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Ergänzender Bericht des

Bundesrates an die Zolltarifkommissionen der eidgenössischen Räte betreffend die Erhöhung der Tabakzölle.

(Vom 12. Mai 1920.)

In den meisten Staaten wird der Tabakgenuss seit langem in ausgiebigster Weise zur Besteuerung herangezogen, sei - es durch Vollmonopole, sei es durch beträchtliche Verbrauchssteuern auf In- und Auslandstabak in Verbindung mit den zürn Schutz des heimischen Gewerbes erforderlichen Zöllen, sei es durch sehr hohe Zölle allein, da wo die Inlandskultur des Tabaks der klimatischen Verhältnisse wegen nicht von Bedeutung oder gesetzlich unterdrückt ist.

In der Schweiz hat man sich bis jetzt, von vereinzelten bescheidenen, kantonalen Abgaben abgesehen, mit der Erhöhung eidgenössischer Zölle auf Rohtabak und Tabakfabrikaten begnügt.

Dabei waren die Rohtabakzölle, auch nach der 1882 eingetretenen Erhöhung von Fr. 7 auf Fr. 25, relativ so niedrig gehalten, dass sie den konstanten Rückgang der früher ausgiebigeren Inlandskultur, speziell gegenüber der amerikanischen Konkurrenz, nicht zu verhindern vermochten. Wesentlich stärker kam das Schutzbedürfnis in der Bemessung der Fabrikatzölle zur Geltung; deren Veranlagung derart war, dass sie einen bedeutenden Fabrikatenimport zurückhielt und so finanzpolitisch keinen namhaften Ertrag abwerfen konnten. Diese Politik erklärt sich in der Hauptsache daraus, dass die durch die Bundesverfassung von 1874 eröffneten Finanzquellen, insbesondere die allgemeinen Zölle, zur Deckung der normalen Ausgabenbedürfnisse des Bundes jeweilen hinreichten, also keine Veranlassung vorlag, durch umständliche Verfassungsrevisionen neue Einnahmenquellen flüssig zu machen.

Dabei kam zugleich der Gedanke zur Geltung, eine weitergehende Tabakbesteuerung für ausserordentliche Finanzbedürfnisse des Bundes in Reserve zu halten. Um aber die fiskalisch ergiebigste Ausbeutung dieser Reserve, speziell in Form des Vollmonopols nicht zu hindern und zu präjudizieren, behielt man den Rohtabak-

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zoll seit 1882 unverändert bei und trug überdies dafür Sorge, die Tabakzölle überhaupt in den Vertragsunterhandlungen mit dem Auslande nicht zu binden..

Die Zollbelastung auf Roh t a b a k betrug : Schweiz.

Tarif von 1865 Fr. 7 per q n n 1818 v l ,, .,, » ,, 1882 ,, 25 ,, ,, 7)

,, ,,

V

1886

,, 1891 ,, 1902

7)25

T) 7)

,, 25 ,, ,, ,, 25 ,, ,,

Andere Staaten.

D e u t s c h l a n d : 130 Mark per 100 kg.

Ö s t e r r e i c h : 125 Kronen per 100 kg; die Einfuhr ist nur gegen besondere Bewilligung gestattet, dazu kommt eine Lizenzgebühr von 3000 Kronen per 100 kg.

F r a n k r e i c h u n d i t a l i e n : Haben Einfuhrverbot für Rohtabak.

G r o s s b r i t a n n i e n : £. --.8. 2 per engl. Pfund (per 100 kg = Fr. 2240), (engl. Pfund = 453,6 g).

V e r e i n i g t e S t a a t e n von A m e r i k a : $ -- . 5 0 per Ib (ff), (per 100 kg = Fr. 550).

Die mittlere fiskalische Belastung des Kilogramms Tabakfabrikate belief sich unmittelbar vor Ausbruch des Weltkrieges auf: Schweiz . . Fr. -- . 38 Deutschland . . . . . . _ 2.33 Österreich . . . . . . ,, 5.43 Frankreich . . . . . . ,, 9. 93 Italien . . ,, 11.93 Die fiskalische Belastung pro Kopf der Bevölkerung: Schweiz.

