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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Ergebnis der eidgenössischen Volksabstimmung vom 21. März 1920 betreffend das Initiativbegehren um Abänderung desArt. 35 der Bundesverfassung (Verbot der Spielhäuser).

(Vom 17. September 1920.)

A.

Über diese Angelegenheit haben wir Ihnen erstmals am 19. April 1920 einen Bericht erstattet, worin anhand der uns von den Kantonen gemeldeten Abstimmungsergebnisse festgestellt, wurde, dass das Initiativbegehren vom Volk mit 276,021 gegen 223,122 Stimmen und von den Ständen mit 13 2/2 gegen6 4/2a Stimmen angenommen, der Gegenentwurf der Bundesversammlung aber vom .Volk mit 345,327 gegen 122,240 Stimmen und von den Ständen m i 1 9 5/2/s gegen eine halbe Standesstimme verworfen worden sei. Wir stellten Ihnen daher den Antrag, durch einen Erwahrungsbeschluss den gemäss dem Initiativbegehren abgeänderten Artikel 35 der Bundesverfassung in Kraft zu setzen.

Der Ständerat hat am 29. April 1920 von diesem Bericht, einfach Vormerk genommen. Der Nationalrat dagegen beschloss am 30. April auf Antrag des Herrn Grünenfelder, den Bericht behufs Feststellung des absoluten Mehrs in den Kantonen an den Bundesrat zurückzuweisen. Nachdem die Angaben der Kantone hierüber eingelangt waren, unterbreiteten wir sie Ihnen mit unserm Nachtragsbericht vom 14. Juni 1920. Die nationalrätliche Kommission, die sich hierauf in zwei Sitzungen neuerdings mit der Angelegenheit befasste, war mehrheitlich der Ansicht, die Kantone seien, angesichts der Vorschrift des Art. 14 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung, nicht verpflichtet, der Bundeskanzlei Angaben über das absolute Mehr zu übermitteln. Dagegen wünschte sie zur

280 Ergänzung des Nachtragsberichts einen Bericht des Justiz- und Polizeidepartements darüber, ob die Kantone gemäss den Vorschriften des genannten Gesetzes die Feststellung des absoluten Mehrs in ihre Berichte über das Abstimmungsergebnis aufzunehmen haben.

Die einlässliche Untersuchung dieser Frage gab dem Justizund Polizeidepartement Anlass, die von den Kantonen eingesandten Zusammenstellungen der Abstimmungsergebnisse zu überprüfen.

Dabei zeigte sich, dass das absolute Mehr in den Kantonen nach stark voneinander abweichenden Grundsätzen und Erwägungen festgestellt wurde, dass aber auch sonst bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses grosse Unsicherheit herrschte und mannigfache Irrtümer vorgekommen sind, worauf übrigens ein Kanton, selbst in seinem Bericht betreffend das absolute Mehr hingewiesen, und was diesen Kanton veranlagst hatte, von sich aus eine Nachzählung der ganzen Abstimmung vorzunehmen.

Auf Grund seiner Prüfung kam das Justizdepartement zum ·Schluss, die Angaben einer grossen Zahl von Kantonen über das Ergebnis der Volksabstimmung vom 21. März 1920 hinsichtlich der Spielbankinitiative seien derart unsicher, dass es dringend wünschbar erscheine, die betreffenden Kantone anzuhalten, eine Nachzählung der Stimmzettel dieser Abstimmung vorzunehmen.

Gestützt auf diesen Bericht unterbreitete die Bundeskanzlei dem Bundesrat am 8. Juli 1920 den Antrag, diejenigen Kantone, deren Abstimmungsergebnisse zweifelhaft erschienen, anzuhalten, eine Nachzählung der Stimmzettel vorzunehmen und das Ergebnis ·der Nachzählung binnen kurzer Frist der Bundeskanzlei einzusenden.

Da die Feststellungen des Justiz- und Polizeidepartements die Richtigkeit des bisanhin bekanntgegebenen Resultats der Volksabstimmung vom 21. März 1920 über die Spielbankinitiative in weitem Umfang als zweifelhaft erscheinen Hessen, haben wir, trotzdem wir den Kantonen die Mühe der Nachzählung gern erspart hätten, den obengenannten Antrag am 30. Juli 1920 zum Beschluss erhoben und die Bundeskanzlei beauftragt, die in Betracht fallenden Kantone zur Nachzählung aufzufordern und uuf Grund des Ergebnisses dieser Nachzählung einen neuen Bericht zu Ihren Händen auszuarbeiten. Die Bundeskanzlei ist dem ersten Teil dieses Auftrags in der Weise nachgekommen, dass sie jedem Kanton, dessen Abstimmungsergebnis der erneuten Überprüfung bedürftig schien, ein Schreiben zukommen Hess, das anhand des Berichts des Justiz- und Polizeidepartements die von

281 uns als richtig erkannten Grundsätze für die Feststellung des Abstimmungsergebnisses enthielt und überdies jeden einzelnen Kanton auf die Aussetzungen besonders aufmerksam machte, zu ·denen die Durchsicht seines Abstimmungsresultates Anlass gegeben hatte. Wir halten es, namentlich auch mit Rücksicht auf künftige ähnliche Fälle, für geboten, hier die Grundsätze auseinanderzusetzen, nach welchen das Abstimmungsergebnis festgestellt werden muss.

I.

Massgebend sind die Art. 121, Absatz 6, und 123 der Bundesverfassung, sowie die Art. 11 bis 14 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung (A. S.

XII, 885 ff.).

Wird ein Begehren" auf Partialrevision der Bundesverfassung in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes gestellt und stimmt die Bundesversammlung demselben nicht zu, so kann sie gemäss Art. 121, Absatz 6, BV ,,einen eigenen Entwurf ausarbeiten oder die Verwerfung des Vorschlages beantragen und i h r e n E n t w u r f oder VerwerfuQgsantrag g l e i c h z e i t i g m i t d e m I n i tiati vbegeh ren der A b s t i m m u n g des Volkes und der Stände unterbreiten".

Der Art. 123 B V lautet : ,,Die revidierte Bundesverfassung, beziehungsweise der revidierte Teil derselben, treten in Kraft, wenn sie von der M e h r heit der an der A b s t i m m u n g teilnehmenden Bürger und von der M e h r h e i t der K a n t o n e a n g e n o m m e n sind.

Bei Ausmittlung der Mehrheit der Kantone wird die Stimme eines Halbkantons als halbe Stimme gezählt.

Das Ergebnis der Volksabstimmung in jedem Kantone gilt als Standesstimme desselben."

Der Art. 122 sieht vor, dass über das Verfahren bei den Volksbegehren und den Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung ein Bundesgesetz das Nähere bestimmen wird.

Dieses Bundesgesetz, das am 27. Januar 1892 erlassen worden ist, enthält in Art. 11 "bis 14 folgende Bestimmungen: A r t . 11. ,,Im Falle der Aufstellung eines besonderu Revisionsentwurfes durch die Bundesversammlung werden den Stimmberechtigten die zwei Fragen zur Abstimmung vorgelegt: Bundesblatt. 71. Jahrg. Bd. IV.

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282

Wollt Ihr den Revisionsentwurf der Initianten annehmen?

oder Wollt Ihr den Revisionsentwurf der Bundesversammlung annehmen?"

Art. 12. ,,Bei Ermittlung des Abstimmungsergebnisses fallen ausser Betracht alle leeren und ungültigen Stimmzettel.

Stimmzettel, welche nur eine der beiden Fragen mit Ja oder Nein beantworten, und Stimmzettel, welche beide Fragen verneinen, sind gültig.

Stimmzettel, welche beide Fragen bejahen, sind ungültig."

