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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 betreffend die Folgen der Währungsentwertungen für Aktiengesellschaften und Genossenschaften.

(Vom 6. März 1920.)

Es kommt oft vor, dass zum Vermögensbestand schweizerischer Aktiengesellschaften und Genossenschaften Aktiven ausländischer Währung gehören.

Der Wert dieser Aktiven ist, entsprechend der Entwertung der Währung, auf die sie lauten, gesunken. Das Aktivum braucht nicht an innerem Wert eingebüsst zu haben. Wohl aber ist der Wert des Massstabes, an dem es in seinem Heimatlande gemessen wird, bei uns kleiner geworden.

Die sich aus der Entwertung der Währung ergebende Valutaeinbusse erscheint als Verlust und muss nach dem Grundsatz der Bilanzwahrheit (Art. 6561 OR) in der Bilanz als solcher behandelt werden: die in der Bilanz ausgewiesene Summe der Aktiven verringert sich um den Betrag der Valutaeinbusse.

Art. 657 OR legt den Aktiengesellschaften die Pflicht auf, der Generalversammlung von der Sachlage Anzeige zu machen, wenn die letzte Bilanz zeigt, dass sich das Grundkapital um die Hälfte vermindert hat, und das Gericht behufs Konkurseröffnung zu benachrichtigen, sobald das ganze Grundkapital verloren ist.

Nach Art. 704 OR ist der Vorstand einer Genossenschaft gehalten, die Zahlungen sofort einzustellen und dem Gerichte behufs Eröffnung des Konkurses Anzeige zu machen, wenn sich ergibt, dass die Forderungen der Genossenschaftsgläubiger nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind.

Wenn die Aktiengesellschaften und Genossenschaften ihre Auslandsaktiven nach dem gemeinen Rechte in die Bilanz einzustellen hätten, so würden einzelne unter ihnen ihr Eigenkapital ganz oder zur Hälfte rerloren sehen und daraus die eben genannten gesetzlichen Konsequenzen ziehen müssen.

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Solche Institute vor dem unmittelbar drohenden Konkurse zu bewahren, lag im Interesse der Öffentlichkeit und der Beteiligten.

Der Zusammenbruch von Banken und industriellen Unternehmungen hätte nicht nur die zunächst Beteiligten betroffen. Er hätte auch weitere Kreise in die Schadensgemeinschaft einbezogen. Er hätte das Vertrauen der Allgemeinheit in die Solidität von aufrechtstehenden Unternehmen dieser Art erschüttert. Die im Konkurs durchzuführende Zwangsverwertung der Auslandsaktiven der Kridarin wäre in eine Zeit gefallen, in der sie sich besonders verlustreich hätte gestalten müssen.

Der Bundesrat durfte um so eher hier als ausserordentlicher Gesetzgeber eingreifen, als die Valutaeinbusse sich als ein Verlust darstellt, der nicht definitiven Charakter zu haben scheint. Es steht zu hoffen, dass die fremden Valutakurse im allgemeinen wieder in die Höhe gehen und sich in einzelnen Ländern wenigstens teilweise erholen werden. Dazu kam, dass unter den von den Valutaverlusteu betroffenen juristischen Personen auch solche sind, die imstande sind, sich aus eigener Kraft allmählig aus der Notlage herauszuarbeiten. Es handelte sich in der Hauptsache nicht darum, unvermeidliche Konkurse hinauszuschieben, sondern vermeid liehe zu verhüten. Es musste die Lebenskraft von momentan schwach gewordenen Unternehmen durch künstliche Mittel gesteigert und aufrecht erhalten weiden, damit sie die Zeit gewinnen, die erforderlich ist, um wieder zu Kräften zu kommen.

, Dabei darf nicht übersehen werden, dass die durch die Valutaeiubussen herbeigeführte Notlage von Aktiengesellschaften und Genossenschaften nicht auf Selbstverschulden beruht. Die Entwertung der fremden Währungen, so wie sie tatsächlich eingetreten ist, stellt sich als ein Ereignis dar, das bei aller Umsicht nicht vorhersehbar war.

Die zu schützenden Interessen erschienen dem Bundesrate so gross und die zu gewährende Hülfe so dringlich, dass er unbedenklich der von der schweizerischen Bankiersvereinigung ausgehenden Anregung Folge gab und, gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten, den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 betreffend die Folgen der Währungsentwertungen für Aktiengesellschaften und Genossenschaften (Amtliche Gesetzsammlung Bd.

XXXV, S. 1031 ff.) fasste*).

*) Vergleiche die vorzüglich orientierende Besprechung des
Bundesratsbeschlusses von Dr. Julius Frey in der ,,Neuen Zürcher Zeitung", Nr. 16, 22 und 28, vom 5., 6. und 7. Januar 1920, ferner die Darlegungen in der Beilage zu Nr. l des ,,Bund" vom 1. Januar 1920 und die im Februar 1920 erschienene Textausgabe des Bundesratsbeschlusses mit einer Einführung und einem Register von Dr. Ernst Wetter.

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Zu dieser Notverordnung ist folgendes zu bemerken: I. Reichweite des Erlasses.

Der Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 umschreibt in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht seinen Geltungsbereich.

Ì. Der neue Erlass will unter bestimmten Voraussetzungen von Pflichten entbinden, welche das OR in Art. 656 direkt den Aktiengesellschaften und indirekt den Genossenschaften auferlegt.

In p e r s ö n l i c h e r Beziehung sind ihm deshalb nur Aktiengesellschaften und Genossenschaften unterworfen.

Der Bundesratsbeschluss erfasst aber alle Aktiengesellschaften imd Genossenschaften, auch die Versicherungsgesellschaften*); diese jedoch nur in einer gewissen Beschränkung.

