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Bundesblatt

72. Jahrgang.

Bern, den 22. Dezember 1920.

Band V.

Erscheint wöchentlich. Preis HO Franken, im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ordnung der Bedingungen der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen gegen Unfall, gemäss Art. 115 ff. des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911.

(Vom 16. Dezember 1920.)

L Das Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung vom 13. Juni 1911 beruft die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern dazu, neben ihrer ursprünglichen und hauptsächlichen Aufgabe, der obligatorischen Unfallversicherung, auch die freiwillige Versicherung und die freiwillige Versicherung von Drittpersonen zu betreiben. Dabei ist die freiwillige Versicherung hauptsächlich gedacht als eine Volks Versicherung, für diejenigen Bevölkerungsklassen, denen die obligatorische Versicherung nicht zugänglich ist, also als ein Bestandteil der Sozialversicherung, was auch, dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Bund sich an ihr beteiligt, einmal indem er die Anstalt zur Durchführung zur Verfügung stellt und sodann namentlich durch Gewährung von Beiträgen bei niedrigem Einkommen der freiwillig Versicherten.

Die Gesetzesbestimmungen über die freiwillige Versicherung und über die sogenannte freiwillige Versicherung von Drittpersonen, die tatsächlich eine Art von Haftpflichtversicherung darstellt, sind enthalten in den Art. 115--119 des Bundesgesetzes, die folgender massen lauten: «Art. 115. Die Anstalt versichert auf Begehren gegen Unfälle jede nicht obligatorisch versicherte Person, die das vierzehnte Altersjahr zurückgelegt hat, solange sie in der Schweiz wohnt.» Bundesblatt.

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«Art. 116. Die Bundesversammlung ordnet die Bedingungen der freiwilligen Versicherung; sie berücksichtigt dabei die besondern Verhältnisse der Landwirtschaft und der übrigen bei der freiwilligen Versicherung beteiligten Berufsarten, namentlich für das Meldewesen, . die Unfallverhütung, die Versicherungsleistungen und die Berechnung der Prämien.» «Die Anstalt unterbreitet dem Bundesrate die nötigen Vorlagen.» «Art. 117. Der Bund zahlt für jeden Versicherten, dessen Jahreseinkommen dreitausend Franken nicht übersteigt, einen jährlichen Beitrag von einem Achtteil der gesamten Prämie.» «Der Beitrag des Bundes an die Prämien der freiwilligen Versicherung wird durch die Anstalt für ein ganzes Jahr vorläufig geschätzt und zum voraus bezogen.» «Nach Jahresschluss ist der Bundesbeitrag durch die Anstalt auf Grund des wirklichen Gesamtbetrages der Prämien endgültig zu berechnen; ein Mehr- oder Minderbetrag wird nachbezogen odor verrechnet.» «Art. 118. Die Anstalt versichert auf Begehren und für Rechnung a. der Inhaber der in Art. 60 bezeichneten Betriebe, b. der Inhaber anderer Betriebe, die selbst und deren sämtliche) Angestellte und Arbeiter gemäss Art. 115 versichert sind, Drittpersonen gegen Unfälle, für die die obenbezeichneten Betriebsinhaber wegen leichter Fahrlässigkeit schadenersatzpflichtig sind.

Den verletzten Drittpersonen steht ein eigenes Forderungsrecht gegen die Anstalt zu.» «Art. 119. Die Bundesversammlung ordnet die Bedingungen dev freiwilligen Versicherung von Drittpersonen.» «Die Anstalt unterbreitet dem Bundesrate die nötigen Vorlagen.

Ein Bundesbeitrag kann nur auf dem Wege der Gesetzgebung gewährt werden.» Wenn die Anstalt die von ihr gemäss Art. 116 und 119 aufzustellenden Vorlagen dem Bundesrate nicht schon vor ihrer Betriebseröffnung unterbreitete, so lag der Grund darin, dass sie in ersten' Linie sich für ihre hauptsächliche Aufgabe, die obligatorische Versicherung, organisieren, diese letztere richtig in Betrieb setzen und die aus ihr bevorstehenden Erfahrungen abwarten wollte. Immerhin hatte die Anstalt schon mit Kreisschreiben vom 1. Oktober 1918 den Berufsverbänden Gelegenheit geboten, ihre Wünsche über dio Bedingungen der freiwilligen Versicherung zu äussern, und als sie nach der Einführung der obligatorischen Versicherung ihre weitem

611 Vorarbeiten aufnahm, geschah es durch Aufstellung eines Entwurfes, der den Berufsverbänden zur Vernehmlassung unterbreitet wurde.

Über die Aufnahme des Entwurfes berichtet die Anstalt was folgt: «Die einlaufenden Antworten enthielten wenig positive Vorschläge. Wieder war es der Schweizerische Bauernverband, der die Frage einlässlich prüfte. In .einer längern Eingabe formulierte er verschiedene Begehren, liess aber auch durch seine Mitglieder im Verwaltungsrat die Befriedigung zum Ausdruck bringen über die Art und "Weise, wie den besondern Verhältnissen der Landwirtschaft im Entwurfe Rechnung getragen worden sei. Von andern Berufsverbänden sind besondere Verhältnisse, die nach Art. 116 des Gesetzes hätten Anrecht auf eine spezielle Berücksichtigung geben können, nicht namhaft gemacht worden. Dagegen enthielten verschiedene Antworten Meinungsäusserungen über die Wünschbarkeit der Einführung der freiwilligen Versicherung überhaupt. Die einen lehnten die Ausdehnung der Tätigkeit der Anstalt rundweg ab mit dem Hinweis auf schlechte Erfahrungen mit der obligatorischen Versicherung, die für die Organisation der freiwilligen Versicherung nichts Gutes erwarten lasse, andere machten gewisse Vorbehalte namentlich in bezug auf die Höhe der Prämien, die dritten begrüssten die Einführung des neuen Versicherungszweiges und wiesen mit Nachdruck darauf hin, dass die Anstalt vermöge ihrer Stellung und der Bundesbeiträge imstande sein werde, Versicherungen mit nicht zu hohen Gegenleistungen bieten zu können.» Der Entwurf der Anstalt wurde Ende November 1919 dem Bundesrate unterbreitet. Da seine Bestimmungen eine Verwandtschaft haben mit dem Inhalte des Versicherungsvertragsgesetzes, so ·wurde er vorerst dem Justizdepartement zur Begutachtung durch dessen eidgenössisches Versicherungsamt überwiesen. Der Bericht dieses Amtes wurde sodann der Anstalt zur Eückäusserung mitgeteilt, und nach deren Eingang legte das Volkswirtschaftsdepartement das Material einer Expertenkommission vor, die ausser aus Vertretern der beteiligten Amtsstellen des Bundes zusammengesetzt war aus solchen der hauptsächlich interessierten Berufsverbände. Die Kommission tagte am 8. und 9. Juli 1920. Sie nahm selbst einige Abänderungen am Entwurfe vor und ersuchte überdies die Anstalt, gewisse Bestimmungen im Sinne der gefassten Beschlüsse
umzuarbeiten.

Der so bereinigte Entwurf ist alsdann vom Bundesrate in seiner heutigen Sitzung genehmigt worden und wird Ihnen hiermit gemäss Art. 116 und 119 Kranken- und Unfallversicherungsgesetz zur weitern Behandlung unterbreitet.

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IL Die Bundesversammlung wird sich in erster Linie darüber schlüssig zu machen haben, ob sie den Zeitpunkt für die Ausführung der Art. 116 und 119 als gekommen erachtet. An der Sitzung der Expertenkommission ist über diese Frage gesprochen worden, ohne dass die Kommission sich damit ihrer Aufgabe, der materiellen Behandlung der Vorlage, entziehen wollte. Wenn dabei, in Übereinstimmung mit Stimmen, die schon aus verschiedenen Kreisen laut geworden sind, geltend gemacht wurde, es sei die staatliche freiwillige Versicherung bei dem befriedigenden Geschäftsbetrieb der gut geleiteten privaten Versicherungsgesellschaften überhaupt kein Bedürfnis, so ist darauf aufmerksam zu machen, dass diese und ähnliche Erwägungen durch den Erlass des Gesetzes hinfällig geworden sind.

Die staatliche freiwillige Versicherung ist heute beschlossen, und das vom Volke angenommene Gesetz rnuss ausgeführt werden. Eine andere Frage ist aber die, ob mit dem Vollzug, insbesondere im Hinblick auf die missliche Finanzlage des Bundes, nicht noch bis zur Rückkehr geordneterer Zustände zugewartet werden darf. Der Bundesrat hat geglaubt, zu dieser Frage nicht etwa durch Zurückhalten der ihm von der Anstalt unterbreiteten Vorlage Stellung nehmen zu dürfen. Er hält sich für verpflichtet, diese Vorlage, nachdem er sie geprüft und teilweise abgeändert hat, der Bundesversammlung zur Ausführung von Art. 116 und 119 Kranken- und Unfallversicherungsgesetz zu unterbreiten, wobei er darauf hinweist, dass seiner Ansicht nach der Bürger ein Recht darauf hat, in absehbarer Zeit in den Genuss der Wohltaten der staatlich unterstützten freiwilligen Versicherung treten zu können.

III.

Der Besprechung einzelner Bestimmungen des Entwurfes schicken wir folgende Bemerkungen allgemeiner Natur voraus: 1. Der Entwurf sieht die Ordnung der Verhältnisse für beide Versicherungszweige in einem einzigen Beschlüsse vor.

Allerdings gestattet das Gesetz der Bundesversammlung dea Erlass getrennter Ausführungsbestimmungen für die freiwillige Versicherung und die freiwillige Versicherung von Drittpersonen. Es hängt dieser aber offensichtlich nur mit der Trennung der Grundlagen für die beiden Versicherungszweige im System des Gesetzes zusammen, ohne dass damit der Bundesversammlung verwehrt werden wollte, die Ausführung der beiden Zweige in einem Erlasse vorzunehmen.

Die Anstalt hat dem Entwurfe dieses Vorgehen zugrunde gelegt, weil

613 für eine nicht nur äussere, sondern sogar organische Verbindung der Ausführungsbestimmungen eine Keihe gewichtiger Erwägungen sprechen. Einmal stellt das Gesetz selber einen innern Zusammenhang zwischen den beiden Versicherungszweigen dadurch her, dass es den Beitritt eines nicht der obligatorischen Versicherung unterworfenen Betriebsinhabers zur freiwilligen Versicherung von Drittpersonen von seinem persönlichen Beitritte und dem seines ganzen Personals zur freiwilligen Versicherung abhängen lässt (Art. 118, lit. b, des Gesetzes). Sodann kann eine Eeihe von Gesichtspunkten, beispielsweise was den Abschluss der Versicherung, die Prämienzahlung, die Auflösung der Versicherung und ähnliches betrifft, für beide Versicherungszweige in gleicher Weise geordnet werden. Bei Aufstellung zweier Erlasse hätten alle diese Normen entweder wiederholt oder es hätte in einem Beschlüsse auf den andern verwiesen werden müssen, beides gesetzestechnisch unzweckmässige Verfahren. Endlich erleichtert ein zusammengefasster Erlass auch vor allem dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten, sowie den Organen des Versicherers die Orientierung über den Stoff und. die Anwendung; unliebsame Verwechslungen werden vermieden. Aus allen diesen Gründen haben wir das von der Anstalt in ihrer Vorlage gewählte System der Vereinigung der Bedingungen für beide Versicherungsarten in einem und demselben Beschlüsse dem Ihnen unterbreiteten Entwurfe zugrunde gelegt.

