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Bundesblatt 72. Jahrgang.

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Bern, den 10. März 1920.

Band I.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs von Fürholz, "Walter, Fabrikarbeiter in Biberist.

(Vom 5. März 1920.)

Wir beehren uns, Ihnen einen von Fürholz, Walter, Fabrikarbeiter in Biberist, gegen unsern Entscheid vom 24. Oktober 1919 eingereichten Militärsteuerrekurs mit nachfolgenden Ausführungen zur Beurteilung zu unterbreiten.

Der Rekurrent Fürholz absolvierte, nachdem er bei der Rekrutierung um l Jahr zurückgestellt worden war, im Jahre 1907 die Rekrutenschule l/V in Liestal und bestand in der Folge bis und mit 1912 sämtliche Wiederholungskurse mit seiner Einheit.

Im Wiederholungskurs 1911 wurde er wegen einer vereiterten Axillardrüse ins Bürgerspital Solothurn evakuiert, wo er vom 27. September bis 25. Oktober in Behandlung stand. Bei der Mobilmachung 1914 wurde er wegen Bronchitis chronica für zwei Wochen dispensiert und am 18, August wegen Lungentuberkulose entlassen und vor .die sanitarische Untersuchungskommission gewiesen. Diese erklärte ihn »m 24. Oktober 1914, gestützt auf § 112, Ziffer 49, der Instruktion über die sanitarische Beurteilung der Wehrpflichtigen dienstuntauglich. Ein Gesuch um Steuerbefreiung gemäss Art. 2, lit, b, des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 wurde von. der Militärsteuerrekurskommission des Kantons Solothurn, auf Grund eines Gutachtens der Abteilung für Sanität des eidgenössischen Militärdepartements am 23. November 1918 Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. I.

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abgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Bundesrat in seiner Sitzung vom 24. Oktober 1919 ab.

Diesen Entscheid hat nun Fürholz innert nützlicher Frist an dio Bundesversammlung weitergezogen mit dem Begehren: Er sei in Anwendung von Art. 2, lit. 6, des Militärsteuergesetzes vom Miltärpflichtersatz zu entheben; eventuell sei festzustellen, dass er in Anbetracht des geleisteten Dienstes nur die Hälfte der gesetzlichen Taxe zu entrichten habe.

Der Rekurrent begründet sein Gesuch um Steuerbefreiung damit, dass sein Lungenleiden mit dem Militärdienst, insbesondere mit dem Wiederholungskurs 1911, in ursächlichem Zusammenhang stehe. Zum Beweise hierfür beruft er sich in der Hauptsache auf folgendes : Drei Tage nach der während des Spitalaufenthaltes in Solothurn 1911 erfolgten Drüsenoperation sei das Fieber höher gestiegen als je zuvor, was darauf schliessen lasse, dass dieses Krankheitsymptom noch durch etwas anderes als die Drüse verursacht worden sei. Nach der Entlassung aus dem Spital, Ende Oktober 1911, habe er die Arbeit wieder aufgenommen, sei aber schon nach sechs Wochen wieder erkrankt.

Die vom behandelnden Arzte, Dr. Steiner, festgestellte Affektion der rechten Lunge sei nun jedenfalls nicht in der kurzen Zeit seit der Entlassung aus dem Spital entstanden, sondern rühre ohne Zweifel vom Wiederholungskurs 1911 her. Beim Einrücken in . den Wiederholungskurs 1912 sei ihm von Dr. Steiner zuhanden der Truppenärzte eine Bescheinigung ausgestellt worden, dass er 1912 wegen Lungenkrankheit eine Sanatoriumskur von drei Monaten habe machen müssen. -Der Bataillonsarzt habe anlässlich der sanitarischen Eintrittsmusterung die Lungenaffektion konstatiert, diese aber als ausgeheilt bezeichnet und deshalb Dienstleistung verfügt. Der Wiederholungskurs 1912 sei dann ohne grosse Beschwerden vorübergegangen. Erst am Tage vor der Entlassung habe er sich wegen Fieber krank gemeldet. Da aber diese Fiebererscheinung nach Ansicht des Arztes keine besorgniserregende war, sei der Krankmeldung keine weitere Folge gegeben worden.

