sie weiterhin die Rohware zu den bisherigen

627 Preisen einkaufen können. In Berücksichtigung dieser Verhältnisse und der immer noch unsicheren Weltmarktlage haben daher die beteiligten Kreise (mit Ausnahme der Metzgerschaft) erneut gegen eine allfällige Aufhebung der behördlichen Regelung des Häuteund Ledermarktes im gegenwärtigen Moment Stellung genommen.

Der Schuhhändlerverband hat sich ausdrücklich für die auch in weiten Kreisen gewünschte Beibehaltung der Kontrolle über die Schuhpreisgestaltung ausgesprochen. Unsere Entschliessung in der Angelegenheit bleibt vorbehalten.

III.

V o l k s t u c h A.-G. Die etwas reichlichere Belieferung durch die Industrie ermöglichte es der Volkstuch A.-G., der zunehmenden Nachfrage nach ihren Artikeln besser zu entsprechen und ihren preisregulierenden Einfluss weiter auszudehnen. In dieser Berichtsperiode erweiterte sie mit Erfolg ihre Tätigkeit auf die Städte St. Gallen, Biel und Glarus. Zur Bedienung der übrigen Landesteile eröffnete sie ein Versandgesehäft.

Das am 30. Juni 1920 abgeschlossene Geschäftsjahr ergibt einen Einnahmenüberschuss von zirka Fr. 434,000. Mit Rücksicht auf die unsichere Lage auf dem Textilwarenmarkt beschloss der Verwaltungsrat der Volkstuch A.-G., der Generalversammlung vorzuschlagen, von der Ausschüttung einer Dividende abzusehen und den ganzen Überschuss, bis auf einen Vortrag auf neue Rechnung von Fr. 17,331.62, auf dem Warenlager abzuschreiben.

Verkauft wurden bis Ende September 1920: 149,162,73 m Herrenkleiderstoffe (Konfektion inbegriffen), im Werte von rund . Fr. 4,897,000 81,983,44 ,, Damenkleiderstoffe im Werte von rund ,, 850,000 486,958,15 ,, Baumwoll waren im Werte von rund ,, 1,368,000 Total rund

Fr. 7,115,000

Die Lage der Gesellschaft, an der der Bund mit etwas über 3J/a Millionen Franken beteiligt ist, wurde neulich vom Chef des Volkswirtschaftsdepartements mit dem Verwaltungsrat besprochen. Dabei wurde von mehreren Seiten die Meinung geäussert, dass in Bälde ein wesentlicher Abschlag auch auf den Stoffen erfolgen werde. In Beziehung auf die Rohstoffe sei dies schon eingetreten, und die Rückwirkungen auf die Produkte würden nicht ausbleiben können.

Unter- solchen Umständen vertraten eine Reihe von Mitgliedern des Verwaltungsrates die Meinung, die Volkstuch A.-G. sollte jetzt Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. IV.

49

628 liquidieren ; ihr Zweck sei erfüllt. Von anderer Seite wurde auch betont, sie sei nur eine Kriegsgründung gewesen und müsse nun dahinfallen. Es sei nicht zulässig, durch eine mit Hülfe -des Staates errichtete Organisation dem privaten Handel Konkurrenz zu machen.

Dies sei insbesondere in der gegenwärtigen Periode vollends ungerechtfertigt.

Es ist zuzugeben, dass auf den Rohstoffen der Textilwaren, Wolle und Baumwolle, Abschläge zu verzeichnen sind. Indessen hat sich die Preisreduktion noch nicht in genügender Weise fortgesetzt, um auch vom Käufer verspürt zu werden. Gewisse Abschläge sind immerhin zweifellos eingetreten. Wir finden nun einerseits, es sei Aufgabe der Volkstuch A.-G., im Sinne eines vernünftigen Preisabbaues und Preisregulators zu wirken, anderseits sind wir natürlich bestrebt, dafür zu sorgen, dass die in dem Unternehmen angelegten Gelder nicht gefährdet sind. Zurzeit ist der Stand des Unternehmens ein befriedigender, und Verluste sind nicht zu befürchten. Es wurde daher für einmal die folgende Lösung vorgesehen: Die Volkstuch A.-G. verkauft die noch vorhandenen Tücher in Berücksichtigung des zum Teil eingetretenen, zum Teil zu erwartenden Preisabschlages zu etwas reduzierten Preisen. Sie soll es vermeiden, langsichtige, neue Aufträge zu erteilen ; dagegen soll sie, um ihre Kundschaft bedienen zu können, ermächtigt sein, auch fernerhin sich rasch realisierende Abschlüsse zu machen und die erworbenen Waren wieder abzustossen. Nehmen die wirtschaftlichen Verhältnisse die Entwicklung, die manche voraussehen und voraussagen -- Eintritt eines Preisabschlages --, so wird die Gesellschaft bald liquidieren können, weil sie ihren Zweck erfüllt hat. Dauert hingegen die Teuerung an, so erscheint die Volkstuch A.-G. auch fernerhin als notwendig und gerechtfertigt, und 'sie soll dann auch weiterbestehen. Von einem Liquidations-, beschluss ist für einmal Umgang zu nehmen.

Wir unserseits hoffen nur, dass die Verhältnisse eine baldige Liquidation gestatten, und wir fügen noch bei, dass in Zukunft die Aufträge schlechthin erteilt werden, ohne dass Rückvergütung oder besondere Preisbegünstigungen von der Industrie. verlangt werden. Dieses letztere System ruft Komplikationen und ist auf dem Boden der Freiwilligkeit auch nicht leicht durchzuführen.

Wir möchten nicht ermangeln, dem Verwaltungsrat der Volkstuch A.-G., insbesondere auch seinen sachverständigen Mitgliedern für ihre Mitwirkung an dieser Stelle zu danken.

629

Amt für Arbeitslosenfürsorge.

I. B e s c h a f f u n g von A r b e i t s g e l e g e n h e i t und Milderung der Wohnungsnot.

1. Die meisten Kantone haben durch Einreichung von Subventionsgesuchen über die Kredite vollständig verfügt, die ihnen, gestützt auf die zur Behebung der Arbeitslosigkeit erlassenen beiden Bundesratsbeschlüsse vom 23. Mai und 15. Juli 1919, zugeteilt worden waren. Soweit die Arbeiten noch nicht in Angriff genommen waren, wurden die den Kantonen für ,,verschiedene Arbeiten, insbesondere Notstandsarbeiten", eingeräumten Teilkredite wegen des bedeutenden Rückganges der Arbeitslosigkeit im Laufe des Sommers zurückgezogen. Da hingegen die Wohnungsnot sich beständig verschärft, wurde aus dem Bestbestand des für diese Arbeiten bereitgestellten Kredites ein Betrag von Fr. 1,240,000 zugunsten des Wohnungsbaues überschrieben.

Über die bis Ende September 1920 erfolgte Subventionserteilung und die erzielte Wirkung gibt folgende Zusammenstellung Aufschluss: Bewilligungen: a. ,,Förderung der Hochbautätigkeit" (Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1919): Gesamtbaukostensumme der subventionierten Wohnungsbauten Fr. 102,000,000 Bewilligte Beiträge . . Fr. 10,510,000 ,, Darlehen . .

,, 8,250,000 b. ,, Verschiedene Arbeiten, insbesondere Notstandsarbeiten " (Bundesratsbeschluss vom 23. Mai 1919): Gesamtbaukostensumme der subventionierten Arbeiten ,, 57,500,000 Bewilligte Beiträge . . . Er. 7,870,000 ·_ Gesamtbaukostensumme aller subventionierten Bauten Fr. 159,500,000 Alle diese Arbeiten sind in Ausführung begriffen oder bereits vollendet.

Auszahlungen: Bis Ende September 1920 wurden nach Massgabe des Baufortschrittes auf Antrag der Kantonsregierungen für Teil- und Totalzahlungen ausgerichtet : a. ,, Förderung der Hochbautätigkeit " : Beiträge Fr. 5,705,000 Darlehen ,, 2,475,000 Fr. 8,180,000

630

Übertrag b. ,,Verschiedene Arbeiten, insbesondere Nok Standsarbeiten "· : Beiträge Totalbetrag der erfolgten Auszahlungen

Fr.

8,180,000

,,

2,400,000

Fr. 10,580,000

Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Hochbautätigkeit : Während der Berichtsperiode ist sodann gemäss Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1920 betreffend Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Hochbautätigkeit eine neue Aktion eingeleitet worden. Der Arbeitslosigkeit im Baugewerbe ist damit wieder auf längere Zeit vorgebeugt.

Ausser dem neuen Kredit von 10 Millionen Franken konnten noch rund 3 Millionen Franken für Darlehen verteilt werden, indem der gemäss Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1919 bereitgestellte Darlehenskredit von 12 Millionen Franken innert der den Kantonen eingeräumten Frist nicht voll in Anspruch genommen worden war.

Über die den Kantonen im Verteilungsplan vom 21. Juni 1920 neu zugewiesenen Kreditquoten haben bis heute nur acht Kantone, und zwar in folgendem Umfange, verfügt: Gesamtbaukostensumme der subventionierten Wohnungsbauten Fr. 26,850,000 Bewilligte Beiträge ,, 2,886,000 ,, Darlehen " . ,, 1,336,000 Der Grund, warum die übrigen Kantone die ihnen zugewiesenen Teilkredite nicht beansprucht haben, liegt offenbar darin, dass Kantone und Gemeinden die zu ihrer Mitbeteiligung erforderlichen Kredite auf gesetzlichem Wege beschaffen müssen, was zu Verzögerungen führt. Anderseits beabsichtigen einige Kantonsregierungen, den Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1920 nicht zur Anwendung zu bringen.