Art. 13. ,,Als angenommen gilt derjenige Entwurf, welcher die Mehrheit der stimmenden Bürger und die Mehrheit der Stände auf sich vereinigt hat."

A r t . 14. ,,Die über die Abstimmungen aufzunehmenden Protokolle haben anzugeben : die Zahl der Stimmberechtigten der Gemeinde ; die Zahl der eingelangten Stimmzettel; die Zahl der ausser Betracht fallenden Stimmzettel ; endlich die Zahl der abgegebenen Ja und Nein, und zwar im Falle eines eigenen Entwurfes der Bundesversammlung die Zahl der abgegebenen Ja und Nein auf jede der zwei in Art. 11 enthaltenen Fragen."

Aus Art. 12, Absatz 2, ergibt sich, dass der Bürger die gemäss Art. 11 zu stellenden beiden Fragen in folgender Weise beantworten kann : a. er beantwortet eine Frage mit Ja und lässt die andere unbeantwortet ; 6. er beantwortet eine Frage mit Ja und die andere mit Nein ; c. er beantwortet eine Frage mit Nein und lässt die andere unbeantwortet ; d. er beantwortet beide Fragen mit Nein.

Ungültig sind dagegen laut Art. 12, Absatz 3, Stimmzettel, welche beide Fragen bejahen. Es kann keine Stimmzettel geben, die nur mit Bezug auf eine der beiden Fragen ungültig und mit Bezug auf die andere Frage gültig wären ; entweder ist d e r g a n z e S t i m m z e t t e l gültig oder der ganze Stimmzettel ist ungültig. Es ergibt sich dies mit ajler Deutlichkeit aus dem ersten Absatz des Art. 12, wo nur von ungültigen S t i m m z e t t e l n die Rede ist. Leere S t i m m z e t t e l sind -- wie aus Art. 12, Absatz 2, unzweifelhaft hervorgeht -- nur solche, die k e i n e

283 der beiden Fragen beantworten. Solche Stimmzettel, die nur eine der beiden Fragen beantworten (vgl. oben lit. a und c), sind nicht leere Stimmzettel.

Bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses ist zunächst zu ermitteln, welche S t i m m z e t t e l leer oder ungültig sind· diese Stimmzettel fallen gemäss Art. 12, Absatz l, ausser Betracht und sind deshalb von der Gesamtzahl der eingelangten Stimmzettel in Abzug zu bringen ; dadurch erhält man die Zahl der in Betracht fallenden, also der gültigen (d.h. weder leeren noch ungültigen) Stimmzettel. Es sind dies diejenigen, die eine der oben sub lit. a bis d angegebenen Antworten enthalten. Die Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel ist die Zahl der ,,stimmenden Bürger" (Art. 13) oder -- wie sich der Art. 123, Absatz l, BV ausdrückt -- die Zahl der ,,an der Abstimmung teilnehmenden Bürger". Ebenso wie die Zahl der eingelangten Stimmzettel und diejenige der ,,ausser Betracht fallenden11 Stimmzettel, muss auch die Zahl der ,,stimmenden Bürger", die ja nichts anderes ist als die Differenz zwischen jenen beiden Zahlen, eine einheitliche sein, d. h. sie kann nicht mit bezug auf die beiden Fragen verschieden gross sein. Jeder, der einen gültigen (d. h. weder leereu noch ungültigen) Stimmzettel abgibt, zählt als ,,stimmender Bürger" mit.

Dass aber diejenigen, die einen leeren oder ungültigen Stimmzettel abgeben, nicht als stimmende Bürger mitzählen, steht unzweifelhaft fest, da im Art. 12, Absatz l, des Gesetzes ausdrücklich bestimmt wird, dass solche Stimmzettel bei Ermittlung des Abstimmungsergebnisses ausser Betracht fallen.

Ist die Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel festgestellt, so bildet die Hälfte dieser Zahl plus l *) die nach Art. 13 erförderliche ,,Mehrheit der stimmenden Bürger" oder -- was dasselbe bedeutet -- die im Art. 123, Absatz l, B V vorgesehene ,,Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Bürger". Ein Entwurf muss, um vom Volke angenommen zu sein, mindestens soviel Ja auf sich vereinigt haben, als die Mehrheit der stimmenden Bürger beträgt. Beläuft sich beispielsweise die Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel auf 600 000, und bejahen *) Diese übliche Formel Mehrheit = -- + l (wobei n die Zahl der 2

in Betracht fallenden Stimmzettel darstellt) ist allerdings ungenau, da sie nur dann zutrifft, wenn n eine gerade Zahl ist. Ist n eine ungerade Zahl, so ist die Mehrheit = -----. Beträgt beispielsweise n = 1000, so ist 2i

die Mehrheit 501 ; wenn aber n = 1001 ist, so beträgt die Mehrheit 501 (nicht 500'/2 + 1).

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280,000 die erste und 250,000 die zweite Frage, so ist die Revision gescheitert, weil ein Entwurf, um angenommen zu werden, mindestens 300,001 -Ja auf sich vereinigen muss (gleichviel, wie gross die Zahl der Nein zu den einzelnen Fragen ist).

Auf diese Weise wird die im Art. 13 des Gesetzes und im Art. 123, Absatz l, BV, aufgestellte Garantie gewahrt, dass keine Verfassungsänderung Zustandekommen kann, ohne dass die Mehrheit der an der Abstimmung teilnehmenden Bürger sich für die Annahme der revidierten Verfassungsbestimmung ausgesprochen hätte.

Diejenigen Stimmzettel, die nur die eine Frage verneinen und die andere unbeantwortet lassen, haben keine der beiden Fragen bejaht, können daher auch für keine als Ja zählen ; wohl aber gehören sie gemäss der positiven Vorschrift des Art. 12, Absatz 2, zu den gültigen Stimmzetteln und zählen deshalb bei der Ermittlung der Zahl der ,,stimmenden Bürgera mit. Ebenso verhält es sich mit einem Stimmzettel, der zwei Nein enthält.

Für die Feststellung, ob ein Entwurf von der Mehrheit der stimmenden Bürger angenommen worden ist, kommt es einzig und allein darauf an, ob die Zahl der auf ihn gefallenen Ja grösser ist als die Hälfte der Zahl der gültigen Stimmzettel. Die oben sub a oder b angeführten Stimmzettel zählen für einen Entwurf als Ja ; die sub e oder d angeführten zählen für keinen Entwurf als Ja*)..

*) Prof. Burckhardt vertritt in seinem Aufsatze ,,Zur Annahme der Glückspielinitiative" (Schweiz. Juristenzeitung, Bd. 16, S. 297 ff.) die Ansicht, dass ,,wohl auch" diejenigen Stimmzettel, welche bloss die zweite Frage verneinen ,,ohne auf die erste eine ausdrückliche Antwort zu geben", als Ja auf die erste Frage zu zählen seien. Ebenso will er Stimmzettel, die bloss die erste Frage verneinen, als Ja auf die zweite Frage zählen.

Kur diejenigen Stimmzettel, die zwei Nein aufweisen, will er als solche gelten lassen, die sich für die Beibehaltung des bisherigen Rechts aussprechen. Nach seiner Auffassung wären die Stimmzettel zur ziffermässigen Darstellung des Ergebnisses in der dreifachen Gruppierung zusammenzustellen: I. Stimmzettel für Annahme des Entwurfes der Initianten (alle diejenigen mit Ja auf die erste Frage oder mit blossem Nein auf die zweite); II. Solche für Annahme des Gegenentwurfes der Bundesversammlung (Ja auf die zweite oder blosses Nein auf
.die erste Frage) ; III. Solche für Beibehaltung des bisherigen Rechtszustandes (doppeltes Nein).

