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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung des Bundes an einer Ausbeutungs- und Verhüttungsgesellschaft für Eisenerze.

(Vom 20. September 1920.)

Auf Anregung der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes wurde im Herbst 1918 eine Studiengesellschaft gegründet, welche sich die eingehende und planmässige Untersuchung der schweizerischen Eisenerzlagerstätten und die elektrische Verhüttung der Bisenerze zum Ziele setzte (siehe 11. Neutralitätsbericht, Seite 92).

Die ,,Studiengesellschaft für die Nutzbarmachung der schweizerischen Erzlagerstätten", wie die gegründete Gesellschaft heisst, begann ihre Tätigkeit damit, dass sie alle bekannten Eisenvorkommen in geologischer und bergmännischer Beziehung untersuchte. Dabei ist es ihr gelungen, ein bis heute unbekanntes oder doch wenigstens in vollständige Vergessenheit geratenes Eisenerzlager zu entdecken, das in bezug auf Erzmenge und Erzqualität für die schweizerische Volkswirtschaft von grosser Bedeutung werden dürfte. Es handelt sich um das Eisenerzvorkommen, das sich zwischen den Dörfern Herznach und Wölflinswil im Fricktal erstreckt und einen ungefähren Flächeninhalt von wenigstens 500 Hektaren besitzt. Die Mächtigkeit der Erzschicht beträgt zwischen 2,5 und 3 m. Die Überlagerung derselben wechselt zwischen 10--50 m. Die Oberfläche, unter welcher sich das Erzlager befindet, wird grösstenteils durch wenig fruchtbares Wiesland und Wald gebildet. Nach den vielen bis heute ausgeführten Analysen beträgt der Eisengehalt der.Erze im Mittel 31 %, während ein mittlerer Kalk- und Kieselsäuregehalt von 10% bzw. 16% ermittelt wurde.

Die Studiengesellschaft Hess ausser den Schürfungen, die zur Entdeckung des Erzlagers führten, eine ganze Anzahl Kernbohrungen ausführen. Durch dieselben ist bis heute ein Gebiet

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von ungefähr 190 Hektaren vollständig erschürft und mit absoluter Sicherheit eine Erzmenge von wenigstens 15 Millionen Tonnen festgestellt. Die vorhandene, aber noch nicht vollständig erschürfte Erzmenge ist jedoch bedeutend grösser und dürfte über 22 Millionen Tonnen betragen. Durch einen Probeabbau, den die genannte Gesellschaft ebenfalls ausführen liess, hat sich erwiesen, dass die Abbaubedingungen des Erzes sehr günstige sind. Die Lagerstätte lässt sich in bezug auf die Abbauverhältnisse und die Zusammensetzung des Erzes am besten mit den Eisenerzvorkommen in Lothringen vergleichen. Es besteht aus diesem Grunde kein Zweifel, dass die Ausbeutung und Verwertung des Erzes in wirtschaftlicher Weise möglich ist. Welche Bedeutung der Lagerstätte für unsere Volkswirtschaft zukommt, geht am besten daraus hervor, dass die bis heute mit Sicherheit erschürfte Erzmenge von 15 Millionen Tonnen genügen wtirde, um den vorkriegszeitlichen Bedarf an Roheisen der Schweiz (zirka 100,000 Tonnen) während etwa 45 Jahren vollständig zu decken. Die Studiengesellschaft hat vom Kanton Aargau für die Ausbeutung der Erzlager eine Konzession erworben, deren Dauer 60 Jahre beträgt.

Durch die Erschürfung dieses wichtigen Erzvorkommens ist indessen erst ein Teil der Aufgabe gelöst, welche darin besteht, die Schweiz in wirtschaftlicher Beziehung vom Auslande unabhängiger zu machen. Die entdeckten Erze müssen auch in der Schweiz verhüttet werden. Da wir jedoch nicht über eigene, hierzu geeignete Kohlen verfügen, kommt als Verhüttungsart nur die elektrische Verhüttung in Betracht. Dieselbe erfordert statt 1100--1300 kg Koks, welche für die Verhüttung der Erze, im gewöhnlichen Hochofen nötig wären, nur etwa 350 kg Koks pro Tonne erblasenen Roheisens. Dagegen wird dem Elektrohochofen als Ersatz eine ziemlich grosse Menge elektrischen Stromes zugeführt. Die elektrische Verhüttung kann infolgedessen mit dem Minimum von ausländischen Rohstoffen durchgeführt werden und bietet unsern einheimischen Elektrizitätswerken ausserdem eine gute Gelegenheit zur Verwendung der Abfallkraft. Sie ist in jeder Beziehung die wirtschaftlichste Lösung und muss unbedingt angestrebt werden.

