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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 9. April 1920 betreffend Bekämpfung .der Miet- und Wohnungsnot.

(Vom 18. Mai 1920.)

Eine der Wirkungen des Krieges, die sich am schärfsten für die Gesamtheit der Bevölkerung fühlbar machen, ist die Wohnungsnot; sie wird auch eine der nachhaltigsten Folgeerscheinungen sein. Durch den Ausbruch des Weltkrieges wurde die private Bautätigkeit beinahe vollständig lahmgelegt. Die Folgen dieses Stillstandes machten sich anfänglich nicht bemerkbar, da zufolge der Abwanderung zahlreicher Ausländer die Wohnbevölkerung sich verminderte. Allein dieser Ausgleich konnte nicht von Dauer sein. Die natürliche Bevölkerungsvermehrung hatte ihn bald wettgemacht und musste, da ihr keine entsprechende Vermehrung der Zahl der Wohnungen gegenüberstand, notwendig zu einem Wohnungsmangel führen. Dieser fing denn auch 2--3 Jahre nach Kriegsausbruch an, sich geltend zu machen, zunächst vornehmlich in grössern Städten und Industrieorten. Er nahm immer schärfere Formen an und dehnte sich über immer weitere Gebiete aus; heute ist er, allerdings in verschiedener Intensität, über den grössten Teil des Landes verbreitet. Wohl suchten namentlich städtische Gemeinden der wachsenden Kalamität durch Erstellung von Wohnbauten entgegenzutreten, aber sie vermochten den aus dem Versagen der privaten Bautätigkeit herrührenden Ausfall nur teilweise zu decken.

Viele Städte und andere Ortschaften sahen sich daher gezwungen, seit einigen Jahren obdachlose Familien in eigens erstellten Wohnbaracken und öffentlichen Gebäuden (insbesondere Schulhäusern) unterzubringen.

Der Bundesrat hat wiederholt von seinen ausserordentlichen Vollmachten Gebrauch gemacht, um Massnahmen zum Schutz der Mieter und zur Bekämpfung der Wohnungsnot zu treffen. Zu

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Beginn des Krieges, am 26. August 1914, erliess er einen Beschluss betreffend die Ausweisung von Mietern (Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 413). Dieser Erlass hatte allerdings keinen Zusammenhang mit der Wohnungsnot, die ja damals noch nicht existierte.

Er stellte sich vielmehr als eine mit Rücksicht auf die ökonomische Bedrängnis mancher Mieter getroffene Schonungsmassnahme dar, indem er die zuständige Behörde anwies, bei einer Notlage des Mieters auf dessen Gesuch die gesetzliche Frist, nach deren Ablauf bei Rückständigkeit des Mieters in der Zinszahlung die Ausweisung verlangt werden kann, angemessen zu erstrecken.

Vom Jahre 1917 hinweg trat als Folge der empfindlich gewordenen Wohnungsknappheit ein .starkes Ansteigen der Mietzinse zutage; wie bei jeder Ware, so wirkte auch auf dem Wohnungsmarkt das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf die Preisbildung. Eigennützige, nur auf ihren Vorteil bedachte Vermieter nützten die. Situation durch die Forderung übermässiger Mietzinse aus. Die Mieter aber Hessen sich in der Regel aus Furcht vor der Kündigung den Aufschlag gefallen, und wer eine neue Wohnung suchte, zahlte auch einen offenbar übersetzten Zins, um nur ein Obdach zu finden. Die Klagen über solche Ausbeutung mehrten sich derart, dass der Bundesrat sich veranlasst sah, einzuschreiten. Durch seinen Beschluss vom 18. Juni 1917 betreffend Schutz von Mietern gegen Mietzinserhöhungen und Kündigungen (Gesetzsammlung, Bd. XXXIII, S. 397) ermächtigte er die Kantone und Gemeinden, auf dem Verordnungswege Behörden zu bezeichnen oder zu schaffen mit der Aufgabe, auf Ersuchen des Mieters Mietzinserhöhungen und Kündigungen des Vermieters zu überprüfen und unzulässig zu erklären, wenn sie nach den Umständen des Falles als nicht gerechtfertigt erschienen. Eine sachliche Erweiterung erfuhr dieser Erlass durch den Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918 betreffend Mieterschutz (Gesetzsammlung, Bd. XXXIV, S. 811).

Einerseits wurde die Kompetenz der Mieterschutzbehörden ausgedehnt auf Zinssteigerungen und Kündigungen des Erwerbers im Falle der Veräusserung des Hauses, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Käufer den Mietvertrag übernommen hatte oder nicht; diese Neuerung erwies sich als notwendig, um die Umgehung des Bundesratsbeschlusses durch wirkliche oder bloss vorgeschobene Handänderung zu
verhindern. Andererseits wurde die Einsetzung kantonaler Rekursinstanzen vorgeschrieben, um eine bessere Gewähr für objektive Rechtsprechung der Gemeindebehörden zu schaffen.

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Von der durch die Beschlüsse vom 18. Juni 1917 und 5. August 1918 ihnen erteilten Ermächtigung machten alsbald eine Keine von Kantonen Gebrauch, deren Zahl sich immer mehrte. Im Zeitpunkt des Erlasses unseres neuen Beschlusses vom 9. April 1920 bestanden von uns genehmigte Mieterschutzverordnungen in sämtlichen Kantonen ausser Uri, beiden Unterwaiden, beiden Appenzell, Wallis und Tessin.

Aber der Bundesrat begnügte sich nicht damit, die Folgen der Wohnungsnot zu bekämpfen. Er ging weiter und suchte die Kantone in den Stand zu setzen, den Ursachen des Übels selbst entgegenzutreten oder wenigstens eine weitere Verschärfung desselben soweit als möglich zu verhüten. Diesem Zweck dienten die Bundesratsbeschlüsse vom 29. Oktober 1918 betreffend Bekämpfung der Wohnungsnot durch Beschränkung der Freizügigkeit (Gesetzsammlung, Bd. XXXIV, S. 1090) und vom 8. November 1918 betreffend Inanspruchnahme unbenutzter Wohnungen (Gesetzsammlung, Bd. XXXIV, S. 1144). Der erste ermächtigte die Kantone, die Niederlassung und den Aufenthalt in den unter Wohnungsnot leidenden Gebieten vom Nachweis der Notwendigkeit der Anwesenheit in dem Gebiete abhängig zu machen, derart, dass zuwandernden Personen, die diesen Nachweis nicht zu erbringen vermögen, die Niederlassung oder der Aufenthalt verweigert und dass ausnahmsweise sogar bereits ansässige Personen unter der nämlichen Voraussetzung des Ortes verwiesen werden können. Auch diese Massregel ist in weitem Umfang zur Anwendung gelangt. Kraft des zweiten Beschlusses können die Kantonsregierungen zuhanden der Gemeinden und unter bestimmten Kautelen Wohnungen und zu Wohnungen sich eignende Räume, die unbenutzt sind oder zu andern als Wohnzwecken benutzt werden, in Anspruch nehmen, um darin obdachlose Personen und Familien unterzubringen und damit allen zum Wohnen geeigneten Raum auszunützen.

Die bisherigen Erlasse haben im ganzen, soweit wir beobachten konnten, eine günstige Wirkung ausgeübt. Die Mieterschutzverordnungen der Kantone und Gemeinden ermöglichten in einer sehr grossen Zahl von Fällen dem Mieter, ungerechtfertigte Mietzinsaufschläge aufheben oder übertriebene auf einen angemessenen Betrag herabsetzen zu lassen ; sie ersparten dem Mieter oft grundlose Kündigungen, deren Vollziehung ihn genötigt hätte, meist unter Aufwendung eines höheren Zinses eine neue Wohnung
zu suchen. Ohne Zweifel bleibt übrigens die Bedeutung dieser Verordnungen nicht auf die Fälle beschränkt, in denen mit Erfolg der behördliche Entscheid angerufen wird; ebenso hoch ist

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ihre prophylaktische Wirkung einzuschätzen, die den Vermieter abhält, Mietzinssteigerungen vorzunehmen, mit denen bei der Behörde durchzudringen er keine Aussicht hat. Die Beschränkung der Freizügigkeit hat bewirkt, dass die schon übervölkerten Orter namentlich die grössern Städte, nicht mehr machtlos der weitem Zuwanderung zahlreicher Personen gegenüberstehen, die nicht auf den Ort angewiesen sind. Weniger häufig und wichtig ist die zwangsweise Inanspruchnahme unbenutzter Wohnungen, da es heute nur ausnahmsweise vorkommt, dass Wohnräume ohne Grund ihrer bestimmungsgemässen Verwendung vorenthalten werden ; doch hat dieser Erlass den Behörden eine willkommene Waffe gegen böswillige Weigerung des Eigentümers in die Hand gegeben und wirkt wohl ebenfalls vorbeugend.

Allein die bisherigen Erlasse haben sich als unzureichend erwiesen, um ihren Zweck, der Wohnungsnot und ihren Auswüchsen entgegenzutreten, so wirksam zu erfüllen, als es durch Massnahmen rechtlicher Natur geschehen kann. Seit längerer Zeit gingen uns mannigfache Kundgebungen von Behörden und Privaten zu, die eine Erweiterung der einschlägigen Notstandsgesetzgebung befürworteten ; auch im Parlament wurden dahingehende Postulate eingebracht. Auf dem Gebiete des Mieterschutzes im engern Sinne wurden namentlich drei Mängel empfunden. Einmal konnte nach bisherigem Recht die behördliche Überprüfung des Mietzinses nur Platz greifen bei Zinssteigerung des Vermieters gegenüber seinem bisherigen Mieter, während beim Abschluss neuer Verträge der Mieter übertriebenen Mietzinsforderungen der Vermieter gegenüber schutzlos war. Sodann hatten da und dort Vermieter begonnen, durch Abschluss befristeter, ohne Kündigung ablaufender Mietverträge den Mieter der Möglichkeit zu berauben, wie im Falle der Kündigung den behördlichen Entscheid anzurufen, und konnten auf diese Weise auch jedesmal bei Ablauf der Vertragsdauer ungehindert den Mietzins erhöhen. Endlich aber führte das Fehlen einer Norm für die Bemessung des Mietzinses zu beständigen Klagen der Vermieter über einseitige Rechtsprechung einzelner Mietämter.