Diese Auffassung erweist sich jedoch bei näherer Prüfung als unhaltbar. Vor allem ist die Vermutung, wonach, wer eine Frage mit Nein und die andere nicht ausdrücklich beantwortet, sich für Bejahung der zweiten habe aussprechen wollen, nicht gerechtfertigt. Wer eine Frage verneint, kann die andere ebensogut bejahen als verneinen; lässt er sie leer, so hat er sie eben nicht bejaht (und auch nicht verneint). Hätte er

285 Zur Annahme eines Entwurfes ist ferner erforderlich, dass er die Mehrheit der Stände, also mindestens H J /2 Standesstimmen auf sich vereinigt habe. Als Standesstimme gilt laut Art. 123, Absatz 3, BV das Ergebnis der Volksabstimmung im Kanton. Bei der Feststellung des Ergebnisses im Kanton muss in gleicher Weise verfahren werden, wie bei der Feststellung des Gesamtresultates. Wenn mehr als die Hälfte der in Betracht fallenden Stimmzettel im Kanton die gleiche Frage bejaht hat, so hat der Kanton diesen Revisionsentwurf angenommen ; es gilt dies dann als annehmende Standesstimme für diesen Entwurf.

Ein Entwurf hat die Mehrheit der Stände nur dann erreicht, wenn in mindestens H1/2 Kantonen je wenigstens die Hälfte (plus 1)' der in Betracht fallenden Stimmzettel zugunsten dieses Entwurfes lauten.

Eine Revision kommt nur dann zustande, wenn ein Entwurf von der Mehrheit sowohl der Stimmenden als der Kantone angenommen worden ist. Hat zufälligerweise die Mehrheit der Stimmenden den einen, diejenige der Kantone den andern Entwurf angenommen, so ist die Revision gescheitert und es bleibt der bisherige Rechtszüstand weiter bestehen.

II.

Laut der positiven Vorschrift des Art. 14 'haben die Abstimmungsprotokolle anzugeben : die Zahl der Stimmberechtigten, der.eingelangten Stimmzettel, der ausser Betracht fallenden Stimmzettel, ferner die Zahl der abgegebenen Ja und Nein, und zwar sich für Annahme eines Entwurfes aussprechen wollen, so hätte er sein Ja ausdrücklich erklären müssen; dies hat er aber nicht getan. Die Ä n d e r u n g der Verfassung bedarf der Annahme durch die Mehrheit der Stimmenden und der Kantone ; die blosse Beibehaltung des bestehenden Rechtszustandes ist etwas rein Negatives ; wenn keiner der beiden Revisionsentwürfe die erforderliche Mehrheit erzielt, wird der bisherige Rechtszustand beibehalten; es ist nicht etwa nötig, dass die Mehrheit der Stimmenden und der Stände sich für seine Beibehaltung ausgesprochen hätten.

Für die Vermutung, die blosse Verneinung der einen Frage dürfe als Bejahung der andern ausgelegt werden, ist im Gesetz gar keia Anhaltspunkt zu finden ; eine solche Vermutung wäre aber nur zulässig, wenn das Gesetz selbst sie aufgestellt hätte ; nur wenn dies der Fall wäre, dürfte man stillschweigende Willenserklärungen bei Volksabstimmungen als genügend erachten. Direkt im Widerspruch zum Art. 14 steht die Ansicht Burckhardts über die dreifache Gruppierung der Stimmzettel ; das Gesetz verlangt keine gesonderte Angabe der Zahl der doppelten Nein, sondern die Zusammenstellung aller Nein auf die erste Frage und aller Nein auf die zweite Frage.

286 im Falle der Abstimmung über Initiative und Gegenentwurf die Zahl der abgegebenen Ja und Nein auf jede der beiden Fragen.

Weitere Angaben verlangt das Gesetz nicht. Es schreibt nicht vor, dass die Zahl der leeren und die der ungültigen Stimmzettel gesondert angegeben werde; eine rechtliche Bedeutung kommt der Unterscheidung zwischen leeren und ungültigen Stimmzetteln überhaupt nicht zu ; sie sind alle ,,ausser Betracht fallende" Stimmzettel. Es mag aber Interesse bieten, zu erfahren, wie viele Stimmzettel leer und wie viele ungültig sind ; es kann dies für die Kontrolle von Nutzen sein, um bei Gemeinden, wo die Zahl der ungültigen Stimmzettel als verdächtig erscheint, diese nachzuprüfen. Laut dem Kreisschreiben des Bundesrates vom 13. März 1891 (Bundesbl. 1891, I, 503 ff.) ist die ,,gesonderte Aufzählung der leeren und der ungültigen Stimmkarten in hohem Masse wünschbar".

Das Gesetz schreibt die Angabe des ,,absoluten Mehrs" nicht vor. Der Ausdruck ,,absolutes Mehr" ist überhaupt kein glücklicher, weil damit nicht gesagt wird, um wessen Mehrheit es sich handelt ; es ist zwar darunter nichts anderes zu verstehen, als die Mehrheit der ,,stimmenden Bürger" (Art. 13), doch ist die Bezeichnung absolutes Mehr vielfach missverstanden worden.

Bei der Frage, was für Angaben die Abstimmungsprotokolle gemäss Art. 14 enthalten müssen, sind folgende zwei Fälle auseinanderauhalten : 1. Fall, wo über eine einfache Verfassungsvorlage abgestimmt wird: Initiativbegehren in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes (wenn kein Gegenentwurf der Bundesversammlung vorliegt) oder Revisionsentwurf, den die Räte von sich aus (ohne dass eine Volksinitiative vorliegt) ausgearbeitet haben. Es handelt sich dabei um eine einzige Frage, die den Stimmberechtigten unterbreitet wird.

Die Abstimmungsprotokolle müssen gemäss Art. 14 angeben Zahl a. der Stimmberechtigten, b. der eingelangten Stimmzettel, c. der ausser Betracht fallenden Stimmzettel, d. der Ja, e. der Nein. Hier ist, da nur über eine Frage abzustimmen ist, die Differenz b -- c = d-{- e = Zahl der ,,stimmenden Bürger" (d. h.

der gültigen Stimmzettel). Die Hälfte dieser Zahl plus l ist die erforderliche Mehrheit. Es ist nicht nötig, dass die Protokolle diese Mehrheit ausdrücklich anführen ; sie lässt sich aus den vorhandenen Angaben durch eine überaus einfache Rechnungsoperation ableiten.

287

2. Fall, wo ein Initiativbegehren (in Form eines ausgearbeiteten Entwurfes) und ein Gegenentwurf der Bundesversammlung zur Abstimmung gelangen. Hier ist über z w e i Fragen abzustimmen.

Den Gesetzesvorschriften ist Genüge geleistet, wenn die Abstimmungsprotokolle folgende Angaben enthalten : Zahl a. der Stimmberechtigten, b. der eingelangten Stimmzettel, c. der ausser Betracht fallenden Stimmzettel, d. der Ja auf die erste Frage, e. der Nein auf die erste Frage, f. der Ja auf die zweite, g. der Nein auf die zweite Frage.

Die Differenz b -- c ergibt die Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel, d. h. die Zahl der ,,stimmenden Bürger". Die Hälfte dieser Zahl plus l stellt die erforderliche Mehrheit dar ; erreicht d diese Zahl," so ist der Entwurf der Initianten vom Volke angenommen ; erreicht f diese Zahl, so ist der Gegenenlwurf der Bundesversammlung angenommen. Die Ziffern zu e und g dienen nur dazu, die Kontrolle einigermassen zu erleichtern.