Dagegen sind im elektrischen Hochofen noch verschiedene technische und wirtschaftliche Probleme zu lösen, da bis heute auch in Skandinavien, wo diese Verhüttungsart
am meisten Boden gefasst hat, noch keine Erze, die den Fricktaler Erzen ähnlich sind, verhüttet wurden und als Kohlenstoffträger im allgemeinen nur Holzkohle verwendet wird. Es sind infolgedessen

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in den zu erstellenden Hochöfen noch eine ganze Reihe von kostspieligen Versuchen durchzuführen. Nach der Meinung der Fachleute ist jedoch am Erfolg derselben nicht zu zweifeln.

Die Erstellung der Elektrohochöfen nebst allen dazu gehörigen Anlagen, die Vorrichtung und Installation des Bergwerkes und nicht zuletzt die Durchführung der genannten Versuche erfordern dagegen die Investition grösserer Kapitalien, trotzdem -, vorläufig nur an die Herstellung von Roheisen gedacht wird.

Die Gründung einer Verhüttungsgesellschaft, welche die nötigen Mittel aufzubringen hat, ist unter den heutigen finanziellen Verhältnissen begreiflicherweise nicht leicht.

Anderseits hat jedoch die schweizerische Volkswirtschaft ein grosses Interesse daran, dass die Herstellung von Eisen aus schweizerischen Erzen so rasch als möglich an die Hand genommen wird, da wahrscheinlich noch für unabsehbare Zeit in der ganzen Welt Mangel an Roheisen 'bestehen wird. Neben unserer hochentwickelten Maschinenindustrie ist aber auch die Landwirtschaft am Zustandekommen einer Verhüttungsanlage interessiert, da später wahrscheinlich ein nicht geringer Teil des Eisens in flüssigem Zustande in Stahl umgewandelt wird, wobei infolge des Phosphorgehaltes der Erze ansehnliche Mengen von Thomasschlacke gewonnen werden könnten. "Wie schon erwähnt, dürfte die Verhüttung der Fricktaler Erze auch für die schweizerischen Elektrizitätswerke ein gewisses Interesse bieten. Bekanntlich haben ganz besonders die Niederdruckwerke Schwierigkeiten, die ihnen zur Verfügung stehende Sommerkraft abzusetzen.

Da sich der elektrische Hochofen der zur Verfügung stehenden Kraft besser als jeder andere Kraftkonsument anpassen kann, ist die elektrische Verhüttung infolgedessen berufen, in bezug auf die wirtschaftliche Ausnützung der schweizerischen Wasserkräfte eine bedeutende Rolle zu spielen.

Die Schweiz ist bekanntlich ein an mineralischen Rohstoffen armes Land. Um so mehr ist es Pflicht, die vorhandenen abbauwürdigen Lagerstätten zu verwerten. Während des Krieges setzten in allen uns umgebenden Staaten eifrige Bestrebungen ein, die eigenen Rohstoffe intensiver, als es früher geschehen war, auszubeuten, um sich vom Auslande in wirtschaftlicher Beziehung unabhängiger zu machen. Auch unter den heutigen Verhältnissen werden dieselben mit vollem Recht fortgesetzt. Wir
glauben deshalb, dass es richtig ist, wenn wir die schweizerischen Bestrebungen, die einen ähnlichen Zweck verfolgen, in jeder Beziehung unterstützen. Da die schweizerische Volkswirtschaft ein ganz besonderes Interesse daran hat, dass die entdeckten Erze im

361 elektrischen und nicht im gewöhnlichen Hochofen verhüttet werden, anderseits jedoch der Erfolg der elektrischen Verhüttung noch von den vorzunehmenden Versuchen abhängt, kann die Durchführung dieser Versuche der schweizerischen Industrie nicht wohl allein zugemutet werden. Diese würde auch die nötigen Summen allein nicht aufbringen. Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass die Fricktaler Konzession von der Studiengesellschaft ohne jeden Gewinn auf die zu gründende Ausbeutungs- und Verhüttungsgesellschaft übertragen wird. Durch seine Beteiligung sichert sich der Bund zusammen mit dem Kanton Aargau einen Einfluss auf die Unternehmung.