Der Verband konzessionierter schweizerischer Versicherungsgesellschaften hatte nämlich das Begehren gestellt, es möchte in den Bundesratsbeschluss folgende Bestimmung aufgenommen werden: ,,Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch für die der Bundesaufsicht unterstehenden Versicherungs- und Eisenbahngesellschaften, soweit nicht von den eidgenössischen Aufsichtsbehörden dieser Gesellschaften Abweichungen von den für diese Gesellschaften bestehenden Bilanzierungsvorschriften getroffen werden.* Der Verband begründete seinen Antrag wie folgt: ,,Während der Kriegsjahre sind die privaten Versicherungsgesellschaften bei der Aufstellung ihrer Bilanz wie folgt yorgegangen: Der Verband konzessionierter schweizerischer Versicherungsgesellschaften hat am 10. Dezember 1914 den Beschluss gefasst, mit Rücksicht auf die damalige wirtschaftliche Lage und das Fehlen von Börsenkursen in der Bilanz des Jahres 1914 die Bewertung der Wertschriften, so wie sie am 31. Dezember 1913 festgestellt worden war, beizubehalten, in der Meinung, dass jede Gesellschaft unter gewissenhafter und sorgfältiger Würdigung ihrer Lage die von ihr als angemessen erachtete Gesamtabscbreibung vornehme.

Von diesem Beschluss ist dem Justiz- und Polizeidepartement als der Aufsichtsbehörde über die privaten Versicherungsunternehmungen, Kenntnis gegeben worden, und dieses hat am 18. Dezember 1914 dem Verbände geantwortet, dass es in Würdigung der gegenwartigen anormalen Zeiten gegen das in Aussicht ge*) Vergleiche S, Dumas, Les bases techniques et les méthodes pour le calcul d«s réaerres mathématiques dans l'assurance sur la vie, in dea Mitteilungen der Vereinigung schweizerischer Versicherungsmathematiker, 14. Heft, Juli 1919,

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nommene Verfahren keine Einwendungen erhebe. Für die Bilanzen der Jahre 1915--1918 haben eioe Anzahl Gesellschaften an diesem vorn Verbände vorgeschlagenen Verfahren festgehalten und angemersene Gesamtabschreibungen vorgenommen oder entsprechende Kursreserven geäufnet. Eine Anzahl Gesellschaften, deren Verhältnisse es gestatteten, haben schon für die Bilanzaufstellung für das Jahr 1917 die Tageskurse herbeigezogen. Die Verluste auf den Valuten sind von einzelnen Gesellschaften überhaupt nicht, von andern teilweise, von dritten vollständig berücksichtigt worden.

Aus diesen Darlegungen erhellt, dass die Verhältnisse bei den einzelnen Gesellschaften und den verschiedenen Versicherungszweigen (Leben, Feuer, Unfall, Haftpflicht, Transport etc.) offenbar sehr verschieden liegen und individuell gewürdigt werden müssen. Dies zu ermöglichen, ist der Zweck der Sonderbestimmung.

In der Tat liegen bei den Versicherungsgesellschaften besondere Verhältnisse vor. Die Vorschriften des Art. 656, Abs. 3, OR haben auf Versicherungsgesellschaften, insbesondere Lebensversicherungsgesellschaften, nie recht gepasst. L^er Geschäftsbetrieb der Versicherungsunternehmungen ist auf technisch feststehenden Grundlagen aufgebaut (Sterblichkeitstabellen und festen Zinsfuss).

Daraus folgt, dass die Hauptposten der Bilanzpassiven Jahr für Jahr nach den gleichen unverrückbaren Grundsätzen ermittelt werden müssen und ermittelt werden. Die Bilanzaktiven dagegen sind nach den Vorschriften des OR Jahr für Jahr neu zu bemessen.

Sie steigen oder fallen, je nachdem der Kurs der Wertschriften steigt oder fällt. Der Kurs der Wertpapiere ist aber abhängig vom Zinsfuss; bei steigenden Zinssätzen fällt er, bei sinkenden steigt er. Ein Steigen des Zinsfusses ist aber für die Ökonomie der Lebensversicherungsgesellschaften ein Vorteil, denn sie können die eingehenden fremden Gelder zu hohem Zinssätzen anlegen.

Da aber mit dem Steigen des Zinsfusses die Kurse fallen, so ergibt sich das Absonderliche, dass das, was für die Gesellschaft von Vorteil ist, ihr in der Rechnung einen Verlust verursacht.

Man sollte eben, um den besondern Verhältnissen Rechnung tragen zu können, bei steigendem Zinsfuss nicht nur die Aktiven, sondern auch die Passiven in gleichem Masse herabsetzen können. Das kann aber nicht geschehen, weil die Versicherungsgesellschaften
an ihre technischen Grundlagen gebunden sind. Da das nicht geschehen kann, muss man sich gegebenenfalls anders helfen und die Aktiven nicht, wie das OR vorschreibt, zu den Kurswerten einsetzen, sondern sie anders bewerten. Deshalb stellt auch die ausländische Gesetzgebung, z. B. die französische, für die Lebensversicherungsgesellschaften besondere Bilanzvorschriften auf.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Versicherungsgesellschaften in ihren Prämienreserven, Deckungskapitalien und andern

495 Rückstellungen stille Reserven haben, die durch den technischen Aufbau plamnässig gebunden sind und nicht zur Deckung von Kurs- und Valutaverlusten herangezogen werden können, sofern mau nicht die technischen Grundlagen ändert. Eine Änderung der technischen Grundlagen bedeutet aber für eine Versicherungsgesellschaft eine derartige Umwälzung, dass sie zur Deckung vorübergehender Verluste nicht in Erwägung gezogen werden darf.

Dazu tritt die Erwägung, dass die Verbindlichkeiten der Versicherungsgesellschaften langfristig sind und sich mit einer bestimmten, rechnungsmässig voraussehbaren Regelmässigkeit abwickeln.

Den Gesellschaften stehen durch die fortlaufenden Prämieneinnahmen stets ausreichend Mittel zur Verfügung zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten. Sie sind daher auch nicht etwa darauf angewiesen, ihre Vermögensbestände liquidieren zu müssen, um den an sie herantretenden Verpflichtungen zu genügen.

Aus diesen Darlegungen erhellt, dass die Verhältnisse bei den Versicherungsgesellschaften besonders geartet sind und dass sie individuell gewürdigt werden müssen, soll nicht durch starre Regeln den Anstalten, ihren Versicherten und damit der schweizerischen Volkswirtschaft empfindlicher Schaden zugefügt werden.

Eine Würdigung der besoudern Verhältnisse verlangt aber ein fachmännisch gebildetes Urteil ; dieses liegt bei der Aufsichtsbehörde. Das eidgenössische Versicherungsamt in Bern, das seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes betreffend Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiet des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885 die Aufsicht ausübt, ist im besondern Masse geeignet, die bei den einzelnen Gesellschaften bestehenden Verhältnisse zu prüfen und die geeigneten Verfügungen zu treffen.

