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Bundesblatt

72. Jahrgang.

Bern, den 2. Juni 1920.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbest".ellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 60 Kappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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zu 575

XIV. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914 und 3. April 1919 getroffenen Massnahmen.

(Vom 25. Mai 1920.)

'

Wir beehren uns, Ihnen im nachstehenden über die von uns
A. Politisches Departement, Auswärtiges.

Im Anschluss an die Übernahme der diplomatischen Vertretung des souveränen Fürstentums L i e c h t e n s t e i n durch die Schweiz, fanden am 23. und 24. Januar 1920 in Bern Verhandlungen zwischen Vertretern des Politischen, des Finanz- und Zoll-, des Post- und Eisenbahn-, des Justiz- und Polizei- und des Volkswirtschaftsdepartements und einer liechtensteinischen Delegation statt.

Am 25. März 1920 beschloss der Bundesrat der fürstlichen Regierung zu eröffnen, dass er bereit sei, die gegenseitigen Beziehungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz zu regeln; er beauftragte das Finanz- und Zolldepartement, die Frage des Abschlusses eines Zollanschlussvertrages zu prüfen und ermächtigte das Post- und Eisenbahndepartement mit Liechtenstein Fühlung zu nehmen, zwecks Abschlusses eines Abkommens betreffend *) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXX, S. 347.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

Bundesblatt.

72. Jahrg.

Bd. III.

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die Übernahme des Post-, Telegraphen- und Telephodienstes durch die Schweiz.

Diese Verhandlungen und Studien sind im Zuge.

V e r t r e t u n g f r e m d e r I n t e r e s s e n. Infolge der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland einerseits und Frankreich, Grossbritannien, Italien anderseits, sind wir der Vertretung der deutschen Interessen in den letztgenannten drei Ländern enthoben worden; in Frankreich Ende Januar d. J., in England Mitte Februar d. J. und in Italien Anfang Mai d. J. Die Wiederaufnahme der Beziehungen Deutschlands zu andern Ländern dürfte in nächster Zeit bevorstehen, sodass der gänzliche Wegfall der uns noch obliegenden Aufgaben der Vertretung fremder. Interessen in Bälde zu erwarten ist.

B. Departement des Innern.

Inspektion flir Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. Die T o r f p r o d u k t i o n des Jahres 1919 ist derjenigen des Vorjahres nicht nachgekommen. Es sind durch die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Abteilung Torfversorgung, und durch die kantonalen Torfkommissionen im Zeitraum vom 1. April 1919 bis 31. März 1920 für total 263,691 Tonnen Transportbewilligungen erteilt worden (im gleichen Zeitraum 1918/1919 für total 288,635 Tonnen). Diese Zahl verteilt sich gemäss nachfolgender Tabelle auf den Verbrauch der einzelnen Kantone für Industrie, Gaswerke^ Hausbrand und Kleingewerbe L

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Kantone

1. Zürich . .

2. Bern . . .

3. Luzern 4. Basel . . .

5. Aargau . 6. Waadt . .

7. St. Gallen .

8. Solothurn .

9. Schaff hausen .

10. Genf . . .

11. Neuenburg .

12. Freiburg . .

1 3 .Z u g ...

14. Thurgau . .

15. Wallis . .

16. Schwyz . .

17. Graubünden .

.18. Glarus . .

19. Appenzell . .

20. Unterwaiden .

21. Tessin . . .

22. Uri . . .

Summa

Industrie

Gaswerke

Hausbrand und Kleinbetriebe

Total

Tonnen

Tonnen

Tonnen

Tonnen

14,540 31,082 60,169 5,126 26,347 42,311 7,066 2,048 23,774 16,047 2,220 21,862 870 9,767 21,841 5,272 10,878 19,121 2,555 7,581 11,334 856 3,743 11,159 1,680 1,744 10,568 5,085 4,967 10,072 1,527 6,537 9,343 466 2,981 4,579 10 1,368 4,013 132 2,411 3,208 -- 179 2,701 --:' 669 2,033 -- 1,456 1,626 -- 1,040 1,553 1,452 10 1,036 -- 171 533 -- 357 357 82 82 -- 137,509 263,691 83,785 42,397 = 32 % = 16 % = 52 % = 100 °/o 14,547

10,838 14,660 3,595 11,204 2,971 1,198 6,560 7,144 20 1,279 1,132 2,635 665 2,522 1,364 170 513 406 362 -- --

Die kleinere Tonnenzahl gegenüber dem Vorjahr erklärt sich zum Teil dadurch, dass der Trockenheitsgrad des Torfes im Jahre 1919 ein grösserer war.

Die Höchstpreise für Torf vom Jahre 1919 sollen auch für das Jahr 1920 beibehalten werden. Für die Beibehaltung haben sich die kantonalen Torfkommissionen, sowie die Torfproduzenten

260

in einer am 24. März 1920 in Bern abgehaltenen Konferenz einstimmig ausgesprochen. Für die Aufhebung der Verfügungen betreffend die Ausbeutung von Torflagern und den Handel mit Torf machte sich eine einzige Stimme, diejenige des Vertreters der luzernischen Torfkommission geltend, während die übrigen Teilnehmer an der Konferenz die Beibehaltung der Verfügungen befürworteten.

Zur Regelung des Wiederverkaufs von Torf hat das eidgenössische Departement des Innern am 7. Februar 1920 eine Verfügung erlassen, welche bestimmt, dass beim Wiederverkauf von Lieferungen über 18 Ster (5400 kg) unter keinen Umständen mehr als Fr. 3 pro Tonne zum Höchstpreis zugeschlagen werden dürfen, welches auch die Zahl der in Betracht fallenden beteiligten Zwischenhändler sei.

Der inländische Torf war infolge Kohlenmangels im Winter 1919/1920 frühzeitig aufgebraucht, so dass schon Ende Januar 1920 die Einfuhr von holländischem Torf einsetzte. Neben ausgezeichneter Ware ist aus Holland auch minderwertiges und nasses Material importiert worden. Die Abteilung Torfversorgung wendet die Höchstpreisverfügung auch auf ausländischen Torf an. Im Zeitraum vom 28. Januar bis 31. März 1920 sind für total 27,100 Tonnen holländischen Torfes Transportbewilligungen erteilt worden.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen prüft gegenwärtig die Frage, ob zwecks Verbilligung des Torfes für Hausbrandzwecke die schweizerische Torfgenossenschaft sich analog der schweizerischen Kohlengenossenschaft mit dem Ankauf und Wiederverkauf von ausländischem Torf befassen soll.

2. B r e n n h o l z v e r s o r g u n g . Während wir, wie im letzten Bericht erwähnt, eine vollständige Aufhebung der Massnahmen für die Brennholzversorgung noch nicht für angezeigt erachteten, haben wir doch der allmählichen Vorbereitung einer solchen, wenigstens für den innerkantonalen Verkehr, Raum gegeben.

Dies geschah in erster Linie durch eine sehr weitgehende Auslegung des Begriffes ,,lokale Holztransporte" im 2. Absatz von Art. 7 der Verfügung über Brennholzversorgung vom 30. Juli 1917.

Es wurde den Kantonen durch Kreisschreiben vom 27. November 1919 mitgeteilt, dass die Transportanstalten ermächtigt seien, alle Holztränsporte innert dem Kantonsgebiet, mit Ausnahme der Industrielieferung, ohne schriftliche Bewilligung

261

zu bewerkstelligen, wenn die zuständige kantonale Behörde ihnen die grundsätzliche Verzichterklärung schriftlich abgebe. Demnach besteht seither vom Bund aus eine Transportbeschränkung und Kontrolle für Brennholz nur noch im interkantonalen Verkehr und für Lieferungen an die Industrien. Für allen Handel gelten die eidgenössischen Höchstpreise. Die genannte Erleichterung für den Verkehr haben seither die meisten Kantone eingeführt.

Damit kam aber das Verlangen nach allgemeinem Abbau noch nicht zum Schweigen. Die von den verschiedensten Seiten immer wieder auftauchenden dahinzielenden Anregungen veranlassten uns, direkt die Meinung der Kantonsregierungen darüber einzuholen.

Trotzdem die überwiegende Mehrheit sieh für eine Aufhebung aller Massnahmen aussprach, konnten wir uns doch nicht entschliessen, die begründeten Einwände der Minderheit unberücksichtigt zu lassen. Wir wurden von deren Berechtigung noch viel mehr überzeugt durch eine Konferenz mit Vertretern der Kohlenkommission, der Kohlengenossenschaft und der Hausbrandzentralen. Da sich ergab, dass bei dem immer noch äusserst knappen Kohleneingang von einer Aufhebung der Kohlenrationierung keine Rede sein konnte, musste notgedrungen auch die Kontrolle des Brennholzverkehrs, behufs Ermöglichung der Anrechnung bei der Zuteilung, aufrechterhalten bleiben. Dagegen wurde der vielfach gehörten Klage, dass das Preisverhältnis zwischen Hart- und Weichholz dem Unterschied im Brennwert nicht entspreche, Folge gegeben durch Erlass einer neuen Verfügung über Brennholzhöchstpreise vom 1. März 1920, in welcher der Ansatz für Hartholz eine entsprechende Erhöhung erfuhr.

Dem Beschluss der Räte vom 25. April 1918 betreffend Massnahmen, um der Bevölkerung durch inländische Ausbeute das nötige Brennmaterial zum Kochen und zur Heizung zu möglichst billigem Preise zu sichern, ist dadurch Rechnung getragen worden, dass seither bei Festsetzung der Höchstpreise solche für geringeres Brennmaterial besonders niedrig gehalten wurden. Im übrigen fand man, es sei Sache der Kantone, weitere Massnahmen zu treffen.

3. P a p i e r h o l z v e r s o r g u n g . Obwohl alle speziellen Verfügungen über die Papierholzversorgung aufgehoben sind, stehen die Papierholztransporte, mit dem Hauptsortiment Brennholz, zu welchem das Papierholz im Grunde gehört, doch noch unter Kontrolle. Es ist dies auch dringend notwendig, obwohl für Lieferanten und Bezüger beschwerlich, weil die

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Sortimentsgrenzen nicht absolut feste sind. Im übrigen hat sich der Abbau der einschlägigen Versorgungsmassnahmen mit wenig Reibungen vollzogen und ist alles abgerechnet.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen hat über alle während der Jahre 1914--1919 getroffenen kriegswirtschaftlichen Massnahmen betreffend Waldwirtschaft, Nutzungen und Holzverkehr eine 110 Seiten starke Druckschrift mit 20 Tabellen und 8 graphischen Beilagen als allgemeine Orientierung veröffentlicht.

C. Justiz- und Polizeidepartement.

Justizabteilung.

1. B e t r e i b u n g s r e c h t l i c h e N o t v e r o r d n u n g e n . Durch B e s c h l u s s vom 19. D e z e m b e r 1919 (Gesetzsammlung XXXV, 1007) haben wir die Art. 3--11, 23 und 25 der sog.

Kriegsnovelle (Verordnung vom 28. September 1914 betreffend Ergänzung und Abänderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs für die Zeit der Kriegswirren) aufgehoben, in der Erwägung, dass sowohl die Aufschiebung einer Konkurseröffnung wie die Verlängerung einer Nachlassstundung bis auf 6 Monate sich heute schwerlich noch durch Berufung auf die Kriegsereignisse motivieren lassen, zumal angesichts der durch die Verordnung vom 27. Oktober 1917 betreffend Ergänzung und Abänderung der Bestimmungen des Schuldbetreibungsgesetzes betreffend den Nachlassvertrag geschaffenen Erleichterungen. Von der Betreibungsnovelle vom 28. September 1914 gelten zurzeit nur noch die Art. l und 2 (Aufschiebung der Verwertung in der Pfändungs- und Pfandverwertungsbetreibung) und Art. 24 (Ermächtigung der Kantonsregierungen zur Normierung der offen tlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses auf dem Verordnungswege). Wir haben durch ein Rundsehreiben die Kantone angefragt, ob sie die weitere Fortgeltung dieser Bestimmungen als notwendig erachten.

Das Justizdepartement beschäftigt sich mit der Frage einer Revision der Nachlassvertragsverordnung vom 27. Oktober 1917 im Sinne eines vermehrten Schutzes der infolge des Krieges oder seiner Nachwirkungen notleidend gewordenen Schuldner pfandversicherter Forderungen.

Die Chambre suisse de l'horlogerie in La Chaux-de-Fonds und verschiedene Private haben angeregt, das Institut der allge-

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meinen Betreibungsstundung wieder einzuführen zugunsten von Kaufleuten oder Privaten, die infolge der Entwertung ausländischer Währungen in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Das JustizDepartement prüft die Frage ebenfalls. Ebenso ist im Studium die Frage einer Erweiterung der Wirkungen von Art. 16,' Ziffer 6, der Verordnung betreffend die Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen vom 20. Februar 1918 im Interesse der in der Hôtellerie investierten Obligationengelder.

2. Anlässlich der Genehmigung des B u n d e s r a t s b e ·schlusses vom 8. J u l i 1919 b e t r e f f e n d die A b ä n derung und E r g ä n z u n g d e s schweizerischen Oblig a t i o n e n r e c h t s vom 30. M ä r z 1911 in b e z u g auf A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n , Kommanditaktiengesells c h a f t e n und G e n o s s e n s c h a f t e n hat der Nationalrat am 30. September 1919 folgende beiden P o s t u l a t e angenommen: A. Postulat der Neutralitätskommission.

Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht am erwähnten Beschlüsse die nachstehenden Änderungen vorzunehmen seien : I.

Art. 614 OR erhält folgenden Zusatz: Bei Neugründungen von Aktiengesellschaften mit einem e i n g e z a h l t e n Grundkapital von weniger als einer halben Million Franken sind nur Namenaktien zulässig.

IX.

Art. 656 erhält folgenden Zusatz: Aktiengesellschaften, die ein e i n b e z a h l t e s Grundkapital von einer h a l b e n Million Franken oder darüber

B. Postulat des Herrn Ody.

Der Bundesrat wird ersucht, zu prüfen, ob nicht seinem Besehluss vom 8. Juli 1919 folgender Artikel beizufügen sei: Art. XIIIbi8.

Die Bestimmungen dieses Beschlusses sind nicht anwendbar gegenüber den Immobiliengesellschaften, welche lediglich den Bau von Mietwohnungen bezwecken.

264

A. Das erste Postulat gibt uns zu folgenden Bemerkungen Anlass : a. Mit dem Vorschlag zu Ziffer I des Bundesratsbeschlusses (·Zusatz zu Art. 614 OR) bezweckt es eine weitere Ausdehnung des Zwanges zur Ausgabe von Namenaktien bei Neugründungen von Aktiengesellschaften. Gewiss ist eine solche Ausdehnung der Erwägung wert. Das Postulat verfolgt damit die nämliche Tendenz wie schon der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, der in seinem Entwurf vom 20. März 1919 dieAusgabe von Namenaktien für alle neu zu gründenden Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von weniger als einer Million Franken vorschreiben wollte, während unser Beschluss.

diese Grenze auf eine halbe Million herabsetzte. Das Postulat schlägt einen Mittelweg vor, indem es diese Grenze zwar beibehält, aber anstatt des nominellen das einbezahlte Aktienkapital zugrunde legt. Danach könnte die Ausgabe von Inhaberaktien neugegründeten Gesellschaften mit einem Aktienkapital von einer halben' Million oder mehr nur noch gestattet werden, wenn davon mindestens eine halbe Million einbezahlt würde. Da aber gemäss Art. 636 Inhaberaktien nur nach Einzahlung von fünfzig Prozent des Nominalbetrages ausgegeben werden dürfen, wäre die Ausgabe solcher Aktien nur noch Gesellschaften möglich, dieentweder ein zur Hälfte einbezahltes Grundkapital von mindestens einer Million auibringen oder, bei kleinerem Grundkapital (von Fr. 500,000 bis zu einer Million), davon mehr einbezablon lassea als das geltende Recht erfordert.

Diese Konsequenz würde eine weitere Abweichung vom geltenden Recht nach sich ziehen. Nach Art. 618 OR wird nach Schluss der Aktienzeichnung von der konstituierendenGeneralversammlung der Aktionäre nur festgestellt, dass das Grundkapital vollständig gezeichnet und dass mindestens 20 %· auf jede Aktie einbezahlt sind. Erreicht diese Quote den Betrag von Fr. 500,000 nicht, so kann sie doch durch nachträglicheEinzahlungen später auf diese Höhe' ansteigen und damit die Gesellschaft das Recht zur Ausgabe von Inhaberaktien erwerben.

Allein die nachträglichen Einzahlungen auf das Grundkapital über das gesetzliche Minimum von 20 °/o hinaus sind weder ins Handelsregister einzutragen noch zu publizieren, so dass sie der Kontrolle vollständig entgehen. Bei sukzessiver Liberierung der Aktien bleibt der Zeitpunkt, in welchem das Grundkapital vollständig einbezahlt ist, ausserhalb der Gesellschaft unbekannt. Es hat sich bisher kein Bedürfnis gezeigt, hierin eine Änderung zu schaffen.

265 Die Durchführung des Postulates würde aber eine solche notwendig machen ; bei allen für die Ausgabe von Inhaberaktien in Frage kommenden Gesellschaften müsste der Stand des einbezahlten Aktienkapitals jederzeit ersichtlich sein.

Damit würde ein unserem Aktienrecht bisher unbekanntes System eingeführt. Nach geltendem Recht muss nur das Nominalkapital der Gesellschaft bekanntgegeben werden, und nach ihm wird auch ihre Kapitalkraft und ihr Kredit eingeschätzt.

Würden die Einzahlungen auf das Grundkapital ebenfalls der Eintragungspflicht unterstellt, so hätte dies wohl zur Folge, dass in Zukunft die Aktiengesellschaften nach der Höhe des einbezahlten Aktienkapitals beurteilt würden. Die Höhe der Einzahlungen kann aber mehr oder weniger vom Zufall abhängen. Erfahrungsgemäss kommt es sogar nicht selten vor, dass die volle Einzahlung des Grundkapitals schon bei der Gründung der Gesellschaft nicht einmal im Interesse der Gläubiger liegt und deshalbauch nicht gewünscht wird, weil der nicht einbezahlte Teil in wesentlich höherem Masse als der einbezahlte die Funktionen eines Garantiekapitals zu erfüllen vermag. Die Aktiengesellschaften sollten nicht veranlasst werden, mehr auf das Grundkapital einzahlen zu lassen, als das Gesetz es vorschreibt, nur uni' die Höhe des im Postulat vorgesehenen Betrages zu erreichen.

Dem Postulat könnte demnach nur Folge gegeben werden unter gleichzeitiger Annahme einer grundsätzlichen Abweichung vom geltenden Recht, deren Bedeutung weiter gehen würde als die allfällige Verschiebung der ziffermässigen Grenze in dem durch unsern Beschluss ergänzten Art. 614 OR. Zudem würde die Neuerung einen weitern Unterschied in der gesetzgeberischen Behandlung grosser und kleiner Aktiengesellschaften bewirken,, da es keinen Sinn hätte, die Publikation der jeweiligen Einzahlungen auch von Gesellschaften mit einem Grundkapital von weniger als Fr. 500,000 zu verlangen, da sie von der Ausgabe von Inhaberaktien ohnehin ausgeschlossen sind. Für diese kleinern Gesellschaften hätte es also bei der Eintragung des Nominalkapitals zu verbleiben. Diesen Konsequenzen gegenüber scheint uns der gegenwärtige Rechtszustand, den wir nicht allzu sehr komplizieren möchten, den Vorzug zu verdienen. Jede als Kriterium im Sinne des neuen Art. 614 gewählte Zahl wird zu Erörterungen hinsichtlich ihrer
Zweckmässigkeit Anlass geben können ; diesem Einwand würde auch die im Postulat vorgeschlagene Lösung begegnen.

b. Die nämlichen Bedenken hegen wir gegenüber dem Vorschlag des Postulates zu Art. 656 OR., die Verpflichtung zur

266

Publikation der Bilanz von der Höhe des einbezahlten Aktienkapitals abhängig zu machen. Dieser Vorschlag entspricht wohl dem Gedanken, der Publikationszwang sei eher am Platze gegenüber einer Aktiengesellschaft mit einem einbezahlten Aktienkapital von einer halben Million oder mehr als gegenüber einer Gesellschaft mit einem nominell höhern Grundkapital (z. B. von einer Million), das aber nur zu 20 % einbezahlt ist, zumal unter der im Sinne des ersten Teils des Postulates liegenden Voraussetzung, dass diese Gesellschaft ohnehin nur Namenaktien ausgeben könnte.

Aber diese Erwägung vermag unseres Erachtens nicht durchzudringen gegenüber den Nachteilen einer grundsätzlichen Verdrängung des festen Nominalkapitals als Kriterium durch die veränderliche Höhe des einbezahlten Kapitals.

Nach dem Bundesratsbeschluss vom 8. Juli 1919 werden Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von Fr. 500,000 bis au einer Million weder von Ziffer I noch von Ziffer IX betroffen.

Anders würde es nach dem Postulat, das den Geltungsbereich der Ziffer IX an den der Ziffer I anschliessen möchte. Eine Notwendigkeit dafür ist indessen angesichts der durchaus verschiedenen Bedeutung der beiden Vorschriften jedenfalls nicht gegeben. Die Beschränkung auf Namenaktien entspringt dem Bestreben, ein Bild über die mehr oder weniger nationale Struktur der Gesellschaft zu geben, während die Publikation der Bilanzen den Aktionären und den Gläubigern die Einsicht in die Vermögenslage der Gesellschaft ermöglichen will. In dem verschiedenen Geltungsbereich dieser Normen vermögen wir keinen erheblichen Nachteil zu erblicken.

B. Das zweite Postulat möchte von den Vorschriften des Bundesratsbeschlusses Immobiliengesellschaften ausnehmen, die lediglich den Bau von Mietwohnungen bezwecken.

Es leuchtet ein, dass diesem Begehren nicht stattgegeben werden könnte, ohne dass der nämlichen Vergünstigung 'auch andere Aktiengesellschaften teilhaftig werden müssten, die sich auf einen in irgendeiner Weise gemeinnützigen Zweck berufen können. Damit würde einer Gelegenheitsgesetzgebung Eingang verschafft, die durchaus vermieden werden muss. Die allgemeine Geltung des Obligationenrechts darf nicht mit Rücksicht auf Sonderinteressen durchbrochen werden, um so weniger dann, wenn solche Interessen, soweit sie rechtlichen Schutz verdienen, eine Sonderbehandlung
nicht notwendig machen. In der Tat ist eine solche auch hier entbehrlich.

Gerade die einschneidendsten Vorschriften des Bundesratsbeschlusses vom 8. Juli 1919 fallen.für Aktiengesellschaften, die

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den Bau von Mietwohnungen bezwecken, nicht in Betracht, insbesondere nicht für die zahlreichen Immobiliengesellschaften des Kantons Genf, die das Postulat ohne Zweifel vornehmlich im Auge hat. Der Zwang zur Veröffentlichung der Bilanz (Ziffer IX) wird nicht eintreten, denn solche Gesellschaften pflegen kein Grundkapital von einer Million zu besitzen noch Inhaberobligationen auszugeben. Ebensowenig werden sie durch die Vorschriften der Ziffer XI über die Nationalisierung der Verwaltungbeengt, denn das Geld für den Wohnungsbau kommt nicht vom Ausland. Die Notwendigkeit der Veröffentlichung der Gründungsvorgänge bei qualifizierten Gründungen (Ziffer VI) belästigt derartige Gesellschaften nicht. Der für Sukzessivgründungen eingeführte Prospektzwang, die Notwendigkeit öffentlicher Beurkundung dar Gründung, die Eintragung sämtlicher Mitglieder der Verwaltung in das Handelsregister (Ziffer III, V, VII, Vili) erschweren die Gründung nicht wesentlich und können kein Hindernis für die Entstehung der Gesellschaften bilden.

Die einzige für die letztern wirklich bedeutsame Vorschrift ist die Beschränkung auf die Ausgabe von Namenaktien gemäss Ziffer I. Die genferischen Immobiliengesellschaften, etwa 1800 an der Zahl, haben bisher fast ausnahmslos auf den Inhaber lautende Aktien ausgegeben, die sich gewöhnlich in der Hand weniger Aktionäre befinden. Die Wahl dieser Rechtsform erklärt sich vorab aus dem System der kantonalen Steuergesetzgebung; sie ermöglicht es kleinen Kapitalisten, durch den blossen Erwerb von Aktien tatsächlich Grundeigentümer zu werden, dabei aber der für die Grundsteuer geltenden Progression und beim Erwerb der Aktien der Handänderungsgebühr zu entgehen. Audererseits hat die Möglichkeit einfacher Übertragung der Inhaberaktien zu einer Mobilisierung des Grundbesitzes geführt, welche die Funktionen des Grundbuchs und die von unserer Rechtsordnung für die Sicherheit der Übertragung des Grundeigentums aufgestellten Formen ausschaltet. Wenn diesen Erscheinungen aus dem Zwang zur Ausgabe von Namenaktien ein Hemmnis erwächst, so kann das nur begrüsst werden. Dass im übrigen dieser Zwang die Gründung von Aktiengesellschaften für den Wohnungsbau an sich nicht beeinträchtigt und die Unterstützung dieser Bestrebungen durch Beteiligung an solchen Gesellschaften nicht hindert, bedarf keiner weitern
Erörterung.

Nur beiläufig sei auf die grossen Schwierigkeiten in der Anwendung einer im Sinne des Postulats gefassten Klausel hingewiesen. Der Begriff der Mietwohnung ist zu unbestimmt und dehnbar, als dass er zur Grundlage für eine gesetzliche Aus-

268

nahmebestimmung dienen könnte; die Abgrenzung der von deis Vorschriften des Beschlusses vom 8. Juli 1919 zu befreienden Gesellschaften würde je nach der Individualität der von ihnen, erstellten Bauten zu häufigen Zweifeln Anlass geben.

Wir beantragen Ihnen aus diesen Gründen, den beide» Postulaten keine Folge zu geben.

3. Die Ausbreitung der W o h n u n g s n o t und die teilweiseVerschärfung über Folgeerscheinungen haben uns bewegen, durch den B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 9. A p r i l 1920 b e t r e f f e n d B e k ä m p f u n g d e r M i e t - u n d W o h n u n g s n o t , der die bisher auf diesem Gebiete geltenden Erlasse rechtlicher Natur ersetzt, den Kantonen weitere Kompetenzen einzuräumen. Über diesen Beschluss geht Ihnen ein besonderer Bericht gemäss Ziffer Ir Absatz 3, des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 zu.

Die bis dahin gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 5. August 1918 betreffend M i e t e r s c h u t z von Kantonen und Gemeinden erlassenen Verordnungen können bestehen bleiben, unter Vorbehalt der zwingenden Vorschriften des neuen Beschlusses.

Solche vom Justizdepartement genehmigte Verordnungen bestehen, für das ganze Kantonsgebiet oder für einzelne Gemeinden, in allen Kantonen, ausser Uri, beiden Unterwaiden, beiden Appenzell, Wallis und Tessin. Nach dem neuen Beschluss sind die Gemeinden nicht mehr zum Erlass solcher Verordnungen zuständig.

Einer Kantonsregierung antworteten wir auf Anfrage, das& entbehrlich gewordene Mieterschutzverordnungen der Kantone und Gemeinden ohne unsere Genehmigung, unter blosser Anzeige, aufgehoben werden können.

Wiederum sahen wir uns genötigt, einzelne Gemeinden (Neuenburg, Langen thaï, Lengnau, Herzogenbuchsee, Basel) auf bestimmte Umzugstermine hin unter gewissen Vorbehalten au ermächtigen, Personen und Familien, die durch Auszug obdachloswürden, das. vorläufige Verbleiben in ihren bisherigen Wohnungen zu gestatten. Künftig sind die Kantonsregierungen zur Erteilung solcher Ermächtigungen kompetent.

4. Eine Anregung, durch eine Notverordnung die E i n f u h r s y n d i k a t e der S. S. S. von der für sie besonders lästigen Verpflichtung zur zehnjährigen A u f b e w a h r u n g i h r e r Ges c h ä f t s b ü c h e r und G e s c h ä f t s b r i e f e gemäss Art. 87& OR zu entbinden, lehnten wir ab, weil eine solche Massnahme
jedenfalls nicht als zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Landes unumgänglich notwendig betrachtet werden könne, weil sodann die Geschäftspapiere auch nach Auflösung der Syn-

Zug Freiburg .