Die erwähnten vorzunehmenden kostspieligen Versuche über die elektrische Verhüttung erfordern, dass bei der Finanzierung auf diesen Umstand Rücksicht genommen wird. Die Studiengesellschaft für die Nutzbarmachung der schweizerischen Erzlagerstätten suchte deshalb ursprünglich um Verabfolgung eines Bundesbeitrages à fonds perdu nach. Das mit den Vorarbeiten betraute Volkswirtschaftsdepartement nahm dagegen den Standpunkt ein, dass es nicht angängig sei, dem Bund allein das Risiko für diese technischen Versuche zu überlassen, deren Resultat dann später doch im wesentlichen der Privatindustrie zugute kommen dürften. Um die Verteilung auf alle Beteiligten gleichmassig durchzuführen, ist deshalb in Aussicht genommen, dass die auf nominell Fr. 5000 lautenden Aktien mit einem Aufgeld von Fr. 1000 einbezahlt werden, so dass von Anfang an zum Zwecke der Versuche eine Reserve von 20 % des Aktienkapitals besteht. Dadurch wird es möglich sein, zur Erprobung der elektrischen Verhüttung eine genügende Summe auszuwerfen, ohne dass dadurch das Aktienkapital der Gesellschaft in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei dieser Lösung werden Bund und übrige Beteiligte gleichgestellt.

Von den der schweizerischen Metall- und Maschinenindustrie angehörenden Mitgliedern der Studiengesellschaft, welchen das Recht zur Beteiligung an der zu gründenden Gesellschaft in erster Linie zusteht, ist bis heute ein Gesamtbetrag von rund 2 Millionen Franken zugesichert worden.

In Aussicht stehen ferner vom Kanton Aargau für ihn und die Aargauischen Kraftwerke wenigstens Fr. 300,000 und von Seiten der Schweizerischen Zementindustrie wenigstens Fr. 200,000.

Es ist anzunehmen, dass der Kreis der Beteiligten
noch auf weitere Interessenten ausgedehnt werden kann. Im ganzen sollten 4 Millionen aufgebracht werden. Das Kapital würde nach den Aufstellungen der Studiengesellschaft folgende Verwendung finden :

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1. Einrichtung des Bergwerkes inklusive Anschaffung von Motorwagen für den Erztransport zirka Fr. 750,000 2. Elektrochemisches Werk ,, ,, 1,300,000 3. Erstellung von elektrischen Hochöfen und nötige Installationen ,, ,, 1,450,000 4. Vorläufiges Betriebskapital . . . . ,, ,, 500,000 Total zirka Fr. 4,000,000 Wir beehren uns daher, Ihnen den nachfolgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 20. September 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

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Der Bundeskanzler: Steiger.

363 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Beteiligung des Bundes an einer schweizerischen Ausbeutungs- und VerhUttungsgesellschaft für Eisenerze.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. September 1920, beschliesst: Art. 1. Der Bund beteiligt sich an einer Ausbeutungs- und Verhüttungsgesellschaft, welche nur mit schweizerischem Kapital gebildet wird und deren Zweck die Ausbeutung und Verhüttung der schweizerischen Erzlagerstätten, insbesondere des Fricktaler Eisenerzvorkommens, ist, mit l,« Millionen Franken. Diese Beteiligung hat zur Voraussetzung, dass das gesamte aufzubringende Kapital wenigstens 4 Millionen Franken beträgt und dass der Bund seiner Kapitalbeteiligung entsprechend im Verwaltungsrat der Gesellschaft vertreten ist.

Art. 2. Dieser Beschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung desselben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung des Bundes an einer Ausbeutungs- und Verhüttungsgesellschaft für Eisenerze. (Vom 20.

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