Die Berechnung der erforderlichen Mehrheit ist auch hier «ine äusserst einfache Rechnungsoperation ( --=-- -j- l j, die auf Grund der Angaben o und c ohne weiteres erfolgen kann.

Es versteht sich von selbst, dass die erforderliche Mehrheit für die beiden den Stimmberechtigten unterbreiteten Fragen gleich gross sein muss ; es kommt nicht etwa darauf an, ob d grösser oder kleiner ist als e, ebensowenig ob f grösser oder kleiner ist als g. Wollte man darauf abstellen, ob die Zahl der Ja oder die der Nein zu jeder einzelnen Frage grösser ist, so würde . man zum absurden Resultat gelangen, dass beide Entwürfe angenommen werden könnten. "Wie da die Standesstimmen ermittelt werden könnten, ist unerfindlich. Wenn der einzelne Bürger nicht beide Fragen bejahen darf, ist es klar, dass auch ein Kanton nicht zwei Ja als Standesstimme abgeben darf und dass das Endresultat nicht in der Annahme beider Entwürfe (die sowieso miteinander unvereinbar sind) bestehen kann.

III.

Die Überprüfung der Angaben der Kantone über das ,,absolute Mehr" (vgl. Nachtragsbericht des Bundesrates vom 14. Juni 1920) ergibt anhand der Akten, dass für die Berechnung des angeblichen absoluten Mehrs nicht weniger als sieben verschiedene Berechnungsarten zur Anwendung gelangten.

288 Nur vier Kantone haben die Mehrheit der stimmenden Bürger richtig errechnet : Mehrheit = Hälfte der in Betracht fallenden Stimmzettel plus 1.

Hervorgehoben mag werden, dass eine grosse Zahl von Kantonen die Hälfte der Summe der Ja und Nein zur ersten Frage plus l als absolutes Mehr hinsichtlich des Initiativentwurfes, ebenso die Hälfte der Summe der Ja und Nein zur zweiten Frage plus l als absolutes Mehr hinsichtlich des Gegenentwurl'es bezeichnet. Diese Berechnungsart ergibt fälschlicherweise für jede der beiden Fragen ein anderes ,,absolutes Mehra.

Anhand der von den Kantonen als ,,absolutes Mehr1' bezeichneten, auf so verschiedene Art berechneten Zahlen lässt sich das wirkliche Abstimmungsresultat nicht mit Sicherheit ermitteln.

Für eine grosse Zahl von Kantonen kann auf Grund der Akten die Zahl der ausser Betracht fallenden Stimmzettel (und infolgedessen auch die Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel sowie die ,,Mehrheit der stimmenden Bürger") nicht festgestellt werden.

IV.

Stichproben in den von den Kantonen eingesandten Zusammenstellungen der Abstimmungsergebnisse der einzelnen Gemeinden zeigen, dass vornehmlich folgende Irrtümer vorgekommen sind: Stimmzettel, die beide Fragen bejahen, sind als gültig behandelt worden.

Stimmzettel, die zwei Nein enthalten, sind als ungültig behandelt worden.

Stimmzettel, die nur ein Ja oder Nein aufweisen und bei denen die zweite Frage unbeantwortet gelassen ist, wurden zu den leeren oder ungültigen gezählt.

Überdies sind Additionsfehler vorgekommen und, nach den Angaben eines Kantons zu schliessen, sind auch Stimmzettel, bei denen der Bürger das Ja oder Nein nicht genau auf die punktierte Linie geschrieben hatte, als ungültig behandelt worden, trotzdem kein begründeter Zweifel darüber bestehen konnte^ welche der beiden Fragen beantwortet worden war.

V.

Da es uns dringend wünschbar schien, das Ergebnis der.Nachzählung in den Kantonen in möglichst einheitlicher Weise zusammengestellt zu sehen, so wurde den Kantonen mit dem Schreiben

28» der Bundeskanzlei das folgende, den Vorschriften des Art. 14 des mehrzitierten Bundesgesetzes entsprechende Schema übermittelt.

Schema für die Zusammenstellung des Abstimmungsergebnisses in den Kantonen.

Gemeinde (Bezirk, Wahlkreis)

EinStimmberech- gelangte ·Stimmtigte zettel

Ansser Betracht fallende Stimmzettel leere

In Entwurf Betracht der Initianten fallende Stimmzettel Ja Nein ungDItlp

Segenentwarf

Ja

Nein

Summe Mehrheit:

das zu folgenden Bemerkungen Anlass gibt: Die Rubrik der ausser Betracht fallenden Stimmzettel ist in zwei Unterabteilungen, ,,leere" und ,,ungültige", eingeteilt, trotzdem dies vom Gesetz nicht vorgeschrieben, sondern nur durch das bundesrätliche Kreisschreiben vom 13. März 1891 eingeführt worden ist.

Aufgenommen wurde auch eine Rubrik ,,in Betracht fallende Stimmzettel" ; sie ist im Art. 14 des Gesetzes zwar nicht vorgesehen; sie erleichtert aber die Kontrolle, indem sie die Übersichtlichkeit der Tabelle wesentlich erhöht, und ihre Aufnahme ist insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil es dringend wünschbar erscheint, dass die Zahl, aus der die Mehrheit (sogenanntes absolutes Mehr") zu berechnen ist, in einer besondern Rubrik angeführt werde.

Am Schlüsse der Zusammenstellung eines jeden Kantons ist selbstverständlich bei jeder Rubrik die Summe zu berechnen ; bei der Rubrik ,,in Betracht fallende Stimmzettel" ist am Schlüsse ausser der Summe auch das sich daraus ergebende ,,absolute Mehr" anzuführen.

290 Die Ausrechnung des ^absoluten Mehrsa für jede Gemeinde (oder Bezirk, Wahlkreis) hätte keinen Sinn und könnte nur Verwirrung anrichten ; die Abstimmungsprotokolle haben daher das ^absolute Mehr" nicht anzugeben. Wohl aber muss dieses für ·das Ergebnis des einzelnen Kantons ausgerechnet werden, weil ·diese Zahl für die Feststellung der Standesstimme massgebend ist.

B.

Über die Nachzählung im einzelnen ist folgendes zu sagen : I.

Eine Nachzählung war ohne weiteres unnötig im Kanton B a s e l - S t a d t , da dessen Angaben über das Resultat den im vorstehenden enthaltenen Ausführungen von vornherein entsprachen.

Ebenso war eine erneute Überprüfung des Abstimmungsresultats des Kantons St. G a l l e n überflüssig, da dieser Kanton von sich aus eine Nachzählung nach der richtigen Berechnungsart veranstaltet hatte. Der Umstand, dass dabei die Zahlen der leeren und ungültigen Stimmzettel nicht auseinander gehalten wurden, sondern in einer Zahl vereinigt sind, bildete keinen genügenden Grund, um eine neuerliche Nachzählung zu verlangen.

Auch die aus dem T h u r g au eingegangenen Angaben enthielten alle für die genaue Feststellung des Ergebnisses nötigen, nach den richtigen Grundsätzen ermittelten Zahlen.

Im Kanton L u z e r n war das Abstimmungsresultat ebenfalls ·von vornherein nach den richtigen Grundsätzen festgestellt worden.

.Auffällig erschien nur, dass die Zahl der ungültigen und leeren Stimmzettel bei der Abstimmung über die Verfassungsvorlage genau dieselbe war wie bei der gleichzeitigen Abstimmung über das Bundesgesetz betreffend die Regelung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kanton Luzern ist hierauf aufmerksam gemacht worden, ohne dass dabei das strikte Verlangen einer Nachzählung gestellt wurde.