Solothurn Baselstadt Baselland . . .

Schaffhausen . .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I -Rh St. Gallen Graubünden . .

Aargau Thurgau Tessin . . .

Waadt . . . .

Wallis . . .

Neuenburg . .

Genf

.

. .

. .

. .

. .

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4 4 29

7 46 224

52 103 337 197 135 157 51 3 389 623 299 206 1 310 672 345 432 1 421

7 10 36 5 3

43 25 6

2 51 28 43 8 6 1

2 53 426

10 6 10 7 9 275 59 121 1444

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Zahl der auf 31. März 1920 in der Schweiz sich aufhaltenden fremden Deserteure und Kefraktäre.

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1

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Kantonales Kantonales Total Total 3l. März Mai 1919 1920

Abnahme Zunahme

-- 1682 -- 1 -- 200 132

3 305 2368 457 179 155 iß

4987 2369 657 311 146 a

19 IfiQ

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ld.9

qq

66 179 453 485 238 179 63 10 583 825 385 445 1 358 1 092 431 851 4. 4.4S

Total am 31. März 1920

3323

10,072

1145

1035

2420

137

157

85

182

16

86

19

13

2

18,692

Total im Mai 1919 . .

7203

11,818

2463

1129

2451

143

195

106

226

20

116

10

14

5

25,899

84 373 895 1 622 351 386 90 14 1 404 930 784 620 1 986 2 109 402 645 4 558

25,899

-- --

-- -- --

+

9

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29

18 194 442 1137 113 207 27 4 821 105 399 175 628 1017 + 206 i in

-- 7461 254 -- 7207

+ 254

269

dikate ihren Wert als Beweisurkunden behalten, zumal die 8. S. S.

selbst ihre Papiere aufbewahre, und weil schliesslich auch die mögliche, heute noch nicht im einzelnen zu. ermessende wirtischaftsgeschichtliche Bedeutung solcher Dokumente für ihre einstweilige Erhaltung spreche.

5. Am 10. November 1919 haben wir unsern Beschluss vom 23. März 1918, durch den das Justiz- und Polizeidepartement zur {J-estattung gewisser A u s n a h m e n vom S c h ä c h t v e r b o t ermächtigt wurde, a u f g e h o b e n . Die Wirkung der Aufhebung war zuerst auf 1. Januar 1920 festgesetzt, wurde aber infolge ·«ines Wiedererwägungsgesuches und einer Interpellation im Nationalrat auf Ende März und unter Einräumung einer letzten Übergangsfrist bis 15. April 1920 hinausgeschoben. Die Aufhebung ·erfolgte gestützt auf die Feststellung, dass die während des Krieges ·eingetretene Unmöglichkeit der Fleischeinfuhr nicht mehr besteht, die Israeliten in der Schweiz vielmehr wieder in der Lage sind, vom Ausland das Fleisch daselbst geschächteter Tiere zu beziehen.

Mag diese Versorgung auch vorerst noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein, so schienen diese uns doch nicht hinreichend, um die durch die ausserordentlichen Umstände des Krieges veranlasste Durchbrechung der Verfassungsvorschrift länger ^aufrechtzuerhalten. Seit dem 15. April dieses Jahres gilt das Schächtverbot wieder ausnahmslos im ganzen Lande.

Polizeiabteilung.

D e s e r t e u r e und R e f r a k t ä r e . Der 13. Neutralitätsbericht vom 15. November 1919 enthält die Zahl der im Monat Mai 1919 in der Schweiz sich aufhaltenden fremden Deserteure und Refraktäre. Da auf Grund der in Deutschland, Österreich und Italien erlassenen Amnestien eine merkliche Abnahme im Bestände der Deserteure und Refraktäre zu vermuten war, haben wir auf 31. März dieses Jahres eine neue Zusammenstellung ausgearbeitet, die hier beigefaltel ist. Als Vergleichszahl ist der Bestand vom Mai 1919 angeführt.

Es ergibt sich daraus, dass im Zeitraum Mai 1919 bis Ende März 1920 eine Abnahme von 7207 Deserteuren und Refraktären ,zu verzeichnen ist.

Mit Note vom 24. März 1920 hat uns die hiesige italienische Gesandtschaft auf unseren Wunsch hin die für die italienischen Deserteure und Refraktäre geltenden Amnestie Vorschriften, über ·deren Anwendung bisher grosse Unklarheit herrschte, erläutert.

Wir wurden dadurch erst instand gesetzt, den kantonalen Be-

270

hörden bestimmte Anhaltspunkte für die Behandlung der italienischen Militärflüchtlinge zugehen zu lassen, können nun aber hoffen, dass es im Laufe dieses Prüjahres gelingen werde, eine nahmhafte Anzahl italienischer Deserteure und Refraktäre zum Wegzug aus unserem Lande zu veranlassen.

Die wesentlichen Bestimmungen jener italienischen Amnestievorschriften sind nach dieser Note folgende: R e f r a k t ä r e : Werden sie als untauglich zum Militärdienst befunden, so sind sie amnestiert, ohne dass für sie die Verpflichtung besteht, sich nach Italien zu begeben.

Werden sie als diensttauglich erklärt, so sind sie in die Amnestie nicht eingeschlossen, werden aber nach ihrer Beurteilung in Italien, wohin sie sich vor dem 81. Mai begeben müssen, der Vergünstigung des bedingten Straferlasses teilhaftig. Sie sind verpflichtet, ihren Militärdienst im allgemeinen zu absolvieren.

D e s e r t e u r e : Sind sie dienstuntauglich, so sind sie amnestiert und können in der Schweiz bleiben.

Wenn die Desertion nicht mehr als sechs Monate gedauert hat, so sind sie amnestiert, müssen sich aber vor dem 31. Mai nach Italien begeben, wenn sie einer der Jahresklassen 1886 bis 1900 erster Kategorie angehören und nie ausgemustert worden sind.

Diejenigen, welche in den beiden obgenànnten Kategorien nicht inbegriffen sind, sich aber bei der italienischen Gesandtschaft in Bern während des verflossenen Monats Dezember gestellt haben, werden des Straferlasses teilhaftig, wenn sie sich so bald als möglich nach Italien begeben, versehen mit einer gesandtschaftlichen Bescheinigung, die ihre Verspätung rechtfertigt. Sie hätten sich nämlich vor dem 31. Dezember in Italien stellen sollen.

Die diensttauglichen Deserteure endlich, deren Desertion mehr als sechs Monate gedauert hat nnd die sich bei der hiesigen Gesandtschaft nicht bis Ende Dezember vorgestellt haben,, werden weder zur Amnestie, noch zum Straferlass zugelassen..

Wünschen sie ihre Situation zu regeln, so müssen sie ihrenMilitärdienst leisten und werden zu den in den Militärgesetzen, festgesetzen Strafen verurteilt.

Der Bundesratsbeschluss vom 8. November 1918 betreffend' die Beitragsleistung an die Verpflegungskosten der bedürftigen kranken Russen in der Schweiz ist durch Entschliessung des Bundesrates vom 13. April 1920 abgeändert worden wie folgt:

271 r,I

Abs. 2. Die Beiträge werden ab 15. April 1920 monatlich dem schweizerischen Roten Kreuz ausbezahlt, das durch seine kantonalen Organisationen für die Verteilung und richtige Verwendung der Gelder zu sorgen hat. Über Unterstützungsgesuche entscheidet, unter Vorbehalt des Rekurses an den Bundesrat, das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.

Abs. 3. Die Beiträge werden berechnet auf Grund der von den kantonalen Organisationen des schweizerischen Roten Kreuzes aufzustellenden und dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement einzureichenden Listen der Kranken und ihrer Verpflegungstage.

II. Die nähere Durchführung dieses Beschlusses wird dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement übertragen."

Wir bemerken, dass diese Modifikation rein organisatorischer Natur ist und weder in grundsätzlicher noch in finanzieller Hinsicht eine Abänderung des Beschlusses vom 8. November 1918 bedeutet.

Zentralstelle für Fremdenpolizei.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass zur Durchführung von Massnahmen, wie die Überwachung der Ausländer, in erster Linie eine festgefügte und übersichtliche Organisation geschaffen werden muss, da beim Fehlen einer solchen nicht nur diese Überwachung unbefriedigend ist, sondern 'auch die erlassenen Verordnungen nur verkehrshindernd wirken und dem Lande Schaden bringen müssten. Eine nach innen und aussen so weitverzweigte Organisation, wie die Fremdenpolizei sie erfordert, kann aber nur befriedigend arbeiten, wenn ihr Zeit zur Festigung gegeben wird.

Der überraschend gekommene Zusammenbruch Deutschlands im Herbst 1918 und die dadurch notwendig gewordene vollständige Zentralisation der Einreisebewilligungen in Bern hatten aber von Anfang an derart gewirkt, dass allen weitern Massnahmen lange Zeit die mangelnde Festigkeit der Organisati on im Wege stand. Erst heute, nachdem seit geraumer Zeit auf Grund der Verordnung vom 17. November 1919 gearbeitet werden kann, ist ein verhältnismässig reibungsloses Funktionieren der mit der Durchführung der fremdenpolizeilichen Massnahmen betrauten Organe (Zentraltelle, Kantone, Grenzstellen, Gesandtschaften und Konsulate im Ausland) und damit die Elastizität und Anpassungsfähigkeit derselben an die stets in der Entwicklung befindlichen Verhältnisse im Verkehr der Schweiz mit den andern Staaten Europas mög-

272

lieh. Immerhin darf nicht übersehen werden, dass jede Abänderung der bestehenden Vorschriften sorgfältig vorbereitet werden muss, da sonst Störungen in dem grossen Betrieb, den die Zentralstelle heute darstellt (sie hatte bis Ende 1919 über 500 Beamte und konnte erst nach Einstellung des Betriebes auf die neue Verordnung auf zirka 330 Beamte reduziert werden), sowie bei den oben genannten Organen, mit denen sie stets in enger Verbindung stehen muss, nicht zu vermeiden sind.

Durch die stete Entwicklung des Verkehrs von Land zu Land, wie sie seit einem Jahre in Fluss ist, sah sich die schweizerische Fremdenpolizei stets vor neue Aufgaben gestellt. Der Bundesrat trug dem Rechnung, indem er vom Beschluss betreffend die vollständige Zentralisation der Visumserteilung, welcher am 1. Februar 1919 in Kraft getreten war, über die Beschlüsse vom 19. Juni und 11. Juli betreffend teilweise Dezentralisation und Einrichtung der Grenzkontrolle, am 17. November 1919 zur vollständigen Abgabe der Visumskompetenz für vorübergehende Einreisen an die schweizerischen Vertretungen im Auslaude gelangte. Nachdem zu den Zeiten, als die Schweiz noch das Gespenst der Ernährungsschwierigkeiten vor sich sah, eine Bewilligung zur Einreise auch nur für vorübergehenden Aufenthalt in der Schweiz lediglich an solche Ausländer erteilt worden war, welche die Notwendigkeit des Aufenthaltes in unserem. Lande aus familiären oder gesundheitlichen Gründen (ärztliche Zeugnisse) oder als im Interesse der Schweiz liegend nachweisen konnten, wird heute ,,das Visum zum vorübergehenden Aufenthalt in der Schweiz erteilt, nachdem die visierende Stelle sich bei der Prüfung des Einreisegesuches, gegebenenfalls durch eingezogene Erkundigungen, davon überzeugt hat, dass der Gesuchsteller unbescholten ist und dass die Einreise einen einwandfreien, den Interessen der Schweiz nicht zuwiderlaufenden Zweck hat" (Art. 4 der Verordnung über die Kontrolle der Ausländer vom 17. November 1919).

Die vom Bundesrate durch die zuletzt genannte Verordnung getroffenen weitgehenden Erleichterungen betreffen natürlich nur die Einreise zum vorübergehenden Aufenthalt. Für die Erteilung von Einreisebewilligungen an Ausländer, die zu dauerndem Aufenthalt (länger als 3 Monate) oder zum Antritt einer Stelle einzureisen wünschen, haben die Gesandtschaften und Konsulate die
Einwilligung der Zentralstelle in Bern einzuholen.

Voraussetzung für die Gewährung der Erleichterungen zur vo.'übergehenden Einreise war die Schaffung der Grenz- und

273 Einreisekontrolle. Die zur Durchführung dieser Aufgabe der Zentralstelle eingegliederte A b t e i l u n g G r e n z k o n t r o l l e 1 ) hat die Aufsicht über sämtliche Grenzpassierstellen für den grossen Grenzverkehr auszuüben. Verschiedene Beamte dieser Abteilung besuchen alle wichtigeren Grenzstellen regelm'ässig, um mit der Zeit ein möglichst rasches und zuverlässiges Arbeiten derselben herbeizuführen und dadurch Störungen im Reisendenverkehr auszuschalten. Die Abteilung Grenzkontrolle nimmt die Meldungen der Grenzpassierstellen über Ein- und Ausreise sämtlicher die Grenze passierenden Ausländer entgegen und leitet dieselben an die anderen Unterabteilungen der Zentralstelle, namentlich an die A b t e i l u n g A u f s i c h t I n t e r n zur Verarbeitung weiter.

Der Erfolg der Tätigkeit der Abteilung Aufsicht Intern ergibt sich aus folgender Zusammenstellung: Pro Tag reisen durchschnittlich 1135 Ausländer ein. (Der Durchschnitt ist anhand der statistisch festgestellten Zahlen der letzten fünf Monate berechnet worden.) Die Abteilung erhält Meldung, dass hiervon 1035 Ausländer wieder ausgereist sind oder mit Aufenthaltsverlängerung (durch die Kantone erteilt und der Zentralstelle gemeldet, wenn nicht über l Jahr hinausgehend durch die Abteilung Niederlassung der Zentralstelle genehmigt, wenn über l Jahr hinausgehend, bei Stellenantritt oder Niederlassung) im Lande verbleiben. Es müssen somit pro Tag über den Aufenthalt von durchschnittlich 100 Ausländern von der Abteilung Aufsicht Intern Nachforschungen angestellt werden.

Diese Nachforschungen ergeben, dass 35 von diesen 100 Ausländern ebenfalls ausgereist sind und 25 von zuständiger Stolle Aufenthaltsverlängerungen erhalten haben. Von den 40 übrig bleibenden Ausländern können durch Nachforschungen bei den Kantonen und Gemeinden 30 ermittelt werden, welche sich ohne Aufenthaltsberechtigung unkontrolliert in der Schweiz aufhalten.

Diese werden, je nach der Lage des Falles, entweder abgeschoben oder erhalten die Aufforderung, innerhalb einer im Einzelfall angemessenen Frist ihre Papiere in Ordnung zu bringen.

Es bleiben somit von den 1135 eingereisten Ausländern nur 10, über welche die Zentralstelle keine Feststellungen zu machen in der Lage ist.

J ) Über die Organisation und den Aufgabenkreis der verschiedenen Unterabteilungen der Zentralstelle gibt der Geschäftsbericht des Justiz- und Polizeidepartementes für das Jahr 1919 näheren Aufschluss.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

18

274 Wenn man sich vor Augen hält, dass sich die Nachforschungen der Abteilung Aufsicht Intern, abgesehen von sich aus bereits vorhandenen Dossiers ergebenden Anhaltspunkten, lediglich auf die Ein- und Ausreisefichen stützen können, die von insgesamt 46 Grenzpassierstellen täglich eingesandt werden, und in Betracht zieht, dass die bei der notwendigen raschen Abfertigung der Reisenden an der Grenze nicht zu vermeidenden Fehler (z. B. falsche Übertragung der oft ausserord enti ich ungewohnten Namen der Ausländer in die Fichen) in der Zahl 10 der nicht auffindbaren Ausländer inbegriffen sind, sowie dass die Nachforschungen bei 22 Kantonen und zirka 3500 Gemeinden sich oft ausserordentlich mühsam gestalten, so kann der Erfolg der Arbeit der Abteilung Aufsicht Intern als befriedigend bezeichnet werden. Dies noch ganz besonders, wenn man bedenkt, dass weitaus die Mehrzahl der trotz Fristablauf nicht ausgereisten Ausländer von den Kantonen und Gemeinden erst entdeckt wird auf Grund der Meldung der Zentralstelle.

Die Kantone und Gemeinden ihrerseits können die ihnen so gemeldeten Ausländer nur ausfindig machen anhand ihrer An- und Abmelderegister. Unbedingte Voraussetzung für die Nachforschungen der Zentralstelle ist also die in Art. 14 und 15 der Verordnung vom 17. November 1919 umschriebene Anmeldepflicht.

In den Abteilungen Grenzkontrolle und Aufsicht Intern werden gegenwärtig 71 Beamte beschäftigt, in der Kartothek und Registratur mit ihren verschiedenen Kontrollbureaux 90 Beamte. Die Zentralstelle besitzt heute über 300,000 Dossiers.

So weitgehend im Interesse des Verkehrs und unserer Fremdenindustrie die Einreise von Ausländern, welche nur zu vorübergehendem Aufenthalt einzureisen wünschen, erleichtert ist, so streng müssen die Gesuche derjenigen geprüft werden, welche sich dauernd in der Schweiz niederlassen wollen. Hier liegt die Hauptaufgabe der Zentralstelle für Fremdenpolizei. Bei der Prüfung dieser Gesuche darf sich die mit dieser Aufgabe betraute A b t e i l u n g N i e d e r l a s s u n g nur von ausschliesslich schweizerischen Interessen leiten lassen. Sie muss sich insbesondere bei der Behandlung jedes einzelnen Falles bewusst sein, dass sie es in der Hand hat, durch eine feste, unbeeinflussbare Praxis der Überfremdung der Schweiz zu steuern. Dabei darf

275 sie aber nicht ausser acht lassen, dass die Schweiz mit der Vielgestaltigkeit ihrer Industrien und Handelsbeziehungen zum Auslande ihren Bedürfnissen an arbeitenden Menschen nicht selbst genügen kann. Oft ein schwieriges Abwägen bei der Prüfung des einzelnen Falles ! Namentlich wenn man bedenkt, wie schwierig es oft ist, dem von einer Ablehnung Betroffenen und seinen, je nach der Stellung, die er einnimmt, mehr oder weniger zahlreichen und hartnäckigen Befürwortern die Gründe der Ablehnung auseinanderzusetzen. Diese Überlegungen zeigen auch, wie notwendig es ist, dass die Überprüfung der Niedeflassungsbewilligungen einer zentralen Instanz übertragen ist und nicht den Kantonen und Gemeinden überlassen wird, welche vielfach nur die regionalen und nur zu oft rein fiskalische Interessen sehen und dazu, weil in kleineren Verhältnissen sich befindend, leichter der Beeinflussung durch den einzelnen Fall ausgesetzt sind als die Zentralstelle.

Als Gründe zur Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gelten in erster Linie persönliche Beziehungen zu unserem Lande, wie sie z. B. vorhanden sind bei Frauen, die erst durch die Heirat Ausländerinnen geworden sind, und bei Ausländern, die Schweizer zu Verwandten haben oder die vor dem Kriege bereits längere Zeit in der Schweiz niedergelassen waren, kurz da, wo im einzelnen Falle damit gerechnet werden kann, dass der Gesuclisteller sich unsern Verhältnissen anpassen kann: Dann müssen selbstverständlich diejenigen Ausländer berücksichtigt werden, deren Anwesenheit in der Schweiz notwendig und insbesondere im Interesse der schweizerischen Volkswirtschaft gelegen ist, wie z. B. Dienstmädchen und Arbeitskräfte für die Industrie, hauptsächlich Spezialarbeiter, wie sie vor dem Kriege in gewissen Industriezweigen in grosser Anzahl in der Schweiz waren. Ausländern, die, durch die Verhältnisse aus ihrem Heimatstaate vertrieben, in die Schweiz einzureisen trachten, kann die Niederlassung leider nur in ganz seltenen, besonders begründeten Fällen gewährt werden. Würde sich die Zentralstelle solchen Fremden gegenüber entgegenkommend zeigen, wie es bei der Tradition unseres Landes als Asyl für durch politische Ereignisse Vertriebene unter anderen Verhältnissen eine Salbstverständlichkeit wäre, so hätte das eine Überschwemmung der Schweiz mit Tausenden solcher unglücklicher
Flüchtlinge zur Folge. Es sei hier erwähnt, dass die Beurteilung der Einreise von politischen Persönlichkeiten von Anfang an dem Politischen Departement vorbehalten war.

276 Vom 1. Mai 1919 bis zum 30. November 1919 behandelte die Abteilung Niederlassung insgesamt 15,872 Niederlassungsgesuche. Hiervon wurden 9459 Gesuche bewilligt, abgewiesen 6413. Durchschnittlich fallen also in dieser Zeitspanne zirka 1200 Niederlassungsbewilligungen auf den Monat. In dieser Zahl sind inbegriffen einmal Kinder, die mit ihren Eltern sich ansiedelten oder zu denselben zuzogen, ferner ein grosser Teil jener Personen, die,, durch den Krieg ins Ausland versehlagen, erst nach Kriegsende wieder zu ihrem früheren Wohnsitz zurückkehren konnten (nicht die sogenannten Militärentlassenen), ferner verschiedene hundert weibliche Dienstboten. Zu der Gesamtzahl der Niederlassungsgesuche und zugleich zur Zahl der Ablehnungen wären noch diejenigen Gesuche hinzuzurechnen, die auf Niederlassung -gestellt wurden, aber durch Erteilung einer Einreisebewilligung zu befristetem Aufenthalt ihre Erledigung fanden.

Diese Gesuche erscheinen in der Statistik aus technischen Gründen unter den Gesuchen und Bewilligungen betreffend vorübergehenden Aufenthalt. Die Zahl der eingelangten Niederlassungsgesuche, sowie die Zahl der Bewilligungen war bis Ende des vergangenen Jahres in stetem Abnehmen begriffen, da bis zu diesem Zeitpunkte die oben erwähnten ausserordentlichen Fälle der Rückkehrer erledigt gewesen sein dürften. Das zeigt sich in der statistischen Aufstellung seit 1. Dezember 1919, also seit Inkrafttreten der neuen Verordnung.

In der Zeit vom 1. Dezember 1919 bis zum 31. März 1920 wurden insgesamt 5664 Niederlassungsgesuche behandelt. Den kantonalen Bewilligungen konnte zugestimmt werden in 3226 Fällen. 2438 Gesuche wurden abgewiesen, teils im Einverständnis mit den kantonalen Behörden, teils im Einspruchsverfahren gemäss Art. 19 der Verordnung. Es ergeben sich somit durchschnittlich nur noch 806 Niederlassungsbewilligungen pro Monat, denen 609 Abweisungen gegenüberstehen. Um sich in zweifelhaften Fällen die Möglichkeit einer späteren Prüfung zu wahren, wurde ein grosser Prozentsatz der Niederlassungsbewilligungen nur befristet erteilt, wobei die Frist je nach der Lage des Falles auf ein oder mehrere Jahre bemessen wurde.

Dass die Praxis der Abteilung Niederlassung der Zientralstelle von der der Polizeiabteilung unterstellten Rekursabteilung gebilligt wird, ergibt sich aus folgender Aufstellung : Auf 2438 Ablehnungen von Niederlassungsgesuchen (1. Dezember 1919 bis 31. März 1920) gingen 94 Rekurse ein bei der R e k u r s a b t e i l u n g .

277

Von diesen Rekursen wurden 56 abgewiesen, 25 gutgeheissen, 7 teilweise gutgeheissen, 6 waren gegenstandslos. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass im Rekursverfahren oft neue für die Beurteilung erhebliche Tatsachen vorgebracht werden, so dass die erste Instanz auf Grund der neuen Sachlage in ihrer Vernehmlassung in der Mehrzahl der gutgeheissenen Fälle ihren Standpunkt ändern muss.

Eine besondere Behandlung haben von Anfang an die Gesuche derjenigen Ausländer erfahren, welche, vor dem Kriege in der Schweiz niedergelassen, zum Kriegsdienst in ihr Heimatland eingezogen wurden und nach der Entlassung wieder in die Schweiz zurückkehren wollten. Diese Gesuche wurden von der M i l i t ä r a b t e i l u n g behandelt. Der Entscheid über dieselben musste stets abhängig gemacht werden vom kommunalen und kantonalen Antrage, sowie vom Bericht des Zentralpolizeibureaus über eventuelle Vorstrafen und von demjenigen des eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge. Es zeigte sich anfänglich, dass die Kantone und Gemeinden diese Gesuche nach ganz verschiedenen Grundsätzen beurteilten. Erst allmählich gelang es der Zentralstelle, eine einheitliche Praxis zu erzielen, wobei sie sich stets von dem Gedanken leiten liess, dass diese Gesuchsteller durch ihren früheren, meist langjährigen Aufenthalt in der Schweiz -- die grosse Zahl derselben liess beim Einrücken in den Kriegsdienst die Familie in der Schweiz zurück -- gegenüber Neuzureisenden einen gewissen Anspruch auf die Erteilung der Einreisebewilligung haben. Vielen von ihnen musste die Einreise, mit Rücksicht auf die namentlich in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres grosse Arbeitslosigkeit in der Schweiz, die sich vor dem endgültigen Friedensschlüsse über beinahe alle Industrien erstreckte, verwehrt werden. Mit der Besserung auf dem Arbeitsmarkte konnte auch den besonderen Verhältnissen des einzelnen Gesuchstellers immer mehr Rechnung getragen werden.

Die statistische Zusammenstellung aller von der Müitärabteilung bis zum 31. März 1920 behandelten Einreisegesuche ergibt folgendes Bild : Gestellte Gesuche Bewilligungen Ablehnungen Deutsehe . . . .

15,441 ' 9,603 5,838 Italiener . . . .

6,825 5,221 1,604 Franzosen.. . . .

1,100 753 347 Österreicher . . .

879 606 273 Dass prozentual bedeutend mehr Gesuche deutscher Militärentlassener abgelehnt werden mussten als italienischer, ergibt sich

278

aus dem Umstände, dass der Deutsche auf unserem Arbeitsmarkte in der Regel als Konkurrent auftritt, während der Italiener ein Spezialarbeiter ist, wie er namentlich heute im Kampfe gegen die Wohnungsnot beinahe unentbehrlich geworden ist.

Leider war es der Zentralstelle nicht möglich, von den Kantonen Angaben über die Zahl der zum Kriegsdienste ausgereisten Ausländer zu erhalten, so dass ein Bild darüber, wie viele nicht mehr zurückgekehrt sind, an Hand der Statistik der Zentralstelle nicht gegeben werden kann.

Die gesetzliche Grundlage für die Einreise der militärentlassenen Heimkehrer bildeten bis zum 6. Mai 1920 die Bundesratsbeschlüsse vom 10. und 26. November 1918 betreffend Grenzpolizei und Quarantänemassnahmen gegenüber entlassenen Soldaten der kriegführenden Armeen. Sie waren erlassen worden, um bei der plötzlichen Auflösung des deutschen Heeres nach dem Waffenstillstand eine Handhabe gegen den unkontrollierten Massenzuzug der entlassenen Wehrmänner zu haben. Durch Beschluss des Bundesrates vom 6. Mai 1920 konnten die genannten Bundesratsbeschlüsse aufgehoben werden, da die Voraussetzungen zum Bestehen derselben in Wegfall gekommen waren'. Nach einer vorausgesehenen kleinen Ergänzung der Verordnung vom 17. November 1919 (Art. 7, lit. e) wird diese Verordnung genügende Grundlagen für die Militärentlassenen bieten.

Zur Vermeidung der Einschleppung von ansteckenden Krankheiten durch entlassene Soldaten hatte der Bundesrat die Q,uarantänepflicht für diese Kategorie von Einreisenden verfügt (Bundesratsbeschluss vom 23. Mai 1919 betreffend Grenzpolizei und Quarantänemassnahmen gegenüber entlassenen oder beurlaubten Soldaten der kriegführenden Armeen). Diese Pflicht besteht jedoch heute nur noch für diejenigen, welche nach dem 1. Januar 1920 aus dem Heeresdienst entlassen worden sind. Auch ist sie auf eine genaue ärztliche Untersuchung und kurze Beobachtung in der Quarantänestation reduziert, sodass die Einreisenden bei gutem ärztlichem Befund am zweiten Tage nach Eintreffen in der Quarantänestation ihr Reiseziel noch erreichen können.

