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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Rücktrittsgehälter der Kommandanten der Heereseinheiten.

(Vom 23. April 1920.}

Im Entwurf zum Budget des Militärdepartements für 1920 war unter A. 13 ,,Entschädigungen an die Kommandanten der Heereseinheiten" ein Betrag von Fr. 20,000 vorgesehen gewesen für die Ruhegehälter des Generals Wille, der Oberstkorpskom'mandanten Wildbolz und Brügger, des Oberstdivisionärs Schmid und des Obersten Fama.

Diese Ruhegehälter waren durch den Bundesrat bewilligt worden einmal auf Grund des Art. 190 MO, insbesondere aber auf Grund der Interpretation, die dieser Artikel durch die eidgenössischen Räte im Jahre 1912 erfahren hatte. Als nämlich mit Einführung der neuen Truppenordnung es sich als notwendig erwiesen hatte, dass die Kommandanten der Armeekorps, Divisionen und Festungsbesatzungen ihre Kommandos nicht mehr im Nebenamte auszuüben, sondern dass sie sich ihnen ungehemmt durch andere Berufsaufgaben zu widmen hatten, unterbreitete der Bundesrat den gesetzgebenden Räten eine Vorlage auf Abänderung des Art. 190 MO, in der dieser Grundsatz niedergelegt und dem Bundesrat die Befugnis übertragen werden sollte, in d i e s e m Sinne die Entschädigungen der Kommandanten der Heereseinheiten festzusetzen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 18. Dezember 1811, Bundesbl. 1911, Bd. V, S. 358 ff.). Die Räte sind auf diese Vorlage nicht eingetreten, von der Annahme ausgehend, dass der bestehende Art. 190 MO dem Bundesrate bereits die nötigen Kompetenzen gebe. Der Bundesrat hat daraufhin die jährlichen Entschädigungen für die Kommandanten der Heereseinheiten festgesetzt, und sie im übrigen bezüglich Pferde-

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kompetenzen, Deplacementsentschädigungen u. dgl. im wesentlichen den in dieser Beziehung für die Instruktionsoffiziere bestehenden Vorschriften unterstellt (Bundesratsbeschluss vom 24. Dezember 1912). In diesem Bundesratsbeschluss ist nicht ausdrücklich gesagt, dass der Kommandant einer Heereseinheit keinen andern Erwerb haben dürfe. Es sollte die Regelung dieser Frage dem Einzelfalle vorbehalten bleiben. Tatsächlich wurde aber die Betätigung in einem andern Berufe ausgeschlossen oder auf kleine, ihren Inhaber nur wenig beanspruchende Nebenämter eingeschränkt.

Hauptamt war für sämtliche in Frage kommende Herren ihr Kommando. Daraus ergab sich die Konsequenz, dass diejenigen Kommandanten von Heereseinheiten, die vor ihrer Ernennung einen Zivilberuf ausgeübt hatten, diesen verlassen mussten, aus ihm herausgerissen wurden. Und auch frühere Instruktionsoffiziere traten aus ihrem bisherigen Anstellungsverhältnis zum Bund aus.

Aus diesem Grunde schien es denn auch ganz selbstverständlich, dass den Kommandanten der Heereseinheiten nicht nur während ihrer Kommandoführung, sondern auch nach ihrem allfälligen Rücktritt eine Entschädigung gewährt werde, aus der sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.

Wir haben schon oben darauf hingewiesen, dass die Kommandanten der Heereseinheiten in vielen Dingen den Instruktionsoffizieren gleichgestellt worden sind. Instruktionsoffiziere aber, die aus ihrem Amte wegen irgendwelcher Gebrechen ausscheiden, erhalten schon seit Jahrzehnten -- die ersten Fälle datieren von 1891 -- den sogenannten Halbsold. Bei den Instruktoren hat damit in dieser Form der Gedanke der Pensionierung zum erstenmal praktische Gestalt angenommen; später hat Ähnliches auch gegenüber Beamten stattgefunden, und heute dürfte der Zeitpunkt nicht mehr ferne sein, wo die Pensionierungsfrage unseres ganzen Beamtenkörpers eine neue gesetzliche Regelung finden wird.

