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Bundesblatt

72. Jahrgang.

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zu 1155

Bern, den 21. Januar 1920.

Band I.

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Februarsession 1920).

(Vom 13. Januar 1920.)

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, Ihnen über folgende Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen : 93. Daniel Bourgoz, geb. 1894, gew. Aushülfsbeamter der Postver waltung, z. Z. in der Strafanstalt Thorberg (Bern).

(Postdelikte, Unterschlagung und Diebstahl.)

Daniel Bourgoz wurde am 11. Februar 1919 von der Cour de Justice correctionnelle des Kantons Genf in Anwendung der Artikel 54 und 33 des Bundesstrafrechtes, 155, 156, 316 und 329 des Code Pénal des Kantons Genf verurteilt zu 18 Monaten Gefängnis und Fr. 50 Busse. Nach Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft von 2 Monaten und 2 Tagen wurde die noch zu verbüssende Strafe bestimmt auf 15 Monate und 28 Tage.

Bourgoz hat während seiner amtlichen Tätigkeit von dem Inhalt versiegelter Briefe oder Pakete sich Kenntnis verschafft, rekommandierte und andere Briefe unterschlagen, laut Geständnis deren Inhalt im Gesamtbetrag von etwa Fr. 700 an sich genommen, Postmarken und einen Wertbrief von Fr. 200 entwendet.

Ende November letzten Jahres wandte sich Bourgoz am die Begnadigungskommission des Grossen Rates des Kantons Genf mit dem Ersuchen um Erlass der Gefängnisstrafe, soweit sie noch nicht verbüsst sei. In dem Schreiben wird namentlich hervorgehoben, Bourgoz, der keine Vorstrafen aufweise, habe deu ·bedingten Straferlass nicht erlangen können, weil Bundesstrafrecht Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. I.

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zur Anwendung gelangt sei. Man möge ihm entgegenkommen., da er für zwei kleine Kinder sorgen müsse.

Nach einem Schreiben der Mutter des Verurteilten hat diesezurzeit die Kinder Bourgoz zu sich genommen. Die Ehe des Sohnes drohe auseinander zu gehen, da seine Frau die Scheidung verlange. .Es sei dringlich notwendig, dass Bourgoz an die Unterhaltskosten ,,für die Kinder beitragen könne.

In den Akten befindet sich ferner eine Vernehmlassung der rStrafanstaltsdirektion Thorberg, wonach Verhalten und Arbeitsleistung des Sträflings befriedigen. Gegen einen gewissen Erlassder Strafe wird nichts eingewendet.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf hält dafür, Bourgoz sei der Beachtung nicht unwürdig. Man dürfe ihm im Wege der Begnadigung entgegenkommen, da er sehr streng bestraft und der bedingte Straferlass angesichts des massgebenden eidgenössischen Rechtes verweigert worden sei.

Das Begnadigungsgesuch wurde von den Genfer Behörden an die Bundesversammlung weitergeleitet, da sich die kantonale Begnadigungskommission für unzuständig erachtete.

Es handelt sich in Sachen Bourgoz um einen Straflall, in dem eidgenössische und kantonale Tatbeslände miteinander zu beurteilen waren. Da Artikel 54 des Bundesstrafrechtes in Verbindung mit Artikel 4 Gefängnis bis zu 6 Jahren vorsieht, war der auszusprechenden Gesamtstrafe das Bundesstrafrecht zugrundezu legen. Danach ist das eidgenössische Recht aber auch massgebend für die Begnadigung, die hier entsprechend der Meinung, der Begnadigungsbehörde des Kantons Genf der Bundesversammlung zusteht.

Nach Überprüfung der Akten halten wir, ausgehend von den Berichten der Strafunstaltsdirektion Thorberg und der Staatsanwaltschaft des Kantons Genf, einen teilweisen Erlass der Gefängnisstrafe für möglich. Wir beantragen Herabsetzung in dem Sinne, däss Bourgoz gewährt wird, die Strafanstalt statt anfangsJuni am i. März 1920 zu verlassen. Derart würde die Gefängnisstrafe von 18 Monaten um rund einen Sechstel ermässigt. · A n t r a g : Erlass der Gefängnisstrafe, soweit sie am 1. März, 1920 noch nicht erstanden ist.

94. Emile Dubelly, geb. 1869, Privatdetektiv, Genf.

(Verbotener Nachrichtendienst.)

Emile Dubelly wurde am 26. September 1919 vom Bundesstrafgericht, gestützt auf Art. 5 der bundesrätlichen Verordnung:

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vom 6. August 1914 betreffend Straf bestimmungen für den Kriegszustand (A. 8. n. F. XXX, 370), verurteilt zu drei Monaten Gefängnis, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungsfciaft von 71 Tagen, und Fr. 300 Busse.

Dubelly wurde im Sommer 1916 für den französischen Nachrichtendienst angeworben und lieferte bis Ende 1918 Berichte über Personen und Handelshäuser, die ihm von Agenten der französischen Contreespionage bezeichnet wurden. Er berichtete regelmassig nach Annemasse und beschaffte unter anderem amtliche Schriftstücke, die ihm ein Polizist ausgehändigt halite.

Ähnlich bediente er das englische Konsulat in Genf.

Dubelly ersucht, ihm die noch nicht verbüssten 19 Tage im Wege der Begnadigung zu erlassen. Die erneute Inhaftsetzung werde die auf seinen Erwerb angewiesene Familie ins Elend bringen. Die Untersuchungshaft habe ihm schwer zugesetzt. Man möge in Betracht ziehen, dass er auch unserem Lande Dienste geleistet habe. Da die Mitverurteilten ohne Mittel seien, müsse er aus der mit fremder Hülfe aufgebrachten Kaution sämtliche Kosten tragen.