Er hat eine Nachzählung, die zweifellos am Gesamtresultat des Kantons keine Änderung ergeben hätte, nicht durchgeführt, weil ·er nicht mehr über das gesamte Abstimmungsmaterial verfügte.

Auch der Kanton Wa a d t hatte bei Feststellung des Abstimmungsergebnisses die richtigen Berechnungsgrundsätze beobachtet. Wir begnügten uns daher damit, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass, wie Stichproben ergeben hatten, in einzelnen Gemeinden kleine Fehler in der Bewertung der Stimmzettel nach ihrer Gültigkeit vorgekommen sein müssen. Da diese Fehler aber

291 geringfügig waren und das Gesamtresultat der Abstimmung offerisichtlich nicht in Frage stellen konnten, überliessen wir es der Regierung des Kantons Waadt, eine Nachzählung der ganzen Ab.stimmung durchzuführen oder sich auf die Berichtigung der offenkundig zutage liegenden kleinen Fehler in den Zählresultaten ·einiger Gemeinden zu beschränken. Der Kanton Waadt hat den letztgenannten Weg eingeschlagen und ist dabei zu den in der Wer beigefügten Tabelle aufgeführten Zahlen gekommen, die von ·den früher ermittelten, wie vorauszusehen war, nur wenig abweichen.

II.

Die Nachzählung ist unter Beobachtung der im Abschnitt A hiervor dargelegten Grundsätze durchgeführt worden in den Kantonen Bern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwaiden, Basel-Land, «SchafFhausen, Appenzell A.-Rh., Appenzell I.-Rh., Aargau, Wallis, Neuenburg und Genf.

Zu den Resultaten dieser Nachzählung ist folgendes zu bemerken : Im Kanton B e r n , der im frühern Bericht zu den Kantonen gezählt worden war, die die Initiative angenommen haben, hat sich ergeben, dass das Initiativbegehren nicht die Mehrheit der .stimmenden Bürger auf sich zu vereinigen vermochte. Auch der ·Gegenentwurf der Bundesversammlung ist verworfen worden.

Die Kantone Uri, S c h w y z , O b w a l d e n , A p p e n z e l l A.-Rh., A p p e n z e l l I.-Rh. und A a r g a u haben beide Revisionsvorschläge verworfen.

Nid w a i d e n hat die Initiative verworfen, den Gegenentwurf angenommen.

B a s e l - L a n d hat das Initiativbegehren gutgeheissen, den Oegenentwurf abgelehnt.

S e h ä f f h a u s e n stimmte dem Initiativbegehren zu.

Die Kantone Wa I l i s und G e n f haben das Initiativbegehren angenommen, den Gegenentwurf abgelehnt.

Im Kanton N e u e n b u r g war eine vollständige Nachzählung des Abstimmungsergebnisses nicht mehr möglich, weil die Stimmzettel in den Bezirken Boudry und Val-de-Ruz vorzeitig vernichtet worden sind. Auch die Resultate dieser Bezirke sind anhand der Abstimmungsprotokolle überprüft und, soweit dies möglich schien, berichtigt worden. Der Staatsrat des Kantons Neuenburg gibt denn auch in dem Schreiben, womit er das bereinigte Abstimmungsresultat begleitet, der Auffassung Ausdruck, dass, wenn

292 auch die absolute Richtigkeit der Ziffern der neuen Zusammenstellung nicht erreicht werden konnte, das neuermittelte Ergebnis der Abstimmung doch der Wirklichkeit zweifellos sehr nahe komme. In der Tat kann über die Stellungnahme des Kantons: Neuenburg zu den Verfassungsvorlagen kein Zweifel bestehen.

Denn selbst wenn sämtliche Stimmberechtigte, die in den beiden Bezirken Boudry und Val-de-Ruz an der Abstimmung teilgenommen haben, die Initiative verworfen hätten, so würde die Zahl der dieInitiative annehmenden Stimmen im Kanton immer noch die Mehrheit ausmachen. Wir haben daher nicht gezögert, das neuermittelte Ergebnis des Kantons Neuenburg in die beigefügte Zusammenstellung aufzunehmen und diesen Kanton den Kantonen zuzuzählen^ die den Revisionsvorschlag der Initianten angenommen, den Gegenentwurf abgelehnt haben.

III.

Die Kantone Zürich, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Graubünden und Tessin waren ausserstande, die Nachzählung durchzuführen, weil die Stimmzettel schon vernichtet worden sind.

Diese Tatsache ist um so mehr zu bedauern, als sie zur Folge hat, dass ein absolut sicheres Ergebnis der Volksabstimmung vom 21. März 1920 überhaupt nicht festgestellt werden kann. Sie beruht im übrigen auf der Ausserachtlassung der einschlägigen Vorschriften und der Grundsätze, die sich für die Aufbewahrung des Abstimmungsmaterials bei eidgenössischen Abstimmungen aus der Natur der Sache ergeben. Das Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung enthält allerdings in dieser Richtung keine besondere Vorschrift. Es verweist aber in Art. 16 darauf, dass bezüglich der Anordnung und Vornahme der Volksabstimmung die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse gelten und dieses Gesetz schreibt in Art. 13 ausdrücklich vor : ,,Die Kantonsregierungen haben die Protokolle über die Abstimmungen dem Bundesrat innerhalb zehn Tagen zu übersenden und halten die Stimmkarten zu dessen Verfügung.a Und im Bundesgesetz vom 19. Juli 1872 betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen heisst es, nachdem in Art. 11, Absatz l, die Übermittlung der Abstimmungsakten an den Bundesrat vorgeschrieben worden ist, in Absatz 2 desselben Artikels : ,,Einzig die Stimmzettel
bleiben unter Verwahrung der Kantonsregierungen und sind von diesen nur auf Verlangen einzusenden, nach Genehmigung der Verhandlungen aber zu vernichten."1 Aus diesen Bestimmungen ergibt sich ganz unzweifelhaft, dass die

293 ·Stimmzettel bei eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen von den Kantonsregierungen zur Verfügung der eidgenössischen Behörden gehalten werden müssen. Fraglich mag nur erscheinen, wie lange diese Pflicht besteht. Allein auch hierüber ist ein Zweifel eigentlich ausgeschlossen und gerade der vorliegende Fall ist dazu angetan, hierüber Klarheit zu verbreiten. Eine Wahl- oder Abstimmungsverhandlung ist unstreitig erst dann zu ihrem rechtsmässigen Abschluss gelangt, wenn sie von der zuständigen Behörde erwahrt worden ist. Dies bringt übrigens der obenerwähnte Absatz 2 des Art. 11" des Bundesgesetzes von 1872 deutlich zum Ausdruck. Dass bei eidgenössischen Wahl- und Abstimmungsverhandlungen nur die Erwahrung durch die zuständige eidgenössische Behörde in Betracht fällt, bedarf wohl keiner weitern Erörterung. Der Ablauf der Einspruchsfrist und die Veröffentlichung des Ergebnisses der Abstimmungsverhandlung in den kantonalen Amtsblättern haben für die Pflicht der Kantone zur Aufbewahrung der Stimmzettel keine Bedeutung, was sich aus der einfachen, durch den vorliegenden Fall bekräftigten Überlegung ergibt, dass, ungeachtet des Fehlens von Einsprachen gegen die Abstimmungsverhandlung und der Veröffentlichung ihrer Resultate, die eidgenössische Erwahrungsbehörde jederzeit das Recht hat und haben muss, wenn nötig die kantonalen Ergebnisse selbst zu prüfen oder überprüfen zu lassen. Könnten die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts durch Massnahmen der Kantone zunichte gemacht werden, so sänke das ganze Erwahrungsverfahren vor der eidgenössischen Behörde zur Bedeutungslosigkeit einer leeren Formalität herab, was zweifellos nicht in der Absicht des Gesetzgebers lag. Es ist daher durchaus falsch, wenn ein kantonales Departement sich dahin geäussert hat, die Bezirksbehörden seien nach Ablauf der Einsprachefrist berechtigt gewesen, die Stimmzettel zu zerstören. Vielmehr sind die Kantone verpflichtet, bei eidgenössischen Abstimmungen das in ihrer Verwahrung verbleibende Abstimmungsmaterial, also insbesondere die Stimmzettel, zur Verfügung des Bundesrates zu halten, bis die zuständige eidgenössische Behörde die Erwahrung des Abstimmungsergebnisses ausgesprochen hat.