Da die ehemals kriegführenden Staaten nun bald gänzlich demobilisiert haben, wird die Militärabteilung in absehbarer Zeit aufgelöst werden können, was eine Reduktion des Personals um ungefähr 40 Beamte zur Folge haben wird.

Die Zentralstelle ist, mit Ausnahme der in diesem Berichte gegebenen Zahlen, nicht in der Lage, heute weiteres von der A b t e i l u n g S t a t i s t i k zusammengestelltes statistisches Material

279

bekanntzugeben. Durch die steten Änderungen der Einreisevorschriften und die deshalb sich stets in der Umstellung befindende Organisation der Zentralstelle während des vergangenen Jahres haben sich die Grundlagen für die statistische Arbeit stets geändert. Wohl lieferten die statistischen Zusammenstellungen den einzelnen Abteilungen der Zentralstelle stets wertvolles Material zur Überprüfung der Grundsätze, nach denen die Einreisegesuche behandelt wurden. Als Gesamtzahl, vom Aussenstehenden betrachtet, können sie jedoch kein richtiges Bild geben.

Der gesamte Verkehr der Zentralstelle mit den schweizerischen Gesandtschaften und Konsulaten im Ausland wird durch die A b t e i l u n g A u f s i c h t E x t e r n geleitet, sofern es sich nicht um die Behandlung einzelner Einreisegesuche handelt.

Diese Abteilung ist zugleich Auskunftsstelle für unsere auswärtigen Vertretungen über die Durchführung der Verordnung.

Alle Unregelmässigkeiten und Verstösse gegen die Verordnung, die bei den Gesandtschaften und Konsulaten vorkommen, sowie alle von dritter Seite eingehenden Beschwerden gegen die Amtsführung derselben laufen bei der Abteilung Aufsicht Extern zusammen. Sie hat durch den steten Kontakt mit diesen Organen der Fremdenpolizei das Ihrige beigetragen zur möglichst reibungslosen Durchführung der Verordnung.

Um die persönliche Beeinflussung der einzelnen mit der Behandlung der Einreisegesuche betrauten Beamten tunlichst auszuschalten und denselben ein ruhiges, objektives Arbeiten zu ermöglichen, wurde bei der Reorganisation der Zentralstelle, also ungefähr vor einem Jahre, ein besonderes Bureau für den B e s u c h s e m p f a n g errichtet. Dieses Bureau hatte im Laufe des vergangenen Jahres eine ganz bedeutende Arbeit zu verrichten. Es war in erster Linie dazu berufen, die Leitung der Zentralstelle, sowie die Chefs der verschiedenen Unterabteilungen auf dem laufenden zu erhalten über vorgekommene Fehler, konnte also zum Ausbau der Organisation wertvolle Winke geben. In ähnlichem Sinne arbeitet der seit Ende Juli 1919 bestehende P r e s s e d i e n s t . Er orientiert die Leitung der Zentralstelle über die in den Tageszeitungen sich widerspiegelnden Strömungen der öffentlichen Meinung und Ereignisse, welche geeignet sein können, die Entwicklung der Fremdenpolizci oder ihre Entscheidungen in Einzelfällen
zu beeinflussen.

Von Anbeginn her machte es sich die Presse in dankenswerter Weise zur Aufgabe, den mannigfaltigen Wünschen Form zu geben, die zur Frage der Einreise- und Kontrollformalitäten

280

und zu den Niederlassungsbestimmungen Stellung nehmen. Alle derartigen Anregungen wurden dem Chef vorgelegt und gegebenenfalls in einer Sammelmappe vereinigt, um bei den von Zeit zu Zeit nötigen Abänderungen der Bundesratsbeschlüsse über die Kontrolle der Ausländer zu Rate gezogen zu werden. Ebenso gaben Mitteilungen über die Verordnungen anderer Staaten wertvolle Winke ; beim Vergleichen mit den unsrigen liess sich feststellen, wo wir uns den fremden Vorschriften nähern können und wo im Gegenteil die Eigenart unseres Landes und seiner Bedürfnisse abweichende Bestimmungen erfordert.

Andere Artikel und Telegramme mussten den einzelnen Abteilungschefs zugewiesen werden. So gaben Nachrichten über Handel, Gewerbe und Industrie Aufschluss über die Notwendigkeit der Einreise von Geschäftsleuten und Arbeitern, oder zeigten im Gegensatz dazu, auf welchen Gebieten Arbeitsnot herrschte und wo somit der Einwanderung ein Riegel gestossen werden musste. Diese Artikel gaben wertvolles Material zur Ergänzung der Auskünfte des eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge.

Politische Bewegungen im Auslande konnten verschärfter Aufmerksamkeit an den Grenzübergangsstellen rufen und wurden daher bei der Pressekontrolle gleichfalls berücksichtigt; ebenso die Mitteilungen über Verkehrsmöglichkeiten und -Unmöglichkeiten, soweit sie die Zugsanschlüsse nach der Schweiz in Mitleidenschaft zogen. Die Ankündigung einer Verkehrseinstellung in Deutschland z. B. liess naturgemäss einen gesteigerten Andrang von Reisenden an den unmittelbar vorhergehenden Tagen erwarten und verlangte eine grössere Bereitschaft der Grenzkontrollorgane.

Streike der Post- und Telegraphenbeamten machten den Verkehr mit den Vertretungen der Schweiz im Ausland anders als durch Kuriere unmöglich. Es musste demnach die Aufmerksamkeit der Abteilung Spedition auf solche Vorkommnisse gelenkt werden.

Zuweilen wies die Presse auf eine gegen die Interessen der Eidgenossenschaft verstossende Tätigkeit einzelner Ausländer hin, die sich schon in der Schweiz aufhielten. Solche Nachrichten wurden der Abteilung Aufsicht Intern zur sorgfältigen Prüfung .übermittelt; sie führten nicht selten zur Feststellung, dass zum Erlangen der Einreisebewilligung Scheingründe vorgeschützt worden waren ; einmal im Lande, verfolgte der Eingereiste dann ganz andere Zwecke. Dank
solchen Mitteilungen konnte manchem Missbrauch gesteuert werden.

Ein besonderes Kapitel bilden die Beschwerden gegen das Verfahren oder die Entscheidungen der Zentralstelle und ihrer

281

Organe. Eine Zeitungsnotiz kann natürlich nur in den seltensten Fällen so genaue Angaben bieten, dass sie eine Untersuchung ermöglichen ; der Pressedienst wandte sich daher jeweilen an die Redaktion, sie möge ihren Gewährsmann veranlassen, Namen und genaue Personalien des Betroffenen zu nennen. So oft dieser Bitte entsprochen wurde, konnte sorgfältiges Nachforschen Licht in die Frage bringen, ob die Beschwerde berechtigt war oder nicht. Wenn ja, wurde selbstverständlich Abhülfe geschaffen, wenn nicht, eine Richtigstellung veranlasst. Leider waren jedoch die Klagen oder die Belege dafür oft so unzulänglich, dass ein erschöpfender Beweis weder für noch wider die Richtigkeit der Behauptungen gelingen wollte.

Zu den Ausführungen unter Ziffer 7 ,,Verschiedenes" des Geschäftsberichtes sind folgende Ergänzungen notwendig: A. Spesialvisa.

Das Abkommen mit F r a n k r e i c h vom 20. Dezember 1919 wurde durch die Bundesratsbeschlüsse vom 6. und 13. Februar 1920 dahin ergänzt, dass sämtliche schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate, einschliesslich die Konsulate in Finnland und Polen, ausgenommen diejenigen in den übrigen Gebieten des ehemaligen russischen Reiches, sowie die Kantone, zur Erteilung von Spezialvisa an französische Staatsangehörige ermächtigt wurden.

Mit E n g l a n d wurde ein gleiches Abkommen getroffen.

Es unterscheidet sich von dem Abkommen mit Frankreich lediglich dadurch, dass die Aufenthaltsfrist für die im Besitze eines Spezialvisums sich befindenden Engländer in der Schweiz und Schweizer in England ein Jahr beträgt. Die Vergünstigung beruht also auf Gegenseitigkeit.

Die Verhandlungen über ein gleiches Abkommen mit Italien sind so weit fortgeschritten, dass auf ein baldiges günstiges Resultat gehofft werden kann: Es besteht die Absicht, mit anderen Staaten, wie Belgien, Holland, Spanien etc., ebenfalls in Unterhandlungen zu treten zum Zwecke des Abschlusses von Abkommen betreffend Spezialvisa.

S. Hülfsäktionen.

1. Ferienkinder. Vom i. Februar 1919 bis zum 30. April 1920 wurden insgesamt folgende Ferienkinder in der Schweiz aufgenommen :

282

deutsche zirka 23,800 österreichische 42,200 belgische 228 tschecho-slo wakische 770 elsässer 52 ungarische 42 Dazu kommen 74 Kinder aus einem Institut in Stanialau, die vor dem Hereinbrechen der Russen geflüchtet sind.

Als Ferienkinder werden betrachtet Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren. Der Ferienaufenthalt ist auf 6 bis 10 Wochen bemessen. Die Kinder werden zum grössten Teil in Privatfamilien untergebracht; einzelne Transporte kamen in Pensionen, Hotels und Sanatorien. .Gesuche betreffend Verlängerung des Aufenthaltes können der Konsequenzen wegen nur in denjenigen Fällen berücksichtigt werden, wo durch ärztliche Zeugnisse der Nachweis erbracht ist, dass ein längerer Aufenthalt in der Schweiz ausnahmsweise unbedingt notwendig ist. An diesem Grundsatze wird streng festgehalten, da der Hauptzweck der Kinderaktionen der ist, möglichst vielen Kindern einen Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen. Seit Ende des vergangenen Jahres hat sich ein Zentralkomitee gebildet, durch das die Geschäfte sämtlicher Einzelaktionen in der Schweiz geleitet werden. Das Zentralkomitee hat einen Delegierten nach Wien entsendet, der die richtige Durchführung der Aktion in Österreich ständig überwacht.

2. Eine" weitere Veranstaltung war die ö s t e r r e i c h i s c h e Töchter-Hülfsaktion des schweizerischen katholischen F r a u e n b u n d e s . Während für die Aufnahme in die Kinderaktionen als obere Altersgrenze das 14. Jahr gilt, so bezweckt diese Veranstaltung, auch altern Töchtern, namentlich aus den heute besonders schwer betroffenen österreichischen Beamtenund Offizierskreisen, die Möglichkeit eines Erholungsaufenthaltes in der Schweiz zu verschaffen. Es sind bis jetzt 112 Töchter eingereist.

G. Wiener Studenten.

Bis Ende April wurden weitere 335 Einreisegesuche bewilligt, so dass insgesamt bis jetzt rund 750 Bewilligungen an österreichische Studierende erteilt worden sind.

D. Österreichische

LandwirtscliaftspraMilcanten.

Mit Eingabe vom 7. Januar 1920 durch das deutsch-österreichische Staatsamt für Land- und Forstwirtschaft an die schwei-

283 zerische Gesandtschaft in Wien wurde eine Aktion eingeleitet, wonach österreichischen Bauernsöhnen Gelegenheit geboten werden sollte, bei schweizerischen Landwirten als Praktikanten einzutreten und auf diese Art die Betriebsweise und die landwirtschaftliche Bewirtschaftung nach schweizerischem System kennen zu lernen. Die Einreise wurde 201 Praktikanten vorläufig für 3 Monate bewilligt unter der Bedingung, dass sie keine anderweitige Beschäftigung annehmen ohne ausdrückliche Bewilligung der Zentralstelle.

E. Internierte.

Von den 133 deutschen Militärinternierten, die nach dem Abtransport der letzten 3000 deutschen Internierten in der Schweiz noch in Davos geblieben waren, waren bis Ende April 1920 36 ausgereist.

F. Internationale Kongresse.

Sobald die Zentralstelle Kenntnis erhält von geplanten internationalen Kongressen, sei es durch die Presse, durch Mitteilungen der Veranstalter oder durch vorliegende Einreisegesuche, so setzt sie sich mit dem politischen Departement vmd dem Kanton, in dem der Kongress abgehalten werden soll, in Verbindung, um hierauf den schweizerischen Vertretern im Auslande die nötigen Instruktionen erteilen zu können. Liegen gegen die Abhaltung eines Kongresses keine Bedenken vor, so bestehen diese in der Regel in einer generellen Ermächtigung zur Erteilung eines befristeten Visums, wobei überdies üblicherweise von den Kongressteilnehmern die schriftliche Erklärung gefordert wird, sich auf die angegebene Tätigkeit zu beschränken und sich jeglicher politischer oder anderer Propaganda ausserhalb des Kongresses zu enthalten.

G. Slawische BücJavanderer aus Amerika.

Ein schwieriges Problem, welches die Zentralstelle für Fremdenpolizei gemeinsam mit dem Politischen Departement, der Transportsektion und der Nachrichtensektion des Armeestabes seit letztem Sommer beschäftigte, war dasjenige der Rückwanderung von Slaven aus Amerika, die nach dem für ihre Heimatstaaten siegreichen Ausgang des Krieges zu Tausenden bestrebt sind, dieselben wieder aufzusuchen. Es handelt sich hauptsächlich um Polen, Tschechoslowaken und Serben, in zweiter Linie um Slovenen, Rumänen und Ungarn. Aus politischen Gründen war es

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einem grossen Teil dieser Rückwanderer unmöglich, auf dem Wege über das Mittelländische Meer in ihre Heimat zu gelangen, weshalb sie die Route durch Frankreich und die Schweiz einschlugen. Neben den grossen Transporten, die anfangs August in Antwerpen, Le Havre und Marseille einzutreffen begannen und unter der Kontrolle der Transportsektion des Militärdepartementes in geschlossenen Zügen durch die Schweiz geführt wurden, kamen seit dieser Zeit über sämtliche Grenzstellen an unserer Westgrenze kleinere Gruppen (50 bis 200 Mann) Rückwanderer in unser Land, die meist ein Durchreisevisum ohne Aufenthalt besassen und trotzdem in Bern oder in Zürich tagelang auf das österreichische Visum warten mussten. Die Lage wurde besonders kritisch, als Ende August die Verkehrsschwierigkeiten in Österreich derart überhand nahmen, dass die Österreicher sich weigerten, grössere Transporte von Rückwanderern zu übernehmen.

Damit fanden die Massen, die im Westen der Schweiz hereinkamen, im Osten geschlossene Türen und trieben sich die längste Zeit unkontrolliert und oft mittellos in unserem Lande herum.

Auf Grund dieser Situation beschlossen die beteiligten schweizerischen Amtsstellen am 25. September, auf diplomatischem Wege von Polen, Serbien und der Tschechoslowakei Zusicherungen zu verlangen, wonach diese sich verpflichten sollen, an Österreich für den Weitertransport der Rückwanderer die erforderlichen Kohlen und Verkehrsmittel zu liefern. Die Lage verbesserte sich aber keineswegs, so dass angesichts der Unmöglichkeit der Weiterleitung dieser Transporte durch Österreich die Zentralstelle die schweizerischen Vertretungen in Nordamerika, in Frankreich und in Antwerpen anweisen musste, diesen Rückwanderern keine Rückreisevisa mehr zu erteilen. Gleichzeitig wurde nach Fühlungnahme mit den französischen Behörden beschlossen, einen eidgenössischen Spezialkommissär nach Delle zu delegieren, um dort die ankommenden Rückwanderer in Lager zu sammeln, ihre Durchreise durch die Schweiz zu überwachen und bei bestehender Möglichkeit der Weiterreise durch Österreich Sammeltransporte zu organisieren. Eine weitere Organisation mit gleichen Aufgaben wurde in dem der Transportsektion unterstehenden Bureau für Heimtransporte in Basel geschaffen.

Da seitens der beteiligten slavischen Staaten mit Ausnahme der Tschechoslowakei, die
eine Vereinbarung zur Verrechnung mit Deutsch-Österreich traf, und Polens, das einige Tonnen Kohlen lieferte, nichts getan wurde, um die Beförderung der Rückwanderer zu erleichtern, und die Lage immer unhaltbarer wurde,

285 unternahm es die Transportabteilung des schweizerischen Militärdepartementes, die in Massen auf die Weiterreise wartenden Rückwanderer mit Wagenmaterial der schweizerischen Bundesbahnen und mit schweizerischer Kohle, welche zum Teil riickerstattet worden ist, weiter zu befördern., Im Oktober 1919 rollte der erste Zug mit 750 polnischen Rückwanderern unter militärischer Bedeckung durch Österreich nach Polen. Bis Ende April 1920 wurden auf diese Weise in 25 Zügen rund 25,000 Rückwanderer ab Buchs in ihre Heimat befördert.

Infolge der Streike in Amerika und Holland wies die Bewegung in der Zahl der ankommenden Rückwanderer einen Rückgang auf. Leider fehlen sichere Anhaltspunkte darüber, wie viele Rückwanderer aus Amerika für die Zukunft noch zu erwarten sind.

D. Militärdepartement.

1. Militärisches.

I. D e m o b i l m a c h u n g . Nachdem in der voraufgehendeu Berichterstattung die Entlassung der letzten zum Grenzdienst aufgeboten' gewesenen Truppen hat gemeldet werden können, lässt sich für die abgelaufene Berichtsperiode weiter der Abbau auch bei den zur Grenzbewachung einzig noch im Felde stehenden Freiwilligen-Formationen der Bewachungstruppe und der Heerespolizei erwähnen, und zwar wurden aufgehoben: am 10. Dezember 1919 : Grenzdetachement Prättigau (Bewachungskompagnie 21), am 31. Dezember 1919: Grenzdetachement Engadin (Bewachungskompagnie 3), ferner bis Anfang 1920 die Bewachungskompagnien im Innern des Landes (Hauenstein, Goldau, Altdorf und Thun). Im Laufe des Monats März wurde an der Nordostgrenze eine starke Reduktion der Bestände vorgenommen, namentlich im Rheintal, am Bodensee und im Aargau. Ein weiterer Abbau wird zurzeit in Verbindung mit den Polizei- und Zollbehörden geprüft. Am 31. März 1920 standen Bewachungstruppen und Heerespolizei noch im Grenzabschnitt von der Luziensteig bis Basel (inklusive) in einer Stärke von im Ganzen 3179 Mann. In der letzten Zeit wurden die Freiwilligen in verschiedenen Gegenden von der Grenzbevölkerung, namentlich in der Lokalpresse, heftig angegriffen. Eine vom Bundes-

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rat angeordnete Untersuchung ergab jedoch die völlige Haltlosigkeit der Anschuldigungen. Die Bewachungstruppe hat die in sie gesetzten Erwartungen bisher vollkommen erfüllt.

II. A l l g e m e i n e M a s s n a h m e n . Mit der P e r s o n a l r e d u k t i o n bei der M i l i t ä r v e r s i c h e r u n g hat im Herbst l 919 begonnen werden können, so dass der Bestand desAushülfspersonals, der im Monat August 191.9 mit 238 Mann seinen Höhepunkt erreicht hatte, Ende Dezember auf 164 Personen herabsank; gegenwärtig beträgt er rund 125, die Zahl der ständigen Beamten 10. Mit einem raschen Abbau bei der Militärversicherung kann jedoch nicht gerechnet werden, weil aus der Zeit der Grippe-Epidemie Stetsfort Rückfälle auftreten, und die in den letzten Monaten gesprochenen Pensionen die Militärversicherung auf Jahre hinaus beschäftigen werden. Voraussichtlich muss die Militärversicherung im Jahre 1920 noch mit einer Gesamtausgabe von zirka 15--16 Millionen rechnen, während die Jahresausgabe zur Friedenszeit rund Fr. 1,200,000 betrug.

Zwei von den in der Berichtsperiode ergangenen Erlassen des Bundesrates berühren die M i l i t ä r g e r i c h t s b a r k e i t , nämlich 1. der B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 1. D e z e m b e r 1919 b e t r e f f e n d d i e A u f h e b u n g d e r Z i f f e r X d e s A u f g e b o t s b e s c h l u s s e s vom 1. A u g u s t 1914 (A. S.

Bd. XXXV, S. 976). Nach diesem Beschluss unterstehen nun auch die Beamten und Angestellten der Militärverwaltung als solche der Militärgerichtsbarkeit nur noch im Rahmen der durch die Militärstrafgerichtsordnung selbst getroffenen Regelung; ausgenommen sind die Anwendungsfälle der Verordnung vom 11. November 1918 betreffend die Gefährdung und Störung der innern Sicherheit der Eidgenossenschaft. 2. Der Bundesratsbeschluss v o m 2 6 . M ä r z 1920 b e t r e f f e n d d i e E i n s c h r ä n k u n g der d u r c h N o t v e r o r d n u n g s r e c h t für die Zeit des Aktivdienstes geschaffenen Kompetenzen derMilit ä r g e r i c h t e (A. S. Bd. XXXVI, S. 189). Nach Massgabe der Verordnung vom 6. August 1914 betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand unterstanden auch die Zivilpersonen der Militärgerichtsbarkeit, wenn sie sich Delikte gegenüber Militärpersonen oder an Sachen, welche der Armee dienten, schuldig machten. Der
Beschluss hebt in erster Linie diese Bestimmung wieder auf. Damit fallen nun die gemeinrechtlichen Tatbestände der Ehrverletzung, Tätlichkeiten etc. gegenüber Militärpersonen, die Diebstähle und Veruntreuungen etc. an militärischem Gute, welche die hauptsächlichsten Anwendungsfälle dieser Bestimmung darstellten, wieder in die bürgerliche Kompetenz. Sodann wird die

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durch den Bundesratsbeschluss vom 12. April 1918 begründete Zuständigkeit der Militärgerichte zur Ahndung der Widerhandlungen gegen die Ausfuhrverbote, wenn diese mit einem militärischen Vergehen verbunden waren, wie z. B. Betreten der militärischen Grenzzone, wieder beseitigt upd weiter bestimmt, dass die Übertretungen der militärischen Befehle und Verfügungen, welche den Grenzverkehr betreffen, nur noch disziplinarisch zu bestrafen sind, so dass sich die Gerichte mit diesen Sachen nicht mehr zu befassen haben. Die militärgerichtliche Zuständigkeit in Schmuggelsachen bleibt nur noch bestehen für die Verfolgung der in Art. 4 des Bundesratsbeschlusses vom 12. April 1918 unter Strafe gestellten Tatbestände der aktiven und passiven Bestechung, wenn sie von und an der Militärgerichtsbarkeit unterworfenen Personen verübt werden. Das weitere Inkraftbleiben dieses Beschlusses ist den eidgenössischen Räten in einer besondern Vorlage beantragt worden.

III. A b b a u d e r . R ü s t u n g s a r b e i t e n u n d L i q u i d a t i o n e n . Seit Einreichung des letzten Neutralitätsberichtes ist der Arbeiterbestand der fünf Militärwerkstätten, welcher im Oktober 1919 nur noch zirka 1500 Mann betragen hatte, ungefähr gleich geblieben. Gegenüber einer Arbeiterzahl von 2076 Mann im Juli 1914 ist der jetzige Bestand somit rund 500 Mann kleiner, als unmittelbar vor Ausbruch des Krieges.

Von weiteren Entlassungen musste mit Rücksicht auf die Winterszeit Umgang genommen werden. Es wird aber voraussichtlich nötig werden, die Arbeiterzahl in nächster Zeit noch etwas zu reduzieren. Die Zahl der ausserordentlichen Beamten und Angestellten, welche mit der Beschaffung von Zivilaufträgen für die Regiewerkstätten, sowie mit Liquidations- und Rechnungsabschlussarbeiten etc. beschäftigt sind, beträgt heute noch 24 Personen gegenüber einem Höchstbestand von 123 im Jahre 1918.

Die F a b r i k a t i o n von R ü s t u n g s m a t e r i a l blieb aufs äusserste eingeschränkt, und von den nicht entlassenen Arbeitern wurden, wie während der Berichtsperioderi Mai/Oktober 1919, möglichst viele auf Privatarbeiten beschäftigt. Auf die Ende Oktober 1919 erteilte Weisung, den Ausgabenvoranschlag des eidgenössischen Militärdepartements pro 1920 weitmöglichst zu reduzieren, mussten von der in der Sommersession 1919 für Kriegsmaterial von
den eidgenössischen Räten bewilligten Kreditsumme, welche zirka Fr. 6,400,000 betragen hatte, Fr. 1,500,000 gestrichen werden. Dieser Abstrich wurde zum Teil dadurch ermöglicht, dass die eidgenössische Waffenfabrik mit ihrem dermaligen stark reduzierten Arbeiterbestand nicht in der Lage war,

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den Jahresbedarf von 15,000 Rekrutengewehren zu erstellen.

Deshalb wurden von den im Budget eingestellt gewesenen 15,000 Gewehren 5000 Stück im Kostenbetrag von Fr. 800,000 gestrichen.

Auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 19. Dezember 1919 betreffend Bereinigung und Abschluss der Kriegsm o b i l m a c h u n g s r e c h n u n g ist das Notwendige angeordnet worden, um die Gesamtrechnungsablage unmittelbar nach dem 30. Juni 1920 vornehmen zu können.

DieL i q u i d a t i o n der R o h m a t e r i a l - und R o h s t o f f v o r r a t e, welche bis zum Abschluss des Waffenstillstandes für die Sicherstellung der Fabrikation von Rüstungsartikeln beschafft worden waren, ist fortgesetzt worden.

Die Li qui d a t i o n d e r A r m e e m o t o r l a s t w a g e n ist bis auf die für die schweizerische Postverwaltung noch reservierten zirka 150 Wagen beendigt. Die letztes Jahr mit der genannten Verwaltung aufgenommenen Verhandlungen betreffend Übernahme der Motorwagen sollen in nächster Zeit zum Abschluss geführt werden.

Die L i q u i d a t i o n s g e s c h ä f t e in den F o r t i f i k a t i o nen H a u e n s t e i n und M u r t e n können, soweit sie die Abteilung für Genie betreffen, als erledigt bezeichnet werden. Am Hauenstein wurde das letzte Personal auf Anfang November 1919 und in Murten auf Ende März 1920 entlassen. Hängig sind noch einige Geschäfte, die in den Tätigkeitsbereich des Herrn Oberfeldkommissärs fallen. In G r a u b ü n d e n ist die Beendigung einiger weniger Geschäfte durch den Winter verunmöglicht worden; sie werden, sobald die Witterung es gestattet, ihre Erledigung finden. Im J u r a müssen zum Eindecken weit abgelegener Werke und zum Entfernen von Hindernisanlagen zwei kleine Detachemente weiter dem mit den Arbeiten betrauten Offizier belassen werden, weil dort die Arbeitskräfte zur Durchführung der Aufräumungsarbeiten sonst fehlen. Eine besondere Arbeit wird die L i q u i d a t i o n der B a r a c k e n bilden, die zurzeit noch von den Bewachungstruppen und vom Quarantänedienst benutzt werden.

2. Wirtschaftliches.

Die im letzten Bericht erwähnte Hülfsaktion zur Versorgung futternotleidender Kantone mit Heu und Stroh musste im November 1919 wieder aufgenommen werden. Es wurden bis jetzt abgegeben: rund 2300 Tonnen Heu und rund 1400 Tonnen Stroh.

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Dazu wurden dem Kanton Tessin rund 1500 Tonnen Heu aus der Agro romano gemäss Spezialbewilligung der italienischen Regierung vermittelt. Ferner gelang es dem eidgenössischen Oberkriegskommissariat, den Einstandspreis für Heu, das zur Ausfuhr aus der Provinz Brescia bewilligt und für den Kanton Freiburg bestimmt war, bedeutend herabzusetzen. Von diesem Heu wur'den rund 1650 Tonnen für den Kanton Freiburg und rund 250 Tonnen für den Kanton Tessin eingeführt.

Die Heu- und Strohabgabe an die Kantone erfolgte zum .Selbstkostenpreis. Heu wurde zum Teil aus den eidgenössischen Armeemagazinen, zum Teil auf den Grenzstationen aus den Heuankäufen des eidgenössischen Oberkriegskommissariats in Italien ·und Jugoslavien abgegeben. Die Heueinfuhr aus dem Ausland gestaltete sich zufolge der unsichern Verhältnisse in den betreffenden Ländern, wegen Kohlenmangels und ungenügender Transportmittel und wegen allerlei hemmender behördlicher Massnahmen immer schwieriger. Mit der Einfuhr von Heu aus Jugoslavien konnte, statt im September 1919, erst im März 1920 begonnen ·werden.

Die Abgabe von Stroh erfolgte ausschliesslich aus den Vorräten in den eidgenössischen Armeemagazinen.