2. Staatsrechtlich qualifiziert sich der Beschluss als ein Bundesbeschluss allgemein verbindlicher und nicht dringlicher Natur. Er ist insofern allgemein verbindlich, als er in einer ganzen Eeihe von Normen unmittelbar die Bürger verpflichtet; die Nichtdringlichkeit ergibt sich ohne weiteres. Dennoch unterliegt er dem Eeferendum nicht, indem er bloss Ausführung einer im Gesetze der Bundesversammlung erteilten Ermächtigung ist, ebensowenig wie seinerzeit der auf Grund der Ermächtigung von Art. 122 des Unfallversicherungsgesetzes erlassene Bundesbeschluss über die Organisation und das Verfahren des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes dem Eeferendum unterstellt worden ist (vgl. Burckhardt: Kommentar .zur Bundesverfassung, 2. Auflage, Seite 722).

3. Das Gesetz delegiert der Bundesversammlung die Aufstellung der «Bedingungen» der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen
Versicherung von Drittpersonen, unter Bezeichnung gewisser Eichtlinien. Der Bundesbeschluss tritt an die Stelle der Ordnung der beiden Versicherungszweige im Gesetze selber. Daraus ergibt sich, dass er sich im wesentlichen auf das beschränken soll, was auch ins Gesetz aufgenommen worden wäre, d. h. was sich seiner Natur nach

614 zum Gesetzesinhalt eignet. Äussere Anhaltspunkte hierfür gibt die parallele Ordnung der obligatorischen Versicherung im Gesetze. Zu den Versicherungsbedingungen in dem hier in Betracht fallenden Sinne gehören somit vor allem die Normen über die Begründung und die Auflösung des .Versicherungsverhältnisses, die dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten gegenüber dem Versicherer zu bietenden Garantien, sowie über die zugelassene Versicherungsform und über den Einfluss der Versicherung auf anderweitige EechtsVerhältnisse.

Im besondern ist es Sache der Bundesversammlung, zu bestimmen, welche Versicherungskombination für den Versicherungsnehmer die Haftungserleichterung des Art. 129, Abs. 2, des Gesetzes herbeiführe.

In technischer und organisatorischer Kichtung muss der Entwurf enthalten, was zur Wahrung des in Art. 116 des Gesetzes besonders vorbehaltenen Interesses der an der freiwilligen Versicherung beteiligten Kreise erforderlich ist, während die weitere technische und organisatorische Ausgestaltung der Versicherung mit Einschluss der Aufstellung der Prämientarife und der Festsetzung der Versicherungsleistungen in den Zuständigkeitsbereich der Anstalt fällt. Art. 44 de» Gesetzes ermächtigt ganz allgemein den Verwaltungsrat zum Erlasse der Eeglemente über die Organisation der Anstalt, sowie zur Aufstellung der Gefahrenklassen, der Gefahrenstufen und der Prämientarife, ohne einen Unterschied zwischen obligatorischer und freiwilliger Versicherung zu machen. Tunlichste Freiheit der Anstalt in allem, was nicht die rechtlichen Garantien zugunsten der Versicherungsnehmer betrifft, ist aber schon im Hinblick darauf geboten, dass die Anstalt im Gebiete der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen mit der Privatversicherung in Wettbewerb zu treten hat.

4. In der Expertenkommission ist die Frage nach der rechtlichen Natur der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen eingehend erörtert, und es ist insbesondere untersucht worden, ob das durch diese Versicherung begründete Eechtsverhältnis auf privatrechtlichem Vertrag oder auf öffentlichem Secht beruhe. Von der einen Seite wurde geltend gemacht, dass die Versicherung, weil zum mindesten beim Versicherten lediglich durch dessen Willenserklärung herbeigeführt, alle Merkmale eines
reinen Privatvertrages aufweise. Eine andere Auffassung ging davon aus, dass die freiwillige Versicherung ein Surrogat der obligatorischen Versicherung sei; sie schloss daraus und aus der Tatsache., dass die Versicherung durch die öffentlich-rechtliche Anstalt betrieben wird, auf den öffentlich-rechtlichen Charakter auch der freiwilligen Versicherung: Praktisch hat die Streitfrage insofern eine Bedeutung, al.-i das private Vertragsrecht durch die Parteien abgeändert werden kann,

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·während das öffentliche Recht in der Kegel gleichzeitig zwingendes Recht ist. Da aber auch die Verfechter des privatrechtlichen Charakters der freiwilligen Versicherung der Ansicht waren, dass jedenfalls die im Bundesbeschluss niedergelegten grundlegenden Versicherungsbedingungen der vertraglichen Abänderung nicht zugänglich sein sollen, so empfahl die .Expertenkommission, ohne damit die rechtliche Natur der Versicherung entscheiden zu wollen, die Aufnahme einer Bestimmung, nach der die Vorschriften des Bundesbeschlusses durch Vertragsabrede nicht geändert werden dürfen.

Wir stimmen diesem Vorgehen zu.

Im übrigen darf, auch wenn auf die vertragsrechtliche Natur der beiden Versicherungszweige abgestellt wird, als feststehend betrachtet werden, dass, weil das Gesetz eine besondere Ordnung vorsieht, weder' das Obligationenrecht, noch das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag an sich darauf Anwendung finden (vgl. auch Ostertag: Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Art. 108, Nr. 1). Dagegen entstand die Frage, ob nicht unter vollständigem Verzicht auf die Aufstellung neuer Normen, vielleicht mit Ausnahme einiger Grundsätze betreffend die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Interessenten, die beiden Versicherungszweige ganz dem einen oder andern der beiden genannten Gesetze unterworfen werden sollten, oder ob im Gegenteil vollständig neues Recht aufzustellen oder endlich ob, unter teilweiser Schaffung von Sonderrecht, das eine der genannten Gesetze als ergänzendes Recht heranzuziehen sei. Für den Fall des Verzichtes auf ein neugeschaffenes und erschöpfendes Sonderrecht stellte sich dann die zweite Frage, welches von den beiden Gesetzen, Obligationenrecht oder Versicherungsvertragsgesetz, Anwendung finden sollte.

Wir haben nach dem Vorschlage der Anstalt den Weg der subsidiären Heranziehung des Versicherungsvertragsgesetzes gewählt.

Für diese Lösung sprachen vor allem folgende Erwägungen: Ein völliger Verzicht auf die Aufstellung von Sonderrecht ist offenbar vom Unt'allversicherungsgesetze nicht gewollt iind wäre auch sachlich nicht möglich gewesen. Die Pflicht, im Meldewesen und Unfallverhütung, Versicherungsleistungen und Prämienberechnung die besondorn Interessen der Landwirtschaft und der andern beteiligten Berufsarten zu berücksichtigen, verlangte unter allen Umständen die
Aufstellung einiger technischer und organisatorischer Grundsätze im Bundesbeschlusse selber. Diese Grundsätze lassen sich aber vielfach von den Normen über die Begründung, Endigung und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien während der Dauer des Versicherungsverhältnisses nicht trennen. Wir verweisen hier speziell auf die Meldepflicht. Anderseits schien auch die Auf-

610 Stellung eines erschöpfenden Sonderrechtes nicht praktisch. Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag enthält eine ziemlich eingehende Regelung des privaten Versicherungsrechtes vorwiegend zum Schutz des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer.

Wir haben nun bereits oben erwähnt, dass die schweizerische UnfallVersicherungsanstalt im Gebiete der beiden Zweige der freiwilligen Versicherung mit den Versicherungsgesellschaften wird in Wettbewerb treten müssen. Deshalb erschien es geboten, auch bei der gesetzgeberischen Ordnung dieser freiwilligen Versicherung sich tunlichst an das private Versicherungsrecht anzulehnen, und so zum mindesten den Versicherungsnehmern die Stellung gegenüber dem Versicherer zu geben, die ihnen auch das Versicherungsvertragsgesetz verleiht. Jede Verschlechterung ihrer rechtlichen Stellung wäre eine Waffe in der Hand der Konkurrenz gegenüber der Anstalt geworden. Mit diesen Erwägungen war auch die Frage der Wahl zwischen Obligationenrecht und Versicherungsvertragsgesetz als heranzuziehendem Eecht entschieden.

Dagegen bestand kein Anlass, die Normen des Versicheruugsvertragsgesetzes unbesehen herüberzunehmen. Eine ganze Reihe von Bestimmungen, auch des allgemeinen Teiles des Versicherungsvertragsgesetzes, sind auf die Sach- und die Lebensversicherung zugeschnitten, fallen also von vornherein ausser Betracht. In bezug auf andere schienen für die Bedürfnisse der freiwilligen Versicherung bei der Anstalt Vereinfachungen und Verbesserungen möglich oder geboten. Endlich rnusste auch hier wieder darauf Bedacht genommen werden, von Verweisungen tunlichst abzusehen. So kam die Anstalt schliesslich zur Ausgestaltung des Entwurfes, wie er nach einigen auf Vorsehlag der Expertenkommission vorgenommenen Abänderungen vorliegt. Er stellt ein vollständiges Rechtssystem dar, das Begründung und Endigung des Rechtsverhältnisses, die Rechte und Pflichten der Parteien während dessen Bestehens und die notwendigen technischen Bedingungen in grossen Zügen und für den Normalfall ordnet und durch eine allgemeine Verweisung auf das Versicherungsvertragsgesetz am Schlüsse in Art. 46 dafür sorgt, dass die zahlreichen Rechtsfragen, die der Versicherungsbetrieb zeitigen kann, nicht der Praxis überlassen bleiben, sondern auf dem Boden der im übrigen für das Versicherungswesen erlassenen
Spezialgesetzgebung eine Lösung finden können.

Nur nebenbei sei bemerkt, dass die subsidiäre Anwendung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag natürlich die Anstalt nicht der Aufsicht des Eidgenössischen Versicherungsamtes zu unterstellen vermag, ohne dass aber hinwiederum das Fehlen dieser Aufsicht eine Minderung ihrer Konkurrenzfähigkeit bedeuten würde, da die

617 Aufsicht, die der Bundesrat gemäss Art. 50 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung über die Anstalt ausübt, jener als rechtlich und tatsächlich gleichwertig bezeichnet werden darf.

5. Bevor wir auf eine summarische Würdigung der einzelnen Bestimmungen des Entwurfes eintreten; bedürfen noch vier Punkte einer grundsätzlichen Abklärung: a. Die Anstalt geniesst für den Betrieb der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen der allgemeinen Privilegien der Art. 51--53 des Gesetzes. Dazu tritt noch in der freiwilligen Versicherung gemäss Art. 117, Abs. l, des Gesetzes der Bundesbeitrag von einem Achtteil der Prämien für jeden Versicherten, dessen Jahreseinkommen dreitausend Franken nicht übersteigt, während in der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen ein Bundesbeitrag auf dem Wege der Gesetzgebung gewährt werden kann.