2. Gelehrte Berufe: Aus dem vom Bundesrat gewährten Kredit sind bis 30. September 1920 folgende Kreditsummen bewilligt worden : an Abteilungen der Bundesverwaltung . . Fr. 301,390. -- an Kantone ,, 17,920.-- 3. Zentralstelle für Umarbeitung und Verkauf von Militärkleidern :

631 Dieses im September 1919 ins Leben gerufene Fürsorgeunternehmen bezweckt einerseits, arbeitslosen ehemaligen Schneidern und Schneiderinnen der Zeughäuser und Militärschneidereien Arbeit zuzuweisen, statt ihnen Unterstützungen auszurichten.

Anderseits werden die in Zivilkleider umgearbeiteten Militäreffekten zu billigen Preisen an die Bevölkerung abgegeben. Bis heute konnte damit mehr als 500 Personen insgesamt Fr. 120,000 Verdienst zugewiesen werden. Durch den Betrieb dieser Zentralstelle soll der Bund weder Gewinn erzielen noch Verlust erleiden.

II. Arbeitsnachweis. Die der Sektion II, ,,Eidgenössiche Zentralstelle für Arbeitsnachweis^ unterstellten Aussensteilen des Amtes, die Kreisbureaux, sind bis 1. September 1920 aufgelöst worden, da sie ihren Zweck erfüllt hatten.

Die Sektion II befasst sich neben ihren übrigen Aufgaben mit direkter Arbeitsvermittlung, jedoch nur noch an : 1. Bundespersonal und entlassene Wehrmänner, 2. Auslandschweizer, 3. Angehörige der gelehrten und freien Berufe.

Hinsichtlich des Arbeitsmarktes sei wiederum auf die wöchentlich erscheinende Publikation der eidgenössischen Zentralstelle für Arbeitsnachweis, ,,Der Schweizerische Arbeitsmarkta, sowie auf die ,,Monatsberichte" verwiesen.

Zahlreich sind die Gesuche von Schweizern im Ausland, die heimzukehren wünschen und um Stellen und Wohnungen bitten. Leider hält es schwer, allen Gesuchen zu entsprechen.

III. U n t e r s t ü t z u n g s w e s e n . Art. 24, Abs. l, desBundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung sieht unter anderm vor, dass das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement Betriebsgruppen, in denen keine Arbeitslosigkeit, sondern im Gegenteil Mangel an geeigneten Arbeitskräften herrscht, nach Anhören der beteiligten Kantonsregierungen und der betreffenden beruflichen Verbände der Betriebsinhaber und der Arbeitnehmer, von einzelnen Vorschriften des Beschlusses, insbesondere von Art. 17--19, entheben könne.

Bis 5. Oktober 1920 sind auf Grund dieser Bestimmung 62 Betriebsgruppen befreit worden.

In Anbetracht des damals wesentlich besser gewordenen Arbeitsmarktes hat der Bundesrat durch Beschluss vom 18. Mai 1920 für verschiedene Berufsarten die Unterstützungen gemäss Art. l--12 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 ein-

632 gestellt. Dies ist der Bundesversammlung in einem Bericht vom 29. Juni 1920 mitgeteilt worden. Der Beschluss vom 18. Mai ermächtigt das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, je nach der allgemeinen Lage des Arbeitsmarktes, die Unterstützungen den ausgeschlossenen Kategorien neuerdings zu gewähren oder umgekehrt die Einstellung der Unterstützungen auf andere Betriebskategorien auszudehnen.

Das Departement hat von dieser Ermächtigung zuerst am 28. Juni 1920 Gebrauch machen müssen. Die durch die Maulund Klauenseuche hervorgerufenen Störungen, die Entlassung von über 2000 Wehrmännem der Bewachungstruppe und die Rückkehr der mittellosen Schweizer und Schweizerinnen vom Ausland haben das Departement veranlasst, zugunsten der betroffenen Personen eine Verfügung zu erlassen.

Die ernstliche Zunahme der Arbeitslosigkeit in einer Reihe von Berufen, das Herannahen des Winters und die von kantonalen Behörden und von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden gestellten Begehren haben das Departement in die Notwendigkeit versetzt, am 30. September 1920 eine zweite Verfügung zu veröffentlichen. Näheres ist aus dem Kreisschreiben des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes an die Kantonsregierungen vom 30. September 1920 ersichtlich (siehe Bundesblatt Nr. 42, S. 435).

Nach der Verfügung des Departements vom 30. September bleiben nur die Arbeiter, die der Gruppe Baugewerbe, Steinbearbeitung und Keramik, der Gruppe Holz- und Glasbearbeitung und der Landwirtschaft angehören, von der Unterstützung ausgeschlossen. Alle Arbeiter der Metallindustrie, der Bekleidungsund Textilindustrie, der Lebens- und Genussmittelindustrie, des graphischen Gewerbes, des Hotel- und Wirtschaftswesens, sowie der Gärtnerei können wieder unterstützt werden. Sämtliche weibliche Personen dagegen bleiben von der Unterstützung ausgeschlossen, mit Ausnahme des -Personals der Stickereiindustrie und ihrer Hülfsindustrien, der Seidenbandindustrie, der Seidenhülfsindustrie, der Uhrenindustrie und der Kammacherei, in welchen Betrieben eine starke Krisis herrscht. Die Verfügung vom 28. Juni 1920 bleibt vorbehalten.

Die Wiedergewährung von Unterstützungen für eine gewisse Anzahl von Berufsarten hat um so eher erfolgen können, als die eidgenössischen und kantonalen Behörden dank der Erfahrungen in den Jahren 1919 und 1920 und ihrer schärferen Kontrolle gegen Missbrauch im Unterstützungswesen einzuschreiten vermögen.

633

Der gemäss Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918 (Unterstützung der Arbeiter) vom Bund geleistete Beitrag an die ausbezahlten Unterstützungen betrug . . . Fr. 3,003,013 Der gemäss Bundesratsbeschluss vom- 14. März 1919 (Unterstützung der Angestellten) vom Bund geleistete Beitrag an die ausbezahlten Unterstützungen betrug . . . . . . . ,, 27,658 Der gemäss Bundesratsbeschluss vom 5. April 1919 (Unterstützung solcher Arbeitslosen, die nicht unter die Bundesratsbeschlüsse vom 5. August 1918 und vom 14. März 1919 fallen) vom Bund geleistete Beitrag an die ausbezahlten Unterstützungen betrug . . . . ,, 1,211,178 Der gemäss Buudesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919, der die vorgenannten Beschlüsse ersetzt, vom Bund geleistete Beitrag an die ausbezahlten Unterstützungen betrug . . . ,, 565,974 wobei die an Bundespersonal und Auslandschweizer gewährten Unterstützungen nicht eingerechnet sind.

Die Sektion für Unterstützungswesen hat weiter folgende Unterstützungen zugesprochen: a. für arbeitsloses Bundespersonal in der Zeit vom April 1919 bis 30. September 1920 ,, 1,152,574 b. für Auslandschweizer in der Zeit vom März 1919 bis 30. September 1920 . . ,, 803,987 T o t a l : Fr. 6,764,402 Rekurse : Von der in Art. 31 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 vorgesehenen eidgenössischen Rekurskommission für die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit sind seit Inkrafttreten des Beschlusses erledigt worden: 1. 188 Rekurse gegen Entscheide kantonaler Einigungsämter über die Frage der Unterstützungsberechtigung.

2. 22 Rekurse gegen Entscheide kantonaler Schiedskommissionen über die Frage der Kostenverteilung.

Ferner hatten sich die unparteiischen Mitglieder der Rekurskommission als Schiedsgericht im Sinne von Art. 32 des Bundesratsbeschlusses in 10 Fällen mit Eingaben von Behörden zu befassen.

Ausserdem entschied die Kommission nach dem Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 noch 46 Fälle gemäss Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918.

634 Während der Monate Juli und August liefen sehr wenige Rekurse ein ; seit Anfang September hat der Wochendurchschnitt des Einganges bedeutend zugenommen ; er bewegt sich ungefähr auf der gleichen Höhe wie in der Zeit vom Jahresbeginn bis zum Einsetzen jener Stockung.

Abteilung für Industrie und Gewerbe.

Die Vereinigung schweizerischer Stickerei - Exporteure in St. Gallen hatte in einer Eingabe vom 31. Mai an uns das Gesuch gestellt, es seien der Bundesratsbeschluss vom 2. März 1917 betreffend die Festsetzung von Mindeststichpreisen und von Mindeststundenlöhnen in der Stickereiindustrie und die auf ihm fussenden Verfügungen des Departements vom 15. Oktober 1919 aufzuheben.

In dieser Angelegenheit kam nach langen und schwierigen Verhandlungen in den beteiligten Kreisen eine Einigung zustande, die ihren Ausdruck im einstweiligen Fallenlassen jenes Gesuches und in der Verfügung des Departementes vom 16. August betreffend Mindeststichpreise und Mindeststundenlöhne in der Schifflimasehinenstickerei (Gesetzessammlung, Bd. XXXVI, S. 481) fand.

Erlasse auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten.

Im Hinblick auf das vom Nationalrat angenommene Postulat möchten wir nicht unterlassen, auf den Stand der derzeitigen ausserordentlicben Erlasse hinzuweisen, die sich auf unser Departement beziehen. Seit Erstattung des letzten Berichtes sind die folgenden Bundesratsbeschlüsse entweder als gegenstandslos erklärt oder aber aufgehoben worden : 1. Bundesratsbeschluss vom 18. August 1914 betreffend besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (XXX, 393)*); 2. Bundesratsbeschluss vom 18. Februar 1916 betreffend die Beschlagnahme von Lebensmittelvorräten (XXXII, 52); 3. Bundesratsbesehluss vom 10. März 1916 betreffend die Ergänzung des Bundesratsbeschlusses vom 18. Februar 1916 über die Beschlagnahme von Lebensmittelvorräten (XXXII, 75); 4. Bundesratsbeschluss vom 11. April 1916 betreffend die Bestandesaufnahme und die Beschlagnahme von Waren (XXXII, 145); 5. Bundesratsbeschluss vom 30. Juni 1917 betreffend die Kompetenzen des Politischen Departements und des Volkswirtschaftsdepartements (XXXIII, 441); *) Die in Klammern beigefügten Zahlen bezeichnen die Stelle des Erlasses in der eidgenössischen Gesetzsammlung (Band und Seitenzahl).