Jahr

Rappen

Jahr

Rappen

1912 1913 1914 1915

83,4 80,9 89,9 77,r

1916 1917 1918 1919

104,o 67.2 47,5 104,o

208 Andere Staaten.

Im Jahre 1913 Deutschland . . . .

360 Rp.

,, ,, 1913 England 1010 ,, ,, ,, 1913 Vereinigte Staaten von Amerika . . . .

415 ,, Von den Monopolstaaten: Im Jahre 1913 Italien 633 ,, ,, ,, 1913 Österreich 723 ,, ,, 1913 Frankreich . . . . 917 ,, n Im Verlaufe des Weltkrieges hat die Tabaksteuer bei allen unsern Nachbarn eine weitere starke Steigerung erfahren, während in der Schweiz trotz der Zunahme des Wertes der Ware die entscheidende fiskalische Last, der Rohtabakzoll, der gleiche geblieben ist.

Im Jahre 1913 betrug der Wert des Rohtabaks Fr. 141 per q, was bei einem Ansatz von Fr. 25 eine Belastung von zirka 18 % ausmacht.

Der Mittelwert betrug im Jahre 1919 Fr. 581, so dass der gleichgebliebene Ansatz von Fr. 25 eine Belastung von nur 4,3 °/o ausmacht. Um die Belastung des Jahres 1913 wieder herzustellen, müsste also ein Zoll von Fr. 104. 50 erhoben werden.

Aus diesen Darstellungen ergibt sich, dass der Schweiz noch heute die ausgiebige fiskalische Belastung eines zum Lebensbedarf nicht absolut notwendigen Stoffes, eines Genussmittels par excellence wie es der Tabak ist, fehlt. Allerdings wurde schon früher und neuerdings wieder, seit Ausbruch des Weltkrieges die Frage der Einführung des Tabakmonopols (Vollmonopol) eingehend studiert und vom Bundesrat gutgeheissen. Das Projekt müsste aber aus referendumspolitischen Rücksichten fallen gelassen werden. Der Entwurf eines Verfassungsartikels, der die Einführung des Tabakmonopols vorsah, wurde nun ersetzt durch einen solchen, der den Bund ermächtigt, Steuern zu erheben auf dem Rohtabak und den Tabakfabrikaten. Der Entwurf liegt vor Ihren Räten als Traktandum Nr. 588 und ist von Ihnen bereits beraten und bis auf eine kleine Differenz bereinigt. Zudem enthält auch die Vorlage betreffend die Einführung der Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenversicherung und die Beschaffung der Bundesmittel für die Sozialversicherung vom Juni 1919, die ebenfalls vor Ihren Räten liegt, im zugehörigen Entwurf für einen Bundesbeschluss eine Bestimmung, die dem Bund das Recht verleiht, auf Rohtabak und Tabakfabrikaten Steuern zu erheben,

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dere'n Ertrag der Sozialversicherung zukommen soll. Dabei hat es die Meinung, dass die erstere Vorlage dahinfallen soll, falls Ihre Räte auf die letztere eintreten.

Die Ausführung des Verfassungsartikels, der dem Bunde das Recht gibt, auf Rohtabak und Tabakfabrikaten Steuern zu erheben, ist bereits geprüft worden und es liegt ein Entwurf vor, der darauf fusst, diese Steuer nach dem Kleinverkaufspreis der Fabrikate zu bemessen und daneben eine Spezialsteuer auf Zigarettenpapier zu erheben. Als Steueransatz wurde 15 °/o der Kleinverkaufspreise für Tabakfabrikate und Fr. 4 für je 1000 Hüllen Zigarettenpapier vorgeschlagen. Dieser Entwurf der Experten des Finanzdepartements, der zwischen 20 und 25 Millionen jährlich abwerfen soll, ist vom Bundesrate noch nicht beraten.

Wenn nun auch mit der Erledigung dieser Tabaksteuerfrage nicht länger zugewartet werden darf, so muss doch die nötige Zeit in Rechnung gestellt werden, zur Schaffung der verfassungsmässigen Grundlagen, zur Beratung der Vorlagen und zu deren Genehmigung durch das Volk.