Diese Privilegien und Subventionen, die zugunsten der Versicherungsnehmer wirken, haben die Frage praktisch werden lassen, ob dem einzelnen ein Anspruch auf Aufnahme in die Versicherung zusteht. Diese Frage ist in der Expertenkommission eingehend erörtert worden, wobei auf der einen Seite darauf hingewiesen wurde, dass die öffentlich-rechtliche Natur auch der freiwilligen Versicherung sowie die durch Art. 115 und 119 des Gesetzes geschaffene Verpflichtung der Anstalt dem Bürger den Abschluss der Versicherung gewährleiste, während eine andere Auffassung den Vertragscharakter der Versicherung betonte und daraus die Freiheit zu deren Eingehung ableitete und zudem auf die Gefahren hinwies, die der Anstalt aus der Pflicht zur Aufnahme auch der schlechten Risiken erwachsen würden. Wir haben uns mit der Anstalt und der Mehrheit der Expertenkommission auf den Standpunkt gestellt, dass die Anstalt gehalten sei. einen Antragsteller, der den Versicherungsbedingungen gerecht wird, in die Versicherung aufzunehmen. Die Anstalt darf also einen Bewerber, der die allgemeinen Bedingungen des Versicherungsgesetzes und des Bundesbeschlusses erfüllt, sowie sich den von der Anstalt aufgestellten besondern Bedingungen für den ab-~ zuschliessenden Versicherungsvertrag unterzieht, nicht aus Gründen ablehnen, die ausserhalb dieser Bedingungen liegen, wie z. B. persönliche- Eigenschaften des Bewerbers, Solvenz etc. Damit ist aber unseres Erachtens
nicht ausgeschlossen, dass die Anstalt eben allgemeine Aufnahmebedingungen aufstellt, durch die sie sich gegen die Aufbürdung von Risiken, deren Versicherung ihr billigerweise nicht zugemutet werden kann, zu schützen vermag. Im ferneren erstreckt sich die Aufnahmepflicht auch nur auf die der obligatorischen Ver-

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Sicherung -nachgebildete Versicherung, nicht aber auf besondere Kombinationen derselben. Aber auch wenn die Aufnahmebedingungen erfüllt sind, so ist, trotzdem in diesem Falle die Aufnahmepflicht der Anstalt unseres Erachtens besteht, ein subjektives erzwingbares Eecht des Bewerbers auf Aufnahme damit allerdings nicht begründet, da ein Eechtsschutz fehlt. Er könnte bei Abweisung seine Literessen nur in Form einer allgemeinen Beschwerde über die Geschäftsführung der Anstalt wahren. Einzig dem' bereits in der Versicherung Aufgenommenen, der wegen Verletzung seiner Verpflichtungen ausgeschlossen wird, ist das Recht des Rekurses gegen die Ausschliessungsverfügung gewahrt. Von einem Kontrahierungszwang, wie er z. B.

für die Bahnen und die Post gilt, kann somit misères Erachtens bei' der Anstalt nicht gesprochen werden.

fe. Die Art. 15--25 des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes sehen eine eingehende, die Freiheiten der Praxis im öffentlichen Interesse der Sozialversicherung beschneidende Ordnung des Verhältnisses der Krankenkassen zu den Ärzten und Apothekern vor.

Art. 73 erklärt diese Ordnung auf die obligatorische Unfallversicherung für sinngemäss anwendbar. Im Abschnitt des Gesetzes über die freiwillige Versicherung fehlt eine analoge Bestimmung. Es bedeutet dies aber unseres Erachtens nicht etwa, dass der Gesetzgeber die Ordnung auf die freiwillige Versicherung zum mindesten nicht angewendet wissen wollte. Vielmehr muss aus der Überlassung der Regelung des Inhaltes der Versicherung an die Bundesversammlung auch auf ihre Freiheit zur analogen Anwendung der Bestimmungen von Art. 15--25 des Gesetzes geschlossen werden. Auch die freiwillige Versicherung ist, wie besonders der Bundesbeitrag an die Versicherten mit einem Einkommen bis zu Fr. 3000 ausweist, ihrem Wesen nach Sozialversicherung, und es ist kein Grund einzusehen, warum der Anstalt rechtlich nicht die Vergünstigungen gewährt werden könnten, die die Krankenkassen auch gemessen, die ja, soweit nicht Kanton oder Gemeinde das Obligatorium der Krankenversicherung eingeführt; haben, ebenfalls auf der Grundlage der Freiwilligkeit des Beitrittes organisiert sind. Dagegen halten wir praktisch eine Übertragung dieser Bestimmungen auf die beiden Zweige der freiwilligen Versicherung nicht für notwendig. Die ärztlichen Tarife der obligatorischen
Versicherung sind so bemessen, dass ihre Ersetzung durch die allgemeinen Behandlungstarife der Anstalt keine Nachteile bringt. Kollisionen, die aus der Nichtanwendung der Ausschlussbestimmung in der Weise entstehen könnten, dass ein aus der obligatorischen Versicherung ausgeschlossener Arzt oder Apotheker in der freiwilligen Versicherung noch weiter behandelt, sind angesichts der Seltenheit dieser Fälle kaum zu befürchten.

619 Dazu kommt, dass die Struktur der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen einer Herübernahme der Normen von Art. 15--25 des Gesetzes geradezu entgegen ist. Es ist zunächst sehr fraglich, ob bei der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen noch von Sozialversicherung gesprochen werden kann. Sodann bestehen bis aum Eintritte des Versicherungsfalles zwischen dem Haftpflichtversicherungsnehmer und dem Haftpflichtberechtigten keine Beziehungen, auch nicht zwischen letzterem und der Anstalt. Der Verletzte wird vom Bestehen einer Haftpflichtversicherung meist nicht einmal etwas wissen. Er wird sich deshalb meist von Ärzten und Apothekern mi den üblichen Taxen behandeln und beliefern lassen, die Eechnung bezahlen und dann seinem' Schädiger Rechnung stellen, der seinerseits an die Anstalt, gelangen wird. Der Schadenersatz wird sehr oft in einer runden Summe bestehen, ohne besondere nähere Ermittlung der Komponenten. Es ist deshalb schon technisch nicht wohl durchführbar, dass die ärztliche Behandlung und die Arzneilieferung gegenüber der Anstalt zu besondern Taxen verrechnet werden.

Eine besondere Behandlung der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen ist aber nicht empfehlenswert. Aus allen diesen Erwägungen entschlossen wir uns. von einer Anwendung der Art. 15--25 abzusehen.

a. Die Rechtspflege ist auch für die freiwillige Versicherung und die freiwillige Versicherung von Drittpersonen in Art. 120--122 des Gesetzes geordnet, da die Kompetenzbestimmungen des Art. 120, lit. a und b, ganz allgemein von Streitigkeiten aus dem zweiten Titel des Gesetzes sprechen, wozu auch die beiden genannten Versicherungszweige gehören. Bezüglich der Rückgriffsansprüche der Anstalt gegenüber Dritten auf Grund der Subrogationsbestimmungen de* vorliegenden Bundesbeschlusses empfahl es sich, mit Rücksicht darauf, dass auch die Rückgriffsansprüche aus Art. 100 des Gesetzes durch den ordentlichen Richter beurteilt werden, nichts Besonderes vorzukehren, womit ohne weiteres auch hier die parallele Ordnung zur obligatorischen Versicherung gegeben ist.

d. Art. 129 des Gesetzes sieht vor, dass auch der Arbeitgeber eines freiwillig Versicherten, sowie die Familienangehörigen dieses Arbeitgebers und seine weitern Angestellten und Arbeiter, wie es für die obligatorische Versicherung gilt,
nur für absichtliche oder grobfahrlässige Herbeiführung des Unfalles haften sollen, sofern der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Prämien auf eigene Kosten übernommen und tatsächlich bezahlt hat. Über die Höhe der Versicherungsleistungen, d. h. über den Wert der Versicherung, wird nichts bestimmt, wohl in der Meinung, dass der Bundesbeschluss über

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die freiwillige Versicherung die Versicherungsform festzusetzen habe, an welche sich die gesetzliche Haftungserleichterung anschliessen werde.

Es erscheint uns selbstverständlich, dass nur eine der obligatorischen Versicherung gleichwertige freiwillige Versicherung dazu genügen kann. Dem Umstand, dass in der freiwilligen Versicherung, die ebenfalls die Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle umfasst, die Prämien für diese beiden Arten von Unfällen nicht ausgeschieden sind, ist durch die Haftungsbefreiung bei Übernahme bloss .der halben Prämie seitens des Arbeitgebers unseres Erachtens in vollem Masse Eechnung getragen.

Von Seiten des Schweizerischen Bauernverbandes wurde darauf hingewiesen, dass man mit der Haftungsbeschränkung in der freiwilligen Versicherung vor allem den Wünschen der Landwirtschaft entgegenkommen wollte, dass aber eine freiwillige Versicherung mit den vollen Leistungen der obligatorischen Versicherung auch bei Verpflichtung des Arbeitgebers zur Übernahme bloss der halben Prämie von der Landwirtschaft als unzweckmässig empfunden werde und dass ein Festhalten an diesen Bedingungen deshalb auch dem Beitritt der Landwirtschaft zur freiwilligen Versicherung und damit der Entwicklung dieser hinderlich sein dürfte. Der Verband schlug deshalb vor, als Bedingung für die Haftungsbeschränkung der freiwilligen Versicherung mit den vollen Leistungen der obligatorischen und Übernahme der halben Prämien durch den Arbeitgeber, die freiwillige Versicherung mit den halben Leistungen der obligatorischen und dafür Übernahme der vollen Prämien durch den Arbeitgeber gleichzusetzen. Wir konnten uns zur Aufnahme einer derartigen Alternative nicht entschliessen, da die zweitgenannte Versicherungsform für den Arbeitnehmer der erstem nicht gleichwertig ist. Um dagegen den Bedürfnissen der Landwirtschaft möglichst entgegenzukommen, haben wir vorgesehen, dass freiwillige Versicherungen mit beliebigen Leistungen und zu auch im übrigen von der obligatorischen Versicherung abweichenden Bedingungen genommen werden können, in Verbindung mit einer Versicherung der Haftpflicht aus leichter Fahrlässigkeit und Zufall. Damit ist, und zwar unter Einräumung noch grösserer Beweglichkeit, die Wirkung erzielt, die die Landwirtschaft mit ihren Vorschlägen bezweckte.

IV.