Die Versicherungsgesellschaften, die eine ihren besondern Verhältnissen entsprechende Bilanzierung vorzunehmen wünschen, haben ihr Begehren gegenüber der Aufsichtsbehörde zu begründen.

Es ist dann Sache der Aufsichtsbehörde, die im Interesse der Gesellschaften und ihrer Versicherten liegenden Verfügungen zu treffen."

Diese Ausführungen des Verbandes konzessionierter schweizerischer Versicherungsgesellschaften zeigen, dass bei den ihm angehörenden Instituten besondere Verhältnisse gegeben sind, die Berücksichtigung verdienen. Der Bundesratsbeschluss (Art. 8) ermöglicht es, ihnen gerecht zu werden,
indem er den Bundesrat ermächtigt, diesen Verbänden -- sei es allen, einer Mehrheit oder einzelnen -- eine Bilanzaufstellung zu gestatten, die den gesetzlichen Beatimmungen und den Vorschriften dieses Buudesratsbeschlusses nicht entspricht. Macht der Bundesrat von dieser Kompetenz Gebrauch, »o handelt er kraft dieser ihm im Bundesratsbeseblnss erteilten Vollmacht, nicht aber als Aufsichtsbehörde über die Privatunternehmungen auf dem Gebiete des Versicherungswesens (Art. 34" B V).

496 2; Nicht nur in persönlicher, auch in s a c h l i c h e r Beziehung umgrenzt der Bundesratsbeschluss seinen Geltungsbereich: nach Art. l kommen dessen Vorschriften über die Bilanzierung und die Amortisation der Valutaeinbusse (Art. 2--4) nur auf solche Vermögenswerte zur Anwendung, die sich am Tage, ,,auf den die erste Bilanz nach Inkrafttreten dieses Beschlusses errichtet wird", im Besitze der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft befunden haben.

Dieser Tag ist für Institute, deren Bilanztag auf den 31. Dezember fällt, der 31. Dezember 1919; für Institute, deren Jahresbilanztermiu auf einen andern Tag festgesetzt ist, der erste Bilanztag nach dem 31. Dezember 1919. Für Aktiengesellschaften und Genossenschaften, auf die sich der letzte Satz der Übergangsbestimmung des Art. 9 bezieht, fällt u. E. der massgebende Zeitpunkt auf den letzten, vor dem 31. Dezember 1919 liegenden Bilanztag; denn dieser erscheint als der .Tag, auf den die erste Bilanz nach Inkrafttreten des Bundesratsbeschlusses errichtet wird.

Drei Beispiele mögen zeigen, wie Art. l n zu verstehen ist.

Eine Markhypothek ist nur dann nach Art. 3 oder 4 bilanzierbar, wenn sie am kritischen Tage Bestandteil des Vermögens der-Aktiengesellschaft oder Genossenschaft war. Zinsansprüche aus dieser Markhypothek fallen nur soweit unter das neue Recht, als sie am massgebenden Tage verfallen sind. Die Urkunden über Beteiligung an einer ausländischen Unternehmung dürfen nach Art. 2 in die Bilanz eingestellt werden, wenn die Aktiengesellschaft oder Genossenschaft am kritischen Tage mindestens drei Vierteile des Gesamtbestandes der Gesellschaftsanteile besessen hat.

Der Bundesratsbeschluss schliesst den nach dem kritischen Moment erfolgenden Erwerb von Aktiv werten ausländischer Währung nicht aus. Er verlangt aber, dass solche nach diesem Tage erworbene Vermögensobjekte gemäss den Vorschriften des gemeinen Rechts in die Bilanz eingestellt werden. Der Paradiesgarten des neuen Sonderrechtes ist ihnen verschlossen. Stände er ihnen offen, wäre er während den folgenden zwei Dezennien unausgesetzt ein gefährlicher Anreiz zur Eingehung von Valutaspekulationen.

Von dem Grundsatze, dass nur die auf eine ausländische Währung lautenden Vermögensobjekte, die am genannten Tage sich im Eigentum der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft befunden haben,
den neuen Bilanzierungsvorschriften unterstehen, macht der Bundesratsbeschluss eine dem Sinne der Regel entsprechende Ausnahme: die neuen Bestimmungen sind auch auf nach dem kritischen Tage erworbene Werte anwendbar, wenn diese an Stelle von Werten getreten sind, die im bezeichneten Zeitpunkt Bestandteil des Vermögens der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft gewesen sind. Nehmen wir beispielsweise an, der massgebende Zeitpunkt sei der 31. Dezember 1919; an diesem

497 Tage besitzt die Genossenschaft eine Markhypothek ; diese wird nachher gekündet und zurückbezahlt; der Betrag wird von der Genossenschaft zum Erwerb von Markaktien verwendet; dann treten die Markaktien an Stelle der Markhypothek und können nach den Vorschriften des Bundesratsbeschlusses bilanziert werden.

3. Das natürliche Anwendungsgebiet des Bundesratsbeschlusses beschränkt sich in z e i t l i c h e r Hinsicht auf die Bilanzen, deren nächster Bilanztag in die Herrschaftszeit des neuen Rechts, also auf den 31. Dezember 1919 oder einen späteren Zeitpunkt fallt.

Der Bundesratsbeschluss erweitert nun in Art. 911 seinen Geltungsbereich nach rückwärts in die Vergangenheit. Er unterscheidet zwischen dem Tag, auf den die Bilanz errichtet wird, dem statutarischen Bilanztag einerseits (Art. 1II) und dem Tag, an dem der Bilanzabschluss vollzogen, d. h. an dem die Bilanz durch die Generalversammlung genehmigt wird anderseits (Art. 911) und erklärt, auch für solche Bilanzen gelten zu wollen, die auf einen vor dem 31. Dezember 1919 liegenden Zeitpunkt hätten abgeschlossen werden sollen, tatsächlich aber am 31. Dezember 1919 von der Generalversammlung noch nicht genehmigt waren*).