E. Finanz- nnd Zolldepartement.

Finanzverwaltung.

1. Stand der Finanzoperationen des Blindes.

Auf den 15. April 1920 bezogen, ergibt sich folgendes Bild: 1. Anleihen.

Langfristige Anleihen, nach Abzug der Rückzahlungen Fr. 964,386,000 Kassascheine, zweijährige von 1918 . . . ,, 109,019,900 Kassascheine, dreijährige von 1919 . . . ,, 143,870,600 Schatzanweisungen im Umlauf ,, 333,650,000 Übrige schwebende Schuld (Postverwaltung) ,, 90,000,000 Barguthaben der Spezialfonds (Vermehrung seit 1914) ,, 101,379,200 Zusammen : Fr. 1,742,305,700 2. Steuern.

Kriegssteuer Fr.

98,835,800 Kriegsgewinnsteuer ,, 409,570,300 Fr. 2,250,711,800 Bondesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

19

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3. V e r w e n d u n g der Miitel.

Kriegsmobilmachungskosten Fr. 1,213,214,000 Kosten der Bewachungstruppen ,, 9,858,000 In Unternehmungen für die Versorgung der Zivilbevölkerung angelegte Gelder . . . ,, 412,181,200 Vorschüsse für die Kosten der Internierung ,, 521,200' Beteiligung des Bundes an im Interesse der Landesversorgung geüründetenUnternehnaungen ,, 56,200,000 Betriebsverluste infolge verbilligter Abgabe von Lebensmitteln .

,, 182,070,000 Vorhandene Zahlungsmittel . . . . . . .,, 28,640,000 Die ungedeckten Rückschläge der Staatsrechnungen seit 1914 betragen ,, 165,316,000 Die verbleibenden ,, 182,711,400 fanden Verwendung für die Vermehrung der verzinslichen Betriebskapitalien der Regiebetriebe, für die noch zu tilgenden Anleihenseinissionskosten und für Verschiedenes.

Fr, 2,250,711,800 Wir begleiten die einzelnen Posten, soweit sie gegenüber dem letzten, XIII. Neutralitätsbericht, wesentliche Veränderungen!

aufweisen, mit nachfolgenden Bemerkungen : 1. Anleihen.

. Die Verminderung der langfristigen Anleihen um Fr. 29,514,000' rührt her von der auf 1. März 1920 erfolgten Rückzahlung der letzten Rate des amerikanischen Anleihens von 1915 mit . . . . Fr. 27,400,00fr und der Tilgung auf dem II. Mobilisationsanleihen von 1914 mit ,, 2,114,000 Die einjährigen Kassascheine von 1918 im Betrage von.

Fr. 77,257,900 sind auf den 5. November 1919 zur Rückzahlung gelangt.

Der Betrag der bei der Nationalbank diskontierten Schatzanweisungen ist um Fr. 66,350,000 zurückgegangen, dank dea langsam fortschreitenden Abbaues der Kriegswirtschaftsbetriebe..

Die Vermehrung des Guthabens der Postverwaltung ist eine Folge der Gutschrift

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des Betriebsdefizites dieser Verwaltung auf 31. Dezember 1919 mit Fr. 23,010,822.-93 Die Staatskasse schuldete den Speziaifonds auf Ende 1913 Fr. 15,532,470.33 auf 31. März 1920 ,, 116,911,668.50 Vermehrung: Fr. 101,379,198.17 2. Verwendung der Mittel.

Der Konto ,,Mobilmachungskosten111 hat sich seit der letzten Berichterstattung nur ganz unwesentlich verändert ; dagegen erscheint neu der Konto ,,Bewachungstruppen". gemäss unserem Bericht vom 6. Februar 1920 (BB1. 1920,1, 173).

Die Verminderung der in Unternehmungen für die Versorgung der Zivilbevölkerung angelegten Gelder um rund 133 Millionen hat ihre Ursache im teilweisen Abbau der Kriegswirtschaftsbetriebe, sowie im Umstand, dass den Rechnungen dieser Betriebe die Verluste auf Ende Dezember 1919 gutgeschrieben wurden.

Die Verminderung des Kontos ,,Beteiligung des Bundes an im Interesse der Landesversorgung gegründeten Unternehmungen1* um Fr. 6,390,000 ist in der Hauptsache auf die zu Lasten der Staatsrechnung von 1919 gemachten Abschreibungen zurückzuführen.

Der Posten ,,Betriebsverluste infolge verbilligter Abgabe von Lebensrnitteln" hat durch die ungünstigen Betriehsergebnisse sämtlicher Kriegswirtschaftsbetriebe auf 31. Dezember 1919 eine starke Vermehrung erfahren. Ferner ist in diesem Posten inbegriffen der Ausgabenüberschuss der Gebührenrechnung betreffend Ein- und Ausfuhrbewilligungen mit rund 37,4 Millionen Franken.

Diese Rechnung sowie überhaupt die Rechnungen über sämtliche kriegswirtschaftlichen Organisationen werden den Gegenstand einer besonderen Vorlage an Ihre Räte bilden.

In den auf Ende Oktober 1919 mit Fr. 113,275,000 ausgewiesenen Zahlungsmitteln waren inbegriffen 70,9 Millionen Franken Restguthaben in Amerika aus dem Anleihen von 1919, welches Guthaben inzwischen für Lebensmittelankäufe aufgebraucht wurde, sowie eine Reservestellung in New-York von 24,5 Millionen Franken für die Rückzahlung der dritten und letzten Rate des amerikanischen Anleihens von 1915, die am 1. März 1920 erfolgt ist.

2. Verschiedene Massnahmen.

Am 8. Dezember 1919 haben wir den Beschluss betreffend das Verbot, Silbermünzen, die in der Schweiz Kurs haben, ein-

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zuschmelzen, zu verändern, zu verarbeiten und dem Verkehr zu entziehen, gefasst (A. S. n. F. XXXV, 987). Wir verweisen auf den Bericht vom 13. Januar 1920, den wir hierüber an die Bundesversammlung abgegeben haben (BB1. 1920, I, 75), Der Beschluss wurde vom Ständerat unterm 25. Februar und vom Nationalrat unterm 21. April 1920 als weiter in Kraft bestehend erklärt.

Über den Bundesratsbeschluss vom 26. Dezember 1919 betreffend die Folgen der Währungsentwertungen für Aktiengesellschaften und Genossenschaften (A. S. n. F. XXXV, 1031) haben wir der Bundesversammlung am 6. März 1920 einlässlichen Bericht erstattet (BB1.1920,1, 491).

F. Yolkswirtschaftsdepartemeiit.

Handelsabteilung und schweizerische Zentralstelle fUr die auswärtigen Transporte.

Wirtschaftliches Verhältnis zum Ausland.

I.

A. Die s c h w e i z e r i s c h e T r e u h a n d s t e l l e f ü r Ü b e r w a c h u n g des W a r e n v e r k e h r s (S. T. S.), deren Tätigkeit, wie wir im XI. Neutralitätsbericht erwähnten, bereits im November 1918 eingestellt werden konnte, hat ihre Liquidationsarbeiten im Laufe des letzten Jahres vollständig erledigt und uns einen gedruckten Schlussbericht mit Abrechnung unterbreitet, der von uns genehmigt wurde. Der Bericht umfasst ausser der Tätigkeit der auf Grund des schweizerisch-deutschen Wirtschaftsabkommens vom 22. Mai 1918 errichteten S. T. S. auch die Vorläufer dieser Kontrollorganisation, nämlich die ,,Treuhandstelle Zürich für die Einfuhr deutscher und österreichisch-ungarischer .Waren in die Schweiz* und die ,,Schweizerische Treuhandstelle für Überwachung des Warenverkehrs, Geschäftsstellen in Bern und Zürich", so dass er ein zusammenhängendes Bild gibt von den Einschränkungen, denen der Handel und die Industrie der Schweiz während des Krieges in bezug auf die Verwendung der aus dem Gebiete der Zentralstaaten eingeführten Rohstoffe und Fabrikate unterworfen waren.

Auch die S o c i é t é S u i s s e de S u r v e i l l a n c e E c o n o m i q u e (S. S. S.) hat ihre Liquidation nunmehr im wesentlichen durchgeführt. Der Verein ist im Februar dieses Jahres mit unserm Einverständnis im Handelsregister gelöscht worden. Förde-

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rangen an die S. S. S., welche zufolge des Rechnungsrufes eingegangen, aber von der S. S. S. selbst nicht mehr erledigt worden sind, werden vom Bunde beglichen, soweit sie sich als begründet erweisen.

Gemäss Art. 18 der S. S. S.-Statuten ist der bei der Liquidation des Vereins sich ergebende Vermögensüberschuss dem Bundesrate zu überweisen und von diesem an Organisationen, welche die Förderung von Landwirtschaft, Handel, Industrie und Gewerbe bezwecken, zu verteilen. Die S. S. S. hat uns die Summe von rund 5,s Millionen Franken als vorläufiges Liquidationsergebnis zur Verfügung gestellt. Eine Verteilung im Sinne der vorerwähnten Statutenbestimmung wird erst nach Abwicklung einiger noch unerledigter Liquidationsarbeiten (Herausgabe eines gedruckten Schlussberichtes, Erledigung einzelner noch pendenter Rechtsgeschäfte) und Feststellung des endgültigen Saldos möglich sein.

B. Das W i r t s c h a f t s a b k o m m e n mit F r a n k r e i c h vom 25. März 1919 lief am 31. Dezember gleichen Jahres ab.

Wie wir in unserm letzten Berichte ausführten, ist der Export schweizerischer Uhren nach Frankreich im Oktober 1919 durch die Aufstellung eines monatlichen Kontingentes von Fr. 800,000 für die fertigen Uhren und von Fr. 500,000 für Rohwerke und Uhrenbestandteile neu geregelt worden. Im November folgte eine analoge Vereinbarung mit Bezug auf die Stickereien, für welche das Monatskontingent auf Fr. 1,500,000 festgesetzt wurde. Die Kontingente erfuhren also gegenüber denjenigen des Abkommens vom 25. März eine wesentliche Erhöhung, welche einerseits einen gewissen Ausgleich dafür bieten sollte, dass für diese Waren, die nach dem französischen Dekret vom 7. Juli 1919 eigentlich ohne Einschränkung zur Einfuhr zugelassen werden müssten, eine Ausnahmeverfügung zuungunsten der Schweiz getroffen wurde; anderseits war die Erhöhung auch deswegen geboten, weil die Ausfuhr nach Elsass-Lothringen nunmehr im Kontingent Inbegriffen ist. Überdies wird die Erhöhung des nach dem Warenwerte festgesetzten Kontingentes durch die während des Jahres 1919 eingetretene Preissteigerung teilweise aufgewogen.

Die vorgenannten, durch Notenwechsel getroffenen Vereinbarungen, die zunächst nur für die Dauer des Abkommens vom 25. März, d. h. bis Ende 1919, Gültigkeit hatten, wurden in der Folge auf Vorschlag Frankreichs um einen Monat verlängert.

Über den Kredit von 30 Millionen Franken, der Frankreich gemäss dem Finanzabkommen vom 19. Juli 1919 eingeräumt

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wurde, hat die französische Regierung inzwischen verfügt. Ebenso ist der im genannten Finanzabkommen vorgesehene Austausch der von einer französischen Finanzgruppe unterzeichneten Wechsel durch solche des Trésor public français sowie der Ersatz der als Deckung für die geleisteten Vorschüsse hinterlegten französischen Wertschriften durch schweizerische Titel vollzo°gen worden.

Die Ratifikation des Friedensvertrages von Versailles, die am 10. Januar dieses Jahres erfolgte, sowie der Ablauf des Abkommens vom 25. März 1919 gaben uns Veranlassung, bei der französischen Regierung neuerdings auf die Aufhebung der Zollzuschläge und Einfuhrbeschränkungen zu dringen. Wir Hessen ihr durch unsere Gesandtschaft in Paris am 22. Januar eine entsprechende Note überreichen. Die Antwort lautete ablehnend. Es wurde darin ausgeführt, dass Frankreich trotz der definitiven Beendigung des Kriegszustandes nicht darauf verzichten könne, auch weiterhin seine an den Folgen des Krieges schwer leidende Industrie durch ausserordentliche Massnahmen zu schützen. Bezüglich der Zollzuschläge hielt die französische Regierung an dem von ihr schon früher vertretenen Standpunkte fest, dass es sich nicht um eine effektive Zollerhöhung handle, sondern lediglich darum, die Zollansätze mit den gesteigerten Warenpreisen in Einklang zu bringen.

Schon vor dieser offiziellen Antwort auf unsere Note hatte uns die französische Regierung durch ihre Botschaft in Bern den Entwurf zu einer neuen provisorischen Vereinbarung übergeben lassen, welche unter anderm die Beibehaltung der Kontingentierung für die Uhren und Stickereien vorsah. Ohne uns in bezug auf die grundsätzliche Seite der Frage der französischen Auffassung anzuschliessen, erklärten wir uns, um zu einer Verständigung zu gelangen, im Einvernehmen mit den beteiligten Interessentengruppen bereit, auf der vorgeschlagenen Basis in Verhandlungen einzutreten. Diese führten am 10. März zum Abschluss eines Abkommens, das wir nachstehend im Wortlaut wiedergeben (nach dem französischen Original übersetzt) : ,,1. a. Frankreich wird, höhere Gewalt vorbehalten, der Schweiz monatlich 20,000 Tonnen Kohlen liefern, die nach Möglichkeit den ehemaligen ,Mines fiscales' des Saarbeckens entnommen werden sollen.

Das vorliegende Abkommen ist, soweit es die Kohlenlieferungen betrifft, rückwirkend auf den 1. Januar 1920.

Der mittlere Preis der Kohlen wird für die Monate Januar und Februar 1920 auf 150 Schweizerfranken pro Tonne fest-

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gesetzt, wenn die Ware auf dem linken Rheinufer frei nach Basel befördert wird, oder auf 145 Schweizerfranken pro Tonne, wenn die Ware frei an diejenige badische Bahnstation geliefert wird, die dem Versandort am nächsten liegt, wobei die noch zurückzulegende Strecke zu Lasten des Käufers fällt.

Vom Monat März 1920 an wird der mittlere Preis der Kohlen Gegenstand einer monatlichen Überprüfung bilden, die sich auf Grund derjenigen Preise vollziehen wird, welche die französische Regierung ihren englischen Lieferanten franko französischer Einfuhrhafen in französischen Franken für diejenigen Kohlen bezahlen muss, welche die der Schweiz gelieferten Kohlen gleicher Qualität ersetzen sollen.

Falls gewisse Mengen Koks auf Rechnung der 20,000 Tonnen Kohlen geliefert würden, so wäre dieser Koks den Minen des Loire-Beckens zu entnehmen. Der Preis würde dem Gestehungspreis des als Ersatz dienenden englischen Koks, franko französischer Einfuhrhafen, entsprechen ; der Transport des Koks nach der Schweiz würde zu Lasten des Käufers fallen.

Die oben erwähnten Brennstoffe werden durch das ,Groupe^ment pour l'importation du charbon français en Suisse' der Schweizerischen Kohlengeuossenschaft geliefert, welch letztere die Verteilung der in die Schweiz eingeführten Kohlen unter Kontrolle der schweizerischen Regierung vornimmt. Die Zahlung der Brennstoffe erfolgt vierzehntäglich in Schweizerfranken an den ,Service financier' der französischen Botschaft in Bern zu den im Abkommen vom 25. März 1919 vorgesehenen Bedingungen, immerhin unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das ,Groupement pour l'importation du charbon français en Suisse' als Lieferungsorgan an Stelle der französischen Verwaltung tritt.

Die Entschädigung für die Mühewaltung des groupement pour l'importation du charbon français en Suisse' ist in den festgesetzten Preisen Inbegriffen.

Das groupement pour l'importation du charbon français en Suisse' und die Schweizerische Kohlengenossenschaft werden über die Modalitäten der Ausführung der im vorliegenden Abkommen erwähnten Brennstoff lieferungen eine Vereinbarung treffen, welche der Genehmigung der französischen und der schweizerischen Regierung unterliegt.

Der allfällige Austausch von amerikanischer Kohle, die durch die Schweizerische Kohlengenossenschaft angekauft worden ist, gegen Ruhrkohle, die durch Vermittlung des groupement pour l'importation du charbon français en Suisse' mit Ermächtigung

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der französischen Regierung geliefert wird, soll von Fall zu Falï durch besondere Vereinbarung zwischen dem ,Groupement' und der Schweizerischen Kohlengenossenschaft geregelt werden. DieseVereinbarungen unterliegen der Genehmigung der französischen, und der schweizerischen Regierung.

b. Der Transport der Kohlen wird nach Möglichkeit durch ·die Bahnverwaltung der Versandstation besorgt.

c. Die französische Regierung wird, soweit es an ihr liegt, die Spedition von monatlich 15,000 Tonnen linksrheinischer Braunkohle nach der Schweiz ermöglichen.

d. Die schweizerische Regierung wird die Ausfuhrbewilligungen für elektrische Energie nach Frankreich, die gemass dem beiliegenden Verzeichnis mehreren schweizerischen Werken erteilt worden sind, aufrechterhalten. Sie wird nach dem 1. Märe 1920 keine Massnahme treffen, die eine Verhinderung oder Einschränkung der Ausfuhr von elektrischer Energie nach Frankreich im Rahmen der erteilten Bewilligungen zur Folge haben könnte.

Bleibt das vorliegende Abkommen länger als bis zum 30. September nächsthin in Kraft, so wird die schweizerische Regierung auch während der Wintermonate (1. Oktober bis 31. März) von einschränkenden Massnahmen Umgang nehmen, soweit die Versorgung des eigenen Landes und die verfügbaren Energiemengen der schweizerischen Werke dies gestatten.

Sollten indessen derartige Massnahmen gegenüber den Werken,.

die elektrische Energie nach Frankreich ausführen, ergriffen werden, so wird die schweizerische Regierung hiervon die französische Botschaft in Bern vorher in Kenntnis setzen.

e. Die französische Regierung wird für ein Kontingent von 5500 Tonnen Thomasschlacken Ausfuhrbewilligungen erteilen.

Falls die Schlackenproduktion in Frankreich sich steigern) sollte und sofern diejenigen Bedürfnisse befriedigt sind, denen die französische Regierung in erster Linie gerecht werden muss, so wird diese gerne auf-Wunsch der schweizerischen Regierung die Zuteilung eines weitern Kontingents von Thomasschlacken an die Schweiz ins Auge fassen.

f. Die französische Regierung wird der Schweiz für dasJahr 1920 ein Kontingent von 10,000 Tonnen Rohphosphat zuteilen unter der Bedingung, dass letztere für den Transport der Ware besorgt ist.

Die französische Regierung wird gerne auf Wunsch der schweizerischen Regierung die Erhöhung dieses Kontingents ins

29T

Auge fassen, falls der Stand der Produktion es erlaubt und sofern diejenigen Bedürfnisse befriedigt sind, denen sie in erster Linie gerecht werden muss.

2. Die Vereinbarungen vom 8. Oktober und vom 8. November 1919 betreffend die Einfuhr von schweizerischen Uhren und Stickereien in Frankreich werden unter folgenden Bedingungen: erneuert : «. U h r e n . Das monatliche Kontingent für die Einfuhr in.

Frankreich von Uhren schweizerischen Ursprungs bleibt auf Fr. 800,000. Von diesem Betrag wird den Uhren aus Gold und Platin ein Kontingent von 200,000 Fr. zugewiesen.

Das Kontingent für Uhrenbestandteile bleibt auf monatlick 500,000 Franken festgesetzt.

b. S t i c k e r e i e n . Das monatliche Kontingent für die Einfuhr in Frankreich von Stickereien schweizerischen Ursprungs wird auf Fr. 1,200,000 festgesetzt, mit Wirkung ab I.Februar 1920. Davon entfallen Fr. 240,000 auf die ,,andern Stickereien".

In dieser Zahl sind die für das Syndikat von St. Quentin bestimmten Stickereien nicht Inbegriffen.

Das Kontingent für den Monat Januar 1920 bleibt auf 1,500,000 Franken, wie unter dem Regime des Abkommens vom> 8. November 1919.

c. Übersteigt die Einfuhr von schweizerischen Uhren und Stickereien in Frankreich im einen Monat das festgesetzte Kontingent oder erreicht sie dasselbe nicht, so werden diese Überschüsse oder Defizite auf die folgenden Monate übertragen.

Immerhin muss der Stand der fraglichen Kontingente am> Ende des zweiten Monats nach Ablauf des vorliegenden Abkommens endgültig geregelt sein. Die Einfuhr kann nur unter Vorweisung von Fakturen stattfinden, die vor Ablauf dieses Abkommens visiert worden sind.

3. Das vorliegende Abkommen wird für eine Dauer von sechs Monaten abgeschlossen, d. h. vom 1. Februar bis zum 31. Juli 1920, mit Verlängerung durch stillschweigende "Weiterführung,, unter Vorbehalt der Kündigung auf 2 Monate.

Die Kündigung kann frühestens am 31. Mai auf den 31. Juli 1920 erfolgen."

Zum Inhalt des Abkommens bemerken wir folgendes: Das Kohlenkontingent wurde auf nur 20,000 Tonnen monatlich festgesetzt, weil eine grössere Menge, so nötig wir sie auch hätten, in Anbetracht der auch in Frankreich herrschenden Koh-

298 lenkrisis nicht zu erreichen war. Leider war es auch nicht möglich, den Kohlenpreis für die ganze Dauer des Abkommens fest zu bestimmen, da Frankreich vom Standpunkt ausgeht, dass es die Kohlen, welche es der Schweiz liefert, durch Einfuhr englischer, eventuell amerikanischer Kohlen ersetzen müsse. Frankreich hat sich daher vorbehalten, ab 1. März die Kohlenpreise von Monat zu Monat einer Revision zu unterziehen, wobei als Basis die Kosten für den Bezug der englischen Ersatzkohlen zu dienen haben.

Was den Transport der Kohlen anbetrifft, so ist gegenüber früher insofern ein Fortschritt erzielt worden, als Frankreich sich verpflichtet, das nötige Rollmaterial soweit als möglich selbst zu «teilen.

Die französische Regierung legte besonderen Wert darauf, von uns gewisse Zusicherungen hinsichtlich der Lieferung elektrischer Energie zu erhalten. Nach längeren Verhandlungen einigten wir uns auf die aus dem Abkommen ersichtliche Formel, wonach wir uns verpflichten, während der Sommermonate im Rahmen der bestehenden Ausfuhrbewilligungen keine die Ausfuhr von elektrischer Energie nach Frankreich berührenden Einschränkungsmassnahmen zu treffen und auch während der Wintermonate diese Massnahmen so weit zu vermeiden, als es die Rücksichten auf die Versorgung des Inlandes und die den schweizerischen Werken obliegenden anderweitigen Verpflichtungen gestatten. Diese Bindung gilt selbstverständlich nur solange als das Abkommen in Kraft ist.

Die von Frankreich zugestandenen Ausfuhrbewilligungen für Thomasmehl und Phosphate entsprechen leider unsern Begehren und Bedürfnissen keineswegs ; es war aber trotz allen Bemühungen «instweilen nicht mehr erhältlich.

Das Einfuhrkontingent für Uhren bleibt unverändert auf Fr. 800,000 monatlich, wobei der auf die Golduhren entfallende Anteil von Fr. 125,000 auf Fr. 200,000 erhöht wurde.

Bei den Stickereien mussten wir eine Reduktion des Kontingents von 1,5 auf 1,2 Millionen Franken in Kauf nehmen. Indessen sind die Schwierigkeiten des Absatzes infolge der niedrigen französischen Valuta zurzeit leider so gross, dass unsere Exporteure voraiissichtlich Mühe haben werden, selbst dieses reduzierte Kontingent voll auszunützen.

C. Wir haben in unserm letzten Berichte darauf hingewiesen, dass in E n g l a n d nur noch die sogenannten Schlüsselindustrien (key industries) dem Einfuhrverbot bzw. der Einfuhrkontrolle

299

unterstellt seien. Auch dieses Verbot ist inzwischen weggefallen, und zwar auf Grund eines gerichtlichen Urteils, welches die während des Krieges erlassenen Einfuhrverbote als ungültig erklärte, weil der Regierung die gesetzliche Grundlage für den Erlass der betreffenden Verbote gefehlt habe. Einstweilen können also sämtliche Waren ohne besondere Bewilligung in Grossbritannien eingeführt werden. Die englische Regierung hat jedoch, wie aus den Debatten im Unterhause hervorgeht, die Absicht, in nächster Zeit dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der sie ermächtigen soll, Massnahmen gegen das sogenannte ,,Dumping" zu treffen und gewisse Industrien durch Einfuhrbeschränkungen gegen die ausländische Konkurrenz zu schützen.

D. Die in unserm letzten Berichte erwähnten Kompensationsverträge mit I t a l i e n betreffend den Bezug von Ölkuchen und Heu gegen Abgabe von Vieh sind inzwischen abgelaufen. Während die Schweiz das ganze ihr auf Grund dieser Vereinbarungen zustehende Quantum Futtermittel bezogen hat, machte Italien von dem ihm vertraglich zugesicherten Rechte zum Einkauf und zur Ausfuhr von schweizerischem Vieh mit Rücksicht auf den niedrigen Stand der italienischen Valuta nur in beschränktem Masse Gebrauch.

Ende November 1919 wurde ein neuer Kompensationsvertrag abgeschlossen, welcher der Schweiz den Bezug von Ölkuchen und Heu im laufenden Jahre ermöglicht. Als Gegenleistung ist wiederum Zucht- und Nutzvieh zugesichert worden. Ein grosser Teil des Heues ist bereits in der Schweiz eingetroffen. Diese Importe haben dazu beigetragen, die Futtermittelnot, die sich im vergangenen Winter besonders intensiv fühlbar machte, zu mildern.

E. Das Kohlenabkommen mit B e l g i e n vom Oktober 1919 ist Ende des letzten Jahres abgelaufen. Nach diesem Abkommen verpflichtete sich die belgische Regierung zur Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für monatlich 30,000 Tonnen Kohle, wogegen die Schweiz durch Vermittlung der schweizerischen Finanzgesellschaft in Luzern Kredite einzuräumen hatte, deren Höhe monatlich entsprechend der Hälfte des Fakturawertes der effektiv gelieferten Kohlen festgesetzt wurde. Unsere Anstrengungen, dieses Abkommen zu erneuern, oder zu verlängern, um uns dadurch weiterhin den Bezug belgischer Kohle zu sichern, blieben leider erfolglos.

Belgien erklärte, vor Eingang erheblicher
Quantitäten aus dem Ruhrgebiet keine Kohle mehr an die Schweiz abgeben zu können, da sich die eigenen Bedürfnisse gewaltig gesteigert hätten und überdies beträchtliche Mengen an Frankreich abgegeben werden

300

müssten. Bedauerlicherweise besteht also seit dem 1. Januar dieses Jahres ein Abkommen mit Belgien nicht mehr. Die geringen Mengen Kohle, welche uns in den letzten Monaten aus diesem Lande noch geliefert wurden, sind Rückstände aus dem frühern Abkommen und werden leider in kurzer Zeit ausfallen.

F. Das im letzten Bericht vollinhaltlich publizierte Wirtschaftsabkommen mit D e u t s c h l a n d vom I.Juni 1919 war in Geltung bis zum 30. November letzten Jahres, konnte aber durch nachträgliche Vereinbarung bis zum Jahresende verlängert werden.

Die Verbältnisse brachten es mit sich, dass keiner der beiden vertragschliessenden Teile die vorgesehenen Leistungen vollständig erfüllen konnte. Was insbesondere die deutschen Kohlenlieferungen anbelangt, so sind dieselben dauernd hinter dem vorgesehenen Quantum von 50,000 Tonnen monatlich zurückgeblieben.

Wir verweisen auf die in anderem Zusammenhange in diesem Bericht enthaltene Kohleneinfuhr-Tabelle.

Die in den Monaten November und Dezember letzten Jahres durchgeführten Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Wirtschaftsabkommens, das hauptsächlich wiederum die Kohlenlieferungen regeln sollte, führten bedauerlicherweise zu keiner Einigung.

Seither unternommene Bestrebungen, neuerdings den Weg zu einer Verständigung zu suchen, blieben vorläufig erfolglos, da die deutsche Regierung noch nicht in der Lage war, die in Aussicht genommene Delegation in die Schweiz zu schicken.

II.