Wie Akten und Urteilserwäguügen zeigen, sind die Anbringen des Gesuches, auf das wir für Einzelheiten verweisen, lediglich eine Wiederholung .früherer Ausführungen. Wir halten deshalb dafür, es solle bei dem ergangenen Urteile des Bundesstrafgerichtee sein Bewenden haben und beantragen Abweisung.

A n t r a g : Abweisung.

95. René Dunstheimer, geb. 1882, Kaufmann, von Aachen, Neuhausen (Sehaffhausen).

96. Bertha Dold. geb. 1868, Schaffhausen.

97. Julius Leuthold, geb. 1876, Handelsangestellter, Basel.

98. Emil Hirler, geb. 1860, Möbelfabrikant, Mühlhausen und Basel.

99. Gottlob Frey, geb. 1868, Kaufmann, Basel.

100. Gottlieb Kunz, geb. 1868, Händler.

101. Marie Kunz-Huber, geb. 1879, beide von Prevorst (Württemberg"), in Wetüngen (Aargau).

102. Josef Seilmeier, geb. 1866, Schlosser.

103. Emma Sellmeier-Vonrufs, geb. 1857, beide in Wettingen (Aargau).

104. Jakob Schärer, geb. 1884, Reisender, Lausanne (Waidt), 105. Anna Sauter-Deichelbohrer, geb. 1892, von Hechingen (Württemberg), in Konstanz.

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106. Josefine Schneider-Schneider, geb. 1862, von Dingolsdorf (Baden), in Emmvshofen (Thurgau).

107. Thérèse Dauberger-Matt, geb. 1856, von Ollen bei Wien, in Kreuzungen (Thurgau).

Sophie Bischoff-Volz, Kreuzlingen (Thurgau).

Beat ZUndt, Montlingen (St. Gallen).

Michael Reisacher, Emmishofen (Thurgau).

Jakob KöStli, Emmishofen (Thurgau).

(Ausfuhrschmuggel.)

Gestützt auf die Bundesratsbeschlttsse vom 30. Juni 1917 oder 12. April 1918 betreffend Bestrafung der Widerhandlungen gegen das Ausfuhrverbot. (A. S. n. F. XXXIII, 459 ; XXXIV, 467) wurden verurteilt: a. René Dunstheirner am 27. Januar 1919 zu Fr. 6450 Busse, Fr. 3815.20 Wertersatz und solidarischer Haftbarkeit insbesondere für Bussen im Betrage von Fr. 9508 und Kostenanteile im Betrage von Fr. 3832. 25. Totalbetrag Fr. 23,627. 80 ; b. Bertha Dold am 8. Oktober 1919 zu Fr. 100 Busse; c. Julius Leuthold am 11. September/18. Oktober 1919 zu Fr. 1400 Busse ; d. Emil Hirler am 10. Juli/11. August 1919 zu Fr. 5000 Busse, alle durch zollbehördliche Strafentscheide; e. Gottlob Frey am 24. September 1918 vom Obergericht des Kantons Basel-Landschaft zu l Monat Gefängnis und Fr. 300 Busse ; f. Gottlieb Kunz zu 3 Wochen Gefängnis und Fr. 1000 Busse, g. Marie Kunz-Huber zu 4 Tagen Gefängnis, Ä. Josef Sellmeier zu 4 Wochen Gefängnis und Fr. 1200 Busse, i. Emma Sellmeier-Vonrufs zu 4 Tagen Gefängnis; Je. Jakob Schärer zu 4 Tagen Gefängnis und Fr. 500 Busse, alle am 2. Juli 1919 vom, Bezirksgericht Zurzach (Aargau).

L Anna Sauter - Deichelbohrer zu einem Jahr Gefàngnisj Fr. 4000 Busse und 5 Jahren Landesverweisung, m. Josefine .Schneider-Schneider zu 2 Monaten Gefängnis, Fr. 1000 Busse und 3 Jahren Landesverweisung, n. Thérèse Dauberger-Matt zu 2 Monaten Gefängnis, Fr. 1000 Busse und 2 Jahren Landesverweisung, alle am 27. Mai 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau; o. Sophie Bischoff-Volz am 20. August 1919 vom Bezirksgericht Kreuzlingen zu Fr. 200 Busse; p. Beat Zündt am 21. März 1919 zu l Monat Gefängnis und Fr. 300 Busse; 108.

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q. Michael Reisacher zu 3*/2 Monaten Gefängnis und Fr. 1000 Busse, r. Jakob Köstli zu 3*/2 Monaten Gefängnis und Fr. 500 Busse, beide am 13. September 1919 vom Obergericht des Kantons Thurgau.

Zu a. René Dunstheimer hat sich im Frühjahr und Sommer 1918 mit zwei jetzt landesabweseoden Konsulatsangestellten und anderen an der komplottmässigen Ausschmuggelung von Zahnund Rohgummi im Werte von Fr. 9380 beteiligt. Ausserdem schmuggelte er Herrenunterwäsche im Betrage von etwas über Fr. 100 nach Deutschland.