Der Rekurrent legt auch ein Zeugnis seines ehemaligen Zugführers, Hauptmann A. Forster, Kommandant der Füsilier kompagnie III/50, vom 8. November 1919 ins Recht, worin bestätigt wird, dass er speziell im Wiederholungskurs 1912 wegen Atembeschwerden habe geschont werden müssen. Eine besondereRücksichtnahmee sei angezeigt gewesen, da man ihn als tuberkulöse-verdächtig gehalten habe.

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Die Abteilung für Sanität des eidgenössischen Militärdepartements verneinte in ihrem Outachten vom 26. Februar 1919 das Vorhandensein eines Kausalzusammenhanges zwischen dein Lungenleiden und dem Militärdienst. Fürholz sei vom 27. September bis 25. Oktober 1911 wegen einer Lymphadenitis der rechten Achselhöhle in Solothurn in Spitalbehandlung gestanden. Anhaltspunkte, die einen Zusammenhang dieser Affektion mit der im August 1914 konstatierten Lungentuberkulose annehmen Hessen, seien keine gegeben, weder ätiologisch noch im Sinne einer Verschlimmerung.

Mit Rücksicht auf zwei nachträgliche, vom Rekurrenten produzierte Beweismittel, sah sich die eidgenössische Steuerverwaltung veranlasst, eine Aktenergänzung vorzunehmen und zu diesem Zwecke den Fall zur nochmaligen Prüfung der Abteilung für Sanität zu unterbreiten. Am 9. August 1919 erstattete diese folgenden Bericht: ,,Wir kommen zurück auf den mit Ihrem Schreiben vom 21. Juli a. c. uns zugestellten Steuerrekurs des F ü s i l i e r F ü r holz, Walter, Dienstuntauglicher, Fabrikarbeiter in Biberist. Sie betonen in Ihrem Oeschätzten vom 21. Juli, dass es -- nach dem seither zu den Akten erhobenen Zeugnis des Herrn Dr. Steiner in Solothurn vom 1. September 1912 und dem Rapport Über sanitarische Eintrittsmusterung vom 2. September 1912 -- Ihres Erachtens durchaus nicht unwahrscheinlich sei, dass das Lungenleiden des Rekurrenten durch Absolvierung des Wiederholungskurses im Jahre 1912 verschlimmert worden sei.

Wir stellten noch einmal, sowohl anhand des D. B. als der Rapporte über sanitarische Eintrittsmusterungen vom Jahre 1911 und 1912 und der diesbezüglichen Krankenverzeichnisse, folgendes fest: Im. Jahre 1911 hat der Regimentswiederholungskurs nur neun Tage gedauert, während welcher Fürholz wegen geschwollener Axillardrüse rechts am 27. November in den Bürgerspital Solothurn evakuiert wurde. Im Jahre 1912 figuriert Fürholz im Rapport über sanitarische Eintrittsmusterung mit der Diagnose a b g e h e i l t e Tbc.? weshalb Diensttauglichkeit verfügt wurde.

Auch im Jahre 1912 während des Wiederholungskurses vom 2.--14. September, also während bloss 13 Tagen hat sich der Mann laut Krankenverzeichnis des Bataillons 51 nie krank gemeldet. Es ist daher um so unwahrscheinlicher, dass eine Dienstdauer von bloss 13 Tagen des Jahres 1912 verschlimmernd auf
den Zustand des Fürholz hat einwirken können, noch viel weniger trifft dies für den in Zweisimmen geleisteten Aktivdienst von zwei Tagen zu. Später hat Fürholz laut Dienstbüchlein überhaupt keinen

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Dienst mehr getan, und es ist deshalb ein ursächlicher Zusammenhang seines spätem Leidens mit dem angeführten Militärdienst zweifellos ausgeschlossen."