Nach dem Wortlaut des Art. 9 n haben nur ,,die Bestimmungen über die Bilanzaufstellung" rückwirkende Kraft. Sucht man aber nach dem jenseits des Wortlauts liegenden Sinn der Vorschrift, so gelangt man zu der Annahme, dass nicht nur die neuen Bilanzierungsnormen, sondern auch die mit ihnen in engem innerem Zusammenhang stehenden Bestimmungen über Amortisation, Dividendenzahlung, Bestellung eines Kurators usw. auf die am 31. Dezember 1919 von der Generalversammlung noch nicht genehmigten Bilanzen zur Anwendung kommen.

II. Inhalt des Erlasses.

Die Art. 657 und 704 OR legen die Folgen fest, die sich an bestimmte Ergebnisse der Bilanz einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft knüpfen: zeigt die Bilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals verloren ist, so musa die Aktiengesellschaft der Generalversammlung von der Sachlage Kenntnis geben ; ergibt sich aus der Bilanz, dass das ganze Grundkapital absorbiert ist, so hat die Aktiengesellschaft oder Genossenschaft den Konkurs anzumelden. Der Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 lässt diese Bestimmungen unberührt**). Er modifiziert aber die Bilan*) Anderer Ansicht ist Wetter, S. 38.

**) Zu unrecht nimmt Wetter S. 31 an, dass die Art. 657" und 7041 OR durch den Bundesratsbeschluss ausser Kraft gesetzt worden seien. Ihre Rechtswirksamkeit besteht fort sowohl für Aktiengesellschaften und Genossenschaften, die von den Wohltaten des Bundesratsbeschlusses keinen Gebrauch gemacht haben, als auch für solche, die dieser Vergünstigungen teilhaftig sind.

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zierungsVorschriften des Art. 656 OR und übt damit eine Wirkung auf die Anwendung der Art. 657 und 704 OR aus. Er lässt eine von der vom Obligationenrecht vorgesehene abweichende Bilanzierung gewisser Werte zu, die -- wenn im übrigen die finanzielle Lage des Unternehmens normal ist -- das Ergebnis der Bilanz in dem Masse verbessert, dass die Voraussetzungen nicht gegeben sind, unter denen die Art. 657 und 704 OR anwendbar sind.

Die neuen Bilanzierungsvorschriften sind dreifacher Art: 1. Der Bundesratsbeschluss gestaltet in Art. 21 den Aktiengesellschaften und Genossenschaften, im Auslande gelegene Immobilien und industrielle Anlagen zu dem Franken betrage in ihre Bilanz einzustellen, der seinerzeit für die Erwerbung oder die Errichtung ausgelegt wurde. Dazu sind diese juristischen Personen aber nur dann berechtigt, wenn der innere Wert der Anlage im Momente der Bilanzierung nicht kleiner ist als deren Wert im Zeitpunkte des Erwerbs oder der Errichtung. Zeigt sich eine Wertverminderung, so sind entsprechende Abschreibungen zu machen. So sind beispielsweise Abzüge vom Erwerbs- oder Ervichtungspreise dann erforderlich, wenn die in Schweizerfranken umgerechnete Rendite des ausländischen Unternehmens wegen der Valutadifferenz für längere Zeit hinter der normalen Verzinsung des in Franken ausgedrückten Selbstkostenbetrages zurückbleibt (Art. 656, Ziff. 2, OR).

Diese Art der Bilanzierung stellt sich zur Maxime der Bilanzwahrheit nicht in Gegensatz. Sie entspricht auch der in Art. 656, Ziff. 2, OR enthaltenen Bilanzierungsnorm. Der Art. 21 des Bundesratsbeschlusses ändert mithin das geltende gemeine Recht nicht ab.

2. Im weitern spricht der Bundesratsbeschluss in Art. 2n von dem Falle, in dem eine schweizerische Unternehmung, wenn auch nicht rechtlich als Eigentümerin, so doch wirtschaftlich wie eine Eigentumerin über ein im Auslande gelegenes Unternehmen verfügt. Ein solches wirtschaftliches Herrschaftsverhältnis nimmt der Bundesratsbeschluss dann als gegeben an, wenn die schweizerische Unternehmung mindestens drei Vierteile des Gesamtbestandes der Gesellschaftsanteile des ausländischen Unternehmens besitzt. Dann sollen die Beteiligungsurkunden so' bilanziert werden, wie in dem oben sub l genannten .Falle das im Auslande gelegene Immobile: von dem in Franken ausgedrückten Erwerbs- oder Errichtungspreis
werden die erforderlichen Abschreibungen gemacht und der der Beteiligung entsprechende Frankenbetrag in die Bilanz eingestellt.

Auch diese Art der Bilanzierung ist mit dem Grundsatz der Bilanzwahrheit vereinbar. Sie entspricht aber -- wenigstens wenn die Beteiligungsurkunden kurshabeude Papiere sind -- nicht der Vorschrift des Art. 656, Ziff. 3, OR, wonach solche Papiere höchstens zu dem Kurswerte angesetzt werden dürfen, den sie durchschnittlich in dem letzten Monat vor dem Bilanztage hatten.

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499 3. Die praktisch wichtigste und zugleich einschneidendste Neuerung der Notverordnung besteht in der Zulassung einer dem Grundsatz der Bilanzwahrheit und den Bilanzierungsnormen des Obligationenrechts nicht entsprechenden Bewertung der auf eine ausländische, valutaschwache Währung lautenden Forderungen und der nicht unter Art. 211 fallenden Beteiligungsrechte dieser Art*).

Dabei rechnet der Bundesrat nicht etwa mit der in einer näheren -oder entfernteren Zukunft liegenden Möglichkeit, dass sich die fremden Valuten wieder erholen werden, sondern stellt auf die Verhältnisse ab, die heute gegeben sind. Er betrachtet die zurzeit vorhandenen Valutaeinbussen als das, was sie sind: als Verluste.

Ei gibt aber den Aktiengesellschaften und Genossenschaften die Erlaubnis, unter die Aktiven ihrer Bilanz diese Verluste paralysierende, fiktive Beträge einzustellen**).

Machen diese juristischen Personen von der Lizenz Gebrauch, so hat die Valutaeinbusse keine Einwirkung mehr auf das Ergebnis der Bilanz und damit auch auf den Eintritt der Rechtsfolgen der Art. 657 nnd 704 OR selbst.

