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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1920 betreuend teilweise Einstellung der Arbeitslosenunterstützung.

(Vom 29. Juni 1920.)

Im Laufe der Monate März und April 1920 hat sich der Stand des Arbeitsmarktes für verschiedene Betriebsgruppen und Berufsarten stetig gebessert -- so vor allem für Berufe des Baugewerbes, -des Holz- und Glasgewerbes, der Metallindustrie, der Landwirtschaft ·und Gärtnerei und für alle Betriebszweige, in denen weibliche Arbeits.-kräfte beschäftigt werden, mit Ausnahme der Uhren- und Stickereiindustrie. Da jedoch für die Angehörigen verschiedener anderer .Betriebs- und Berufsarten die Arbeitslosenunterstützung noch notwendig ist, indem die Arbeitslosigkeit noch fortbesteht, teilweise sogar noch zunimmt, wie in der Uhrenindustrie, so durfte an eine .Aufhebung des Bundesratsbeschlusses betreffend Arbeitslosenunterstützung vom 29. Oktober 1919 noch nicht gedacht werden. Dagegen hielt man dafür, dass die Arbeitslosenunterstützung eingestellt werden müsse, wo die Verhältnisse des Arbeitsmarktes es unbedenklich .zulassen. In Art. 24 des Bundesratsbeschlusses betreffend Arbeitslosenunterstützung vom 29. Oktober 1919 sind Bestimmungen ent.halten, die es dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement gestatten, solche Verbände von Betriebsinhabern, deren Mitglieder unter Mangel an Arbeitern oder Angestellten leiden, von der Durchführung der Arbeitslosenfürsorge zu entbinden. Das eidgenössische Amt für Arbeitslosenfürsorge hat eine Reihe von Verbänden auf Grund dieser Bestimmungen dispensiert. Damit war aber eine Einstellung der Unterstützung nicht verbunden; eine solche ist im Bundesratsbeschluss nicht vorgesehen. Es erschien daher gerecht. fertigt, eine Bestimmung zu erlassen, wonach je nach der Lage des Arbeitsmarktes für einzelne Berufsgruppen oder -arten die Unterstützung selbst vorübergehend oder dauernd eingestellt werden kann.

Man verfolgte den Zweck, die Arbeit der Gerichts- und Verwaltungsstellen der Kantone und des Bundes, die sich mit der Arbeitslosen.Bundesblatt. 72. Jahrg. Pd. IU.

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802 fürsorge befassen, zu verringern und einen Eückgang der Verwaltungsausgaben zu erreichen. Am 18. Mai 1920 wurde daher der Bundesratsbeschluss betreffend teilweise Einstellung der Arbeitslosenunterstützung erlassen, und er ist am 24. Mai 1920 in Kraft getreten.

Die Unterstützungen gemäss Art. l--12 des Bundesratsbeschlusses vorn 29. Oktober 1919 wurden eingestellt für folgende in Nr. 11 des «Schweizerischen Arbeitsmarktes» verzeichnete Berufsarten: im B a u g e w e r b e für alle Berufsarten, mit Ausnahme der Tapezierer; im H o l z - und G l a s g e w e r b e für alle, mit Ausnahme der Anschläger ; in der M e t a l l i n d u s t r i e für alle, mit folgenden Ausnahmen : Dreher, Elektromonteure, Heizer und Maschinisten, Installateure, Mechaniker, Bauschlosser, Maschinenschlosser, Hülfsmonteure, Metallhandlanger ; aus der B e k l e i d u n g s - und T e x t i l i n d u s t r i e : für Coiffeure, Hutmacher, Kürschner, Posamenter, Schneider, Weber, Appreturarbeiter, Spinner, Chemische Wäscher, Stricker, Färber, Seiler und Blattmacher; aus der L e b e n s - u n d G e n u s s m i t t e l i n d u s t r i e : für Tabakarbeiter, Zigarettenmaschinisten und Müller; aus dem g r a p h i s c h e n G e w e r b e : für Typographen, Maschinensetzer, Chromodrucker, Kartonnagebuchbinder, -maschinisten und -Zuschneider; aus dem H o t e l - und W i r t s c h a f t s w e s e n : für Hotelgärtner, Kellermeister, Küchenburschen, Officeburschen; in der L a n d w i r t s c h a f t u n d G ä r t n e r e i für alle Berufsarten ; f e r n e r f ü r a l l e w e i b l i c h e n P e r s o n e n , m i t Ausnahme gelernter Arbeiterinnen in der Uhrenindustrie und Stickerei.

Durch die Einstellung der Unterstützung sind tatsächlich nur, ' wenige Personen getroffen worden, da ja die Zahl der Unterstützten in den genannten Berufsarten sehr klein war; im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesratsbeschlusses vom 18. Mai 1920 waren Unterstützte in den betreffenden Berufsarten des Baugewerbes -- Glas- und Holzgewerbes 3 Metallgewerbes 4 der Bekleidungs- und Textilindustrie 2 der Lebens- und Genussmittelindustrie --· des graphischen Gewerbes .