Für die Befreiung vom Militärpflichtersatz gemäss Art. 2, lit. b, des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 ist der Nachweis erforderlich, dass der ausgemusterte Wehrpflichtige infolge des Dienstes militäruntauglich geworden ist. Auf Grund der Aktenlage kann dieser Kausalzusammenhang zwischen der Lungenkrankheit des Rekurrenten und dem Militärdienst keineswegs als erstellt erachtet werden.

Da es sich offenbar um ein ausserdienstlich entstandenes Leiden handelt, müsste zur Steuerbefreiung zum mindesten eine ungünstige Beeinflussung der Krankheit durch den Militärdienst glaubhaft gemacht sein. Dies ist nicht der Fall. Nach den Berichten der Sanitätsabteilung ist auch eine Verschlimmerung des Leidens infolge des Dienstes nicht wahrscheinlich. Es fehlen somit die für die Enthebung vom Militärpflichtersatz notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen.

Das erst nach Ausfällung des kantonalen Entscheides mit der Eingabe an die Bundesversammlung zu den Akten gegebene Zeugnis von Hauptmann Forster, Kommandant der Füsilierkom; pagnie HI/50, kann im vorliegenden Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden, da die eidgenössischen Beschwerdeinstanzen auf das vor der kantonalen Rekursbehörde vorgebrachte Verhändlungsmaterial beschränkt sind. Da der Attest in diesem Zeitpunkte noch nicht aktenkundig war, blieb er mithin auf die Ausfällung des erstiustanzlichen Entscheides ohne Einfluss und ist deshalb für die Beurteilung der Frage, ob dieser zu überprüfende Entscheid eine Gesetzesverletzung in sich schliesst, irrelevant. Abgesehen von diesen formellen Bedenken kommt diesem Beweismittel aber auch materiell keine Bedeutung zu. Die Abteilung für Sanität des eidgenössischen Militärdepartements, der die Akten mit dem Zeugnis von Hauptmaun Forster erneut zur Prüfung des Falles überwiesen wurden, hält nämlich in ihrer Vernehmlassung vom 10. Februar 1920 an ihrem Standpunkte fest, dass auch eine Verschlimmerung der Krankheit durch den Dienst nicht wahrscheinlich sei.

Gegenüber dem Eventualbegehren ist auf Art. 6 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1878 zu verweisen, demzufolge nur Wehrpflichtige, welche vor ihrer Ausmusterung m i n d e s t e n s a c h t J a h r e Dienst getan haben,
einen Anspruch auf die Steuerermässigung erwerben. Dies trifft vorliegend nicht zu. Der Rekurrent, der laut. Dienstbüchlein 214 'Diensttage geleistet hat^ wurde im Laufe seines achten Dienstjahres ausgemustert. Nach Wortlaut und Auslegung cit. Artikels kann kein Zweifel bestehen, dass nach

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dem Willen des Gesetzgebers nur derjenige Wehrpflichtige, welcher vor seiner Ausmusterung während mindestens acht vollen Jahren den Militärbehörden zur Verfügung gestanden ist, Anspruch auf Steuerermässigung haben soll ; auf die effektiv geleisteten Diensttage kommt es nicht an (Entscheide der eidgenössischen Räte vom 29. Oktober 1909/6. Juni 1910, Bundesblatt 1911, I, 695). Es ist somit auch das Eventualbegehren des Rekurrenten als unbegründet abzuweisen.

Aus diesen Erwägungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen: ,,Es sei der Rekurs des Fürholz, Walter als unbegründet abzuweisen."

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 5. März 1920.

Im Namen der Schweiz. Bundesrates Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Militärsteuerrekurs von Fürholz, Walter, Fabrikarbeiter in Biberist. (Vom 5. März 1920.)

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