Auf zwei Wegen kann der fiktive Aktivbetrag in die Bilanz eingeführt werden: a. Die Aktiengesellschaft oder Genossenschaft bewertet die Forderungs- oder Beteiligungsrechte in der Bilanz zu dem Betrage, der sich ergibt, wenn deren in ausländischer Währung ausgedrückter Wert zum mittleren Kurse des dem Bilanztage vorangehenden Monats in Schweizerfranken umgerechnet wird und stellt als. fiktiven Aktivposten einen Betrag in die Bilanz ein, der der Differenz zwischen Buchwert und wahrem Wert (Valutaeinbusse) entspricht (Art. 3). Beispiel: die Aktiengesellschaft besitzt am Bilanztage eine auf Mark 100,000 lautende, zu Fr. 120,000 zu Buch stehende HypothekI. Ranges. Der mittlere Kurs der Mark während des dem Bilanztage vorausgehenden Monats beträgt 10 Rp., dann darf die Hypothek zu Fr. 10,000 bilanziert und ein fiktiver Aktivposten von Fr. 110,000 in die Bilanz eingestellt werden.

Die Vorschrift, dass der als Wert des Aktivums in die Bilanz einzustellende Betrag nach dem mittleren Umrechnungskurse des *) Der Bundesratsbeschluss unterscheidet nicht zwischen bei uns kurshabenden und nicht kurshabenden Papieren. Es fallen u. E. auch solche auf ausländische Währung lautende Papiere unter das neue Sonderrecht, -Aie in der Schweiz Kurs haben.
**) Mag man der vom OB vorgesehenen Bilanz den Charakter einer Liquidationsbilanz oder einer Betriebsbilanz oder einer Mischung beider Bilanzarten (vgL Weyermann, Bilanzrecht und Bilanzzweck in der Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Bern für Eugen Huber, S. 105 ff.)

beilegen, ihr Zweck ist die der Wahrheit entsprechende Darstellung des wahren Sachverhalts. Diesem Zwecke widerspricht eine Massnahme, die ermöglicht, einen Posten, der die Natur eines Passivsaldos hat, in der Bilanz -- wenn auch nur vorübergehend -- verschwinden zu lassen.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. I.

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dem Bilanztage vorangehenden Monats (vgl. Art. 656, Ziff. 3, OR} berechnet werden solle, geht von der Voraussetzung aus, das» man auf diesem Wege zum wahren Wert des Aktivums gelange.

Wo aus besonderen Gründen diese Voraussetzung nicht zutrifft, erscheint diese Berechnungsart nicht als erforderlich. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Schuldner einen höheren Valutakurs versprochen oder ein Dritter dafür Garantie übernommen hat, dass bei der Liquidation oder Realisierung des Aktivums ein höherer Valutakurs erzielt werde. Dann stellt sich dieser höhere Valutakurs als der massgebende Umrechnungskurs dar. Dies aber nur dann, wenn und soweit das Versprechen des Schuldners oder die Garantie des Dritten einen effektiven Wert repräsentiert. Hat etwa der Schuldner versprochen, die Schuld zum Vorkriegskurs abzuzahlen, so ist dieser Kurs nur dann zu berücksichtigen, wenn bei sorgfältigster Würdigung aller Verhältnisse angenommen werden kann, dass der Schuldner sein Wort zu halten in der Lage sein wird.

b. Die Aktiengesellschaft oder Genossenschaft stellt das Forderungs- oder Beteiligungsrecht zum Buchwerte in die Bilanz ein.

Wählt sie diese Art des Vorgehens, so hat sie in der Bilanz den in ausländischer Währung ausgedrückten wahren Wert und den zur Anwendung gebrachten Umrechnungskurs anzugeben (Art. 41).

Danach würde die Markhypothek, auf die wir als Beispiel hingewiesen haben, bilanziert wie folgt: ,,Mark 100,000 à Fr. 1.20: Fr. 120,000." Im Geschäftsberichte sind einlässliche Nachweise zu geben über die Bestandteile, aus denen sich der Bilanzposten zusammensetzt (Art. 4^) : es ist festzustellen, welches der in Schweizerfranken ausgedrückte wahre Wert des Aktivums ist; daraus ergibt sich dann ohne weiteres die Valutaeinbusse.

Der Bundesratsbeschluss stellt den Aktiengesellschaften und Genossenschaften diese beiden sub a und b bezeichneten Arten des Vorgehens zur Verfügung. Es sind zwei Wege, die zum nämlichen Ziele führen, zwei Formen der Darstellung für ein und dieselbe Sache. Dort wie hier erscheint die Valutaeinbusse als fiktiver Aktivbetrag; dort wird der effektive Wert des Aktivum& und die Valutaeinbusse in zwei getrennten Posten, hier dagegen in einem einzigen Posten, aber doch so bilanziert, dass die beiden Bestandteile des Bilanzpostens auseinandergehalten werden können.

Gewiss kann
der Gesetzgeber gestatten, dass ein fiktiver Betrag in die Aktiven einer Bilanz eingestellt wird. Er darf dies, aber nur dann tun, wenn er zugleich dafür sorgt, dass der in die Bilanz eingeführte Fremdkörper durch den Geschäftsbetrieb allmählich verkleinert und schliesslich ganz eliminiert wird und so die Bilanz sich wieder läutert*). Diesem Erfordernis kommt der *) Ähnlich ist das Vorgehen des Gesetzgebers, wenn er in Art. 656, Ziff. 7 OB, einer Aktiengesellschaft für den Fall, dass sie Obligationen unter dem Nominalwert ausgibt, gestattet, das Disagio unter die Aktiven zu stellen.,

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Bundesratsbeschluss durch Erlass folgender Amortisationsbestimmungen nach; Gegenstand der Amortisation ist die Valutaeinbusse und, sofern der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft offene Reservefonds zur Verfügung stehen, die Differenz zwischen Valutaeinbusse und Reservefonds (ungedeckte Valutaeinbusse).

Der Bundesratsbeschluss legt zunächst der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft die Pflicht auf, alljährlich den Betrag zu tilgen, der sich ergibt, wenn die ungedeckte Valutaeinbusse durch die Zahl von Jahren geteilt wird, die zwischen dem jeweiligen Bilanztage und dem Bilanztage des Jahres 1940 liegt. Beispiel: Unter den Aktiven befindet sich am nächsten -- wir wollen sagen auf den 1. April 1920 *) fallenden -- Bilanztag eine Hypothek I. Ranges von 100,000 Mark. Zu Buch steht sie zu Fr. 120,000.

