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Bundesbeschluss über

die Errichtung des eidgenössischen Arbeitsamtes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. Juni 1920 beschliesst: Art. 1. Als Abteilung des eidgenössischen Volkswirtschaf ts- Errichtung.

departementes wird das eidgenössische Arbeitsamt errichtet.

Art. 2. Das Arbeitsamt hat im allgemeinen die Geschäfte aus dem Gebiet des Arbeitsrechtes und des Arbeitsverhältnisses vorzubereiten und zu behandeln.

Insbesondere gehören zu seinen Obliegenheiten: a. die Durchführung der in Art. 5 dieses Beschlusses vorgesehenen Aufgaben ; b. die Vorbereitung gesetzgeberischer Erlasse aus dem Gebiet des Arbeitsrechtes und die Mitwirkung bei ihrer Durchführung; c. die Vorbereitung und Durchführung von Erlassen und Massnahmen über Arbeitsnachweis und Arbeitslosigkeit; d die Bearbeitung der aus der Zugehörigkeit der Schweiz zur internationalen Arbeitsorganisation entstehenden Aufgaben.

Der Bundesrat kann die nähere Abgrenzung zwischen dem Geschäftskreis des eidgenössischen Arbeitsamtes und demjenigen der Abteilung für Industrie und Gewerbe bestimmen. Er kann dem Arbeitsamt weitere Aufgaben übertragen.

Obliegenheiten.

Art. 3. Das Personal des Arbeitsamtes besteht aus dem Direktor, Organisation, dem Vizedirektor und den weiter notwendigen Beamten.

Der Bundesrat kann über die Organisation des Arbeitsamtes nähere Vorschriften erlassen.

Art. 4. Nach dem Erlass der neuen Besoldungsordnung nimmt der Bundesrat die Einreihung der Beamten des Arbeitsamtes in die Besoldungsklassen vor.

Bis dahin bestimmt er die Besoldungen.

650 Erforschung Art. 5. Zur Vorbereitung der nationalen Gesetzgebung über der Arbeite- das Arbeitsrecht und der sich aus internationalen Beschlüssen erver a nisse. gej3en(jeil Erlasse, sowie im Interesse der Vermeidung und Beilegung von Arbeitskonflikten sollen die Arbeitsverhältnisse und Arbeitsbedingungen in Heimarbeit, Industrie, Gewerbe und Handel erforscht, sowie die Kosten der Lebenshaltung festgestellt und der Arbeitsmarkt beobachtet werden.

Zu dem Zwecke können die Behörden der Kantone und Gemeinden, die öffentlichen statistischen Ämter und Arbeitsämter sowie die Arbeitsnachweisstellen der beteiligten Berufsverbände in Anspruch genommen werden.

Die Betriebsinhaber und die im Betriebe beschäftigten Personen sind zur Auskunft und zur Vorlage von Lohnlisten verpflichtet.

Der Bundesrat kann hierüber nähere Vorschriften erlassen.

StrafbeArt. 6. Wer den auf Grund von Art. 5 erlassenen Anordnungen Stimmungen. des Arbeitsamtes oder den in Vollziehung des genannten Artikels erlassenen Vorschriften des Bundesrates oder des zuständigen Departements zuwiderhandelt, wird mit Geldbusse von 10--500 Franken bestraft.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Bundesstrafrecht vom 4. Oktober 1853 finden Anwendung.

Die Strafverfolgung erfolgt auf Antrag des eidgenössischen Arbeitsamtes, Die Untersuchung und Beurteilung ist Sache der kantonalen Behörden.

Die Entscheidungen der kantonalen Behörden sind dem eidgenössischen Arbeitsamt schriftlich und unentgeltlich mitzuteilen.

Das Recht des Bundesrates zur Erhebung der Kassationsbeschwerde gemäss Art. 161 und folgende des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 bleibt vorbehalten.

SchlussbeStimmungen.

Art. 7. Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

651 Beilage L

XIII. Teil des

Friedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919.

Artoeit.

.A-bsclmitt I.

Organisation der Arbeit.

Einleitung.

Da der Völkerbund die Begründung des Weltfriedens zum Ziele hat und ein solcher Friede nur auf dem Boden der sozialen Gerechtigkeit aufgebaut werden kann, da ferner Arbeitsbedingungen bestehen, die für eine grosse Anzahl von Menschen mit so viel Ungerechtigkeit, Elend und Entbehrungen verbunden sind, dass eine den Weltfrieden und die Welteintracht gefährdende Unzufriedenheit entsteht, und da eine Verbesserung dieser Bedingungen dringlich erforderlich ist, z. B. hinsichtlich der Eegelung der Arbeitszeit, der Festsetzung einer Höchstdauer des Arbeitstags und der Arbeitswoche, der Eegelung des Arbeitsmarkts, der Verhütung der Arbeitslosigkeit, der Gewährleistung von Löhnen, welche angemessene Lebensbedingungen ermöglichen, des Schutzes der Arbeiter gegen allgemeine und Berufskrankheiten, sowie gegen Arbeitsunfälle, des Schutzes der Kinder, Jugendlichen und Frauen, der Alters- und Invalidenunterstützung, des Schutzes der Interessen der im Ausland beschäftigten Arbeiter, der Anerkennung des Grundsatzes der Freiheit gewerkschaftlichen Zusammenschlusses, der Gestaltung des beruflichen und technischen Unterrichts und ähnlicher Massnahmen, da endlich die Nichtannahme einer wirklich menschlichen Arbeitsordnung durch irgendeine Eegierung die Bemühungen der andern, auf die Verbesserung des Loses der Arbeiter in ihrem eigenen Lande bedachten Nationen hemmt,

652 haben die Hohen vertragschliessenden Teile, geleitet sowohl von den Gefühlen der Gerechtigkeit und Menschlichkeit als auch von dem Wunsche, einen dauernden Weltfrieden zu sichern, folgendes vereinbart :

Kapitel L Organisation.

Art. 387.

Es wird eine ständige Einrichtung begründet, die an der Verwirklichung des in der Einleitung dargelegten Planes zu arbeiten berufen ist.

Die ursprünglichen Mitglieder des Völkerbundes sind zugleich die ursprünglichen Mitgliedstaaten dieser Organisation; später bringt die Mitgliedschaft im Völkerbund die Mitgliedschaft in der genannten Organisation mit sich.

Art. 388.

Die ständige Organisation umfasst: 1. eine Generalkonferenz von Vertretern der Mitgliedstaaten, 2. ein Internationales Arbeitsamt unter der Leitung des im Art. 393 vorgesehenen Verwaltungsrats.

Art. 389.

Die Generalkonferenz von Vertretern der Mitgliedstaaten hält je nach Bedarf, aber mindestens einmal jährlich, ihre Sitzungen ab. Sie setzt sich aus je vier Vertretern eines jeden Mitgb'edstaates zusammen. Von diesen sind zwei Regierungsvertreter; von den zwei andern vertritt je einer die Arbeitgeber und je einer die Arbeitnehmer eines jeden Mitgliedstaats.

Jedem Vertreter können technische Ratgeber beigegeben werden. Ihre Zahl darf höchstens zwei für jeden einzelnen Gegenstand betragen, der auf der Tagesordnung der Sitzung steht. Sind Fragen, die besonders die Frauen angehen, in der Konferenz zu erörtern, so muss wenigstens eine der zu technischen Ratgebern bestimmten Personen eine Frau sein.

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, diejenigen Vertreter und technischen Ratgeber, die nicht Regierungsvertreter sind, im Einverständnis mit den massgebenden Berufsorganisationen der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer des betreffenden Landes zu bestimmen, vorausgesetzt, dass solche Organisationen bestehen.

653

Die technischen Eatgeber dürfen nur auf Antrag des Vertreters, dem sie beigeordnet sind, und mit besonderer Genehmigung des Vorsitzenden der Konferenz das Wort ergreifen. An den Abstimmungen nehmen sie nicht teil.

Ein Vertreter kann durch eine an den Vorsitzenden gerichtete schriftliche Mitteilung einen seiner technischen Eatgeber als seinen Stellvertreter bezeichnen; der Stellvertreter kann in dieser Eigenschaft an den Beratungen und Abstimmungen teilnehmen.

Die Namen der Vertreter und ihrer technischen Eatgeber werden dem Internationalen Arbeitsamt durch die Eegierung eines jeden Mitgliedstaats mitgeteilt.

Die Vollmachten der Vertreter und ihrer technischen Batgeber werden von der Konferenz geprüft; diese kann mit Zweidrittelmehrheit der von den anwesenden Vertretern abgegebenen Stimmen die Zulassung eines jeden Vertreters oder technischen Beraters ablehnen, der nach ihrer Entscheidung nicht gemäss den Bestimmungen dieses Artikels ernannt worden ist.

Art. 390.

Jeder Vertreter hat das Eecht, unabhängig für sich selbst über alle der Konferenz unterbreiteten Fragen abzustimmen.

Sollte eines der Mitglieder einen nicht der Eegierung angehörenden Vertreter, auf den es einen Anspruch hat, nicht bestimmt haben, so steht zwar dem andern, nicht der Eegierung angehörenden Vertreter das Eecht zur Teilnahme an den Beratungen der Konferenz zu; ein Stimmrecht aber hat er nicht.

Lehnt die Konferenz, kraft der ihr durch Artikel 389 verliehenen Vollmacht die Zulassung eines Vertreters eines der Mitglieder ab, BÖ sind die Bestimmungen dieses Artikels so anzuwenden, als ob der betreffende Vertreter nicht ernannt worden wäre.

Art. 391.

Die Tagungen der Konferenz finden am Sitze des Völkerbundes oder an jedem andern Ort statt, der in einer frühern Sitzung durch die Konferenz mit Zweidrittelmehrheit der von den anwesenden Vertretern abgegebenen Stimmen bezeichnet worden ist.

Art. 392.

Das internationale Arbeitsamt wird am Sitz des Völkerbundes errichtet und bildet einen Bestandteil der Bundeseinrichtungen.

654

Art, 393.

Das Internationale Arbeitsamt tritt unter die Leitung eines aus 24 Mitgliedern bestehenden Verwaltungsrats; diese Mitglieder werden auf Grund folgender Vorschriften ernannt: Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts setzt sich folgendennassen zusammen : 12 Personen als Vertreter der Regierungen, 6 Personen, die von den zur Konferenz abgeordneten Vertretern der Arbeitgeber gewählt werden, 6 Personen, die von den zur Konferenz abgeordneten Vertretern der Angestellten und Arbeiter gewählt werden.

Von den' zwölf die Regierungen vertretenden Personen werden acht durch die Mitgliedstaaten ernannt, denen die grösste industrielle Bedeutung zukommt, und vier durch die .Mitgliedstaaten, die zu diesem Zwecke von den Regierungsvertretern in der Konferenz unter Ausschluss der Vertreter der vorerwähnten acht Mitgliedstaaten bestimmt worden sind.

Etwaige Streitigkeiten über die Frage, welchen Mitgliedstaaten die grösste industrielle Bedeutung zukommt, werden durch den Rat des Völkerbundes entschieden.

Die Amtsdauer der Mitglieder des Verwaltungsrates beträgt drei Jahre.

Die Art der Besetzung erledigter Sitze und andere Fragen gleicher Art können von dem Verwaltungsrat, vorbehaltlich der Zustimmung der Konferenz, geregelt werden.

Der Verwaltungsrat wählt eines seiner Mitglieder zum Vorsitzenden und stellt seine Geschäftsordnung auf. Er bestimmt selbst den Zeitpunkt seines jedesmaligen Zusammentritts. Eine besondere Tagung ist jedesmal abzuhalten, wenn wenigstens zehn Mitglieder des Verwaltungsrates schriftlich einen entsprechenden Antrag stellen.

Art. 394.

An der Spitze des Internationalen Arbeitsamtes steht ein Direktor ; er wird durch den Verwaltungsrat ernannt, empfängt von ihm seine Anweisungen und ist ihm gegenüber sowohl für den Geschäftsgang als auch für die Ausführung aller andern ihm anvertrauten Aufgaben verantwortlich.

Der Direktor oder sein Stellvertreter wohnen allen Sitzungen des Verwaltungsrates bei.

655 Art. 395.

Daß Personal des Internationalen Arbeitsamtes wird von dem Direktor gewählt. Soweit es mit- der gebotenen Rücksicht auf die Erzielung von möglichst guten Arbeitsleistungen vereinbar ist, hat sich die Wahl auf Personen verschiedener Nationalitäten zu erstrecken. Eine bestimmte Anzahl dieser Personen müssen Frauen sein.

Art. 396.