In dem für Dunstheimer eingereichten Begnadigungsgesuch wird hervorgehoben, Fr. 20,000 seien bezahlt, indem die in dieser Höhe geleistete Kaution als verfallen erklärt worden sei. Zurzeit werde Dunstheimer von den Zollbehörden für den Restbetrag von Fr. 3627. 80 betrieben. Diesen Betrag möge man jedoch Dunstheimer im Wege der Begnadigung erlassen. Abgesehen davon, dass ihn die Zollbehörden drei Wochen in Untersuchung^ haft behalten hätten, habe er für die Kaution von Fr. 20,000 seine ganzen Ersparnisse aufwenden müssen. Die Mitverurteilten seien ausser Landes, und Dunstheimer könne sie nicht erreichen.

Die verhängnisvolle Angelegenheit habe ihm seine Stellung gekostet, zurzeit arbeite er in Vertretungen, die nicht viel einbrächten, und die Weiterftthrung der Betreibung würde ihn vernichten. Es bestehe jedenfalls nicht die Meinung, einen einzigen büssen zu lassen, indes die Mitschuldigen leer ausgegangen seien.

Nach der Vernehmlassung der eidgenössischen Oberzolldirektion muss jedoch die Darstellung des Gesuches berichtigt werden. Einmal ist die erstandene Untersuchungshaft bei der Bestimmung der Busse ausdrücklich in Betracht gezogen worden.

Ferner scheint die Kaution nur zur Hälfte von Dunstheimer aufgebracht zu sein, da ein Mitbeteiligter Fr. 10,000 beigesteuert haben will. Danach hat Dunstheimer. nicht im vollem Umfang für die andern aufzukommen. Er soll sehr wohl in der Lage sein, den Restbetrag zu entrichten.

Wir beantragen deshalb mit der Oberzolldirektion, das Gesuch abzuweisen.

Zu b. Am 26. August 1919 wurde der zwölfjährige Xaver Dold angehalten, als er mit einem Handwagen, in dem sich zwei Pakete Zigaretten befanden, dem Walde hinter dem Gaisberg (Schaffhausen) zu zog. In der angehobenen Untersuchung gestand

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seine Mutter Bertha Dold, den Knaben im Einverständnis mit Schmugglern mehrmals zu derartigen Gängen verwendet zu haben.

Von der Ware wurde ein Teil im Wert von Fr. 800 von Dritten ausgeschmuggelt, der Rest im Werte von Fr. 460 beschlagnahmt.

Frau Dold ersucht um Erlass der Fr. 100, schildert die vorhandene Armut, die Krankheit des Mannes und beteuert ihre Unschuld. Die Bezahlung der Busse sei unmöglich, und die Umwandlung in Gefängnis möge man ihr ersparen, da sie mit 55 Jahren noch nicht vorbestraft sei.

Es kann sich einzig fragen, ob die geltend gemachte Armut zu einer teilweisen Herabsetzung Anlass gebe. Laut Bericht der Ober/,olldirektion sind jedoch die misslichen Verhältnisse der Familie Dold bei Fällung des Strafentscheides weitgehend berücksichtigt worden.

Wir beantragen deshalb Abweisung und bemerken, dass der Gebüssten Ratenzahlungen bewilligt werden können.

Zu c. Julius Leuthold gestand nach anfänglichem Leugnen, im Mai und Juni Iyi9 bei verschiedenen Lieferanten goldene Uhren im Werte von Fr. 13,160 bestellt, sie teils selbst, teils durch Vermittlung erhalten und ebenso ausgoschmuggelt zu haben.

Für Leutliold wird, unter wörtlicher Wiederholung eines früheren Rekurses, um Erlass des grösseren Teiles der Fr. 1400 ersucht. Leuthold, der bis Ende Juoi 1919 in einer Färberei gearbeitet habe, die sich auf deutschem Boden befinde, sei mit andern wegen Arbeitsmangel, Kursschwierigkeiten usw. entlassen worden. Er habe sechs Kinder im Alter von 17 bis 4 Jahren, sei in grosse Not geraten und der Versuchung erlegen. Da er reine Exportware geschmuggelt habe, dürfe eine geringe Busse genügen.

In den Akten befindet sich ferner ein Schreiben der Ehefrau, die versichert, die Busse könne unmöglich aufgebracht werden, so dass die Umwandlung in Gefängnis zu gewärtigen sei.

Aus der Vernehmlassung der Oberzolldirektion ist zu entnehmen, dass das eidgenössische Zolldepartement aus Kommiserationsgründen die Busse von Fr. 1600 bis Fr. 1400 ermässigte. Da keine neuen Anbringen geltend gemacht werden und es Leuthold laut Bericht bei gutem Willen möglich sein dürfte, die Busse in Ratenzahlungen zu entrichten, was gewährt worden ist, sollte es unseres Erat;htens bis auf weiteres bei dem Rekursentscheid des Departements sein Bewenden haben. Zurzeit beantragen wir in Zustimmung zu der Oberzolldirektion, das Gesuch abzuweisen.

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Zu d. Der Möbelfabrikant Emil Hirler verliess im Januar 1915 Mühlhausen und siedelte nach Basel über. Ende Juli 1915 wurde er jedoch von deutscher Seite zur Rückkehr gezwungen.

Dabei liess er fertige und unfertige Möbel in Basel zurück.

Am 29. März 1919, d. h. zu einer Zeit, da die Ausfuhr neuer Möbel verboten war, versuchte Hirler, den ganzen Bestand -als gebrauchtes Umzugsgut über die Grenze zu bringen.