Nach den einleitenden und allgemeinen Ausführungen über die allgemeinen Gesichtspunkte, die bei der Abfassung des Entwurfes wegleitend waren, bleibt uns nur übrig, kurz auf diejenigen Be-

621 Stimmungen einzutreten, die sich durch spezifischen Charakter oder durch ihre Bedeutung auszeichnen.

A. Gemeinsame Bestimmungen.

Art. ] ordnet das sachliche Anwendungsgebiet des Bundesbeschlusscs. Zu Ziffer l mag bemerkt werden, dass gemäss Art. 5 der Verordnung II zur Unfallversicherung vom 3. Dezember 1917 auch die nicht regelmässig beschäftigten Angestellten und Arbeiter, die nur für Betriebsunfälle obligatorisch versichert sind, für das nicht gedeckte .Risiko der freiwilligen Versicherung beitreten können. Da der Bundesrat bei Aufstellung .dieser Bestimmung in Vollziehung einer ihm in Art. 60bi8, Ziffer 2, des Gesetzes erteilten Ermächtigung gehandelt hat, so bedarf es eines besondern Vorbehaltes der Bestimmung, die in gewissem Masse eine Erweiterung des Art. 115 des Gesetzes darstellt, nicht.

In Ziffer ,2 ist zum Ausdruck gebracht, dass die Versicherung von Drittpersonen ihrem Wesen nach eine Haftpflichtversicherung ist; ihr Gegenstand ist die Deckung des Versicherungsnehmers für Auslagen, die ihm dadurch entstehen, dass er kraft irgendwelcher Gesetzesvorschrift für den einem Dritten ausserkontraktlich zugefügten Schaden an dessen körperlicher Integrität aufzukommen hat.

Diese Beschränkung tritt in Art. 38 und 39 des Entwurfes noch genauer hervor.

Dabei ist auf einen Punkt noch besonders aufmerksam zu machen : Art. 118 des Gesetzes sieht die Versicherung von Drittpersonen vor gegen Unfälle, für die der Betriebsinhaber wegen leichter Fahrlässigkeit schadenersatzpflichtig ist. Nach Art. l des Entwurfes soll die Versicherung auch die Haftbarkeit aus Zufall decken. Es ist deshalb in der Expertenkommission die Frage aufgeworfen worden, ob nicht der Entwurf über das Gesetz hinausgehe, indem er die Versicherung für ein im Gesetze gar nicht vorgesehenes Risiko ermögliche. Die Expertenkommission war aber übereinstimmend der Ansicht, dass die Versicherung auch, der Zufallshaftung wünschbar sei. Ob sie nach dem Wortlaut des Art. 118 auch zulässig sei, wollte die Expertenkommission nicht entscheiden; sie sprach lediglich den Wunsch aus, dass in der Botschaft die Frage berührt werde. Wir halten nun dafür, dass die Erwähnung der leichten Fahrlässigkeit in Art. 118 des Gesetzes lediglich die obere Grenze des versicherbaren Eisikos festlegen und damit die Haftung aus grober Fahrlässigkeit und Absicht von der Versicherung ausschliessen wollte, dass aber nach dem Grundsatze in maiore minus die Versicherung für die Zufallshaftung, wenn diejenige für die Haftung aus leichter Fahrlässigkeit erlaubt ist, nicht

622 verboten werden wollte. Es wäre dies um so unverständlicher, weil ja der Zufall so recht das eigentliche Moment der Versicherung und das Bedürfnis nach einer solchen bildet, während die Verschuldensversicherung nur eine Abart darstellt. Auch praktisch wäre die Beschränkung der Versicherung auf die Haftung für leichte Fahrlässigkeit unter Ausschluss derjenigen für Zufall bedenklich, da die Grenze zwischen Zufall und leichter Fahrlässigkeit oft schwer zu ziehen ist und Anlass zu Streitigkeiten bilden würde, wobei die merkwürdige und bedauerliche Erscheinung zutage treten würde, dass zur Wahrung der Versicherungsansprüche des Dritten der Betriebsinhaber stets den Zufall verneinen und im Gegenteil sich selbst der Fahrlässigkeit beschuldigen müsste. Aus allen diesen Gründen tragen wir keia Bedenken, trotz des Wortlautes des Art. 118 auch die Zufallshaftpflicht zum Gegenstand der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen zu erklären.

Art. 2 enthält eine Umschreibung des Unfallbegriffes, die durch die Aufnahme in den Bundesbeschluss der gelegentlich schwankenden Gerichtspraxis entzogen und zur Legaldefinition wird. Der Wunsch nach einer solchen ging von der Anstalt aus, die auf Grund von Erfahrungen aus der obligatorischen Versicherung erklärte, dass der Versicherer wie der Versicherungsnehmer ein Interesse an einer möglichst zuverlässigen und stabilen, für das Gericht verbindlichen Umschreibung der Merkmale eines Unfalles haben. Die Expertenkommission konnte in ihrer Mehrheit der Aufnahme einer Bestimmung in den Bundesbeschluss zuerst nicht zustimmen. Sie anerkannte «war die Wünschbarkeit einer Definition, glaubte aber, eine solche werdo besser in die von der Anstalt auszugebenden Versicherungsbedingungen aufgenommen, was erlauben werde, bei eintretendem Bedürfnis eine Änderung vorzunehmen- Ein solches Bedürfnis, wurde ausgeführt, könnte beispielsweise eintreten, wenn die konkurrierenden Privatversicherungsgesellschaften eine engere Definition des Unfallbegriffes aufstellen und darin von den Gerichten geschützt werden würden, für welchen Fall es unvorsichtig sei, wenn die Anstalt sich durch eine nur für sie, nicht auch für ihre Konkurrenz verbindliche Legaldefinition die Hände binden lasse. Die Anstalt wies jedoch auf die mit einer Änderung des Begriffes verbundene Eechtsunsicherheit und auf andere
Unzukömmlichkeiten hin und glaubte, durch gesetzliche Festlegung einer durch die moderne Rechtswissenschaft und eine vielfache Gerichtspraxis anerkannten Definition sich dea befürchteten Gefahren nicht auszusetzen. Es ist übrigens auch zu erwarten, dass eine für die öffentlich-rechtliche Versicherung vorgenommene Legaldefinition ihren Einfluss auch auf die private

623 Versicherung ausüben und damit zu einer unverrückbaren und rechtssicheren Anerkennung des Unfallbegriffes führen wird. Die Expertenkommission überliess es dann der Anstalt, ob sie die Definition in den bereinigten Entwurf aufnehmen wolle. Nachdem dies geschehen ist, sehen wir uns nicht veranlasst, die bezügliche Bestimmung wegzulassen. Wir begnügen uns, auf die hinsichtlich der Wünschbarkeit ihrer Aufnahme bestehende Meinungsverschiedenheit hinzuweisen.

Art. ,3. Der erste Absatz stellt fest, dass es sich um eine vertragliche Versicherung handelt; die übrigen Absätze sind dem Art. 4 des Gesetzes über "den Versicherungsvertrag nachgebildet. Immerhin ist zu bemerken, da beim Vorhandensein der Aufnahmebedingungen die Anstalt zur Aufnahme verpflichtet ist, dass die Entschliessung der Anstalt nur hinsichtlich der Höhe der Prämien und der besondern Versicherungsbedingungen vorbehalten ist.

Art. 4 ordnet die Folgen unrichtiger Mitteilungen über eine erhebliche Gefahrstatsache oder ihres Verschweigens. Dabei ist der Anstalt ihr Verhalten nach Entdeckung der wahren Verhältnisse freigestellt, so dass sie den Umständen des Einzelfalles in subjektiver und objektiver Richtung weitgehend Rechnung tragen kann. Wenn sie die ihr unbekannten-oder mangelhaft bekannten Tatsachen hinterher als nicht erheblich oder nicht mehr erheblich betrachtet, so wird sie einfach den Vertrag fortsetzen. Für den Fall der fortbestehenden Erheblichkeit ist vorgesehen, dass die Anstalt vom Vertrage zurücktreten, oder dann, dass sie dem Versicherungsnehmer dessen Fortsetzung zu neuen Bedingungen vorschlagen kann, bei deren Ablehnung erst der Vertrag dahinfällt.

Art. 5 verlangt für den Abschluss des' Vertrages die ausdrückliche Annahme der von der Anstalt auf Grund des Antrages dem Versicherungsnehmer vorgeschlagenen besondern Bedingungen und des Prämiensatzes. Mit der Annahme des Antrages durch die Anstalt ist somit der Versicherungsnehmer · noch nicht gebunden ; damit weicht der Bundesbeschluss vom Gesetz über den Versicherungsvertrag und der meist geübten Praxis der privaten Versicherungsgesellschaften ab.

Art. 6--9 sind im allgemeinen, mit einigen Vereinfachungen, den entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes über den Versicherungsvertrag nachgebildet. In Art. 7 ist, besondere Vereinbarung vorbehalten, für die Verträge in der
freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen eine normale Dauer von fünf Jahren vorgesehen. Als Versicherungsperiode gilt das Kalenderjahr.

624 Art. 10--12 regeln den Prämienbezug. Ähnlich wie in der obligatorischen Versicherung kann auch hier ratenweise Prämienzahlung bewilligt werden. Doch handelt es sich hier nicht um ein subjektives Eecht des Versicherungsnehmers, sondern um eine durch die Anstalt gewährte Vergünstigung, die zurückgezogen werden kann.

In Art. 12 wird das Konkursprivileg, das der Anstalt für die Prämienforderungen der obligatorischen Versicherung durch das Ergänzungsgesetz vom 18. Juni 1915 zum Bundesgesetze über die Kranken- und Unfallversicherung verliehen ist, auf die Prämien der freiwilligen Versicherung und der f rei willigen- Versicherung von Drittpersonen anwendbar erklärt, wie es in Art. 14 dieses Ergänzungsgesetzes ausdrücklich in Aussicht genommen ist. Da in dieser Bestimmung die Bundesversammlung zur Ausdehnung der Erleichterungen ermächtigt ist, so besteht kein Hindernis, die Ausdehnung gleich im vorliegenden Bundesbeschlusse vorzunehmen. Von einer Anwendung des Vollstreckbarkeitsverfahrens der Art. 11 und 12 des Ergänzungsgesetzes wird dagegen abgesehen, da das Buhen der Leistungspflicht der Anstalt bei Nichtbezahlung der Prämien in der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen eine derart beschleunigte Prämienbetreibung, wie sie in der obligatorischen Versicherung begründet ist, nicht verlangt.

Art. 13..Diese Bestimmung verleiht der Anstalt die Befugnis, Versicherungsnehmer oder Versicherte bei gröblicher Verletzung ihrer Pflichten von der Versicherung auszuschliessen. Der Ausschluss erfolgt dauernd oder dann stets für eine bestimmte Zeit.

Gegen die erstinstanzliche Ausschlussverfügung der Direktion steht den Betroffenen der Rekurs an den Verwaltungsrat zu. Dem Bekurs ist aufschiebende Wirkung verliehen, damit nicht während soinur Eechtshängigkeit bei der Rekursinstanz eine Unterbrechung der Versicherung stattfindet, während welcher für alle Beteiligten auch bei Gutheissung des Rekurses und daheriger Behebung der 'Unterbrechung nicht wieder auszugleichender Schaden entstehen könnte.

