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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Erlass eines Bundesbeschlusses über die Anrechnung von geleistetem Militärdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes.

(Vom 13. Dezember 1920.)

Mit Schlussnahme vom 23. Juni/7. Oktober 1920 haben Sie einem auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten erlassenen Bundesratsbeschluss vom 21. Mai 1920 betreffend die Anrechnung von Aktivdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes die Genehmigung erteilt. Vom Eeferenten der vorberatenden Kommission im Ständerat wurde namens der Kommission der Wunsch ausgesprochen, dass die Eevision des Gesetzes über den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 in Verbindung mit den auf dem Gebiete der Militärorganisation vorzunehmenden Änderungen nunmehr beförderlich an die Hand genommen werde. Mit Bezug auf den Bundesratsbeschluss vom 21. Mai 1920 äusserte er sich dahin, dass die Kommission eine Teilrevision des Bundesgesetzes dem Erlass eines Bundesratsbeschlusses auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten vorgezogen hätte.

Der Bundesrat hat den Weg der ausserordentlichen Vollmachten beschritten, weil es sich um eine Massnahme gehandelt hat, deren Anwendung für das Jahr 1920, in welchem nur noch ausnahmsweise Aktivdienst geleistet werden musste, dringend war. Es wurde aber immerhin beim Erlass des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1920 darauf Bedacht genommen, den Rahmen des Gesetzes nicht zu sprengen. Andere als die in Art. 6 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 genannten Personen wurden deshalb in den Beschluss, der neben der achtjährigen Dienstzeit auch noch die Leistung von mehr als 250 Tagen Aktivdienst als Voraussetzung für die Beduktion der Abgabe auf die Hälfte der gesetzlichen Taxe aufstellte, nicht einbezogen. Dass ' diese Beschränkung des begünstigten Personenkreises für die aussenstehenden Wehrpflichtigen eine Härte bedeuten würde, wurde schon bei Erlass des Beschlusses erkannt. Der Bundesrat war

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aber der Meinung, in der Anwendung seiner Vollmachten nicht weitergehen zu sollen.

Der gegenwärtige Eechtszustand ist nun der, dass Wehrpflichtige, die nach acht Dientsjahren oder mehr als 250 Tagen Aktivdienst aus sanitarischen Gründen ausgemustert oder gemäss Art. là der Militärorganisation temporär von der Dienstpflicht befreit werden, nur die halbe Militärsteuer zu bezahlen haben, während alle andern Wehrpflichtigen, die nach der gleichen Dienstzeit aus irgendeinem Grunde ersatzpflichtig werden, die ganze Steuer entrichten müssen.

Dieser Unterschied in der Steuerauflage ist materiell nicht begründet und trägt für die Betroffenen eine grosse Härte in sich. Eine Änderung des Rechtszustandes hat sich bei der Durchführung der Ersatzanlage im laufenden Jahre als dringend erwiesen. Es kommen vor allem zwei Kategorien von Wehrpflichtigen in Betracht: die Auslandschweizer und diejenigen, die infolge Dispensation von einem Dienst für das betreffende Jahr ersatzpflichtig werden. Die Auslandschweizer unterliegen dem Militärpflichtersatz, weil sie ohne Bücksicht auf militärische Tauglichkeit oder Untauglichkeit für die Dauer ihrer Landesabwesenheit, abgesehen vom Falle einer Generalmobilmachung der Armee, von der Erfüllung ihrer militärischen Pflichten befreit sind. Militärisch eingeteilte Auslandsurlauber sind deshalb auch für Jahre ersatzpflichtig, in denen ihr Stab oder ihre Einheit zu keinem Dienst aufgeboten wird. Wenn die Heranziehung zum Militärpflichtersatz, wegen des Mangels an militärischer Präsenz an sieh au.ch durchaus berechtigt ist, so wird die Besteuerung zur vollen gesetzlichen Taxe aber zur grossen Härte, wenn sie Leute trifft, die im Jahre 1914 zur Generalmobilmachung unter persönlichen und finanziellen Opfern aus dem Auslande eingerückt sind und auch seither den Grenzbesetzungsdienst mit ihrer Einheit ab-< solviert haben. Ähnlich verhält es sich mit den Wehrpflichtigen, die wegen Dienstversäumnis ersatzpflichtig werden. Es ist nicht begründet, dass diese Leute, die eine lange Dienstdauer hinter sich haben und den Militärbehörden als Soldat zur Verfügung stehen, für ein Jahr, in welchem sie sich aus einem dringenden Grunde von, einem bestimmten Dienste dispensieren lassen, die volle Militärteuer bezahlen müssen, während die nach gleicher Dienstzeit militar-, untauglich erklärten und
also aller militärischen Pflichten enthobenen Wehrpflichtigen nur die Hälfte der Abgabe entrichten.