Wir m-ussten uns daher fragen, ob es sich verantworten lasse, eine ergiebige Steuerquelle, wie sie der Tabak darstellt, angesichts der Finanzlage des Bundes noch länger unbenutzt zu Ein kurzer Hinweis auf unsere Finanzlage wird genügen, um zu zeigen, dass die vorgeschlagenen Zollerhöhungen auf Rohtabak und Tabakfabrikaten fiskalisch sich rechtfertigen. Nach den Feststellungen, die das Finanzdepartement in letzter Zeit gemacht hat, beläuft sich der Betrag, der zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Budget der Eidgenossenschaft notwendig und der als das chronische Defizit zu bezeichnen ist, auf 150 Millionen Franken. Rechnet man dazu die Summe, welche der Bund für die projektierte Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenen-Versiche-.

rung aufzubringen haben wird, und die auf 40 Millionen Franken veranschlagt ist, so ergibt sich ein jährlicher Mehrbedarf von 190 Millionen Franken, für den heute Deckung gesucht werden inuss. Einen ebenso grossen Mehrbedarf haben die Kantone und die Gemeinden zusammen, welcher Umstand es zum vornherein ausschliesst, dass der Bund zur Sanierung seiner Finanzen einzig und allein oder auch nur in erheblichem Masse aus der gleichen Quelle schöpfen könnte, aus denen die Kantone und Gemeinden in der Hauptsache ihre Einnahmen bestreiten, nämlich aus den direkten Steuern auf dem Vermögen und auf dem Einkommen.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

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Die genannten Gemeinwesen empfinden es schon als starke Beeinträchtigung ihrer Interessen, dass der Bund durch die Kriegssteuer und die Kriegsgewinnsteuer jene Quellen in Anspruch genommen hat. Der Bund ist daher gezwungen, andere Deckungsmittel zu suchen. Als ein solches, das sich besonders eignet, muss die fiskalische Belastung der Genussmittel bezeichnet werden.

In erste Linie sind dabei Tabak und Alkohol zu stellen.

Dass es für den Bund ein dringendes Bedürfnis ist, sich sofort Mehreinnahmen aus den Tabakzöllen zu verschaffen, mag durch den Hinweis auf die Tatsache noch weiter begründet werden, dass er mit den Bundesbahnen zusammen bis Ende des laufenden Jahres an Zahlungsmitteln noch einer Summe von 400 Millionen Franken bedarf. Versuche, in Amerika ein Anleihen aufzunehmen, haben fehlgeschlagen und es wird bei der gegenwärtigen Spannung auf dem schweizerischen Geldmarkt kein leichtes sein, sich diese Zahlungsmittel zu beschaffen. Aber auch abgesehen hiervon, sollte es unser Bestreben sein, den Anleihensmarkt so wenig als möglich in Anspruch zu nehmen und den Staatsbedarf durch Schaffung neuer Einnahmequellen zu ' decken. England liefert zur Zeit wieder das glänzende Beispiel dafür, dass derjenige Staat sich von den finanziellen Folgen eines Krieges oder einer sonstigen Kriese am raschesten erholt, der den vermehrten Geldbedarf sofort durch erhöhte Statseinnahmen, insbesondere durch Steuern deckt, statt lediglich den Kredit in Anspruch zu nehmen, um dann nachher an die Schuldentilgung heranzugehen. Es hat sofort nach Ausbruch des Krieges seine direkten Steuern und in späterm Stadium auch noch die indirekten Steuern gewaltig erhöht und steht heute bereits wieder so da, dass es im Budget für das Finanzjahr 1920/1921 einen Überschuss von 234 Millionen £ aufweist, der zur Schuldentilgung verwendet werden kann, während die Budgets von Frankreich und von Deutschland Defizite von 29 bezw. 28 Milliarden aufweisen.