A. Die Tätigkeit der Schweizerischen Zentralstelle für die auswärtigen Transporte stand, namentlich was die B e s c h a f f u n g von S c h i f f s r a u m anbetrifft, in der letzten Berichtsperiode im Zeichen des Abbaues. Sie beschränkte sich auf die Charterung von Schiffen für die Transporte des Ernährungsamtes, während die privaten Importeure seit dem Ablauf des Tonnageabkommens mit den Alliierten ihren Bedarf an Prachtraum auf dem freien Markte decken können und in dieser Hinsieht an keinerlei besondere Vorschriften oder internationale Vereinbarungen mehr gebunden sind. Die Fero deckte den Tonnagebedarf des Ernährungsamtes in der Hauptsache auf dem Londoner Markte ; daneben wurden auch Schiffe der Schweizerischen Seetransport-Union für Transporte von Monopolwaren verwendet.

Die Abrechnung über die Frachten, die wir England und Amerika für die Charterungen auf Grund des Abkommens vuua

301

22. Januar 1919 noch zu bezahlen hatten, ist inzwischen zu Ende geführt worden. Die beiden Länder kamen uns bei dieser Liquidation in anerkennenswerter Weise entgegen, indem sie uns für die zuletzt gecharterten Schiffe nachträglich und aus freien Stücken eine im Abkommen nicht vorgesehene Reduktion auf den Frachtpreisen einräumten. Auch haben sie uns einige bereits bezahlte Surestarien zurückvergütet.

Die F r a c h t r a t e n sind seit dem letzten Herbst durchwegs gesunken, und zwar : Ab Java nach Mittelmeerhäfen von 275 sh.

per Tonne Brutto-Tragfähigkeit auf 140--150 sh. ; ab Südamerika nach Nordseehäfen von 165 auf 125 sh. per Tonne Getreide; ab Nordamerika nach Nordseehäfen von 22 ^g auf W'/s Dollars per Tonne Kohlen. Besonders stark war der Rückgang der Raten für Zeitmiete; er beträgt 40--50 °/o. Die Frachten für Kohlentransporte von Nordamerika nach Rotterdam, die ohnehin nicht wesentlich zurückgegangen waren, haben gegenwärtig kaum sinkende Tendenz, während im übrigen das Zurückgehen der Frachtsätze wahrscheinlich andauern wird, abgesehen von vorübergehenden Haussen, mit denen immer gerechnet werden muss. Ein Zurückgehen der Frachtraten auf die Ansätze der Vorkriegszeit ist allerdings aus Gründen, auf welche wir bereits in unserm letzten Berichte hingewiesen haben, ganz ausgeschlossen. Auch heute sind die Frachtsätze auf den vorgenannten Routen durchschnittlich noch sechs bis achtmal so hoch wie vor dem Kriege.

B. Die S c h w e i z e r i s c h e S e e t r a n s p o r t - U n i o n hat im Hinblick auf die veränderten Verhältnisse des Frachtenmarktes mit unserm Einverständnis die von ihr gecharterten Schiffe im März dieses Jahres an zwei französische Reedereien, die Firmen Capei & Cie. und Furness (France), untervermietet. Durch den ·Umstand, dass die schweizerischen Importeure mehr und mehr ·wieder zu den vor dem Kriege üblichen Cif-Geschäften zurückkehren oder die Waren überseeischer Provenienz nicht mehr im Ursprungslande, sondern auf kontinentalen Märkten einkaufen, ist die Nachfrage nach Frachtraum seitens der Schweiz sehr stark reduziert worden. Die Schweizerische Seetransport-Union musste daher, um ihre Flotte vollständig auszunützen, mit den fremden 43chiffsgesellschaften in Konkurrenz treten und auch solche Transporte übernehmen, die nicht der Deckung des schweizerischen Bedarfs
dienten, sondern für das Ausland bestimmt waren. Unter diesen Umständen war es geboten, den Betrieb des Unternehmens nach rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu orientieren.

Die Vermietung der Schiffe an die oben genannten beiden Reedereien erschien als die zweckmässigste Lösung. Sie gestattet eine

302

wesentliche Vereinfachung der Organisation der Seetransport-Union und wird nach dem Urteil Sachverständiger wahrscheinlich die Möglichkeit bieten, nach Ablauf der Charterverträge das Unternehmen ohne Verlust zu liquidieren, trotzdem ausser dem Rückgange der Frachtraten namentlich auch das Sinken des französischen Wechselkurses auf das finanzielle Resultat der Seetransport-Union ungünstig einwirkte, indem seinerzeit zu relativ hohen Kursen Vorauszahlungen an die Eigentümer der Schiffe geleistet worden sind, während der inzwischen erfolgte Kursrückgang eine Verminderung der Frachteinnahmen bedingt. Etwas Bestimmtes lässt sich naturgemäss heute über das finanzielle Schlussresultat noch nicht voraussagen, da dieses in erster Linie von der Gestaltung des Frachtenmarktes und der Kursverhältnisse abhängt. Wir verweisen im übrigen auf den einlässlichen Geschäftsbericht der Seetransport-Union. Es sei lediglich noch darauf hingewiesen, dass> wie wir in unserm XII. Neutralitätsbericht ausführten, die Erzielung eines Gewinnes von Anbeginn nicht in der Aufgabe dieser Genossenschaft lag. Ihre Gründung erfolgte vielmehr unter dem Drucke der damals herrschenden Frachtraumkrisis, welche gebieterisch verlangte, dass nichts unversucht gelassen werde, um dem Lande den für seine Versorgung absolut notwendigen Schiffsraum zu verschaffen.

C. Auf dem Gebiete der L a n d t r a n s p o r t e sind die Verhältnisse noch keineswegs normale geworden. Immerhin ist es wenigstens teilweise gelungen, den Grundsatz, wonach die Bahnverwaltung des Absendeortes die für den Transport der Waren erforderlichen Güterwagen zu stellen hat, wieder zur Geltung zu bringen. In Genua z. B. wurden die für die Schweiz bestimmten amerikanischen Kohlen grösstenteils mit italienischem Rollmaterial befördert, während die übrigen Waren nach wie vor mit Schweizerwagen abgeholt werden mussten.

Die Transporte ab Cette, die übrigens stark an Bedeutung verloren haben, wurden seit Neujahr ausschliesslich mit französischem Material ausgeführt, so dass die dortige Vertretung der Fero aufgehoben werden konnte. Ähnlich liegen die Verhältnisse in bezug auf den Hafen von Bordeaux. Die Transporte ab Marseille dagegen erfolgten immer noch mit schweizerischem Wagenmaterial.

Das neue Abkommen mit Frankreich enthält keine Bestimmungen mehr über die Ausführung der Transporte ab den französischen Seehäfen. Die bezüglichen Abmachungen werden nunmehr direkt zwischen den beteiligten Bahnverwaltungen getroffen.

3u^

Analoge Vereinbarungen sind mit der belgischen Bahnverwaltung für die Transporte ab Antwerpen abgeschlossen worden» Für den Transport der Monopolwaren, sowie der englischen und amerikanischen Kohlen wird die R h e i n r o u t e immer wichtiger. Diese Güter werden auf dem Wasserwege in der Regel bis nach Mannheim, Rheinau, Lüdwigshafen oder Strassburg-Kehl geführt und von hier aus per Bahn nach der Schweiz befördert.

Die in Kehl ankommenden Waren mussten bis jetzt von Kehl ausper Bahn nach Strassburg geleitet und von hier mit den elsasslothringischen Bahnen befördert werden. Diese für unsern Verkehr sehr nachteilige Beschränkung, deren Beseitigung wir schon wiederholt auf diplomatischem Wege verlangt hatten, soll nach einem kürzlich eingegangenen Bericht nunmehr aufgehoben worden, sein, so dass der freien Benützung der rechtsrheinischenBahnlinien für die Transporte ab Kehl nun nichts mehr im Wege stehen würde. Eine offizielle Bestätigung dieser Nachricht steht indessen im Zeitpunkte der Berichterstattung noch aus.

Auch der Export begegnete in bezug auf die Transportmöglichkeiten noch mannigfachen Hemmnissen. Immerhin ist hier ebenfalls eine gewisse Besserung der Verhältnisse zu konstatieren..

Nach Rumänien und Jugoslavien sind auch in der letzten Berichtsperiode verschiedene militärisch eskortierte W a r e n z ü g e abgefertigt worden.

III.

*

Das Problem der K o h l e n v e r s o r g u n g ist in der letzten Zeit in immer steigendem Masse ein Weltproblem von ganz gewaltiger wirtschaftlicher und indirekt auch politischer Bedeutung geworden. Alle Länder, sozusagen ohne Ausnahme, leiden unter einer sich stets verschärfenden Kohlenkrise, die die Räder der Volkswirtschaft zu hemmen droht und vielerorts auch zu einem grossen Teile hemmt. Die Verhältnisse sogar in Ländern, welcheselber in erheblichem Masse über Kohlenlager verfügen, sind zu bekannt, als dass wir sie hier näher zu schildern brauchten. Dass.

sich die Schwierigkeiten für unser Land, welches fast ausschliesslich auf den Bezug fremder Kohle angewiesen ist und geographisch sehr ungünstig liegt, noch sehr stark vergrössern, liegt auf der Hand. . Wenn auch die Kohlenquantitäten, welche zur Aufrechterhaltung unserer Volkswirtschaft unbedingt erforderlich sind, gegenüber denjenigen vor dem Kriege mit Hülfe von Rationierungsmassnahmen aller Art, vermehrter Inanspruchnahmeeinheimischen Brennmaterials, stark gesteigerter Verwendung von

304 Wasserkraft-Elektrizität und nicht zuletzt umfangreicher, durch die gewaltige Verteuerung der Kohlen bedingter freiwilliger Einsparungen um nahezu 50°/o vermindert werden konnten, so ist ·doch die Frage der Kohlenversorgung nach wie vor eines der "wichtigsten und schwierigsten Probleme, mit welchem wir uns ·dauernd zu befassen haben. Das Beunruhigende für die Bearbeitung dieser Aufgabe liegt darin, dass sich die Verhältnisse und Aussichten ausserordentlich rasch verändern, und zwar infolge von politischen und sozialen Wirren (Streiks in den Minen, in ·den Häfen und bei den Transportanstalten) regelmässig im Sinne «der Verschlechterung. So kann keineswegs geleugnet werden, ·dass sich die Lage im allgemeinen und die Aussichten für unser Land im speziellen seit Abfassung des letzten Berichtes wiederum "verschlechtert haben.

Über die Kohlenimporte in der Berichtsperiode November 1919 bis März 1920 gibt die nachstehende Tabelle Aufschluss:

1November Dezember Januar Februar März ·Saar 17,262 17,496 24,026 23,624 17,522 Ruhr 14,962 15,420 10,854 7,512 14,928 (Braunkohlenbriketts 3,394 4,000 105 Belgien . . . . 16,712 20,193 13,488 9,452 18,695 ·England . . . . 13,690 35,570 12,381 22,421 47,713 Amerika . . . . 89,934 128,954 47,597 34,402 29,118 Diverses . . . . 7,349 4,320 3,259 3,454 2,080 Total Tonnen 163,303 225,953 110,531 100,670 131,430 Aus dieser Übersicht ergeben sich zwei für unsere Kohlen·versorgung wichtige Feststellungen : einmal nämlich geht aus ihr hervor, dass seit Anfang dieses Jahres die monatlichen Totalimporte stark zurückgegangen sind und dem Minimalbedarf von ca. 160,000 Tonnen pro Monat keineswegs entsprechen. Es .mussten infolgedessen die in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres geschaffenen Vorräte in bedeutendem Masse herangezogen ·werden. So haben sich insbesondere die Vorräte der Tränsport·anstalten und der Gaswerke, die Ende 1919 einen befriedigenden Stand erreicht hatten, in beängstigender Weise vermindert.

Sodann geht aus der Tabelle das gegenwärtige Verhältnis ·der Schweiz zu den verschiedenen Kohlenbezugsländern deutlich .hervor: Während vor dem Kriege und bis zum Abschluss des Waffenstillstandes die nächstgelegenen Produktionsgebiete der Ruhr und der Saar sozusagen unsere einzigen Lieferanten waren, ·die Transportschwierigkeiten, -kosten und -dauer infolgedessen

305 auf ein Minimum reduziert waren, spielt heute und voraussichtlich noch auf sehr lange Zeit der Kontinent für unsere Kohlenversorgung nur noch eine ganz untergeordnete Rolle. Durch das in anderem Zusammenhange erwähnte Wirtschaftsabkommen mit F r a n k r e i c h haben wir uns ein monatliches Quantum von 20,000 Tonnen Saarkohlen zu sichern gesucht. Wie wir ebenfalls bereits erwähnten, besteht zurzeit ein Abkommen mit .der d e u t s c h e n Regierung über die Lieferung von Ruhrkohlen nicht. Sollte ein solches, wie wir immer noch hoffen, trotz aller Schwierigkeiten zustande kommen, so wird es sich doch nur um bescheidene Mengen handeln können. Wenn trotzdem in den ersten- 3 Monaten dieses Jahres durchschnittlich noch etwa 10,000 Tonnen Kohlen aus Deutschland eingeführt werden konnten, so handelt es sich hier ausschliesslich um einen Spezialvertrag, den die schweizerische Kohlengenossenschaft mit einer Interessentengruppe abgeschlossen hat, die sich in erheblichem Masse an zwei deutschen Kohlenzechen finanziell beteiligt und dadurch das Recht erworben hatte, einen gewissen Prozentsatz der Produktion dieser Zechen in die Schweiz auszuführen. Es besteht begründete Hoffnung dafür, dass diese bescheidenen Sendungen auch in den nächsten Monaten anhalten werden. So wenig sie für die allgemeine Kohlenversorgung von Bedeutung sind, so sehr müssen sie doch geschätzt werden, mit Rücksicht darauf, dass fast nur auf diesem Wege den Giessereien der unbedingt nötige Koks zugeführt werden kann.

Die Nachrichten aus B e l g i e n lauten ausserordentlich ungünstig, indem dieses Land uns in der nächsten Zeit keine Kohlen wird abgeben können. Die Einfuhrzahlen, die in obiger Tabelle aufgeführt sind, beziehen sich auf die Lieferung von Rückständen aus den frühern, Ende 1919 abgelaufenen Abkommen mit der belgischen Regierung. Sie werden leider in kürzester Zeit zu Ende gehen.

Verschiedentlich wurden von öffentlicher oder privater Seite Anstrengungen gemacht, um Kohlen aus den O s t s t a a t e n in
So sind wir denn heute und wahrscheinlich auf längere Zeit hinaus für die Aufrechterhaltung unserer Volkswirtschaft Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

20

306

fast ausschliesslich auf E n g l a n d und N o r d a m e r i k a angewiesen. Nur wenn es uns gelingt, aus diesen beiden Ländern monatlich mindestens 150,000 Tonnen einzuführen, können Zustände vermieden werden, deren Folgen man sich kaum auszudenken wagt. Die Kohlengenossenschaft hat in beiden Produktionsgebieten bedeutende Kohlenmengen eingekauft, Mengen, die an und für sich reichlich genügen würden, unsern Bedarf auf ein Jahr hinaus zu decken. Die Schwierigkeiten bestehen denn auch nicht darin, dass die Ware nicht käuflich wäre, sondern in der Überwindung all der zahllosen Hindernisse, die sich mit Bezug auf die Freigabe im Produktionsgebiete und den Transport nach der Schweiz fortwährend stellen. Weder in England noch in Amerika herrscht Überfluss an dieser heute von der ganzen Welt so dringlich begehrten Ware. So sehen sich denn auch die betreffenden Regierungen gezwungen, zur Deckung ihres Inlandbedarfes, der Ausfuhr erhebliche Fesseln anzulegen. Dazu kommt, dass die Schweiz eben mit fast allen europäischen Staaten als Kohlenkäufer konkurrieren muss und deshalb meistens nur einen Teil der gekauften Ware freibringt. Sind aber auch die Ausfuhrbewilligungen einmal da, so bleiben noch die riesigen Transportschwierigkeiten zu überwinden, die vor allem aus auf die häufigen Streiks der Arbeiter in den Zechen, bei den Transportanstalten, in den Häfen etc. zurückzuführen sind.

Der Bundesrat hat sich, mit Rücksicht auf diese schwierige und besorgniserregende Situation, veranlasst gesehen, im Februar dieses Jahres auf diplomatischem Wege den Regierungen von England und Amerika die Situation unseres Landes eingehend, auseinanderzusetzen und sie dringend zu ersuchen, derselben soweit als irgendwie möglich Rechnung zu. tragen. Glücklicherweise hat er volles Verständnis gefunden. Die Zufuhren aus England konnten in jüngster Zeit wesentlich gesteigert werden, trotzdem auch in England die Produktion stark zurückgegangen ist und die Ansprüche Frankreichs und Italiens sehr grosse und dringende sind. Erhebliche Mengen wurden sodann in Amerika verschifft und wir wollen hoffen, dass diese Verschiffungen anhalten und dass die Ware auch in die Schweiz gelange. Eine optimistische Beurteilung der Sachlage ist aber weniger denn je am Platze, da bekanntlich die Verhältnisse von einem Tag zum andern wieder vollständig
ändern können und ein einziger Streik die allerfatalsten Folgen zeitigen kann.

Die geschilderte Tatsache, dass wir heute vorwiegend auf den Bezug von Kohle aus England und Amerika angewiesen sind, macht sieh selbstverständlich in erheblicher Weise auch

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beim Preis geltend, den wir für diese Kohlen bezahlen müssen.

Es mag nur daran erinnert werden, dass die Frachtspesen vom amerikanischen bis zum europäischen Hafen ungefähr das Dreibis Vierfache des Wertes der Kohlen selber ausmachen. Es liegt auch auf der Hand, dass zur Durchführung dieser Importgeschäfte gewaltige finanzielle Mittel erforderlich sind und dass diese nur von einer straff zentralisierten grossen Importorganisation aufgebracht werden können. Wir haben uns aus diesen wie auch aus andern Gründen entschlossen, nach wie vor der schweizerischen Kohlengenossenschaft in Basel, die die sämtlichen Kohlenimporteure umfasst, grundsätzlich das ausschliessliche Recht zum Import vorzubehalten. Wir prüfen gegenwärtig die Mittel und Wege, um ihr mit Hülfe des Bundes die Durchführung ihrer Finanzierung zu ermöglichen.

IV.

Möbel. Das ausserordentlich wichtige und schwierige Problem des Schutzes der schweizerischen Produktion vor den Gefahren einer Überschwemmung unseres Marktes mit billigen ausländischen Fabrikaten haben wir in unserm letzten Bericht sehr eingehend erörtert. Wir wiesen darauf hin, dass die von uns eingesetzte Expertenkommission damals aus Gründen, deren Gewicht wir uns nicht verschliessen konnten, Massnahmen im Sinne von Einfuhrbeschränkungen nicht empfehlen konnte. Abgesehen von den grundsätzlichen Gegnern aller derartigen Massnahmen des Staates war aber die Mehrheit der Kommission der Meinung, dass im äussersten Falle solche Importbeschränkungen trotz aller Bedenken nicht umgangen werden könnten und sollten. Diesen äussersten Fall erblickte sie namentlich darin, dass infolge eines übermässigen Importes ausländischer Waren in der Schweiz eine Arbeitslosigkeit in grösserem Umfange eintreten könnte.

Kurz nach Abfassung des letzten Berichtes trat nun dieser Fall ein mit Bezug auf die schweizerische M ö b e l i n d u s t r i e .

Der Import von Möbeln aus dem Auslande, namentlich aus Deutschland und Österreich, hatte einen derart gewaltigen Umfang angenommen, dass die Absatzmöglichkeit der schweizerischen Möbelhersteller aufs Äusserste gefährdet erschien, da diese niemals mit den durch die Valutaverhältnisse ausserordentlich verbilligten ausländischen Möbeln konkurrieren konnten. Es drohte die Gefahr einer Entlassung vieler Tausender von Arbeitern, die bisher in der Möbelindustrie beschäftigt waren. Wir sahen uns deshalb veranlasst, durch B e s c h l u s s vom 6. D e z e m b e r 1919 be-

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treffend V e r m e i d u n g von A r b e i t s e i n s t e l l u n g e n i n f o l g e übermässiger E i n f u h r a u s l ä n d i s c h e r F a b r i k a t e die Einfuhr von Möbeln auf ein normales Mass, d. h. auf die durchschnittliche Monatseinfuhr des Jahres 1913 zu beschränken. Wir verweisen in dieser Beziehung auf den Bericht, welchen der Bundesrat am 9. Februar 1920 der Bundesversammlung erstattet hat und welchem die nachgesuchte Genehmigung durch die eidgenössischen Räte bereits erteilt worden ist.

Wie vorauszusehen war, hat diese Verordnung betreuend Einschränkung der Möbeleinfuhr zur Folge gehabt, dass sich die Vertreter zahlreicher anderer schweizerischer Produzenten, die unter ähnlichen Verhältnissen zu leiden haben, neuerdings und nachdrücklich an uns gewandt haben, um gleiche oder ähnliche Schutzmassflahmen auch für sich zu beanspruchen. So sehr verschiedene der eingereichten Gesuche an und für sich berechtigt erschienen, so konnten wir uns doch mit Rücksicht auf die Ihnen bereits mehrfach auseinandergesetzten Gründe bisher nicht entschliessen, den erwähnten Bundesratsbeschluss vom 6. Dezember 1919 auf weitere Waren auszudehnen. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass solche Importbeschränkungen nur dann verantwortet werden können, wenn ganz gewichtige allgemeine volkswirtschaftliche Interessen auf dem Spiele stehen, insbesondere wenn nur dadurch die Gefahr grosser Arbeiterentlassungen vermieden werden kann. Dies trifft nun, im Gegensatz zu den Verhältnissen bei der Möbelindustrie, nach Auffassung der Expertenkommission, die sich nach wie vor auf das Sorgfältigste mit diesen Fragen befasst, nicht zu. Immerhin sind auch hier die Verhältnisse dauernd im Fluss, und wir müssen uns vorbehalten, im Notfall die zweckdienlichen Massnahmen unter Vorbehalt Ihrer -Genehmigung zu treffen.

Abteilung flir industrielle Kriegswirtschaft in Liquidation; Sektion für Ausfuhr und Sektion Lederindustrie.

Wir haben im letzten Berichte darauf hingewiesen, dass von den Sektionen der ehemaligen Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft einzig noch die Sektion Lederindustrie in bisheriger Weise ihre Funktionen ausübe, während die übrigen kriegs- bzw.

übergangswirtschaftlichen Dienstzweige, soweit sie nicht vollständig aufgehoben werden konnten, dem fortschreitenden Abbau en% sprechend umorganisiert wurden. Der Abbau kommt auch in der Verminderung des Personalbestandes deutlich zum Ausdruck.

Während die Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft im April

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1919 noch 353 Beamte und Angestellte zählte, waren in den von dieser Abteilung verbleibenden Organisationen Ende April 1920 nur noch 118 Personen tätig.

Der hochverdiente ehemalige Chef der Abteilung für industrielle Kriegswirtschaft, Herr Direktor Wagner, der nach der Liquidation der Abteilung auf Wunsch des Volkswirtschaftsdepartements als Präsident der Eidgenössischen Kohlenkommission amtete und auch die Oberleitung der Bureaux für Elektrizitätsund Gasversorgung innehatte, ist leider vor kurzem im Alter von erst 54 Jahren an den Folgen eines Herzleidens gestorben. Wir möchten nicht unterlassen, ihm auch an dieser Stelle den wärmsten Dank für sein hingebendes und erfolgreiches Wirken auszusprechen.

Die Sektion Textil- und. Luxusindustrie und die ihr angegliederte Stickerei-Ausfuhrzentrale wurden zu Beginn des laufenden Jahres liquidiert, nachdem mit der Aufhebung der Höchstpreise für Baumwollprodukte, die auf Antrag der beratenden Baumwonkommission durch Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 10. Januar 1920 erfolgte, die letzten Beschränkungen des Inlandsverkehrs in Textilien dahingefallen waren. Der Stickereiveredlungsverkehr mit dem Vorarlberg, dessen Überwachung der Stickerei-Ausfuhrzentrale oblag, wurde durch Vereinbarungen zwischen dem Kaufmännischen Direktorium in St. Gallen und der Vorarlberger Landesregierung geregelt und der Kontrolle der Sektion für Ausfuhr unterstellt.

V o l k s t u c h a k t i o n . Die in unserm letzten Berichte erwähnte Volkstuchaktion ist in dieser Berichtsperiode mit Erfolg fortgesetzt worden. Die Ausdehnung der Aktion auf Damenstoffe und auf Baumwollartikel für Bett- und Leibwäsche wurde von der Konsurnentenschaft begrüsst. Die von der Volkstuch A.-G.

vertriebenen Artikel finden mit Ausnahme einzelner Tuchqualitäten guten Absatz. In verschiedenen Artikeln vermag die Volkstuch A.-G. der Nachfrage nicht zu genügen. Bis Ende Februar 1920 hat sie rund 150,000 Meter Woll- und Halbwollgewebe sowie rund 160,000 Meter Baumwollgewebe abgesetzt. Zur Auswirkung kam die Aktion besonders in den grossen Städten und Industriezentren, insbesondere in Basel, Bern, La Chaux-de-Fonds, Genf, Lausanne, Luzern, Zürich. Wenn auch die unmittelbare Wirkung des Verkaufs bei dem nicht sehr grossen Umfang des Unternehmens nicht überschätzt werden darf, so üben dennoch die Preisnotierungen der Volkstuch A.-G. namentlich auch als Vergleichsmassstab für die Konsumenten eine gewisse Einwirkung auf

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die Preise im allgemeinen aus. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass trotz einer gewissen, vorwiegend aus Handelskreisen stammenden Opposition die Volkstuchaktion durch die kräftige Mitarbeit der beteiligten Fachverbände unterstützt wird. Vor kurzem hat sich die Volkstuch A.-G. auch die Mitarbeit des Schneidergewerbes durch eine Vereinbarung gesichert, wonach sich die schweizerischen Organisationen der Schneidermeister bereit erklärten, das Volkstuch zu bestimmten Fassonpreisen nach Mass zu verarbeiten. Zurzeit wird geprüft, wie die weitere Belieferung der Volkstuch A.-G. am zweckmässigsten sichergestellt werden kann.

K o h l e n v e r t e i l u n g . Über die Gestaltung der Kohleneinfuhren aus dem Auslande erstatteten wir an anderer Stelle Bericht. Die Verteilung der importierten Kohlen erfolgte gemäss Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 29. März 1919 betreffend die Einfuhr, die Verteilung und den Verkehr mit Brennmaterialien in der im letzten Bericht erwähnten Weise.

Die ungenügende Zufuhr von Qualitätskohlen und Koks für Hausbrand und Industrie sowie Veränderungen im Beschäftigungsgrad verschiedener grossindustrieller Verbrauchergruppen nahmen die Eidgenössische Kohlenkommission, die sich mit der zweckentsprechenden Verteilung der Brennmaterialien zu befassen hat, in einem nicht vorgesehenen Umfange in Anspruch. Es wurde daher die Frage erwogen, ob nicht wieder beim Volkswirtschaftsdepartement eine Zentralstelle für die Behandlung aller die Kohlenverteilung betreffenden Geschäfte errichtet werden solle mit der Kohlenkommission als beratender und begutachtender Instanz.

Diese Frage wurde dann aber zurückgelegt und die Kohlenkommission vorläufig durch die Beigabe eines besondern Experten für die Kohlenversorgung entlastet.

Als sich gegen Ende 1919 zeigte, dass gewisse Industriozweige über ein grösseres Kontingent verfügten, als sie in jenem Zeitpunkte benötigten, während bei andern die festgesetzten Zuteilungen für den grösser gewordenen Bedarf nicht hinreichten, wurden die Industriekontingente auf Grund des wirklichen Verbrauchs einer Überprüfung unterzogen und den Verhältnissen entsprechend revidiert.

