zu 15.410 Parlamentarische Initiative Mehrwertsteuer. Dauerhafte Verankerung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 14. März 2017 Stellungnahme des Bundesrates vom 12. April 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 14. März 20171 betreffend die parlamentarische Initiative «Mehrwertsteuer. Dauerhafte Verankerung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. April 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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BBl 2017 3429

2017-0869

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BBl 2017

Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die parlamentarische Initiative 15.410 «Mehrwertsteuer. Dauerhafte Verankerung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen» wurde am 11. März 2015 von Nationalrat de Buman eingereicht. Darin wird gefordert, den Sondersatz der Mehrwertsteuer auf Beherbergungsleistungen, dessen Gültigkeitsdauer nach Artikel 25 Absatz 4 des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG)2 momentan bis 31. Dezember 2017 befristet ist, dauerhaft im Gesetz zu verankern. Die beiden Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben gaben der Initiative am 19. Januar 2016 bzw. am 18. August 2016 Folge.

Am 14. März 2017 beschloss die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N), ihrem Rat eine bis zum 31. Dezember 2027 befristete Verlängerung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen vorzuschlagen. Die Minderheit der WAK-N will hingegen den Sondersatz unbefristet im MWSTG verankern.

Mit Schreiben vom 14. März 2017 lud die WAK-N den Bundesrat nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes3 ein, zu ihrer Vorlage Stellung zu nehmen. Insbesondere solle dabei die Frage der Verlängerung des Sondersatzes über das Jahr 2020, d.h. über die aktuell geltende Befristung der Kompetenz des Bundes zur Erhebung der Mehrwertsteuer, hinaus juristisch vertieft geprüft werden.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat geht mit der WAK-N einig, dass der Sondersatz für Beherbergungsleistungen nicht dauerhaft im MWSTG verankert werden soll. Er teilt auch deren Ansicht, dass ein Auslaufen des Sondersatzes auf Ende 2017 angesichts der aktuellen Lage des Beherbergungsgewerbes, die insbesondere auf den starken Franken zurückzuführen ist, nicht angebracht ist. Er hätte es zwar vorgezogen, wenn der Sondersatz nur bis Ende 2020 verlängert würde, kann sich aber dem Antrag der WAK-N, den Sondersatz bis Ende 2027 zu verlängern, anschliessen. Dabei hält er wie im Bericht der WAK-N vom 14. März ausgewiesen wurde fest, dass eine Aufhebung des Sondersatzes und eine Besteuerung der Beherbergungsleistungen zum Normalsatz von 8 Prozent jährliche Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer von rund 200 Million Franken zur Folge hätte. Der Bundesrat hat die Fortführung des Sondersatzes und die damit verbundenen Mindereinnahmen bereits im Finanzplan 2018­2020 und auch in der finanzpolitischen Standortbestimmung vom 22. Februar berücksichtigt. Der Bereinigungsbedarf nimmt entsprechend nicht zu.

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SR 641.20 SR 171.10

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Der Bundesrat hat die Frage der Verlängerung über das Jahr 2020 ­ in dem die Befugnis des Bundes zur Erhebung der Mehrwertsteuer gemäss derzeitiger Verfassungskompetenz endet ­ auf Wunsch der WAK-N vertieft juristisch geprüft.

Das MWSTG an sich gilt unbefristet, obwohl die Kompetenz zur Erhebung der Mehrwertsteuer ­ und damit auch zur Gesetzgebung über die Erhebung der Steuer ­ nach Artikel 196 Ziffer 14 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)4 bis Ende 2020 befristet ist. Würde diese Kompetenz nach Ablauf der Frist wegfallen, würde das Gesetz nicht automatisch dahinfallen, und es könnte am 1. Januar 2021 nicht ohne weiteres aus der Systematischen Sammlung des Bundesrechts entfernt werden. Nach wie vor gälte ein gesetzgeberischer Akt, der unbefristet ist, allerdings ohne Verfassungsgrundlage (vgl. dazu Art. 190 BV). Man hätte eine prekäre Rechtslage, die man sanieren müsste, allenfalls mit einem dringlichen extrakonstitutionellen Bundesgesetz nach Artikel 165 Absatz 3 BV, kombiniert mit einer neuen Verfassungsvorlage.

Einer Befristung des Sondersatzes für das Beherbergungsgewerbe über 2020 hinaus steht somit nichts entgegen. Diese Regelung würde obsolet, wenn die Steuer selbst vor Ablauf dieser Spezialfrist nicht mehr erhoben würde, oder umgekehrt: Die über 2020 hinaus befristete Regelung ist nur solange von Bedeutung, als die Steuer überhaupt erhoben wird.

Eine ähnliche Konstellation gab es beim MWST-Promille für die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI, Art. 196 Ziff. 14 Abs. 4 BV). Damals hat man eine Bedingung in die Verfassungsbestimmung aufgenommen und damit sichtbar gemacht, wie die Bestimmung zu verstehen ist. Vorliegend kann man auf Gesetzesstufe analog vorgehen: «Die Steuer auf Beherbergungsleistungen beträgt 3,8 Prozent (Sondersatz). Der Sondersatz gilt bis zum 31. Dezember 2020 oder, sofern die Frist gemäss Artikel 196 Ziffer 14 Absatz 1 BV verlängert wird, bis längstens zum 31. Dezember 2027. Als Beherbergungsleistung gilt ...».

Diese Formulierung entspricht vollumfänglich dem Antrag der WAK-N.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Zustimmung zum Entwurf der WAK-N.

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SR 101

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