Manche Kantone empfanden ein dringendes Bedürfnis, gewissen Erscheinungen, die zur Verschärfung der Wohnungsnot beitragen, entgegentreten zu können, namentlich der häufigen Umwandlung von Wohnungen in Geschäftsräume. Für industriereiche Kantone wäre
es von grossem Wert, bei Gründung neuer und Erweiterung bestehender Etablissemente die Unternehmer zur Beteiligung bei der Schaffung von Wohngelegenheit für die zuwandernden Angestellten und Arbeiter und ihre Familien heranziehen zu

217 können. Schon beim ersten Auftreten der Wohnungsnot wurde der Ruf nach behördlicher Überwachung des städtischen Liegenschaftenhandels zur Bekämpfung der Spekulation als eines preistreibenden Faktors laut. Schliesslich hat es sich auch gezeigt,, dass dem eigentlichen Mietzinswucher nicht überall auf Grund der kantonalen Strafgesetze beizukommen ist, und daraus ist das-, Bedürfnis erwachsen, die Kantone zum Erlass von Strafbestimmungen auf dem Verordnungswege zu ermächtigen.

Alle uns zugegangenen Wünsche und Postulate, von denen die wichtigsten vorstehend kurz angedeutet wurden, unterwarfen: wir einer eingehenden Prüfung. Einzelne Begehren mussten von.

vorneherein ausscheiden, weil nicht einer Notwendigkeit entsprechend oder zu weitgehend (z. B. die allgemeine Rationierung der Wohnräume). Im ganzen aber konnten wir uns der Überzeugung^ nicht verschliessen, dass die bisherigen Massnahmen der Verbesserung und Ergänzung fähig und bedürftig seien und das& ihnen neue Massnahmen beigefügt werden müssen. Es war gegeben, die bisherigen Erlasse bei Anlass der notwendigen materiellen Revision vereinigt mit den neu einzuführenden Massnahmen, in einen einzigen Beschluss zusammenzufassen, der die Übersicht erleichtert und gewisse einheitliche Normen über die Organisation, der Behörden und das Verfahren aufzustellen ermöglicht. Der Beschluss vom 9. April 1920 ist hervorgegangen aus einem Entwurf, den das Justiz- und Polizeidepartement, um über die tatsächlichen Verhältnisse und die Bedürfnisse der Praxis möglichst unterrichtet zu werden, durch .eine Expertenkommission beraten liess, in die neben Abgeordneten der Regierungen der am meisten, unter der Wohnungsnot leidenden Kantone Vertreter der hauptsächlich beteiligten Verbände und Interessentengruppen berufen waren. Die Kommission stimmte dem Entwurf im grossen und ganzen zu.

Die im ursprünglichen Entwurfe vorgesehenen Vorschriften über die Verpflichtung von Unternehmern zur Sorge für die Wohnungen ihrer Arbeiter haben wir, um die übrigen dringlichen Massregeln den Kantonen vor dem vielerorts wichtigenKündigungs- und Umzugstermin des 1. Mai zur Verfügung stellenzu können, zur endgültigen Abklärung und Behandlung in einem besondern Erlasse herausgenommen ; sie sollen in allernächster Zeit nachfolgen.

Im einzelnen haben wir zu unserem Beschluss vom 9. April 1920 die nachfolgenden Erläuterungen anzubringen.

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I. Allgemeine Bestimmungen.

Der Gegenstand der Notverordnung bringt es mit sich, dass d i e letztere k e i n e f ü r d a s g a n z e G e b i e t d e r S c h w e i z v e r b i n d l i c h e n V o r s c h r i f t e n aufstellt. Die Wohnungsnot herrscht nicht im ganzen Lande in solcher Intensität, dass sie überall behördliche Massnahmen notwendig machen würde. Wir haben uns deshalb damit begnügt, den Kantonen die E r m ä c h t i g u n g -- ohne Zwang -- zu erteilen, nach Massgabe des Bedürfnisses die Bestimmungen des Beschlusses oder einzelne derselben anwendbar zu erklären, sei es für das ganze Kantonsgebiet, sei es nur für einzelne Gemeinden (Art. 1). Der Beschluss charakterisiert sich somit als eine die Kompetenz der Kantone zu ausserordentlichen Massnahmen begründende R a h m e n v e r ·ordnung.

Die Anwendung der bundesrechtlichen Normen bedingt nach dem Gesagten A u s f ü h r u n g s b e s t i m m u n g e n der Kantone.

Und zwar müssen diese, sollen sie rechtzeitig wirksam werden, durch V e r o r d n u n g e n der K a n t o n s r e g i e r u n g e n getroffen werden können (Art. 2, Abs. 1) ; der Weg der ordentlichen Gesetzgebung oder der Erlass von Verordnungen durch die Grossen Räte wäre zu umständlich und zeitraubend. Der Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918 betreffend Mieterschutz gestattete die Delegation der Kompetenz zum Erlass von Ausführungsverordnungen an die Gemeinden. Wir haben jedoch vorgezogen, diese Befugnis fallen zu lassen, da die Kantonsregierungen ja ohnehin frei sind, die ihnen passenden Vorschriften des neuen Bundesratsbeschlusses auch nur in einzelnen Gemeinden «inzuführen. Dies wird dem Bedürfnis nach Differenzierung genügen, und es ist nicht wünschenswert, durch von Gemeinde zu Gemeinde verschieden lautende Ausführungserlasse die Rechts^ersplitterung noch zu vermehren. Immerhin haben wir in Art. 24 den Kantonen die Möglichkeit vorbehalten, die bisher von Gemeinden ·erlassenen Mieterschutzverordnungen fortbestehen zu lassen.

Die Ausführungserlasse der Kantone dürfen in der Abänderung materiellen Rechts nicht über den durch den Bundesratsbeschluss gezogenen Rahmen hinausgehen. Um hierüber eine Kontrolle ausüben zu können, ist in Art. 2, Abs. 2, zur Gültigkeit dieser Erlasse, wie bisher der Mieterschutzverordnungen, die G e n e h m i g u n g durch die Bundesbehörde
vorgeschrieben. Sie wurde anfänglich durch den Bundesrat, seit dem Beschluss vom 5. August 1918 durch das Justiz- und Polizeidepartement erteilt.

Diese Vereinfachung hat sich bewährt und wurde auch in der

219 Expertenkommission von den Vertretern der Kantone ausdrücklich gutgeheissen. Die bisherigen Erlasse der Kantone sollen dem Justiz- und Polizeidepartement ebenfalls noch zur Genehmigung unterbreitet werden, soweit sie bisher einer? solchen nicht bedurften (Art. 65, Abs. 3j.

Ihrem Wesen nach gehen die Vorschriften des Bundesratsbeschlusses meist dahin, bestimmte, sonst dem Belieben des einzelnen oder der Parteien überlassene Handlungen oder Vereinbarungen von einer behördlichen Bewilligung abhängig zu machen oder auf Begehren einer Partei einem behördlichen Entscheid zu unterwerfen. Sache der Kantone ist es, diese B e h ö r d e n zu bezeichnen oder zu schaffen und das V e r f a h r e n zu ordnen (Art. 3 und 4). Sie können auch in der Regel B e h ö r d e n der G e m e i n d e n zuständig erklären oder den Gemeinden die Bezeichnung der Behörden überlassen. Immerhin verlangt der Bundesratsbeschluss, um bessere Gewähr für objektive Entscheidungen zu schaffen, meist die Möglichkeit der W e i t e r z i e h u n g an k a n t o n a l e B e h ö r d e n (Art. 21, 24, Abs. 3, 31, Abs. l, 33), oft an die K a n t o n s r e g i e r u n g selbst (Art. 31, Abs. 2, 41, 47, 52). Eine Weiterziehung der Entscheide an die Bundesbehörden dagegen haben wir ausgeschlossen, da sie zu weit führen würde (Art. 5). In gewissen Fällen, wo eigentliche Rechtsfragen zu entscheiden oder die Gemeinden finanziell interessiert sind, ist die Kompetenz des Richters vorbehalten (Art. 9, 22, 39, Abs. 4).

Um nicht den als notwendig erachteten Schutz wieder illusorisch werden zu lassen, mussten wir ausdrücklich bestimmen, dass auf die Anrufung der gestützt auf den Bundesratsbeschluss eingesetzten Behörden nicht zum voraus verzichtet werden kann (Art. 3, Abs. 2).

IL Bestimmungen über Àbschluss und Kündigung von Mietverträgen und über Mietzinse.

Das Obligationenrecht geht bei der Ordnung des Mietverhältnisses vom Prinzip der Vertragsfreiheit aus. Wir haben bereits ausgeführt, dass die Voraussetzung derselben, das freie, natürliche Spiel von Angebot und Nachfrage; durch die Kriegsfolgen auf weitestem Räume ausgeschaltet und durch eine wirtschaftliche Unfreiheit, des Mieters ersetzt wurde. Im vollen Bewusstsein, dass nur schwerwiegende Gründe dem Bundesrat das Recht geben, zur Wahrung der wirtschaftliehen Interessen des Landes von seinen ausserordentlichen Vollmachten Gebrauch zu machen,

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durch Einschränkung der Vertragsfreiheit, ist er angesichts der eidgenössischen Bedeutung der Mietnot schon im Jahre 1917 dazu geschritten, der scharf einsetzenden Steigerung der Mietzinse Schranken aufzuerlegen. Im nämlichen Umfang muss das freie Kündigungsrecht eingeschränkt werden, da sonst jede unzulässige Mietzinssteigerung einfach auf dem Wege der Kündigung durchgesetzt werden kann; die Erhöhung des Mietzinses stellt sich ja rechtlich ebenfalls als Kündigung des Mietvertrages^ dar. Im II. Abschnitt unseres neuen Beschlusses haben wir die bisher zum Schutz der Mieter gegen ungerechtfertigte Mietzinssteigerungen und Kündigungen erlassenen Vorschriften neu geordnet (Art. 10--23}, zum Teil durch Präzisierung und Einschränkung (Art. 11 und 12, 16, 18, 19), zum Teil durch Erweiterung (Art. 14, 15, 20), und haben ihnen einige auf den Abschluss von Mietverträgen bezügliche Bestimmungen (Art. 7,, 8 und 9) beigefügt.

