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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die " Gewährleistung der Abänderung des Art. 65 der Verfassung des Kantons Aargau vom 23. April 1885.

(Tom 9. Februar 1920.)

1. Der bisherige Art. 65 der Staatsverfassung für den Kanton Aargau vom 23. April 1885 lautete mit der am 22. Oktober 1917 beschlossenen Abänderung wie folgt: ,,Die Mindestbesoldungen und die Dienstalterszulagen für Lehrstellen an den Bezirks-, Gemeinde- und Bürgerschulen, sowie an den Arbeitsschulen werden durch das Gesetz bestimmt.

"An die Mindestbesoldung der Lehrer und Lehrerinnen an den Gemeinde-, Bürger- und Arbeitsschulen leistet der Staat den Gemeinden je nach ihren Steuer- und Vermögensverhältnissen Beiträge von 20--70 %.

,,Der Übergang von den jetzigen Staatsbeiträgen an die Lehrerbesoldungen der Gemeinden zu den vorstehenden Ansätzen von 20--70 °/o wird durch das Gesetz geregelt und soll spätestens zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der gegenwärtigen Verfassungsrevision vollzogen sein.

,,Die Amtsdauer der Lehrer beträgt sechs Jahre."

2. In der Volksabstimmung vom 21. Dezember 1919 hat das aargauische Volk zugleich mit einem Gesetz über die Leistungen des Staates für das Volksschulwesen eine Abänderung des zitierten Art. 65 der Staatsverfassung angenommen (mit 30,652 gegen 14,142 Stimmen). Die Verfassungsänderung besteht in der Hauptsache darin, dass vom 1. Januar 1920 an die Besoldungen für Lehrer und Lehrerinnen und für Stellvertretungen an den.

Gemeinde-, Bezirks- und Bürgerschulen, sowie an den Arbeitsschulen, ausschliesslich vom Staate getragen werden, während er bisher nur Beiträge leistete.

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Die neue Verfassungsbestimmung, um deren Gewährleistung der Regierungsrat mit Schreiben vom 16. Januar 1920 nachsucht, hat folgenden Wortlaut: ,,Durch das Gesetz werden geregelt: 1. die Beiträge des Staates an die Ausgaben der Gemeinden für das Schulwesen ; 2. die Besoldungen für Lehrer und Lehrerinnen und für Stellvertretungen an den Gemeinde-, Bezirks- und Bürgerschulen, sowie an den Arbeitsschulen; 3. der Rücktritt und die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen.

,,Die hieraus erwachsenden Ausgaben übernimmt der Staat.

,,Die Amtdauer der Lehrer und Lehrerinnen beträgt sechs Jahre."

3. Die Verfassungsrevision steht hinsichtlich ihres m a t e r i e l l e n Inhalts mit dem Bundesrecht nicht in Widerspruch.

Die F o r m ihres Zustandekommens jedoch ist anfechtbar. Die Verfassungsänderung und das Gesetz über die Leistungen des Staates für das Volksschulwesen wurden nämlich dem Volke in e i n e r Vorlage zur Abstimmung unterbreitet; ein Abschnitt A enthielt den neuen Verfassungsartikel und daran anschliessend ein Abschnitt B das Gesetz ; der Referendumsbürger konnte nur beide Vorlagen annehmen oder verwerfen; die Möglichkeit war ihm benommen, zur Verfassungsvorlage als solcher Stellung zu nehmen. Nun soll aber die Erklärung des Volkes zu einer Verfassungsänderung eine unzweideutige, die Antwort auf eine richtig gestellte Frage sein; das ist sie nicht, wenn mit der Frage der Annahme oder Verwerfung der Verfassungsrevision noch andere Fragen vermengt 'werden, derart, dass sich der Bürger nicht über die Revision der Verfassung g e s o n d e r t aussprechen kann (vgl. Burckhardt, Kommentar der Bundesverfassung, S. 101, und Bundesbl. 1919, II, 50).

Das gleiche Verfahren hat der Kanton Aargau bereits bei der vorletzten Änderung des Art. 65 der Kantons Verfassung eingeschlagen.

Damals ist es weder vom Bundesrat noch von der Bundesversammlung beanstandet worden (Botschaft des Bundesrates vom 17. Dezember 1917, Bundesbl. 1917, IV, 911 f.; Gewährleistung vom 27. März 1918, Gesetzsammlung XXXIV, 385). Wir sind der Meinung, dass der vorliegenden Verfassungsrevision um des ihr anhaftenden formellen Mangels willen die eidgenössische Ge-

225 Währleistung nicht versagt werden sollte. Es wäre aber zu begrüssen, wenn der Kanton Aargau in Zukunft die Verfassungsrevisionen dem Volke in besondern, nur diese enthaltenden Vorlagen zur Annahme oder Verwerfung unterbreiten würde, wie «s in den andern Kantonen sozusagen ausnahmslos geschieht.

Wir beantragen Ihnen daher, gemäss dem nachfolgenden Beschlussesentwurf die für die Abänderung des Art. 65 der aargauischen Kantonsverfassung nachgesuchte Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

B e r n , den 9. Februar

1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Steiger.

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(Entwurf.)

Bundesbeschlnss betreffend

die Gewährleistung der Abänderung des Art. 65 der Verfassung des Kantons Aargau vom 23. April 1885.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Kenntnisnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1920 über die am 21. Dezember 1919 vom Volk beschlossene Abänderung des Art. 65 der Staatsverfassung des Kantons Aargau (Leistungen des Staates für das Volksschulwesen), in Erwägung, dass die Abänderung des genannten Verfassungsartikels nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthält, in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschliesst: 1. Der Abänderung des Art. 65 der Staatsverfassung des Kantons Aargau wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der Abänderung des Art. 65 der Verfassung des Kantons Aargau vom 23. April 1885 (Vom 9.

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