Im Winter 1919/20 wurde die Rationierung für den Hausbrand und die Kleinbetriebe nach dem bisherigen Verfahren beibehalten. Hingegen sahen wir von der von verschiedenen kantonalen Brennstoffämtern befürworteten erneuten Anordnung der im Winter 1918/19 von Bundes wegen durchgeführten Mass-

311 nahmen betreffend Laden- und Wirtschaftsschluss sowie Bin schränkung des - Betriebes von Vergnügungsetablissementen ab, weil die Rationierung die Kohlenkonsumenten von selber zum Haushalten zwang, sofern sie sich nicht mit dem seit Ende Mai 1919 nicht mehr unter die Rationierung fallenden inländischen Brennmaterial behalfen, und weil wir, im Bestreben nach Abbau der kriegswirtschaftlichen Massnahmen, alle nicht unbedingt notwendigen Einschränkungen vermeiden wollten. Anderseits mussten wir aber, trotzdem einige Kantone deren Aufhebung anregten, die Holzanrechnung bei der Bestimmung der kantonalen Kohlenkontingente für den Hausbrand beibehalten. Ausserdem sahen wir uns veranlasst, zur Sicherstellung der Hausbrandversorgung die im Maximum zulässigen Lagerbestände der industriellen Kohlenverbraucher ab 1. Dezember 1919 von drei auf zwei Monatsvorräte herabzusetzen und im weitern anzuordnen, dass einstweilen alles für den Hausbrand geeignete Material diesem zugeführt werde.

Anfangs März konnten wir die letztere Massnahme wieder aufheben mit Rücksicht darauf, dass die Heizperiode zu Ende ging und die vorhandenen Händlerlager in Verbindung mit dem einheimischen, nicht rationierten Brennmaterial zur Deckung der dringendsten Bedürfnisse des Hausbrandes für den Rest der Heizperiode als genügend erachtet wurden. Im abgelaufenen dritten Rationierungsjahr (1. April 1919 bis 31. März 1920) wurden dem Hausbrand und den Kleinbetrieben im Monat durchschnittlich 40,800 Tonnen ausländische Kohlen, Koks und Briketts, inbegriffen Gaskoks aus schweizerischen Gaswerken, zugewiesen. Im Rationierungsjahre 1918/19 waren es 40,960, 1917/18 61,615 Tonnen, während der Verbrauch im Versorgungsjahre 1916/17 noch 97,170 Tonnen betrug. Die Zuteilung für 1919/20 machte also nur 42 °/0 des Verbrauches von 1916/17 aus. Wenn die Versorgung des Hausbrandes im vergangenen Winter ohne grössere Störung erfolgen konnte, so ist dies dem warmen Sommer 1919, der die Produktion von trockenem Torf ausserordentlich begünstigte, vor allem aber dem milden Winter zuzuschreiben. Wir haben diese Verhältnisse in einem Kreisschreiben vom 22. März 1920 an die Kantone dargelegt und darauf hingewiesen, dass es unbedingt notwendig sei, mit dem zur Verfügung stehenden Brennmaterial auch für die Zukunft auf das Sparsamste hauszuhalten.

Dies macht es
uns auch zur Pflicht, für die neue Heizperiode 1920/21 bis auf weiteres die bisherigen Vorschriften über die Kohlenversorgung beizubehalten. Ende März haben sich die Vertreter der kantonalen Brennstoffämter in einer Konferenz mit überwiegender Mehrheit insbesondere auch für die Beibehaltung

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der Holzanrechnung bei der Kohlenzuteilung für den Hausbrand ausgesprochen.

Die vermehrte Kontrolle durch die Inspektorate für die Kohlenversorgung brachte es mit sich, dass in letzter Zeit zahlreiche Übertretungen der Vorschriften über die Kohlen Versorgung zur Anzeige gebracht wurden. Sie wurden der eidgenössischen Kommission für wirtschaftliche Straffälle überwiesen.

Der Verkehr der im Inlande produzierten Kohlen untersteht, wie bereits früher erwähnt, unserer Kontrolle nicht mehr. Immerhin konnten wir feststellen, dass die Produktion insbesondere der Walliser-Anthrazite, trotzdem verschiedene Minen aus finanziellen Gründen oder infolge technischer Schwierigkeiten den Betrieb einstellen mussten, wesentlich gestiegen ist und sich die Absatzverhältnisse günstiger gestaltet haben. Dabei haben neben der Freigabe des Verkehrs mit inländischen Brennstoffen offenbar die für die Produzenten infolge der eingetretenen Preiserhöhungen auf importierten Kohlen günstiger gewordene Preislage und auch die bezüglich Qualität und Aufbereitung erzielten 9 Fortschritte mitgewirkt. Die Walliser Kohlenproduktion erreichte im Jahre 1919 zirka 65,000 Tonnen gegenüber 45 000 im Vorjahre. Ende 1919 waren rund 2400 Tonnen unverkauft im Lager. In den ersten drei Monaten 1920 wurden bereits 22,400 Tonnen abgesetzt. Besondere Aufmerksamkeit wird der Brikettierung geschenkt.

S e k t i o n für A u s f u h r . Die Sektion für Ausfuhr hat im allgemeinen ihre Tätigkeit in der im letzten Berichte dargelegten Weise fortgesetzt. Zu verschiedenen Malen wurden neue generelle Ausfuhrbewilligungen erteilt. In den Geschäftskreis des Volkswirtschaftsdepartements fallen die Waren der Kategorien III und V--XV des Zolltarifs. Von den Positionen dieser Kategorien sind bis heute rund 2/8 ganz oder teilweise zur Ausfuhr freigegeben worden. Ausserdem ist die Ausfuhr einzelner Gebrauchsartikel, wie Seife, Stoffe, Nähfaden und Strickgarn in beschränkten Mengen ohne besondere Bewilligung möglich, indem diese Waren den Liebesgabenpaketen, für welche das eidgenössische Ernährungsamt generelle Bewilligungen erteilt hat, beigefügt werden können. Besondere Erleichterungen bestehen ferner für die Ausfuhr von getragenen Effekten (Kleider, Wäsche und.

Schuhe) durch Privatpersonen.

Die vollständige Freigabe der Waren, auf welche das Ausfuhrverbot zurzeit noch angewendet wird, erscheint im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse einstweilen nicht angezeigt,

313

da die trotz des niedrigen Valutastandes verhältnismässig hohen Warenpreise des Auslandes beim Wegfall aller Ausfuhrbeschränkungen unsere eigene Versorgung in diesen Waren gefährden und die inländische Preisgestaltung ungünstig beeinflussen würden.

Im einzelnen sei noch folgendes bemerkt: Von den in den Geschäftskreis der Gruppe T e x t i l i n d u s t r i e fallenden Waren stehen heute in der Hauptsache nur noch Rohstoffe, Garne, Gewehe und wollene Kleidungsstücke unter dem Ausfuhrverbot, letztere namentlich mit Rücksicht auf die von der Volkstuch A.-G. vertriebene Wollkonfektion. Das Bureau für U h r e n und B i j o u t e r i e regelt die Ausfuhr von Gold- und Platinuhren und von Gold- und Silberschmiedewaren sowie von verarbeiteten Edelmetallen überhaupt im Einvernehmen mit dem eidgenössischen Amt für Gold- und Silberwaren und unter Mitwirkung der Organisationen der bezüglichen Industrien.

Gruppe M e t a l l e und M a s c h i n e n . Im letzten Berichte wurde erwähnt, dass die Ausfuhr von Alteisen in beschränktem Masse gestattet werden konnte. Da unterdessen die Knappheit grösser geworden war, gelangte man im Einvernehmen mit den interessierten Industrien und dem Alteisenhändlerverband zur vollständigen Einstellung der Ausfuhr von Alteisen. Aus dem gleichen Grund musste auch die Ausfuhr von Neueisen eingeschränkt werden, um so mehr als dessen Einfuhr zurückging und nur noch zu gesteigerten Preisen möglich war. Die Freigabe der Ausfuhr von Eisen kann bei der derzeitigen unabgeklärten Marktlage nicht in Frage kommen. Da sich auch die Lage des Metallmarktes verschlechtert und der Rückgang der Importe zu ernsten Besorgnissen Anlass gibt, wird das Ausfuhrverbot für Rohmetalle und Halbfabrikate auch · weiterhin noch streng gehandhabt werden müssen. Fertigfabrikate aus Eisen und Metall, insbesondere auch Maschinen, sind zur Hauptsache ausfuhrfrei.

Gruppe C h e m i e und B a u m a t e r i a l i e n . Die im letzten Bericht ausgesprochene Erwartung, es werde mit den Ausfuhrverboten für die in den Geschäftskreis dieser Gruppe fallenden Waren rasch abgebaut werden können, hat sich nicht in vollem Umfange erfüllt. Infolge der auch auf diesem Gebiete ungenügenden Weltproduktion machte sich eine allgemeine Knappheit an Chemikalien fühlbar, die zu einem erheblichen Mangel an verschiedenen chemischen Importprodukten führte, so dass ein weiterer wesentlicher Abbau der Ausfuhrverbote bisher nicht angezeigt erschien.

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Gruppe L e d e r und P a p i e r . Die Ausfuhr von Häuten, Fellen, Leder und Schuhen wurde nach den bisherigen Grundsätzen in enger Fühlungnahme mit der Sektion für Lederindustrie geregelt. An die Aufhebung des Ausfuhrverbotes kann aus den bereits im letzten Berichte dargelegten Gründen vorläufig noch nicht gedacht werden, um so weniger als in den letzten Monaten das Häutegefälle wieder erheblich zurückgegangen ist, so dass die inländischen Gerbereien in der nächsten Zeit wohl das gesamte einheimische Gefalle zur Verarbeitung werden aufnehmen können. Die Ausfuhr von Kalbfellen, die namentlich zur Herstellung von Boxcalf, dem hauptsächlichsten Oberleder für Gebrauchsschuhe, dienen, kommt zurzeit noch nicht in Frage. Ausfuhrbewilligungen für Häute und Felle, soweit die Ausfuhr dieser Waren überhaupt ausnahmsweise bewilligt werden kann, werden nur der Schweizerischen Häute- und Fellieferanten-Genosserischaft erteilt, welche die Verpflichtung übernommen hat, das Inland gemäss den bezüglichen Vorschriften des Volkswirtschaftsdepartementes zu versorgen. Was die Ausfuhr von Leder anbelangt, so kommen dafür namentlich Sohlleder alter Grubengerbung, Spaltleder und Zeugleder in Betracht, Sohlleder und Zeugleder mit Rücksicht auf den Umstand, dass sie seinerzeit für den unterdessen reduzierten Heeresbedarf eingearbeitet worden waren.

Für Kalb- und Rindbox (Oberleder) sowie für Vacheleder-Croupons (Bodenleder) werden grundsätzlich keine Ausfuhrbewilligungen erteilt. Die Ausfuhr von Schuhen wird, unter sorgfältiger Berücksichtigung des Inlandsbedarfes, in der Regel nur den schweizerischen Schuhfabriken bewilligt. Das sogenannte verbilligte Schuhwerk (Marke Bally Succès und Marke V. S.) wird zur Ausfuhr nicht zugelassen. Für Reiseartikel können regelmässig Ausfuhrbewilligungen erteilt werden, ebenso für Pelzfelle.

Papier, Karton usw. sind ausfuhrfrei. Nur Altpapier (Makulatur) musste als wichtiger Rohstoff für die Papierfabrikation unter Ausfuhrverbot behalten werden.

Zur Handhabung des an anderer Stelle erwähnten Einfuhrverbotes für Möbel ist bei der Sektion für Ausfuhr ein besonderes B u r e a u für M ö b e l e i n f u h r errichtet worden.

S e k t i o n L e d e r i n d u s t r i e . Im letzten Neutralitätsbericht wurde auf die grossen Preissteigerungen hingewiesen, die sich im Auslande, nachdem die
Zwangsmassnahmen aufgehoben worden waren, auf dem Häute-, Fell- und Ledermarkt und infolgedessen auch auf dem Markt für Fertigfabrikate (Schuhwaren) bemerkbar gemacht hatten. Die Preisgestaltung im Auslande wurde

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auch während der verflossenen Berichtsperiode seitens der Sektion Lederindustrie verfolgt. Aus den nachgeführten statistischen Notierungen ergibt sich, dass die Preise seit Oktober 1919 noch weiter in ganz bedeutendem Masse gestiegen sind. Da man befürchtete, es würden sich bei Freigabe des Handels ähnliche Verhältnisse auch in der Schweiz entwickeln, ist auf das während der Berichtsperiode von den Häute- und Fellieferanten mehrmals gestellte Begehren, die behördlichen Massnahmen aufzuheben, nicht eingetreten worden.

Wesentliche Änderungen der im Juli und September vorigen Jahres festgesetzten Höchstpreise wurden in der ßerichtsperiode nicht vorgenommen. Nur in einzelnen Fällen sind auf gewissen Häute- und Fellkategorien und Leder kleinere Zuschläge bewilligt worden. Durch diese Zuschläge erfuhren jedoch die Preise der Gebrauchsschuhe keine Erhöhung.

Die im Herbst 1919 in die Wege geleitete Aktion zur Herstellung und zum Vertrieb von zirka 700,000 Paar verbilligter Schuhe ist weitergeführt worden. Nach den Berichten der Kontrollbeamten findet diese Aktion bei unserer Bevölkerung im allgemeinen eine gute Aufnahme, und es gestaltet sich der Verkauf dieser Schuhe sehr rege. Durch deren Vertrieb kann der minderbemittelten Bevölkerung ein preiswürdiges und qualitativ ·einwandfreies Schuhwerk zur Verfügung gestellt und gleichzeitig bewirkt werden, dass auch die Preise für die übrigen Gebrauchsschuhe niedrig gehalten werden. Obwohl die Schweiz gezwungen ist, den grössern Teil ihres Oberlederbedarfes aus dem Auslande zu importieren und die Preise für die importierten Oberleder höher stehen als früher, haben wir seit 1918 keine Preisabschläge auf Gebrauchsschuhwerk zu verzeichnen.

Parallel zur Aktion für den Vertrieb von verbilligten Lederschuhen wurde im Herbst 1919 auch eine solche für Holzschuhe eingeleitet. Durch den Vertrieb von billigen Lederschuhen mussten aber allgemein die grossen Vorräte an Holzschuhen im Preise heruntergesetzt werden, um für die Ware Käufer zu finden.

Gegenwärtig sind mit den Holzschuhfabrikanten neue Verhandlungen im Gange zwecks Durchführung einer Verbilligungsaktion im Winter 1920/21.

Die Ausfuhr von Schuhen ist nach wie vor einer strengen Kontrolle unterworfen. Diese Aufsicht wird im Interesse der Sicherstellung der Inlandsversorgung noch weiterhin ausgeübt werden müssen. Im Laufe des Jahres 1919 konnte die schweizerische Schuhindustrie, welche von jeher zur vollen Beschäftigung

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ihrer Arbeiterschaft auf die Ausfuhr eines Teiles ihrer Produktion angewiesen war, Exporte im üblichen Umfange tätigen. Die Ausfuhrmengen haben aber im Laufe der letzten Monate infolge der ungünstigen Valutaverhältnisse eine bedeutende Verminderung erfahren. Aus dem gleichen Grunde ist nur ein kleiner Teil des Leders, für welches Ausfuhrbewilligungen erteilt worden waren, weil in unserem Lande keine Verwendung dafür bestand, ins Ausland exportiert worden.

In Anbetracht der gegenwärtigen Lage sprachen sich an einer Ende März 1920 abgehaltenen Konferenz die Vertreter sämtlicher Interessentengruppen der Lederbranche mit Ausnahme der Häute- und Feilieferanten grundsätzlich für die weitere Aufrechterhaltung der zum Zwecke der Lederversorgung des Landes getroffenen Massnah m en aus.

Da in andern Ländern nach erfolgter Aufhebung der Zwangswirtschaft die Preise für Häute, Felle und Leder auf das Mehrfache der Vorkriegspreise gestiegen sind, und dadurch die Preise für Schuhwerk eine für die meisten Verbraucher unerschwingliche Höhe erreichten, wird man unsere zur Sicherstelluiig der Leder- und Schuhversorgung erlassenen Vorschriften einstweilen noch nicht aufheben können.

Eidgenössisches Amt für Arbeitslosenfürsorge.

I. Beschaffung

von Arbeitsgelegenheit und Milderung der Wohmmgsnot.

Die Verhältnisse des Arbeitsmarktes haben sich im Verlaufe des letzten halben Jahres wesentlich geändert. In vielen Berufszweigen hat die Arbeitslosigkeit den normalen Stand erreicht; in einzelnen unter ihnen, insbesondere im Baugewerbe, besteht sogar Arbeitermangel. Dagegen hat sich die Wohnungsnot fühlbar verschärft. Zwar ist die Bevölkerungszahl nur in wenigen Städten von 1913--1919 erheblich gestiegen (Solothurn 15 °/o, Bern 11,4 %, Schaff hausen 10,9 %, Freiburg 6,1 %, Luzern 5,8 %, Zürich 5 %, Winterthur 3,? %). Manche Städte, die heute ausgesprochene Wohnungsnot aufweisen, sind in der Bevölkerungszahl sogar zurückgegangen (Genf 0,2 °/o, La Chaux-de-Fonds 0,7 °/o, Lausanne 1,4 %i Basel 2 °/o, Lugano 2,o %, Le Locle 3,i %, Neuenburg 3,? %> Bellinzona 5,4 %, Rorschach 13,i %, St. Gallen 13,2 °/o, Arbon 13,4 %).

Die vom Amte angestellten Erhebungen zur Ermittlung des Umfanges der Wohnungsnot haben ergeben, dass nach Errichtung der gemäss Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1919 subventionierten

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Bauten und unter Abzug der durch Todesfälle frei werdenden Wohnungen in der ganzen Schweiz Ende 1920 ein Bedarf für zirka 6800 Wohnungen verbleiben wird. Teilweise wird dieser Bedarf ohne staatliche Beihülfe gedeckt werden. Wird die Zahl dieser Wohnungen auf 1800 geschätzt, so ermässigt sich der unmittelbare Bedarf zu Ende 1920 auf rund 5000 Wohnungen.

Die ermittelten Ziffern bedürfen allerdings noch der Nachprüfung.

Sie sollen hernach die Grundlage bilden für die Verteilung des Kredites zur ,,Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Hochbautätigkeit", dessen Festsetzung gemäss Bundesratsbeschluss vom 9. Februar 1920 von den eidgenössischen Räten vorgenommen worden ist. Wir verweisen auf unsern Bericht an die Bundesversammlung vom 9. Februar 1920 (s. Bundesbl. I, 270--290).

Die Zahl der industriellen Arbeitslosen war schon auf letzten Herbst hin überall bedeutend zurückgegangen, weshalb sich das Bedürfnis vermindert hatte, Notstandsarbeiten zur ausserberuflichen Beschäftigung und zur Unterbringung ungelernter Arbeiter bereitzustellen. Dagegen waren damals Handwerk und Gewerbe noch immer sehr notleidend. Es erschien deshalb geboten, die zur Beschaffung von Arbeitsgelegenheit bewilligten Kredite vorwiegend zur Förderung der Hochbautätigkeit zu verwenden. Damit konnte gleichzeitig die Wohnungsnot gemildert werden. Im Hinblick auf diese veränderte Lage haben wir am 1. Dezember 1919 das Amt für Arbeitslosenfürsorge ermächtigt, den Kantonen mit grosser Wohnungsnot von Fall zu Fall zu gestatten, dass ein Teil der zur Ausführung von ,,verschiedenen Arbeiten, insbesondere Notstandsarbeiten11, vorgesehenen Summen, statt für diese, nach Massgabe des Btfndesratsbeschlusses vom 15. Juli 1919 betreffend Förderung der Hochbautätigkeit, zur Milderung der Wohnungsnot verwendet werde. Heute findet der Bundesratsbeschluss vom 23. Mai/15. Juli 1919 betreffend ,,verschiedene Arbeiten, insbesondere Notstandsarbeiten" auf Bauten, die nicht bereits in Angriff genommen worden sind, keine Anwendung mehr.

Über die bis 15. April 1920 erfolgte Subventionserteilung gibt folgende Zusammenstellung Aufschluss : A. F ö r d e r u n g der H o c h b a u t ä t i g k e i t .

Gesamtbaukostensumme der subventionierten Wohnungsbauten Bewilligte Beiträge . . Fr. 8,775,000 ,, Darlehen . . ,, 6,646,000 Übertrag

Fr. 83,000,000

Fr. 83,000,000

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Übertrag Fr. 83,000,000 B. Verschiedene Arbeiten, insbesondere Notstandsarbeiten.

Gesamtbaukostensumme der subventionierten Arbeiten ,, 44,000,000 Bewilligte Beiträge . . Fr. 5,306,000 Gesamtbaukostensumme aller subventionierten Bauten rund Fr. 127,000,000 Über den Vollzug der beiden Bundesratsbeschlüsse haben wir am 4. November 1919 folgende Grundsätze aufgestellt: 1. Die Aufwendungen, die eine Gemeinde als Bauherrin macht, haben keine Verminderung der kantonalen Leistung zur Folge. Die Gewährung einer Bundesunterstützung an kommunale Bauten ist somit an die Bedingung geknüpft, dass der Kanton als solcher, eventuell in Verbindung mit Dritten, eine mindestens gleich hohe Leistung übernehme.

2. Die Unterstützung kantonaler Bauten geschieht nur insoweit, als der Kanton im laufenden Jahre auf eigene Kosten Neubauten (Hoch- und Tiefbauteni ausführt, deren Kostensumme diejenige, die er in den fünf Vorkriegsjahren 1909--1913 jährlich im Mittel verausgabt hat, um 50 °/o überschreitet.

Zur Sicherung der von Bund und Kanton gewährten Darlehen für Wohnungsbauten ist es, entsprechend den Begehren einiger Kantone, den Kantonen freigestellt worden, die Form eines Schuldbriefes oder einer Grundpfandverschreibung zu wählen.

V e r b i l l i g u n g d e s Wo h n u n g s b a u e s. Das Volkswirtschaftsdepartement hat Untersuchungen eingeleitet, um festzustellen, inwieweit für subventionierte Wohnungsbauten eine Herabsetzung der Baukosten möglich sei. Der Schweizerische Baumeisterverband sowohl als auch die Organisationen der Baumaterialienfabrikanten und -händler haben sich bereit erklärt, die Bestrebungen zur Verbilligung des Wohnungsbaues zu unterstützen. Das Amt pflegt nun mit jedem einzelnen dieser Verbände Unterhandlungen und hat bereits gewisse Zusicherungen erhalten. Einen bedeutenden Einfluss auf die Baukosten haben aber ausserdem die Arbeitslöhne, die Intensität der Arbeitsleistung und die Arbeitszeit, weshalb auch der Schweizerische Bauarbeiterverband ersucht worden ist, sich den auf den Preisabbau gerichteten Bestrebungen anzuschliessen. Nur unter Mitwirkung aller wird es gelingen, eine namhafte Reduktion der Baukosten

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zu erzielen. Über die Ursachen der Baukostensteigerung wird übrigens vielfach von einseitigen Gesichtspunkten aus Kritik geübt.

Eine sachliche Beurteilung dieser Fragen wird nur nach eingehender Prüfung der gegebenen Voraussetzungen und unter billiger Würdigung der Interessen aller Beteiligten möglieh sein.

G e l e h r t e B e r u f e . Die in den akademischen Berufsarten, namentlich in den technischen Berufen, herrschende Arbeitslosigkeit hat zum Erlass des Bundesratsbeschlusses vom 16. Dezember 1919 betreffend ,,Aktion zugunsten von arbeitslosem und ausserberuflich beschäftigtem Personal gelehrter Berufea geführt. Wir verweisen auf unsern separaten Bericht an die Bundesversammlung.

Die Vorschläge für die Ausführung ausserordentlicher Arbeiten sind von den Abteilungen der Bundesverwaltung nicht in dem Masse eingereicht worden, wie die Arbeitslosigkeit in den gelehrten Berufen es erwarten liess. Auch von den Kantonen und Gemeinden sind die in Aussicht gestellten Bundesbeiträge bis jetzt noch wenig in Anspruch genommen worden.

Der vom Bundesrat bereitgestellte Kredit beträgt Fr. 1,500,000 Bis 31. März 1920 sind folgende Kreditsummen bewilligt worden : < an Abteilungen der Bundesverwaltung Fr. 270,000 an Kantone ,, 6,400 ., 276,400 Verfügbarer Kredit am 1. April 1920

Fr. 1,223,600

II. Arbeitsnachweis.

Der Bundesratsbeschluss vom .29. Oktober 1919 betreffend Arbeitslosenunterstützung hat die Grundlagen zu einer bessern Beobachtung und Ausnützung der Verhältnisse auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt geschaffen durch die den Kantonen auferlegte Pflicht, kantonale Zentralstellen für Arbeitsnachweis zu schaffen, die den Gemeinden gemachte Vorschrift, dieser Zentralstelle alle Arbeitsuchenden wöchentlich zu melden und die den Betriebsinhabern und ihren Berufsverbänden auferlegte Pflicht, alle offenen Stellen dieser Zentralstelle bekanntzugeben.

Die kantonalen Zentralstellen selbst haben diese Meldungen der Sektion II des eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge, d. h. an die nach Bundesratsbeschluss vom 6. Januar 1920 vom eidgenössischen Amt für Arbeitslosenfürsorge übernommene e i d -

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genössisclie Z e n t r a l s t e l l e f ü r A r b e i t s n a c h w e i s , weiterzugeben. Wir verweisen auf unsern oben genannten Bericht an die Bundesversammlung. Die neue eidgenössische Zentralstelle für Arbeitsnachweis gibt nun wöchentlich für die 19 Arbeitsnachweisämter und die Kreisbureaux des eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge eine Vakanzenliste heraus und für die kantonalen Zentralstellen für Arbeitsnachweis sowie die schweizerischen Arbeitsnachweisämter den ,,Schweizerischen Arbeitsmarktct, d. i. eine nach Berufsarten und -gruppen kantonsweise geordnete Zusammenstellung der offenen Stellen, der Stellensuchenden und der unterstützten Arbeitslosen. Damit ist die Orientierung über den Arbeitsmarkt, die bis jetzt fehlte, geschaffen, und die Früchte zeigen sich in der Praxis schon jetzt.

Es sei auf die Publikation und die darin enthaltenen Zahlen und Artikel hingewiesen.

Die eidgenössische Zentralstelle für Arbeitsnachweis begutachtet auf Grund des Arbeitsmarktes die bei der Fremdenpolizei eingehenden Gesuche um Einreise zur Übernahme von Stellen ; sie setzt sich in Verbindung mit den Lehrlingspatronaten, den Berufsverbänden der Betriebsinhaber und der Arbeiter und gibt auch monatlich einen Bericht über die Arbeitsvermittlung und die Lage des Arbeitsmarktes heraus.

Die K r e i s b u r e a u x d e s e i d g e n ö s s i s c h e n A m t e s für A r b e i t s l o s e n f ü r s o r g e sind bis auf acht aufgehoben worden. Es bleiben nocn bestehen die als kantonale Zentralstellen für Arbeitsnachweis amtenden Kreisbureaux in Zürich, Frauenfeld und Bellinzona, ferner die sich mit dem Arbeitsnachweis befassenden Kreisbureaux in Chur, Neuenburg und Basel und endlich die Kreisbureaux Bern und Thun, denen die Placierung des entlassenen Bundespersonals obliegt.

Hinsichtlich der L a g e des A r b e i t s m a r k t e s verweisen wir auf den wöchentlich erseheinenden ,,Schweizerischen Arbeitsmarkta und die ,,Monatsberichte" der eidgenössischen Zentralstelle für Arbeitsnachweis.

III. Unterstütgungswescn.

Das Unterstützungswesen ist durch den Bundesratsbeschluss vom 29. Oktober 1919 neu geregelt worden. Über diesen Beschluss sind die wesentlichen Angaben bereits im erwähnten separaten Bericht an die Bundesversammlung enthalten.

Der Rückgang der Zahl der Unterstützten, der sich seit dem Inkrafttreten des Beschlusses am 16. November 1919 stetig be-

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merkbar machte, ist zu einem guten Teil auf die verschärfte Kontrolle und bessere Organisation des Arbeitsnachweises zurückzuführen. Ausserdem hat sich der Arbeitsmarkt, wie gesagt, in manchen Erwerbszweigen gebessert. Infolgedessen wurde der Abbau des Unterstützungswesens eingeführt. Die Arbeitslosenfürsorge kann allerdings jetzt noch nicht gänzlich eingestellt ·werden. Noch immer ist der Arbeitsmarkt grossen Schwankungen unterworfen; eine schwere Krisis bedroht die Uhrenindustrie, und auch in einigen andern Betriebsgruppen steht infolge der Valutaverhältnisse Arbeitsmangel bevor. Am besten wird sich ·der Abbau nach Erwerbszweigen vollziehen.