Freilich haben nicht alle Vermieter die Notlage der Mieter durch die Forderung übertriebener Mietzinse ausgenützt; gross ist die Zahl derer, die von ihrem von Einsicht und Billigkeitsgefühl diktierten Verhalten gegenüber den Mietern nicht abgewichen sind. Sie sind es nicht, die das Einschreiten des Gesetzgebers veranlasst haben; sie brauchen es aber auch nicht zu fürchten. Wir haben uns gerade bei der Revision der Mieterschutzbestimmungen angelegen sein lassen, auch dem Vermieter vermehrte Garantien gegen Missachtung seiner berechtigten Interessen zu geben und Gerechtigkeit für den Vermieter wie für den Mieter zu schaffen.

Der Zweck der Vorschriften des II. Abschnitts bringt es mit sich, dass in der Umschreibung ihres s a c h l i c h e n Gelt u n g s b e r e i c h e s .den Kantonen Freiheit gelassen werden muss.

Der Stillstand der Bautätigkeit hat vor allem zu einem Mangel an W o h n u n g e n und W o h n r ä u m e n geführt, und auf dem Wohnungsmarkt sind seine fatalen Wirkungen bei weitem am schärfsten aufgetreten. Daher sollen sich die Bestimmungen im Zweifel auf Mietverträge über Wohnungen und Wohnräume, mit, Einschluss also vermieteter Einzelzimmer, erstrecken ; den Kantonen bleibt es aber vorbehalten, sie durch eine ausdrückliche Vorschrift auf weitere Kategorien unbeweglicher Sachen, insbesondere auf G e s c h ä f t s r ä u m e , auszudehnen (Art. 6). Hierfür kann namentlich mit
Rücksicht auf kleinere Geschäftsbetriebe ein Bedürfnis sich geltend machen, wenn ein Mietvertrag zugleich Wohnung und Geschäftsräume umfasst oder ein Kaufmann oder

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Gewerbetreibender durch die Kündigung seines Geschäftslokals seinen Kundenkreis einbüsst.

Im einzelnen gestattet der H. Abschnitt den Kantonen die Einführung folgender Massnahmen: 1. Sie können für die Gemeinden oder einzelne derselben den a m t l i c h e n W o h n u n g s n a c h w e i s fakultativ oder obligatorisch einführen (Art. 7). Diese Bestimmung ist durch Vorschläge aus Mieterkreisen " sowie durch die Motion Jäger im Nationalrat angeregt worden. Bei grossem Wohnungsmangel werden die frei werdenden Wohnungen gewöhnlich unter der Hand weiter vermietet ; sie sind schon vergeben, bevor die Grosszahl der Wohnungsuchenden etwas davon vernimmt. Das kann zu Missbräuchen führen und begünstigt die ungebührliche Steigerung der Mietzinse. Um der Behörde einen Überblick über die Lage des Wohnungsmarktes zu ermöglichen, sollen daher die Hauseigentümer zur An- und Abmeldung der Wohnungen verpflichtet werden können. Ein auch angeregter gleicher Zwang für die Mieter wurde von uns abgelehnt, weil diese zwar für die Kontrolle gelegentlich nützliche Massnahme in der Regel doch nur zur überflüssigen Doppelspurigkeit geführt und für den mobilen Mieter eine lästige Auflage bedeutet hätte. Ausdrücklich wird bestimmt, dass mit der Zuweisung von Wohnungen k e i n Z w a n g zum A b s c h l u s s von M i e t v e r t r ä g e n verbunden werden darf; die Tätigkeit der Behörde hat sich darauf zu beschränken, durch Vermittlung der Kenntnis von Wohnungsangeboten und der Nachfrage nach solchen den Abschluss von Mietverträgen zu erleichtern.

Vorbehalten bleibt die Inanspruchnahme unbenutzter Wohnungen gemäss Art. 36 ff.

2. Aus dem U n t e r v e r m i e t e n g e m i e t e t e r R ä u m e wird vielfach ein einträgliches Geschäft gemacht, und es hat auch zu Klagen in sittlicher Beziehung Anlass gegeben. Ganze Wohnungen werden gemietet und die einzelnen Zimmer als möblierte mit grossem Gewinn weiter vermietet. Wenn die Untervermietung g e w e r b s m ä s s i g geschieht, soll sie daher behördlich überwacht und Beschränkungen unterworfen werden können (Art. 8). Nicht unter diese Bestimmung fällt in der Regel die Untervermietung einzelner entbehrlicher Zimmer einer yj3m Untervermieter selbst bewohnten Wohnung, weil sie keine gewerbsmässige ist; trifft dieses Erfordernis auch zu (z. B. eine Witwe findet aus der Untervermietung von Zimmern ihr Einkommen), so wird die Behörde doch bei einwandfreiem Verhalten des Untervermieters nicht einschreiten.

222 3. Die missliche Lage des Mieters kann nicht nur durch Forderung eines hohen Mietzinses, sondern nach vielfach bezeugten Erfahrungen auch durch A u f b ü r d u n g von V e r p f l i c h t u n g e n ausgebeutet werden, die ü b e r die B e z a h l u n g e i n e s M i e t z i n s e s h i n a u s g e h e n und an denen der Mieter kein Interesse hat (der Abschluss des Mietvertrages wird z. B.

vom Vermieter an die Bedingung geknüpft, dass der Mieter eine Hypothek übernimmt oder in den zu vermietenden Räumen sich befindende Möbel, für die er keine Verwendung hat, dem Vermieter abkauft). Solche den Mieter belastende N e b e n a b r e d e n sollen verboten werden können (Art. 9). Allein es gilt wohl zu unterscheiden. Derartige Vereinbarungen können vom Mieter selbst gewollt sein und haben dann nichts Stossendes an sich.

Nur wenn der Mieter glaubhaft zu machen vermag, dass er au» begründeter Befürchtung, bei Ablehnung des Vertrages keine andere Wohnung zu finden, auch die Nebenverpflichtung auf sich genommen hat, unterliegt diese der Anfechtung und ist vom Richter aufzuheben. Meist wird die Beifügung solcher Klauseln die Höhe des Mietzinses beeinflussen; alsdann hat der Richter den aus ihrer Aufhebung sich ergebenden Ausfall durch angemessene Erhöhung des Mietzinses auszugleichen, sofern dem Vermieter nicht eine absichtliche Ausbeutung der Notlage des Mieters, zur Last fällt.

4. Die grösste Bedeutung besitzen nach wie vor die .Bestimmungen über die b e h ö r d l i c h e P e s t s e t z u n g von Mietz i n s e n . Sie haben nach zwei Richtungen hin eine Erweiterung erfahren.

a. Die bisherige Formel, wonach der Mietzins nicht über den nach den Umständen des Falles gerechtfertigten Betrag hinausgehen soll, befriedigte und genügte nicht überall ; sie wurde je nach der Auffassung der Mietämter verschieden ausgelegt. Hier sind es die Vermieter, die sich über unbillige, einseitig den Mieter begünstigende Entscheide einzelner Mietämter beklagten und e i n e bindende Norm für die Berechnung des zulässigen M i e t z i n s e s verlangten. Wir haben diesem Wunsch durch Aufnahme einer Wegleitung für die Zinsberechnung (Art. 11 und 12) entsprochen. Zwar hätte schon die bisherige Vorschrift bei richtiger, sinngemässer Auslegung genügen müssen ; auch sie wollte dem Vermieter geben, was ihm gehört. Allein wir legen
grossesGewicht darauf, dass dieser Grundsatz auch wirklich durchgeführt und nicht die wohlbegrUndeten Ansprüche des Vermieters geschmälert werden. Der Schutz des Mieters darf nicht zur Un-

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gerechtigkeit gegenüber dem Vermieter werden. Das verbietet sich schon mit Rücksicht auf die mögliche Hemmung der Initiative Privater zum Bauen, die doch mit allen Mitteln gefördert werden sollte ; niemand würde noch Wohnhäuser erstellen, wenn er befürchten müsste, als Vermieter nicht auf seine Rechnung zu kommen.

Wir haben uns deshalb entschlossen, eine für die M i e t e r s c h u t z i n s t a n z e n v e r b i n d l i c h e V o r s c h r i f t in den Beschluss aufzunehmen, ungeachtet der Schwierigkeit, eine befriedigende Formel zu finden. Sie geht aus vom A n l a g e w e r t der Liegenschaft, der das gesamte für das Grundstück und die Erstellung oder Erwerbung des Gebäudes mit Einschluss von Umbauten und Renovationen aufgewendete Kapital umfasst, und verlangt eine a n g e m e s s e n e V e r z i n s u n g dieses Kapitals.

Der Verkehrswert konnte nicht zur Grundlage genommen werden, weil diese Berechnungsart in der Regel für die vor dem Krieg erstellten Häuser eine mit dem Zweck der Verordnung unvereinbare erhebliche Steigerung der Mietzinse, der keine vermehrte Leistung des Vermieters gegenüberstände, zur Folge gehabt hätte.