Die Ausschlussbestimmung wird ihre Wirkung in erster Linie gegenüber den Versicherungsnehmern entfalten, da dort, wo Versicherungsnehmer und Versicherte nicht identisch sind, letztere vor dem Eintritt des Versicherungsfalles meist keine Verpflichtungen gegenüber dem Versicherer haben.
Die in Art. 18, Abs. 2, vorgesehene Ordnung, d. h. die Bezeichnung des Verwaltungsrates als Rekursinstanz, hat in der Expertenkommission zu eingehenden Erörterungen geführt, indem die Präge aufgeworfen wurde, ob es richtig sei, eine so wichtige Verfügung, wie die Ausschliessiing von der Versicherung, dem richterlichen Ent-

625 scheide zu entziehen und einer Administrativbehörde, die gleichzeitig ·den Versicherer vertrete, also Partei sei, zu überlassen. Es wurde &ber mit Eecht auf die öffentlich-rechtliche Natur der Versicherung hingewiesen und geltend gemacht, dass das Eecht zum Ausschlüsse .nichts anderes sei als ein Korrelat zur Pflicht der Aufnahme, und dass auch auf andern Gebieten der Sozialversicherung die Zugehörigkeit zu ihr als eine Verwaltungssache betrachtet und durch Verwaltungsbehörden beurteilt werde. Mit der überwiegenden Mehrheit der Expertenkommission schliessen wir uns dieser Auffassung an und empfehlen deshalb die in Art. 18, Abs. 2, vorgesehene Ordnung zur Annahme.

Zu beachten ist übrigens, dass das ganze Verfahren nach Art. 18 nur in einem bereits bestehenden VersicherungsVerhältnis möglich ist. Gegenüber der Ablehnung seitens der Anstalt, überhaupt ein solches Verhältnis einzugehen, steht dem Betroffenen, wie wir bereits im allgemeinen Teil dieses Berichtes ausgeführt haben, kein Rekursrecht zu.

B. Die freiwillige Versicherung.

Art. 14 ermächtigt die Anstalt ganz allgemein, Einzel- und Kollektivversicherungen . abzuschliessen. Darunter können Ver«cherungen auf eigene oder fremde Rechnung, mit oder ohne Begünstigungsklausel fallen.

Art. 15 und 16 würdigen die möglichen Versicherungen ihrem Inhalte nach. Es sind entweder Versicherungen zu den Bestimmungen oder Leistungen der obligatorischen Versicherung, zu festen Taggeldern und Kapitalbeträgen, oder dann zu Teilen der Leistungen der obligatorischen Versicherung. Was die Versicherungen der ersten Kategorie betrifft, so war ihre völlige Gleichstellung mit der obligatorischen Versicherung, wie sie in Art. 16, Absatz l, zum Ausdruck kommt, im Hinblick auf die Haftungserleichterung des Art. 129 des Gesetzes gegeben. Bezüglich der andern Versicherungen ist es den besondern Bedingungen überlassen, gewisse Personen und Tatbestände auszuschliessen oder den Einfluss dritter Faktoren auf den Versicherungsfall zu würdigen.

Obgleich die zitierte Bestimmung von Art. 129 des Gesetzes bei der Ausdehnung der Befreiung von der Haftung für Zufall und leichte Fahrlässigkeit zugunsten des Arbeitgebers eines freiwillig Versicherten nur darauf abstellt, ob der Arbeitgeber die halbe Prämie übernommen habe, ohne die Leistungen zu bestimmen, scheint sie ans gerechtigkeitshalber nicht anders ausgelegt werden zu können, Baudesblatt. 72. Jahrg. Bd. V.

4l

.626 als in dem Sinn, dass die gleichen Leistungen und Bedingungen wie die der obligatorischen vorausgesetzt sind. Deshalb die Beschränkung der Haf'tungsbefreiung auf die freiwilligen Versicherungen dieser Art in Art. 20. Um aber auch die Arbeitgeber, die sich zum Abschluss einer solchen weitgehenden Versicherung nicht entschliessen können, der Vorteile des Art. 129 des Gesetzes teilhaftig werden zu lassen, ist in Art. 15 der Abschluss von freiwilligen Versicherungen mit andern Leistungen als denen der obligatorischen Versicherung, nach Belieben des Versicherungsnehmers, auch mit Deckung der Haftpflicht für Zufall und leichter Fahrlässigkeit vorgesehen, natürlich gegen entsprechende Prämienleistung.

Art. 17 sichert dem Versicherten, der mit dem Versicherungsnehmer nicht identisch ist, und dem Begünstigten ein selbständiges Forderungsrecht gegenüber der Anstalt zu, dessen nähere Bedingungen durch die ergänzende Anwendung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag gegeben sind.

Art. 18 ordnet die Unfallanmeldung bloss in ihren Grundzügen, in der Meinung, dass das Nähere über die Fristen, die Form der Meldung u. dgl. in den besondern Bedingungen für die einzelnen Versicherungsformen festzulegen sei.

Art. 19. Analog der Bestimmung von Art. 100 des Gesetzes ist hier für die Versicherung von Angestellten und Arbeitern der Eintritt der Anstalt in die Rechte des Versicherten gegenüber einem dritten Schädiger vorgesehen. Es empfahl sich das, um nicht freiwillig versicherte Angestellte und Arbeiter besser zu stellen als obligatorisch Versicherte; dagegen war kein Anlass vorhanden, diese» Eintrittsrecht auch noch für andere Versicherungsformen, wie die Einzelversicherung, vorzusehen, wo es angesichts des Ausschlusses eines solchen Eechtes in der privaten Personenversicherung nur dazu beigetragen hätte, die Konkurrenzfähigkeit der Anstalt zu schwächen.

Art. 20 ist im Zusammenhang mit Art. 16 bereits gewürdigt worden.

In Art. 22 haben wir in Übereinstimmung mit Art. 46 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag eine zweijährige Verjährungsfrist eingeführt. Es wird Sache der besondern Bedingungen sein, denea der Privatversicherungspolicen ähnliche Klageverwirkungsfristen vorzusehen.

Art. 23 überträgt, entsprechend Art. 44, Absatz l, lit. d, des Gesetzes, die Aufstellung der Prämientarife dem Verwaltungsrate der Anstalt. Die Grundsätze sind dieselben wie bei der obligatorischen.

'

. 627

Versicherung. In Beziehung auf die Eevision der Tarife ist zu bemerken, dass selbstverständlich Verträge; die unter der Herrschaft des alten Tarifes abgeschlossen sind, bis zu ihrem Ablauf von der Eevision unberührt bleiben müssen.

Art. 24, der die Unfallverhütung regelt, schliesst an die Bestimmungen in Art. 839 des Obligationenrechtes an. Die Vorschriften der obligatorischen Versicherung, wonach der Betriebsinhaber zur Verhütung, von Krankheiten und Unfällen alle Schutzmittel einführen muss, die nach der Erfahrung notwendig und nach dem Stande der Technik und den gegebenen Verhältnissen anwendbar sind, wurden für die freiwillige Versicherung als zu weitgehend empfunden.

Es wurde von Interessenten vielmehr der Grundsatz aufgestellt, dass ein Betriebsinhaber, der seine Arbeiter freiwillig versichert, in bezug auf die Pflicht der Unfallverhütung nicht schlechter gestellt werden dürfe als derjenige, der nicht versichert, weil bei Aufstellung von bindenden Vorschriften eine Versicherung überhaupt nicht abgeschlossen werde. Die Anstalt kann und darf aber die Förderung der Unfallverhütung nicht aus den Augen lassen; sie kann jedoch das angestrebte Ziel, die Unfälle nicht nur zu entschädigen, sondern aie zu verhüten, auch dadurch erreichen, dass sie Betrieben, die sich verpflichten, alle oder bestimmte Unfallverhütungsvorschriften zu beachten, besondere Bedingungen gewährt. .Die Vorschrift, durch die auch den Angestellten und Arbeitern ein gewisses Interesse an der Unfallverhütung zur Pflicht gemacht wird, wird einer weitern Begründung kaum bedürfen.

In Art. 25 ist für Beginn und Ende der Kollektivversicherung ·ine Umschreibung gewählt, die die mögliche Vielseitigkeit der Kollektivversicherung als Versicherung der Angestellten und Arbeiter eines Betriebes, der Mitglieder von Verbänden und Vereinen usw.

zum Ausdruck bringt.

Art. 26--81 stellen eine Eeihe von Vorschriften für den Prämienbezug in der Kollektivversicherung, insbesondere für den Prämienbezug auf Grund der Lohnlisten aber auch für den Bezug von Kopfprämien auf, alles Vorschriften, die nicht weiter erörtert zu werden brauchen.

Art. 82 enthält eine Sicherungsbestimmung, derer die Anstalt bedarf; aber dem Versicherungsnehmer ist auch hier die Möglichkeit gegeben, gegen Entscheidungen der Direktion an den Verwaltungsrat zu rekurrieren.

Art. 88 ordnet das Schicksal des Versicherungsvertrages bei Handänderung und Einstellung des Betriebes. Die Auflösung des

628 Vertrages -wird nur durch dauernde Einstellung bedingt, so dass Tatbestände nur vorübergehender Schliessung wegen Arbeits- und Eohstoffmangel, Wetter, Jahreszeit, Zerstörung der Betriebslokalitäten ausgeschlossen sind.

In Art. 84 wird im Hinblick auf die folgenden Artikel, die den besondern Bedürfnissen der Landwirtschaft bei der Kollektivversicherung Eechnung tragen, eine Definition der Landwirtschaft versucht. Das kumulatorische Erfordernis der Züchtung und Ernährung von Haustieren neben der Aufziehung von Nutzpflanzen soll den landwirtschaftlichen Betrieb von der Gärtnerei und Forstwirtschaft abgrenzen, während die Bedingung dor Gewerbsmässigkeit die besondern Bestimmungen auf die eigentliche Landwirtschaft, die Landwirtschaft als Berufsstand, beschränken will. Damit ist das Halten von Haustieren und Aufziehung von Nutzpflanzen durch Angehörige anderer Berufsarten für rein häusliche Bedürfnisse ausgeschlossen, während hinwiederum im Zusammenhang mit industriellen Betrieben geführte landwirtschaftliche Betriebe z. B. zur Erzeugung der zu verarbeitenden Eohprodukto oder zur Verarbeitung von Abfallprodukten, sofern sie nicht bereits in die obligatorische Unfallversicherung fallen, der besondern Versicherung der Landwirtschaft teilhaftig werden können, da in diesem Falle auch Gowerbsmässigkeit vorliegt.

Art. 85 schliesst in die Kollektivversicherung auch die im landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigten, in Hausgemeinschaft mit dem Botriebsinhaber lebenden Familienangehörigen ein.

Die Bestimmung in Absatz 2 geht davon aus, dass auch in der landwirtschaftlichen Versicherung in der Eegel die Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle gedeckt sind. Deshalb wird vorgesehen, dass bloss zeitweilig im Betriebe tätige Personen nur gegen Betriebsunfälle versichert sein sollen.