Für Hirler wird im Begnadigungswege um Wiedererwägung der von Oberzolldirektion und Zolldepartement ergangenen Straf·entscheide ersucht. Es wird beantragt, durch die Basier Polizeibehörde eine Untersuchung zu veranlassen, die ergeben werde, ·dass Hirler ein Opfer des Krieges sei, in Basel keinen Möbelfaandel getrieben habe und in der Tat private Gebrauchsmöbel und nicht neues Handelsgut habe über die Grenze schaffen wollen. Die zollbehördlichen Strafentscheide sollen auf Irrtum beruhen.

In Betracht kommen Strafentscheide, die einem rechtskräftigen Urteil gleichstehen. Die Bundesversammlung kann nicht als Rekurs-, sondern einzig als Begnadigungsbehörde Stellung nehmen. Mangels Zuständigkeit hat sie daher auf die Begehren, durch Basler Polizeibehörden eine Untersuchung zu veranlassen und die Wiedererwägung des Bussenentscheides vorzunehmen, nicht einzutreten.

Es handelt sich um versuchte widerrechtliche Ausfuhr von Möbeln im Werte von etwa Fr. 30,000. Die Busse von Fr. 5000 scheint nicht zu hoch, und besondere Verumständungen, die eine Begnadigung dringend nahelegen, liegen nicht vor. Für Einzelheiten verweisen wir auf die ausführliche Stellungnahme der Oberzolldirektion, die unter anderem auf das von Hirler im Verfahren vom 30. Mai abgelegte Geständnis Bezug nimmt.

Soweit eingetreten wird, beantragen wir mit der Oberzoll«direktion, das Gesuch abzuweisen.

Zu e. Ein erstes Begnadigungsgesuch Gottlob Freys wurde in der Sömmersession 1919 abgewiesen (zu vergleichen Antrag 131 im IV. Bericht, Bundesblatt 1919, Band III, 455).

Mit Eingaben vom 11. Juli und 18. November 1919 ersucht Frey, den abweisenden Entscheid in Wiederervvägung zu ziehen.

Erneut bringt er au, nicht gewusst zu haben, dass die von ihm gelieferte Ware geschmuggelt werden sollte. Gegenüber andern Eaufleuten in Basel, die einzig mit Bussen weggekommen seien, bedeute die neben der hohen Busse gesprochene Gefängnis-

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strafe von einem Monat eine ganz besondere Härte. Dies seJ sowohl von dem Zollbeamten, der sich mit dem Straffall befasst habe, wie auch von dem die Anklage vertretenden Staatsanwalt bestätigt worden. Anderseits wirft Frey gerade dem Staatsanwalt, vor, er habe sich einseitig von der Absicht leiten lassen, den vorliegenden Schmuggelfall als abschreckendes Beispiel zu brandmarken.

Schliesslich schildert Frey seinen Lebensgang .und die gegenwärtigen Familien- und Erwerbsverhältnisse. Er stehe im Alter von 52 Jahren, habe bis jetzt keine Freiheitsstrafe erlitten, sei von den Kriegsmassnahmen des Bundes im Handel mit Fett und Öl schwer geschädigt worden und müsse für eine siebenköpfige Familie aufkommen.

Die Oberzolldirektion, die in einem ersten Bericht hinsichtlich des Erlasses der Gefängnisstrafe keine Einwendungen machtT gelangt nach neueren Erhebungen in längerer Vernehmlassung; dazu, A.bweisung zu beantragen.

Soweit Frey die Busse als übersetzt bezeichnet, ist zu sagen,, dass er irrtümlicherweise die aus einem früheren administrativ erledigten Schmuggelfall geschuldeten Leistungen mit einbezieht.

Dass seinen Darlegungen mit einer gewissen Zurückhaltung begegnet werden muss, zeigt das Ergebnis der Erkundigungen bei dem in Betracht kommenden Staatsanwalt und dem Zollbeamten,, die ihnen zugeschriebene Äusserungen durchaus ablehnen. -Es ist gewiss nichts Geringes für Frey, nunmehr die Folgen seines unrechtmässigen Verhaltens tragen zu müssen. Wird aber der Straffall von demselben Gesichtspunkte gewürdigt wie andere Schmuggelsachen, so fällt er nicht aus dem Rahmen des Üblichen,, wie gerade andere hier zur Behandlung stehende Gesuche zeigen..

Die Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde ist, abgesehen von unzweifelhaften Härten, nicht in die Lage versetzt, in jedem einzelnen Fall die Strafausmessung nachzuprüfen. Das& die Strafjustiz der Kantone in eidgenössischen Strafsachen nicht durchwegs gleichartig ist, darf als eine bekannte Erscheinung bezeichnet werden : Sowenig die Bundesversammlung Milchfälschern, die zu Gefängnis verurteilt wurden, die Freiheitsstrafe ohne weiteres erlässt, weil die Gerichtpraxis anderer Kantone regelmässig nur Bussen kennt, sowenig kann sie dies in Schmuggelfällen tun.

Wir haben uns anlässlich der Behandlung der Begnadigungssache Johann Frei-Kobler dahin geäussert, der Gesuchsteller hätte gewiss besser getan, dem ihm gegebenen Eate Folge zu leisten

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und sich, ohne es noch mit einer Eingabe an die Begnadigungsbehörde zu versuchen, in das Unvermeidliche zu schicken (zu vergleichen Antrag 92 des II. Berichtes für die WintersessioB 1919, Bundesbl. 1919, V, 692 und 713). Dies gilt auch hier.