Die Streitfälle über den Anspruch auf Unterstützung waren' unter der Herrschaft des Bundesratsbeschlusses vom 29. Oktober 1919 merklich weniger zahlreich als unter den frühern Bundesratsbeschlüesen. Seit Inkrafttreten des neuen Beschlusses sind erst 72 Rekursfalle eingelangt, die von der Rekurskommission in den Sitzungen vom 31. März/l. April erledigt wurden.

Abteilung für Industrie und Gewerbe.

A. Der Bundesratsbeschluss vom 14. Januar 1919 betreffend Subventionierung der Einrichtungen für Arbeitsl o s e n v e r s i c h e r u n g aus dem ,,Fonds für Arbeitslosenfürsorgea für die Jahre 1917 und 1918 (s. XII. Bericht, Seite 77) wurde nach Anhörung des Experten in diesen Fragen mit Beschluss vom 24. Februar 1920 für das Jahr 1919 erneuert (Bundesbl.

1920, I, 457).

B. Vermittlungstätigkeit. Während der Berichtsperiode, d. h.

vom 1. November 1919 an, wurde die Intervention des Volkswirtschaftsdepartements in Kollektivstreitigkeiten zwischen zentralen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden in nicht weniger als 17 Fällen angerufen. Damit erhöht sich die Zahl der vom Departement seit Anfang des Jahres 1919 behandelten Fälle auf 49,.

In 27 davon konnte eine Einigung erzielt werden, 4 erledigten sich durch direkte Verständigung zwischen den Parteien selbst, 7 sind noch hängig und nur limai gelang es nicht, eine Einigung herbeizuführen. Die Mehrzahl der Gesuche ging von der Arbeiterschaft aus, andere wurden von den Arbeitgeberorganisationen gestellt und wieder andere von Arbeiter- und Unternehmerverbänden zugleich. Das Departement übernahm die Einleitung von Verhandlungen immer erst dann, nachdem es sich des Einverständnisses aller Beteiligten versichert hatte. Mit Ausnahme eines Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

21

322 · einzigen Falles erklärten sich die Parteien immer bereit, unteir seiner Leitung in gemeinsame Unterhandlungen einzutreten.

In der Regel lag die Vermittlung in den Händen des Delegierten für Sozialgesetzgebung. Gelegentlich -- je nach den obwaltenden Umständen -- erwies sich die Einsetzung einer eidgenössischen Einigungskommission als zweckmässig und notwendig, die, entsprechend der Vereinbarung der Beteiligten, entweder einen unverbindlichen Vermittlungsvorschlag aufzustellen oder aber einen für beide Parteien verbindlichen Schiedsspruch zu fällen, hatte. Als Mitglieder solcher Einigungs- oder Schiedskommissionen wurden Persönlichkeiten beigezogen, welche dank ihrer unabhängigen Stellung, ihrer Vertrautheit mit wirtschaftlichen und namentlich Arbeiterfragen sowie ihrer Erfahrung im Einigungswesen als besonders geeignet erschienen ; den Vorsitz führte regelmässig der Delegierte für Sozialgesetzgebung. Das Verfahren richtete sich nach den Bedürfnissen des einzelnen Falles. Auf diese Weise ergab sich die Möglichkeit, die Durchführung der Vermittlung ganz der Verschiedenartigkeit der konkreten Verhältnisse anzupassen.

Diese Art der Behandlung von Kollektivstreitigkeiten, die mehrere Kantone, meist sogar das ganze Gebiet der Schweiz.

umfassen, hat sich sehr gut bewährt. Mancher drohende Konflikt, konnte so abgewendet, mancher bestehende nach kurzem gütlich beigelegt werden. Die Verhandlungen endigten in sehr vielen Fällen mit dem Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages.

C. Hinsichtlich der Angelegenheit betreffend die Regelung des S u b m i s s i o n s w e s e n s des Bundes verweisen wir auf den Geschäftsbericht für 1919.

Bundesamt für Sozialversicherung.

Der Bundesratsbeschluss vom I.Juli 1919*) betreffend dievorübergehende Verstärkung des eidgenössischen Versicherungsgerichtes für die oberinstanzliche Behandlung von Streitigkeiten aus der Militärversicherung, der im XIII. Neutralitätsbericht erwähnt ist, musste zweimal verlängert werden. Es geschah dies durch die Bundesratsbeschlüsse vom 16. Dezember 1919**) und vom 23. März 1920***) betreffend die Verlängerung des Bundes*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 518.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 1002.

***) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 187.

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ratsbeschlusses vom \. Juli 1919 betreffend die vorübergehende Verstärkung des eidgenössischen Versicherungsgerichtes. Die erste Verlängerung erfolgte mit Wirkung bis am 31. März 1920, die zweite mit Wirkung bis am 31. Juli 1920.

Abteilung für Landwirtschaff.

H o l z a u s f u h r . Dem Ausfuhrverbot unterliegen zurzeit aus der Kategorie V (Holz) noch das Rundholz, rohe und gehobelte Schnittwaren und Brennholz.

Einzelne Berufsverbände stehen in Unterhandlungen wegen grössern Lieferungen für Holzkonstruktionen, weshalb von einer generellen Ausfuhrbewilligung für Rundholz, Schnittwaren und Bauholz noch abgesehen werden musste.

Im übrigen hat sich die Lage auf dem Holzmarkte seit Erstattung des letzten Berichtes nicht geändert, so dass wir uns darauf beschränken können, auf die Ausführungen im XIII. Neutralitätsberichte zu verweisen.

G. Post- and Eisenbahndeparterneut.

Eisenbahnabteilung.

Der Bundesratsbeschluss vom 29. Februar 1916 betreffend den Bezug der Viertelstaxe für Militärtransporte (A. S. XXXII, 69), sowie der im VI. Neutralitätsbericht erwähnte Bundesratsbeschluss vom 20. Februar 1917 (A. S. XXXIII, 81) betreffend den Dienstverkehr zwischen dem Armeekommando und den schweizerischen Bisenbahn- und vom Bunde konzessionierten Schiffahrtsunternehmungen sind mit Bundesratsbeschluss vom 19. Dezember 1919 (A. S. XXXV, 1008) auf den 10. Januar 1920 ausser Kraft gesetzt worden.

H. Ernährnngsamt..

Allgemeines.

Die Lebensmittelversorgung hat sich seit unserm letzten Bericht weiter verbessert. Der A b b a u des E r n ä h r u n g s amtes konnte fortgesetzt werden und wurde nach Möglichkeigefördert. Ausser der eidgenössischen Fettzentrale, deren Liquit dation in der Berichtsperiode endgültig abgeschlossen werden konnte, sind auf 31. Dezember 1919 folgende Abteilungen des eidgenössischen Ernährungsamtes aufgehoben worden: das Brot-

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amt, die Warenabteilung, die eidgenössische Anstalt für Schlachtviehversorgung mit dem Bureau für Viehverkehr, die Zentralstelle für Kartoffelversorgung und die Abteilung für Vermehrung der landwirtschaftlichen Produktion. Die verbleibenden Geschäfte des Brotamtes und der Warenabteilung sind der Abteilung für Monopolwaren angegliedert worden, während für die Liquidation und die Fortführung der Geschäfte der übrigen Abteilungen das Bureau für landwirtschaftliche Produkte eingerichtet wurde.

Das Ernährungsamt weist nunmehr seit 1. Januar 1920 f o l g e n d e G l i e d e r u n g auf: Generalsekretariat, Bureau für Ausfuhr, Bureau für landwirtschaftliche Produkte, Abteilung für Monopolwaren, Milchamt, Fürsorgeamt und Revisionsbureau.

Mit dem Abbau geht eine entsprechende V e r m i n d e r u n g des P e r s o n a l s des eidgenössischen Ernährungsamtes Hand in Hand. Die höchste Zahl der Beamten und Angestellten mit 574 verzeichnete es im Februar 1919; am 1. Mai 1920 betrug sie 335.

Seit der letzten Berichterstattung konnten die damals noch bestehenden L e b e n s m i t t e l r a t i o n i e r u n g e n aufgehoben werden. Die Rationierung des Käses ist auf 1. März, diejenige des Zuckers auf 25. März und diejenige für Milch auf Ende März fallen gelassen worden. Seit 1. April 1920 sind in unserm Lande somit keine Lebensmittel mehr rationiert. Die überraschende Erscheinung, dass wir in einem Zeitpunkte zur Aufhebung der letzten Lebensmittelrationierungen schreiten konnten, wo in unsern, den frühern Zentralstaaten angehörenden Nachbarstaaten die Versorgungsschwierigkeiten mit Lebensmitteln grösser sind als je, und auch in jenen, die der Entente angehörten, die vorübergehend aufgehobenen Rationierungen wieder eingeführt oder in Wiedererwägung gezogen werden, ist zur Hauptsache in der günstigen Entwicklung unserer inländischen Lebensmittelproduktion und in der hohen Valuta des Schweizerfrankens begründet.

Die Zahl der in Kraft stehenden, auf die ausserordentlichen Vollmachten sich stützenden E r l a s s e (Bundesratsbeschlüsse, Verfügungen), die sich auf die Tätigkeit des Ernährungsamtes beziehen, ist von 69 auf 40 zurückgegangen.

Über die a l l g e m e i n e w i r t s c h a f t l i c h e L a g e isät, soweit sie mit der Lebensmittelversorgung im Zusammenhang steht und diese entscheidend beeinflusst, nicht viel Erfreuliches zu berichten. Die Arbeitseinstellungen sind in einem grossen Teil der heutigen Kulturwelt chronisch geworden. Die A r b e i t s e i n -

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S t e l l u n g e n unddie v e r m i n d e r t e n A r b e i t s l e i s t u n g e n überhaupt hemmen sowohl die Produktion wie den Güteraustausch und tragen damit wesentlich bei zur Aufrechterhaltung der Teuerung.

Das teilweise erschöpfte Europa muss grosse Mengen an Lebensmitteln und Rohstoffen aus überseeischen L ä n d e r n einführen. Die grosse Nachfrage, verbunden mit ungenügenden Zufuhren zu den überseeischen Verschiffungsplätzen bewirkt auf einzelnen Gebieten Warenpreise, welche sogar die höchsten Kriegspreise übertreffen. Der Weizen kostete gegen Ende April 1920 in den nord- und südamerikanischen Hafenplätzen mehr als unsere Abgabepreise an die einheimischen Mühlen betragen. Der Bund hat somit mehr als die gesamten Transportkosten aus diesen Häfen bis. zur Schweizermühle zu tragen und als Verlust auf dem Konto der allgemeinen Brotverbilligung zu buchen. Der indische Reis ist seit Kriegsende im Preise um das Vielfache gestiegen, und für sofort greifbaren Zucker werden Preise gefordert und von unversorgten Ländern auch bezahlt, die unsere Abgabepreise um 50 % und noch mehr übersteigen. Die gewaltige Vermehrung der Kraftfahrzeuge sowie die ungenügende Kohlenförderung vervielfachen den Bedarf an flüssigen Brennstoffen, was die Preise auch für diese Produkte fortgesetzt in die Höhe treibt. In den europäischen Hauptproduktionsgebieten für flüssige Brennstoffe liegt das Transportwesen darnieder und hindert den Bezug, und für ausreichende Versorgung Europas aus überseeischen Ländern fehlt es zurzeit an genügenden Tankdampfern und andern Transportmöglichkeiten.

Von den zu importierenden hauptsächlichsten Nahrungsmitteln sind Speiseöle und namentlich Speisefette, sowie Butter, Käse, Fleischkonserven, Hülsenfrüchte,-Gemüse und einige andere Artikel b i l l i g e r g e w o r d e n . Auch die Kraftfuttermittel sind im Preise zurückgegangen. Immerhin macht sich beim Mais seit einiger Zeit wieder eine steigende Tendenz geltend. Ein Weichen der Preise ist im allgemeinen bei den im Inlande produzierten Lebensmitteln zu konstatieren.

Der ganze W e l t m a r k t wird von unberechenbaren Faktoren beherrscht. Neben den fortwährenden Preisschwankungen und der ständigen Neigung zur Hausse beim kleinsten Anlasse wird die Abwicklung der Warengeschäfte durch die sehr ver-' änderliche Währung in all den Ländern, mit denen der Importeur zu verkehren hat, erschwert und beunruhigt.

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Aus der vorstehenden Schilderung der Verhältnisse ergibt sich die zwingende Notwendigkeit der einstweiligen A u f r e c h t e r h a l t u n g der E i n f u h r m o n o p o l e für die hauptsächlichsten Nahrungs- und Futtermittel sowie für Benzin und Petrol. Es geht nicht an, dass die Landesversorgung gegenwärtig den mannigfachen Zufälligkeiten des freien Marktes ausgesetzt wird. Eine weitere Lockerung der Einfuhrmonopole wird sich am ehesten für die noch monopolisierten Futterartikel (Hafer, Gerste und Mais) und für Kupfervitriol verwirklichen lassen.

Der d e r z e i t i g e S t a n d u n s e r e r V e r s o r g u n g in den hauptsächlichsten Nahrungs- und Futtermitteln ist befriedigend.

Bei den unsichern Zufuhrverhältnissen ist jedoch die Unterhaltung ansehnlicher Vorräte im Lande auch weiterhin erforderlich. Unbefriedigend ist seit Anfang dieses Jahres die Benzinversorgung.

Dieser Zustand ist verursacht worden durch wiederholte Störungen der Zufuhr aus Italien, ohne dass es bisher gelungen wäre, wesentliche Mengen dieses Brennstoffes über andere Routen einzuführen.

Auf Neujahr 1920 sind die Abgabepreise des Bundes für Zucker und Reis erhöht worden. Die neuen Preise sind den ungefähren Einstandskosten der damals schon für spätere Lieferung gekauften Waren angepasst worden, erreichen indessen die derzeitigen Weltmarktpreise, namentlich was den Zucker anlangt, bei weitem nicht. Auf Speiseöle und Speisefette sind dagegen zu verschiedenen Malen die Abgabepreise entsprechend der Weltmarktlage heruntergesetzt worden. Das gleiche trifft zu für Kraftfuttermittel.

Bureau flir Ausfuhr.

Seit dem Herbst 1919 hat sich infolge der ungünstigen Valutaverhältnisse die Exportkrise für zahlreiche schweizerische Landesprodukte wesentlich verschärft. Infolgedessen vermindert sich auch die Gefahr eines zu grossen, die Landesversorgung gefährdenden Exportes. Daher konnte das Ernährungsamt, in Erweiterung der frühern Erlasse, ohne Bedenken eine neue Reihe von Artikeln der Lebens- und Genussmittelbranche generell zur Ausfuhr freigeben. Diese Freigabe erfolgte durch die Verfügungen des Ernährungsamtes vom 20. November 1919, vom 16. Februar, 8. März und 10. Mai 1920.

Zu den hauptsächlichsten Artikeln, für welche das Ausfuhr* verbot noch aufrechterhalten wurde, sei es zwecks Kontrolle der Versorgung des Landes, sei es mit Rücksicht auf die Preisbewegungen im Mande, ist folgendes zu bemerken :

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Bei den K a k a o - und S c h o k o l a d e p r o d u k t e n ist in Betracht zu ziehen, dass die Industrie einen Teil ihrer Ware für den Inlandskonsum zu herabgesetzten Preisen abgibt. Es muss verhindert werden, dass diese verbilligte Ware von spekulativen Kreisen aufgekauft und exportiert wird. Der Export muss daher vorläufig auf die Fabrikanten beschränkt bleiben.

Für die Biskuits- und Zuckerwarenbranche glaubte man vorerst Ausfuhrkontingente festsetzen zu müssen.

Nachdem im Herbst die Ausfuhr einen ordentlichen Umfang angenommen hatte, reduzierte sie sich aber gegen Neujahr und seither auf ein Minimum. Die festgesetzten Ausfuhrkontingente wurden nur zu kleinen Teilen benutzt.

T a b a k f a b r i k a t e konnten bis auf Stumpen und Brissagos freigegeben werden. Nach gewissen Sorten Stumpen und Brissagos herrschte den ganzen Winter durch und auch noch zur Zeit der Berichterstattung eine derart grosse Nachfrage, dass die Produktion nur mit Mühe den dringendsten Bedürfnissen genügen konnte. Infolgedessen musste für diese Ware das Ausfuhrverbot vorläufigö noch aufrechterhalten bleiben.

O b s t a u s f u h r : Die im letzten Bericht erwähnte, sich Mitte Oktober bessernde Nachfrage des Auslandes nach Schweizerobst ging, unter dem Einflüsse der ungünstigen Valuta, bald wieder zurück. Infolge der ausserordentlich grossen Obsternte wurde wohl viel Obst exportiert, aber die Preise waren im allgemeinen gedrückt.

Der warmen Winterwitterung wegen liess die Haltbarkeit des Obstes zu wünschen übrig. Da der Absatz fehlte, ging eingekellertes Obst stellenweise zugrunde. Erhebliche Mengen mussten noch im Verlaufe des Winters verfuttert, gedörrt oder gemostet werden. In der Absicht, den Markt etwas zu beleben, wurde die Ausfuhr von frischem Obst auf 20. Februar 1920 generell freigegeben. Aber auch diese Massnahme konnte auf den Absatz keinen nennenswerten Einfluss ausüben. Bis Mitte April war das Angebot an Tafelobst gross und die Preise waren niedrig. Auf den städtischen Märkten wurde Obst immer in grossen Mengen und zu massigen Preisen angeboten.

V i e h a u s f u h r . Die Viehausfuhr war seit dem letzten Bericht mangels Nachfrage seitens des Auslandes nur unbedeutend.

Auch das Frühjahrsgeschäft kam nicht in Fluss. Ein bescheidener Export erfolgte besonders nach der Tschecho-Slovakei in Kompensation gegen Hafer und Heu. Auch Italien, Frankreich und

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Luxemburg machten kleinere Bezüge. Der schweizerische Zuchtviehexport leidet ebenfalls unter den ungünstigen Valutaverhältnissen.

A u s f u h r von M i l c h e r z e u g n i s s e n . Die Milchsiedereien besassen bei Aufhebung der Milchrationierung noch bedeutende Vorräte an Kondensmilch, die sie seinerzeit auf Veranlassung des eidgenössischen Milchamtes für die Inlandversorgung bereitgestellt hatten. Da jedoch die Nachfrage im Inlande zusehends zurückging, wurde auf 15. März 1920 die Ausfuhr von Kondensmilch in Sendungen bis zu 30 Kilo brutto generell freigegeben.

Man konnte so gleichzeitig den Versand von Kondensmilch al» Liebesgabenpakete an notleidende Angehörige im Auslande erleichtern. Um die während des Krieges verlorenen Absatzgebiete wieder aufzusuchen, wurde nach Aufhebung der Käserationierung die Ausfuhr von 30 Wagen Käse der Käseunion bewilligt.

Besondere Aufmerksamkeit erforderten neuerdings die H ü l f s a k t i o n e n n a c h d e m A u s l a n d e . Infolge der Zersplitterung der Hülfsaktionen, über welche an anderer Stelle berichtet wird,, sah man sich veranlasst, deren Ausfuhrgesuche in Verbindung mit dem Fürsorgeamt zu behandeln, damit von dieser Stelle ausdie Fürsorgetätigkeit nach dem Auslande einheitlicher vor sich gehen konnte. Seit Anfang Juli 1919 bis Ende März 1920 wurden an Hilfskomitees für das Ausland ca. 240 Wagen verschiedener Lebensmittel zur Ausfuhr bewilligt. Auf die Versorgung des Inlandes nahm man dabei stets in der Weise Bedacht, dass man die einzelnen Hilfskomitees veranlasste, Artikel, für die eine gewisse Zurückhaltung noch geboten war, nur in möglichst geringen Quantitäten in ihre Sammlungen einzubeziehen.

Um einem dringenden Bedürfnis gerecht zu werden und zugleich Verkehrs- und exportfördernd zu wirken, wurden auf Weihnachten und Neujahr und neuerdings seit dem Februar sogenannte L i e b e s g a b e n p a k e t e nach dem Auslande in bestimmter Zusammensetzung zugelassen.

Der Paketversand an die S c h w e i z e r im Ausl a n d e erlitt im Winter 1919 auf 1920 eine bedeutende Reduktion, hauptsächlich herbeigeführt durch die stets sinkende Valuta, die unsern Landsleuten den Bezug der Pakete mehr und mehr erschwerte. Der grösste Teil der Paketsendungen bestand in letzter Zeit aus den Notstandspaketen des Fürsorgeamtes und aus den Paketen, welche von
Angehörigen aus der Schweiz bestellt wurden. Eine Aufhebung dieses Versandes wurde noch nicht vorgenommen, da sich die Ernährungsverhältnisse in den ehemaligen Zentralstaaten wider Erwartung stets verschlimmerten.

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Neben den Paketsendungen wurden seit dem Herbst 1919 über 40 Wagenladungen offene Lebensmittel den Schweizerkolonien in Deutschland, Österreich und Ungarn zu einem sich den Verhältnissen anschmiegenden Vorzugskurse abgegeben. Die Verluste, welche aus dieser Abgabe entstehen, werden aus dem hierfür zur Verfügung stehenden Bundeskredit bestritten.

Bureau für landwirtschaftliche Produkte.

Die im XIII. Bericht angekündigte Revision der Bundesratsbeschlüsse vom 15. Januar 1918 und 15. Februar 1919 betreffend die V e r m e h r u n g der L e b e n s m i t t e l p r o d u k t i o n ist durch die Verfügung des eidgenössischen Ernährungsamtes vom 31. Januar 1920 erfolgt. Die Zwangsvorschriften wurden bis auf einen kleinen Rest aufgehoben. Aufrecht erhalten wurde die Ermächtigung an die kantonalen Behörden, zur Beschafiung von Pflanzland nötigenfalls zur Zwangspacht zu greifen und die Besitzer von anbaufähigem Land zu verhalten, dasselbe zweckentsprechend zu bebauen.

Mit den Zwangsvorschriften fielen auch die Bundesbeiträge an die Aufwendungen für die B e s c h a f f u n g von P f l a n z l a n d und Saatgut für B e d ü r f t i g e und an die A n s c h a f f u n g l a n d w i r t s c h a f t l i c h e r Maschinen und Geräte dahin. Für das Jahr 1920 werden demnach solche Beiträge nicht mehr verabfolgt werden. Eine Ausnahme soll gemacht werden bei der Subventionierung von Drainagebaggermaschinen, die geeignet sind, die Boden Verbesserungen zu erleichtern und zu verbilligen und von Saatgutreinigungsanlagen von Saatzuchtgenossenschaften, in denen wir ein vorzügliches Mittel zur Förderung des einheimischen Getreidebaues erblicken. Wir beabsichtigen demgemäss, diese Anschaffungen auch weiterhin mit Beiträgen zu unterstützen.

Vom 1. Oktober 1919 bis 15. April 1920 wurden an Bundesbeiträgen ausgerichtet : 1. an die Beschaffung von Pflanzland und Saatgut für Bedürftige Fr. 57,138.77 2. an die Anschaffung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte ,, 432,848.07 Zusammen

Fr. 489,986. 84

Das starke Anwachsen der Ausgaben für landwirtschaftliche Maschinen und Geräte rührt davon her, dass von Kantonen und Genossenschaften eine grössere Anzahl Drainagebaggermaschinen angeschafft und zur Subventionierung angemeldet wurden. Die Kosten .dieser Maschinen sind sehr hohe.

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In den genannten Summen sind die Beiträge an Saatzuchtgenossenschaften für die Erstellung von Saatgutreinigungsanlagen nicht Inbegriffen. Dieselben beliefen sich in der Berichtsperiode auf Fr. 4738. 50.

Die Bekämpfung der M a i k ä f e r verursachte dem Bunde im Jahre 1919 nur eine Ausgabe von Fr. 720. 25, da der Schädling nur schwach auftrat und die meisten Kantone deshalb auf die Ausrichtung von Bundesbeiträgen verzichteten.

Die Revision der V e r f ü g u n g vom 7. J a n u a r 1918 betreffend die Förderung und Überwachung der Herstellung und des Vertriebes von Düngemitteln, Futtermitteln und andern Hülfsstoffen der Landw i r t s c h a f t und d e r e n N e b e n g e w e r b e wurden an die Hand genommen. Ein Entwurf zu einer neuen Verfügung, die zu einer bleibenden gesetzlichen Ordnung des Verkehrs mit den genannten Stoffen überleiten soll, wurde bereits in verschiedenen Konferenzen beraten.

Durch B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 2. F e b r u a r 1920 wurde auf den 21. April 1920 wieder eine ausserordentliche V i e h z ä h l u n g angeordnet. Dieselbe soll über die Veränderungen in unserm Haustierbestande seit dem Frühjahr 1919 Aufsehluss geben und eine Grundlage bieten für allfällige weitere Mass.nahmen zur Versorgung unseres Landes mit viehwirtschaftlichen Produkten.

K a r t o f f e l v e r s o r g u n g . Im Herbst 1919 wurden von ·der Abteilung für Kartoffelversorgung, gestützt auf die Preisgarantie des Bundes vom 15. Februar 1919, zirka 150 Wagenladungen Kartoffeln übernommen. Diese konnten bis Ende Februar 1920 ohne Verlust liquidiert werden. Ihre Abgabe erfolgte während des Winters zu einheitlichen Preisen und hat dazu beigetragen, eine weitere Preissteigerung zu vermeiden. Die Preise für Kartoffeln sind gegen das Frühjahr hin infolge steigendem Angebot «rheblich zurückgegangen.

Um den Kartoffelanbau zu fördern und damit die Versorgung des Landes mit diesem wichtigen Nahrungsmittel sicherzustellen, wurde durch Bundesratsbeschluss vom 1. März 1920 ein Minimalpreis von Fr. 13 per 100 kg für gute, erlesene Speisekartoffeln der Ernte 1920 garantiert.

K u p f e r v i t r i o l und D ü n g e m i t t e l . Die Vorräte des Bundes an K u p f e r v i t r i o l genügen für das laufende Jahr vollauf.

Der grösste Teil der weinbautreibenden Kantone hat den Bedarf pro 1920 bereits gedeckt. Die Nachfrage ist nicht gross, da

331 infolge der trockenen Witterung der letzten zwei Jahre bei den Verbrauchern noch Vorräte vorhanden sind. Der Abgabepreis 'konnte gegenüber dem Jahr 1919 bedeutend reduziert werden.

Bis Anfang Februar 1920 war das Angebot an T h o m a s m e h l klein. Seither wurden jedoch hauptsächlich aus Belgien bedeutende Mengen angeboten, so dass die grosse Nachfrage befriedigt werden konnte. Die Preise sind aber immer noch sehr hoch. Gemäss dem Wirtschaftsabkommen vom 10. März 1920 mit Frankreich werden für die Schweiz 5500 Tonnen Thomasmehl, herrührend von einem alten Kaufabschluss, zur Ausfuhr .freigegeben. Der Bedarf an K a l i d ü n g e r , der nicht sehr gross war, konnte ohne wesentliche Schwierigkeiten gedeckt werden.

Sowohl für Kalidünger wie für Thomasmehl kann der Import fürderhin voraussichtlich wieder ganz den genossenschaftlichen und privaten Handelsfirmen überlassen werden.

F l e i s c h v e r s o r g u n g . Die Vorräte an Gefrierfleisch, amerikanischem gesalzenem Schweinefleisch, sowie an Fleischkonserven sind zum grössern Teil liquidiert. Die Nachfrage nach diesen Bedarfsartikeln ist bedeutend zurückgegangen, was auf das grössere Angebot von Schlachtvieh und den Rückgang der Fleischpreise zurückzuführen ist.

Grössere Mengen Fleischkonserven wurden aus Fleisch inländischer Schlachtungen hergestellt, herrührend von infolge der Maul- und Klauenseuche amtlich angeordneten Keulungen ganzer Viehbestände. Durch eine Verfügung des Ernährungsamtes vom 20. Dezember 1919 wurden für den i n l ä n d i s c h e n Viehhandel weitere Erleichterungen geschaffen. Auf Ende April 1920 kamen -die sich auf die ausserordentlichen Vollmachten stutzenden Vorschriften betreffend den Verkehr mit Vieh, die Schlachtungen und den Vertrieb von Fleisch in Wegfall, in der Meinung, dass die betreffenden Verhältnisse nunmehr wieder nach Massgabe der ordentlichen Gesetzgebung zu ordnen seien.