Ein bescheidener Ausgleich zwischen dem Mietzins alter und neuer Häuser wird sich praktisch von selbst ergeben; die auf Missbräuche zugeschnittene Notverordnung wird meist auch nur bei offensichtlichen Übertreibungen hüben oder drüben Recht schaffen müssen. Das M a s s der V e r z i n s u n g fremden Kapitals ist durch den Zinsfuss der auf der Liegenschaft haftenden H y p o t h e k e n gegeben, dem auch die vom Eigentümer zu entrichtenden Provisionen und Kommissionen zuzurechnen sind. Hinsichtlich des in der Liegenschaft investierten eigenen K a p i t a l s des Eigentümers haben wir die ursprüngliche Absicht, den Zinsfuss ziffermässig zu bestimmen oder zu begrenzen, aufgegeben und uns mit dem Grundsatz der angemessenen Verzinsung begnügt.

Die Verhältnisse sind auch in dieser Hinsicht zu Stadt und Land und in den einzelnen Landesteilen verschieden; es darf wohl auch nach dem Bauzweck (private Luxusbaute, spekulative Mietbaute) hier unterschieden werden. Es muss den K a n t o n e n ü b e r l a s s e n werden, z a h l e u m ä s s i g e A n s ä t z e aufzustellen, wenn sie es für notwendig halten; für die Regel dürfte mindestens der Bankzins für I. Hypotheken als angemessen
bezeichnet werden. Neben der Verzinsung des Kapitals fallen für die Mietzinsberechnung in Betracht, die vom Eigentümer zu entrichtenden S t e u e r n und andern ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n Abgaben, die V e r s i c h e r u n g s p r ä m i e n , U n t e r h a l t u n g sk o s t e n und A b s c h r e i b u n g e n ; die Kantone können ferner

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für den Eigentümer angemessene V e r w a l t u n g s k o s t e n in Anschlag bringen.

Die nähere Ausführung dieser Grundsätze steht den Kantonen zu, sowohl in bezug auf eine allfällige Präzisierung der Zinsberechnung als für das Verfahren zur Ermittlung des Anlagewertes.

Nach dem also berechneten Mietzins ist im Falle der Untermiete (Art. 12) der Mietzins für den untervermieteten Teil der Mietsache zu bemessen, unter angemessenen Zuschlägen für die Abnutzung der Möbel bei Untermiete möblierter Räume, sowie für Heizung, Licht und ähnliche, im Mietzins des Untervermieters nicht inbegriffene Leistungen.

6. Auf Begehren des Mieters kann die Behörde den Mietzins herabsetzen, wenn und soweit er den nach den eben erörterten Grundsätzen zu berechnenden Betrag ü b e r s t e i g t (Art. 10) 5 eine Überprüfung und Festsetzung des Mietzinses von Amtes wegen findet in keinem Falle statt, es bedarf stets eines Begehrens des Mieters. Bisher war nach dem Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918 die Anrufung der Behörde nur im bes t e h e n d e n V e r t r a g s v e r h ä l t n i s möglich, wenn der Vermieter eine Erhöhung des Mietzinses eintreten liess. Schutzlos war der Mieter beim Abschluss eines Mietvertrages mit einem neuen Vermieter ; in diesem Falle bestand keine Grenze für die Bemessung des Mietzinses und keine Möglichkeit behördlicher Überprüfung desselben. Das führte vielerorts zu exorbitanten Mietzinsen, denen gegenüber Mieter und Behörden machtlos waren ; die Wohnungsuchenden hatten nur die Wahl, den geforderten Zins zu bezahlen oder auf die Wohnung zu verzichten und sich dadurch der Gefahr der Obdachlosigkeit auszusetzen. Die Zustände, die sich auf diese Weise namentlich in einzelnen grössern Städten entwickelten, wurden auch von den Behörden als unhaltbar bezeichnet und dringend nach Abhülfe gerufen.

Wir haben sie dadurch ermöglicht, dass die Kantone die Kompetenz der Mietämter auch ausdehnen können auf die Prüfung des Mietzinses beim Abschluss von Mietverträgen zwischen neuen Mietpafteien (Art. 14). Wird diese Bestimmung anwendbar erklärt, so kann der Mieter binnen Monatsfrist seit Abschluss des Mietvertrages den Entscheid der Behörde anrufen, die den Mietzins, sofern er o f f e n b a r übersetzt ist, auf den zulässigen Betrag ermässigt. Dieses Verfahren hat insofern etwas Stossendes, als dem Mieter gestattet wird, den von ihm selbst vereinbarten Mietzins nachträglich anzufechten;

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allein die Remedur kann nur auf diesem Wege gefunden werden, will man nicht noch viel weiter gehen und den Mietzins unter Ausschaltung der freien Vereinbarung der Parteien von vornherein durch die Behörde festsetzen lassen. Zur Herabsetzung des Mietzinses genügt nicht die o b j e k t i v e Tatsache seiner an sich anfechtbaren Höhe; der Mieter muss überdies glaubhaft machen, dass er aus begründeter Befürchtung, keine andere Wohnung zu finden, den Vertrag abgeschlossen, also in einer Notlage gehandelt hat. Der Vermieter kann sich darüber nicht beklagen, weil nur dann, wenn er selbst o f f e n b a r ungesetzlich gehandelt hat, der Mieter Recht erhält.

In vielen Fällen sind, wie erwähnt, schon bisher unter dem Druck der Notlage Mietverträge zu offenbar übertriebenen Miet.zinsen eingegangen worden. Art. 15 setzt die Kantone in den Stand, auch in diesen Fällen nachträglich die dem Art. 14 entsprechende Korrektur eintreten zu lassen, indem bei E r n e u e r u n g solcher Verträge zum bisherigen M i e t z i n s unter den nämlichen Voraussetzungen die behördliche Herabsetzung des Zinses für die Zukunft verlangt werden kann.

Die Art. 14 und 15 des Beschlusses enthalten eine weitgehende Neuerung, die sich aber durch die in einzelnen Kantonen unerträglich gewordenen Übelstände notwendig erweist.

Im Gegensatz zu Art. 11 und 12, die für alle Entscheide der .zuständigen Instanzen über Mietzinsfestsetzung verbindlich sind, g e l t e n die Art. 14 und 15 nur da, wo sie ausdrücklich in Kraft e r k l ä r t w e r d e n (Art. 23, Abs. 2); die Kantone können es bei dem der b i s h e r i g e n Regelung entsprechenden Art. 13 b e w e n d e n lassen.

Die im Art. 6 des Bundesratsbeschlusses vom 5. August 1918 den Kantonen und Gemeinden auferlegte Pflicht zur Beitragsleistung an bedürftige Mieter, die eine zulässig erklärte Mietzinserhöhung nicht aufzubringen vermochten, haben wir fallen lassen, nachdem sich gezeigt hatte, dass diese Vorschrift in den meisten Kantonen wenig Anwendung fand, durch andere Organisationen aber schon hinreichend für die Unterstützung armer Mieter gesorgt wird.

5. Die notwendige Ergänzung der Bestimmungen über die Festsetzung von Mietzinsen bildet die Beschränkung des freien K ü n d i g u n g s r e c h t s (Art. 17--20). Sie verhindert die einfache U m g e h u n g jener Bestimmungen und gewährt
abgesehen davon den Mietern einen Schutz gegen g r u n d l o s e K ü n d i gungen seitens der Vermieter, die angesichts des Wohnungsmangels möglichst vermieden werden sollten.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

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Es ist in der Praxis die Frage aufgetaucht, welche Wirkungen hinsichtlich der D a u e r und K ü n d b a r k e i t des Mietvertrages eintreten, wenn das Mietamt eine Kündigung aisunzulässig erklärt. Dann ist der Vertrag als auf unbestimmte Dauer verlängert zu betrachten. Die für diesen Fall in Art. 267, Ziffer l und 2, 0. R. vorgesehene Mietsdauer erscheint jedoch angesichts der Umstände meist als zu kurz; dem Mietamt ist daher die Befugnis zur Verlängerung derselben eingeräumt (Art. 18).

Im allgemeinen hat die Behörde die Stichhaltigkeit der für die Kündigung geltend gemachten G r ü n d e nach ihrem Ermessen zu würdigen. Sie wird die Kündigung insbesonderedann abweisen, wenn sich ergibt, dass sie nur vorgenommen wurde, um dem bisherigen oder einem neuen Mieter gegenüber eine unzulässige Mietzinserhöhung durchzusetzen. In zwei Fällenmuss jedoch nach Art. 19 dem Vermieter die Kündigung bewilligt werden: a. wenn das Verhalten des Mieters oder seiner Familie* zu berechtigten Klagen Anlass gab, so dass die Fortsetzung der Miete dem Vermieter nicht zugemutet werde» darf; b. wenn der Eigentümer in seinem Hause für sich c>der nächste V e r w a n d t e eine W o h n u n g b e n ö t i g t und' diesen Bedarf nicht etwa durch ein in Spekulationsabsicht abgeschlossenes Geschäft selbst verursacht hat. Abgesehen von diesem Fall soll der Eigentümer in seinem Hause stetsdas erste Anrecht auf eine Wohnung haben. Auch zur Aufnahme seiner nächsten Verwandten im Hause soll ihm dieKündigung bewilligt werden, wenn wirklich vorhandeneenge Beziehungen es rechtfertigen ; das ist wieder von Fall zu Fall zu entscheiden. Kündigt ein Käufer des Hauses,, weil er darin eine Wohnung benötigt, so ist die Kündigung ebenfalls zu schützen, auch wenn die Eigentumsübertragung noch nicht stattgefunden hat (Art. 19, lit. &)*.