Nach Erledigung dieser prinzipiellen Frage wird nunmehr zu prüfen sein, ob und in welcher Weise die von den eingangs erwähnten Kantonen
angemeldeten, nicht berichtigten Ergebnisse für die Erwahrung in Betracht fallen und bei diesem Anlass zu bewerten sind. Es ist klar, dass hierüber lediglich nach Wahrscheinlichkeitserwägungen entschieden werden kann.

294 Z ü r i c h . Die Direktion des Innern führt in dem die Meldung von der Unmöglichkeit der Nachzählung enthaltenden Schreiben aus, dass, selbst wenn man sämtliche eingelegte Stimmzettel als gültig ansehen würde, was unzweifelhaft falsch wäre, dann die Zahl der für das Initiativbegehren eingelegten Ja (52,571) immer noch die auf Grund dieser Annahme mit 45,653 anzusetzende Mehrheit weit überstiege. Es könne somit darüber, dass die zürcherische Standesstimme zugunsten der Initiative zu zählen sei, kein Zweifel herrschen. Wir halten diese Ausführungen für begründet, die auch durch das ungeheure Übergewicht der nach der frühern Aufstelluug für die Initiative abgegebenen Ja über die Nein (52,571 : 27,879) und der auf den Gegenentwurf gefallenen Nein gegenüber den Ja (64,187 : 12,944) bekräftigt zu werden scheint. Wir glauben uns auch der weitern Erwägung der züreherischen Direktion des Innern anschliessen zu können, wonach die in der frühern Zusammenstellung des Ergebnisses der Abstimmung über das Initiativbegehren aufgeführte Zahl der ungültigen Stimmen (3500) von ungültigen Stimmzetteln herrühren und dass von den leeren Stimmen mit grösster Wahrscheinlichkeit etwa 7000 auf leere Stimmzettel zurückzuführen sind. Diese Erwägung führt aber zu dem Schluss, dass die Zahl der in Betracht fallenden Stimmz e t t e l im äussersten Fall 82,000 und somit die Mehrheit 41,001 beträgt. Demgemäss zählen wir den Kanton Zürich zu den das Initiativbegehren annehmenden Ständen.

G l a r u s . Auch hier war eine Nachzählung nicht möglich, und die Regierung musste sich darauf beschränken, auf Grund einer Nachprüfung der Abstimmungsprotokolle eine neue Zusammenstellung des Ergebnisses vorzunehmen, welche die Unterscheidung der leeren und ungültigen Stimmen entbehrt und folgende Zahlen aufweist: Stimmberechtigte 8559.

Eingelangte Stimmzettel 5688.

Ausser Betracht fallende (leere und und ungültige) Stimmzettel 1110.

In Betracht fallende Stimmzettel 4578.

Mehrheit 2290.

Initiativbegehren Ja 2207, Nein 2346.

Gegenvorschlag Ja 1270, Nein 2564.

Das Resultat erscheint als durchaus unsicher, und dies um so mehr, als der Unterschied der Ja und Nein beim Initiativbegehren ganz gering ist.

295 Zug. Eine Nachzählung war nicht möglich. Die frühero Angaben zeigen, dass offensichtliche Irrtümer bei der Zählung der leeren und ungültigen Stimmen vorgekommen sind. Infolgedessen läset sich auch die Zahl der gültigen Stimmen und die Mehrheit nicht mit Sicherheit festsetzen. Es ist aber zu beachten, dass in der Zusammenstellung des Abstimmungsergebnisses bei beiden Revisionsvorschlägen die Zahl der verwerfenden Stimmen um je ungefähr 600 grösser ist als die Zahl der annehmenden Stimmen. Bei der Auszählung der geringen Zahl der eingelangten Stimmzettel (3514) dürften aber kaum so umfangreiche Irrtümer vorgekommen sein, dass ihre Berichtigung eine Änderung im Gesamtresultat herbeizuführen vermöchte. Wir glauben daher, annehmen zu dürfen, dass im Kanton Zug keine der Revisionsvorlagen die Mehrheit erhalten hat. Eine andere Überlegung führt zum selben Resultat. Die in der Zusammenstellung angegebenen Zahlen der leeren und ungültigen Stimmen (829 und 1136) sind jedenfalls angesichts der geringen Stimmbeteiligung (3514) eher zu hoch als zu niedrig angesetzt, und eine Nachzählung ergäbe mit grösser Wahrscheinlichkeit eine geringere Zahl ausser Betracht fallender Stimmzettel. Vermochte nun das Initiativbegehren selbst bei der zu gross angesetzten Zahl ungültiger Stimmzettel nicht die erforderliche Mehrheit auf sich zu vereinigen, so wäre dies noch viel weniger der Fall, wenn die Zahl der ausser Betracht fallenden Stimmzettel geringer und infolgedessen die Mehrheit höher angesetzt werden müsste.

P r e i b u r g. Auch hier scheint uns, trotz der theoretischen Unsicherheit des Ergebnisses, dessen Berichtigung nicht mehr möglich ist, angesichts der in der ursprünglichen Zusammenstellung des Abstimmungsresultats ausgewiesenen Unterschiede zwischen den Ja und Nein zum Initiativbegehren (14,272 : 4856) und zum Gegenvorschlag (1903 : 16,943) bei einer Stimmbeteiligung von 20,020 ein Zweifel darüber ausgeschlossen, dass auch bei richtiger Berechnung die Zahl der die Initiative annehmenden Stimmen weit über dem Mehr liegen würde; denn selbst wenn angenommen würde, alle eingelegten Stimmzettel seien als gültig zu betrachten und die Mehrheit betrüge somit 10,011, so übersteigt die Zahl der Ja für die Initiative diese Ziffer immer noch um ein Beträchtliches. Wir haben deshalb den Kanton Freiburg den das
Initiativbegehren annehmenden Ständen zugezählt.

S o l o t h u r n . Die' Staatskanzlei Solothurn teilte uns am 10. August 1920 mit, da ungefähr 63 % der Stimmzettel schon vernichtet seien, könne eine Nachzählung nicht vorgenommen werden. Sie hatte schon in einem frühem Schreiben darauf

296 hingewiesen, dass, wenn auch die Mehrheit der stimmenden Bürger infolge unrichtiger Berechnung der leeren und ungültigen Stimmzettel anhand der vorliegenden Abstimmungsprotokolle nicht festgestellt werden könne, doch die Zahl der Ja und Nein sicher richtig gezählt worden sei. Nach den vorliegenden Angaben der Staatskanzlei sind nun für das Initiativbegehren 939 mehr Ja als Nein und für den Gegenvorschlag 6459 mehr Nein als Ja «ingelegt worden. Es darf daher doch wohl angenommen werden, auch bei einwandfreier Berechnung der Mehrheit würde sich ergeben, dass die Zahl der Bürger, die für die Initiative eingetreten sind, diese Mehrheit erreicht. Wenn man auch annehmen wollte, die Zahl der beim Initiativbegehren nach der ursprünglichen Zusammenstellung abgegebenen leeren und ungültigen Stimmen (2255) sei zu hoch angegeben und nur 1350, also eine im Verhältnis zu den eingelangten Stimmzetteln geringe Zahl leere oder ungültige Stimmzettel einsetzt, so ergibt sich als Mehrheit die Zahl 17,238 weniger 1350 =

15

^38 + l = 7945, während £1

für die Initiative 7961 Ja eingelegt wurden.