635

6. Bundesratsbeschluss vom 8. September 1917 betreifend die Kohlen Versorgung des Landes (XXXIII, 717), soweit nicht bereits ersetzt durch den Bundesratsbeschluss vom 17. Juli 1918 betreffend die Bronnmaterialversorgung des Landes; 7. Bundesratsbeschluss vom 15. Dezember 1917 betreffend die Abänderung des Bundesratsbeschlusses vom 11. April 1916 betreffend die Bestandesaufnahme und die Beschlagnahme von Waren (XXXIII, 1051); 8. Bundesratsbeschluss vom 18. Januar 1918 betreffend die Wollversorgung des Landes (XXXIV, 103); 9. Bundesratsbeschluss vom 4. Oktober 1918 betreffend die Baumwollversorgung des Landes (XXXIV, 987) ; 10. Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 betreffend die Bussenentscheide der Einfuhrorganisationen (S. S. S. und S. T. S.) und die Zwangsverwcrtung der durch ihre Vermittlung eingeführten Waren (XXXIV, 1092); 11. Bundesratsbeschluss vom 1. Juli 1919 betreffend die vorübergehende Verstärkung des eidgenössischen Versicherungsgerichtes für die oberinstanzliche Behandlung von Streitigkeiten aus der Militärversicherung (XXXV, 518) ; 12. Bundesratsbeschluss vom 16. Dezember 1919 betreffend die Verlängerung des Bundesratsbeschlusses vom 1. Juli 1919 betreffend die vorübergehende Verstärkung des eidgenössischen Versicherungsgerichtes (XXXV, 1002); 13. Bundesratsbeschluss.vom 23. März 1920 betreffend die Verlängerung des Bundesratsbeschlusses vom 1. Juli 1919 betreffend die vorübergehende Verstärkung des eidgenössischen Versicherungsgerichtes (XXXVI, 187); 14. Bundesratsbeschluss vom 4. Februar 1920 betreffend die Bekämpfung der Influenza (XXXVI, 90); 15. Bundesratsbeschluss vom 17. Februar 1920 betreffend Ausrichtung von Bundesbeiträgen zur Bekämpfung der Influenza (Entschädigungsansprüche amtlich beauftragter Ärzte und Pflegepersonen) (XXXVI, 97).

Es bleiben somit, wie das neue Verzeichnis aufweist, verhältnismässig wenig Erlasse materiellen Inhalts übrig, deren Vollzug uns übertragen ist. Wir bemerken hierzu das folgende : O r g a n i s a t o r i s c h e B e s t i m m u n g e n . 1. Organisation und Kompetenzen des Departements. Die Organisationsbeschlüsse über das Departement sind zum Teil überholt. So ist insbesondere die Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft als solche abgebaut, und am Ende dieses Jahres wird auch ihr Name vollständig verschwinden. Übrig geblieben sind von ihr jetzt nur noch die Aus-

36 fuhrsektion, die Sektion für Lederindustrie und der sehr eingeschränkte Dienst für die Elektrizitätsversorgung und die Kohlenverteilung. Das Amt für Arbeitslosenfürsorge wird seine wichtigsten Dienste, die eine gewisse Dauer beanspruchen, an das von den eidgenössischen Räten beschlossene Arbeitsamt abgeben, und es wird dann auch der Bundesratsbeschluss vom 21. März 1919 aufgehoben werden können. Wir werden diese Neuordnung auch formell so rasch wie möglich zum Ausdruck bringen.

2. Selbständige Organisationen. Die Zentralstelle für die auswärtigen Transporte wird zurzeit von einem einzigen Beamten im Nebenamte versehen.. Mit Rücksicht auf die Beziehungen zu auswärtigen Amtsstellen konnte indessen die Stelle an sich formell noch nicht vollständig aufgehoben werden.

Die Kommission für wirtschaftliche Straffälle hat noch eine Reihe von Fällen zu erledigen. Neue Geschäfte werden ihr hauptsächlich nur noch aus dem Gebiete der Kohlen- und Lederversorgung zugewiesen. Wir hoffen, mit dem Abbau dieser Dienste auch die Kommission aufheben zu können.

Ein- und A u s f u h r v e r k e h r .

Der Bundesratsbeschluss vom 30. August 1918 betreffend Ausfuhrverbote kann selbstverständlich noch nicht aufgehoben werden. Dagegen werden vom Volkswirtschaftsdepartement und vom Ernährungsamt weitgehende generelle Ausfuhrbewilligungen erteilt, die nun der Klarheit halber in eine Verfügung zusammengefasst sind.

Der Bundesratsbeschluss betreffend Vermeidung von Arbeitseinstellungen infolge übermässiger Einfuhr ausländischer Fabrikate vom 6. Dezember 1919 (Einfuhr von Möbeln) muss einstweilen weiterbestehen. Wir brauchen ja nur daran zu erinnern, wie dringlich noch weitere Einfuhrverbote verlangt werden. Wir behalten uns vor, diese Materie (Einfuhr- und Ausfuhrverbote) auf dem Wege der Gesetzgebung zu ordnen.

Der Bundesratsbeschluss betreffend Ursprungsausweise vom 30. August 1918 ist notwendig im Hinblick auf die vom Ausland geforderten Ursprungszeugnisse. Wir untersuchen die Frage, ob es notwendig sei, diese Materie auf dem Wege eines Bundesgesetzes zu ordnen.

Vorschriften für bestimmte Warenkategorien.

Die Weltlage gestattet leider die Freigabe des Handels mit Kohle noch nicht. Deshalb muss der Bundesratsbeschluss betreffend die Brennmaterialversorgung des Landes vom 17. Juli 1918 noch aufrechterhalten bleiben. Notwendig
sind auch die fernem Bundesratsbeschlüsse über die Gasversorgung vom 16. Juli 1918 und die Elektrizitätsversorgung vom 7. August 1918. In Beziehung auf letztere Materie ist sogar eine Ergänzung notwendig.

637

Die Gründe, welche zum Bundesratsbeschluss betreffend die Versorgung des Landes mit Sodaprodukten vom 25. Februar 1919 führten, bestehen weiter. Über die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Bundesratsbeschlusses über die Lederversorgung des Landes vom 22. Mai 1918 spricht sich dieser Bericht unter dem Titel S e k t i o n L e d e r i n d u s t r i e aus.

F ü r s o r g e m a s s n a h m e n . Die beiden Bundesratsbeschlüsse betreffend die Errichtung von Einigungsstellen vom 1. Februar 1918 und betreffend die Arbeitszeit in den Heimbetrîeben der Seidenbandweberei vom 12. April 1918 werden in der künftigen Gesetzgebung über das Einigungswesen und die Heimarbeit zu berücksichtigen sein. Inzwischen können sie nicht aufgehoben werden.

Ähnlich liegen die Verhältnisse für den Bundesratsbeschluss betreffend die Festsetzung von Mindeststichpreisen und von Mindeststundenlöhnen in der Stickereiindustrie vom 2. März 1917. Auch diese Materie hätte in dem vom Volk mit geringem Mehr verworfenen Gesetz über die Ordnung des Arbeitsverhältnisses geordnet werden sollen. Die Frage wird wieder aufgenommen.

Sie werden sich zu entscheiden haben, ob in dieser Sache ein Bundesgesetz zu erlassen sei.

Was die verschiedenen ßundesratsbeschlüsse über die Fürsorge bei Arbeitslosigkeit betrifft, so haben wir uns über die Organisation bereits ausgesprochen. Die Subentionsbeschlüsse, welche von der Bundesversammlung besonders genehmigt wurden, sind zum Teil schon vollzogen, zum Teil in Vollziehung begriffen.

Sie werden ohne weiteres in einigen Monaten dahinfallen. Das gleiche gilt für die Beschlüsse über die Förderung der Hochbautätigkeit.

Dass die Bundesratsbeschlüsse über die Arbeitslosenunterstützung zurzeit nicht aufgehoben werden können, bedarf wohl keiner nähern Begründung.

In bezug auf den Bundesratsbeschluss betreffend den landund forstwirtschaftlichen Liegenschaftsverkehr vom 23. September 1918 haben wir die Kantonsregierungen durch Zirkularschreiben vom 19. Oktober dieses Jahres eingeladen, sich auszusprechen, ob sie dessen Überführung in ein Gesetz für notwendig halten oder die Aufhebung des Beschlusses wünschen.

Die bedauerliche Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche machte es unmöglich, den Bundesratsbeschluss vom 17. Februar 1920 betreffend Pächterschutz aufzubeben. Wir rnussten ihn sogar am 30. August erneuern. Die beiden Beschlüsse fallen ohne weiteres mit einer Eindämmung der Maul- und Klauenseuche dahin.

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Das gleiche gilt für den Bundesratsbeschluss betreffend die Verwertung des aus Abschlachtungen wegen Maul- und Klauenseuche herrührenden Fleisches vom 9. Juli 1920.

S a n i t a r i s c h e M a s s n a h m e n . Die allgemein bekannte bedenkliche sanitarische Lage, speziell im Osten Europas, macht die Aufhebung der noch bestehenden Beschlüsse unter dieser Rubrik unmöglich. Es ist sogar zu befürchten, dass solche Vorschriften, noch auf Jahre hinaus notwendig sein werden. Wir prüfen daher die Frage, ob diese Vorschriften nicht durch eine Ergänzung des Epidemiengesetzes eine spezielle rechtliche Grundlage erhalten sollen, damit sie aus dem Gebiete der ausserordentlichen Vollmachten ausscheiden.

Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass in verhältnismässig kurzer Zeit eine Reihe von jetzt noch in Kraft bestehenden Beschlüssen entweder naturgemäss dahinfallen oder aufgehoben werden können, und dass, soweit ein Weiterbestehen notwendig ist, dies auf dem Wege der Gesetzgebung zu realisieren sein wird.

Es sei noch erwähnt, dass der Bundesrat seit der letzten Berichterstattung im Bereiche des Volkswirtschaftsdepartements nur noch in zwei Fällen neue Anordnungen auf Grundlage der ausserordentlichen Vollmachten treffen musste. Beide Male bildete die Maul- und Klauenseuche die Veranlassung. ' Es handelt sich um die Beschlüsse vom 9. Juli über die Verwertung des aus don Abschlachtungen wegen Maul- und Klauenseuche herrührenden Fleisches und vom 30. August betreffend Erneuerung des Beschlusses vom 17. Februar über den Pächterschutz.

GL Post- und Eisenbahndepartement.

Eisenbahnabteilung.

Folgende Bundesratsbeschlüsse betreffend vorübergehende Taxmassnahmen wurdea durch Bundesratsbeschluss vom 13. Juli 1920 (A. S. XXXVI, 396J aufgehoben und ersetzt: Bundesratsbeschluss vom 16. April 1918, abgeändert durch Bundesratsbeschluss vom 16. Juni 1919 ; Bundesratsbeschluss vom S.November 1918, abgeändert durch Bundesratsbeschluss vom 16. Juni 1919 und 22. Oktober 1919.

Im weitern wurden aufgehoben: Bundesratsbeschluss vom 10. Juni 1918 betreffend vorübergehende Änderung der Leitung des Güterverkehrs auf den schwei-

639 zerischen Bahnlinien durch Bundesratsbeschluss vom 10. September 1920 (A. S. XXXVI, 581) ; Bundesratsbeschluss vom 18. März 1918 betreffend die Bewilligung von vorübergehenden Änderungen an den Vorschriften des Transportreglements der schweizerischen Bisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen und am Tarif der schweizerischen Eisenbahnen für die Beförderung von lebenden Tieren durch Bundesratsbeschluss vom 9. Oktober 1920 (A. S. XXXVI, 632).

Aufgehoben wurden endlich mit Wirkung auf 1. Dezember 1920, durch Bundesratsbeschluss vom 26. Oktober 1920 (A. S.

XXXVI, 726)'folgende Erlasse: Bundesratsbeschluss betreifend zeitweilige Ausserkraftsetzung des § 56, Absatz 2, erster Satz, und Absatz 5, des Transportreglements der schweizerischen Bisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen vom 8. Dezember 1915 ; Bundesratsbeschluss betreffend Aufhebung des Kriegsbetriebes der Transportanstalten vom 29. Februar 1916 ; Bundesratsbeschluss betreffend Aufhebung der Fristen für die Wagenstellung vom T.Juli 1916; Bundesratsbeschluss betreffend die Ermächtigung der Verwaltungen des schweizerischen Wagenverbandes und der .Verwaltungen von Schmalspurbahnen , mit Rollschemelbetrieb zur Ablieferung von Wagenladungsgütersendungen an Sona- und Festtagen vom 3. November 1916.

Postabteilung.

1. Die Briefpostverbindungen mit dem Ausland sind, soweit die vorhandenen Beförderungsgelegenheiten es gestatten, heute im grossen und ganzen wieder ziemlich normale. Bloss 'mit Soviet-Russland ist der direkte gegenseitige Kartenschlusswechsel, wie er vor dem Krieg zwischen der Schweiz und Russland bestand, noch nicht wieder aufgenommen worden. Dagegen wird dessen Wiedereinführung zurzeit geprüft. Für den Paket- und Geldverkehr bestehen noch einige Beschränkungen, insbesondere nach den östlichen Ländern. Aber auch hier nähern sich die Verkehrsmöglichkeiten fortwährend den Verhältnissen der Vorkriegszeit.

2. Mit der Aufhebung des Aktivdienstes auf den 1. Oktober 1920 ist der Bundesratsbeschluss vom 22. September 1914, wonach die Wehrmänner im aktiven Dienst Portofreiheit auch für ausgehende Geldsendungen genossen, ausser Kraft getreten.

Auf den 30. September 1920 sind die Portofreiheitsbewilligungen zugunsten von Komitees für die Ferienversorgung aus-

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ländischer Kinder zurückgezogen worden. Damit sind alle infolge des Weltkrieges und dessen Folgen auf Grund von Art. 60 desPostgesetzes erteilten ausserordentlichen Portofreiheitsbewilligungen in Wegfall gekommen.

H. Ernährnngsamt.

Allgemeines.

Der Abbau der kriegswirtschaftlichen Tätigkeit des Ernährungsamtes wurde auch in dieser Berichtsperiode tunlichst gefördert.

Er kommt namentlich in folgenden Erscheinungen zum Ausdruck : Liquidation verschiedener Warenvorräte, wie Dünge- und Futtermittel, Hillseufrüchte, Dörrobst, Speisefett, Gefrierfleisch, Mehlersatzstoöe usw. : Lockerung der Einfuhrmonopole, Aufhebung oder Milderung kriegswirtschaftlicher Vorschriften, Einschränkung der Fürsorgetätigkeit und der Notstandsaktionen, Vereinfachung der Organisation und Verminderung des Personals.

Die Zahl der noch zu Recht bestehenden, auf die ausserordentlichen Vollmachten sich stützenden E r l a s s e (Bundesratsbeschlüsse, Verfügungen), die sich auf die Tätigkeit des Ernährungsamtes beziehen, ist von 130 im Mai 1919, 69 im Oktober 1919, 40 Mitte Mai 1920 auf 35 zu Anfang November 1920 zurückgegangen.

Die Zahl der B e a m t e n und A n g e s t e l l t e n des E r n ä h r u n g s a m t e s hat sich von 574 (höchster Stand) im Februar 1919 auf 335 am 1. Mai 1920 und auf 286 am 1. November 1920 vermindert.

D i e L i q u i d a t i o n d e r e n t b e h r l i c h e n Warenvorräte erfolgte durch Abgabe zu massigen Preisen für die Inlandsversorgung und, soweit der Inlandsmarkt sich nicht als aufnahmefähig erwies, durch Export. Dieser vollzog sich zum grössten Teil durch Verkauf an amtliche Stellen in Deutschland und DeutschÖsterreich, an letzteres in der Hauptsache auf Rechnung des nach internationalen Abmachungen durch die Schweiz bewilligten Kredites von 25 Millionen Franken. Soweit die Unterhaltung von Warenvorräten für die Sicherstellung der Landesversorgung nicht mehr notwendig erschien, wurde auch auf den Import der betreffenden Waren durch das Ernährungsamt verzichtet und die bezügliche Tätigkeit nach erfolgten Besprechungen vollständig dem privaten und genossenschaftlichen Handel überlassen. Angesichts der ausserordentlich gestiegenen Transport-, Ein- und Auslagerungskosten, der hohen Warenpreise, der schwierigen

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Kapitalbeschaffung und des hohen Zinsfusses ist die Unterhaltung von Warenreserven mit so grossen, die Waren verteuernden Kosten verbunden, dass auch der Staat darauf verzichten muss, wo solche fürsorgliche Massnahmen nicht mehr durch dringliche Landesbedürfnisse sich geradezu aufdrängen. Von solchen Erwägungen geleitet, ist für die nächste Zeit auch die Lockerung einzelner E i n f u h r m o n o p o l e des Bundes vorgesehen, um schliesslich zu ihrer völligen Aufhebung überzugehen. Im Verlaufe des Winters 1920/21 wird zunächst die Liquidation der Einfuhrmonopole für Futtermittel, einschliesslich Mais, Gerste, Hafer und deren Mahlprodukte erfolgen. Die bezüglichen Massnahmen werden vom Ernährungsamt, gemäss bisheriger Praxis, mit Vertretern der Interessentengruppen und in der eidgenössischen Ernährungskommission vorbebandelt.

Die Frage der Liquidation oder der Beibehaltung der übrigen Einfuhrmonopole, letztere als Mittel zur Sicherstellung der Landesversorgung, befindet sich im Studium.

Die M e h r a u s g a b e n des E r n ä h r u n g s a m t e s beliefen sich im Jahre 1919 auf rund 161 Millionen Franken, die in der Hauptsache zur allgemeinen Verbilligung von Nahrungsmitteln, besonders von Milch und Brot, und zu Notstandsaktionen Verwendung fanden. Für 1920 sind die Mehrausgaben auf rund 90 Millionen Franken veranschlagt, wovon der grössere Teil auf die erste Jahreshälfte entfällt. Auf 1. April würde die allgemeine Milchverbilligung, soweit die Beiträge direkt an die Konsumenten verabfolgt wurden, aufgehoben und die Beiträge an die Milch für Personen mit bescheidenem Einkommen (Notstandsmilch) entsprechend eingeschränkt; auf 1. Mai erfolgte eine Kürzung der Bundesbeiträge an die Milchproduzentenverbände, die dem auf diesen Zeitpunkt für die Produzenten eingetretenen Milchpreisabschlag um 2--3 Rappen per Kilogramm Milch entsprach, und auf 1. Juni wurden auch die Beiträge für Notstandsbrot herabgesetzt.