Neu ist die Kompetenz des Mietamtes, auf Begehren des Mieters auch über die V e r l ä n g e r u n g von M i e t v e r t r ä g e n zu entscheiden, die nach b e s t i m m t e r Z e i t ohne K ü n d i g u n g ablaufen (Art. 20). Zu dieser Art von Verträgen haben findigeVermieter gegriffen, um den Mieter ausser Stande zu setzen, déni Entscheid der Behörde überhaupt anzurufen. Nur dieser Umgehung des Gesetzes will Art. 20 entgegentreten. Die Behörde darf deshalb den Mietvertrag nur verlängern, wenn sich ergibt, dass die feste Vertragsdauer auf Veranlassung des Vermieters vorgesehen wurde und dass nach den Umständen eine,-

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Kündigung nicht zulässig wäre. Hat jedoch der Vermieter in guten Treuen gehandelt, indem er z. B. beim Vertragsabschluss weiss, dass er dem Mieter die Mietsache nur auf eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen kann und ihm dies auch mitteilt, so ist die Verlängerung des Vertrages ausgeschlossen.

6. Wie bisher schon, ist endlich den Kantonen, welche die Bestellung der Mietämter den Gemeinden überlassen oder Gemeindebehörden als solche bezeichnen, die Einsetzung einer R e k u r s i n s t a n z vorgeschrieben, um mehr Gewähr für objektive Entscheidungen zu schaffen (Art. 21) ; es kann sich um eine einzige kantonale Rekursinstanz oder um mehrere solche mit geteilter örtlicher Zuständigkeit handeln.

7. Soweit der Bundesratsbeschluss das Obligationenrecht nicht abändert, werden durch ihn die Rechte und Pflichten der Parteien nicht berührt, ebensowenig die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Beurteilung privatrechtlicher Streitigkeiten aus Mietverträgen (Art. 22). Beruft sich also der Vermieter auf eine Tatsache, die ihn nach Obligationenrecht zur sofortigen Auflösung des Mietvertrages berechtigt, so hat darüber nicht das Mietamt, sondern der ordentliche Richter zu befinden.

III. Erstreckung der Ausweisungsfrist.

Der Bundesratsbeschluss vom 26. August 1914 betreffend Ausweisung von Mietern gestattete die Erstreckung der in Art; 265 0. R.

vorgesehenen Frist zur A u s w e i s u n g des Mieters wegen V e r z u g e s in der Z i n s z a h l u n g aus Grund einer finanziellen Notlage des Mieters. Mit dieser Begründung ist die Massnahme heute nicht mehr notwendig. Wohl aber kann sich eine Erstreckung der Ausweisungsfrist heute mit R ü c k s i c h t auf die W o h n u n g s n o t rechtfertigen. Es wird dem Mieter oft unmöglich sein, bis zum Ablauf der kurzen gesetzlichen Frist ein anderes Obdach zu finden. Gemäss Art. 24 unseres Beschlusses kann das Mietamt ermächtigt werden, in solchen Fällen auf Begehren des Mieters die Frist angemessen zu erstrecken.

Diese Schonung des Mieters soll aber nicht dem Vermieter zu erheblichem Schaden gereichen ; es soll ihm für den infolge der Fristerstreckung weiter auflaufenden Mietzins durch den Mieter selbst oder von dritter Seite (z. B. durch die Armenbehörde) Sicherheit verschafft werden, und das Mietamt kann die Dauer der Fristerstreckung davon abhängig machen, ob und in welchem Masse dies geschieht.

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Ferner soll die Fristerstreckung unterbleiben, wenn ihr zufolge andere Personen, die in die frei werdende Wohnung einziehen wollen, obdachlos würden; denn damit wäre vom Standpunkt der Wohnungsnot nichts gewonnen.

IV. Aufschub von Umzügen.

Seitdem der Wohnungsmangel sich empfindlicher geltend machte, wurde mehr als einmal von Seiten der Mieterschaft an die Bundesbehörde das Verlangen gestellt, kurzerhand den Wohnungswechsel zu verbieten und zu verfügen, dass ohne Rücksicht auf den Ablauf der Mietverträge jedermann in seiner Wohnung zu verbleiben habe. Eine so radikale Massnahme konnte nicht in Frage kommen. So sehr sie auch den meisten Mietern gedient hätte, ebensosehr würde sie die berechtigten Interessen der Hauseigentümer missachtea und durch die Auferlegung allgemeiner Zwangsmieten eine völlige Erstarrung des Wohnungsmarktes herbeiführen, deren Folgen nicht abzusehen wären.

Wohl aber sahen wir uns seit dem Herbst des Jahres 1918 wiederholt genötigt, einzelnen Gemeinden, namentlich grössern Städten, auf deren Gesuch hin die Ermächtigung zu erteilen, zu verfügen, dass Personen und F a m i l i e n , deren Mietverträge auf den üblichen Unizugstermin abliefen und die bis dahin kein anderes Obdach fanden, vorläufig in den gemieteten Wohnr ä u m e n v e r b l e i b e n konnten. Ohne diese Massnahme wären wiederholt zahlreiche Personen, für die auch die Gemeinde keine Unterkunft mehr zu beschaffen vermochte, o b d a c h l o s geworden.

Die Erfahrungen, die mit dieser Massnahme gemacht wurden, scheinen nicht schlechte zu sein ; der Aufschub des Wohnungswechsels für die in Betracht fallenden Personen Hess sich jeweilen ohne allzu grosse Reibungen durchführen.

Wir haben es unter diesen Umständen als zweckmässig erachtet, in allgemeiner Weise den K a n t o n s r e g i e r u n g e n die Kompetenz zur Erteilung derartiger Ermächtigungen an bestimmte Gemeinden ihres Kantons einzuräumen (Art. 25). Die Massnahme ist jedoch mit besondern Kautelen umgeben. Sie darf nur von Fall zu Fall unter Prüfung der Urnstände getroffen werden (Art. 26) und setzt voraus, dass die um die Vergünstigung nachsuchenden Personen sich erfolglos um eine Wohnung b e m ü h t haben. Zufolge der Verfügung dürfen nicht andere Personen obdachlos werden. Häufig wird nämlich die Massnahme auf eine andere Mietpartei zurückwirken, die in die vermeintlich frei werdende Wohnung einziehen wollte, oder noch

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auf weitere Parteien. Alsdann ist zu prüfen, ob sich der Aufschub erteilen lässt, ohne dass jemand obdachlos wird (z. B. zwei Parteien teilen sich einstweilen in eine grössere Wohnung, ein zuziehender Mieter kann seine Übersiedlung noch verschieben, es wird mit der Verwendung einer Wohnung für geschäftliche Zwecke noch zugewartet). Je nach den Umständen kann also der Aufschub auf mehrere Parteien ausgedehnt werden. Er ist immer nur als vorübergehende, durch die Not aufgedrängte Massnahme zu betrachten und sobald als möglich aufzuheben (Art. 27).

Erwächst dem Vermieter aus dem Aufschub ein Schaden, so hat die G e m e i n d e ihn zu ersetzen, im Streitfall auf Bestimmung des Richters als unparteiischer Behörde hin (Art. 28). Diese Haftung wird die Gemeinden veranlassen, die Massnahme nicht mehr als unbedingt notwendig zur Anwendung zu bringen.

Y. Erhaltung und Ausnützung der Wohnräume.

Mit dem V. Abschnitt wendet sich unser Beschluss den Massnahmen zu, die nicht die nachteiligen F o l g e n der Wohnungsnot mildern, sondern zur Bekämpfung ihrer U r s a c h e n beitragen wollen, soweit es durch Vorschriften rechtlicher Natur geschehen kann. In dieser Hinsicht muss das nächstliegende Bestreben darauf gerichtet sein, die vorhandenen Wohnräume als solche zu erhalten und möglichst auszunutzen und allfällig auch Räumlichkeiten dem Wohnzwecke dienstbar zu machen, die sich dafür eignen, jedoch nicht oder in anderer Weise benutzt werden.

1. Immer dringender ist in der letzten Zeit an uns das Begehren gestellt worden, die U m w a n d l u n g von W o h nungen und Wohnräumen für andere Zwecke zu verbieten. Kantons- und Gemeindebehörden haben mit Recht darauf hingewiesen, dass ihre mit grossen finanziellen Opfern unternommenen Anstrengungen, durch Erstellung von Wohnhäusern der Wohnungsnot zu steuern, dadurch wieder mehr oder weniger illusorisch gemacht werden, dass in grossem Umfang von Geschäftsleuten, Industriellen, Gewerbetreibenden und auch von Behörden selbst Wohnungen und Wohnhäuser für andere Zwecke eingerichtet oder umgebaut werden.

Ein vollständiges Verbot würde ohne Zweifel zu weit gehen ; wohl aber soll eine b e h ö r d l i c h e B e w i l l i g u n g verlangt werden können (Art. 29). Wir unterscheiden, insbesondere mit Rücksicht auf die wünschbare Abstufung der gegen Widerhandlung angedrohten Strafen (Art. 59 und 60), von eigentlichen

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Umbauten die blosse Umwandlung, d. h. eine Änderung der innern Einrichtung, die keine baulichen Veränderungen erheischt und deshalb auch leicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Dem Umbau steht der Abbruch von Wohnhäusern gleich.

Es könnte sich fragen, ob nicht von dem Bewilligungszwang eine Ausnahme zugunsten des Bundes, der Kantone und Gemeinden zu machen sei, wenn sie genötigt sind, in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bisherige Wohnräume zu Verwaltungszwecken zu benutzen. Wir haben davon abgesehen, in der Erwägung, dass auch der Staat selbst die Wohnungsnot nicht verschärfen, sondern für seine Zwecke wo immer möglich durch Erstellung eigener Gebäude sorgen soll. Übrigens halten wir dafür, dass der Bund, wo er kraft der ihm zur Erfüllung seiner verfassungsmässigen Aufgaben verliehenen Hoheitsrechte handelt, durch die Kantone nicht daran gehindert werden kann.