Wie in den Vernehmlassungen der Oberzolldirektion hervorgehoben wird, unterscheidet sich das Verhalten Freys nicht besonders von der Tätigkeit der Mitbeteiligten, die die Waren schliessilich über die Grenze schafften. In dem Schmuggelfall vorn.

6. April 1918 Hess Frey die Waren durch seinen etwa vierzehnjährigen Knaben vom Blumenrain in Basel in die Nähe desSchützenhauses Binningen verbringen, ging ihm entgegen, nahm die Ware in Empfang und übergab sie verabredungsgemäs» eigenhändig den Schmugglern. Dies erfolgte, nachdem Frey den gleichen Leuten schon einige Tage vorher Waren geliefert hatte, die am 30. März ausgeschwärzt wurden. Zudem musste er, wie erwähnt, wegen Übertretung derselben Vorschriften bereits 1916 bestraft werden. Damals war ihm eine Freiheitsstrafe erspart geblieben, jedoch vermochte die Busse nicht, ihn vor weitern Machenschaften abzuhalten.

Abschliessend gelangen wir deshalb zu dem Antrag, auch das erneute Begnadigungsgesuch abzuweisen.

Zu f, g, Ji, i und k: Die Eheleute Kunz und Sellmeier,.

ferner Jakob Schärer waren in eine komploltmässige Schmuggelangelegenheit aus dem Jahre 1918 verwickelt. Zum grösston Teil blieb es allerdings beim Versuch, indem nur für Fr. 110 Waren ausgeschmuggelt werden konnten. Beschlagnahmt wurden Waren von etwas über Fr. 2000. Ein Posten Vanille von 9900 kg kam nicht mehr zum Vorschein.

Auf Schweizerboden war Leiter des Komplottes Sellmeier, bei dem alle Fäden zusammenliefen. Von einem gewissen Tronquist, Telephonist in den Lonzawerken, Waldshut, hatte er beträchtliche Vorschüsse erhalten, um Waren zu beschaffen. Sellmeier gab die Gelder weiter an Kunz, der damit die später bei" Sellmeier beschlagnahmten Waren erwarb, und zwar zum Teil durch Vermittlung Schärers in Lausanne. Schärer, der sämtliche Waren, die er geliefert haben will, unter S. S. S.-Bedingungen erstanden hatte, gab diese an Kunz ohne Klausel weiter. Die Ehefrauen Kunz und Sellmeier vermittelten den Geschäftsverkehr zwischen ihren Männern und halfen die eingekauften Waren versorgen.

Für die Eheleute Kunz und Sellmeier wird das gemeinsame Gesuch gestellt, die Strafe ganz oder doch teilweise zu erlassen.

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Sie seien verleitet worden und hätten aus Not gehandelt.

Da man die Waren beschlagnahmt habe, bestehe kein Schaden.

Den beiden Männern drohe die Umwandlung der Bussen von Fr. 1000 und 1200 in Gefängnis. Jedenfalls sollten die Ehefrauen begnadigt werden, da sie lediglich auf Geheiss der Männer mitgewirkt hätten.

Für Schärer wird um Erlass der vier Tage Gefängnis und allfällig um Herabsetzung der Busse von Fr. 500 ersucht. In längeren Ausführungen wird die Meinung vertreten, Schärer sei ·das Opfer seines guten Glaubens gegenüber Kunz, von dessen Absichten er keine Ahnung gehabt hätte. Sein einziger Fehler ·sei, von Kunz keine schriftliche Garantie verlangt zu haben. Da aber Kunz bei andern Käufen die S S. S.-Klausel unbedenklich übernommen habe, sei dies entschuldbar. Unter diesen Verum«tändungen erscheine namentlich die Gefängnisstrafe als ausserordentlich hart, besonders da Schärer ein gutbeleumdeter, nicht vorbestrafter Kaufmann sei.

Die Oberzolldirektion beantragt in allen Fällen Abweisung.

Von den Eheleuten Kunz und Sellmeier wird festgestellt, dass sie nicht aus Not, sondern aus Gewinnsucht handelten. Weder Kunz noch Sellmeier seien mittellos. Zu dem Gesuch Schärer wird bemerkt, dass das urteilende Gericht den strafmindernden Umständen Rechnung getragen habe und neue Tatsachen wesentlicher Art nicht geltend gemacht werden.

Diesem ist mit Bezug auf den Gesuchsteller Kunz beizufügen, dass der herbeigezogene Vorstrafenbericht vom 19. Dezember 1919 Anlass geben wird, mit den Behörden des Kantons Aargau zwecks Vorbereitung eines allfälligen administrativen Ausweisungsverfahrens in Verbindung zu treten. Von vierzehn Vorstrafen betreffen mehrere schwere Vergehen und sein Begnadigungsgesuch kann von vornherein ernstlich nicht in Betracht kommen. Bei Schärer ist es nicht Sache der Begnadigungsbehörde die Frage der Gutgläubigkeit zu überprüfen. Der Rechtsmittelweg stand Schärer offen, und die Möglichkeit eines Begnadigungsgesuches kann hierfür kein Ersatz sein.

Da die Strafen nicht aus dem Rahmen des in derartigen ·Schmuggelfällen üblichen fallen, übernehmen wir durchwegs die Abweisungsanträge der Oberzolldirektion.

Zu l, m und n: Die fUr die Frauen Sauter, Schneider und Dauberger eingereichten Begnadigungsgesuche betreffen ein Schmuggelkomplott, dessen Entdeckung im Juni 1918 einiges Aufsehen verursachte. Zwischen einem Keller des Hauses Nr. 8 an der

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Grenzstrasse in Kreuzungen und der Nr. 14 an der Schwedenschanz jenseits der Grenze war, unter Benutzung einer Wasser.abzugsdohle eine unterirdische Verbindung hergestellt worden.