Wie auf der einen Seite die Verminderung der Bundesbeiträge für die Verbilligung von Lebensmitteln eine Verhältnismassige Erhöhung der K o s t e n der L e b e n s h a l t u n g zur Folge hatte, so erfuhren diese auf der andern Seite auch durch Preiserhöhungen auf Zucker, Reis, Teigwaren, Weissmehl und Griess eine entsprechende Steigerung. Die Preise für Zucker, Reis und Brotgetreide gingen gegen
Ende 1919 und in der ersten Hälfte des Jahres 1920 auf dem Weltmarkte neuerdings derart in die Höhe, dass das Ernährungsamt seine Verkaufspreise der genannten Waren ebenfalls etwas erhöhen musste, da der Bund noch grössere Verluste nicht übernehmen konnte. Dazu gesellten sich im Ver-

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laufe des Herbstes Preiserhöhungen für Fleisch und Milch zu Lasten der Verbraucher. Wenn auf andern Nahrungsmitteln, wie Gemüsen, Kartoffeln, Hülsenfrüchten, Dörrobst, Speiseölen, Mais-, Hafer- und Gerstenprodukten usw., gleichzeitig auch Preisabschläge eingetreten sind, so konnten die leider stärker ins Gewicht fallenden Preisaufschläge dadurch bei weitem nicht ausgeglichen werden.

Diese Steigung der Kosten der Lebenshaltung kommt deutlich auch in den I n d e x z i f f e r n des Verbandes schweizerischer Konsumvereine zum Ausdruck. Diese haben auf 1. Oktober sogar den absoluten Höchststand der letzten Jahre (1. Juni 1919) überschritten.

Die Herabsetzung der Aufwendungen der Bundesbeiträge für die Verbilligung von Lebensmitteln dürfte die Indexziffer im Oktober 1920 gegenüber 1919, bzw. dem Zeitpunkt der höchsten Beiträge, um rund Fr. 150 erhöht haben. Wenn nicht alle Anzeichen trügen, dürfte nunmehr die Teuerung ihren Höhepunkt -- die Fortdauer des Hochstandes unserer Valuta und ihre Festigung gegenüber dem amerikanischen Dollarkurs vorausgesetzt -- erreicht haben, und es möchte fernerhin eher etwelche Erleichterung zu erwarten sein.

Die Zerlegung der Indexziffern des Verbandes schweizerischer Konsumvereine ergibt, in Bestätigung der vorstehenden Ausführungen, folgendes Bild : 1.Juni 1919 Fr.

1.Oktober 1919 Fr.

1.September 1920 Fr.

1.Oktober 1920 Fr.

Milch und Milcherzeugnisse . . .

564.92 611.29 687.05 736.70 Speisefette und -öle .

157. 79 133.13 100. 81 102. 29 Zerealien . . . .

456. 63 453. 56 471.26 471.81 Hülsenfrüchte...

38. 52 34.42 28. 76 27. 74 Fleisch 676.41 529.35 562.96 589.86 Eier 204. -- 188. -- 172. -- 180. -- Kartoffeln . . . .

62.50 60.-- 57.50 55.-- Süssstoffe . . . .

106.40 106.46 161.84 162.80 Verschiedene Nahrungsmittel . . .

71.48 69.26 66.30 64.92 Summe der Nahrungsmittel . . . . 2338.65 2185.47 2308.48 2391.12 Verschiedene Gebrauchsgegenstände 365.22 310.60 393.93 399.41 Summe der erfassten Artikel . . . . 2703.87 2496.07 2702.41 2790.53

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Im Verlaufe der Berichtsperiode war ein merkliches Abflauen der S c h i f f s f r a c h t e n wahrzunehmen. Durch das bereits erwähnte neue Anziehen der Preise verschiedener Nahrungsmittel auf dem Weltmarkte, wie besonders von Brotgetreide und Zucker, sowie durch Kursverschiebungen wurde der Vorteil der billigern Seefrachten für unsere Landesversorgung leider wieder mehr als aufgewogen. Die Einstandskosten verschiedener Waren sind deshalb wieder grösser geworden.

Erst im Verlaufe des Herbstes machte sich nunmehr auch auf dem i n t e r n a t i o n a l e n W a r e n m a r k t e eine Erleichterung geltend. Diese Preisentspannung scheint nicht etwa ausschliesslich das Resultat vermehrter Produktion und grösserer Vorräte zu sein, sondern bei einzelnen Erzeugnissen (Zucker, Getreide) dürfte auch die Zurückhaltung der Banken der Exportländer in der Kreditgewährung und Warenbelehnung mitgewirkt haben, was die spekulative Anlage von Warenlagern erschwert. Wesentlich beigetragen hat aber wohl auch die Eindämmung des Verbrauches in dem an Kaufkraft stets ärmer werdenden Europa.

In der B r o t p r e i s p o l i t i k unseres Landes trat keine Änderung ein. Sind die Gestehungskosten des importierten Getreides in letzter Zeit auch erheblich zurückgegangen, so bringt der Bund doch immer noch grosse Opfer durch Abgabe des Brotgetreides unter den Einstandspreisen. Trotz gleichbleibendem Backmehlpreis ist an den meisten Orten eine kleine Brotpreiserhöhung eingetreten, die vom Bäckergewerbe und den die Kontrolle des Brotpreises ausübenden kantonalen Organen mit teuern Brennmaterialien und erhöhten Arbeitslöhnen bei verkürzter Arbeitszeit begründet wird.

Im übrigen gehen unsere Richtlinien dahin, Verluste auf Monopolwaren, die nicht bedingt und geboten sind durch fallende Preiskonjunkturen und dadurch notwendig werdende Abschreibungen auf Vorräten weiterhin zu vermeiden.

Bureau für Ausfuhr.

In den Geschäftskreis des Bureaus für Ausfuhr fallen zirka 230*Positionen des schweizerischen Zolltarifes. Davon sind 132 Positionen total und 26 Positionen teilweise zur Ausfuhr freigegeben worden. 68 Positionen unterstanden bisher noch vollständig dem Ausfuhrverbot.

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die erfolgte Freigabe der Ausfuhr die Inlandsversorgung nicht beeinträchtigt hat und auch nicht preissteigernd wirkte. Es werden daher auf Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. IV.

.50

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1. Dezember 1920 noch 50 weitere Positionen freigegeben, so dass alsdann in der Hauptsache nur noch Brotgetreide, Milch und Milchprodukte, frisches Fleisch, Schokolade, Kartoffeln, Rindvieh und Petroleum dem Ausfuhrverbot unterstehen. Die weitere Freigabe der noch verbotenen Artikel wird wesentlich von der Weltmarktlage und von den Verhältnissen der Inlandsproduktiori abhängen.

S c h o k o l a d e . Auf Grund eines Abkommens des Ernährungsamtes mit den Schokoladefabrikeu geben diese gewisse Sorten Schokolade immer noch verbilligt im Inlande ab. Um einen Export dieser Schokoladesorten von unberufener Seite zu verhindern, wird das Ausfuhrverbot bis auf weiteres aufrechterhalten.

V i e h a u s f u h r . Dem verheerenden Seuchenzuge konnte leider bis anhin nicht Einhalt geboten werden. Die meisten Kantone mussten infolgedessen den Viehhandel einschränken oder gänzlich verbieten. Die Maul- und Klauenseuche ist auch in weiten Gebieten des Auslandes sehr stark verbreitet. Angesichts dieser misslichen Verhältnisse und der ungünstigen Valuta in den wichtigsten Bezugsländern von schweizerischem Zuchtvieh spielte der Viehexport unseres Landes in der Berichtsperiode nur eine untergeordnete Rolle. Milchkühe hätten aber auch in Rücksicht auf die Milchversorgung des Landes zur Ausfuhr nicht freigegeben werden können.

L i e b e s g a b e n p a k e t e . Die im letzten Bericht erwähnten Massnahmen betreffend die Freigabe von Liebesgabenpaketen wurden gemeinsam mit dem Volkswirtschaftsdepartement im Laufe des Sommers 1920 noch erweitert. Weitere Erleichterungen und Vereinfachungen sind in Aussicht genommen.

L e b e n s m i t t e l v e r s a n d an Schweizer im Auslande.

Obschon es wünschbar gewesen wäre, auch diese auf die Kriegs: Verhältnisse eingestellte Hülfsaktion parallel mit dem Abbau der Notstandsaktionen im Inlande einzuschränken, war in Anbetracht der immer noch schlimmen Ernährungsverhältnisse in Deutschland und Österreich deren Abbau nicht in dem Masse möglich, wie man seinerzeit gehofft hatte. Deshalb musste den ganzen Sommer hindurch sowohl der Paketversand an Schweizer im Auslande, als auch der Versand offener Lebensmittel zur Verteilung an die Sehweizerkolonien zu einem Vorzugskurse zu Lasten des Bundes weitergeführt werden. Der Paketversand ist immerhin gegenüber den Kriegsjahren sehr wesentlich zurückgegangen. Wurden im Sommer und Herbst 1918 ungefähr 30,000 Fünfkilopakete monatlich versandt, so waren es im Sommer 1920 durchschnittlich nur

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noch zirka 4500 Pakete im Monat. Davon waren über die Hälfte Gratispakete an bedürftige Schweizer im Auslande.

Abgesehen von diesen Paketsendungen wurden vom Mai bis Ende September 53 Wagen diverse offene Lebensmittel zu einem nach den Verhältnissen wechselnden festen Vorzugskurs nach Deutschland, Österreich und Ungarn versandt, infolge des ansteigenden Bedürfnisses bedeutend mehr als im gleichen Zeitraum der Vorberichtsperiode. Der Bund muss für diese Sendungen, die vorderhand noch fortgesetzt werden, erhebliche Mittel zur Deckung der Kursdifferenzen zur Verfügung stellen. Wir behalten indessen auch hier den bereits angekündigten Abbau nachdrücklich im Auge.

Auf 1. Oktober wurde der g e b r o c h e n e T r a n s i t auch der Waren aus Kategorie I, II und IV des schweizerischen Zolltarifes, die noch unter Ausfuhrverbot stehen generell freigegeben.

Nur inbezug auf die Monopolwaren wurden im Einverständnis mit der eidgenössischen Oberzolldirektion gewisse Einschränkungen vorbehalten.

Bureau für landwirtschaftliche Produkte.