Art. 36 stellt ein vom üblichen abweichendes Prinzip der Prämienberechnung auf. Während im industriellen und gewerblichen Betriebe die Führung einer Lohnliste wohl verlangt werden kann, stösst solches nach den Aussagen der Vertreter der Landwirtschaft in landwirtschaftlichen Betrieben auf Schwierigkeiten, einmal wegen der Familienangehörigen und sodann, weil auch bei den fremden Arbeitskräften Kost und Logis sowie andere Nebenbezüge den wesentlichen Teil der Löhnung ausmachen. Dagegen gestattet der Bodenumfang in Verbindung mit der Kulturart eine wohl dem System des Prämienbezuges auf Grund der Lohnsumme adäquate Erfassung des Eisikos, indem die Zahl der Arbeitskräfte im allgemeinen

629 deï Grosse des landwirtschaftlichen Betriebes und der Intensität seiner Bewirtschaftung parallel geht. Für Alpbetriebe im besondern ist das noch zutreffendere Mass des Viehbestandes gewählt.

Art. 87. Ebenfalls mit Eücksicht auf die besondern Löhnungsverhältnisse ist die Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung eines bestimmten Tagesverdienstes oder Jahresverdienstes vorgesehen.

C. Die freiwillige Versicherung von Drittpersonen.

Art. 88--48 behandeln die freiwillige Versicherung von Drittpersonen. Sie ist ihrem Wesen nach, und wie es Art. 118 des Gesetzes auch zum Ausdruck bringt, eine Haftpflichtversicherung. Voraussetzung der Anerkennung eines Unfalles durch die Anstalt ist, dass ihr Versicherungsnehmer zufolge gesetzlicher Pflicht gegenüber dem Verunfallten aufzukommen habe.

Art. 88 und 89 des Entwurfes bringen-den Charakter des behandelten Versicherungszweiges zum Ausdruck und umschreiben zugleich gegenständlich ihren Umfang. Da Voraussetzung für den Abschluss einer Drittpersonenversicherung eines Betriebsinhabers ist, dass sämtliche Angestellte und Arbeiter obligatorisch oder freiwillig versichert seien, so können als Dritte im Sinne der Drittpersonenversicherung' bloss nicht im Dienste des Versicherungsnehmers stehende Personen betrachtet werden. Den Angestellten und Arbeitern haben wir die Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, gleichgestellt, da ihre häufig mit denen des Versicherungsnehmers gleichlaufenden Interessen es nicht rätlich erscheinen lassen, sie in die Versicherung einzuschliessen und das Wesen der Hausgemeinschaft vielfach einer Geltendmachung der Haftpflicht an sich zuwider ist. Was den objektiven Umfang der Versicherung anbelangt, so sind die grobfahrlässig herbeigeführten Unfälle von der Versicherung ausgeschlossen, da die Deckung der groben Fahrlässigkeit den guten Sitten widersprechen würde. Dass dolose Herbeiführung eines Unfalles an sich schon nicht versichert werden kann, ist selbstverständlich. Gedeckt bleiben somit die Haftung für leichte Fahrlässigkeit und für Zufall. Es entstand die Frage, ob ähnlich, wie es im Eisenbahnhaftpflichtgesetz vorgesehen ist, die Anstalt auch die Deckung von Sachschäden an mitgeführten Sachen übernehmen sollte, die zugleich mit einem Personenschaden eingetreten sind. Im Hinblick auf die gesetzliche Bezeichnung des Versicherungszweiges als Drittpersonenversicherung empfahl es sich, den Umfang der Versicherung ausschliesslich auf die Körperverletzung von Personen zu beschränken und jede Versicherung von Sachschäden beiseite zu lassen,

630 Art. 40 gestattet der Anstalt, wie es in der privaten Haftpflichtversicherung der Fall ist, Maxima der versicherten Haftpflichtleistungen vorzusehen. Solches empfahl sich im Hinblick auf die unübersehbaren Polgen, die bestimmte Ereignisse herbeiführen können. Die Anstalt wird sich bei Ausführung dieser Ermächtigung an die üblichen Grenzen halten.

Art. 41 befasst sich mit den Pflichten des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Unfalles speziell mit dem Meldewesen, dessen nähere Ordnung den besondern Versicherungsbedingungen überlassen wird.

Art. 42 sieht den Übergang der Eechte des Versicherungsnehmers gegenüber weitern Haftpflichtigen an die Anstalt im Wege der Zession vor.

Art. 43 gibt die Aufstellung der Prämientarife der Anstalt anheim.

Wir verweisen in dieser Eichtung auf unsere Ausführungen im allgemeinen Teil der Botschaft.

Es muss der Grundsatz gelten, dass aus den Prämien die Verpflichtungen der Anstalt gedeckt werden können. Die ganz allgemeine Passung des Art. 43 ist deswegen nötig, weil der Verschiedenheit der Verhältnisse entsprechend auch verschiedene Grundlagen zur Anwendung kommen müssen.

D. Schlussbestimmungen.

Wir verweisen auf unsere Ausführungen im allgemeinen Teil und machen hinsichtlich des Art. 47 darauf aufmerksam, dass die Ordnung des Verhältnisses der freiwilligen Versicherung zur Militärversicherung durch Art. 60 des Militärversicherungsgesetzes der Bundesversammlung übertragen worden ist und dass diese Ordnung bei Erlass der Bedingungen der freiwilligen Versicherung vorgenommen werden soll.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Annahme empfehlen, benützen wir auch diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 16. Dezember 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t : Schulthess.

Der Bundeskanzler: Steiger.

631 (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Bedingungen der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen gegen . Unfall durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung der Art. 116 und 199 des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unfallversicherung vom 18. Juni 1911 *), nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 16. Dezember 1920, beschliesst:

A. Gemeinsame Bestimmungen.

Art. 1. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern Versiche(Anstalt) versichert nach Massgabe der nachfolgenden Bestimmungen : ruDgszweige.

1. Die in der Schweiz wohnenden Personen, die das 14. Altersjahr zurückgelegt haben und nicht bereits obligatorisch versichert sind, für die Dauer ihres schweizerischen Wohnsitzes gegen Unfall (freiwillige Versicherung).

. 2. Auf Begehren und für Rechnung der Inhaber der der obligatorischen Versicherung unterstellten Betriebe oder der Inhaber anderer Betriebe, die selbst und mit ihrem ganzen Personal bei der Anstalt freiwillig gegen Unfall versichert sind, Drittpersonen gegen die Polgen von Unfällen, für die die vorgenannten Betriebsinhaber .aus Zufall oder aus leichter Fahrlässigkeit haften (freiwillige Versicherung von Drittpersonen).

Art. 2. Als Unfall gilt ein unvorhergesehenes aussergewöhn- Definition Kches äusseres Ereignis, das in einem bestimmten Zeitpunkte unab- des Unfalles.

hängig vom Willen des Betroffenen eintritt und plötzlich oder während verhältnismässig kurzer Dauer schädigend auf den Körper einwirkt.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXVIII, S. 853.

632 Antrag.

Art. 8. Die Versicherung erfolgt auf Antrag.

Der Antragsteller hat der Anstalt an Hand eines Fragebogen» oder auf sonstiges schriftliches Befragen alle für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsachen, soweit und so wie sie ihm beim Vertragsabschluss bekannt sind oder bekannt sein müssen, schriftlich mitzuteilen.

Erheblich sind diejenigen Gefahrstatsachen, die geeignet sind,, auf die Entschliessung der Anstalt in bezug auf die Höhe der Prämien, und die besondern Versicherungsbedingungen einen Einfluss auszuüben.

Die beim Vertragsabschluss von der Anstalt gestellten Frage» haben auf alle Gefahrstatsachen, die diese als erheblich betrachtet wissen will, in bestimmter und unzweideutiger Fassung hinzuweisen.

Verletzung Art. 4. Hat der Antragsteller im Antrage oder in spätem Erder Anzeige- klärungen zu ihm eine erhebliche Gefahrstatsache, die er kannte oder pflicht kennen musste, unrichtig mitgeteilt oder verschwiegen, so ist die An-

stalt berechtigt, binnen vier Wochen, nachdem sie hiervon Kenntnis erhalten hat, vom Vertrage zurückzutreten. Die bezahlten oder noch geschuldeten Prämien des laufenden Kalenderjahres verbleiben der Anstalt. Für Unfälle, die durch eine bekannte, aber bei Vertragsabschluss unrichtig dargestellte oder verschwiegene Gefahrstatsacheverursacht worden sind, hat die Anstalt nicht aufzukommen.

An Stelle des Eücktrittes kann die Anstalt unter Festsetzung einer Annahmefrist dem Versicherungsnehmer neue Bedingungen) vorschlagen. Während der Zwischenzeit ruht die Versicherung.

Wird der Vorschlag der Anstalt abgelehnt, so gilt der Vertrag ala dàhingefallen,.und es treten die in Absatz l vorgesehenenWirkungen ein» Durch die vorstehenden Bestimmungen wird die Schadenersatzpflicht des Versicherungsnehmers nicht berührt.

Abschlags Art. 5. Auf Grund des Antrages bestimmt die Anstalt die Höhe, des Vertrages. der Prämie sowie die besondern Versicherungsbedingungen und gibt sie dem Antragsteller bekannt, dem es freisteht, sie binnen einer von.

der Anstalt festzusetzenden Frist anzunehmen oder abzulehnen. , Stillschweigen gilt als Ablehnung.

Art.

6. Dem Versicherungsnehmer wird eine Police ausge* Beurkund uug des Vertrages. händigt, in der die allgemeinen und besondern Bestimmungen de» Vertrages enthalten sind. Stimmt der Inhalt der Police oder der Nachträge zu ihr mit den getroffenen Vereinbarungen nicht überein,.

BÖ hat der Versicherungsnehmer binnen vier Wochen nach Empfang: der Urkunde deren Berichtigung zu verlangen, widrigenfalls ihr Inhali als von ihm genehmigt gilt.

633

Art. 7. Der Vertrag beginnt in dem vereinbarten Zeitpunkte Beginn and und dauert mangels einer abweichenden Vereinbarung bis zum Ab- Dauer des lauf des fünften auf das Jahr des Vertragsabschlusses folgenden Vertrages.

Kalenderjahres.

Die Versicherung tritt mit der Bezahlung der ersten Prämie in Kraft.

Wird der Vertrag nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündet, so bleibt er, .Sonderabreden über die Verlängerung semer Gültigkeitsdauer vorbehalten, je für ein weiteres Jahr in Kraft.

Art. 8. Wenn während der Vertragsdauer eine wesentliche ·Änderung der Gefahr.

Gefahrerhöhung eintritt, so erstreckt sich die Versicherung nur dann auf die durch diese Gefahrerhöhung bedingten Unfälle, wenn der Versicherungsnehmer mit der Anstalt über deren Einschluss eine Vereinbarung getroffen hat. Die Gefahrerhöhung ist wesentlich, wenn sie eine Änderung einer für die Beurteilung der Gefahr erheblichen Tatsache bedeutet. Die Anstalt kann sich auf die Gefahrerhöhung nur berufen, wenn sie dieselbe dem Versicherungsnehmer ausdrücklich als solche bezeichnet hatte.

