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Bericht des

Bandesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs von Brönnimann Fritz, Bahnbeamter in Schwäbis bei Thun.

(Tom 16. Januar 1920.)

Wir beehren uns, Ihnen einen von Fritz Brönnimann, Bahnbeamter in Schwäbis bei Thun, gegen unsern Entscheid vom 23. August 1919 eingereichten Militärsteuerrekurs mit nachfolgenden Ausführungen zur Beurteilung zu unterbreiten : Entgegen einer Selbsttaxation lautend auf Fr. 2200 steuerbares Einkommen ist Brönnimann unter Heranziehung des Frauenerwerbes im Umfange von Fr. 1000 pro 1918 für ein steuerbares Einkommen von Fr. 3200 eingeschätzt worden, was ihm mit Avisbrief vom 10. Mai 1918 zur Kenntnis gebracht wurde. In seiner rechtzeitig eingereichten Einsprache verlangte er unter Berufung auf Art. 191, Absatz 3, und Art. 245 und 246 ZGB Streichung des Frauenerwerbes und gab die Erklärung ab, dass er die Haushaltungskosten selber bestreite und auf einen Beitrag von Seiten seiner Ehefrau verzichte, indem er ihr gemäss Art. 191 ZGB den selbständigen Erwerb als Sondergut überlasse. Dio Einsprache, sowie auch ein Rekurs an die kantonale Militär.direktion, in welchem Brönnimann seine Erklärung erneuert, aber zu deren Bestätigung keine Beweismittel beigebracht hat, sind abgewiesen worden. Eine beim Bundesrat eingereichte Beschwerde hat dieser in seiner Sitzung vom 23. August 1919 abgewiesen. Der Rekurrent beschwert sich nun gegen diesen Entscheid des Bundcsrates innert nützlicher Frist bei der Bundesversammlung und stellt das Begehren : ,,Es sei der Entscheid des Bundesrates vom 23. August 1919 aufzuheben und festzustellen, dass die Abweisung seines Rekurses durch die Militärdirektion des Kantons Bern, welche gemäss Entscheid des kantonal - bernischen Verwaltungsgerichtes nicht berechtigt sei, dem Rekurrenten den Beweis aufzuerlegen, dass er ein von ihr nur vermutetes Einkommen nicht erzielt habe, ungesetzlich sei."

,,Die Einkommenstaxation pro 1918 sei entsprechend seiner Selbstschatzung auf Fr. 2200 herabzusetzen."