Durch Bundesratsbeschluss vom 1. März 1920 betreffend Sicherstellung der K a r t o f f e l v e r s o r g u n g im Jahre 1920/21 wird seitens des Bundes für gute, gesunde Speisekartoffeln ein Mindestpreis von Fr. 13 franko Abgangsstation zugesichert. Die Marktpreise haben sich infolge der frühen Kartoffelernte, die im allgemeinen gut ausgefallen ist, verhältnismässig rasch diesem Betrage genähert. Infolgedessen wurden dem Ernährungsamt grössere Mengen Kartoffeln zur Abnahme angeboten. Die weniger haltbaren, mittelfrühen Sorten wurden vom Ernährungsamt in den, ihm gehörenden fünf Trockenanlagen untergebracht und auf Trockenprodukte verarbeitet, soweit sie für die Inlandsversorgung oder für den Export nicht beansprucht wurden. Bis zum Abschluss der Ernte hatte das Ernährungsamt, gestützt auf die erwähnte Preisgarantie, rund 1500 Wagen Kartoffeln zu übernehmen. Davon sind nach Deutsch-Österreich und der Tschechoslovakei rund 650 Wagen à 10 exportiert worden. Die übrige Menge ist zweckmässig eingelagert und soll, soweit sie für die Inlands Versorgung nicht in frischem Zustande beansprucht wird, getrocknet werden.

Einzelne Trocknungsanlagen des Bundes wurden schon im September in Betrieb gesetzt. Die Übernahme der Kartoffeln für den Bund erfolgte durch Vermittlung der landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbände zum garantierten Minimalpreise.

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Den Verhältnissen der diesjährigen frühen Kartoffelernte Rechnung tragend, hat das Ernährungsamt in einer Mitteilung an die Presse vom 30. August die Konsumentenschaft ersucht, sich rechtzeitig den Bedarf an Kartoffeln durch Einkellerung zu sichern.

In K u p f e r v i t r i o l wird der Bedarf filr das nächste Jahr durch Inlandsproduktion und Importe rechtzeitig gedeckt. Die Aufhebung des Einfuhrmonopols wird für die zweite Hälfte des nächsten Jahres in Aussicht genommen. Die Abschlüsse über K a l i d ü n g e s a l z und T h o m a s m e h l sind gänzlich liquidiert.

Das Ernährungsamt hat nicht die Absicht, sich fernerhin mit dem Düngerimport und dem Düngerhandel praktisch zu befassen.

Aus den Abschlachtungen wegen Maul- und Klauenseuche hat das Ernährungsamt, im Einvernehmen mit dem Volkswirtschaftsdepartement und den betreffenden Kantonsregierungen, grosseMengen Fleisch übernommen, die zu Konserven verarbeitet wurden. Diese werden zu massigen Preisen für die Inlandsversorgung abgegeben und, soweit hierfür nicht Bedarf vorhanden ist, exportiert. Die Vorräte des Bundes an Gefrierfleisch und an gesalzenem Schweinefleisch sind im Verlaufe der Berichtsperiode vollständig zur Liquidation gelangt, so dass auch die Miete der hierfür benutzten Gefrierräume in Lausanne, Zürich und Bern wieder aufgegeben werden konnte.

Abteilung für Monopolwaren.

B r o t v e r s o r g u n g . Die im Laufe des Frühjahres eingetretene und über den Sommer anhaltende Hausse auf dem Weltgetreidemarkt ' gebot uns, die Weizeneinkäufe und den Weizenverbrauch nach Möglichkeit einzuschränken. Die Verminderung der Einkäufe brachte eine Abnahme unserer Weizenvorräte auf den Herbst mit sich, was gewagt werden konnte, da auf diesen Zeitpunkt die Inlandernte unter Dach und Fach war. Eine Einschränkung des Weizenverbrauchs wurde durch ^eine Neuordnung der M a h l Vorschriften bewirkt.

Durch die V e r f ü g u n g des e i d g e n ö s s i s c h e n Ernähr u n g s a m t e s vom 21. Mai 1920 ü b e r die V e r m a h l u n g von Brotgetreide und die V e r w e n d u n g und den Verkauf der Mahlprodukte wurde die seit September 1919 gelockerte Mühlenkontingentierung wieder verschärft, und man ist zu einem Vollmehltypmuster zurückgekehrt, von dem die Lieferungen der Mühlen weder nach unten noch nach oben erheblich abweichen durften.

Die Totalmehlausbeute von zirka 82 ?/o, dio von d-en Mühlen

647 aus Konkurrenzgründen nicht mehr erreicht worden war, wurde durch diese Neuordnung wieder sichergestellt, und es konnten deshalb die Mahlquoten der Mühlen gekürzt werden. Innerhalb der Totalausbeute von 82 % erfolgte eine Herabsetzung der Weissmehl- und Griessausbeute von 8 auf 6 °/o.- Der Backmehlpreis blieb trotz der starken Erhöhung des Getreideeinstandspreises unverändert; dagegen musste eine Hinaufsetzung des Preises für Weissmehl und Griess erfolgen, namentlich auch um die Nachfrage nach diesen nicht zu den notwendigsten Bedarfsartikeln gehörenden Waren etwas einzudämmen. Ähnlich lagen die Verhältnisse bei den T e i g w a r e n . Die ständige Steigerung des Verbrauches gebot, eine Preiserhöhung um 20 Rappen pro Kilo eintreten zu lassen.

Die wieder verschärften Mahlvorschriften konnten nur als Übergangsstadium betrachtet werden, das nach Wegfall der Ursache wieder zu beseitigen war, um auch auf diesem Gebiete nach Möglichkeit abzubauen. Nachdem die Zufuhren befriedigten und nachdem auch die Weizenpreise abflauten, wurden auf Ende Oktober neue Vorschriften aufgestellt. Dabei wurde die Mehlausbeute auf zirka 80 % heruntergesetzt, unter Beibehaltung eines etwas bessern und für die Mühlen verbindlichen ßackmehltypes, ferner die Herstellung von Weissmehl' und Griess innerhalb der Gesamtausbeute von zirka 80 % freigegeben und das Backverbot für Weissbrot aufgehoben, sowie die Kontingentierung der Mühlen abgeschafft. Die bisherigen Höchstpreise für Weissmehl und Griess, sowie für Backmehl wurden aufrechterhalten. Die Bäcker sind verpflichtet, aus typgemässem Backmehl hergestelltes Brot stets uneingeschränkt zur Verfügung der Kundschaft zu halten. Die kantonalen Regierungen sind ersucht worden, hierüber Kontrolle auszuüben und zu verhindern, dass für solches Brot Preisaufschläge eintreten.

Die Erhöhung der Ausbeute von teurerem Weissmehl ermöglichte eine leichte Steigerung des Abgabepreises für Weizen.

Diese Preiserhöhung, wie die durch Herabsetzung der Gesamtmehlausbeute erzielte Verbesserung des Backmehles, bezahlt der Verbraucher von Weissbrot oder Gebäck aus Weissmehl.

I n l a n d g e t r e i d e . Am 2. Juli 1920 erliess das Ernährungsämt eine V e r f ü g u n g b e t r e f f e n d d i e A b n a h m e d e r I n l a n d g e t r e i d e e r n t e des J a h r e s 1920. Dadurch wurden folgende Ankaufspreise festgesetzt:

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, für Winter- und Sommerweizen, sowie entspelzten Dinkel und Emmer und entspelztes Einkorn . Fr. 67,--für Winter- und Sommerroggen ,, 62.50 für Winter- und Sommerdinkel, Einkorn und Emmer, unentspelzt 50. -- ' für Maiskorn .

,, 60.-- je für 100 kg netto oder brutto für netto, franko verladen auf Abgangsstation. · Der Ankauf geschieht wie letztes Jahr gemeindeweise durch Aufkaufskommissionen. Eine Ablieferungspflicht besteht für die Produzenten nicht mehr, und es wurde auch der Handel mit Inlandgetreide freigegeben.

Die Freigabe des Handels und die Aufhebung der Bestimmung, gemäss welcher der Ankaufspreis des Bundes gleichzeitig als absoluter Höchstverkaufspreis zu gelten hatte, bewirkten, dass dem Bunde bedeutend weniger Getreide zum Kaufe angeboten wird, als im letzten Jahre, wo der Handel noch nicht frei war.

Bis Ende Oktober 1920 wurden der Inlandgetreidestelle bloss 7:50 Wagen zu 10 Tonnen Brotgetreide zur Ablieferung angemeldet. Offenbar gelangt viel inländisches Brotgetreide direkt in den kleineren Bauernmühlen zur Vermahlung.

;'· Um ein Zurückgehen des inländischen Getreidebaues für die nächsten zwei Jahre nach Möglichkeit zu verhüten und die Sicherstellung der Brotversorgung des Landeszu fördern, wurden gemäss B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 2. Juli 1920 b e t r e f f e n d die Preise des inländischen Brotgetreides der Ernten 1921 und 1922 folgende Mindestankaufspreise garantiert: Getreidesorte Weizen, sowie. Korn (Dinkel, Spelz),

Ernte 1921 .

Ernte 1922 .

.

.: entspelzt. ,- . .

. . . Fr. 60. --, Fr, 57, -- Roggen ,, 55. ,, , 52, -- Korn (Dinkel, Spelz), unentspelzt . . . ,,45. -- ,, 42. -- je für 100 kg netto, franko Abgangsstation geliefert und für landesüblich gute, mahlfähige Qualität.

Weizeneinfuhr. DiezumSchutze für die eigene LandesVersorgung von der argentinischen · Regierung erlassenen hohen Ausfuhrprämien .verwiesen für .die Eindeckung unseres .WeizenBedarfes ohne weiteres auf. Nordamerika und, Kanada. . Wesentliehe Mengen Getreide .neuer Ernte, namentlich kanadischer .Provenienz, sind im September gekauft worden. Unterhandlungen, für Bezüge aus dem Balkan sind seit einiger Zeit im Gange.