Die Tätigkeit des Internationalen Arbeitsamtes besteht in der Sammlung und Weiterleitung aller Unterlagen, die sich auf die internationale Eegelung der Lage der Arbeiter und der Arbeitsverhältnisse beziehen, sowie besonders in der Bearbeitung der Fragen, die den Beratungen der Konferenz zum Zweck des Abschlusses internationaler Vereinbarungen vorgelegt werden sollen, sowie endlich in der Durchführung aller besondern, von der Konferenz angeordneten Untersuchungen.

Das Internationale Arbeitsamt hat die Aufgabe, die Tagesordnung für die Tagungen der Konferenz vorzubereiten.

Es erfüllt ferner gemäss den Bestimmungen dieses Teiles des gegenwärtigen Vertrags die ihm bei allen internationalen Streitigkeiten zufallenden Obliegenheiten.

Es verfasst und veröffentlicht in französischer, englischer und in jeder andern Sprache, die der Verwaltungsrat für angebracht hält, eine regelnlässig erscheinende Zeitschrift, die sich den die Industrie und Arbeit betreffenden Fragen von internationalem Interesse widmet.

Überhaupt hat es neben der in diesem Artikel bezeichneten Tätigkeit alle anderen Befugnisse und Obliegenheiten, die ihm die Konferenz zu übertragen für angebracht hält.

Art. 897.

Die Ministerien der Mitgliedstaaten, zu deren Zuständigkeit die Arbeiterfragen gehören, können mit dem Direktor durch Vermittlung des Vertreters ihrer Regierung beim Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts oder in Ermangelung eines solchen Vertreters durch Vermittlung eines andern dazu geeigneten, von der beteiligten Regierung damit beauftragten Beamten unmittelbaren Geschäftsverkehr unterhalten.

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Art. 398.

Das Internationale Arbeitsamt kann die Mitwirkung des Generalsekretärs des Völkerbundes bei allen Fragen in Anspruch nehmen, bei denen er zu einer solchen Mitwirkung in der Lage ist.

Art. 399.

Jeder der Mitgliedstaaten bezahlt die Reise- und Aufenthaltskosten seiner Vertreter und ihrer technischen Batgeber, sowie gegebenenfalls die Kosten seiner an den Tagungen der Konferenz und des Verwaltungsrats teilnehmenden Beauftragten.

Alle andern Kosten des Internationalen Arbeitsamts, der Tagungen der Konferenz odor des Verwaltungsrats werden dem Direktor durch den Generalsekretär des Völkerbunds zu Lasten des allgemeinen Haushalts des Völkerbunds erstattet.

Der Leiter ist dem Generalsekretär des Völkerbunds für die Verwendung aller Gelder, die ihm nach den Bestimmungen dieses Artikels ausgezahlt werden, rechenschaftspflichtig.

Kapitel II.

Verfahren.

Art. 400.

Nach Prüfung aller Vorschläge, die von der Eegierung, eines der Mitgliedstaaten oder von irgend einer anderen im Artikel 389 bezeichneten Organisation für die auf die Tagesordnung zu bringenden Punkte gemacht sind, wird die Tagesordnung der Tagungen der Konferenzen vom Verwaltungsrat festgesetzt.

Art. 401.

Der Direktor versieht das Amt des Sekretärs der Konferenz; er hat die Tagesordnung jeder Tagung vier Monate vor deren Eröffnung an alle Mitgliedstaaten und durch deren Vermittlung an die Vertreter, die nicht Begierungsvertreter sind, sobald sie bestimmt sind, gelangen zu lassen.

Art. 402.

Die Begierung eines jeden Mitgliedstaates hat das Becht, gegen die Aufnahme einer oder mehrerer der vorgesehenen Punkte in die Tagesordnung der Tagung Einspruch zu erheben. Die Einspruchsbegründung ist in einer an den Direktor zu richtenden erläuternden Denkschrift darzulegen. Dem Direktor liegt es ob, die Denkschrift den Mitgliedstaaten der ständigen Organisation mitzuteilen.

657 Die beanstandeten Punkte bleiben trotzdem auf der Tagesordnung, wenn die Konferenz mit Zweidrittelmehrheit der durch die anwesenden Vertreter abgegebenen Stimmen so beschliesst.

Jede Frage, deren Prüfung die Konferenz ausserhalb des im vorigen Absatz vorgesehenen Verfahrens mit der gleichen Zweidrittelmehrheit beschliesst, ist auf die Tagesordnung der folgenden Tagung zu setzen.

Art. 403.

Die Konferenz stellt ihre Geschäftsordnung auf; sie wählt ihren Vorsitzenden; sie kann Ausschüsse einsetzen, denen die Erstattung von Berichten über alle von ihr für prüfungsbedürftig · befundenen Fragen obliegt.

Die einfache Mehrheit der von den anwesenden Mitgliedern der Konferenz abgegebenen Stimmen ist entscheidend, es sei denn, dass eine grössere Mehrheit ausdrücklich durch andere Artikel dieses Abschnitts des gegenwärtigen Vertrags vorgeschrieben ist.

Die Abstimmung ist ungültig, wenn die Zahl der abgegebenen Stimmen geringer ist als die Hälfte der in der Tagung anwesenden Vertreter.

Art. 404.

Die Konferenz kann den von ihr eingesetzten Ausschüssen technische Ratgeber mit beratender, aber nicht beschliessender Stimme beigeben.

Art. 405.

Erklärt sich die Konferenz für die Annahme von Anträgen, die in Verbindung mit einem Gegenstand der Tagesordnung stehen, so hat sie zu bestimmen, ob diese Anträge die Form haben sollen a. einer ,,Empfehlung", die den Mitgliedstaaten zur Prüfung vorzu legen ist, damit sie in der Form eines Landesgesetzes oder anderswie zur Ausführung gelangt; b. oder eines Entwurfs zu einem durch die Mitgliedstaaten zu ratifizierenden internationalen Übereinkommen.

In beiden Fällen bedarf es zur Annahme einer Empfehlung oder eines Entwurfs zu einem Übereinkommen in der Endabstimmung der Konferenz einer Zweidrittelmehrheit der Stimmen der anwesenden Vertreter.

Bei der Aufstellung einer Empfehlung oder eines Entwurfs zu einem Übereinkommen, das allgemeine Geltung erhalten soll, hat die Konferenz auf diejenigen Länder Bücksicht zu nehmen, in denen das Klima, die unvollkommene Entwicklung der gewerblichen Organisation oder andere Sonderumstände die Verhältnisse der Bundesblatt.

72. Jahrg. Bd. III.

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Industrie wesentlich abweichend gestalten. Sie hat in solchen Fällen die Abänderungen in Anregung zu bringen, die sie angesichts der besondern Verhältnisse dieser Länder für notwendig erachtet.

Eine Ausfertigung der Empfehlung oder des Entwurfes des Übereinkommens wird vom Vorsitzenden der Konferenz und dem Direktor unterzeichnet und dem Generalsekretär deß Völkerbundes ausgehändigt. Dieser übermittelt jedem Mitgliedstaat eine beglaubigte Abschrift der Empfehlung oder des Entwurfs des Übereinkommens.

Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, spätestens ein Jahr nach Schluss der Tagung der Konferenz (oder wenn dies infolge von aussergewöhnlichen Umständen innerhalb eines Jahres unmöglich ist, sobald es angängig ist, aber unter keinen Umständen später als achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konferenz) die Empfehlung oder den Entwurf zu einem Übereinkommen der zuständigen Stelle oder den zuständigen Stellen zu unterbreiten, damit sie zum Gesetz erhoben oder eine anderweitige Massnahme getroffen wird.

Handelt es sich um eine Empfehlung, so haben die Mitglieder den Generalsekretär von den getroffenen Massregeln in Kenntnis zu setzen.

Handelt .es sich um den Entwurf zu einem Übereinkommen, so hat der Mitgliedstaat, der die Zustimmung der zuständigen Stelle oder Stellen erhält, die förmliche Eatifizierung des Übereinkommens dem Generalsekretär mitzuteilen und die erforderlichen Massregeln zur Durchführung der Vorschriften des betreffenden Übereinkommens zu treffen.

Hat eine Empfehlung keine gesetzgeberische oder andere Massregeln zur Folge, die ihr Wirkung verschaffen, oder findet ein Entwurf zu einem Übereinkommen nicht die Zustimmung der dafür zuständigen Stelle oder Stellen, so hat das Mitglied keine weitere Verpflichtung.

Handelt es sich um einen Bundesstaat, dessen Befugnis zum Beitritt zu einem Arbeitsübereinkommen bestimmten Beschränkungen unterliegt, so hat die Eegierung das Eecht, den Entwurf eines Übereinkommens, der unter diese Beschränkungen fällt, als (anfache Empfehlung zu betrachten; in diesem Falle gelangen die Bestimmungen dieses Artikels über Empfehlungen zur Anwendung.

Der vorstehende Artikel ist nach folgendem Grundsatz auszulegen : In keinem Falle begründet die Annahme einer Empfehlung oder des Entwurfs eines Übereinkommens durch die Konferenz für einen

659 Mitgliedstaat die Verpflichtung, den schon durch seine Gesetzgebung den betreffenden Arbeitern gewährten Schutz zu vermindern.

Art. 406.

Jedes dergestalt ratifizierte Übereinkommen wird vom Generalsekretär des Völkerbunds eingetragen; es verpflichtet aber nur die Mitgliedstaaten, von denen es ratifiziert worden ist.

Art. 407.

Vereinigt eine Vorlage bei der endgültigen Gesamtabstimmung nicht die Zweidrittelmehrheit der von den anwesenden Vertretern abgegebenen Stimmen auf sich, so steht den Mitgliedstaaten der ständigen Organisation, die dies wünschen, frei, ein Sonderübereinkommen mit dem gleichen Inhalt zu schliessen.

Jedes derartige Übereinkommen ist durch die beteiligten Eegierungen dem Generalsekretär des Völkerbunds mitzuteilen, der es eintragen lässt.

Art. 408.

Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, dem Internationalen Arbeitsamt einen jährlichen Bericht über seine Massnahmen zur Durchführung der Übereinkommen, denen er beigetreten ist, vorzulegen. Die Form dieser Berichte bestimmt der Verwaltungsrat; sie müssen die von ihm geforderten Einzelheiten enthalten. Der Direktor legt der nächstfolgenden Tagung der Konferenz einen zusammenfassenden Auszug aus diesen Berichten vor.

Art. 409.

Jede an das Internationale Arbeitsamt gerichtete Beschwerde einer Beruf s Vertretung von gewerblichen Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, die sich darauf gründet, dass irgendein Mitgliedstaat nicht in befriedigender Weise ein von ihm angenommenes Übereinkommen ausgeführt habe, kann durch den Verwaltungsrat der in Frage kommenden Eegierung übermittelt werden. Diese Eegierung kann ersucht werden, sich zur Sache zu erklären.

Art. 410.

Geht von der in Frage kommenden Eegierung in angemessener Frist keine Erklärung ein oder hält der Verwaltungsrat die eingehende Erklärung für'unzureichend, so hat der Verwaltungsrat das Eecht, die eingegangene Beschwerde und gegebenenfalls die erteilte Antwort zu veröffentlichen.

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Art. 411.

Jeder Mitgliedsfcaat kann beim Internationalen Arbeitsamt eine Beschwerde gegen einen andern Mitgliedstaat vorbringen, der nach seiner Ansicht ein von beiden Teilen auf Grund der vorstehenden Artikel ratifiziertes Übereinkommen in unzureichender Weise durchführt.

Der Verwaltungsrat kaan, wenn er es für angebracht hält, sich mit der in Frage kommenden Eegierung in der im Artikel 409 bezeichneten Weise in Verbindung setzen, bevor er eine Untersuchungskommission nach dem weiter unten angegebenen Verfahren mit der Angelegenheit betraut.

Hält es der Verwaltungsrat nicht für nötig, die Beschwerde der in Frage kommenden Eegierung mitzuteilen, oder läuft bei ihm nach erfolgter Mitteilung keine befriedigende Antwort innerhalb einer angemessenen Frist ein, so kann er die Bildung einer Untersuchungskommission herbeiführen, der es obliegt, die strittige Frage zu prüfen und darüber zu berichten.

Das gleiche Verfahren kann von dem Verwaltungsrat entweder von Amts wegen oder auf die Beschwerde eines Vertreters bei der Konferenz eingeschlagen werden.

· Kommt eine auf Grund der Artikel 410 oder 411 aufgeworfene Frage vor den Verwaltungsrat, so hat die in Frage stehende Eegierung, falls sie nicht schon einen Abgeordneten im Verwaltungsrat hat, das Eecht, einen Vertreter zur Teilnahme an den betreffenden Beratungen des Verwaltungsrats zu ernennen. Der für diese Verhandlungen bestimmte Zeitpunkt ist der in Frage kommenden Eegierung rechtzeitig mitzuteilen.