Der massgebende Markkurs beträgt 10 Rp. Die Gesellschaft verfügt über einen offenen Reservefonds von Fr. 20,000. Dann beträgt die erste Amortisationsquote 120,000 -- (10,000 + 20,000) : 20 = Fr. 4500. Der Buchwert des Aktivums reduziert sich damit von Fr. 120,000 auf Fr. 115,500. Die Berechnung der Amortisationsquote für die folgenden Jahre ist jeweilen neu zu machen, da die Höhe des Reservefonds und bei der Veränderlichkeit des Markkurses der Wert des Aktivums variable Grossen sind. Für das zweite Bilanzjahr beträgt -- wenn der massgebende Markkurs sich auf 5,5 Rp. beläuft und der Reservefonds sich um die Hälfte reduziert hat -- die Amortisationsquote 115,500 -- (5500 + 10,000) : 19 = Fr. 5263. Auf den Bilanztag des Jahres 1940 ist der Restbetrag der ungedeckten Valutaeinbusse zu amortisieren.

Damit erschöpft sich jedoch die Pflicht der Aktiengesellschaft und Genossenschaft, die als fiktiven Aktivbetrag in der Bilanz figurierende ungedeckte Valutaeinbusse zu tilgen, nicht. Der diese Erlaubnis aber au die Bedingung knüpft, dass der fiktive Aktivposten durch jährliche Abschreibungen bis zum Verfalltage amortisiert wird ; wenn er in Art. 656, Ziff. l, OR ausnahmsweise zulässt, dass Organisationskosten auf einen Zeitraum von höchstens 5 Jahren verteilt werden, aber verlaugt, dass in jedem Jahre mindestens der entsprechende Bruchteil als Ausgabe zu verrechnen sei. (Vgl. auch die Bilanzbestimmungen des Bundesgesetzes über das Rechnungswesen der Eisenbahneil vom 27. März 1896, des Bundesgesetzes betreffend
Beaufsichtigung von Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens vom 25. Juni 1885.) Diese Bestimmungen enthalten innerlich durchaus gerechtfertigte Ausnahmen vom Prinzip der Bilanzwahrheit, einem Prinxip, das nicht nur der Liquidationsbilanz, sondern auch der Betriebsbilanz zugrunde liegt.

*) Ist der ente in Betracht fallende Bilanztag der 31. Dezember 1919, BÖ verteilt sich die Amortisation auf 21 Jahre ; der Divisor bei Berechnung der ersten Amortisationsquote ist dann 21.

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Bundesratsbesehluss macht auch den möglicherweise vorhandenen Betriebsüberschuss unter bestimmten Voraussetzungen dem Amortisationszwecke dienstbar. Er verlangt, dass der ganze Betriebsüberschuss zur Rekonstruktion des Eigenkapitals verwendet werde, wenn die ungedeckte Valutaeinbusse die Hälfte des Grund- oder Genossenschaftskapitals erreicht oder übersteigt. Er fordert, dass der um eine höchstens fünfprozentige Dividende verminderte Betriebsüberschuss zur Abschreibung des fiktiven Betrages bestimmt werde, wenn die ungedeckte Valutaeinbusse kleiner ist als die Hälfte des Grund- oder Genossenschaftskapitals.

Der Bundesratsbesehluss lässt mithin unter bestimmten Voraussetzungen die Auszahlung einer Dividende auch dann zu, wenn das Aktienkapital nicht mehr intakt ist. Diese Erlaubnis ist eine Abweichung vom gemeinen Recht. Art. 6301 OR schreibt vor, dass Dividenden nur aus dem Reingewinne, der sich aus der Jahresbilanz ergibt, verteilt werden darf; nach Art. 656, Ziffer 6, OR ist das volle einbezahlte Grundkapital als Passivum einzustellen; aus der Vergleichung dieser beiden Bestimmungen erhellt, dass nach dem gemeinen Recht Dividenden nur ausgeschüttet werden dürfen, wenn das Grundkapital ungeschwächt ist. Mit Recht sagt das Bundesgericht (BGE Bd. 12, S. 364) : ,,Das Gesetz erblickt eben in der Ausrichtung von Dividenden bei geschwächtem Grundkapital eine unstatthafte Verminderung des letztern; das Grundkapital muss in erster Linie intakt erhalten und daher, wenn es durch Verluste geschwächt, ist, aus den Einnahmeüberschüssen der spätem Jahre wieder hergestellt werden. Solange dies nicht geschehen ist, liegt ein Reingewinn im Sinne des Gesetzes nicht vor, so dass eine Dividende, da sie eben dem Grundvermögen beziehungsweise einem nach dem Gesetze zur Wiederherstellung desselben bestimmten Vermögensbestandteile entnommen werden müsste, nicht verteilt werden darf." Der Bundesratsbesehluss macht einen Einbruch in das geltende Recht, wenn er gestattet, dass unter Umständen auch dann Dividenden ausbezahlt werden, wenn das Grund- oder Genossenschaftskapital um den in der Bilanz enthaltenen fiktiven Aktivbetrag reduziert ist. Diese Erlaubnis erklärt sich als Konzession an das Bedürfnis der von den Wohltaten der Notverordnung Gebrauch machenden Institute, um der Erhaltung ihres Kredites willen Dividenden
auszuzahlen einerseits und der Aktionäre, auf einen Ertrag ihres in Aktien angelegten Kapitals nicht verzichten zu müssen anderseits. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass der Bundesratsbeschluss den Geltungsbereich der Erlaubnis eng begrenzt : eine Dividende darf nur ausgerichtet werden, wenn die Valutaeinbusse kleiner ist als die Hälfte des Eigenkapitals der Gesellschaft, und soll 5 °/o nicht übersteigen.