G r a u b ü n d e n . Die Irrtümer, die bei der Feststellung des" Abstimmungsergebnisses dieses Kantons vorgekommen waren, stellten sich in der Hauptsache dar als ziemlich zahlreiche, aber verhältnismässig geringfügige Fehler bei der Berechnung der leeren und ungültigen Stimmen in den einzelnen Gemeinden. Im übrigen war die Grundlage der Zusammenstellung richtig, und namentlich war der Irrtum vermieden worden, für die Initiative und den Gegenvorschlag je eine andere Zahl der nicht in Betracht fallenden Stimmen herauszurechnen. Das ursprüngliche Ergebnis ist nun nochmals genau durchgerechnet, und es sind dabei offensichtliche Irrtümer wo immer möglich berichtigt worden. Wir nehmen daher keinen Anstand, die Zahlen der neuen Berechnung in die Zusammenstellung aufzunehmen und den Kanton Graubünden denjenigen Ständen zuzuzählen, die das Initiativbegehren angenommen haben.

T essi n. Bei der Zusammenstellung und Berechnung des Ergebnisses der Abstimmung im Kanton Tessin wurden die richtigen Grundsätze befolgt. Auffällig war, dass, wie im Kanton Luzern, die Zahl der leeren und ungültigen Stimmzettel, die in der Abstimmung über die Verfassungsvorlagen festgestellt worden waren, mit derjenigen der leeren und ungültigen Stimmzettel bei der Gesetzesvorlage übereinstimmte. Überdies ergab eine Durchsicht der Gemeinderesultate, dass mancherorts Fehler in der Be-

297 wertung der Stimmzettel vorgekommen sein müssen, sei es, dass.

Stimmzettel, die beide die Verfassungsvorlagen betreffenden Fragen bejahten, als gültig betrachtet, sei es, dass Stimmzettel, die nur eine Frage beantworteten, den ungültigen zugezählt worden waren.

Eine Nachzählung war nicht mehr möglich, da die Stimmzettel vorzeitig vernichtet worden sind. Nach der Zusammenstellung des Ergebnisses, wie sie in unserm ersten Bericht enthalten ist, hat sich im Kanton Tessin für die Annahme der Initiative und für die Verwerfung des Gegenvorschlags je ein Mehr von über 2500 Stimmen ergeben. Bei der geringen Stimmbeteiligung (l6,826) ist kaum anzunehmen, dass auch bei genauster Nachzählung dieses Mehr verschwinden würde und somit ein anderes Abstimmungsergebnis als das ursprünglich ermittelte einzusetzen wäre. Demgemäss stellen wir auf das ursprüngliche, allerdings nicht absolut genaue Ergebnis ab und zählen den Kanton Tessin denjenigen Ständen zu, die das Initiativbegehren gutgeheissen haben.

IV.

Die hier angefügte neue Zusammenstellung der kantonalen Resultate entspricht den unter A. dieses Berichts dargelegten Grundsätzen. Sie gibt uns zu folgenden Bemerkungen Anlass : Diejenigen Kantone, bei denen von einer Nachzählung Umgang genommen werden konnte, sind mit einem Kreuz kenntlich gemacht.

Diejenigen Kantone, die die Nachzählung durchgeführt haben, sind durch einen Stern bezeichnet.

Die Namen derjenigen Kantone, die die Nachzählung nicht durchführen konnten, sind mit einem Doppelstern versehen.

Wegen der Unsicherheit des Ergebnisses haben wir bei Glarus in der 3. und den folgenden Kolonnen keine Zahlen ausgesetzt. Desgleichen bei Zürich in der 3. und 4. Kolonne, bei Zug in der 3., 4., 5. und 6., bei Freiburg in der 3., 4. und 5. Kolonne. Die kursiv gedruckten Zahlen beruhen entweder auf den frühern Angaben der Kantone oder sie entsprechen unsern Ausführungen unter BIII hiervor über die Bewertung des Resultats der betreffenden Kantone.

In der letzten Kolonne wurde nur angegeben, welche Verfassungsvorlage angenommen worden ist. Die Striche in dieser Kolonne bedeuten, dass beide Vorlagen verworfen wurden.

Bundesblatt. 72. Jahrg. Bd. IV.

25

298

V.

Über die Art, wie in dieser Zusammenstellung die Mehrhei der stimmenden Bürger und das Resultat der Abstimmung rücksichtlich dieser Mehrheit berechnet wurde, ist folgendes zu sagen : Da die Mehrheit der stimmenden Bürger in jedem Kanton nach der Formel -^--|-. 1 zu berechnen ist, wobei n = Zahl 2t der in Betracht fallenden Stimmzettel, so ist ohne weiteres klar, dass die Mehrheit der stimmenden Bürger für die ganze Schweiz nicht durch die Addition der Mehrheiten der einzelnen Kantone gewonnen werden kann. Vielmehr muss die Mehrheit für die ganze Schweiz nach der obigen Formel gesondert berechnet werden. Da ergibt sich nun im vorliegenden Fall die Schwierigkeit, dass sich die Zahl der leeren und ungültigen Stimmzettel und damit die der in Betracht fallenden Stimmzettel und der Mehrheit nicht mit absoluter Sicherheit feststellen lässt ; denn die Zahlen der ausser Betracht fallenden Stimmzettel fehlen in der Zusammenstellung bei einzelnen Kantonen ganz und sind bei andern nur annähernd angegeben. Wenn nun die Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel dadurch festgestellt wird, dass von der Gesamtzahl der eingelangten Zettel die Zahl der in der Tabelle ziffernmässig ausgewiesenen, ausser Betracht fallenden Stimmzettel abgezogen wird, wobei die Zahl der leeren und ungültigen Zettel der Kantone Zürich, GlaruSj Zug und Freiburg gänzlich vernachlässigt und bei den Kantonen Solothurn und Tessin sicherlich niedriger angesetzt ist, als sie in Wirklichkeit war, so muss die so errechnete Zahl der in Betracht fallenden Stimmzettel notwendigerweise wesentlich grösser sein als diejenige, die sich bei absolut richtiger Feststellung des Abstimmungsresultats ergeben hätte.

Dasselbe gilt aber auch von der Mehrheit, die aus der so berechneten Zahl der in Betracht fallanden Stimmzettel nach der mehrerwähnten Formel errechnet wird. Wird hierauf die Zahl der die Initiative annehmenden Stimmen durch Addition der in der Tabelle ausgewiesenen, wenn auch nicht absolut, so doch nahezu richtigen Ziffern berechnet, wobei die annehmenden Stimmen der Kantone Glarus und Zug gänzlich vernachlässigt werden, und zeigt sich dann, dass die so gewonnene Ziffer die vorher berechnete und zweifellos zu hoch angesetzte Zahl der Mehrheit der Stimmenden doch noch übersteigt, so darf mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit behauptet werden, der Revisionsvorschlag der Initianten sei von der Mehrheit der stimmenden Bürger angenommen worden.