Art. 412.

Die Untersuchungskommission setzt sich auf folgende Weise zusammen : . Jeder Mitgliedstaat verpflichtet sich, binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags drei in industriellen Fragen massgebende Personen zu. bezeichnen, eine zur Vertretung der Arbeitgeber, eine zweite zur Vertretung der Arbeitnehmer und eine von beiden unabhängige dritte. Diese Personen bilden zusammen eineListe, aus der di eMitglieder der Untersuchungskommission zu wählen sind.

Der Verwaltungsrat hat das Eecht, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bestellung der bezeichneten Personen vorliegen und mit einer Zweidrittelmehrheit der von den anwesenden Vertretern

661 abgegebenen Stimmen die Ernennung derjenigen abzulehnen, deren Eigenschaften nicht den Bestimmungen dieses Artikels entsprechen.

Auf Antrag des Verwaltungsrats bestimmt der Generalsekretär des Völkerbunds zur Bildung der Untersuchungskommission drei Personen, und zwar je eine aus jeder der drei Klassen der Liste.

Ausserdem bestimmt er eine der drei Personen zum Vorsitzenden der Kommission. Keine der auf diese Weise bestimmten drei Personen darf zu ein'em der unmittelbar an der Beschwerde beteiligten Mitgliedstaaten gehören.

Art. 413.

Wird auf Grund des Artikels 411 eine Beschwerde vor eine Untersuchungskommission verwiesen, so verpflichtet sich jeder Mitgliedstaat, gleichviel, ob er unmittelbar an der Beschwerde beteiligt ist oder nicht, der Kommission alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er zu dem Beschwerdepunkt besitzt.

Art. 414.

Nach eingehender Prüfung der Beschwerde erstattet die Untersuchungskommission einen Bericht; in diesem legt sie ihre tatsächlichen Feststellungen, die eine genaue Beurteilung des Streitfalls in seinem ganzen Umfang gestatten, sowie ihre Vorschläge zur Zufriedenstellung der beschwerdeführenden Eegierung und hinsichtlich der dazu nötigen Fristen nieder.

Gegebenenfalls hat der Bericht zugleich die wirtschaftlichen Strafmassnahmen zu bezeichnen, welche die Kommission der in Betracht kommenden Regierung gegenüber für angebracht hält und deren Anwendung durch die übrigen Regierungen ihr gerechtfertigt erscheint.

Art. 415. Der Generalsekretär des Völkerbunds teilt den Bericht der Untersuchungskommission jeder an dem Streitfall beteiligten Regierung mit und veranlasst seine Veröffentlichung.

Jede der beteiligten Regierungen hat dem Generalsekretär des Völkerbunds binnen einem Monat mitzuteilen, ob sie die in dem Kommissionsbericht enthaltenen Vorschläge annimmt oder nicht, und falls sie diese nicht annimmt, ob sie den Streitfall dem ständigen Internationalen Gerichtshof des Völkerbunds zu unterbreiten wünscht.

Art. 416.

Ergreift ein Mitgliedstaat bezüglich einer Empfehlung oder eines Entwurfs zu einem Übereinkommen die im Artikel 405 vorge-

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sehenen Massnahmen nicht, so hat jeder andere Mitgliedstaat das Eecht, den ständigen Internationalen Gerichtshof anzurufen.

Art. 417.

Gegen die Entscheidung des ständigen Internationalen Gerichtshofs über eine Beschwerde oder eine ihm gemäss den Artikeln 415 oder 416 unterbreitete Streitfrage ist kein Rechtsmittel gegeben.

Art. 418.

:

Die etwaigen Anträge oder Vorschläge der Untersuchungskommission können vom ständigen Internationalen Gerichtshof bestätigt, abgeändert oder aufgehoben werden. Dieser hat gegebenenfalls die wirtschaftlichen Strafrnassnahnien zu bezeichnen, die er einer schuldigen Eegierung gegenüber für angebracht hält und deren Anwendung durch die übrigen Regierungen ihm gerechtfertigt erscheint.

Art. 419.

Eichtet sich irgendein Mitgliedstaat in der vorgeschriebenen Zeit nicht nach den in dem Berichte der Untersuchungskommission oder in der Entscheidung des ständigen Internationalen Gerichtshofs enthaltenen Vorschlägen, so darf jeder andere ' Mitgliedstaat ihm gegenüber die wirtschaftlichen Skafmassnahmen ergreifen, die der Bericht der Kommission oder die Entscheidung des Gerichtshofes in diesem Falle für zulässig erklärt hat.

Art. 420.

Die schuldige Eegierung kann jederzeit den Verwaltungsrat davon in Kenntnis setzen, dass sie die nötigen Massnahmen getroffen hat, um entweder den Vorschlägen der Untersuchungskommission oder denen, die in der Entscheidung des ständigen Internationalen Gerichtshofs niedergelegt sind, Folge zu leisten, und kann den Verwaltungsrat ersuchen, durch den Generalsekretär des Völkerbunds eine Untersuchungskommission zur Nachprüfung ihrer Angaben zu berufen. In diesem Falle finden die Bestimmungen der Artikel 412--418 Anwendung. Fällt der Bericht der Untersuchungskornmission oder die Entscheidung des ständigen Internationalen Gerichtshofs zugunsten der schuldigen Eegierung aus. so haben die andern Eegierungen sofort die wirtschaftlichen Massregeln, die sie gegenüber dem betreffenden Staat ergriffen haben, rückgängig zu machen.

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Kapitel III, Allgemeine Vorschriften.

Art. 421.

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, die Übereinkommen, denen sie zugestimmt haben, entsprechend den Bestimmungen dieses Teiles des gegenwärtigen Vertrags für diejenigen ihre Kolonien, Besitzungen und Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, in Geltung zu setzen, jedoch unter den folgenden Vorbehalten: 1. die Anwendbarkeit des Übereinkommens darf nicht durch die örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein; 2. die für die Anpassung des Übereinkommens an die örtlichen Verhältnisse erforderlichen Abänderungen dürfen ihm eingefügt werden.

Jeder Mitgliedstaat hat dem Internationalen Arbeitsamt die von ihm beabsichtigte Entschliessung hinsichtlich seiner einzelnen Kolonien, Besitzungen oder Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, mitzuteilen.

Art. 422.

Abänderungen zu diesem Teile des gegenwärtigen Vertrages, die von der Konferenz mit Zweidrittelmehrheit der von den anwesenden Vertretern abgegebenen Stimmen angenommen sind, werden rechtswirksam, sobald sie von den Staaten, deren Vertreter den Eat des Völkerbunds bilden, und von drei Vierteln der Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind.

Art. 423.

Alle Streitfragen und Schwierigkeiten der Auslegung dieses Abschnitts des gegenwärtigen Vertrags und der später von den Mitgliedstaaten gemäss diesem Abschnitt geschlossenen Übereinkommen unterliegen der Entscheidung des ständigen Internationalen Gerichtshofs.

Kapitel IV.

Übergangsbestimmungen.

Art. 424.

Die erste Tagung der Konferenz findet im Oktober 1919 statt.

Ort und Tagesordnung der Tagung ergeben sich aus der beigefügten Anlage.

664

Einberufung und Gestaltung dieser ersten Tagung liegt der dafür in der vorerwähnten Anlage bezeichneten Regierung ob. Bei der Sammlung der Unterlagen wird diese Eegierung durch einen internationalen Ausschluss unterstützt, dessen Mitglieder in dergleichen Anlage genannt sind.

Die Kosten dieser ersten Tagung und jeder folgenden bis zu dem Zeitpunkt, wo die notwendigen Kredite in den Haushalt des Völkerbunds aufgenommen werden können, werden mit Ausnahme der Eeisekosten der Vertreter und der technischen Eatgeber auf die Mitgliedstaaten nach dem für das Internationale Bureau des Weltpostvereins festgesetzten Schlüssel umgelegt.

Art. 425.

Bis zur Errichtung des Völkerbundes werden alle Mitteilungen, die nach den vorstehenden Artikeln an den Generalsekretär des Bundes gerichtet werden sollten, vom Direktor des Internationalen Arbeitsamts aufbewahrt, der den Generalsekretär davon in Kenntnis zu setzen hat.

Art. 426.

Bis zur Errichtung des ständigen Internationalen Gerichtshofs werden die ihm kraft dieses Abschnitts des gegenwärtigen Vertrags zu unterbreitenden Streitfragen einem Gericht überwiesen, das aus drei vom Bäte des Völkerbunds ernannten Personen besteht.

Anlage.

Erste Tagung der Arbeitskonferenz 1919. Versammlungsort der Konferenz ist Washington.

Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wird gebeten, die Konferenz einzuberufen.

Der internationale Organisa.tionsausschuss besteht aus sieben Personen, von denen je eine von den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, Grossbritanniens, Frankreichs, Italiens, Japans, Belgiens und der Schweiz ernannt werden. Der Ausschuss kann, wenn er es für nötig hält, andere Mitglieder auffordern, sich in ihm vertreten zu lassen.

Die Tagesordnung ist die folgende: 1. Durchführung des Grundsatzes des Achtstundentags und der 48-Stundenwoche ; 2. Fragen hinsichtlich der Mittel zur Verhütung der Arbeitslosigkeit und zur Beseitigung ihrer Folgen;

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3. Beschäftigung der Frauen: a. vor und nach der Niederkunft (mit Einschluss der Frage der Mutterschaftsunterstützung), b. Nachtarbeit, c. gesundheitsschädliche Arbeiten; 4. Beschäftigung der Kinder: a. Altersgrenze der Zulassung zur Arbeit, b. Nachtarbeit, c. gesundheitsschädliche Arbeiten: 5. Ausdehnung und Durchführung der 1906 in Bern angenommenen internationalen Abkommen über das Verbot der Nachtarbeit der gewerblichen Arbeiterinnen und über das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem) Phosphor zur Anfertigung von Zündhölzern.

Abschnitt II.

Allgemeine Grundsätze.

Art. 427.

Die Hohen vertragschliessenden Teile haben in Anerkennung dessen, dass das körperliche, sittliche und geistige Wohlergehen der Lohnarbeiter vom internationalen Standpunkt aus von höchster Bedeutung ist, zur Erreichung dieses erhabenen Zieles die in Abschnitt I vorgesehene und dem Völkerbund angegliederte ständige Einrichtung geschaffen.

Sie erkennen an, dass die Verschiedenheiten des Klimas, der Sitten und Gebräuche, der wirtschaftlichen Zweckmässigkeit und industriellen Überlieferung die sofortige Herbeiführung der vollständigen Einheitlichkeit in den Arbeitsverhältnissen erschweren. Aber in der Überzeugung, dass die Arbeit nicht als blosse Handelsware betrachtet werden darf, glauben sie, dass Wege und Grundsätze für die Eegelung der Arbeitsverhältnisse sich finden lassen, die alle industriellen Gemeinschaften zu befolgen sich bemühen sollten, soweit ihre besondern Verhältnisse dies gestatten.

Unter diesen Wegen und Grundsätzen erscheinen den Hohen vertragschliessenden Teilen die folgenden von besonderer und Beschleunigung erheischender Wichtigkeit: 1. der oben erwähnte leitende Grundsatz, dass die Arbeit nicht lediglich als Ware oder Handelsartikel angesehen werden darf;

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2. das Becht des Zusammenschlusses zu allen nicht dem Gesetz zuwiderlaufenden Zwecken sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber; 3. die Bezahlung der Arbeiter mit einem Lohn, der ihnen eine nach der Auffassung ihrer Zeit und ihres Landes angemessene Lebensführung ermöglicht ; 4. Annahme des Achtstundentages und der 48-Stundenwoche als zu erstrebendes Ziel überall da, wo es noch nicht erreicht ist ; 5. die Annahme einer wöchentlichen Arbeitsruhe von mindestens 24 Stunden, die nach Möglichkeit den Sonntag einschliesseu soll; ' 6. die Beseitigung der Kinderarbeit und die Verpflichtung, die Arbeit Jugendlicher beiderlei Geschlechts so einzuschränken, wie es notwendig ist, um ihnen die Fortsetzung ihrer Ausbildung zu ermöglichen und ihre körperliche Entwicklung sicherzustellen ; 7. der Grundsatz gleichen Lohnes ohne Unterschied des Geschlechts für eine Arbeit von gleichem Werte; 8. die in jedem Lande über die Arbeitsverhältm'sse erlassenen Vorschriften haben allen im Lande .sich erlaubterweise aufhaltenden Arbeitern eine gerechte wirtschaftliche Behandlung zu sichern; 9. jeder Staat hat einen Aufsichtsdienst einzurichten, an dem auch Frauen teilnehmen, um die Durchführung der Gesetze und Vorschriften für den Arbeiterschutz sicherzustellen.

