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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Petition von Alfred Rod in Lucens.

(Vom 7. Juni 1920.)

Tit.

A l f r e d B o d , Uhrensteinarbeiter in Lucens, hatte im Militärdienste von 1917 eine Verstauchung des linken Knies erlitten. Er wurde wegen derselben gepflegt und dann geheilt wieder zur Truppe zurück entlassen. Im Jahre 1919 verlangte A. Eod Leistungen der Militärversicherung, indem er geltend machte, dass sein linkes Knie durch besagten dienstlichen Unfall bleibend geschädigt worden sei.

Nach Abweisung seines Gesuches zog er die Angelegenheit an das eidgenössische Versicherungsgericht in Luzern weiter. Die von diesem Gerichte bestellten Experten gaben ihr Gutachten dahin ab, dass das Knieleiden des Rekurrenten (Arthropathie mit habitueller Luxation) nicht von einem Unfälle herkomme, sondern durch Tabes, also von einer Rückenmarkskrankheit verursacht sei. Diese Krankheit habe jedenfalls schon vor dem Militärdienste von 1917 bestanden, und wenn der Rekurrent auch möglicherweise beim Einrücken in den Dienst sich der tabetischen Erkrankung seines linken Knies noch nicht bewusst gewesen sei, so müsse anderseits angenommen werden, dass dieser Dienst als solcher die Entwicklung des Knieleidens nicht verschlimmert habe. Dem dienstlichen Unfälle schrieben die Sachverständigen höchstens eine untergeordnete Eolle zu, ohne ihm eine eigentliche Verschlimmerung des Knieleidens zur Last zu legen.

Das eidgenössische Versicherungsgericht hat gestützt auf das Ergebnis dieser Expertise mit Urteil vom 25. Februar 1920 die Berufung des Alfred Eod abgewiesen.

In einer ,,Petition" betitelten Eingabe vom 23. März 1920 wendet sich nun das Office social in Lausanne namens des Alfred Eod an die eidgenössischen Eäte mit dem Gesuche, es möchte diesem eine Pension oder eine Abfindung nach Ermessen gewährt werden. Dabei wird dem Urteil des eidgenössischen Versicherungsgerichts eine irrtümliche Auffassung des Falles vorgeworfen; nach der Ansicht

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des Patenten wäre es der Unfall im Dienste gewesen, der das Knieleiden verursacht hätte.

Die Bundesversammlung ist nun nach den geltenden Bestimmungen nicht Instanz nur Überprüfung von endgültigen Entscheiden betreffend Leistungen der Militärversicherung. Sie war es schon nicht, als noch der Bundesrat gemäss Art. 39 des Militärversicherungsgesetzes vom 28-. Juni 1901 zu dieser letztinstanzlichen Beurteilung zuständig war; jetzt ist diese Zuständigkeit durch Inkraftsetzung von Art. 55 des Militärversicherungsgesetzes vom 28. Dezember 1914 (Bundesratsbeschluss betreffend Behandlung von Streitigkeiten aus der Militärversicherung, vom 26. Dezember 1917) an das eidgenössische Versicherungsgericht übergegangen. Bei diesem Gerichte hätte nun der Petent Alfred Eod höchstens noch das Bechtsmittel des Bevisionsbegehrens gemäss Art. 101 ff. des Bundesbeschlusses betreffend die Organisation und das Verfahren des eidgenössischen Versicherungsgerichts, vom 28. März 1917, einlegen können. Ein Kekurs an die Bundesversammlung, als welchen sich seine Petition tatsächlich erzeigt, ist dagegen nicht zulässig ; das in Art. 57 der Bundesverfassung gewährleistete Petitionsrecht ist bekanntlich kein Bechtsmittel (Burckhardt, Kommentar der B. V. zu Art. 57). Die vom Petenten versuchte Weiterziehung des Urteils des eidgenössischen Versicherungsgerichts an die eidgenössischen Bäte kann infolgedessen unter allen Umständen schon vom formellen Standpunkte aus nicht zur Aufhebung dieses Urteils führen. Ihrem Inhalte nach ist die Eingabe des Alfred Bod übrigens auch materiell unrichtig; das besagte Urteil enthält keineswegs einen Bechtsirrtum, wie er behauptet, sondern es hat das eidgenössische Versicherungsgericht die Ausführungen seiner Sachverständigen eingelaend erwogen und aus ihnen die sich ihm ergebenden Schlüsse gezogen. Es handelt sich also einfach um die Frage der Beweiswürdigung, deren Beurteilung im reinen Ermessen des Gerichtes lag. Wir halten uns denn auch durchaus an das Urteil des eidgenössischen Veirsicherungsgerichts, das für uns massgebend bleibt.

Aber auch dann, wenn die Eingabe des Alfred Bod einzig als Petition aufgefasst werden wollte, müsste ein Eintreten auf den durch Gerichtsurteil erledigten Streitfall abgelehnt werden. Andernfalls würde eine Praxis eingeführt werden, deren bedenkliche Folgen nicht
weiter ausgeführt zu werden brauchten. Es würde bald versucht werden, jeden Rechtsstreit der verschiedensten Arten auf dem Wege der Petition vor die Bundesversammlung zu bringen, ungeachtet des Grundsatzes der Trennung der Gewalten und ohne Bücksicht auf den gesetzlichen Bechtsgang. Dem heisst es schon von Anfang an zu begegnen.

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Schliesslich ist überhaupt im vorliegenden Falle kein Billigkeitsoder anderer Grund vorhanden, dem Patenten irgendeine freiwillige Leistung zu gewähren. Die Vorschriften über die Militärversicherung kennen übrigens gar keine solchen Zuwendungen, und ein anderer Titel zu einer Leistung des Bundes wäre von vornherein nicht ersichtlich.

Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen, es sei der ,,Petition" des Alfred Eod keine Folge zu geben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 7. Juni 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Petition von Alfred Rod in Lucens. (Vom 7. Juni 1920.)

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