Die B e v 7 i l l i g u n g muss erteilt werden, wenn für die umzuwandelnden Wohnräume E r s a t z geschaffen wird, im übrigen aber beim Nachweis eines d r i n g e n d e n B e d ü r f n i s s e s (Art. 30). Darüber hat die Behörde nach Ermessen zu entscheiden. Sie wird das Gewicht der vom Gesuchsteller geltend gemachten Gründe dem Grad der Wohnungsnot entgegenhalten und zugunsten des überwiegenden Interesses entscheiden. Der Entscheid kann einer Gemeindebehörde übertragen werden, jedoch unter Vorbehalt des Rekurses an kantonale Behörden (Art. 31). Soll die Massnahme ihren Zweck erfüllen, so müssen die Kantone in der Lage sein, die Vornahme einer nicht bewilligten Umwandlung nötigenfalls mit Polizeigewalt zu verhindern (Art. 32).

2. Es kommt vor, dass der Inhaber einer Wohnung infolge gesteigerten Wohlstaades oder aus andern Gründen sich mit seiner Wohnung nicht mehr begnügen will und sich dadurch mehr Raum verschafft, dass er e i n e a n d e r e s e l b s t ä n d i g e W o h n u n g mit der seinen zu einer einzigen, grössern Wohnung v e r e i n i g t . Dadurch kann ohne triftigen Grund (wie Saisonberuf, Gesundheitszwang) der Allgemeinheit eine Wohnung entzogen werden. Derartige Vereinigung von Wohnungen soll daher ebenfalls von einer behördlichen Bewilligung abhängig gemacht werden können (Art. 33).

3. Der heute dringend notwendigen Ökonomie in der Verwendung des vorhandenen Wohnraumes widerstreitet auch die I n n e h a b u n g m e h r e r e r W o h n u n g e n durch eine Person

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oder Familie. Sie kann gemäss Art. 34 verboten werden, in der Weise, dass der Inhaber sich für eine der Wohnungen zu entscheiden hat. Unter Innehabung ist nicht nur das Bewohnen, sondern jede Beanspruchung zu verstehen. Nicht anwendbar ist die Vorschrift natürlich auf eine mehrere Stockwerke umfassende Wohnung, sondern nur auf getrennte selbständige Wohnungen.

Das Verbot kann auf Wohnungen in verschiedenen Orten erstreckt werden, sofern daselbst überall Wohnungsnot herrscht, nicht also z. B. auf eine Sommerwohnung auf dem Lande, die in einer nicht von Wohnungsnot betroffenen Gegend liegt.

4. Die kantonalen Gesetze über die Bau-, F e u e r - und G e s u n d h e i t s p o l i z e i stellen vielfach für den Wohnungsbau strenge Bestimmungen auf, deren genaue Befolgung die restlose Ausnützung der Häuser für Wohnzwecke hindert. Gewisse E r l e i c h t e r u n g e n können sich durch die Notlage rechtfertigen, wenn sie ermöglichen, ohne Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit der Bewohner die Zahl der Wohnräume zu vermehren (z. B. durch Verringerung der vorgeschriebenen Masse, Einbau «iner Wohnung im Dachstock). Die Kantonsregierungen sollen ·daher ermächtigt sein, auf dem Verordnungswege Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften zuzulassen (Art. 35). Durch solche Abweichungen lässt sich unter Umständen auch eine bessere Ausnützung von Häusern bestimmter Bauart erreichen, der nach den Bestimmungen der Baugesetze Schranken auferlegt wären (z. B. die Bewohnung von Villen durch mehrere anstatt nur durch eine Familie).

5. Wo endlich Wohnungen oder Räume, die sich zur Einrichtung von Wohnungen eignen, u n b e n u t z t sind oder z u a n d e r n als W o h n z w e c k e n b e n u t z t werden (z. ß. als Magazine), können die Kantone sie zuhanden der Gemeinde in A n s p r u c h " n e h m e n , um darin obdachlose Personen oder Familien unterzubringen, wie schon bisher nach dem Bundesratsbeschluss vom 8. November 1918. Die Bestimmungen desselben sind fast unverändert in den neuen Beschluss übergegangen (Art. 36--42). Sie werden auch künftig, in Ermangelung unbenutzter Räume, nicht sehr häufig zur Anwendung kommen und mehr eine Warnung an die Eigentümer bilden, Wohnräume nicht o h n e t r i f t i g e G r ü n d e (Art. 38, lit. «und 6) dem Wohnungsmarkt vorzuenthalten. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die
Requisition einzelner Zimmer einer bewohnten Wohnung (Art. 37, Abs. 2) ; sie würde allzusehr in die Sphäre des Privat- und Familienlebens eingreifen. Auch in zeitlicher Hinsicht setzt

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Art. 38, lit. c, eine Schranke, indem er die Inanspruchnahme von Räumen untersagt, die nicht länger als für 6 Monate verfügbar sein werden, sofern sie wenigstens nicht während dieser Zeit völlig unbenutzt blieben. Daher ist es z. B. ausgeschlossen, die Wohnung einer Familie zu beschlagnahmen, die auf einige Wochen oder Monate verreist. Andererseits kann aus der festgesetzten Mindestdauer wohl auch geschlossen werden, dass eine einmal rechtskräftig verfügte Inanspruchnahme wenigstens 6 Monate lang aufrecht erhalten werden darf.

Die Inanspruchnahme macht die G e m e i n d e für allen durch sie dem Eigentümer verursachten Schaden h a f t b a r (Art. 39).

Sie wird deshalb mit der gebotenen Vorsicht und Schonung verfahren und von der Massnahme absehen müssen, wenn sie nicht ohne erheblichen Schaden durchgeführt werden kann. Über das Mass der Haftung entscheidet im Streitfall der Richter.

Der Eigentümer hat Anspruch auf einen a n g e m e s s e n e n M i e t z i n s für die requirierten Räume. Die Gemeinde vermietet die letztern an obdachlose Personen oder Familien (Art. 40).

Jedoch ist die Unterbringung von Personen, gegen die der Eigentümer triftige Einwendungen zu erheben vermag, unzulässig. Der Entscheid über die Inanspruchnahme und über Einwendungen des Eigentümers gegen die Einquartierung bestimmter Personen steht einer kantonalen Behörde, in letzter Instanz der Kantousregierung zu (Art. 40, Abs. 2, 41).

Tl. Beschränkung der Freizügigkeit zufolge Wohnungsnot.

Das bedenkliche Überhandnehmen der Wohnungsnot hat es leider notwendig gemacht, das verfassungsmässige Recht der freien Niederlassung vorübergehend einzuschränken. Der Wohnungsmangel ist gerade während des Krieges an vielen Orten bedeutend verschärft worden durch den Zustrom von Personen (namentlich Ausländern), für die es eine Annehmlichkeit bedeutet oder gewisse Vorteile bietet, an einem bestimmten Ort zu wohnen, ohne dass sie aber auf diesen Ort wirklich angewiesen sind. Sofern solche Personen nicht ausnahmsweise in Gasthöfen logieren, vermehren sie die Nachfrage nach den ohnehin schon zu knapp gewordenen Privatwohnungen, zum Schaden der altangesessenen Bevölkerung.

Die Beeinflussung des Wohmungsmarktes durch diese Zuwanderung war um so bedenklicher, als es sich oft um reiche Leute handelt, die imstande waren, durch Angebot sehr hoher Mietzinse die Konkurrenz der Einheimischen aus dem Felde zu schlagen, denen auf solche Weise viele Wohnungen verloren gingen.

233 Solange die Kantone dieser Erscheinung gegenüber machtlos waren, Bestand für manche Orte, insbesondere für einzelne Städte^ keine Aussicht, der Wohnungsnot Herr zu werden, da jede Vermehrung der Wohnungen reichlich durch den über die normale Bevölkerungsvermehrung weit hinausgehenden Zuwachs von àussen aufgewogen wurde. Hier schuf der Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1918 Wandel, indem er die Kantone ermächtigte, i n d e n u n t e r W o h n u n g s n o t l e i d e n d e n G e b i e t e n die Freiheit der Niederlassung und des Aufenthalts zu b e s c h r ä n ken. Der Beschluss ist in sehr ausgedehntem Masse zur Anwendung gelangt und hat viel zur Entlastung übervölkerter Orte beigetragen, in dem Sinne wenigstens, dass die Wohnungsnot sich nicht in dem Masse verschlimmerte wie zuvor. Die Ausnahmevorschriften können auch heute noch nicht entbehrt werden ;.

sie sind (als Art. 43--47} in den neuen Beschluss übergegangen.

Die Beschränkung der Freizügigkeit ist nur zulässig gegenüber Personen, welche die B e r e c h t i g u n g i h r e r A n w e s e n h e i t a m Orte n i c h t h i n r e i c h e n d z u b e g r ü n d e n v e r m ö g e n (Art. 43). Der Hauptfall dieser Rechtfertigung liegt in d e r A u s ü b u n g e i n e s B e r u f e s o d e r G e w e r b e s , überhaupt einer T ä t i g k e i t z u r F r i s t u n g d e s L e b e n s u n t e r h a l t s ; dieser Fall ist daher in Art. 44 ausdrücklich hervorgehoben.

Doch haben wir, um eine noch wirksamere Entlastung namentlich grösserer Städte zu ermöglichen, für den Fall der Z u w a n d e r u n g den Vorbehalt beigefügt, dass überdies geprüft werden darf, ob die Tätigkeit des Bewerbers, gestützt auf welche er die Niederlassung oder den Aufenthalt begehrt, gerade in diesem G e b i e t . n o t w e n d i g erscheint. Gegenüber Zuwandernden wird somit künftig diese weitere, objektiv vom Standpunkt des Gemeinwesens aus zu beurteilende Voraussetzung verlangt werden dürfen; zur Erwirkung der Niederlassung wird nicht jede wirklich oder auch nur angeblich den Lebensunterhalt vermittelnde, in diesem Falle bloss als Motiv vorgeschobene Tätigkeit genügen. Für o r t s a n w e s e n d e Personen gilt der Vorbehalt nicht; wer alsoin Ausübung einer beruflichen Tätigkeit an einem Orte bereits niedergelassen ist oder sich aufhält, kann nicht gestützt auf die
Wohnungsnot ausgewiesen werden.