Die Hohen vertragschliessenden Teile verkünden nicht die Vollständigkeit oder Endgültigkeit dieser Grundsätze und Wege, erachten sie jedoch für geeignet, der Politik des Völkerbunds als Eichtschnur zu dienen und, im Falle ihrer Annahme durch die dem Staatenausschuss als Mitglieder angehörenden industriellen Gemeinschaften, sowie der Sicherstellung ihrer praktischen Durchführung durch eine entsprechende Aufsichtsbehörde, dauernde Wohltaten unter den Lohnarbeitern der Welt zu verbreiten.

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Beilage II.

Internationale Arbeitskonferenz Erste jährliche Tagung vom 29. Oktober bis zum 29. November 1919

in Washington.

Von der Konferenz genehmigte

Vertragsentwürfe und Empfehlungen.

668 Völkerbund.

Internationale Arbeitskouferenz.

Entwurf zu einer

Übereinkunft betreffend Festsetzung der Arbeitszeit in industriellen Anstalten auf acht Stunden im Tag und achtundvierzig Stunden in der Woche.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Regierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Anwendung des Grundsatzes des 8-Stundentages oder der 48-Stundenwochett, -- eine Frage, die das erste Traktandutn der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form eines Entwurfs zu einer internationalen Übereinkunft zu fassen, nimmt dea nachstehenden Entwurf zu einer Übereinkunft an, unter Vorbehalt der Ratifikation durch die Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation, entsprechend don Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Art. 1.

Als ,,industrielle Anstalten11 (établissements industriels) im Sirine der vorliegenden Übereinkunft gelten insbesondere: a. die Bergwerke, die Steinbrüche und jede industrielle Ausbeutung der toten Erdrinde ; b. die Betriebe, in denen Erzeugnisse hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, vollendet, für don Verkauf zubereitet werden oder in denen die Stoffe eine Umgestaltung erleiden, mit Einschluss des Schiffsbaues, der

669 Abbruchindustrien, (industries de démolition de matériel), der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft im allgemeinen und der Elektrizität; c. der Bau, der Wiederaufbau, der Unterhalt, die Wiederherstellung, die Umänderung oder der Abbruch jeder Art von Bauten und Gebäuden, von Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Viadukten, zentralen und gewöhnlichen Abwasserleitungen, Brunnen, Telegraphund Telephonaniagen, elektrischen Anlagen, Gaswerken, der Wasserversorgung oder anderer ßauarbeiten sowie die den oben angeführten Arbeiten vorangehenden Vorbereitungs- und Fundamentierungsarbeiten ; d. der Personen- und Waren transport auf Strassen und Wegen, auf der Eisenbahn und auf dem Wasser (Meer- und Binnenschiffahrt), Inbegriffen das Warenverladen und -abladen in Docks, Quais, Werften und Lagern, mit Ausnahme des von Hand bewerkstelligten Transports.

Die Bestimmungen über den Transport zu Wasser (Meerund Binnenschiffahrt) werden durch eine besondere Konferenz über die Arbeit der Seeleute und der Schiffer festgesetzt werden.

In jedem Land hat die zuständige Behörde die Abgrenzung zwischen der ,,Industrie"1 einerseits, dem Handel und der Landwirtschaft anderseits vorzunehmen.

Art. 2.

In allen öffentlichen oder privaten industriellen Anstalten oder in ihren Nebenbetrieben, welcher Natur sie auch sein mögen, darf -- mit Ausschluss derjenigen, in denen nur die Mitglieder ein und derselben Familie beschäftigt sind -- die Arbeitszeit des Personals acht Stunden im Tag und achtuadvierzig Stunden in der Woche nicht übersteigen, unter Vorbehalt der hiernach vorgesehenen Ausnahmen: a. Die Bestimmungen dieser Übereinkunft sind nicht anwendbar auf Personen, die mit der Überwachung beauftragt sind, an leitender Stelle stehen oder einen Vertrauensposten bekleiden.

b. Beträgt auf Grund eines Gesetzes, des Ortsgebrauches oder von Vereinbarungen zwischen Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeiter (oder, in Ermangelung derartiger Organisationen, zwischen Vertretern der Arbeitgeber und

670

der Arbeiter) die Arbeitszeit an einem oder an mehreren Tagen der Woche weniger als acht Stunden, so kann durch einen Erlass der zuständigen Behörde oder durch eine Vereinbarung zwischen den oben erwähnten Organisationen oder Vertretern der Beteiligten die Überschreitung der achtstündigen Arbeitszeit an den übrigen Tagen der Woche gestattet werden. Die in diesem Absatz vorgesehene Überschreitung darf indessen nie mehr als eine Stunde im Tag betragen.

c. Im Schichtenbetrieb kann die Arbeitszeit über acht Stunden im Tag und achtundvierzig Stunden in der Woche ausgedehnt werden, unter der Bedingung, dass der Durchschnitt der Arbeitszeit, auf eine Periode von drei Wochen oder weniger berechnet, acht Stunden im Tag und achtundvierzig Stunden in der Woche nicht übersteige.

Art. 3.

liei eingetretenen oder bevorstehenden Unglücksfällen, bei dringenden Arbeiten an Maschinen oder Werkzeugen, sowie in Fällen höherer Gewalt kann die im Art. 2 festgesetzte Arbeitszeit verlängert werden, aber nur insoweit, als es zur Verhütung ernsthafter Störungen des normalen Gangs des Betriebes nötig erscheint.

Art. 4.

In Unternehmungen, die naturnotwendigerweise in durchgehendem Betrieb arbeiten müssen, kann die im Art. 2 festgesetzte Arbeitsdauer unter der Bedingung verlängert werden, dass die Arbeitszeit nicht mehr als durchschnittlich 56 Stunden in der Woche betrage. Durch diese Regelung wird das Recht der Arbeiter auf diejenige freie Zeit, die ihnen gemäss den Gesetzen des Landes an Stelle ihres wöchentlichen Ruhetages zusteht, nicht berührt.

Art. 5.

In Ausnahmefällen, in welchen die in Art. 2 festgesetzte Arbeitszeit als undurchführbar erkannt werden sollte, aber einzig in diesen Fällen, kann durch Vereinbarungen zwischen den Organisationen der Arbeiter und der Arbeitgeber die tägliche Arbeitszeit durch einen für einen längeren Zeitraum aufgestellten Plan geregelt werden, sofern die Bestimmungen dieser Vereinbarungen durch die Regierung, der sie vorzulegen sind, zu Verordnungen erhoben werden.

671 Die durchschnittliche Arbeitszeit, berechnet auf die Zahl der im Plan festgesetzten Wochen, darf unter keinen Umständen achtund vi erzig Stunden in der Woche übersteigen.

Art. 6.

Verordnungen der Behörden werden für jede Industrie oder für einzelne Gruppen bestimmen : a. die dauernd zulässigen Abweichungen für Vorbereitungsund Ergänzungsarbeiten, die notwendigerweise ausserhalb der für den allgemeinen Betrieb eines Unternehmens festgesetzten Arbeitszeit ausgeführt werden müssen, oder für gewisse Kategorien von Personen, deren Arbeit ihrer Natur nach keine zusammenhängende ist (personnes dont le travail est spécialement intermittent) ; b. die vorübergehend zulässigen Abweichungen, um den Unternehmungen zu ermöglichen, ausserordentlichen Arbeitsdrang bewältigen zu können.

Diese Verordnungen sind nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen zu erlassen, sofern solche bestehen. Sie werden die Höchstzahl der Überstunden festsetzen, die in jedem einzelnen Fall gestattet werden dürfen. Der Lohnzuschlag für diese Überstunden beträgt mindestens 25 °/o des normalen Lohnes.

Art. 7.

Jede Regierung hat dem internationalen Arbeitsamt mitzuteilen : «. ein Verzeichnis der Arbeiten, für welche der durchgehende Betrieb im Sinn von Art. 4 unentbehrlich ist; b. vollständige Aufschlüsse über die Durchführung der in Art. 5 vorgesehenen Vereinbarungen ; c. vollständige Aufschlüsse über die auf Grund von Art. 6 erlassenen Verordnungen und deren Anwendung.

Das internationale Arbeitsamt hat hierüber jedes Jahr der Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation Bericht zu erstatten.

Art. 8.

Um die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft zu erleichtern, muss jeder Arbeitgeber :

672 a. durch Anschläge an gut sichtbarer Stelle in seinem Betrieb oder an irgend eiaem andern geeigneten Orte, oder auf sonst eine andere, von der Regierung genehmigte Art und Weise, die Zeit bekannt geben, mit der die Arbeit beginnt und aufhört oder, beim Schichtenbetrieb, die Zeit, mit der die Arbeitsdauer jeder Schicht anfängt und zu Ende geht. Die Stunden sind so festzusetzen, dass die in dieser Übereinkunft vorgesehenen Grenzen nicht überschritten werden, und dürfen, einmal öffentlich bekannt gemacht, nur in der.Art und Weise sowie in der Form abgeändert werden, wie sie von der Regierung genehmigt wird ; 6. in gleicher Weise die während der Arbeitsdauer gewährten Ruhepausen, die nicht zur eigentlichen Arbeitszeit gerechnet werden, bekannt geben ; e. alle auf Grund der Art. 3 und 6 dieser ÜbereinKuuft geleisteten Überstunden in ein Register eintragen, und zwar in der durch die Gesetzgebung jedes Landes oder durch eine Verordnung der zustündigen Behörde vorgeschriebenen Form.

Die Beschäftigung einer Person ausserhalb der durch lit. a oder während der durch lit. b festgesetzten Stunden gilt als ungesetzlich.

Art. 9.

Die Anwendung dieser Übereinkunft auf Japan erfolgt unter nachstehenden Abänderungen und Bedingungen : a. Als ,,industrielle Anstalten" geltem insbesondere: die in Art. l, lit. a, aufgezählten Betriebe ; die in Art. l, lit. ö, aufgezählten Betriebe,, sofern sie mindestens zehn Personen beschäftigen ; die in Art. l, lit. e, aufgezählten Betriebe, sofern sie unter den durch die zuständige Behörde festgesetzten Begriff der "Fabrik" fallen; die in Art. l, lit. d, aufgezählten Betriebe, ausgenommen der Personen- und Warentransport auf Strassen, das Warenverladen und -abladen in den Docks, Quais, Werften und Lagern sowie der von Hand bewerkstelligte Transport und, ohne Rücksicht auf die Zahl der beschäftigten Personen, diejenigen der in Art. l, lit. 6 und c, aufgezählten Betriebe, die von der zuständigen Behörde als sehr gefährlich oder gesundheitsschädlich bezeichnet werden.

673

b. Für jede Person im Alter von mindestens 15 Jahren, die in einer öffentlichen oder privaten industriellen Anstalt oder in deren Nebenbetrieben beschäftigt ist, darf die effektive.

Arbeitszeit siebenundfünfzig Stunden in der Woche nicht übersteigen, ausgenommen die Grège-Seidenindustrie, wo die Höchstdauer der Arbeitszeit sechzig Stunden in der Woche betragen kann.

c. Für Kinder unter 15 Jahren, die in einer öffentlichen oder privaten industriellen Anstalt oder in deren "Nebenbetrieben beschäftigt sind, sowie, ohne Rücksicht auf ihr Alter, für die in den Bergwerken untertags beschäftigten Personen darf die effektive Arbeitszeit achtundvierzig Stunden in der Woche unter keinen Umständen übersteigen.

d. Die hier festgesetzte Arbeitszeit kann unter den durch die Art. 2, 3, 4 und 5 dieser Übereinkunft vorgesehenen Bedingungen abgeändert werden ; immerhin darf die bewilligte Verlängerung im Verhältnis zur normalen Arbeitswoche nicht grösser sein, als diejenige, wie sie sich aus den Bestimmungen der erwähnten Artikel ergibt.

e. Allen Arbeitern ohne Unterschied ist eine wöchentliche Ruhezeit von vierundzwanzig aufeinanderfolgenden Stunden zu bewilligen.

f. Die Bestimmungen der industriellen Gesetzgebung Japans, ·welche für Betriebe gelten, die mindestens 15 Personen beschäftigen, sind in dem Sinn abzuändern, dass diese Vorschriften in Zukunft auch auf diejenigen Betriebe an wendbar sind, die mindestens zehn Personen beschäftigen.

g. Die vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels treten spätestens am 1. Juli 1922 in Kraft, die durch lit. d. abgeänderten Bestimmungen des Artikels 4 spätestens am 1. Juli 1923.

h. Die in lit. c. dieses Artikels vorgesehene Altersgrenze von 15 Jahren wird spätestens am 1. Juli 1925 auf 16 Jahre erhöht.