Kann eine Einigung über den Einschluss der gefahrerhöhenden Umstände nicht erzielt werden, so erlischt der Vertrag nach Ablauf von vierzehn Tagen von der Ablehnung der befristeten Vorschläge der Anstalt an gerechnet.

Anderseits kann der Versicherungsnehmer bei Wegfall der gefahrerhöhenden Umstände, die bei Festsetzung der Prämie mitbestimmend waren, für die folgenden Versicherungsjahre die entsprechende Eeduktion der Prämie verlangen. Kann hierüber eine Einigung nicht erzielt werden, so ist der Versicherungsnehmer berechtigt, vom Vertrage zurückzutreten.

Art. 9. Werden während der Vertragsdauer die allgemeinen Versicherungsbedingungen derselben Versicherungsart abgeändert, so kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass der Vertrag zu den neuen Bedingungen fortgesetzt werde. Er muss jedoch, wenn für die Versicherung zu den neuen Bedingungen eine höhere Gegenleistung erforderlich ist, das entsprechende Entgelt gewähren.

Rerision der allgemeinen Versieh erungsbedingungen.

Art. 10. Die Prämien sind jährlich zum voraus zahlbar, erstmals Zahlung der Prämie.

bei Aushändigung der Police, in der Folge je zu Beginn des neuen Kalenderjahres. Gegen einen entsprechenden Zuschlag kann halböder vierteljährliche Prämienzahlung gestattet werden.

634 Mahnpflicht der Anstalt.

Art. 11. Wird die geschuldete Prämie nach Verfall trotz schriftlicher Mahnung und Androhung der Säumnisfolgen der Anstalt nicht innert vierzehn Tagen, vorn Tage der Mahnung an gerechnet, bezahlt, so ruht die Entschädigungspflicht der Anstalt, bis die Prämie nebst Zins und Kosten bezahlt ist.

Wird die rückständige Prämie nicht innert zwei Monaten nach Ablauf der im vorhergehenden Absatz genannten Frist rechtlich eingefordert, so wird angenommen, dass der Versicherer, unter Verzicht auf die Bezahlung der rückständigen Prämie, vom Vertrage zurücktritt.

Privilegierung Art. 12. Art. 13 des Ergänzungsgesetzes vom 18. Juni 1915 der Prämien- zum , Bundesgesetze über die Kranken- und Unfallversicherung ist f'orderungen. ' auf die Prämien der freiwilligen Versicherung und die der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen anwendbar.

Ausschluss.

Art. 18. Versicherungsnehmer oder Versicherte, die ihre Verpflichtungen gegenüber der Anstalt gröblich oder trotz schriftlicher Mahnung wiederholt verletzen, können dauernd oder auf bestimmte Zeit von der Versicherung ausgeschlossen werden. Dem ausgeschlossenen Versicherungsnehmer gegenüber bleibt der Anstalt das Eecht auf die Prämien des laufenden Jahres gewahrt.

Gegen die Ausschliessungsverfügung der Direktion kann vom Betroffenen binnen zehn Tagen, von der Mitteilung an gerechnet, beim Verwaltungsrate der Anstalt Rekurs mit aufschiebender Wirkung eingelegt werden. Die rechtskräftigen Ausschliessungsverfügungen der Anstaltsorgane sind für den Siebter verbindlich.

B. Die freiwillige Versicherung, a. Allgemeines.

Form der Art. 14. Es werden Einzel- und Kollektivversicherungen abVersicherung. geschlossen.

Art. 15. Ihrem Inhalte nach sind die Versicherungen ''Inhalt der Versicherung. - 1. solche zu den Bestimmungen und Leistungen der obligatorischen Versicherung; 2. solche zu besondern Bestimmungen und folgenden Leistungen : a. auf feste Tagesentschädigungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, mit oder ohne Einschluss der Heilkosten, und feste Kapitalbeträge bei Invalidität und Tod, b. auf Teile der Leistungen der obligatorischen Versicherung, die einen und die andern mit oder ohne Einschluss der Deckung der Haftpflicht der Versicherungsnehmer für Zufall und leichte Fahrlässigkeit.

635 Art. 16. Auf die Versicherungen nach Art. 15. Ziffer l, finden Festsetzung die Art. 67--99 des Gesetzes über die Kranken- und Unfallver- besonderer sicherung und die Bestimmungen der zudienenden Verordnungen, Bedingungen.

sowie die ergangenen und ergehenden Beschlüsse der Anstaltsorgane Anwendung.

Bezüglich der Versicherungen nach Art. 15, Ziffer 2, bestimmen die besondern Versicherungsbedingungen des nähern darüber, welche Personen und Tatbestände als nicht versichert oder nur unter speziellen Vorbehalten als versichert gelten sollen, und in welcher Weise andere mitwirkende Schadensursachen oder die fahrlässige Herbeiführung des Unfalles bezw. die Verschlimmerung seiner Folgen zu berücksichtigen sind. Insbesondere kann jeder Anspruch auf Versicherungsleistungen von der Anstalt abgelehnt werden, wenn der Versicherungsnehmer oder der Versicherte durch betrügerische Handlungen auf. das Verhalten der Anstalt eingewirkt oder einzuwirken versucht haben.

Art. 17. Dem Versicherten und den anspruchsberechtigten Hinter- Forderungslassenen steht bei Eintritt des Versicherungsfalles ein unmittelbares recht der Versicherten Forderungsrecht gegenüber der Anstalt zu.

und Begünstigten.

Art. 18. Vom Eintritte eines Unfalles haben der Versicherungs- " Pflichten nehmer bezw. im Falle seines Todes seine anspruchsberechtigten nach Eintritt Hinterlassenen der Anstalt unverzüglich Kenntnis zu geben.

'eines Unfalles.

Der Verletzte hat sich sogleich in ärztliche Behandlung zu begeben und den Anordnungen der Anstalt nachzukommen. Er und im Falle des Todes seine anspruchsberechtigten Hinterlassenen haben die Anstalt zu ermächtigen, alle Erkundigungen, insbesondere über Krankheiten und frühere Unfälle, einzuziehen, sowie ihre Zustimmung zu allen Anordnungen der Anstalt zu geben, die diese zur Feststellung des Unfalles, seiner Ursachen und seiner Folgen als notwendig erachtet, beides unter Verlust der Ansprüche im Weigerungsfälle.

Die besondern Versicherungsbedingungen ordnen das Meldewesen, insbesondere Form, Inhalt und Fristen der Anmeldungen.

Denjenigen Schaden, der aus verspäteter oder sonst nicht richtiger Erfüllung der Anzeigepflicht sowie aus nicht rechtzeitiger Inanspruchnahme des Arztes entsteht, tragen die Pflichtigen; bei mehr als dreimonatlicher Verspätung der Anzeige kann die Anstalt jede Leistung verweigern.

Der Beweis der Entschuldbarkeit der Nichtbefolgung der genannten Verpflichtungen bleibt den Pflichtigen vorbehalten.

636

Rückgriff Art. 19. In der Versicherung von Angestellten und Arbeitern der Anstalt durch den Arbeitgeber tritt die Anstalt bis auf die Höhe ihrer Leistungen ein in die Eechte des Versicherten oder seiner Hinterlasseneia gegenüber einem für den Unfall haftenden Dritten.

EinschränArt. 20. Besteht eine freiwillige Versicherung zu Bedingungen kung der und mit Leistungen, die mit denjenigen der obligatorischen VerHaftpflicht a. bei Voll- sicherung übereinstimmen oder ihnen gleichwertig sind, so greifen die versicherung. Haftungsbeschränkungen laut Art. 129 und die Befreiung von der Pflicht zur Lohnzahlung laut Art. 180 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung Platz, wenn der Arbeitgeber die Hälfte der Prämien der Versicherten auf eigene Kosten übernommen und tatsächlich bezahlt hat.

6. bei teilArt. 21. Besteht eine freiwillige Versicherung mit Versicherung»weiser Ver- leistungen, die denjenigen der obligatorischen Versicherung nicht sicherung. gleichwertig sind, so kann der Arbeitgeber den von ihm gemäss Art. 835 O.E. weiter zu zahlenden Lohn um das von der Versicherung ausbezahlte Krankengeld kürzen, wenn er sich bei Vertragsabschlusa zur Übernahme wenigstens der Hälfte der Prämien verpflichtet und solche tatsächlich bezahlt hat.

Verjährung.

Art. 22. Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrage Terjähren in zwei Jahren vom Unfallereignis an gerechnet.

Prämien.

Art. 28. Die Prämientarife werden vom Verwaltungsrate der Anstalt entsprechend der Unfallgefahr der zu versichernden Personen und Betriebe und den vereinbarten Versicherungsleistungen berechnet.

Sie geben die Höhe der Prämie im Verhältnis zum Verdienst oder auf andern geeigneten Grundlagen an.

Die Prämiensätze sind so zu bestimmen, dass aus den Prämien die Verpflichtungen der Anstalt voraussichtlich bestritten werden können. Sie können, soweit die Erfahrungen es rechtfertigen, je mit Wirkung vom neuen Bechnungsjahre an zwei Monate vor dessen Beginn abgeändert werden.

Bestehende Versicherungen bleiben für die Vertragsdauer von Tarifänderungen unberührt.

UnfallArt. 24. Der Versicherungsnehmer hat, soweit es mit Bücksicht verhütung. auf seine Beziehungen zur Familiengemeinschaft oder auf das Vertragsverhältnis mit den versicherten Personen ihm billigerweise zu gemutet werden darf, für genügende Schutzmassregeln gegen Unfall gefahren zu sorgen.

637 Die Versicherten sind verpflichtet: et. die zum Zwecke der Unfallverhütung erlassenen Vorschriften sorgfältig zu beachten, 5. dem Betriebsinhaber oder dessen Organen unverzüglich zu melden, falls Schutzvorrichtungen fehlen oder schadhaft geworden sind.

b. Die Kollektivversicherung.

Art. 25. Die Versicherung beginnt mit dem Eintritt in das die Beginn und Ende.

Zugehörigkeit zur versicherten Gemeinschaft begründete Rechtsverhältnis und endet mit dem Austritt aus diesem Verhältnis.

Art. 26. Die Prämie wird bei der Kollektivversicherung der Berechnung Angestellten und Arbeiter eines Betriebes in der Regel auf Grund der Prämie.

des Lohnes, bei den andern Kollektivversicherungen in der Regel auf Grund der Zahl der versicherten Personen (Kopfprämien) berechnet.

Art. 27. Bei Berechnung der Prämien auf Grund des Lohnes Prämie auf gilt als solcher der Gesamtlohn der im Betriebe beschäftigten ver- Grund dea Lohnes.

sicherten Personen, mit Einschluss des. Wertes allfälliger Neben- a. Massgebennnd Naturalleistungen, z. B. Kost, Wohnung, Heizung, Licht, freier der Lohn.

Bezug von Waren, die als Lohnteil erscheinen.

Für die Versicherung des Betriebsinhabers und seiner mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, ferner für die Versicherung von Lehrlingen, Volontären und Dienstboten wird eine besonders zu vereinbarende Verdienstsumme zugrunde gelegt. Der Verwaltungsrat der Anstalt kann spezielle Vorschriften für die Versicherung dieser Personen erlassen. .

