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Kreisschreiben des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Auslegung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1920 über die Anrechnung von Aktivdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes.

(Vom 17. September 1920.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Um eine gleichmässige Anwendung unseres Beschlusses vom 21. Mai 1920 betreffend die Anrechnung von Aktivdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes*) sicherzustellen, beehren wir uns, Ihnen folgendes mitzuteilen: Darüber, dass nicht alle, sondern nur die im ßundesratsbeschluss vom 21. Mai 1920 ausdrücklich genannten Kategorien von Wehrpflichtigen, welche mehr als 250 Tage Aktivdienst geleistet haben, Anspruch auf Steuerherabsetzung haben, kann nach dem Wortlaut'des Beschlusses kein Zweifel bestehen. Es sind die nämlichen Kategorien von Wehrpflichtigen, welche der Begünstigung des Art. 6 des . Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 teilhaftig sind, also die aus sanitarischen Gründen ausgemusterten und die nach Art. 13 MO temporär vom Dienst befreiten Wehrpflichtigen. Die Kategorie der aus sanitarischen Gründen ausgemusterten Wehrpflichtigen ist in drei Unterabteilungen, die gänzlich dienstuntauglichen, die zu den Hülfsdiensten versetzten und die vorzeitig zum Landsturm versetzten Wehrpflichtigen, gegliedert; diese Dreiteilung entspricht der Praxis des Art. 6 des Gesetzes und brachte somit nichts Neues. Wie bisher kommt also neben den nach Art. 13 MO temporär befreiten Wehrpflichtigen für eine Steuerherabsetzung nur in Betracht, wer aus s a n i t a r i s c h e n . G r ü n d e n dienstuntauglich geworden oder zu den *) S. Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 308.

319 Hilfsdiensten oder zum Landsturm versetzt worden ist. Keinen Anspruch auf Steuerermässigung hat deshalb z. B. ein Offizier oder Unteroffizier, der nach mehr als 250 Tagen Aktivdienst gemäss Art. 19 MO seines Kommandos enthoben worden ist. Um unbillige Härten zu vermeiden, sind bei den vorzeitig zum Landsturm versetzten Wehrpflichtigen die nach der sanitarischen Verfügung im Landsturm geleisteten Aktivdiensttage mitzuzählen.

Um jedes Missverständnis auszuschalten, erwähnen wir auch noch kurz, dass ein Wehrpflichtiger, der mindestens acht Jahre Dienst getan und während seiner Dienstzeit mehr als 250 Tage Aktivdienst geleistet hat, selbstverständlich nicht einen Anspruch auf Steuerherabsetzung aus Art. 6 des Gesetzes u n d gleichzeitig noch einen besondern aus dem .Bundesratsbeschluss vom 21. Mai 1920 herleiten kann, so dass er nur die Hälfte von der Hälfte, d. h. den Vierteil des für seine Altersklasse festgesetzten Ersatzes zu bezahlen hätte. Die Steuerermässigungen des Art. 6 des Gesetzes und des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1920 sind a l t e r n a t i v , nicht kumulativ, d.h. der Wehrpflichtige, der vor seiner sanitarischen Ausmusterung bzw. vor seiner temporären Dienstbefreiung mindestens acht Jahre Dienst getan hat, wobei als Dienstjahre die Jahre des Aktivdienstes gleich wie die Jahre des Instruktionsdienstes zu zählen sind, bezahlt die Hälfte der seiner Altersklasse auffallenden Ersatzabgabe. Wenn er während dieser Dienstzeit auch noch mehr als 250 Tage Aktivdienst geleistet hat, so berechtigt ihn das nicht zu einer weitern Steuerermässigung; diese beträgt unter allen Umständen nur die Hälfte des für die betreffende Altersklasse festgesetzten Ersatzes.

Darüber, was als Aktivdienst im Sinne unseres Beschlusses vom 21. Mai 1920 zu gelten habe, scheinen bei den ausführenden Behörden verschiedene Auffassungen zu bestehen. Aus unserm vom gleichen Tage datierten Bericht an die Bundesversammlung (vgl. Bundesblatt 1920, Hl, 366 ff.) ergibt sich, dass nur der bei der T r u p p e , d.h. der im Felde bei Auszugs-, Landwehroder Landsturmformationen geleistete Aktivdienst angerechnet werden kann. Das Gegenteil aus der Bestimmung des Art. l, Alinea 2, des Beschlusses schliessen zu wollen, nämlich dass jeder Dienst, der als Aktivdienst gilt, zur Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai
1920 berechtige, wäre falsch; denn der Dienst bei der Bewachungstruppe (einschliesslich der Heerespolizei) und bei Eskorten (Warenzügen und Kriegsgefangenentransporten) ist Truppendienst und musste deshalb ausdrücklich ausgenommen werden, während der Dienst in der Verwaltung oder in Werkstätten als Territorialdienst ausserhalb des Truppenverbandes von