Art. 10.

In Britisch-Indien soll der Grundsatz der 60-Stundenwoche für alle Arbeiter derjenigen Betriebe eingeführt werden, welche gegenwärtig unter die industrielle Gesetzgebung fallen, deren Vollzug der indischen Regierung obliegt, ferner für die Bergwerke, sowie für diejenigen Kategorien von Eisenbahnarbeiten, die von der zuständigen Behörde bestimmt werden. Diese Behörde darf AbänBundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

44

674

deningen der hier festgesetzten Grenze nur unter Beobachtung: der in den Art. 6 und 7 dieser Übereinkunft enthaltenen Bestimmungen bewilligen.

Die übrigen Vorschriften der vorliegenden Übereinkunft sind auf Indien nicht anwendbar; dagegen soll die Frage einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit an einer der nächsten Tagungen der Generalkonferenz geprüft werden.

Art. 11.

Die Bestimmungen dieser Übereinkunft sind weder auf China, noch auf Persien, noch auf Siam anwendbar; doch soll die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit in diesen Ländern an einer der nächsten Tagungen der Generalkonferenz geprüft .werden.

Art. 12.

Hinsichtlich der Anwendung dieser Übereinkunft auf Griechenland kann das Inkrafttreten -- als vereinbar mit Art. 19 -- verschoben werden auf den 1. Juli 1923 für die nachstehenden industriellen Anstalten : 1. Fabriken von Schwefelkohlenstoff, 2. Säurefabriken, 3. Gerbereien, 4. Papierfabriken, 5. Druckereien, 6. Sägereien, 7. Tabaklagerhäuser und Betriebe zur Verarbeitung des Tabaks,, 8. Arbeiten über dem Tag beim Bergwerkbetrieb, 9. Giessereien, 10. Kalkfabriken, 11. Färbereien, 12. Glasfabriken (Bläser), 13. Gaswerke (Heizer), 14. Verladen und Ausladen von Waren, und spätestens auf den 1. Juli. 1924 für die hiernach genannten industriellen Anstalten : 1. Mechanische Industrie ' Maschinenbau, Herstellung von Kassenschränken, Wagen (balances), Betten, Nägeln, Jagdschrot, Eisen- und Bronzegiessereien, Spenglerei, Verzinnwerkstätten,, Fabriken hydraulischer Apparate ;

675

2. Baugewerbe : Kalköfen, Zementfabriken, Gipsfabriken, Ziegeleien, Backstein- und Plattenfabriken, Hafnereien, Marmorsägereien, Erd-und Bauarbeiten; 3. Textilindustrie : Spinnereien und Webereien aller Art, mit Ausnahme der Färbereien; 4. Nahrungsmittelindustrie: Mühlen, Bäckereien, Teigwarenfabriken, Wein-, Alkohol- und Getränkefabriken, Ölfabriken, Brauereien, Eis- und Limonadenfabriken, Fabriken von Zuckerwaren und Schokolade, Wurst- und Conservenfabriken, Schlachthäuser und Metzgereien ; 5. chemische Industrie: .Fabriken von synthetischen Farben, Glasfabriken (mit Ausnahme der Bläser), Terpentin- und Weinsteinfabriken, Fabriken von Sauerstoff und pharmazeutischen Produkten, Fabriken von Leinöl, Glyzerinfabriken, Fabriken von Kalzium-Karbid, Gaswerke (mit Ausnahme der Heizer) ; 6. Lederindustrie : Schuhfabriken und Fabriken von Lederartikeln ; 7. Papierindustrie und Buchdruckereigewerbe : Briefumschlägefabriken, Register-, Schachteln- und Papiersäckefabriken, Buchbinderwerkstätten, Lithographien und Zinkographien ; 8. Bekleidungsindustrie : Schneider- und Wäscheateliers, Pressateliers, Bettdeckenfabriken, Fabriken von künstlichen Blumen, Federn und Posamentierarbeiten, Hut- und Regenschirmfabriken ; 9. Holzindustrie : Schreinerei, Küferei, Wagnerei, Möbel- und Stuhlfabriken, Einrahmungsgeschäfte, Bürsten- und Besenfabriken ; 10. elektrische Industrien : Stromerzeugungswerke ; Werkstätten für elektrische Einrichtungen ; 11. Transporte zu Land: Eisenbahn- und Strassenbahnangestellte, Chauffeure, Kutscher und Fuhrleute.

Art. 13.

Hinsichtlich der Anwendung dieser Übereinkunft auf Rumänien kann das Inkrafttreten -- als vereinbar mit Art. 19 -- auf den 1. Juli 1924 verschoben werden.

Art. 14.

Die Bestimmungen dieser Übereinkunft können in jedem Lande durch Beschluss der Regierung im Fall eines Krieges oder

676

von Ereignissen, welche die nationale Sicherheit gefährden, vorübergehend aufgehoben werden.

Art. 15.

Die amtlichen Ratifikationen dieser Übereinkunft sind unter den im XIII. Teil des Friedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919 und des Friedensvertrages zu Saint-Germain vom 10. September 1919 vorgesehenen Bedingungen dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 16.

Jedes. Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie in denjenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate zur Anwendung zu bringen, die sich nicht vollständig unabhängig regieren, jedoch unter folgenden Vorbehalten: a. dass die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht durch die örtlichen Verhältnisse verunmöglicht werde ; b. dass diejenigen Abänderungen vorgenommen werden dürfen, die nötig erscheinen könnten, um die Übereinkunft den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

Jedes Mitglied hat dem internationalen Arbeitsamt seinen Entscheid mitzuteilen betreffend jede einzelne seiner Kolonien oder Besitzungen sowie jedes einzelnen seiner Protektorate, die sich nicht vollständig unabhängig regieren.

Art. 17.

Sobald die Ratifikationen von zwei Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, gibt der Generalsekretär des Völkerbundes sämtlichen Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation hiervon Kenntnis.

Art. 13.

Diese Übereinkunft tritt in Kraft mit dem Tage, an dem diese Notifikation durch den Generalsekretär des Völkerbundes stattgefunden hat ; sie bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Ratifikationen beim Sekretariat haben eintragen lassen. Gegenüber jedem anderen Mitglied tritt diese Übereinkunft mit dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikation dieses Mitgliedes beim Sekretariat eingetragen worden ist.

677

Art. 19.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie spätestens vom 1. Juli 1921 hinweg zur Anwendung zu bringen und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit deren Bestimmungen durchgeführt werden.

Art. 20.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert hat, kann sie nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren, vom Datum des ersten Inkrafttretens der Übereinkunft an gerechnet, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtete und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Kündigung äussert ihre Wirkungen erst ein Jahr nach deren Eintragung beim Generalsekretariat.

Art. 21.

Der Verwaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre der Generalkonferenz über die Anwendung der vorliegenden Übereinkunft Bericht zu .erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage einer Revision oder Abänderung dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Art, 22.

Der französische und der englische Text dieser Übereinkunft sind in gleicher Weise massgebend.

678 Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz.

Entwurf zu einer

Übereinkunft betreffend die Arbeitslosigkeit.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Regierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Mittel zur Verhütung ' der Arbeitslosigkeit und aur Bekämpfung ihrer Folgen1*, -- eine Frage, die das zweite Traktandum der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form eines Entwurfs zu einer internationalen Übereinkunft zu fassen, nimmt den nachstehenden Entwurf zu einer Übereinkunft an, unter Vorbehalt der Ratifikation durch die Mitglieder dör internationalen Arbeitsorganisation, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Art. 1.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, hat dem internationalen Arbeitsamt in möglichst kurzen Zwischenräumen, jedenfalls aber mindestens alle drei Monate, sämtliche verfügbaren ' Aufschlüsse über die Arbeitslosigkeit mitzuteilen, seien sie Statistischer oder anderer Art, Inbegriffen die Berichte über die getroffenen oder noch zu treffenden Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wenn immer möglich, ist die Berichterstattung so zu gestalten, dass ihre Mitteilung innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ablauf des Zeitraumes, auf den sie sich bezieht, stattfinden kann.

Art. 2.

Jedes Mitglied, das diese Uebereinkunft ratifiziert, hat eine Organisation unentgeltlicher, öffentlicher und einer Zentralleitung

679

unterstehender Arbeitsnachweisstellen zu schaffen. Ferner sind aus Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeiter zusammengesetzte Ausschüsse zu bestellen und über alle auf den Betrieb ·dieser Bureaux bezüglichen Fragen zu Rate zu ziehen.

Wo unentgeltliche öffentliche und private Arbeitsnachweisstellen nebeneinander bestehen, sind die nötigen Massnahmen zu treffen, um die Tätigkeit dieser Stellen nach einem nationalen Plan zu ordnen.

' Die Tätigkeit der verschiedenen nationalen Systeme ist ·durch das internationale Arbeitsamt im Einverständnis mit den · beteiligten Ländern zu regeln.

Art. 3.

Die Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation, welche ·diese Uebereinkunft ratifizieren und eine Arbeitslosenversicherung eingeführt haben, haben -- unter den von den beteiligten Mitgliedern im gemeinsamen Einverständnis festgesetzten Bedingungen -- Vereinbarungen za treffen, welche hinsichtlich der Zuerkennung von Unterstützungsbeiträgen die Gleichbehandlung ihrer Angehörigen, die auf dem Gebiet des andern Staates arbeiten, gewährleisten.

Art. 4.

Die amtlichen Ratifikationen dieser Uebereinkunft sind unter den im XIII. Teil des Friedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919 und des Friedensvertrages zu Saint-Germain vom 10. September 1919 vorgesehenen Bedingungen dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 5.

Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das diese Uebereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie in denjenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate zur Anwendung zu bringen, die sich nicht vollständig unabhängig regieren, jedoch unter folgenden Vorbehalten : a. dass die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht durch die örtlichen Verhältnisse verunmöglicht werde ; b. dass diejenigen Abänderungen vorgenommen werden dürfen, die nötig erscheinen könnten, um die Übereinkunft den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

Jedes Mitglied hat dem internationalen Arbeitsamt seinen Entscheid mitzuteilen betreffend jede einzelne seiner Kolonien oder Besitzungen sowie jedes einzelnen seiner Protektorate, die sich nicht vollständig unabhängig regieren.

680

Art. 6.

Sobald die Ratifikationen von drei Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, gibt der Generalsekretär des Völkerbundes allen Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation hiervon Kenntnis, Art. 7.

Diese Übereinkunft tritt in Kraft mit dem Tage, an dem diese Notifikation durch den Generalsekretär des Völkerbundes stattgefunden hat ; sie bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Ratifikationen beim Sekretariat haben eintragen lassen. Gegenüber jedem anderen Mitglied tritt diese Übereinkunft mit dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikation dieses Mitgliedes beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Art. 8.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie spätestens vom 1. Juli 1921 hinweg zur Anwendung zu bringen und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit deren Bestimmungen durchgeführt werden.

Art. 9.

Jedes Mitglied, das die Übereinkunft ratifiziert hat, kann sie nach Ablauf eines Zeitraumes von 10 Jahren, vom Datum des ersten Inkrafttretens der Übereinkunft an gerechnet, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtete und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Kündigung aussert ihre Wirkungen erst ein Jahr nach deren Eintragung beim Generalsekretariat.

Art. 10.

Der Vervvaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle 10 Jahre der Generalkonferenz über die Anwendung der vorliegenden Übereinkunft Bericht zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage einer Revision oder Abänderung dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll..

Art. 11.

Der französische und der englische Text dieser Übereinkunft sind in gleicher Weise massgebend.

681 Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz,

Empfehlung betreffend die Arbeitslosigkeit.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisationdes Völkerbundes, von der Regierang der Vereinigten Staaten Amerikasauf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Mittel zur Verhütung der Arbeitslosigkeit und zur Bekämpfung ihrer Folgen", -- eine Frage, die das zweite Traktandum der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form einer Empfehlung zu fassen, nimmt die nachstehende Empfehlung an, welche den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen ist zu dem Zweck, sie auf dem Weg der nationalen Gesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten zu lassen, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu SaintGermain vom 10. September 1919.

I.

Die Generalkonferenz empfiehlt, jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation möge Massnahmen treffen, um die Errichtung gegen Entgelt arbeitender Placierungsbureaux oder gewerbsmässiger Stellenvermittlungsagenturen zu verbieten.