Bei dieser Sachlage hat sich der Bundesrat bei aller Kenntnis der Nachteile, die diesem System anhaften, entschlossen, zu handeln und den Tabak in der ihm zu Gebote stehenden verfassungsmässigen Form, den Zöllen, ohne weitern Verzug zur Besteuerung heranzuziehen. Mit Beschluss vom 27. Januar hat er unter Genehmigungsvorbehalt durch die Räte, die Erhöhungen beschlossen, die in der Vorlage
enthalten sind.

Der Hauptertrag liegt dabei aus den eingangs erwähnten Verhältnissen heraus auf dem Rohtabak, wie sich aus der nachstehenden Aufstellung zahlenmässig ergibt:

211 Einfuhr-Zahlen von Tabak und Fabrikaten in den Jahren: Tarif-Nr.

1906

q

Wert in 1000 Fr.

1913

q

Wert in 1000 Fr.

1919

q

Wert in 1000 Fr.

109 a Tabakblätter, unverarbeitet, Tabak-Rippen und -Stengel . . . 71,429 8,826 83,779 11,826 125,835 73,164 Tabakfabrikate : 110 Karotten u.Stangen zur Schnupftabakfabrikation .

122 12 30 75 -- -- 111 Rauch-, Schnupfund Kautabak .

752 326 1,139 483 662 661 1 1 2 Zigarren . . . .

866 1,155 1,059 1,308 400 1,630 113 Zigaretten . . .

1,688 3,949 750 825 2,398 2,299

Die Frage, ob durch die beantragte Rektifikation der Zollansätze eine allzustarke Belastung des Konsumenten eintrete, ist zu verneinen, indem bei Annahme der vorgeschlagenen Ansätze eine fiskalische Belastung pro Kopf mit Fr. 1.15 entsteht, eine Belastung, die immer noch nicht einmal die Hälfte der vorkriegszeitlich von Deutschland bezogenen und den zehnten Teil der von England erhobenen Steuer ausmacht.

Hinsichtlich der Höhe der vorgesehenen Ansätze ist zu bemerken, dass durch die Verdreifachung des Rohtabakzolles eine Steigerung des Inlands-Tabakbaues schwerlich hervorgerufen werden wird. Eine derartige Steigerung liegt -übrigens so wenig in der Absicht des Bundesrates, dass er, falls sie einträte, nicht zögern würde, entsprechende Massnahmen zu treffen. Durch die differenzielle Behandlung von Zigarren und Zigaretten soll den Preisverhältnissen der beiden Kategorien besser Rechnung getragen werden, ohne dass die Einfuhr dadurch unterbunden oder eine Monopolstellung zugunsten der Fabrikanten geschaffen würde.

Sollte dies trotzdem eintreffen, so würde der Bundesrat auch hier entsprechende Massnahmen ergreifen. Ebensowenig ist ein belangreicher Einfuhrschmuggel zu befürchten, da drei unserer Nachbarstaaten das Tabakmonopol besitzen und der vierte eine so beträchtliche Tabaksteuer eingeführt hat, dass eine unerlaubte Ausfuhr von dort aus kaum zu gewärtigen ist.

Aus dies'en Ausführungen geht hervor, dass die Erhöhung der Tabakzölle eine vorübergehende Massnahme darstellt, die

212 überwiegend aus rein fiskalischen Erwägungen erfolgte und die im Hinblick auf die Geldentwertung unerträgliche Lasten nicht bringt. Wir haben Ihnen denn auch unsern Beschluss vom 27. Januar unterbreitet in der Überzeugung, dass der Tabak heute eine Korrektur in den Zollansätzen sehr wohl erträgt, jedenfalls leichter erträgt, als es für andere Verbrauchssteuerobjekte deiFall wäre, dass die Einführung eines Wertzolles im gegenwärtigen Momente nicht wohl durchführbar erscheint, dass es aber sicher möglich sein wird, in absehbarer'Zeit eine rationellere Lösung zu finden, ohne dass durch die jetzige Massnahme eine solche präjudiziert würde.

B e r n , den 12. Mai 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Ergänzender Bericht des Bundesrates an die Zolltarifkommissionen der eidgenössischen Räte betreffend die Erhöhung der Tabakzölle. (Vom 12. Mai 1920.)

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26.05.1920

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