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vornherein nicht in Betracht kam. In gleicher Weise wie der in der Militärverwaltung geleistete Territorialdienst, -fällt auch der als Mitglied von Telegramm-Kontrollkommissionen Motorwagen- und Motorräder-Schatzungskommissionen oder in ähnlichen Funktionen geleistete Dienst nicht in Berechnung. Dass der im Kriegsbetrieb geleistete Eisenbahndienst wie auch die im Friedensbetrieb besorgte bewaffnete Bahnbewachung nicht in Anrechnung gebracht werden können, ergibt sich schon daraus, dass diese Dienstleistungen des Eisenbahnpersonals, wenn sie auch auf Grund besonderer Bestimmungen in den betreffenden Jahren zur Enthebung vom Militärpflichtersatz berechtigt haben, überhaupt nicht Militärdienst sind (vgl. Entscheid des Bundesrates vom 18. Juli 1916, Bundesblatt 1916, III, 357). Wenn ein Wehrmann von deiTruppe weg in einen Spital oder in eine Etappensanitätsanstalt evakuiert werden musste, so sind diese im Dienstbüchlein eingetragenen Krankentage mitzuzählen, Die Frage, ob ' der während der Grenzbesetzung geleistete Instruktionsdienst im Sinne unseres Beschlusses vom 21. Mai 1920 als Aktivdienst zu bewerten sei, ist grundsätzlich zu verneinen. Es ist nun aber zu beachten, dass während der Grenzbesetzung Instruktionsdienst vielfach unter andern als den gesetzlichen Voraussetzungen geleistet wurde. Offiziersschulen und Unteroffiziersschulen sind oft in längerer Dauer, als die Militärorganisation bestimmt, im Felde abgehalten worden. Ferner wurden von der Heeresleitung Einführungskurse für zu neuen Formationen eingeteilte (Mitrailleure etc.) oder zur speziellen Verwendung bestimmte Wehrmänner abgehalten, welche als Instruktionsdienst in der Militärorganisation nicht vorgesehen sind. Schliesslich sind gemäss Verfügungen des eidgenössischen Militärdepartementes und des Generals in Abänderung der Militärorganisation zu den Rekrutenschulen nicht neu ernannte und zur Beförderung vorgeschlagene, sondern ältere, im Aktivdienst erfahrene Lieutenants und Oberlieutenants und selbst Hauptleute kommandiert worden, während die erstem zu der Truppe eingezogen wurden. In gleicher Weise wurde hinsichtlich der Unteroffiziere verfahren.

Es wäre nun zweifellos unbillig, wenn der von diesen Leuten geleistete Dienst ohne Rücksicht auf die besondern Umstände, unter denen er geleistet worden ist, als Instruktionsdienst gewertet und infolgedessen bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 21. Juni 1920 nicht berücksichtigt würde.

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Ausser dem bei der Truppe geleisteten Aktivdienst ist deshalb als Aktivdienst im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1920 zu rechnen: a. der während der Grenzbesetzung in Schulen und Kursen geleistete Dienst, soweit dessen Dauer die in der Militärorganisation vorgesehene Zeit überstiegen hat.

Der Dienst, welchen Offiziere und Unteroffiziere infolge Abkommandierung während der Grenzbesetzung statt mit ihrem Truppenteil in einer Schule oder in einem Kurse geleistet haben, ist in seiner ganzen Dauer als Aktivdienst anzurechnen, wenn der Abkommandierte diese Schule (bzw.

diesen Kurs) nach den Bestimmungen der Militärorganisation über den Instruktionsdienst unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht zu bestehen gehabt hätte; &. der Dienst in den besondern, von der Armee abgehaltenen, in der Militärorganisation nicht vorgesehenen Kursen.

Wir ersuchen Sie, den Militärsteuerbehörden Ihres Kantons von diesen Ausführungen Kenntnis geben zu wollen, und benützen diesen Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 17. September 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: Steiger.

-^K»e-

Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte der Eidgenossenschaft sind am 20. September 1920, um 17 Uhr, zur Fortsetzung der ordentlichen Sommersession (5. Tagung der XXV. Amtsdauer) zusammengetreten.

In beiden Räten gedachten die Präsidien bei der Sessionseröffnung des verstorbenen Herrn Nationalrat D ü b y .

Im Nationalrat sind als neue Mitglieder erschienen: aus dem Kanton Zürich: Herr Fritz P l a t t e n in Zürich; aus dem Kanton Bern: Herr Oskar L a u ff er in Bern.

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Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend die Auslegung des Bundesratsbeschlusses vom 21. Mai 1920 über die Anrechnung von Aktivdienst bei der Bemessung des Militärpflichtersatzes. (Vom 17. September 1920.)

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22.09.1920

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