Mit Bezug auf schon bestehende Bureaux empfiehlt die Konferenz, ihren Betrieb von einer durch die Regierung erteilten Erlaubnis abhängig zu machen und alle Massnahmen zu treffen,, um sie sobald als möglich aufzuheben.

II.

Die Generalkonferenz empfiehlt den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation, die Kollektiv-Anwerbung von Arbeitern eines Landes zum Zweck ihrer Verwendung auf dem Gebiete eines andern Staates nur unter der Voraussetzung za

682

.gestatten, dass unter den beteiligten Ländern und nach Anhörung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern der beteiligten Industrien jedes Landes eine Verständigung zustande gekommen ist.

III.

Die Generalkonferenz empfiehlt, jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation möge eine wirksame Arbeitslosenversicherung einführen, sei es durch Errichtung einer staatlichen Organisation, sei es durch Beitragsleistungen des Staates an Verbände, deren Statuten die Ausrichtung von Arbeitslosenunterstützungen an ihre Mitglieder vorsehen.

IV.

Die Generalkonferenz empfiehlt, jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation möge die Ausführung öffentlicher Arbeiten regeln und diese Arbeiten soweit als möglich in Zeiten der Arbeitslosigkeit und in Gegenden ausführen lassen, die durch sie hauptsächlich betroffen werden.

683 Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz.

Empfehlung betreffend

die Gegenseitigkeit bei der Behandlung der ausländischen Arbeiter.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Regierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Mittel zur Verhütung der Arbeitslosigkeit und zur Bekämpfung ihrer Folgen", -- eine Frage, die das zweite Traktandum der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form einer Empfehlung zu fassen, nimmt die nachstehende Empfehlung an, welche den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen ist zu dem Zweck, sie auf dem Weg der nationalen Gesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten zu lassen, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Die Generalkonferenz empfiehlt, jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation möge -- auf Grundlage der Gegenseitigkeit und gemäss den im gemeinsamen Einverständnis zwischen'den beteiligten Ländern festgesetzten Bedingungen -- den auf seinem Gebiete beschäftigten ausländischen Arbeitern und ihren Familien die Wohltat der eigenen Arbeiterschutzgesetzgebung zusichern und ihnen auch im Rahmen der für seine einheimische Arbeiterschaft geltenden Bestimmungen das Koalitionsrecht zubilligen.

684 Völkerbund.

Internationale Arfoeitskoufcrenz.

Entwurf zu einer

Uebereinkunft betreffend die Beschäftigung von Frauen vor und nach der Niederkunft.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Kegierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Beschäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft, inbegriffen die Frage der WöchnerinnenEntschädigung", -- eine Frage, die einen Teil des dritten Traktandums der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form eines Entwurfs zu einer internationalen Übereinkunft zu fassen, nimmt den nachstehenden Entwurf zu einer Übereinkunft an, unter Vorbehalt der Ratifikation durch die Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Art. 1.

Als ,,industrielle Anstalten" (établissements industriels) im Sinne der vorliegenden Übereinkunft gelten insbesondere: a. die Bergwerke, die Steinbrüche und jede industrielle Ausbeutung der toten Erdrinde; b. die Betriebe, in denen Erzeugnisse hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, vollendet, für den Verkauf zubereitet werden, oder in denen die Stoffe eine Umgestaltung erleiden, mit Einschluss des Schiffsbaues, der Abbruchindustrien (industries de démolition de matériel), der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft im allgemeinen und der Elektrizität;

685

c. der Bau, der Wiederaufbau, der Unterhalt, die Wiederherstellung, die Umänderung oder der Abbruch jeder Art von Bauten und Gebäuden, von Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Viadukten, zentralen und gewöhnlichen Abwasserleitungen, Brunnen, Telegraphund Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gaswerken, der Wasserversorgung oder anderer Bauarbeiten, sowie die den oben angeführten Arbeiten vorangehenden Vorbereitungsund Fundamentierungsarbeiten ; d. der Personen- und Warentransport auf Strassen und Wegen, auf der Eisenbahn und auf dem Wasser (Meer- und Binnenschiffahrt), inbegriffen das Warenverladen und -abladen in Docks, Quais, Werften und Lagern, mit Ausnahme des von Hand bewerkstelligten Transports.

Als ,,Handelsgeschäft" (établissement commercial) im Sinn der vorliegenden Übereinkunft gilt jede Stelle, die dem Verkauf von Waren oder irgend einer hand.elsmässigen Tätigkeit dient.

In jedem Lande hat die zuständige Behörde die Abgrenzung zwischen der ,,Industrie" und dem Handel einerseits und der Landwirtschaft anderseits vorzunehmen.

Art. 2.

Unter dem Begriff ,,Frau" im Sinn der vorliegenden Übereinkunft ist jede Person weiblichen Geschlechts verstanden, sei sie verheiratet oder nicht und unabhängig von ihrem Alter oder ihrer Staatsangehörigkeit, unter dem Begriff ,,Kind" jedes Kind, gleichgültig ob ehelicher oder unehelicher Herkunft.

Art. 3.

In allen industriellen Anstalten und Handelsgeschäften oder in ihren Nebenbetrieben, sowohl öffentlichen als privaten, mit Ausnahme derjenigen, in denen nur Mitglieder ein und derselben Familie beschäftigt sind -- a. darf eine Frau während eines Zeitraumes von sechs Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden; 6. ist jede Frau berechtigt, die Arbeit gegen Vorweisung eines ärztlichen Zeugnisses zu verlassen, welches eine Bescheinigung darüber enthält, dass ihre Niederkunft voraussichtlich innerhalb sechs Wochen stattfinden wird; c. erhält jede Frau während der ganzen Zeit ihrer auf Grund der Bestimmungen in Ziff. a und b dauernden Abwesenheit eine Entschädigung, die genügend sein soll, um sich und ihr

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Kind in guten hygienischen Verhältnissen zu unterhalten ; diese Entschädigung, deren genauer Betrag durch die zuständige Behörde jedes Landes festzusetzen ist, wird aus öffentlichen Mitteln bestritten oder durch eine Versicherung gedeckt. Jede Frau hat ausserdem Anspruch auf unentgeltliche Behandlung durch einen Arzt oder durch eine Hebamme. Kein vom Arzt oder von der Hebamme bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Niederkunft begangener Irrtum kann eine Frau vom Bezug der Entschädigung ausschliessen, auf die sie von dem im ärztlichen Zeugniss festgesetzten Tag bis zum Eintritt der Niederkunft Anspruch hat; d. ist jeder Frau, die ihr Kind selber nährt, zur Ermöglichung der Stillung täglich zweimal eine halbe Stunde freizugeben.

Art. 4.

Verlässt eine Frau gestützt auf Ziff. a und fc von Art. 8 dieser Übereinkunft ihre Arbeit, oder bleibt sie ihr infolge einer durch ärztliches Zeugnis als Folge ihrer Schwangerschaft oder Geburt erklärten Krankheit, die sie zur Wiederaufnahme der Arbeit unfähig macht, während längerer Zeit fern, ist es dem Betriebsinhaber nicht gestattet, solange die Abwesenheit eine durch die zuständige Behörde jedes Landes festzusetzende Höchstdauer nicht erreicht hat, ihr während dieser Abwesenheit oder auf einen solchen Termin zu künden, dass die Kündigungsfrist während der erwähnten Abwesenheit abläuft.

Art. 5.

Die amtlichen Katifikationen dieser Übereinkunft sind unter den im XIII. Teil des Friedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919 und des Friedensvertrages zu Saint-Germain vom 10. September 1919 vorgesehenen Bedingungen dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 6. Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie in denjenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate zur Anwendung zu bringen, die sich nicht vollständig unabhängig regieren, jedoch unter folgenden Vorbehalten: a. dass die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht durch die örtlichen Verhältnisse verunmöglicht werde; b. dass diejenigen Abänderungen vorgenommen werden dürfen, die nötig erscheinen könnten, um die Übereinkunft den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

68T

Jedes Mitglied hat dem internationalen Arbeitsamt seinen Entscheid mitzuteilen betreffend jede einzelne seiner Kolonien oder Besitzungen, sowie jedes einzelnen seiner Protektorate, die sich nicht vollständig unabhängig regieren.

Art. 7.

Sobald die Eatifikationen von zwei Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, gibt der Generalsekretär des Völkerbundes sämtlichen Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation hiervon Kenntnis.

Art. 8.

Diese Übereinkunft tritt in Kraft mit dem Tage, an dem diese Notifikation durch den Generalsekretär des Völkerbundes stattgefunden hat; sie bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Eatifikationen beim Sekretariat haben eintragen lassen. Gegenüber jedem andern Mitglied tritt diese Übereinkunft mit dem Tag in Kraft, andern die Eatifikation dieses Mitgliedes beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Art. 9.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie spätestens vom 1. Juli 1922 hinweg zur Anwendung zu bringen und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit deren Bestimmungen durchgeführt werden.

Art. 10.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert hat, kann sie nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren, vom Datum de» ersten Inkrafttretens der Übereinkunft an gerechnet, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtete und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Kündigung äussert ihre Wirkungen erst ein Jahr nach deren Eintragung beim Generalsekretariat.

Art. 11.

Der Verwaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre der Generalkonferenz über die Anwendung der vorliegenden Übereinkunft Bericht zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage einer Eevision oder Abänderung dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll Art. 12.

Der französische und der englische Text dieser Übereinkunft sind in gleicher Weise massgebend.

688 Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz.

Entwurf zu einer

Uebereinkunft betreffend die Nachtarbeit der Frauen.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Kegierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Nachtarbeit der Frauen", -- eine Frage, die einen Teil des dritten Traktandums der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form eines Entwurfs zu einer internationalen Übereinkunft zu fassen, nimmt den nachstehenden Entwurf zu einer Übereinkunft an, unter Vorbehalt der Batifikation durch die Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Art. 1.

Als ,,industrielle Anstalten" (établissements industriels) im Sinne der vorliegenden Übereinkunft gelten insbesondere: a. die Bergwerke, die Steinbrüche und jede industrielle Ausbeutung der toten Erdrinde; b. die Betriebe, in denen Erzeugnisse hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, vollendet, für den Verkauf zubereitet werden, oder in denen die Stoffe eine Umgestaltung erleiden, mit Einschluss des Schiffsbaues, der Abbruchindustrien (industries de démolition de matérial), der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft im allgemeinen und der Elektrizität;

689 c. der Bau, der Wiederaufbau, der Unterhalt, die Wiederherstellung, die Umänderung oder der Abbruch jeder Art von Bauten und Gebäuden, von Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Viadukten, zentralen und gewöhnlichen Abwasserleitungen, Brunnen, Telegraphund Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gaswerken, der Wasserversorgung oder anderer Bauarbeiten, sowie die den oben angeführten' Arbeiten vorangehenden Vorbereitungsund Fundamentierungsarbeiten.

In jedem Land hat die zuständige Behörde die Abgrenzung zwischen der ,,Industrie" einerseits, dem Handel und der Landwirtschaft anderseits vorzunehmen.

Art. 2.

Der Begriff ,,Nacht" im Sinn der vorliegenden Übereinkunft bedeutet einen Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, welcher die Zeit zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens in sich schliesst.

In den Ländern, in denen keine staatliche Kegelung betreffend die Beschäftigung der Frauen in den industriellen Anstalten während der Nacht besteht, kann der Ausdruck ,,Nacht" vorübergehend und während der Dauer von höchstens drei Jahren nach dem Ermessen der Eegierung einen Zeitraum von nur zehn Stunden bezeichnen, welcher die Zeit zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens in sich schliesst.

Art. 3.

Alle Frauen, ohne Eücksicht auf ihr Alter, dürfen während der Nacht in keiner industriellen öffentlichen oder privaten Anstalt, · noch in irgendwelchen Nebenbetrieben von solchen beschäftigt werden, mit Ausnahme derjenigen Betriebe, in denen nur Mitglieder ein «nd derselben Familie beschäftigt sind.

Art. 4.

Art. 3 gelangt nicht zur Anwendung: a. Im Falle höherer Gewalt, wenn in einer Unternehmung eine nicht vorauszusehende und keinen periodischen Charakter tragende Betriebsstörung eintritt; b. In den Fällen, wo es sich um die Verarbeitung von Eohstoffen oder um die Bearbeitung von Fabrikaten handelt, die beide einem sehr raschen Verderben ausgesetzt sind, wenn zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes dieser Materialien Nachtarbeit erforderlich ist.

Bmi.lesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

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690

Art. 5.