Art. 28. Auf Grund des im Antrage oder auf spezielles Befragen b. Vorläufige ·wahrheitsgemäss anzugebenden, für die Dauer des Kalenderjahres Prämienund voraussichtlich zu zahlenden Gesamtlohnes wird eine approximative zahlung ZwischenPrämie berechnet, die zu Beginn des Kalenderjahres zum voraus zahlung.

zu zahlen ist.

Stellt sich im Laufe des Kalenderjahres heraus, dass die angegebene approximative Lohnsumme zu niedrig angesetzt wurde, so kann die Anstalt eine Zwischenzahlung verlangen.

Art. 29. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, Listen zu a. Lohnlistenführen, aus denen der jedem einzelnen Arbeiter oder Angestellten fuhrung.

bezahlte Lohn mit Einschluss der Neben- und der Naturalleistungen und sein Ein- und Austritt ersichtlich sind.

638

Die Anstalt ist berechtigt, die Lohnlisten sowie die zu deren Kontrolle dienenden Bücher und andere Schriftstücke jederzeit beim Versicherungsnehmer während der Vertragsdauer und während eines Jahres nach Beendigung des Vertrages prüfen zu lassen.

d. Endgültige Art. 30. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, der Anstalt Prämien. je innert vierzehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres unter Benützung eines Formulars der Anstalt eine genaue Aufstellung über die im betreffenden Jahre bezahlten und allfällig noch zu bezahlenden Löhne einzusenden.

Lohnaufstellungen, die nicht rechtzeitig geliefert werden, können von der Anstalt beim Pflichtigen auf dessen Kosten angefertigt werden.

Übersteigt der für das betreffende Jahr bezahlte Lohn die deklarierte approximative Lohnsumme, so ist die Prämie für den Melirbetrag nachzuzahlen; ist sie dagegen niedriger, so findet Bückvergütung der zu viel bezahlten Prämie durch die Anstalt statt.

Art. 31. Bei Bezug der Prämien auf Grund der Zahl der verPrämie nach der Zahl der sicherten Personen hat der Versicherungsnehmer der Anstalt die Versicherten. Namen derselben anzugeben und ihr bei Verlust jedes Entschädigungsanspruches jede Änderung im Personenbestande innert acht Tagen bekannt zu geben.

Besondere Abmachungen bleiben vorbehalten.

UnYerbindArt. 32. Die Anstalt ist berechtigt, vom Vertrage zurückzulichkeit.

treten und den Versicherungsnehmer für eine bestimmte Zeit von der

Versicherung auszuschliessen : a. wenn der Versicherungsnehmer keine oder nicht den Vorschriften des Art. 29 entsprechende Lohnlisten führt, b. wenn er die Lohnlisten wahrheitswidrig führt, oder sich weigert, sie der Anstalt oder ihrem Bevollmächtigten vorzulegen.

Dem Ausgeschlossenen steht das in Art. 13 vorgesehene Bekursrecht an den Verwaltungsrat zu.

, Art. 33. Geht der Betrieb, dessen Angestellte und Arbeiter Handänderung und versichert sind, in andere Hände über, so werden Bechte und Pflichten Einstellung aus dem Vertrag auf den neuen Betriebsinhaber übertragen. Die des Betriebes.

Anstalt und der neue Betriebsinhaber sind jedoch berechtigt, innert vierzehn Tagen vom Vertrage zurückzutreten. Die Frist läuft für den Betriebsinhaber vom Tage des Betriebsüberganges an, für die Anstalt vom Tage der Kenntnis der Übernahme an gerechnet. Macht die Anstalt von ihrem Bücktrittsrecht Gebrauch, so erlischt ihre Haftung aus der Versicherung binnen vier Wochen vom Tage der Bücktrittserklärung an.

639

Die endgültige Einstellung des Betriebes hat die Aufhebung des Versicherungsvertrages zur Folge.

Bei Aufhebung der Versicherung im Falle des Abs. l oder 2 hiervor werden die Prämien im Verhältnis zu der noch nicht abgelaufenen Zeit zurückerstattet.

c. Die Kollektivversicherung für landwirtschaftliche Betriebe.

Art. 84. Als landwirtschaftlicher Betrieb gilt der gewerbsmässige Umfang.

Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen und die gewerbsmässige Züchtung und Ernährung von Haustieren.'

Als zum landwirtschaftlichen Betriebe gehörig und als in die Versicherung eingeschlossen werden alle Hülfs- und Nebenarbeiten . betrachtet, die mit dem landwirtschaftlichen Betriebe in sachlichem Zusammenhang stehen oder die mit Hülfe des Personals oder der übrigen Mittel des Betriebes vorgenommen werden.

Art. 85. In die Versicherung sind einbezogen der Versicherungs- Versicherte.

nehmer, seine über vierzehn Jahre alten, mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, sowie sein ständig angestelltes, über vierzehn Jahre altes Dienstpersonal.

Personen, die nur zeitweilig im Betriebe tätig sind, wie Familienangehörige, die gewöhnlich auf eigene Eechnung oder in einem fremden Betriebe oder aus Gefälligkeit im versicherten Betriebe arbeiten, vorübergehend gegen Taglohnvergütung beschäftigte Arbeiter etc.

sind nur gegen Unfälle versichert, die ihnen durch den versicherten Betrieb und in demselben zustossen. Selbständige Handwerker und ihre Gehülfen (Störarbeiter) sind nur dann und nur in diesem beschränkten Umfange in die Versicherung eingeschlossen, wenn sie vom versicherten Betriebe voll verpflegt werden und nicht bereits bei der Anstalt versichert sind.

Die Anstalt ist berechtigt, Nebenbetriebe, die nicht als Hülfsoder Nebenarbeiten des landwirtschaftlichen Betriebes gelten können, von der Versicherung auszuschliessen oder für deren Versicherung besondere Zuschläge zu erheben.

Art. 86. Die Prämien werden in der Eegel auf Grund des durch Berechnung den Versicherungsnehmer bewirtschafteten Grundbesitzes unter Be- der Prämie.

rücksichtigung der Kulturarten berechnet, wobei je nach dem Umfange mitzuversichernder Nebenbetriebe nach Art. 35, Absatz 3, Zuschlagsprämien erhoben werden.

Vergrösserungen des landwirtschaftlichen Grundbesitzes um " mindestens eine halbe Hektar und Ausdehnung der Nebenbetriebe sind der Anstalt innert Monatsfrist bekannt zu geben. Der Versicherungsnehmer hat die darauf entfallende Prämie nachzuzahlen.

640 Bei Verminderung des Grundbesitzes oder der versicherten Nebenbetriebe wird die Prämie entsprechend reduziert.

Bei Alpbetrieben kann die Stückzahl des Viehbestandes als Grundlage dienen.

Grundlage für die Leistungen.

Art. 87. In den Vereinbarungen kann zur Bestimmung der Veraicherungsleistungen für vorübergehende Erwerbsunfähigkeit ein einheitlicher Tagesverdienst, zur Bestimmung der Renten und Kapitalbeträge als Entschädigung für dauernde Erwerbsunfähigkeit ein einheitlicher Jahresverdienst festgesetzt werden.

C. Die freiwillige Versicherung von Drittpersonen.

Umfang.

Ausschi uss von der Versicherung.

Art. 38. In der Drittpersonenversicherung verpflichtet sich die Anstalt zur Entschädigung der Unfälle, für die der Versicherungsnehmer zufolge gesetzlicher Pflicht gegenüber andern Personen als seinen Angestellten und Arbeitern oder seinen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen aufzukommen hat, desgleichen zur Übernahme der Verhandlungen mit der verletzten Drittperson, sowie zur Führung eines allfälligen Eechtsstreites und zur Tragung der bezüglichen Kosten. Die Anstalt anerkennt einen unmittelbaren Anspruch der Drittperson auf Entschädigung.

Art. 89. Ausgeschlossen von der Versicherung sind: a. die vom Versicherungsnehmer absichtlich oder grobfahrlässig herbeigeführten Unfälle, b. Sachschäden.

Leistungen.

Art. 40. Die Anstalt ist befugt, für ihre Leistungen bestimmte Höchstbeträge im Versicherungsvertrage festzusetzen.

Pflichten nach Eintritt eines Unfalles.

Art. 41. Der Versicherungsnehmer hat, sobald er von einem Unfälle Kenntnis erhält, der unter die Versicherung fällt, der Anstalt Anzeige zu erstatten. Er darf ohne vorgängige Zustimmung der Anstalt gegen ihn geltend gemachte Ansprüche weder grundsätzlich noch der Höhe nach anerkennen, noch sich in einen Prozess darüber einlassen.

Die besondern Versicherungsbedingungen ordnen das Meldewesen, insbesondere Form, Inhalt und Fristen der Anmeldungen.

Der Versicherungsnehmer hat der Anstalt jede Mithülfe zur Prüfung der Berechtigung allfälliger seitens Dritter erhobener Ansprüche zu gewähren.

Bei Zuwiderhandlung gegen die vorstehend genannten Verpflichtungen kann die Anstalt jede Leistung ablehnen, es sei denn, der Versicherungsnehmer weise seine Entschuldbarkeit nach.

641

Art. 42. Auf die Anstalt geht insoweit, als sie Entschädigung Rückgriff geleistet hat, der Ersatzanspruch und das Klagerecht über, die dem der Anstalt.

Versicherungsnehmer gegenüber Dritten zustehen.

Art. 48. Die Prämientarife werden vom Verwaltungsrate aufgestellt.

Prämien.

D. Schlussbestimmungen.

Art. 44. Die Vorschriften dieses Bundesbeschlusses dürfen Unabänderliches Recht durch Vertragsabrede nicht geändert werden.

Art. 45. Die Anstalt stellt im Eahmen dieses Bundesbeschlusses '.Durchführung der die weiter erforderlichen allgemeinen und besondern VersicherungsVersicherung.

bedingungen auf.

Art. 46. Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag findet Subsidiäres Recht.

auf diesen Bündesbeschluss sinngemässe ergänzende Anwendung, Art. 47. Auf das Verhältnis der unter den Bedingungen der Verhältnis obligatorischen Versicherung abgeschlossenen freiwilligen Versiehe zur Militärrung zur Militärversicherung finden die Art. 56--.59 des Bundes- veraicherung.

gesetzes über die Militärversicherung vom 23. Dezember 1914 entsprechend Anwendung; im übrigen richtet sich das Verhältnis der freiwilligen Versicherung zur Militärversicherung nach den von der Anstalt zu erlassenden allgemeinen und besondern Versicherungsbedingungen.

Art. 48. Dieser Bündesbeschluss tritt am Kraft.

Bandesblatt. 72. Jahrg. Bd. V.

in Inkrafttreten.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Ordnung der Bedingungen der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Versicherung von Drittpersonen gegen Unfall, gemäss Art. 115 ff. des Bundesgesetzes über die Kranken- und Unf...

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1920

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52

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1349

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

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Date Data Seite

609-641

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