Um dem Schmuggelzweck besser zu dienen, fand sogar eine Handänderung statt, indem das Haus an der Grenzstrasse vom Ehemann der Gesuchsteilerin Sauter im April 1918 käuflich «rwerben wurde. Der Schmuggel, der im November 1917 begonnen haben soll, wurde im Februar 1918 aus verschiedenen Gründen eingestellt, anfangs Mai wieder aufgenommen und bis zur Entdeckung schwunghaft betrieben. Nach Angaben der Beteiligten sind Schokolade, Kakao, Kaffee, Tee, Teigwaren, Wolle, Baumwolle, Seidenstoffe, Faden, Kerzen, Seife im Werte von annähernd Fr. 7000 ausgeschmuggelt worden.

In den Urteilserwägungen wird vom Obergericht des Kantons Thurgau mit Bezug auf Frau Sauter gesagt, sie sei stark belastet, babe sich in hohem Masse am Schmuggel beteiligt und mit sämtlichen Haupttätern im Komplott gehandelt. Von dem unterirdischen Gang hatte sie Kenntnis, kaufte und schuf Waren herbei und war tätig durch Rat und Anstiftung. Bei ihrer Verhaftung trug Frau Sauter, die von Zürich kam, Pakete, hauptsächlich Kleiderstoffe, im Gesamtwerte von etwa Fr. 600 mit sich.

Die Frauen Schneider und Dauberger, jede Inhaberin einer Spezereihandlung in Kreuzungen, gehören zu den Lieferanten, die Waren abgaben, obwohl sie schlechterdings um ihre Bestimmung wissen mussten.

Mit der Angelegenheit hatte sich auch das Bundesgericht (Kassationshof) zu befassen, das am 22. September 1919 die Beschwerden der Frauen Sauter, Schneider und Dauberger abwies.

Im Begnadigungswege wird nunmehr nachgesucht : für Frau Sauter Erlass der Gefängnisstrafe von einem Jahr, der Landesverweisung von fünf Jahren und Herabsetzung der Busse von Fr. 4000 um die Hälfte, für die Frauen Schneider und Dauberger vorab Erlass der Landesverweisung und ferner Erlass oder doch erhebliche Herabsetzung der Gefängnisstrafe von je zwei Monaten.

Soweit die Gesuchsanbringen lediglich eine Wiederholung der früheren Verteidigung darstellen und erneut die tatbeständlichen Feststellungen der urteilenden Gerichte bemängeln, können wir uns kurz fassen. Namentlich für Frau Sauter werden keine neuen Anbringen geltend gemacht. Sie soll sich nach dem Gesuch nur in ganz geringem Masse strafbar gemacht und zugestanden haben, was ihren Mann und nicht sie betreffe. Die Gesuche der Frauen Schneider und Dauberger, die den Erlass der Landesverweisung

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in den Vordergrund stellen, betonen im wesentlichen die Hart© dieser Massnahme. Frau Sehneider ist 1862, Frau Dauberger 185& geboren, beide sind verwitwet, mehr als zwanzig Jahre im Thurgauischen ansässig und ohne weitere Beziehungen mit ihrer ausländischen Heimat. Namentlich Frau Schneider scheint eine gebrechliche, kranke Frau zu sein.

Die. Oberzolldirektion, die ausführlich Stellung nimmt, hält dafür, das in Betracht kommende Schmuggelkomplott gehöre zu den geriebensten der ganzen Kriegszeit. Nach den Akten erscheineFrau Sauter nicht nur als Gehülfin, sondern mit ihrem Mann alsLeiterin des Komplottes. Es müsse des entschiedensten auf Abweisung beantragt werden.

Dagegen kann sich die Oberzolldirektion damit einverstanden erklären, den Frauen Schneider und Dauberger die Strafe der Landesverweisung zu erlassen. Laut Berichten der örtlichen Zollorgane sollen die geschilderten, persönlichen Verhältnisse zutreffen, Anschliessend bleibt, insbesondere dem Gesuch der Frau Sauter gegenüber, festzuhalten, dass ernstlich nicht erwartet werden kann, dass die Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde die tatbeständlichen Grundlagen erneut überprüfe. Ist aber von den Ergebnissen des Strafverfahrens auszugehen, so ist es unseres Erachtens ohne weiteres ausgeschlossen, Frau Sauter gegenüber Milde walten zu lassen. Die bekannte Zurückhaltung in Begnadigungssachen betreffend Ausfuhrschmuggel scheint uns gerade hier in hohem Masse gerechtfertigt, und wir erblicken in der Einreichung eines Begnadigungsgesuches lediglich den letzten untauglichen Versuch der Verteidigung, sich doch noch durchzusetzen.

Dies gilt, soweit um Erlass oder Minderung der Gefängnisstrafen nachgesucht wird, auch bei den Gesuchen der Frauen Schneider und Dauberger. Schwere Krankheit kann, wie in andern Fällen, im Strafvollzug berücksichtigt werden. Anderseits ist auch ihnen gegenüber die Strafe der Landesverweisung verhängt worden.