In Indien und Siam kann die Anwendung von Art. 3 dieser Übereinkunft durch die Eegierung aufgehoben werden, ausgenommen hinsichtlich der Fabriken (manufactures, factories), so wie sie durch die nationale Gesetzgebung umschrieben werden. Jede Industrie, auf welche sich diese Ausnahme erstreckt, ist dem internationalen Arbeitsamt mitzuteilen.

Art. 6.

In den industriellen Anstalten, welche Einflüssen der Jahreszeiten unterworfen sind und in allen Fällen, wo ausserordentliche Umstände es erfordern, kann die in Art. 2 festgesetzte Dauer der Nachtzeit während sechzig Tagen im Jahr auf zehn Stunden herabgesetzt werden.

Art. 7.

In den Ländern, wo das Klima die Arbeit arn Tage besonders mühsam gestaltet, darf die Nachtzeit kürzer bemessen werden, als wie sie in den vorangehenden Artikeln festgesetzt ist, unter der Voraussetzung jedoch, dass am Tag eine entsprechende Ruhepause gewährt werde.

Art. 8.

Die amtlichen Ratifikationen dieser Übereinkunft sind unter den im XIII. Teil des Friedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919 und des Friedensvertrages zu Saint-Germain vom 10. September 1919 vorgesehenen Bedingungen dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen, Art. 9.

Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie in denjenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate zur Anwendung zu bringen, die sich nicht vollständig unabhängig regieren, jedoch unter folgenden Vorbehalten: a. dass die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht durch die örtlichen Verhältnisse verunmöglicht werde; b. dass diejenigen Abänderungen vorgenommen werden dürfen, die nötig erscheinen könnten, um die Übereinkunft den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

Jedes Mitglied hat dem internationalen Arbeitsamt seinen Entscheid mitzuteilen betreffend jede einzelne seiner Kolonien oder Besitzungen, sowie jedes einzelnen seiner Protektorate, die sich nicht vollständig unabhängig regieren.

691

Art. 10.

Sobald die Eatifikationen von zwei Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, gibt der Generalsekretär des 'Völkerbundes sämtlichen Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation hiervon Kenntnis.

Art. 11.

Diese Übereinkunft tritt in Kraft mit dem Tage, an dem diese Notifikation durch den Generalsekretär des Völkerbundes stattgefunden hat; sie bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Eatifikationen beim Sekretariat haben eintragen lassen. Gegenüber jedem andern Mitglied tritt diese Übereinkunft mit dem Tag in Kraft, an dem die Ratifikation dieses Mitgliedes beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Art. 12.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie spätestens vom 1. Juli 1922 hinweg zur Anwendung zu bringen und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit deren Bestimmungen durchgeführt werden.

Art. 13.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert hat, kann sie nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren, vom Datum des ersten Inkrafttretens der Übereinkunft an gerechnet, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtete und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Kündigung äussert ihre Wirkungen erst ein Jahr nach deren Eintragung beim Generalsekretariat.

Art. 14.

Der Verwaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre der Generalkonferenz über die Anwendung der vorliegenden Übereinkunft Bericht zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage einer Èevision oder Abänderung dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Art. 15.

Der französische und der englische Text dieser Übereinkunft sind in gleicher Weise massgebend.

692 Völkerbund.

luternatioiiale Arbeitskonferenz.

Empfehlung betreffend

die Verhütung des Milzbrandes.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Eegierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Bescblùss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Beschäftigung der Frauen bei ungesunden Arbeiten", -- eine Frage, die einen Teil des dritten Traktandums der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form einer Empfehlung zu fassen, nimmt die nachstehende Empfehlung an, welche den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen ist zu dem Zweck, sie auf dem Weg der nationalen Gesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten zu lassen, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Die Generalkonferenz empfiehlt den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation, Massnahmen zu treffen, um entweder im Ursprungsland oder -- wo dies nicht möglich sein sollte -- in den Ausladehäfen die Desinfektion der Wolle zu gewährleisten, bei der Verdacht besteht, dass sie Milzbrandkeime enthalte.

693

Völbcrbnnd.

Internationale Arbeitskonferenz.

Empfehlung betreffend

den Schutz der Frauen und Kinder vor der Bleivergiftung.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Eegierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Beschäftigung der Frauen und Kinder bei ungesunden Arbeiten", -- eine Frage, die einen Teil des dritten und vierten Traktandums der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form einer Empfehlung zu fassen, nimmt die nachstehende Empfehlung an, welche den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen ist zu dem Zweck, sie auf dem Weg der nationalen Gesetzgebung oder in andererWeise in Kraft treten zu lassen, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Die Generalkonferenz empfiehlt den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation -- mit Eücksicht auf die Gefahren, welche gewisse industrielle Arbeiten für die Frauen hinsichtlich der Mutterschaft sowie für die Kinder hinsichtlich ihrer körperlichen Entwicklung in sich schliessen -- die Beschäftigung der Frauen und der Jugendlichen unter achtzehn Jahren bei den hiernach aufgezählten Arbeiten, zu untersagen: a. bei der Arbeit an den Öfen, in denen das Schmelzen von Zinkund Bleierzen vor sich geht; lt. bei der Bearbeitung, der Behandlung oder beim Schmelzen bleihaltiger Asche und bei der Entsilberung von Blei;

694

c. beim Schmelzen von Blei oder altem Zink in grossemMassstab; d. bei der Herstellung von Loth oder von Legierungen, dio mehr als zehn Prozent Blei enthalten; e. bei der Herstellung von Bleiglätte, Bleigelb, Minium, Bleiweiss, Bleiglanz, von schwefelsaurem Salz, chromsaurem Salz und Bleisilikat (frite); /. bei den Misch- und Streicharbeiten anlässlich der Fabrikation oder der Eeparatur von elektrischen Akkumulatoren; g. bei der Eeinigung der Werkstätten, in denen die oben aufgezählten Arbeiten ausgeführt werden.

Die Konferenz empfiehlt ausserdem, die Beschäftigung der Frauen und der Jugendlichen unter achtzehn Jahren bei Arbeiten, bei denen Bleisalze zur Verwendung gelangen, nur unter der Bedingung zu gestatten, dass die nachfolgenden Massnahmen getroffen werden : a. örtliche Ventilation, so dass der Staub und die Dämpfe sofort beim Entstehen entfernt werden; b. Beinhalten der Werkzeuge und der Werkstätten; c. Anzeige bei den staatlichen Behörden aller Fälle von Bleivergiftung und von Ausrichtung von Entschädigungen an die vergifteten Personen; d. periodische ärztliche Untersuchung der bei den oben aufgezählten Arbeiten beschäftigten Personen; e. hinreichende passende Einrichtung von Ankleideräumen, Waschgelegenheiten und Esssälen, sowie Lieferung von besonderen Schutzkleidern.

/. Verbot, Lebensmittel oder Getränke in die Werkstätten mitzunehmen.

Die Konferenz empfiehlt weiter, in denjenigen Industrien, in denen die löslichen Bleisalze durch giftfreie Substanzen ersetzt werden können, die Verwendung dieser löslichen Bleisalze strengeren Bestimmungen zu unterwerfen.

Im Sinn dieser Empfehlung gilt ein Bleisalz als löslich, wenn es mehr als fünf Prozent seines Gewichts metallisches Blei enthält, das in einer Lösung von 0,25 prozentiger Salzsäure löslich ist.

695

Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz.

Empfehlung lietreffend

die Schaffung eines öffentlichen Hygienedienstes.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Eegierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Beschäftigung der Frauen bei ungesunden Arbeiten", -- eine Frage, die einen Teil des dritten Traktandums der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form einer Empfehlung zu fassen, nimmt die nachstehende Empfehlung an, welche den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen ist zu dem Zweck, sie auf dem Weg der nationalen Gesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten zu lassen, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Die Generalkonferenz empfiehlt, jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation möge -- wenn es nicht schon geschehen ist -- sobald als möglich nicht nur eine Organisation schaffen, die eine wirksame Inspektion der Fabriken und Werkstätten gewährleistet, sondern ausserdem noch einen öffentlichen Dienst ins Leben rufen mit der besondern Aufgabe, die Gesundheit der Arbeiter zu schützen, einen Dienst, der sich auch mit dem internationalen Arbeitsamt in Verbindung zu setzen hätte.

696 Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz.

Entwurf zu eiuev

Uebereinkunft betreffend die Festsetzung eines Mindestalters fiir die Zulassung von Kindern zu industriellen Arbeiten.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Begierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, . gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Beschäftigung der Kinder: Altersgrenze für die Zulassung zur Arbeit", -- eine Frage, die einen Teil des vierten Traktandums der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form eines Entwurfs zu einer internationalen Übereinkunft zu fassen, nimmt den nachstehenden Entwurf zu einer Übereinkunft an, unter Vorbehalt der Batifikation durch die Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation, entsprechend den Bestimmungen über dia Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Art. 1.

Als ,,industrielle Anstalten" (établissements industriels) im Sinne der vorliegenden Übereinkunft gelten insbesondere: a. die Bergwerke, die Steinbrüche und jede industrielle Ausbeutung der toten Erdrinde; fe. die Betriebe, in denen Erzeugnisse hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, vollendet, für den Verkauf zubereitet werden, oder in denen die Stoffe eine Umgestaltung erleiden, mit Einschluss des Schiffsbaues, des Abbruchindustrien (industries de démolition de matériel),

697 der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft im allgemeinen und der Elektrizität; f.. der Bau, der Wiederaufbau, der Unterhalt, die Wiederherstellung, die Umänderung oder der Abbruch jeder Art von Bauten und Gebäuden, von Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Viadukten, zentralen und gewöhnlichen Abwasserleitungen, Brunnen, Telegraphund Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gaswerken, der Wasserversorgung oder anderer Bauarbeiten, sowie die den oben angeführten Arbeiten vorangehenden Vorbereitungs- und Fundamentierungsarbeiten ; d. der Personen- und Waren transport auf Strassen und Wegen, auf der Eisenbahn und auf dem Wasser, inbegriffen das Warenverladen und -abladen in Docks, Quais, Werften und Lagern, mit Ausnahme des von Hand bewerkstelligten Transports.

In jedem Land hat die zuständige Behörde die Abgrenzung zwischen der ,,Industrie" einerseits, dem Handel und der Landwirtschaft anderseits vorzunehmen.

Art. 2.

Kinder unter vierzehn Jahren dürfen in den öffentlichen oder privaten industriellen Anstalten oder in deren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden und dort auch nicht arbeiten, mit Ausnahme derjenigen Betriebe, in denen nur Mitglieder ein und derselben Familie beschäftigt sind.

Art. 3.

Die Bestimmungen des Art. 2 sin'd nicht anwendbar auf die Arbeit der Kinder in Fachschulen, vorausgesetzt, dass diese Arbeiten mit Bewilligung der staatlichen Behörde und unter ihrer Aufsicht ausgeführt werden.

Art. 4.

Zum Zweck der Kontrolle über die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft muss jeder Leiter einer industriellen ' Anstalt ein Verzeichnis führen, in das alle von ihm beschäftigten Personen unter sechzehn Jahren mit Angabe ihres Geburtsdatums einzutragen sind.

Art. 5.

Hinsichtlich der Anwendung dieser Übereinkunft auf Japan werden folgende Abänderungen des Art. 2 als zulässig erklärt:

698

a. Kinder über zwölf Jahren dürfen zur Arbeit zugelassen werden, wenn sie ihren Primarschulunterricht abgeschlossen haben; b. mit Bezug auf Kinder zwischen zwölf und vierzehn Jahren, die bereits beschäftigt sind, können Übergangsbestimmungen erlassen werden.

Die Bestimmung im gegenwärtig geltenden japanischen Gesetz, wonach Kinder unter zwölf Jahren zu gewissen leichten Arbeiten zugelassen werden dürfen, ist aufzuheben.

Art. 6.

Die Bestimmungen des Art. 2 sind auf Indien nicht anwendbar; dagegen dürfen in Indien Kinder unter zwölf Jahren nicht beschäftigt werden: a. in den Fabriken, welche mit motorischer Kraft arbeiten und mehr als zehn Personen beschäftigen; b. in den Bergwerken, Steinbrüchen und bei jeder industriellen Ausbeutung der toten Erdrinde; c. bei der Beförderung von Personen, Waren oder Postsachen auf den Eisenbahnen sowie beim Warenverladen und -abladen in den Docks, Quais und Werften, mit Ausnahme der von Hand bewerkstelligten Transporte.

·Art. 7.

Die amtlichen Eatifikationen dieser Übereinkunft sind unter den im XIII. Teil des Priedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919 und des Friedensvertrages zu Saint-Germain vom 10. September 1919 vorgesehenen Bedingungen dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 8.

Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie in denjenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate zur Anwendung zu bringen, die sich nicht vollständig unabhängig regieren, jedoch unter folgenden Vorbehalten: a. dass die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht durch die örtlichen Verhältnisse verunmöglicht werde; b. dass diejenigen Abänderungen vorgenommen werden dürfen, die nötig erscheinen könnten, um die Übereinkunft den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

699

Jedes Mitglied hat dem internationalen Arbeitsamt seinen Entscheid mitzuteilen betreffend jede einzelne seiner Kolonien oder Besitzungen, sowie jedes einzelnen seiner Protektorate, die sich nicht vollständig unabhängig regieren.

Art. 9.

Sobald die Batifikationen von zwei Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, gibt der Generalsekretär des Völkerbundes sämtlichen Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation hiervon Kenntnis.

Art. 10.

Diese Übereinkunft tritt in Kraft mit dem Tage, an dem diese Notifikation durch den Generalsekretär des Völkerbundes stattgefunden hat; sie bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Batifikationen beim Sekretariat haben eintragen lassen. Gegenüber jedem andern Mitglied tritt diese Übereinkunft mit dem Tag in Kraft, an dem die Batifikation dieses Mitgliedes beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Art. 11.

· Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie spätestens vom 1. Juli 1922 hinweg zur Anwendung zu bringen und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit deren Bestimmungen durchgeführt werden.

Art. 12.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert hat, kann sie nach Ablauf eines Zeitraumes von 10 Jahren, vom Datum des ersten Inkrafttretens der Übereinkunft an gerechnet, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtete und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Kündigung äussert ihre Wirkungen erst ein Jahr nach deren Eintragung beim Generalsekretariat.

Art. 18.

Der Verwaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre der Generalkonferenz über die Anwendung der vorliegenden Übereinkunft Bericht zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage einer Bevision oder Abänderung dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Art. 14.

Der französische und der englische Text dieser Übereinkunft sind in gleicher Weise massgebend.

700 Völkerbund.

Internationale Arbcitgkonfercnz.

Entwurf zu einer

Uebereinkunft betreffend die industrielle Nachtarbeit der Kinder.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Kegierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedene Vorschläge betreffend die ,,Beschäftigung der Kinder: während der Nacht", -- eine Präge, die einen Teil des vierten Traktandums der 'Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form eines Entwurfs zu einer internationalen Übereinkunft zu fassen, nimmt den nachstehenden Entwurf zu einer Übereinkunft an, unter Vorbehalt der Katifikation durch die Mitglieder der internationalen Arbeitsorganisation, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10, September 1919.

Art, 1.

Als ,,industrielle Anstalten" (établissements industriels) im Sinne der vorliegenden Übereinkunft gelten insbesondere: a. die Bergwerke, die Steinbrüche und jede industrielle Ausbeutung der toten Erdrinde; lt. die Betriebe, in denen Erzeugnisse hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, vollendet, für den Verkauf zubereitet werden, oder in denen die Stoffe eine Umgestaltung erleiden, mit Einschluss des Schiffsbaues, der Abbruchindustrien (industries de démolition de matériel), der Erzeugung, Umformung und Übertragung von motorischer Kraft im allgemeinen und der Elektrizität;

701 ". der Bau, der Wiederaufbau, der Unterhalt, die Wiederherstellung, die Umänderung oder der Abbruch jeder Art von Bauten und Gebäuden, von Eisenbahnen, Strassenbahnen, Häfen, Docks, Dämmen, Kanälen, Anlagen für die Binnenschiffahrt, Strassen, Tunnels, Brücken, Viadukten, zentralen und gewöhnlichen Abwasserleitungen, Brunnen, Telegraphund Telephonanlagen, elektrischen Anlagen, Gaswerken, der Wasserversorgung oder anderer Bauarbeiten, sowie die den oben angeführten Arbeiten vorangehenden Vorbereitungsund Fundamentierungsarbeiten ; d. der Personen- und Warentransport auf Strassen und Wegen, auf der Eisenbahn und auf dem Wasser, inbegriffen das Warenverladen und -abladen in Docks, Quais, Werften und Lagern, mit Ausnahme des von Hand bewerkstelligten Transports.

In jedem Land hat die zuständige Behörde die Abgrenzung zwischen der ,,Industrie" einerseits, dem Handel und der Landwirtschaft anderseits vorzunehmen.

Art. 2.

Es ist untersagt; während der Nacht Kinder unter achtzehn Jahren in den öffentlichen oder privaten industriellen Anstalten oder in deren Nebenbetrieben zu beschäftigen, mit Ausnahme derjenigen Betriebe, in denen nur Mitglieder ein und derselben Familie beschäftigt sind, und unter Vorbehalt der hiernach vorgesehenen Fälle.

Das Verbot der Nachtarbeit ist nicht anwendbar auf Kinder über sechzehn Jahren, die in den nachstehend aufgeführten Industrien bei Arbeiten beschäftigt sind, die ihrer Natur nach notwendigerweise Tag und Nacht betrieben werden müssen: n. Eisen- und Stahlwerke; Arbeiten, bei denen Flamm- oder Auffrischungs-öfen zur Verwendung gelangen; Verzinkung des Eisenbleches und des Eisendrahtes (mit Ausnahme der Ausglüh-Werkstätten) ; b. Glasfabriken; c. Papierfabriken; d. Zuckerfabriken; e. Eeduktion der Golderze.

Art. 3.

Der Begriff ,,Nacht" im Sinn der vorliegenden Übereinkunft bedeutet einen Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden

702

Stunden, welcher die Zeit zwischen zehn Uhr abends und fünf Uhr morgens in sich schliesst.

In den Kohlen- und Braunkohlengruben ist hinsichtlich der im vorhergehenden Absatz vorgesehenen Euhezeit eine Abweichung zulässig, sofern die Zwischenzeit zwischen zwei Arbeitsperioden ordentlicherweise fünfzehn Stunden beträgt, aber niemals wenn diese Zwischenzeit weniger als dreizehn Stunden beträgt.

Ist nach der Gesetzgebung eines Landes die Nachtarbeit für alle in den Bäckereien beschäftigten Personen verboten, so kann für dieses Gewerbe der Zeitraum von zehn Uhr abends bis fünf Uhr morgens ersetzt werden durch denjenigen von neun Uhr ajbends bis vier Uhr morgens.

In den Tropen, wo die Arbeit in der Mitte des Tages während einer gewissen Zeit ruht, darf die Dauer der Nachtruhe weniger als elf Stunden betragen, unter der Voraussetzung, dass zum Ausgleich während dem Tag eine Euhepause gewährt werde.

Art. 4.

Die Bestimmungen der Artikel 2 und 3 sind nicht anwendbar auf die Nachtarbeit von Kindern im Alter von sechzehn bis achtzehn Jahren, wenn durch einen Fall höherer Gewalt, dessen Eintritt weder vorausgesehen noch verhütet werden konnte und welcher keinen periodischen Charakter trägt, der normale Betrieb einer industriellen Anstalt verunmöglicht würde.

Art. 5.

Was die Anwendung dieser Übereinkunft auf Japan betrifft, so ist bis zum 1. Juli 1925 der Artikel 2 nur anwendbar auf Kinder unter fünfzehn Jahren, und von diesem Datum an nur auf Kinder unter sechzehn Jahren.

Art. 6.

Mit Bezug auf die Anwendung dieser Übereinkunft auf Indien umfasst der Begriff ,,industrielle Anstalten" nur diejenigen ,,Fabriken", die im indischen Fabrikgesetz (Indian Factory act) als solche bezeichnet werden und ist der Art. 2 auf jugendliche männliche Personen über vierzehn Jahren nicht anwendbar.

Art. 7.

In Fällen, wo das öffentliche Interesse infolge besonders zwingender Gründe es erfordert, kann das Verbot der Nachtarbeit durch Beschluss der staatlichen Behörde aufgehoben werden, soweit Kinder im Alter von sechzehn bis achtzehn Jahren in Betracht fallen.

703

Art. 8.

Die amtlichen Batifikationen dieser Übereinkunft sind unter den im XIII. Teil des Friedensvertrages zu Versailles vom 28. Juni 1919 und des Friedensvertrages zu Saint-Germain vom 10. September 1919 vorgesehenen Bedingungen dem Generalsekretär des Völkerbundes zur Eintragung mitzuteilen.

Art. 9.

Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie in denjenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate zur Anwendung zu bringen, die sich nicht vollständig unabhängig regieren, jedoch unter folgenden Vorbehalten: a. dass die Anwendung der Bestimmungen dieser Übereinkunft nicht durch die örtlichen Verhältnisse verunmöglicht werde; b. dass diejenigen Abänderungen vorgenommen werden dürfen, die nötig erscheinen könnten, um die Übereinkunft den örtlichen Verhältnissen anzupassen.

Jedes Mitglied hat dem internationalen Arbeitsamt seinen Entscheid mitzuteilen betreffend jede einzelne seiner Kolonien oder Besitzungen, sowie jedes einzelnen seiner Protektorate, die sich nicht vollständig unabhängig regieren.

Art. 10.

Sobald die Eatifikationen von zwei Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation beim Sekretariat eingetragen sind, gibt der Generalsekretär des Völkerbundes sämtlichen Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation hiervon Kenntnis.

Art. 11.

Diese Übereinkunft tritt in Kraft mit dem Tage, an dem diese Notifikation durch den Generalsekretär des Völkerbundes stattgefunden hat; sie bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Eatifikationen beim Sekretariat haben eintragen lassen. Gegenüber jedem andern Mitglied tritt diese Übereinkunft mit dem Tag in Kraft, an dem die Eatifikation dieses Mitgliedes beim Sekretariat eingetragen worden ist.

Art. 12.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert, ist verpflichtet, sie spätestens vom 1. Juli 1922 hinweg zur Anwendung zu bringen

704

und die nötigen Anordnungen zu treffen, damit deren Bestimmungen durchgeführt werden.

Art. 18.

Jedes Mitglied, das diese Übereinkunft ratifiziert hat, kann sie nach Ablauf eines^ Zeitraumes von zehn Jahren, vom Datum des ersten Inkrafttretens der Übereinkunft an gerechnet, durch eine an den Generalsekretär des Völkerbundes gerichtete und von ihm einzutragende Anzeige kündigen. Die Kündigung äussert ihre Wirkungen erst ein Jahr nach deren Eintragung beim Generalsekretariat.

Art. 14.

Der Verwaltungsrat des internationalen Arbeitsamtes hat mindestens alle zehn Jahre der Generalkonferenz über die Anwendung der vorliegenden Übereinkunft Bericht zu erstatten und darüber zu entscheiden, ob die Frage einer Eevision oder Abänderung dieser Übereinkunft auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Art. 15.

Der französische und der englische Text dieser Übereinkunft sind in gleicher Weise massgebend.

705 Völkerbund.

Internationale Arbeitskonferenz.

Empfehlung betreffend

die Anwendung der im Jahr 1906 in Bern abgeschlossenen internationalen Uebereinkunft betreffend das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem) Phosphor in der Zündhölzchenindustrie.

Die Generalkonferenz der internationalen Arbeitsorganisation des Völkerbundes, von der Regierung der Vereinigten Staaten Amerikas auf den 29. Oktober 1919 nach Washington einberufen, gestützt auf ihren Beschluss über die Annahme verschiedener Vorschläge betreffend die ,,Ausdehnung und die Anwendung der im Jahre 1906 in Bern abgeschlossenen internationalen Übereinkunft betreffend das Verbot der Verwendung von weissein (gelbem) Phosphor in der Zündhölzchenindustrie", -- eine Frage, die das fünfte Traktandum der Konferenz von Washington bildete, gestützt ferner auf ihren Beschluss, diese Vorschläge in die Form einer Empfehlung zu fassen, ainmit die nachstehende Empfehlung an, welche den Mitgliedern der internationalen Arbeitsorganisation zur Prüfung vorzulegen ist zu dem Zweck, sie auf dem Weg der nationalen Gesetzgebung oder in anderer Weise in Kraft treten zu lassen, entsprechend den Bestimmungen über die Arbeit im Friedensvertrag zu Versailles vom 28. Juni 1919 und im Friedensvertrag zu Saint-Germain vom 10. September 1919.

Die Generalkonferenz empfiehlt, jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation möge der im Jahre 1906 in Bern abgeschlossenen internationalen Übereinkunft betreffend das Verbot der Verwendung von weissem (gelbem) Phosphor in der Zündhölzchenindustrie beitreten, sofern es nicht schon geschehen ist.

Sundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

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Bundesbeschluss über die Errichtung des eidgenössischen Arbeitsamtes.

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Foglio federale

Jahr

1920

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

26

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.06.1920

Date Data Seite

649-705

Page Pagina Ref. No

10 027 589

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