Ausser beruflicher Tätigkeit können mannigfache a n d e r e G r ü n d e die Anwesenheit an einem Orte rechtfertigen; eine erschöpfende Aufzählung lässt sich nicht geben. Solche Gründe hat die Behörde nach freiem Ermessen zu beurteilen (Art. 44, Abs. 2). Sie wird wiederum die entgegenstehenden Interessen des Privaten und der Allgemeinheit abwägen und zugunsten des-

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jenigen entscheiden, das ihr den Vorrang zu verdienen scheint.

Ganz besondere Zurückhaltung wird sie sich dabei auferlegen müssen, wenn nicht die V e r w e i g e r u n g (Art. 45), sondern der E n t z u g der Niederlassung oder des Aufenthalts (Art. 46) in Frage steht. Die Ortsverweisung wegen Wohnungsnot ist eine so rigorose Massregel, dass sie nur ganz ausnahmsweise in Fällen dringendster Notwendigkeit getroffen werden soll, wenn sur unumgänglichen Entlastung übervölkerter Ortschaften auch die Beschränkung der Zuwanderung nicht mehr ausreicht. Die Befugnis zur Ortsverweisung muss den Kantonen erteilt werden angesichts der Zustände, die sich in einzelnen Städten und Ortschaften herausgebildet haben; ihre Anwendung muss sich aber auf Personen beschränken, die an einem Orte wirklich keine Existenzberechtigung besitzen. Es ist dabei auch nicht zu vergessen, dass es für die Ausgewiesenen um so schwieriger wird, anderswo Aufnahme zu finden, je mehr sich die Gemeinden gegen ·die Zuwanderung absperren. Die Beschränkung der Niederlassung darf nicht unter Berufung auf die Wohnungsnot zu andern Zwecken niissbraucht werden ; es wird schon bei der Genehmigung der kantonalen Verordnungen zu prüfen sein, ob die Aufnahme von Bestimmungen, wie sie in Abschnitt VI enthalten sind, sich für den Kanton überhaupt rechtfertige. Erachtet die Behörde die Vornahme von Ausweisungen einmal als unvermeidlich, so wird sie darnach trachten, die Massnahme vorerst auf blosse Aufenthalter zu beschränken und die Niedergelassenen möglichst zu schonen.

Durch besondere Bestimmungen (Art. 45, Abs. 2, und 46, Abs. 2) ist Vorsorge getroffen, dass nicht die Niederlassung nur e i n e m Familienangehörigen erteilt oder entzogen werde, derart, dass die Durchführung der Massnahme eine Trennung der Familie zur Folge hätte ; das Band der in gemeinsamem Haushalt lebenden Familienglieder soll nicht unter Berufung auf die Wohnungsnot .zerrissen werden.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Beschränkung der NiederlassungsFreiheit gemäss Art. 43 ff. unseres Beschlusses in j e d e m Falle eine s o r g f ä l t i g e P r ü f u n g der U m s t ä n d e erfordert, um so mehr, als sie in der Kegel die von ihr Betroffenen empfindlich berühren wird. Wir haben denn auch in allen Fällen den Rekurs an die Kantonsregierung vorbehalten (Art. 47). Treffen die Voraussetzungen zu, so kommt die Massnahme in gleicher Weise auf Inländer wie auf Ausländer zur Anwendung.

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TU. Beschränkung des Liegenschaftenhandels in Städten und andern Ortschaften.

Eine der Ursachen, welche die Wohnungsnot in den Städten fühlbarer gemacht und insbesondere zum Ansteigen der Mietzinse beigetragen haften, ist die S p e k u l a t i o n . Über dieses Übel und seine nachteiligen Einflüsse auf den Wohnungsmarkt wurde schon vor einigen Jahren viel geklagt. Mit zunehmender Knappheit der Wohnungen wurden die Wohnhäuser begehrenswert, sei es, weil sie dem Eigentümer eine Wohnung sichern, sei es, dass sie im Hinblick auf das Ansteigen der Mietzinse und die Möglichkeit ihrer weitern Steigerung lockende Spekulationsobjekte bildeten.

Die Mieter bekamen ihrerseits die erhöhten Ankaufspreise in Form von Mietzinsaufschlägen zu spüren ; überdies waren sie bei jedem Wechsel des Eigentümers der Gefahr der Kündigung ausgesetzt. Diese Gefahr verminderte sich allerdings wesentlich, als der ßundesratsbeschluss vom 5. August 1918 der Beschränkung des Küadigungsrechts auch Wirkung gegen den Erwerber des Hauses verlieh. Die Abwälzung der Erhöhung der Liegenschaftspreise auf die Mieter wurde durch diese Ausdehnung an sich nicht verhindert. Immerhin scheint es, dass die Mieterschutzgesetzgebung im ganzen doch die Lust zur Spekulation mit Wohnhäusern einigermassen zu dämpfen vermocht hat.

Eine neue Wendung ist eingetreten, seitdem nach Beendigung des Krieges die Bautätigkeit wieder eingesetzt hat. Nun beginnt ·die Spekulation, sich mit Vorliebe jenes Landes zu bemächtigen, das, vornehmlich an der Peripherie und in der Umgebung von Städten und grössern Ortschaften, als Bauland in erster Linie in Betracht fällt, und lässt sich erfahrungsgemäss auch durch die Erhöhung der Handänderungsgebühren nicht abschrecken. Sprungweise gehen die Preise solchen Terrains in die Höhe. Wie verhängnisvoll ein Umsichgreifen dieser Erscheinung für die Förderung der Bautätigkeit wäre, braucht nicht weiter ausgeführt zu werden.

Die Behörden dürfen nicht ruhig zusehen, wie zur Bereicherung von Spekulanten der Baugrund masslos verteuert und der Kapitalaufwand für Neubauten erhöht wird, während andererseits Bund, Kantone und Gemeinden mit schweren Opfern die Erstellung von Wohnbauten subventionieren, um dem Bauherrn einen Teil des Baukapitals abzunehmen und eine Rendite der neuen Häuser zu ermöglichen, ohne dass ihre Mietzinse ganz
unerschwinglich werden.

Die Gefahr liegt nahe, dass Private und Baugenossenschaften sich durch zu hohe Bodenpreise vom Bauen abschrecken lassen. Und doch ist jedermann darüber klar, dass nur eine lebhafte Bautätigkeit aus der Wohnungsnot herauszuhelfen vermag.

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Die Grosse der Gefahr, der es in dieser Hinsicht vorzubeugen gilt, hat uns bewegen, in den neuen Beschluss Bestimmungen über die Beschränkung des Liegenschaftenhandels in Städten und andern Ortschaften (Art. 48--54) aufzunehmen, mit deren Hülfe die Kantone der ungesunden Spekulation mit Wohnhäusern und Bauland entgegentreten können, wo es nottut. Die Bestimmungen sind im wesentlichen dem Bundesratsbeschluss vom 23. September 1918 betreffend den land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaftsverkehr nachgebildet.

Wir sind uns bewusst, speziell hier in ein Rechtsgebiet einzugreifen, dessen dauernde Ordnung der ordentlichen Gesetzgebung vorbehalten bleiben muss. Auf dem Wege der Notverordnung wollen wir ihr wenigstens auf eine Dauer von drei Jahren den Platz offenhalten, damit sie nicht zu spät kommt.

Den geschilderten Zweck suchen wir zu erreichen einmal durch die Möglichkeit der B e f r i s t u n g d e r W e i t e r v e r ä u s s e r u n g v o n L i e g e n s c h a f t e n , d i e durch R e c h t s g e s c h ä f t (Kauf, Tausch, Ersteigerung, Schenkung) erworben worden sind. Die Frist beträgt d r e i J a h r e von der Eintragung des Eigentumserwerbs im Grundbuch hinweg (Art. 50). Für die Weiterveräusserung vor Ablauf dieser Frist können die Kantone die Einholung einer b e h ö r d l i c h e n B e w i l l i g u n g vorschreiben,, wogegen ein gänzliches Verbot vorzeitiger Veräusserung nicht zulässig wäre. Durch die Befristung soll der Liegenschaft der Anreiz als Spekulationsobjekt genommen werden. Nicht unter die Vorschrift fallen durch Erbgang erworbene Liegenschaften ; auch haben wir (im Gegensatz zu Art. l, Abs. 2, des Bundesratsbeschlusses vom 23. September 1918) den Erwerb durch Abtretung auf'Rechnung künftiger Erbschaft, durch Erbteilung oder andere Rechtsgeschäfte unter Erben nicht darunter fallen lassen, da in diesen Fällen spekulative Absichten schwerlich zu befurchten sind. Wohl aber kann die Beschränkung Platz greifen für die vor dem Inkrafttreten unseres Beschlusses (15. April 1920), aber nach dem 1. Januar 1920 erworbenen Liegenschaften. Eine massige Rückwirkung musste hier zur Verhütung leichter Umgehung der Vorschrift vorgesehen werden ; wo sie zu unbilligen Härten führen würde, kann und soll die vorzeitige Veräusserung je nach Prüfung des Einzelfalles bewilligt werden.

Keiner Bewilligung bedürfen der Bund, die Kantone und die Gemeinden (Art. 50, Abs. 2), was sich aus dem Zweck der Befristung ohne weiteres erklärt.

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Die B e w i l l i g u n g v o r z e i t i g e r W e i t e r v e r ä u s s e r u n g (Art. 51) kann durch mancherlei Gründe gerechtfertigt werden.