Nun sollen gewiss im Sinne der Urteilserwägungen Ausländer, die zum Schaden des Landes unsere Gesetze gröblich verletzen,, in der Regel damit den Anspruch auf Gastfreundschaft und Duldung verwirkt haben. Aus Kommiserationsgründen übernehmen wir jedoch angesichts der besonderen persönlichen Verhältnisse der beiden älteren verwitweten Frauen den Antrag der Oberzolldirektion. Würden sie wider Erwarten zu erneuten
Klagen Anlass geben, steht noch immer die Möglichkeit offen, von der administrativen Ausweisung Gebrauch zu machen (zu vergleichen in Sachen Weinmann, Antrag 49 des I. Berichtes für die Wintersession 19Ì9, Bundesblatt V, S. 373/376).

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Wir beantragen daher gänzliche Abweisung bei Frau Sauter 'und, unter Belassung der Gefängnisstrafen, Erlass der Landesverweisung bei den Frauen Schneider und Dauberger.

Zu o : Frau Sophie Bischoff-Volz nahm in ihrem Spezereiladen von einem gewissen, ihr kaum bekannten Vollenweider drei bis vier Pakete entgegen, die jeweils von anderen Personen abgeholt ·wurden. Das urteilende Gericht nahm an, es sei Frau Bischoflf unbekannt geblieben, dass diese Pakete zum Schmuggel bestimmte Uhren enthielten. Immerhin habe ihr auffallen müssen, dass der ihr kaum bekannte Vollenweider wiederholt dieselben Zumutungen ·stellte. Als Grenzanwohnerin sei sie zu besonderer Sorgfalt verpflichtet gewesen.

In Wirklichkeit war Frau Bischoff mit ihrer vermittelnden Tätigkeit ein Glied aus einem grosszügig angelegten SchmuggelUnternehmen.

In dem zwecks Brlass oder starker Herabsetzung der Busse von Fr. 200 eingereichten Begnadigungsgesuch wird das Verhalten als kleine Gefälligkeit dargestellt und erneut der gute Glauben versichert. Mit der Annahme von Fahrlässigkeit sei man jedenfalls ·an die äusserste Grenze der Strafbarkeit gegangen. Die Busse drucke schwer, insbesondere sei die Familie infolge Erkrankung des Vaters auf den Verdienst aus dem Spezereiladen angewiesen.

Mit der Oberzolldirektion beantragen wir Abweisung, da das urteilende Gericht den Verhältnissen genügend Rechnung getragen hat. Es ist zudem anzunehmen, dass die Eheleute Bischoff-Volz wohl imstande sind, die Busse aufzubringen, da sie. laut Bericht der Zollbehörden, wie alle diese Spezereihändler in Kreuzungen, ·sehr gute Geschäfte gemacht haben.

Zu p, q und r : Für Beat Zündt, dei' die Gefängnisstrafe von einem Monat erstanden hat, ersuchte die Ehefrau im Verlaufe des 'Strafvollzuges um teilweisen Erlass. Eine Unterbrechung des Strafvollzuges fand nicht statt.

Michael Reisacher und Jakob Köstli stellen das Gesuch, ihnen die Bussen zu erlassen. Die Gefängnisstrafen sind erstanden. Nach Mitteilungen der eidgenössischen Oberzolldirektion sind jedoch die in diesem Schmuggelfall gesprochenen Bussen alle eingegangen.

Wir beantragen deshalb in diesen drei Fällen Nichteintreten.

A n t r ä g e : Abweisung Dunstheimers, der Frau Dold, Leut·holds, Hirlers, Freys, der Eheleute Kunz und Sellmeier, Schärers, -der Frau Sauter. Einzig Erlass der Landesverweisung bei den ·Frauen Schneider und Dauberger, Abweisung der Frau Bischoff, Hichteintreten bei Zündt, Reisacher und Köstli.

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112. Otto Aellen, geb. 1871, Wirt.

113. Adolf Reichenbach, geb. 1890, Landwirt, beide in Lauenen (Bern).

(Massnahmen gegen die Grippe, Wirlschaftsschluss.)

Otto Aellen und Adolf Reichenbach wurden von der I. Strafkammer des bernischen Obergerichtes am 26. September 1919y gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 18. Juli 1918 betreffend.

Bekämpfung der Influenza (A. S. n. F. XXXIV, 776) und kantonale Ausfiihrungserlasse, verurteilt zu je Fr. 150 Busse.

Am Neujahrsabend 1919 suchte eine Gesellschaft von etwa 20 Personen aus Lauenen die dortige Wirtschaft zum Bären auf, um zu tanzen. Der Wirt Aellen mahnte ab unter Hinweis auf das bestehende Tanzverbot, worauf ihn jedoch Reichenbach überredete und die Verantwortlichkeit zu übernehmen versprach. In der Folge wurde getanzt bis morgens 2 Uhr.

Aellen und Reichenbach wurden erstinstanzlich jeder mit.

Fr. 50 gebüsst. Die Staatsanwaltschaft appellierte und die I. Strafkammer des kantonalen Obergerichtes hielt dafür, die Bussen seien erheblich zu milde ausgefallen. Es handle sich um eine bewusste, unverantwortliche Missachtung des Tanzverbotes zu.

einer Zeit, da auch in Lauenen die Grippe stark verbreitet war.

Die beiden Verurteilten ersuchen um Herabsetzung der Bussen bis zum Betrage der erstinstanzlichen Verurteilung. Der Vorfall wird zu entschuldigen versucht, insbesondere verweist Aellen auf seine unbescholtene, langjährige Wirtschaftsführung.

Der Gemeinderat Lauenen befürwortet das Gesuch. Dagegen stellen die Sanitäts- und die Polizeidirektion des Kantons Bern Abweisungsanträge.