Die Aktiengesellschaft oder Genossenschaft, zu deren Vermögen Aktiven fremder Währung gehören, erhält durch den neuen

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Erlass das Recht, die Valutaeiubusse ala fiktiven Aktivbetrag in die Bilanz einzustellen. Diesem Rechte steht als Korrelat die Pflicht gegenüber, in Bilanz und Geschäftsbericht die erforderlichen Ausweise zu geben (Art. 3n, 41 und 4IV), sowie die ordentlichen (Art. 3Iir und 4 n ) und ausserordentlichea Amortisationen (Art. 3IV, 3V und 4«1) zu leisten. Die Erfüllung dieser Pflichten bildet die Voraussetzung der Geltung, deren Nichterfüllung die Voraussetzung des Hinfälligwerdens jenes Rechtes (Art. 5). Leistet also beispielsweise die Aktiengesellschaft die ihr obliegenden Amortisationen nicht oder nicht rechtzeitig, so geht sie im Falle des Art. 3 des Rechtes verlustig, den fiktiven Aktivposten weiter in der Bilanz aufzuführen, und ist im Falle des Art. 4 gehalten, das Aktivum zum wahren Wert in die Bilanz einzustellen. Es tritt dann die Rechtslage ein, die bestanden hätte, wenn der vorliegende Bundesratsbeschluss nicht erlassen worden wäre. Die Folge davon kann dann sein, dass sich das Ergebnis der Bilanz wieder in dem Masse verschlechtert, dass die Art. 657 und 704 OR anwendbar werden.

Der Art. 657m OR gibt, wenn das Grundkapital verloren ist, dem Konkursgerichte die Befugnis, einen Kurator zu bestellen.

Nach Art. 6 des Bundesratsbeschlusses besteht nun diese Möglichkeit auch dann, wenn das Grundkapital formell nicht als absorbiert erscheint, wenn aber die ungedeckte Valutaeiubusse für sich allein oder die Summe von Passivsaldo und ungedeckter Valutaeinbusse das Grundkapital übersteigt. Der Antrag, diese Massnahme zu treffen, kann von der Aktiengesellschaft oder Genossenschaft oder von einem Gläubiger gestellt werden. Es liegt dann im Ermessen des Konkursgerichts zu beurteilen, ob die Einsetzung eines Kurators als angezeigt erscheine. Der Bundesratsbeschluss sucht die Stellung des Kurators im Betriebe der Aktiengesellschaft und Genossenschaft zu präzisieren, indem er Änderungen im Bestände des Vermögens oder -- wie er sich ausdrückt -- die die Vermögenssubstanz berührenden Verwaltungshandlungen an die Zustimmung des Kurators knüpft. Praktisch dürfte der Kurator im wesentlichen die Bedeutung eines Gegengewichts gegenüber der Verwaltung haben : diese wird mehr die Interessen der Aktionäre, jener mehr die Interessen der Gläubiger im Auge haben.

Aktiengesellschaften und Genossenschaften, die über
Aktiven ausländischer Valuta verfügen, und von den Vergünstigungen des neuen Erlasses Gebrauch machen, sind genötigt, in ihrer Bilanz offen zu bekennen, wie gross die ungedeckte Valutaeinbusse ist.

Ein solches Bekenntnis kaiin zur Folge haben, dass die Gläubiger fälliger oder auf kurze Frist kündbarer Forderungen danach trachten, zu ihrem Gelde zu kommen und rücksichtslos ihre Ansprüche geltend machen. Dann tritt leicht der Fall ein, dass das Institut nicht mehr in der Lage ist, ohne Schmälerung der Vermögenssub-

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stanz die nötigen Mittel zur Abzahlung fälliger Kapitalschulden aufzubringen. Gewiss kann es sich dann durch Nachlassvertrag Stundung geben lassen. Dieser Weg ist aber lang, umständlich und kreditschädigend. Damit er nicht eingeschlagen werden muss, stellt Art. 7 des Bundesratsbeschlusses ein kurzes und summarisches Verfahren zur Verfügung: die Aktiengesellschaft oder Genossenschaft verlangt beim Gericht, dass ihr für fällige oder fällig werdende, speziell oder generell bestimmte Kapitalbeträge Stundung bis längstens zum 31. Dezember 1924 gewährt werde. Zwei kantonale Gerichtsinstanzen und eine eidgenössische stellt der Bundesratsbeschluss den Interessenten zur Beurteilung der Stundungsfrage zur Verfügung. Das Verfahren vor den kantonalen Gerichten regelt der Kanton. Für die Weiterziehung des letztinstanzliohen kantonalen Entscheides au das Bundesgericht ist der Weg der Berufung vorgesehen. Dieser Weg ist unseres Erachtens auch dann gangbar, wenn der in Art. 59 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vorgesehene Streitwert nicht vorhanden ist. Die Wirkung der Stundung liegt nicht im Gebiete des materiellen, sondern lediglich in dem des Exekutionsrechts.

Während der Stundung kann für die gestundeten Forderungen eine Betreibung weder angehoben noch fortgesetzt werden. Dazu kommt noch, dass während der Dauer der Stundung keine Dividenden ausbezahlt werden dürfen. Die Stundung fällt dahin, wenn die fälligen Zinse nicht bezahlt werden.

Wir beantragen nach Ziffer I111 des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten zu beschliessen, dass der Buudesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 betreffend die Folgen der Währungsentwertungen für Aktiengesellschaften und Genossenschaften weiter in Kraft zu bleiben habe.

B e r n , den 6. März 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

505 Beilage.

Bundesratsbeschluss betreifend

die Folgen der Währungsentwertungen für Aktiengesellschaften und Genossenschaften.

(Vom 26. Dezember 1919.)

Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf Ziffer l des Bundesbesehlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, beschliesst: Art. 1. Der nachstehende Bundesratsbeschluss gilt für Aktiengesellschaften und Genossenschaften, nachstehend Gesellschaften genannt.

Er bezieht sich in den Art. 2--4 ausschliesslich auf solche Vermögenswerte, die sich am Tage, auf den die erste Bilanz nach Inkrafttreten dieses Beschlusses errichtet wird, im Besitze der Gesellschaften befanden oder aber später an Stelle der ursprünglichen Objekte erworben worden sind.

Art. 2. Gesellschaften können im Auslande gelegene Immobilien und industrielle Anlagen zu demjenigen Frankenbetrage in ihre Bilanz einstellen, der seinerzeit für die Erwerbung oder die Errichtung ausgelegt wurde. Von diesem Betrage ist indessen eine der natürlichen Wertverminderung entsprechende Abschreibung vorzunehmen.

Diese Bestimmung gilt auch für Beteiligungen an ausländischen Aktiengesellschaften, Genossenschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit und ähnlichen Gesellschaften, wenn die schweizerische Gesellschaft mindestens drei Vierteile des Gesamtbestandes der Gesellschaftsanteile eines ausländischen Unternehmens besitzt.