Die Ähnlichkeit der Verhältnisse der Kommandanten der Heereseinheiten zu denjenigen der Instruktoren legte es ganz von selber nahe, für jene den gleichen Weg zu betreten wie für diese. Denn darüber war man sich ohne weiteres klar, dass es nicht angehen konnte, Offiziere im Alter von 50 und mehr Jahren aus ihrem Zivilberufe herauszureissen zum ständigen Dienste in der Armee, um sie nachher, wenn sie von ihrem Kommando aus diesem oder
jenem Grunde zurücktreten mussten, brotlos auf die Strasse zu stellen. Für Instruktionsoffiziere aber schien es noch viel unzulässiger, sie durch ihre Beförderung in das verantwortungsvolle Kommando einer Heereseinheit des Anspruchs auf

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den Halbsold, den sie bislang besessen hatten, verlustig zu erklären.

Die Verweigerung des Rücktrittsgehaltes an Kommandanten von Heereseinheiten, die vordem Milizoffiziere gewesen waren, hätte demnach dazu führen müssen, dass nur Instruktionsoffiziere oder dann Milizoffiziere mit grossem Vermögen das Kommando einer Heereseinheit hätten übernehmen können. Ein solcher Zustand wäre unvereinbar mit dem Grundgedanken der Milizorganisation und mit der demokratischen Auffassung unserer Armee.

Auf eines sei zum Schlüsse noch besonders hingewiesen.

Nur durch die Möglichkeit, ein Rücktrittsgehalt zu bewilligen, bleibt dem Bundesrat die nötige Bewegungsfreiheit, notwendig werdende Änderungen im Kommando unserer Heereseinheiten im gegebenen Moment durchzuführen. Diese Bewegungsfreiheit wäre in unerträglicher Weise eingeschränkt, wenn mit der militärischen Entlassung auch die ökonomische Not des von einer solchen Massnahme Betroffenen verbunden wäre. Darum verlangt auch das Interesse unseres Wehrwesens selbst gebieterisch, dass eine Regelung getroffen wird, die eine Besetzung der Kommandos der Heereseinheiten und Änderungen in dieser Besetzung ganz unabhängig von den privaten ökonomischen Verhältnissen der in Frage stehenden Personen ermöglicht.

Es sei denn auch nicht verschwiegen, dass schon im Jahre 1912 den damaligen Kommandanten der Heereseinheiten vom Chef des Militärdepartements die Zusicherung ist gegeben worden, dass sie im Falle des Rücktrittes ein Rücktrittsgehalt ähnlich dem Halbsold der Instruktoren erhalten würden.

Diese Gründe -- der Inhalt des Art. 190 MO, insbesondere seine Interpretation durch die Räte im Dezember 1912, die Analogie zu den Verhältnissen der Instruktionsoffiziere und endlich die Überzeugung, dass im Interesse unseres Wehrwesens und der elementarsten Billigkeit nicht anders gehandelt werden könne -- haben den Bundesrat dazu geführt, den zurücktretenden Kommandanten von Heereseinheiten Rücktrittsgehälter zu gewähren.

Mit Beschluss vom 13. Februar und 2. März 1920 haben jedoch die gesetzgebenden Räte den Posten von Fr. 20,000 aus dem Budget gestrichen, zugleich aber den Bundesrat eingeladen, ihnen eine Vorlage zu unterbreiten, durch welche die Auszahlung der Rücktrittsgehälter auf gesetzliche Basis gestellt werde. Wir kommen hiermit diesem Auftrage nach und beantragen

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Ihnen, die Frage vorläufig durch einen Bundesbeschluss zu ordnen, in der Meinung, dass sie ihre endgültige Lösung im Anschluss oder direkt mit der Einführung der allgemeinen Versicherungskasse finden solle. Es handelt sich also nur um eine provisorische Regelung, die voraussichtlich nur für dieses Jahr noch praktische Bedeutung haben wird. Darum sind wir auch der Meinung, dass dem zu fassenden Bundesbeschluss keine allgemeine Verbindlichkeit zuerkannt werden kann.

Gestützt auf diese Darlegungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des nachfolgenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss und benützen den Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 23. April 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Bumlcsbeschluss betreffend

Rücktrittsgehälter der Kommandanten der Heereseinheiten.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 23. April 1920, beschliesst: 1. Der Bundesrat ist ermächtigt, den von ihrem Kommando zurückgetretenen oder zurücktretenden Kommandanten von Heereseinheiten Ruhegehälter bis zur Hälfte der von ihnen bezogenen jährlichen Entschädigung auszurichten.

2. Die Vorschriften der Versicherungskasse der eidgenössischen Beamten, Angestellten und Arbeiter werden vorbehalten.

3. Dieser Bundesbeschluss tritt, als nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Rücktrittsgehälter der Kommandanten der Heereseinheiten. (Vom 23. April 1920.}

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28.04.1920

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