Abteilung für Monopolwaren.

B r o t v e r s o r g u n g . Die Nachfrage nach W e i s s m e h l und
Das Ernährungsamt nahm deshalb Veranlassung, durch Kreisschreiben vom 17. Dezember 1919 an die Mühlen die bisher auf höchstens 5 °/o begrenzte Ausbeute an Weissmehl und Griess auf S % zu erhöhen. Hin und wieder wurden, wie es scheint, infolge des Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage auch höhere

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Preise für Weissmehl und Griess gefordert und angelegt, als gestattet waren. Das Ernährungsamt entschloss sich deshalb, direkt einen grössern Posten Weissmehl und Griess auf den Markt zu bringen, und es gelang auf diese Weise, eine gewisse Sättigung des Marktes zu erreichen, die auch preisregulierend wirkte.

Die M a h l v o r s c h r i f t e n f ü r B r o t g e t r e i d e blieben bis zum Tage der Berichterstattung unverändert.

Am 20. Januar 1920 orientierte das Ernährungsamt die Regierungen der Kantone durch ein Kreisschreiben über die Ges t a l t u n g der B r o t p r e i s e in der Schweiz, nachdem Bestrebungen zur Erhöhung derselben in Erscheinung getreten waren.

Das Backmehl wird, obwohl es im September 1919 durch Herabsetzung der Mehlausbeute wesentlich verbessert worden ist, unausgesetzt zum gleichen Höchstpreise abgegeben, so dass einer Brotpreiserhöhung entgegengetreten werden musste.

DieÜ b e r n a h m e der i n l ä n d i s c h e n G e t r e i d e e r n t e p r o 1919 durch den Bund konnte in der Berichtsperiode beinahe beendigt werden. Das ganze Aufkaufsgeschäft wurde erheblich erschwert und verzögert durch das Umsichgreifen der Maul- und Klauenseuche. Auch die Höhe der Ablieferungen wurde dadurch zweifellos ungünstig beeinflusst. Bis Mitte April 1920 sind übernommen worden : Weizen 28,931,640 kg Roggen 15,438,703 ., Dinkel 8,996,468 ,, Mischel 3,840,897 ,, Einkorn 5,363 .,, Gerste 29,487 ,, Hafer 26,562 ,, Mais 35,085 ,, Zusammen

57,304,105 kg

Wenn man alle Schwierigkeiten in Betracht zieht, mit denen in dieser Kampagne die Getreideübernahme zu kämpfen hatte, und berücksichtigt, dass kein Ablieferungszwang mehr bestand, sondern der Ankauf durch den Bund freihändig geschah, so kann man mit dem Ergebnis zufrieden sein. Der Bund bezahlte für das oben angegebene Getreide insgesamt Fr. 35,119,318. 25 aus. Von dieser Summe erhielt die Westschweiz allein rund den dritten Teil.

Nachdem das Abnahmegeschäft ziemlich fortgeschritten war, wurde am 24. Januar 1920 eine neue Verfügung erlassen, durch

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welche d e r H a n d e l m i t i n l ä n d i s c h e m B r o t g e t r e i d e v o m 1 . M ä r z 1920 a n f r e i g e g e b e n u n d d a s V e r b o t des V e r f ü t t e r n s aufgehoben wurde.

In N o r d - und S ü d a m e r i k a konnte, dank der nun wieder reichlicher zur Verfügung stehenden Tonnage, in genügendem Masse Weizen verschifft werden, so dass sich unsere Inlandvorräte in der Berichtsperiode wesentlich hoben. Anteil hieran hat aber auch der Umstand, dass die Aufhebung der Brotrationierung bei einer Ration von 300 g, trotz Verbesserung des Mehltypes, anscheinend keine allgemeine Vermehrung des Brotkonsums brachte. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das reichliche Vorhandensein von Kartoffeln, Obst, Gemüse und Nahrungsmitteln aller Art einer durchschnittlichen Zunahme des Brotkonsums entgegenwirkte. Dagegen ist der V e r b r a u c h von T e i g w a r e n gestiegen. Die Fabriken sind voll beschäftigt und verarbeiten monatlich zirka 3500 Tonnen Hartweizendunst.

Z u c k e r v e r s o r g u n g : Die im letzten Bericht erwähnten Z u c k e r k ä u f e in Amerika und Holland sind in der Abwicklung begriffen. Das Ernährungsamt hat diese Käufe noch rechtzeitig in Java ergänzt, wo die Verschiffungen im Juli beginnen, so dass man einstweilen der Entwicklung auf dem Zuckermarkte mit Ruhe zusehen kann. Die A u f h e b u n g der Z u c k e r r a t i o n i e r u n g brachte eine Vermehrung des Verbrauches, die aber, bisher wenigstens, sich in den Grenzen des Vorgeseheuen ·bewegt.

Beim R e i s ist der Verbrauch noch weiter zurückgegangen.

Das Ernährungsamt hat, nachdem es unwahrscheinlich ist, dieses Jahr aus Italien Reis zu erhalten, seine Vorräte durch Käufe in Spanien und Indien ergänzt.

S p e i s e f e t t e und S p e i s e ö l e . In der Berichtsperiode ist der Rest des im Dezember 1918 von Nordamerika zur Verfügung gestellten Kontingentes S c h w e i n e f e t t eingeführt worden. Der Absatz von Speiseöl und Speisefett geht bei anhaltend sinkenden Preisen nur langsam vor sich. Das Ernährungsamt hat von seinen grossen Beständen erhebliche Mengen exportiert.

Beiden K r a f t fu t t e r m i t t e l n beschränkte sich die Tätigkeit des Ernährungsamtes in der Hauptsache auf Zufuhr und Verteilung der Waren. Neue Käufe konnten in der Berichtsperiode unterlassen werden. Der Verbrauch an
H a f e r geht ·entsprechend dem Pferdebestand zurück, als Folge der vermehrten Verwendung von Kraftfahrzeugen. Als Tauschobjekt gegen Zuchtvieh sind vom Ernährungsamt grössere Mengen böhmisch-mährischen

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Hafers übernommen worden. In Mais hat der Verbrauch nicht die erwartete Höhe erreicht. Ö l k u c h e n sind bis Ende April 3200 Wagenladungen abgegeben worden, ohne dass die Vorräte des Landes erschöpft wurden.

Über B e n z i n und P e t r o l amerikanischer und persischer Provenienz sind verschiedene Käufe für Lieferung nach italienischen Häfen bis Ende Juli abgeschlossen worden. Aus einem frühern in Polen gemachten Kaufe sind erst zwei Züge eingetroffen. Kleinere Bezüge an Benzol und Benzin konnten aus Frankreich und Belgien gemacht werden. Angebahnte Verhandlungen für den Bezug rumänischer Ware führten bisher zu keinem praktischen Ziele.

Der gute Stand unserer eigenen Lebensmittelversorgung ermöglichte es uns, dringenden Begehren von Behörden benachbarter Staaten um Lieferung von Lebensmitteln wenigstens teilweise zu entsprechen. Solche Lieferungen erfolgten in erheblichem Umfange an Deutschland und Deutschösterreich, sowie an benachbarte Einzelstaaten und Stadtverwaltungen dieser beiden Länder.

Milchamt M i l c h v e r s o r g u n g : Im letzten Bericht ist dargelegt, wiedie Verhältnisse der Milchversorgung für das Winterhalbjahr 1919/20 geordnet worden sind. Die vorausgesehene Verminderung der Milchproduktion hat bis zum Neujahr 1920 angehalten.

Gegenüber dem Vorjahre betrug die Minderproduktion im Oktober 10,8 °/o, November 8,66 °/o, Dezember l,05 °/o. Seither fand eine Zunahme der Milchproduktion statt, welche sich erfreulicherweise fast überall, besonders aber in der Westschweiz, wo die Verminderung während der .Kriegszeit am bedeutendsten war, bemerkbar machte. Die MilchVersorgung gestaltete sich trotz der anfänglich noch geringen Milchproduktion leichter, als wir befürchtet hatten. Es war dies insbesondere der Buttereinfuhr zu verdanken, wodurch auf 1. September 1919 die Butterkarte aufgehoben und die Nachfrage nach diesem Erzeugnis vollständig befriedigt werden konnte. Dies . hat den Schleichhandel mit Butter, sowie die Überschreitung der Höchstpreise beseitigt und damit zur Ablieferung der Milch für die Frischmilchversorgung, wesentlich beigetragen.

Zur Vermeidung eines höhern Ausmesspreises für die Milch musste auf 1. November der Zuschuss an die Milchverbände für Sammelkosten um l Rp. per Kilogramm Milch erhöht werden»

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Demnach wurden vom Milchamt an die Milchverbände von» 1. November 1919 bis 30. April 1920 folgende Beiträge ausgerichtet : allgemeiner Beitrag für alle in den Konsum gebrachte Milch 4 Rp. 5 besonderer Beitrag für grosse Verbrauchsorte (Grossstadtrappen) 0,6--l Rp. ; Beitrag für sogenannte Fernmilch (von einem Verbandsgebiet in das andere gelieferte Milch) 0,5 Rp. j besonderer Beitrag für Milch aus betriebsfertigen Käsereien 1,5 Rp.

per kg. Dazu hatte der Bund, wie bisher, noch die FrachtÜberschüsse zu bezahlen, soweit der Frachtbetrag über l Rp., per kg Milch betrug. In einzelnen Fällen musste er die gesamte Fracht übernehmen. Die Zuschüsse des Bundes für Sammelund Transportkosten sind somit wesentlich höher als in denfrühern Halbjahren; sie werden sich im Winterhalbjahr 1920/21 durchschnittlich auf reichlich 5 Rp. für jedes Kilogramm in dea Konsum gebrachter Milch belaufen. Dazu kamen die Beiträge des Bundes, der Kantone und der Gemeinden für die allgemeine Milch verbilligung und die Milch für Personen mit bescheidenem Einkommen (Notstandsmilch).

Durch den B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 20. F e b r u a r 1920 sind diese Bundesbeiträge für die Milchverbilligung auf 1. April 1920 neu geordnet worden. Die allgemeine Milchverbilligung wurde auf diesen Zeitpunkt, gleichzeitig mit der Milchrationierung aufgehoben. Für die sogenannte Notstandsmilch bezahlt der Bund nur mehr einen Beitrag von höchstens 6 Rp. per Liter, bzw. den einundeinhalbfachen Betrag der kantonalen und; kommunalen Leistung zusammen. Somit wird die Notstandsmilch vom 1. April an durch Bund, Kantone und Gemeinden in der Regel um 10 Rp. per Liter verbilligt, gegen 15 Rp. vom 1. September 1919 bis 31. März 1920.

Die Ausgaben des Bundes für die Kosten der Konsummilchversorgung betrugen insgesamt pro 1918 Fr. 27,708,093 und.

pro 1919 Fr. 42,204,521 ; für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Aprii 1920 werden sie voraussichtlich gegen 15 Millionen Franken, erreichen.

Nachdem die Milchproduktion befriedigend zugenommen hatte,, konnte auf 1. April 1920 die M i l c h k a r t e aufgehoben werden.

Man konnte sich fragen, ob für die Zukunft überhaupt noch Vorschriften in der Milchversorgung erforderlich seien. In einer grossen Konferenz der kantonalen Milchämter und der beteiligtenwirtschaftlichen Verbände wurde einstimmig der Wunsch geäussert, es möchte die einheitliche Milchversorgung noch weiter vom.

eidgenössischen Ernährungsamt organisiert und überwacht werden..

336

Die weitern Verhandlungen führten dann zum Abschlüsse eines neuen Ü b e r e i n k o m m e n s m i t d e m Z e n t r a l v e r b a n d e s c h w e i z e r i s c h e r M i l c h p r o d u z e n t e n . Die Milchproduzenten haben darin einer Herabsetzung des an sie bezahlten Milchpreises um 2--3 Rappen zugestimmt und die Verpflichtung zur Lieferung der erforderlichen Mengen Frischmilch für die grossen Verbrauchsorte übernommen. Die Beiträge des Bundes für Sammel- und Verfrachtungskosten sind im Grundsatze aufgehoben worden. Dies hätte aber insbesondere für die grossen Verbrauchsorte, trotz der Herabsetzung des Milchpreises für die Produzenten, eine Erhöhung der Ausmesspreise zu Lasten der Konsumenten zur Folge gehabt. Man einigte sich deshalb auf die Beibehaltung reduzierter Bundeszuschüsse an die Milchfrachten und an die in den grossen Verbrauchsorten zur Verteilung gelangende Konsummilch. Auf diese Weise wird es möglich, den bisherigen Ausmesspreis in den grossen Verbrauchsorten beizubehalten, wogegen besonders in den Käsereien der Kantone Bern, Luzern, Freiburg und Thurgau die Milch einen Rappen billiger ausgemessen werden wird. Während die Beiträge des Bundes an die Sammel- und Transportkosten im Winter 1919/20 noch monatlich 2--2,5 Millionen Franken betragen haben, werden sie vom 1. Mai ab nur mehr rund Fr. 400,000 per Monat ausmachen.

Sobald als möglich sollen auch diese Beiträge abgebaut werden.

B u t t e r v e r s o r g u n g . Durch die verminderte duktion ist auch die Buttererzeugung beeinträchtigt Folgende Übersicht zeigt, welche Mengen inländischer den Monaten Juli bis Dezember 1919 unter Kontrolle genössischen Milchamtes zur Ablieferung gelangt sind: Juli 1919 August 1919 September 1919 Oktober 1919 November 1919 Dezember 1919

Milchproworden.

Butter in des eid-

810,230 kg.

676,552 ,, 662,526,5 ,, 503,976 ,, 235,667,5 ,, 231,880,5 ,, Total 3,120,832,5 kg

Ohne Zufuhr aus dem Auslande wäre demnach die Butterversorgung im Winter 1919/20 schwieriger gewesen als je. Die schon im letzten Bericht gemeldete Einfuhr hat diese Schwierigkeit gründlich beseitigt. Die Käufe erfolgten im Laufe des Sommers und Herbstes 1919. Bis Ende Oktober sind 570 Wagen

33T

amerikanische, holländische und insbesondere dänische Butter in der Schweiz eingetroffen. Leider war es nicht möglich, ausschliesslich die unserer Bevölkerung zusagende ungesalzene,, frische Butter zu erlangen. Ungefär die Hälfte der Einfuhr bestand aus gesalzener Butter, die an unsere hieran nicht gewöhnte Bevölkerung nur mit einiger Schwierigkeit abgesetzt werden konnte.

Die Sendungen aus Holland und Dänemark sind in sehr guter Qualität eingetroffen, während eine kleinere Sendung aus Amerika bedeutend gelitten hatte. Auf den Bezug eines weitern in Amerika gekauften Postens von ungesalzener Rahmbutter wurde deshalb verzichtet und dieser Posten in Amerika wieder verkauft». -Die eingeführte Butter reichte zur Deckung des Inlandsbedarfes bis zum Monat März 1920. Seither sind weitere Bezüge-ausschliesslich in frischer ungesalzener Butter, vorwiegend aus Dänemark, gemacht worden.

Vom 1. Mai 1920 an sind die Vorschriften über den inländischen Butterhandel aufgehoben. Dagegen wird die Einfuhr von Butter gemäss der Verfügung des Ernährungsamtes vom 13. März 1920 weiterhin durch das eidgenössische Milchamt erfolgen.

K ä s e v e r s o r g u n g . Auch die K ä s e e r z e u g u n g ist im ·Sommer 1919 weiterhin zurückgegangen. Die Einwägungen der Käseunion für das Betriebsjahr 1. August 1919 bis 31. Juli 1920 werden voraussichtlich das Ergebnis des Vorjahres nicht erreichen.

Immerhin ist zu beachten, dass die Produktion im April 1920 wesentlich grösser sein wird als im gleichen Monat 1919, so dass vielleicht nur ein unwesentlicher Unterschied gegenüber der Produktion des Vorjahres herauskommen wird. Der spärliche Ausfall der Sommerproduktion 1919 hatte die Käseunion veranlasst, die Frage der K ä s e e i n f u h r in Erwägung zu ziehen. Es bot sich zunächst Gelegenheit, kanadischen Cheddarkäse zu Preisen zu «rwerben, welche nur wenig höher standen als die Preise für Inlandsware. Die Ankunft der Ware verzögerte sich indessen.

Die meisten Sendungen trafen erst im Dezember und Januar ein.

Mit Rücksicht auf die fallende Tendenz der Fleisch- und Fett: preise erwies sich die Nachfrage nach Käse nicht mehr so dringend, so dass die Käseunion Mühe hatte, die kanadischen Käse an Mann zu bringen. Die K ä s e k a r t e wurde trotz der geringen Inlandsvorräte auf 1. März aufgehoben. Der Käseverbrauch hat seither
nicht wesentlich zugenommen. Die Käseunion konnte schliesslich die kanadischen Cheddarkäse nur durch wiederholte Preisherabsetzung, die seit 19. April 1920 bis auf die Preise der inländischen Halbfettkäse herunterging, zum Verbrauche Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. III.

22

338

bringen. Die Vorräte an einheimischer Ware werden bis zur Verbrauchsreife der neuen Sommerproduktion hinreichen. Allem* Anschein nach wird die neue Sommerproduktion ziemlich ergiebig, ausfallen, weshalb sich auch der Zentralverband zu einer allgemeinen Herabsetzung des Milchpreises für die Produzenten herbeigelassen hat. Das Ernährungsamt hat im Interesse der Erhaltung der Produktion, zur Sicherstellung der Landesversorgung mit Milch und Milcherzeugnissen für den nächsten Winter gegenüber dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten einebeschränkte Verpflichtung hinsichtlich der Käsepreise für di& ersten drei Sommermonate übernommen. Das bisherige Verhältn i s z w i s c h e n d e m E r n ä h r u n g s a m t u n d d e r Käseu n i o n wird auf 30. April 1920 gelöst. Es ist aber vorauszusehen, dass die Interessenten eine neue Organisation aufbauen werden, deren Tätigkeit eaturgemäss vom Ernährungsamt überwacht werden~wird. Die seit .dem Herbst 1919 geltenden Höchstpreise für Käse sollen erst in einem Zeitpunkte aufgehoben werden^, in dem ein weiteres Ansteigen der Detailpreise nicht mehr zu erwarten ist.

K o n d e n s m i l c h . Die Kondensmilchfabriken mussten schon ziemlich früh im Herbst (Oktober) die Fabrikation einstellen und die ganze Milchmenge zur Aushiilfe für die Frischmilch Versorgung abgeben. Folgende Übersicht zeigt, in welchem Umfange die Fabriken Milch bezogen, verarbeitet und zur Frischmilchversorgungabgeliefert haben: An die Fabriken Durch die Fabriken In den Fabriken; gelieferte in den Konsum ab- verarbeitete Milchmengen gegebene Milchmengen Milchmerigen.

1 <1 q

Januar 1919 .

Februar 1919 .

März 1919 . .

April 1919 . .

Mai 1919 . .

Juni 1919 . .

Juli 1919 . .

August 1919 .

September 1919 Oktober 1919 .

November 1919 Dezember 1919

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

71,090 58,696 68,426 70,694 116,567 130,619 137,057 133,552 114,707 86,000 51,965 55,281

62,222 53,990 61,553 59,321 54,704 50,122 51,771 52,453 53,867 55,374 45,777 50,698

5,599 4,029 4,881 8,074 52,422 65,217 67,477 63,21647,578 23,771 1,392 3,171

Zusammen

1,094,654

651,852

346,827 *>

*) Zuzüglich 91,993 q für die Butter- und Käsefabrikation.

339

Verkauf von Dauermilch in der Schweiz Ì während des ganzen 61,090 q | Jahres 1919, TrockenAusfuhr von Dauermilch 99,998 q . . J milch Inbegriffen.

E i n - und A u s f u h r . Die Ausfuhr an Milcherzeugnissen blieb auch im zweiten Semester 1919 äusserst beschränkt, wogegen die Einfuhr, wie schon früher gemeldet, zugenommen hat.

Der Grund dieser Entwicklung ist insbesondere in der Veränderung der Valutaverhältnisse zu suchen. Die Kaufkraft des Schweizerfrankens ermöglicht immer mehr, in den Produktionsländern Käse und Butter einzukaufen, weil diese Länder, besonders Dänemark und Holland, bei verschiedenen ihrer bisherigen Abnehmer keinen ausreichenden Absatz mehr finden. Die Produktionsüberschüsse drängen demnach in unser kaufkräftiges Land hinein. Umgekehrt können wir aber von unsern hochwertigen Molkereierzeugnissen (Kondensmilch, Emmentaler) nicht mehr die von unsern Interessenten gewünschten Mengen im Auslande verkaufen. Nur die besten Marken und feinsten Qualitäten unserer Waren sind befähigt, den während des Krieges verloren gegangenen Markt nach und nach in bescheidenem Umfange wieder zu erobern. Es wird demnach auch volkswirtschaftlich zweckmässig sein, wenn das eidgenössische Ernährungsamt diejenigen Molkereierzeugnisse, an denen wir Mangel haben und die für den Massenverbrauch bestimmt sind, wie Butter und einzelne Sorten Halbfettkäse, möglichst vorteilhaft einführt, dagegen zugunsten unserer Kondensmilchindustrie und der Käserei gestattet, die hochwertigsten Erzeugnisse wieder auf den Weltmarkt zu bringen. Die Ein- und Ausfuhr von Milcherzeugnissen während der letzten Jahre gestaltete sich wie folgt: Einfuhr in q netto.

1914 1915 1916 1917 1913 1918 1919 Frischmilch . 126,416 87,412 70,355 44,333 34,725 32,610 28,439 Kondensmilch 334 1,967 1,220 1,438 3,253 10 52,293 Frische Butter 50,420 40,264 25,830 4,292 1,668 218 58,276 Weichkäse . 20,070 13,559 11,523 1,513 831 264 2,158 Hartkäse . . 15,143 7,839 3,944 425 138 129 2,359 Kasein . . .

1,814 1,279 2,881 1,507 815 2 1,649

340

Ausfuhr in g_ netto.

1913

1914

1915

1916

1917

1918 1919

181,178 170,747 186,878 158,499 104,612 94,072 93,269 Frischmilch Kondensmilch . 405,585 453,918 486,816 397,744 278,468 198,768 99,998 248 602 332 12 l -- l Frische Butter.

Weichkäse . .

338 477 910 952 502 51 34 Hartkäse . . 356,822 347,848 332,111 201,696 53,726 11,073 5,970 Kräuterkäse 4,128 3,542 6,156 11,517 4,111 1,034 206 Kasein . . .

36 139 45 1,376 1,757 4,329 189

Fürsorgeamt.

Notstandsaktiouen.

die Zahl der BezUger

für Milch im August 1919 .

,, ,, ,, ,, ,, ,, ',, ,, ,,

Es haben betragen :

.

September 1919.

Oktober 1919 .

November 1919 .

Dezember 1919 .

für Brot August 1919. .

September 1919 .

Oktober 1919 .

November 1919 .

Dezember 1919 .

die Ausgaben der Kantone des Bundes und Gemeinden

zirka 541,000 520,000 492,000 481,000 485,000

841,059 915,489 896,574 869,821 876,119

Fr.

435,207 545,494 463,641 449,221 452,298

572,000 542,000 516,000 529,000 522,000

776,006 707,396 692,308 669,648 664,248

442,105 401Ì493 391^565 378,126 374,585

Fr.

Der Beitrag an die sogenannte Notstandsmilch ist vom 1. April 1920 an, wie weiter oben schon erwähnt wurde, in dem Sinne herabgesetzt worden, dass pro Liter noch ein Höchstbeitrag von 10 Rp. (statt wie bisher 15 Rp.) gewährt wird. Die Grosse der Rationen, für welche die Beiträge bewilligt werden, ist für Kinder unter sieben Jahren auf l Liter pro Kopf und Tag und für alle übrigen Personen auf 5 Deziliter pro Kopf und Tag bestimmt worden.

Eine Umfrage bei den Kantonen über den Abbau der Notstandsaktionen hat ganz verschiedene Ansichten zu Tage gebracht ; sofortigen, keinen und schrittweisen Abbau. Man wird sich für diesen entscheiden müssen, und er ist insofern erfolgt, als die Verbilligung der Brennmaterialien und der Kartoffeln in der Form einer Notstandsaktion nicht mehr erneuert worden ist.

341

· Die P r e i s v e r g l e i c h u n g für Lebensmittel in verschiedenen Ländern ist fortgesetzt worden und hat um so leichter durchgeführt werden können, als die schweizerischen Gesandt* Schäften und Konsulate im Auslande uns ihre Preisberichte ziemlich regelmässig erstatten. Die Vergleichung ergibt, dass die Schweiz zu den Ländern mit günstigen Lebensverhältnissen gehört. Die Preise sind nicht nur meist niedriger als im Auslande, sondern die Preisschwankungen scheinen auch viel geringer zu sein.

In Frankreich war die Indexzahl im September 1919 im Durchschnitt um ungefähr 1000 Fr. höher als in der Schweiz und ist inzwischen um zirka 30 °/o, in Paris sogar um 68 °/o gestiegen. In England waren im September 1919 die Verhältnisse ähnlich wie in der Schweiz ; Holland und Spanien standen etwas ungünstiger. In Italien ist die Lebenshaltung beträchtlich teurer als in der Schweiz.

In dem Masse, als die Fürsorge für die inländische Bevölkerung abnimmt, wächst diejenige für die Schweizer im Ausland. Die misslichen Verhältnisse vieler Schweizer haben sich wegen des stetig schlechter werdenden Standes der fremden Valuta, namentlich der Krone und der Mark, bedenklich verschlimmert. Trotz der zurzeit hohen Löhne reicht das Einkommen in vielen Schweizerfamilien nicht mehr zur Beschaffung ausreichender Nahrung und der nötigen Bedarfsartikel. Da die Warenmengen knapp sind, erfolgt die Versorgung zu einem grossen Teile im Schleichhandel zu ungemein hohen Preisen.

Das Fürsorgeamt hat in steigendem Masse die Sendung von G r a t i s l e b e n s m i t t e l p a k e t e n a n Notleidende fortgesetzt. Die Mittel hierzu sind zum Teil durch das Rote Kreuz, das schweizerische Nationalkomitee zur Feier des 1. August, durch Sammlungen und zum Teil aus Bundesmitteln gewährt worden.

Die Hülfsaktion zur Versorgung der S c h w e i z e r im Ausland mit B e d a r f s a r t i k e l n durch das Fürsorgeamt hat grossen Umfang angenommen. Der Bundesrat hat, um den sinkenden Wert der Mark und der Krone zu kompensieren, den Bestellern gestattet, statt des Rabattes von 20 °/o einen solchen von 20 bis 80 °/o, je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bestellers, in ganz besondern Fällen bis zu 100%, in Anspruch zu nehmen. Die Zahl der Besteller beträgt bis Mitte Februar 1920 etwa 1200 und wächst beständig.

Die Zentralsammelstelle dieser Hülfsaktion in Basel, die die Zustellung der Artikel und die Verpackung und die Spedition

342 besorgt, hat es auch übernommen, die Sendungen der H ü l f e für A u s l a n d s c h w e i z e r k i n d e r zu spedieren und dieser Hiilfsaktion sonstwie behülflich zu sein.

Auf Anregung des eidgenössischen Fürsorgeamtes haben die schweizerischen Obstzentralen im Herbst 15 Wagen frisches Obst für die Schweizer im Ausland gratis zur Verfügung gestellt.

Durch Personalunion in der Leitung des eidgenössischen Fürsorgeamtes und des eidgenössischen Amtes für Arbeitslosenfürsorge ist für das Zusammenarbeiten in der A u s l a n d s c h w e i z e r h ü l f e Gewähr geboten.

Dem Postulat Nr. 839 (Beschluss des Nationalrates vom 4. April 1919, Motion Stadiin), lautend : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Hülfsaktion zugunsten der in grosser Notlage befindlichen Landsleute im Auslande, speziell in den Zentralstaaten und Russland, weiter auszubauen und alle Massnahmen zu einer raschen und ausreichenden Hülfeleistung für ihre Lebenshaltung zu treffen00, ist durch die getroffenen und die im Gange befindlichen Massnahmen nach Kräften nachgelebt worden.

Bern, den 25. Mai 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

--*·$·*-

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XIV. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund der Bundesbeschlüsse vom 3. August 1914 und 3. April 1919 getroffenen Massnahmen. (Vom 25. Mai 1920.)

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