Die zuständige Behörde, in letzter Instanz stets die Kantonsregierung (Art. 52), soll in der Anwendung der Vorschrift weitherzig sein, eingedenk des besondern Zweckes der letztern; die Befristung soll lediglich eine Waffe gegen schädliche Spekulation bilden, nicht aber zur lästigen und unnötigen Fossel für den Liegenschaftsverkehr in seinen gesunden Formen werden. Stets ist also die Bewilligung zu erteilen, wenn jede Spekulationsabsicht ausgeschlossen erscheint und insbesondere bei der Paraellierung von Bauland.

Soll die Befristung ihren Zweck erreichen, so muss an die vorzeitig erfolgten Veräusserungen die F o l g e der N i c h t i g k e i t geknüpft werden (Art. 53). Der Grundbuchführer, für -den der Zeitpunkt des Ablaufs der Frist ohne weiteres aus dein Grundbuch ersichtlich ist, hat die Eintragung einer vorzeitigen Veräusserung abzulehnen, wenn ihm nicht eine Bewilligung vorgewiesen wird. Der Nichtigkeit müssen auch allfällige Vorverträge unterliegen, soll nicht die Veräusserungsbeschränkung durch solche umgangen werden können ; die Verbindlichkeit eines Vorvertrages muss davon abhängig sein, ob der Verkäufer vor Ablauf der Frist veräussern darf.

Es könnte vielleicht versucht werden, durch Gründung von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften zu Spekulationszwecken und einfache Übertragung der Aktien oder Anteile das Ver·äusserungsverbot zu umgehen. Freilich fallen solche Transaktionen nicht unter die Befristung, da das Grundstück seinen Eigentümer (die juristische Person) nicht wechselt und kein Eintrag im Grundbuch stattfindet. Würde aber infolge spekulativer Überzahlung von Aktien oder Anteilen eine Erhöhung des Anlagekapitals geltend gemacht und darauf eine Mietzinssteigerung gegründet, so könnte unseres Erachtens einem solchen Versuch der Gesetzesumgehung auch entgegengehalten werden, dass das Kapital nicht für die Liegenschaft selbst aufgewendet worden sei.

Das zweite Mittel zur Bekämpfung der Spekulation ist die Möglichkeit der B e s c h r ä n k u n g des g e w e r b s m ä s s i g e n L i e g e n s c h a f t e n h a n d e l s und der g a w e r b s m ä s s i g e n L i e g e n s c h a f t e n v e r m i t t l u n g (Art. 54). Die gewerbsmässige
Betätigung auf diesem Gebiete kann, je nach der Art ihrer Ausübung, einen guten oder schlechten Einfluss auf den Liegenschaftenverkehr und damit auch auf den Wohnungsmarkt ausüben. Es ist daher von Bedeutung, die Kantone in den Stand

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zu setzen, dieses Gewerbe zu überwachen, insbesondere es der K o n z e s s i o n s p f l i c h t zu unterwerfen. Die Erteilung der Konzession kann dann von der Erfüllung von Bedingungen abhängig, gemacht werden, die ein gesundes Geschäftsgebaren gewährleisten, und bei Missachtung der Vorschrifteo, insbesondere wennder Händler oder Vermittler die Spekulation bezweckt oder begünstigt, kann die Konzession verweigert oder entzogen werden.

Mit der Konzessionierung kann zur Vermehrung der Sicherheit eine Kautionspflicht verbunden werden.

VIII. Strafbestimnumgeii.

Wie die Kechtsordnung im allgemeinen, so ist auch die ausserordentliche Kriegsgesetzgebung, und diese in ganz besonderem Masse, darauf angewiesen, ihren Geboten und Verboten durch Androhung von Strafen für den Fall der Widerhandlung Nachachtung zu verschaffen. Die bisherigen Erlasse über Mieterschutz und Wohnungsnot enthielten allerdings keine Strafbestimmungen.

Schon bisher zeigte sich ein Bedürfnis, einerseits den Mietzinswucher, andererseits unwahre Angaben vor dem Mietamt strafrechtlich ahnden zu können. Nun sind eine Reihe neuer materieller Vorschriften dazugetreten, deren wirksame Durchführung zum Teil, freilich nicht überall, die Androhung von Strafen wünschenswert oder notwendig erscheinen lässt.

Wir haben in den Art. 56--6.1 diejenigen materiellen Vorschriften des Beschlusses mit Strafsanktionen auszustatten ermöglicht, die des s t r a f r e c h t l i c h e n S c h u t z e s f ä h i g und b e d ü r f t i g sind oder sein können; es sind dies: a. die vorsätzliche Aufnahme einer v e r b o t e n e n N e b e n a b r e d e in einen Mietvertrag durch den Vermieter, wenn siein der Absicht erfolgt, eine Notlage des Mieters auszubeuten) (Art. 563 5 b. vorsätzlich u n w a h r e A n g a b e n vor B e h ö r d e n , um deren Entscheid zu beeinflussen (Art. 57). Namentlich die Mietämter werden hier in Betracht fallen. Es scheint z. B. häufigvorgekommen zu sein, dass Vermieter Eigengebrauch der Wohnung geltend machen, um damit die Kündigung durchzusetzen,, hernach aber gar nicht oder nur kurze Zeit zum Schein in dieWohnung einziehen. In solchen Fällen darf freilich keine Bestrafung stattfinden, wenn der Vermieter die Unterlassung des Eigengebrauchs durch eine nach dem Entscheid über die Zulässigkeit der Kündigung eingetretene, unvorhersehbare Tatsacherechtfertigt, sondern nur bei bewusster Täuschung der Behörde;,

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c. g e w e r b s m ä s s i g e U n t e r v e r m i e t u n g , g e w e r b s m ä s s i g e r L i e g e n s c h a f t e n h a n d e l und gewerbsmässigfr Liegenschaftenvermittlung, soweit diese Betätigungen, in v e r b o t e n e r Weise ausgeübt werden (Art. 58). Auch Übertretung der Verbote aus Fahrlässigkeit (z. B. Unterlassung, der Einholung einer Konzession) soll strafbar sein ; d. U m w a n d l u n g u n d U m b a u v o n W o h n r ä u m e t t für andere Zwecke, A b b r u c h eines Wohnhauses und V e r e i n i g u n g von W o h n u n g e n ohne Bewilligung (Art. 59 und 60, lit. a), sei es, dass der Fehlbare absichtlich oder aus Fahrlässigkeit keine Bewilligung einholt, sei es, dass er trotz Verweigerung der nachgesuchten Bewilligung die verbotene Handlung, vornimmt; e. v o r z e i t i g e W e i t e r v e r ä u s s e r u n g einer Liegens c h a f t ohne Bewilligung (Art. 60, lit. ö), unter denselbert Modalitäten.

Als S t r a f e haben wir in allen diesen Fällen lediglich eineallerdings bis zu hohen Beträgen gehende B u s s e vorgesehen.

f. Endlich können die Kantone auf dem VerordnungswegeStrafbestimmungen gegen M i e t z i n s w u c h e r aufstellen (Art. 61).

Sie werden dabei die Umschreibung des Mietzinswuchers sowieArt und Mass der Strafe den Bestimmungen ihrer Strafgesetzeüber den Wucher im allgemeinen anpassen. Es ist aber wichtig, dass die Kantonsregierungen ermächtigt werden, durch blosseVerordnung eine Strafsanktion festzusetzen, wo das kantonaleStrafgesetz nicht hinreicht.

Auch die Bestimmungen des VIII. Abschnitts haben in jeder Hinsicht f a k u l t a t i v e n C h a r a k t e r . Es steht den Kantonen, frei, strafrechtliche Folgen überhaupt nicht eintreten zu lassen oder nur für einzelne oder für alle in diesem Abschnitt aufgeführten Vorschriften des Beschlusses, soweit die letztern im Kanton anwendbar erklärt werden (Art. 55). Auch die Strafandrohungen der Art. 56 bis 60 stellen nur einen Rahmen darr innerhalb dessen die Kantone die Bussenmaxima bei den einzelnen Tatbeständen abstufen können. Endlich liegt die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen den Kantonen ob (Art. 63).

Die Bestimmungen unseres Beschlusses greifen tief in das: materielle Recht ein und enthalten zum Teil bedeutende Beschränkungen der persönlichen Verfügungsmacht und der Ver-

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tragsfreiheit. Es mag Bedenken erwecken, heute noch, in der Periode des Abbaus der kriegswirtschaftlichen Massnahmen, gestützt auf die ausserordentlichen Vollmachten die Kantone zum Erlass so einschneidender Vorschriften zu ermächtigen. Allein aus unsern Ausführungen ergibt sich auch die ausserordentliche Bedeutung der zu schützenden Interessen. Die Wohnungsnot hat, obwohl während und infolge des Krieges entstanden, ihre schädlichen Wirkungen und Auswüchse erst nach seiner Beendigung voll entfaltet ; es ist volkswirtschaftlich von grösster Wichtigkeit, sie mit allen tauglichen Mitteln zu bekämpfen und ihre weitere Verschärfung womöglich zu verhindern. Soll etwas getan werden, so muss es rasch geschehen. Die nächsten Jahre werden erweisen, ob und in welchem Umfang Vorschriften der Art, wie unser Beschluss sie enthält, in die bleibende Gesetzgebung übergeführt werden müssen. Für die Beantwortung dieser Frage werden die mit der Anwendung der gegenwärtigen Bestimmungen gemachten Erfahrungen wertvolle Anhaltspunkte bieten.

Wir beantragen Ihnen, gemäss Ziffer I, Absatz 3, des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten zu beschliessen, dass unser Beschluss vom 9. April 1920 betreffend Bekämpfung der Miet- und Wohnungsnot*) weiter in Kraft zu bleiben habe.

B e r n , den 18. Mai 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 199.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 9.

April 1920 betreffend Bekämpfung der Miet- und Wohnungsnot. (Vom 18. Mai 1920.)

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