-- des Hotelwesens -- der Landwirtschaft und Gärtnerei --

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Viele Arbeiter dieser Berufsgruppen sind übrigens in den bestehenden vom Bund subventionierten Arbeitslosenkassen der Gewerkschaften oder der Gemeinden (Bern, Basel) versichert. Aus den durch die eidgenössische Zentralstelle für Arbeitsnachweis hergestellten Tabellen hat sich ergeben, dass schon in den Monaten März und April, also zu einer Zeit, da die Bautätigkeit und die Arbeit auf dem Lande noch nicht einmal mit voller Kraft eingesetzt hatten, in den Berufen, für die die Unterstützungen durch den Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1920 eingestellt wurden, das Angebot an offenen Stellen die Zahl der Stellensuchenden überstiegen hat, oder dass direkt Mangel an Personal herrschte. So musste es denn als gerechtfertigt erscheinen, für die Angehörigen der erwähnten Berufe die Arbeitslosenunterstützung einzustellen.

Da jedoch der Arbeitsmarkt grossen Schwankungen unterworfen ist und die Möglichkeit besteht, dass durch eintretende Krisen neuerdings Arbeitszeitreduktionen und Arbeitseinstellungen notwendig werden, war es zweckmässig, dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement die Befugnis zu erteilen, je nach der allgemeinen Lage des Arbeitsmarktes die Unterstützung einzelnen der unter den Beschluss fallenden Kategorien neuerdings zu gewähren. Umgekehrt kann das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bei weiterem Rückgang der Arbeitslosigkeit die Einstellung der Unterstützungen auf andere Berufskategorien ausdehnen.

Durch diesen stufenweisen Abbau sollte es möglich sein, die nötigen Einschränkungen des Unterstützungswesens zu erreichen, ohne dass durch schroffe Aufhebung der Fürsorgebestimmungen berechtigte Interessen verletzt werden.

B e r n , den 29. Juni 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, De r B u n d e s p r ä s i d e n t: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Steiger.

Settage.

804 Beilage.

Bundesratsbeschluss betreffend

teilweise Einstellung der Arbeitslosenunterstützung, (Vom 18. Mai 1920.1

Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf don zweiten Absatz von Ziffer I des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, in der Absicht, die Arbeitslosenunterstützung gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1.919*) einzuschränken, soweit die allgemeine Lage des Arbeitsmarktes dies erlaubt, beschliesst: Art. 1. Die Unterstützungen gemäss Art. l--12 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 werden vom 24. Mai 1920 an .eingestellt für folgende in Nummer 11 des ,,Schweizerischen Arbeitsmarktes" verzeichneten Berufsarten : im B a u g e w e r b e : alle Berufsarten, mit Ausnahme der Tapezierer ; im H o l z - und G l a s g e w e r b e : alle, mit Ausnahme der Anschläger ; in der M e t a l l i n d u s t r i e : alle, mit folgenden Ausnahmen:: Dreher, Elektromonteure, Heizer und Maschinisten, Installateure,, Mechaniker, Bauschlosser, Maschinenschlosser, Hülfsmonteure., Metallhandlanger ; aus der B e k l e i d u n g s - und Textilindustrie: Coiffeure Hutmacher, Kürschner, Posamenter, Schneider, "Weber, Appreturarbeiter, Spinner, Chemische Wäscher, Stricker, Färber, Seiler und Blattmacher ; aus der L e b e n s - und G e n u s s m i t t e l i n d u s t r i e : Tabakarbeiter, Zigarettenmaschinisten und Müller; *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 897.

805 aus dem g r a p h i s c h e n G e w e r b e : Typographen, Maschinensetzer, Chromodrucker, Kartonnagebuchbinder, -maschinisten und -Zuschneider.

aus dem H o t e l - und W i r t s c h a f t s w e s e n : Hotelgärtner, Kellermeister, Küchenburschen, Officeburschen ; in der L a n d w i r t s c h a f t und G ä r t n e r e i : alle Berufsar te n.

F e r n e r für alle w e i b l i c h e n P e r s o n e n , mit Ausnahme gelernter Arbeiterinnen in der Uhrenindustrie und Stickerei.

Art. 2. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement wird ermächtigt, je nach der allgemeinen Lage des Arbeitsmarktes die Unterstützung einzelnen der in Art. l erwähnten Kategorien neuerdings zu gewähren oder umgekehrt die Einstellung der Unterstützungen auf andere Berufskategorien auszudehnen. Es wird den Beginn der Wirksamkeit seines Entscheides jeweils rechtzeitig den Kantonsregierungen mitteilen und im Bundesblatt veröffentlichen.

B e r n , den 18. Mai 1920.

m Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft r Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 18. Mai 1920 betreffend teilweise Einstellung der Arbeitslosenunterstützung. (Vom 29. Juni 1920)

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30.06.1920

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