Diese Eechtsungleichheit konnte vom Bundesrat aus den oben angegebenen formell-rechtlichen Gründen nicht beseitigt werden.

Wir konnten uns in einem Zeitpunkte des weitmöglichsten Abbaues, der ausserordentlichen Vollmachten nicht entschliessen, auf Grund derselben einen dem Gesetz widersprechenden Beschluss zu fassen

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dessen Wirksamkeit erst nach 15 oder mehr Jahren aufhören würde.

Auf der andern Seite darf aber einer grossen Anzahl von Schweizerbürgern, die sich in kritischer Zeit dem Lande mit ihrer Person zur Verfügung gestellt haben, nicht länger vorenthalten werden, was ihnen nach dem Bechtsernpfinden des Volkes gebührt. Es wäre deshalb dringend erwünscht, dass der Ihnen im Entwurf vorgelegte Bundesbeschluss von Ihnen noch rechtzeitig verabschiedet werden könnte, dass seine Anwendung für das Jahr 1921 gesichert ist. Mit Inkrafttreten des Bundesbeschlusses wird der Bundesratsbeschluss vom 21. Mai 1920 hinfällig.

Die Totalrevision des Bundesgesetzes betreffend den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 wird der Bundesrat nach Möglichkeit fördern; sio ist, wie vom Eeferenten der ständerätlichen Kommission in der Sitzung vom 23. Juni 1920 ausgeführt worden ist, von den Änderungen auf militärorganisatorischem Gebiet abhängig.

Die vorgeschlagene Anrechnung des früher geleisteten Dienstes bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes darf aus den oben angegebenen Gründen nicht bis zum Zeitpunkt der Totalrevision des Gesetzes hinausgeschoben werden. Von den Kantonen, denen wir den Beschlussesentwurf zur Meinungsäusserung unterbreitet haben, haben sich deshalb auch nur zwei in ablehnendem Sinne ausgesprochen.

Die Präge, ob alle Wehrpflichtigen, die nach einer gewissen Dienstzeit ersatzpflichtig werden, der Keduktion auf die Hälfte der gesetzlichen Taxe teilhaftig sein sollen, haben wir in der Vorlage entgegen der Ansicht einiger Kantone, welche die gemäss Art. 16 und 17 der Militärorganisation von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossenen Wehrpflichtigen von der Abgabeermässigung ausgenommen wissen möchten, in ersterem Sinne gelöst. Wir liessen uns hierbei von der Erwägung leiten, dass es sich bei der Herabsetzung des Militärpflichtersatzes um eine rein fiskalische Massnahme handle, welche als solche beim Vorliegen der hierfür notwendigen Voraussetzungen in allen Fällen ohne Bücksicht auf die persönlichen Eigenschaften der Pflichtigen Anwendung finden müsse. Die in Art. 16 und 17 der Militärorganisation genannten Personen werden auf diese Weise nicht etwa begünstigt ; wollte man sie, wie vorgeschlagen, von der Abgabeermässigung besonders ausnehmen, so würden sie aber fiskalisch verhältnismässig stärker
belastet. Die Ausnahme hätte den Charakter einer Finanzstrafe, welche zu der vom Militärgericht ausgesprochenen und in den meisten Fällen wahrscheinlich auch schon verbüssten Strafe hinzutreten und somit eine rechtskräftig abgeurteilte Sache zum Gegenstand einer nochmaligen Ahndung machen würde. Wir empfehlen Ihnen deshalb, die Abgabeermässigung im Sinne unseres Antrages allgemein zu beschliessen.