649

Z u c k e r . Auf Anfang Juni musate beim Zucker, entsprechend der Entwicklung des Weltmarktes, leider eine neue Preiserhöhung von 30--40 Rappen pro Kilogramm eintreten. Trotz dieser Erhöhung standen unsere Abgabepreise bis in die jüngste Zeit immer noch bedeutend unter den Marktpreisen.

Die Nachfrage nach Zucker für den Konsum, die vor dem Preisaulschlag, veranlasst durch Zeitungsmeldungen über die allgemeine Zuckerknappheit und stark steigende Preise, zeitweise Stürmisch war, blieb seither im grossen und ganzen normal.

Nachgelassen hat der Bedarf der Industrie, namentlich auch der Konservenfabriken.

Die Nachfrage nach R e i s ist anhaltend flau. Nach Eintreffen indischer Ware wurde Anfang September für diesen Reis ein pro Kilo um 30 Rappen niedrigerer Preis festgesetzt, als für Reis spanischer Provenienz. Trotz billigerem Preise, bei gleichem Nährwert, findet der indische Reis nur wenig Absatz.

S p e i s e f e t t e und S p e i s e ö l e . Die Vorräte an Speisefett sind liquidiert, dagegen halten wir noch Speiseöl zum Verkauf.

Für Speisefett sind die Preise seit Liquidation unserer Bestände wieder gestiegen, hauptsächlich im Zusammenhang mit der Kurssteigerung des Dollars. Dagegen sind die Preise für Öl bedeutend zurückgegangen.

Bei den K r a f t f u t t e r m i t t e l n stehen wir vor dem Abbau des Einfuhrmonopols auch für Hafer, Gerste und Mais. Die vorhandenen Vorräte werden in den nächsten Monaten sukzessive liquidiert. Auf Anfang November sind die Preise entsprechend der Marktlage um Fr. 2--3 pro 100 kg herabgesetzt worden.

Nach Eintritt der Grünfütterung über den Sommer hatten die Mühlen Mühe, den Anfall an Kleie und Ausmahleten abzur setzen, trotz wesentlichen Preiskürzungen.

Der ganze Futtermittelhandel wird durch die Maul- und Klauenseuche sehr ungünstig beeinflusst.

. B e n z i n - und P e t r q l v . e r s o r g u n g V Der vermehrte Benzinverbrauch erforderte eine wesentliche Vergrösserüng des Kessel Wagenparks. .Die Zufuhren ab italienischen und nördlichen Hafenplätzen waren gut, so dass nicht nur die Nachfrage seit Juli voll befriedigt. wurde^ sondera auch, wesentliche Reserven 'angelegt werden konnten. Auch hier mussten die Preise wieder etwas erhöht werden. Das Petrol wird mit 66 Rappen prp Kilo unter den Einstandskosten abgegeben. ', , '.'

650

Milchamt.

M i l c h v e r s o r g u n g . Ain 20. April 1920 wurde, wie schon im letzten Bericht mitgeteilt werden konnte, ein neues Übereinkommen mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten abgeschlossen, mit bedingter Verbindlichkeit vom i. Mai 1920 bis 30. April 1921. Sowohl dem Ernährungsamt wie dem Zentral verbände stand es frei, auf 1. August und 1. November 1920 Preisänderungen zu beantragen. Der Preis für die vom Produzenten frei Sammelstelle gelieferte Milch wurde, vorbehaltlich die üblichen Ortszuschläge oder Abzüge, vom 1. Mai 1920 an, auf 35 Rp. per kg vereinbart, somit 2--3 Rp. unter dem im Winterhalbjahr 1919/20 gültigen Preise.

Im Hinblick auf das starke Anschwellen der Milchproduktion in den Monaten März und April, besonders aber, weil in Frankreich, dann in Holland und Dänemark ein erheblicher Preisrückgang für Milch und Milcherzeugnisse eingetreten war, sahen die Handelskreise einen allgemeinen Preisabschlag für Käse, Butter und Kondensmilch voraus und zögerten deshalb, die nötige Fabrikationsmilch einzukaufen. Die dem Ernährungsamt bekannte Verminderung der Kuhbestände, sowie die Erfahrungstatsache, wonach einer starken Vorsommerproduktion meist eine um so geringere Herbst- und Winterproduktion folgt, mahnten aber zur Vorsicht; auf allseitigen Wunsch wurden denn auch die zur Weiterführung der einheitlichen Milchversorgung notwendigen Vorschriften beibehalten. Die tatsächlichen Verhältnisse haben dann dieser Auffassung der Dinge recht gegeben. Allerdings kam ein weiterer Umstand hinzu, den man nicht voraussehen konnte, nämlich der zweite Seuchenzug, welcher Anfang Mai einsetzte und nach und nach fast das ganze Gebiet der Milchproduktion befiel. So blieb die Herrlichkeit einer vollen Milchversorgung'j besonders in den grossen Städten, von kurzer Dauer, und schon im Monat August mussten einzelne Städte, wie Basel und Zürich, wieder zur Kontingentierung der Milchzuteilungen an die Kleinhändler schreiten.

Diese über alle Voraussicht geänderten Verhältnisse lösten .dann auch eine Milchpreisbewegung aus. Nach langwierigen Verhandlungen musste auf 1. Oktober eine Erhöhung des Milchpreises für die Produzenten von 3 Rp. zugestanden werden.

Ferner mussten für das Sammeln und den Transport der Milch, vrie dies im Winterhalbjahr auch bisher üblich war, höhere Kosten berechnet werden. Für die Konsumenten in den meisten ländlichen Orten ergab sich hieraus eine Milehpreiserhöhung in der

651

Regel von 3 Rp., in den auf Milchzufuhr angewiesenen Orten in der Regel von 4 Rp.

Nachdem auf 1. Mai eine Herabsetzung der Milch preise für den Produzenten möglich geworden war, konnte der Bund seine.

Beiträge an Sammel- und Transportkosten abbauen. Im wesentlichen blieben in der Zeit vom 1. Mai bis 30. September nunmehr die Beiträge an die Grossstädte (sog. Grossstadtrappen), ferner die Übernahme gewisser Frachten durch den Bund. Mit 1. Oktober mussten aber zur Vermeidung von über 4 Rp. hinausgehenden Milchpreisaufschlägen die Beiträge namentlich zugunsten der Städte und der schwer zu versorgenden Gebiete nochmals erhöht werden.

Folgende Übersicht zeigt, welche Beiträge das eidgenössische Milchamt den verpflichteten Produzentenverbänden auf Grund des Übereinkommens für Sammel- und Transportkosten, sowie als Beitrag für Milch aus betriebsfertigen Käsereien und für Grossstädte im Jahre 1920 ausbezahlt hat : Januar . . Fr. 2,307,595. 95 Februar . . ,, 2,242,409.85 März . . .

2,417,536.30 April. . . ,, 2,484,520.65 Fr. 9,452,062.'75 Mai ...

F r . 426,684.60 Juni . . . ,, 419,295.25 Juli . . .

416,666.95 August . . . ,, 421,853.75 September . ,, 424,782.70 ,, 2,109,283. 25 Total Fr. 11,561,346. -- Einzelne Zahlen für die Monate Mai/September 1920 sind noch nicht endgültig.

Vom 1. Oktober an werden die Beiträge monatlich voraussichtlich Fr. 950,00--1,000,000 erreichen. Der Abbau dieser Beiträge ist für das nächste Frühjahr in Aussicht genommen.

652 Übersicht der Milchpreise : 1. Nov. 1919 bis 1.Mai bis 30. Apr. 1920 30. Sept. 1920

ab 1. Okt. 1920

Produzentenpreise: Der Produzent erhält frei . Sammelstelle per kg . . 37--38 Rp. 35 Rp.

38 Rp.

- Ausmesspreise: .

a. In ländlichen Gemeinden vom Produzenten oder in - der Käserei ausgemessen per Liter 40--41 Rp. 40--41 Rp. 43--44 Rp, b. In mittleren Ortschaften mit Zustellung vors Haus per Liter 42--43 ,, 42--44 ,, 46--48 ,, c. In Städten per Liter . . 44--46 ,, 44--46 ,, 48--50 ,, Der Preis von 50 Rp. beschränkt sich auf die Städte Zürich, Basel, Lausanne und Genf, während die anderen Städte der Milchgebiete mit 48--49 Rp. auskommen; In den schwer zu versorgenden, milcharmen Gebieten (Graubünden, Wallis und Tessin) gehen die Detailpreise allerdings bis 55 Rp., ausnahmsweise bis 60 Rp. per Liter.

· ·' B u t t e r v e r s o r g u n g . Nach Massgabe der Verfügung vom 13. März 1920 betreffend die .Einfuhr von Milcherzeugnissen hat das eidgenössische Milchamt die nötige Butter selbst eingeführt und nach einem mit den Butterzentralen und dem Grosshandel vereinbarten Pflichtenheft zur Verteilung gebracht. Die Einkäufe gestalteten sich in den Vorsommermonaten in Holland und Dänemark verhältnismässig leicht, und es schien angezeigt, den Bedarf durch Käufe auf spätere Lieferung rechtzeitig zu decken. Bei Dänemark, wo die; Butterausfuhr auch heute noch unter dem staatlichen Butterausschuss monopolisiert ist, hatten wir uns einigermassen nach den Preisen zu richten, weichender Hauptkunde von Dänemark, England, bezahlte. Auch England kauft die Butter durch eine Regierungsstelle ein. In Holland kauften wir. durch Vermittlung von Ausfuhrgesellschaften und teilweise direkt von Produzentengenossenschaften,.; Anfang Juli konnten durch persönlichen Besuch in Dänemark noch weitere Abschlüsse für Herbst und bis Neujahr verwirklicht werden ; später stiegen die Butterpreise stetig und erreichten Ende September eine Höhe, die für uns Verlust bringen müsste, wenn wir "nicht den Hauptbedarf, vorher gedeckt hätten. Gegen Ende Oktober sind die Butterpreise in Dänemark wieder etwas gesunken.