Im Anschluss an die Stellungnahme der Bundesversammlungzu früheren derartigen Begnadigungsgesuchen beantragen wir Abweisung.

A n t r a g : Abweisung.

114. Walter Binggeli, geb. 1891, Landwirt, Guggisberg (Bern)., (Forstpolizei.)

Walter Binggeli wurde auf Appellation der Staatsanwaltschaft von der I. Strafkammer des bernischen Obergerichtes am 26. Juni 1919 in Anwendung einer Verfügung des bernischen Regierungsrates vom 11. März 1918, ergangen gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 18. Januar 1918 betreffend die Versorgung des Landes mit Nutzholz und die zudienende Departe-

63 menteverfügung vom 31. Januar 1918 (A. S. n. F. XXXIV, lia und 181), verurteilt zu Fr. 100 Busse.

ßinggeli hat im Dezember 1918 fünf Ahornstämme ohne die erforderliche Bewilligung gefallt. Die Bäume waren nicht schlagreif. Binggeli, der BV. 302 löste, bezog nach dem Bericht des Forstamtes und den oberinstanzlichen Urteilserwägungen einen unstatthaften Mehrerlös von Fr. 42.

Im Gesuch um Erlass der Busse wird Unkenntnis der betreffenden Vorschriften versichert und auf die bescheidenen Verhältnisse Binggelis Bezug genommen. Auf seinem vor zwei Jahren für Fr. 12,000 erworbenen Heimwesen schulde er noch den ganzen Betrag.

Der Gemeinderat von Guggisberg und der Rogierungsstatthalter von Schwarzenburg befürworten das Gesuch. Die Forstbehörden, denen die Polizeidirektion des Kantons Bern zustimmt, beantragen Ermässigung der Busse bis zum Betrage der erstinstanzlichen Verurteilung von Fr. 30.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schreibt, die Gerichte hätten solche Zuwiderhandlungen vielfach mit durchaus wirkungslosen, geringen Bussen geahndet, weshalb die Berichtigung derartiger Entscheide durch die obere Instanz regelmässig am Platz gewesen sei. Auch hier erscheine das zweitinstanzliche Urteil angemessen. Für den Fall, dass die bescheidene Lage des Gesuchstellers eine teilweise Begnadigung begründen lasse, sei nicht unter Fr. 50 herabzugehen.

Wie aus dem Bericht des Kreisforstamtes Kehrsatz ersichtlich ist, wurde zu jener Zeit in Ahornen, Eschen und Linden im Amt Schwarzenburg ein schwunghafter Handel getrieben. Es sind zahlreiche Verzeigungen und Bussen erfolgt.

Da eigentliche Ausweise über die behauptete missliche Lage nicht beigebracht werden, die Busse nach Abzug des unstatthaften Mehrerlöses Fr. 58 beträgt, zahlreiche ähnliche Fälle zur Beurteilung gelangten, halten wir dafür, es solle bei den Oberinstanzlichen Erwägungen sein Bewenden haben.

A n t r a g : Abweisung.

115. Alfred Häusermann, geb. 1885, Wirt und Landwirt, Bergdietikon (Aargau).

(Heuhöchstpreise.)

: Alfred Häusermann wurde am 16. September 1919 vom Bezirksgericht Baden, gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 16. August 1918 betreffend die Versorgung des Landes mit Rauh-

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futter usw. und die zudienende Verfügung des eidgenössischen Militärdepartements (A. S. n. F. XXXIV, 846 und 854), verurteilt zu Fr. 40 Busse.

Häusermann verkaufte am 3. April 1919 25 Zentner Heu, ·den Zentner 4 Fr. über dem Höchstpreis. Immerhin wurde der Vertrag nicht gehalten, indem Häusermann nur 910 kg lieferte und hierfür nicht mehr als den Höchstpreis ausbezahlt erhielt.

Heute ersucht er um Erlass der Busse, die zu Unrecht ergangen sei.

Das Bezirksgericht Baden kann den Gesuchsteller nicht zur Begnadigung empfehlen. Da in der Tat besondere Verumständungen, die eine Begnadigung nahe legen könnten, nicht vorliegen, übernehmen wir ohne weiteres den Abweisungsantrag-.

A n t r a g : Abweisung.

116.

Marie Lechmann, geb. 1892, Wettingen (Aargau).

(Brotversorgung.)

Durch Strafbefehl des Gerichtspräsidenten von Baden vom 19. November 1919 wurde Frau Lechmann, gestützt auf Art. 75 4es Bundesratsbeschlusses vom 24. Mai 1918 über die Brotversorgung des Landes usw. (A. S. n. F. XXXIV, 556 ff.), mit Fr. 10 .gebüsst.

Frau Lechmann trennte von der Brotkarte ihres Schwagers, ·der in die Rekrutenschule einzurücken hatte, zu viele Abschnitte ab.

Die Eheleute Lechmann ersuchen um Erlass der Busse unter Hinweis auf die bedrängte Lage der Familie.

Der Gemeinderat .Wettingen und das Bezirksgericht Baden befürworten das Gesuch mit derselben Begründung.

Da eine geringfügige Verfehlung in Betracht kommt, die Bundesversammlung als Begnadigungsbehörde in ähnlichen Fällen -den Gesuchen entsprochen hat und die bedrängten Familienverhältnisse erwiesen sind, beantragen wir, die Busse zu erlassen.

A n t r a g : Erlass der Busse.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Februarsession 1920). (Vom 13. Januar 1920.)

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