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Sein Verlangen auf Abänderung der Einkommenstaxation durch Streichung des Frauenerwerbes stützt der Rekurrent' auf Art. 191, Absatz 3, und Art. 245 und 246 ZGB. In erster Linie ist festzustellen, dass für die Beurteilung der Frage, ob der Frauenerwerb aus selbständiger Arbeit steuerbar sei, nicht die güterrechtlichen Bestimmungen des ZGB, sondern einzig die steuerrechtlichen Vorschriften massgebend sind. Brstere sind nur für die Anwendung der letztem in dem Sinne von Bedeutung, als die zivilrechtlichen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse die tatsächlichen Voraussetzungen für die Besteuerung bilden ; so wird z. B. die Frage, ob das in die Ehe eingebrachte Fraueugut beim Militärpflichtersatz als Vermögen zu besteuern sei, oder ob und in welchem Umfang die Einkünfte aus demselben dem Ehemanne als Erwerb anzurechnen sind, nach dein unter den Ehegatten bestehenden Güterrecht zu entscheiden sein. Die Ersatapflicht im einen und andern Falle bestimmt sich aber nach den militärsteuerrechtlichen Vorschriften. Neben dem Erwerb, welcher mit der Ausübung einer Kunst, mit dem Betriebe eines Berufes^ Geschäftes oder Gewerbes oder mit einem Amte oder einer Anstellung verbunden ist, ist gemäss Art. 5 Bundesgesetz vom 28. Juni 1878 steuerbar der Ertrag1 von Leibrenten, Pensionen und ähnlichen Nutzungen. Als solche sind auch, wie der Bundesrat in konstanter Praxis entschieden hat, Beiträge, welche die Ehefrau aus ihrem Arbeitserwerb dem Ehemann zur Traguug der ehelichen Lasten zuwendet, steuerbar. Wir sind mit dem Rekurrenten einverstanden, dass der Arbeitserwerb der Ehefrau, insoweit er nicht in Form einer Beitragsleistung an die ehelichen Lasten aus der aussehliesslichen Verfügungsgewalt der Ehefrau in diejenige des Ehemannes übergeführt worden ist, bei der Bemessung des steuerbaren Einkommens des Ehemannes nicht in Rechnung gestellt werden kann. Mit Rücksicht auf die gesetzliche Pflicht der Ehefrau, ihren Arbeitserwerb, soweit erforderlich, für die Bedürfnisse des Haushaltes zu verwenden (vgl. Art. 192, Absatz 2, ZGB), ist eine den Verhältnissen angemessene effektive Beitragsleistung aber so lange zu vermuten, als der Beweis dafür, dass die Ehefrau ihren gesamten Arbeitserwerb für persönliche Zwecke verwendet, nicht erbracht ist. In der auf dieser Vermutung gegründeten und im Hinblick auf das Fehlen irgendwelchen
Beweises erfolgten Abweisung der Einsprache, sowie in der Bestätigung des Einspracheentscheides durch die Militärdirektion des Kantons Bern liegt deshalb keine Gesetzesverletzung, und es lag somit für die Aufhebung des kantonalen Rekursentscheides durch den Bundesrat kein Grund vor. Die Abweisung

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der Beschwerde durch den Bundesrat bedeutet auch nicht etwa eine Verletzung des im Steuerrecht allgemein anerkannten und vom Rekurrenten mit dem Hinweis auf einen Entscheid des bernischen Verwaltungsgerichtes angeführten Grundsatzes, dass vom Steuerpflichtigen nicht der Beweis der Negative, d. h. der Beweis, dass er ein bestimmtes Vermögen oder Einkommen nicht habe, gefordert werden dürfe. Denn weil die ßeitragspflicht der Ehefrau eine gesetzliche ist, ist, selbständiger Arbeitserwerb der Ehefrau vorausgesetzt, grundsätzlich eine den Verhältnissen angemessene Beitragsleistung bei der Ermittlung des steuerbaren Einkommens des Ehemannes in Rechnung zu stellen (vgl. hierüber den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs des Gottfried Wagner, Lehrer in Wynigen, vom 3. Oktober 1913, Bundesbl. 1913, IV, 343, dem die Bäte mit Schlussnahme vom 5. Dezember 1913/3. April 1914 zugestimmt haben, Bundesbl. 1915, II, 252). Eine Anrechnung findet nur dann nicht statt, wenn feststeht, dass die Ehefrau auf Grund eines Verzichtes des Ehemannes tatsächlich keine Beiträge leistet.

Die blosse Erklärung des Rekurrenten, er verzichte auf eine Beitragsleistung an die gemeinsamen Kosten der Haushaltung, genügt an sich nicht; sie hätte durch die Vorlage von Haushaltungsbüchern oder Kassenbüchern der Ehegatten oder zum mindesten durch eine Bescheinigung der Ehefrau, dass sie keine Beiträge leiste, ergänzt werden müssen.

In Anbetracht dessen, dass der Rekurrent einerseits zugibt, dass seine Ehefrau Erwerb aus selbständiger Arbeit hat, anderseits den Beweis dafür, dass dieser Erwerb in vollem Umfange und ausschliesslich für persönliche Zwecke seiner Ehefrau verwendet wird, nicht erbracht hat und somit angenommen werden muss, dass von Seiten der Ehefrau ein Beitrag an die gemeinsamen Haushaltungskosten effektiv geleistet werde, beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, es sei der von Fritz Brönnimann erhobene Rekurs als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 16. Januar 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs von Brönnimann Fritz, Bahnbeamter in Schwäbis bei Thun. (Vom 16. Januar 1920.)

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