653

Die Butter wurde vom.eidgenössischen Milchamt abgegeben : 1.Mai bis 15. Sept.

bzw. 30. Sept. 1920

per kg An die Butterzentralen und Grosshändler franko schweizerische Empfangsstation Fr. 7. 10 1) Vom Grosshandel an den Kleinhandel, ab Lager ,, 7. 30 An Konsumenten in Stücken von ; l kg und mehr . . . . .

,, 7.80 In kleineren Formen . . . . .

,,8.--

Vom 15.Sept.

bzw. 1. Okt. 1920 ap

per kg

Fr. 7. 50 ,, 7 70 ,, 8.20 ,, 8. 50

Durch Verfügungen des Ernährungsamtes vom 25. September 1920 sind die Verkaufspreise an Konsumenten vom 1. Oktober an wieder als gesetzliche Höchstpreise erklärt worden.

Der Bedarf an Einfuhrbutter hat, trotzdem die inländische Erzeugung gewiss nicht klein ist, erheblich zugenommen und übertrifft für die Sommermonate die Voraussagen der Fachleute um mindestens das Doppelte. Folgende Zahlen über die Verteilung der eingeführten Butter durch das eidgenössische Milchamt mögen dies beweisen. Es wurden dem Handel abgegeben : Juli bis Dezember 1919. . . , . .

4,565,941 kg ' Januar 1920 . . . .

356,575kg Februar 1920 . . . .

484,110 ,, März 1920 . . . . ; 569,279 ,, April 1920 694,538 ,, M a i 1920 . . . . .

374,520 ,, Juni 1920 . . . . .

830,050 ,, ·'· Juli 1920 . . . . .

526,342 ,, August 1920 . . . .

839,818 ^ September . . . . .

944,839 ,, 5,620,071 ,, Total Juli 1919 bis September 1920

10,186,012 kg

('

. Käse ver sorgung. Mit 1. Mai 1920 ist die Beschlagnahme der Käse und der gesetzliche Ablieferungszwang dahingefallen Beibehalten wurden die amtlichen Höchstpreise betreffend 1

1)Auf diesem Preis wird vom Milchamt eine Rückvergütung von 15 Rp. gewährt, wenn sich der Bezüger am 1. November über ein gewisses Lager ausweist.

> · · . : .

' ·' > ,

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die Abgabe von Käse an "Wiederverkäufer und an Konsumenten. Ferner bleiben ,die Grossfirmen für Käsehandel weiterhin verpflichtet, dem eidgenössischen Milchamt den Umsatz- und Lagernachweis zu leisten, damit jederzeit die geeigneten vorsorglichen Massnahmen betreffend die ìnlandsversorgung getroffen werden können. In Verbindung mit dem Übereinkommen vom 20. April betreffend die Milchversorgung hat das Ernährungsamt dem Zentralverbande schweizerischer Milchproduzenten für den in den Monaten Mai bis Juli 1920 produzierten'Fettkäse eine Preisgarantie im Höchstbetrage von Fr. 12 per 100 kg geleistet. Diese Garantie ist dann aber durch die Entwicklung der Dinge gegenstandslos geworden, und sie wurde im neuen Übereinkommen förmlich aufgehoben.

Die Käseeinfuhr blieb auf gewisse Spezialitäten beschränkt, für welche ohne weiteres Einfuhrscheine jeweils abgegeben wurden. Käse für den Massenverbrauch war vom Juni an im Auslande nicht mehr erhältlich, weil dort die Käsepreise stark in die Höhe gingen. Aus Amerika war nichts mehr zu bekommen, weil die Dollarvaluta scharf angezogen hatte. Unsere eigene Käseausfuhr, die wegen der Preisverhältnisse im Frühjahr gewisse Schwierigkeiten voraussehen liess, wäre im Verlaufe des Sommers rasch in Fluss gekommen ; im Hinblick auf die inzwischen veränderte Lage der Inlandsversorgung konnten aber nur sehr beschränkte Mengen zur Ausfuhr zugelassen werden. Seit August bleibt die Ausfuhr auf eine geringe Menge an Spezialitäten (Schachtelkäse) beschränkt.

Bemerkenswert ist ein gewisser Überfluss an Magerkäse, der sich im Verlaufe des Sommers und Herbstes geltend machte.

Die Inlandsnachfrage für diese Sorten war stark zurückgegangen.

Bei der Anpassung der Käsepreise an die neuen Milchpreise wurden dementsprechend die Magerkäsepreise nur wenig, zum Teil aber gar nicht erhöht. _ K o n d e n s m i l c h . Die Kondensmilchfabriken blieben weiterhin verpflichtet, die notwendigen Mengen Frischmilch zur Auahülfe für die Frischmilchversorgung abzuliefern. Im Vorsommer waren dieselben dazu auch gerne bereit, indem die Lage des Exporktmarktes nicht zu einer ausgedehnten Fabrikation aufmunterte. Seit Mitte Juli hat auch hier die Lage gewechselt, und es mussten vom Milcbamt alle Anstrengungen gemacht werden, damit die Kondensmilchfabriken beim Beginn des allgemeinen Milchmangels in den Städten die geforderten Kontingente aufbrachten. Für das Winterhalbjahr musste den Kondensmilchfabriken

655

angekündigt werden, dass allenfalls die ganze Milchmenge zur Frischmilchversorgung abverlangt werde ; immerhin wird man im Interesse der Erhaltung der Kundschaft der Fabriken und ihrer Arbeiterschaft darauf Bedacht nehmen müssen, eine kleine Milchmenge zur Aufrechterhaltung des Betriebes solange als irgend möglich den Fabriken zu belassen.

Die Fabriken sind verpflichtet worden, auf Beginn des "Winters einen genügenden Vorrat an Kondensmilch für die Inlandsversorgung bereit zu halten ; nur unter dieser Bedingung werden Ausfuhrbewilligungen erteilt.

Fürsorgeamt.

Die eidgenössische Notstandsaktion ergibt für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juli 1920 folgendes Bild : Notstandsmilch: Zahl der BezUger: zirka

Bund

Kosten für Kantone und Gemeinden

Fr.

Fr.

Januar . . . 470,000 853,158.79 439,754.91 Februar . . 445,000 794,752.26 410,092.84 März . . . 430,000 789,500.14 412,547.31 April . . . 355,000 355,610.16 249,825.90 Mai . . . . 324,000 329,766.67 232,168.84 Juni . . . 292,000 293,556.31 206,296.05 Juli. . . . 257,000 259,725.97 183,975.19 Notstandsbrot: Januar. . . 507,000 651,584.44 366,678.52 Februar . . 490,000 613,232.73 345,035.20 März . . . 477,000 607,499.79 345,355.22 April . . . 412,000 517,459.53 286,506.05 Mai . . . .

371,000 479,369. 84 265,213.19 Juni . . . 334,000 209,181.01 146,635.60 Juli . . . . 280,000 172,890.17 122,030. 52 Auf 1. April 1920 wurde der Gesamtbeitrag an die Abgabe von N o t s t a n d s m i l c h von 15 Rp. pro Liter auf 10 Rp. erniedrigt (Bund 6 Rp.). Die Unterstützungsbeiträge werden für folgende Milchmengen gewährt: für Kinder im Alter unter 7 Jahren l Liter und für alle übrigen Personen 5 dl pro Kopf und Tag.

Für N o t s t a n d s b r o t trat die Reduktion des Beitrages am 1. Juni 1920 in Kraft, und zwar werden pro kg 15 Rp. (Bund

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9 Rp.) vergütet, gegenüber früher 24 Rp. Die Tagesration beträgt 250 g. Es steht den Kantonen frei, für Kinder unter 2 Jahren nur 125 g zu gewähren.

Durch Art. 14 der am 10. Mai 1920 erlassenen Ausführungsvorschriften des Ernährungsamtes sind die Kantone ermächtigt worden, die Notstandsaktion einzuschränken oder aufzuhebend Von dieser Ermächtigung haben bis heute 14 Kantone Gebrauch gemacht und die Notstandsaktion für ihr Gebiet eingestellt.

Weitere 5 Kantone haben es ihren Gemeinden überlassen, die Notstandsaktion weiterzuführen oder nicht. Die übrigen 6 Kantone haben die Notstandsaktion vorläufig noch unverändert beibehalten.

Die Hülfsaktionen für Schweizer im Auslande umfassen, ausser den unter dem Abschnitt ,,Bureau für Ausfuhr" bereits erwähnten Massnahmen : a. Die Abgabe von N o t s t a n d s - (Gratis-)Lebens.mittelp a k e t e n musste wegen Erschöpfung der Geldmittel wesentlich reduziert werden; sie werden nur noch an solche Auslandschweizer abgegeben, deren Notlage erwiesen ist und die von der zuständigen schweizerischen Gesandtschaft oder dem Konsulat zum Bezüge empfohlen werden.

: b. Die V e r s o r g u n g mit B e d a r f s a r t i k e l n (Kleider, Schuhe usw.) hat dermassen zugenommen, dass ein Nachtragskredit von Fr. 750,000 nötig war zur Ausführung des Restes der eingegangenen Bestellungen.

Für die Versorgung von Schweizern im Auslande hat der Bundesrat dem Ernährungsamte bisher einen Kredit von 4 Millionen Franken bewilligt.

Der weitere Abbau und die schliessliche Einstellung der eidgenössischen Hülfsaktionen muss angesichts der misslichen Lage der Bundesfinanzen für das nächste Frühjahr ebenfalls in Aussicht genommen werden.

B e r n , den 9. November 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta, Der Bundeskanzler: Steiger.

*.-:f-

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

XV. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914 und 3. April 1919 getroffenen Massnahmen. (Vom 9.

November 1920.)

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46

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