Art. 3. Die auf ausländische Währung lautenden Forderungen, sowie schweizerische Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften oder Genossenschaften, für welche Art. 2, Abs. 2, hiervor nicht zutrifft, dürfen jeweüen höchstens zu dem Werte in die Bilanz eingestellt werden, der eich durch Umrechnung der ausländischen Wahrung in Sehweizerwahrung nach dem mittleren Kurse des dem Büanztage vorangehenden Monats ergibt. Wurde dem Gläubiger durch den Schuldner selbst oder durch Dritte ein höherer Umrechnungskurs garantiert, so darf dieser bei der Bilanzaufstellung berücksichtigt werden.

Der Betrag des Ausfalles, der sich bei Anwendung dieser Grundsätze jeweilen gegenüber dem bisherigen Buchwerte ergibt,

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kann als besonderer Posten unter die Aktiven in die Bilanz aufgenommen werden.

Gesellschaften, die von der in Abs. 2 dieses Artikels einge räumten Befugnis Gebrauch machen, haben zur Tilgung des unter die Aktiven eingestellten Postens, soweit dieser nicht durch Reserven gedeckt ist, bis zum Bilanztage des Jahres 1940 alljährlich wenigstens denjenigen Betrag zu verwenden, der sich bei Teilung dieses Postens durch die Zahl von Jahren ergibt, die zwischen dem jeweiligen Bilanztage und dem Bilanztage des Jahres 1940 liegen.

Erreicht oder übersteigt der durch Reserven nicht gedeckte Ausfall die Hälfte des Gesellschaftskapitals, so ist auch ein über die im vorhergehenden Absatz bezeichnete Minimai-Amortisationsquote hinaus vorhandener Betriebsüberschuss ganz zur Tilgung zu verwenden.

Beträgt der durch Reserven nicht gedeckte Ausfall weniger als die Hälfte des Gesellschaftskapitals, so kann ein über die Minimai-Amortisationsquote hinaus erzielter Betriebsüberschuss bis zur Höhe von 5 °/o des Gesellschaftskapitals als Reingewinn erklärt und als Dividende ausgerichtet werden. Soweit der Betriebsüberschuss nicht als Dividende ausbezahlt wird, ist er zur Tilgung des Ausfalls zu verwenden.

Art. 4. Eine Gesellschaft kann die in Art. 3, Abs. l, bezeichneten Aktiven zu einem höheren Umrechnungskurse, als er dort angegeben ist, einstellen. Sie hat diesfalls den Wert dieser Aktiven in ausländischer Währung und den für die Berechnung zur Anwendung gebrachten Umrechnungskurs in der Bilanz selbst anzugeben.

Eine Gesellschaft, die von dieser Befugnis Gebrauch macht, hat die Differenz zwischen dem in die Bilanz eingestellten und dem sich nach Art. 3, Abs. l, ergebenden Werte nach Verrechnung der Reserven gemäss Art. 3, Abs. 3, hiervor, zu tilgen und demgemäss jährlich eine der Tilgungsquote entsprechende Minderbewertung auf dem eingestellten Posten vorzunehmen.

Die Bestimmungen des Art. 3, Abs. 4 und 5, finden sinngemässe Anwendung.

Gesellschaften, welche nach Massgabe der Bestimmungen dieses Artikels verfahren, haben in ihrem Geschäftsberichte einlässliche Nachweise über die Berechnung des Währungsausfalles und ihrer Tilgungsquote zu liefern.

Art. 5. Kommt eine Gesellschaft den in Art. 3 oder 4 enthaltenen Vorschriften über den Ausweis und die Tilgung des Währungsausfalles nicht nach, so geht sie den Vergünstigungen dieses Beschlusses verlustig, und es kommen auf sie die Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechtes unverändert zur Anwendung.

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Art. 6. Übersteigt der durch Reservefonds nicht gedeckte Währungsausfall einer Gesellschaft allein oder in Verbindung mit einem vorhandenen Passivsaldo den Betrag des Gesellschaftskapitals, so kann auf deren Antrag oder auf den Antrag eines Gläubigers vom Gerichte ein Kurator bestellt werden.

Geschieht dies, so bedürfen die die Vermögenssubstanz berührenden Verwaltungsliandlungen der Organe der Gesellschaft zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung des Kurators.

Art. 7. Genügen die Einnahmen einer Gesellschaft, um ohne Schmälerung ihrer Vermögenssubstanz ihre Schulden zu verzinsen, ist sie aber zufolge der Wirkungen von Währungsausfällen nicht in der Lage, die nötigen Mittel zur Abzahlung fälliger Kapitalschulden aufzubringen, so können ihr die von den Kantonen zit bezeichnenden gerichtlichen Instanzen, ohne Durchführung eines Nachlassvertragsverfahrens, für die Abbezahlung fälliger Kapitalbeträge eine Stundung bis längstens 31. Dezember 1924 gewähren. Der letzte kantonale Entscheid kann auf dem Wege der Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden. Die gerichtlichen Instanzen sind befugt, die erforderlichen sichernden Massnahmen zugunsten der Gläubiger zu treffen.

Während der Dauer einer solchen Kapitalstundung ist die Auszahlung von Dividenden ausgeschlossen.

Die Stundung fällt dahin, wenn die fälligen Zinsen nicht bezahlt werden.

Art. 8. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Privatunternehmungen im Gebiete des Versicherungswesens Anwendung.

Der Bundesrat bleibt jedoch ermächtigt, für die Bilanzaufstellung solcher Unternehmungen allgemeine Anordnungen oder besondere Verfügungen zu treffen, die von den gesetzlichen Bestimmungen und den Vorschriften dieses Bundesratsbeschlusses abweichen.

Art. 9. Die Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts sind rechteunwirksam, soweit die vorstehenden Bestimmungen mit ihnen in Widerspruch stehen.

Der vorliegende Bundesratsbeschluss tritt am 31. Dezember 1919 in Kraft. Seine Bestimmungen über die Bilanzaufstellung können auf alle Abschlüsse angewendet werden, die am 31. Dezember 1919 noch nicht vollzogen sind.

B e r n , den 26. Dezember 1919.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Ador.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 betreffend die Folgen der Währungsentwertungen für Aktiengesellschaften und Genossenschaften. (Vom 6. März 1920.)

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17.03.1920

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