593 Für die Festsetzung der Zahl der zu verlangenden Aktivdiensttage auf mindestens 251 waren die Gründe massgebend, wie wir sie in unserm Bericht über den Bundesratsbeschlusss vom 21. Mai 1920 dargelegt haben (vgl. Bundesbl. 1920, III, 368). Zu bestimmen, was als Aktivdienst anzurechnen ist, wird Sache einer bundesrätlichen Verordnung sein; unseres Erachtens kann als Voraussetzung der Abgabeermässigung nur der bei der Truppe und nicht auch der in der Verwaltung (einschliesslich der Militäranstalten und -Werkstätten) geleistete Aktivdienst in Betracht kommen. Neben dem Aktivdienst eine gewisse Anzahl Tage Instruktionsdienst als besondere Voraussetzung für die Herabsetzung des Militärpflichtersatzes festzusetzen, wäre unseres Erachtens unrichtig. Der Instruktionsdienst ist in der Voraussetzung von acht Dienstjahren genügend berücksichtigt. Die Festsetzung einer bestimmten Zahl von Diensttagen wäre auch deshalb sehr schwierig, weil mit Bezug auf die Dauer der Schulen und Kurse für die verschiedenen Waffengattungen und innerhalb derselben für die verschiedenen Grade grosse Unterschiede bestehen. Als Dienstjahr hätte gemäss der bisherigen konstanten Praxis der Bundesversammlung und des Bundesrates als eidgenössische Beschwerdeinstanzen in Militärsteuersachen auch ein Jahr zu gölten, in welchem der Wehrpflichtige zwar einen bestimmten Dienst versäumt hat, sonst aber den Militärbehörden zur Verfügung gestanden ist (vgl. den Entscheid der eidgenössischen Bäte vom 29. Oktober 1909/6. Juni 1910, Bundesbl. 1911, I, 695 und den zugehörigen Bericht des Bundesrates vom 20. Juli 1909, Bundesbl.

1909, IV, 341 f.). Andererseits soll aber als Dienstjahr auch ein Jahr angerechnet werden, in welchem ein Wehrpflichtiger, der z. B. im Ausland abwesend ist und deshalb den Militärbehörden nicht zur Verfügung steht, eine Schule oder einen Kurs absolviert.

Gestützt hierauf beehren wir uns, Ihnen den nachstehenden Entwurf für einen Bundesbeschluss betreffend die Anrechnung des früher geleisteten Militärdienstes bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 13. Dezember 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Schult h ess.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. V.

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(Entwurf.)

Bundesbescliluss betreffend

die Anrechnung von geleistetem Militärdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 18. Dezember 1920, beschliesst: Art. 1. Wehrpflichtige, welche nach mindestens acht Dienstjahren oder nach mehr als 250 Tagen Aktivdienst infolge sanitarischer Ausmusterung oder aus andern Gründen ersatzpflichtig werden, haben nur die Hälfte des für die betreffende Altersklasse festgesetzten Militärpflichtersatzes zu leisten.

Art. 2. Als Dienstjahre zählen alle Jahre, in welchen der Wehrpflichtige eine Schule oder einen Kurs bestanden oder den Militärbehörden während mehr als 6 Monaten zur Verfügung gestanden hat.

Ein Jahr, in welchem ein Dienst versäumt worden ist, zählt unter der Voraussetzung der militärischen Präsenz von mehr als 6 Monaten trotzdem als Dienstjahr.

Art. 3. Eine Verordnung des Bundesrates wird feststellen, was als Aktivdienst im Sinne dieses Beschlusses zu gelten hat.

Art. 4. Dieser Bundesbeschluss wird als dringlich erklärt und tritt auf 1. Januar 1921 in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Erlass eines Bundesbeschlusses über die Anrechnung von geleistetem Militärdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes. (Vom 13. Dezember 1920.)

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15.12.1920

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