299

Die auf Grund dieser Erwägungen in die Tabelle eingesetzten Schlussziffern weisen nun aus, dass der Revisionsvorschlag der Initianten eine die Mehrheit der stimmenden Bürger um 5370 übersteigende Zahl, von Ja auf sich zu vereinigen vermochte und dass von 196/a Standesstimmen 122/a zugunsten der Initiative abgegeben worden sind. Die Verfassungsrevision, wie sie von den Initianten angestrebt worden ist, hat somit sowohl die sogenannte absolute Mehrheit der stimmenden Bürger als die Mehrheit der Standesstimmen erhalten..

VI.

Zum Schluss noch eine Bemerkung.

Die Unsicherheit, die bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses in einzelnen Kantonen zutage getreten ist, rührt, wie sich aus der Korrespondenz mit den kantonalen Instanzen zur Evidenz ergibt, teilweise auch davon her, dass der Stimmberechtigte am 21. März 1920 auf ein und demselben Stimmzettel sein Votum sowohl zu den beiden Verfassungsvorlagen als zu einer Gesetzesvorlage abgeben musste. Es wäre besser gewesen, für die beiden Abstimmungen getrennte Stimmzettel zu verwenden, was zukünftig in ähnlichen Fällen geschehen soll.

C.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den Antrag zu stellen, es sei der nachstehende Entwurf eines Bundesbeschlusses zu genehmigen und damit der nach dem Vorschlag der Initianten abgeänderte Art. 35 der Bundesverfassung in Kraft zu erklären.

B e r n , den 17. September 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler:

Steiger.

300

(Entwurf.)

Bimdesfoesckluss betreffend

die Erwähnung der Volksabstimmung vom 21. März 1920 über das Volksbegehren um Abänderung des Art. 35 der Bundesverfassung (Verbot der Errichtung von Spielbanken).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Protokolle der Volksabstimmung vom 21. März 1920 über das Volksbegehren um Abänderung des Artikels 35 der Bundesverfassung, der Berichte des Bundesrates vom 19. April, 14. Juni und -17. September 1920, aas welchen Akten sich ergibt: 1. dass die Mehrheit der stimmenden Bürger sich für die Annahme des Revisionsvorschlages der Initianten ausgesprochen hat; 2. dass 12 ganze und zwei, halbe Stände dem Revisionsvorschlag zugestimmt haben, während 1/2 Standesstimme zugunsten des Gegenvorschlages der Bundesversammlung abgegeben' wurde und 7 ganze und 3/a Stände beide Revisionsvorschläge verwarfen ; erklärt: I. Der mit Initiativbegehren vom Jahre 19Ì4 beantragte abgeänderte Artikel 35 der Bundesverfassung ist von der Mehrheit der stimmenden Schweizerbürger, sowie der Stände angenommen und tritt mit heutigem Tage in Kraft.

II. Der abgeänderte Artikel lautet wie'folgt: Artikel 35.

Die Errichtung von Spielbanken ist untersagt.

Als Spielbank ist jede Unternehmung anzusehen, welche Glücksspiele betreibt.

Die jetzt bestehenden Spielbankbetriebe sind binnen fünf Jahren nach Annahme dieser Bestimmung zu schliessen.

Der Bund kann auch in Beziehung auf die Lotterien geeignete Massnahmen treffen.

>-<£>-<;

Volksabstimmung vom 2l. März 1920 betr. die Spielbank-Initiative. - Zusammenstellung des Abstimmungsergebnisses für Oie ganze Schweiz.

Kantone

Ausser Betracht EinStimmfallende gelangte berechStimmzettel Stimmtinta tigte zettel leere ungültige

?

?

Zürich ** '. . 136,884 91,304 Bern* . .. . 171,510 100,011 6,016 7,094 Luzernf. . . 43,307 19,832 441 220 Uri* . . . .

5,716 169 2,895 142 15,033 7,552 400 Schwyz *.

335 Obwalden* . .

4,427 1,556 56 90 Nidwaiden* .

3,383 1,200 32 40 Glarus** . .

8,559 5,688 ' 7,897 ?

Zug** . . .

3,514 ?

Freiburg**. .. 34,368 20,020 Solotlwrn** . 32,985 17,238 1,350 Basel-Stadt f . 31,188 13,992 253 711 Basel-Land * . 19,128 11,452 395 1,464 12,621 10,409 1,246 718 Schaff hausen*.

Appenzell A,-Rh,* 13,812 10,244 681 705 Appenzell l.-Rh.* 3,171 2,309 127 267 7,781 St. Gallen f . . 67,016 53,329 Graubündeu **. 28,735 20,331' 862 599 Aargau * . . 56,555 47,642 4,240 3,052 Thurgau f . . 32,636 25,610 2,624 1,560 Tessin** . . 41,658 16,826 123 119 79,409 45,419 1,338 2,726 Waadtf- · · Wallis* , . . 32,998 16,644 237 1,004 Neuenburg * . 34,670 17,460 196 1,193 Genf* . . . 39,444 17,354 291 196

Summe

957,110 579,831

51,093

In Betracht fallende

Mehrheit

82,000 86,901 19,468 2,584 6,817 1,410 1,128 ?

?

?

15,888 13,028 9,593 8,445 8,858 1,915 45,548 18,870 40,350 21,426 16.5S4 4l',355 15,403 16.071 16,867

41,001 43,451 9,735 1,293 3,409 706 565 ·) ?

10,011 7,945 6,515 4,797 4,223 4,430 958 · 22,775 9,436 20,176 10,714 8,293 20,678 7,702 8,036 8,434

ÇlimminHnl oiimnizettei

Entwurf der Initianten

Ja

579,831-51,093= KfìO T2Q O2O,70O

52,571 41,258 3,674 587 1,647 . '324 171 y 1,040 14,272 7,961 9,402 5,387 5,209 3,738 848 22,910 10,039 14,633 11,633 9,167 22,175 8,724 12,245 10,12.5

Nein

Gegenentwurf Ja

Annehmende Standesstimnien

Nein

27,879 12,944 64,187 für Initiativbegehren.

-- 40,272 15,697 50,678 -- 13,732 6,883 9,624 802 1,633 1,645 -- 4,504 1,898 3,620 -- 968 711 430 925 570 513 für Gegenentwurf.

?

?

?

-- -- 1,640 895 1,478 4,856 1,908 16,943 für Initiativbegehren.

7,022 2,570 9,029 für Initiativbegehren. .

3,348 2,582 9,290 für. Initiativbegehren.

3,827 1,405 6,925 für Initiativbegehren.

2,873 2,127 4,873 für Initiativbegehren.

-- 4,817 2,373 5,573 -- 981 498 1,198 20,211 7,230 32,752 für Initiativhegehren.

7,951 4,609 11,787 für Initiativbegehren.

--- 24,636 9,873 27,131 9,256 3,922 15,284 für Initiativbegehren.

6,530 6,476 9,204 für Initiativbegehren.

18,136 12,177 26,736 für Initiativbegehren. .

6,545 2,346 12,042 für Initiativbegehren.

3,261 1,270 13,390 für Initiativbegehren.

6,181 5,750 10,314 für Initiativbegehren.

Initiativbegehren : 269,740 221,996 107,230 344,915 für li'/t Standesstimmen.

Mehrheit = 264,370 1

für Gegenvorschlag: V» Standesstimme.

für Ablehnung biidir Virfassiingsvorlagen : T/t Standesstimmen.

302 Beilage zum XIV. Neutralitätsbericht.

zu 575 Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Bundesratsbeschluss vom 30. August 1920 betreffend Erneuerung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Februar 1920 betreffend Pächterschutz.

(Vom 17. September 1920.)

Wir beehren uns,'Ihnen zu dem am 30. August 1920 auf Grund von Ziffer I, 2. Absatz, des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates gefassten Beschluss über die Erneuerung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Februar 1920 betreffend Pächterschutz nachstehenden Bericht zu erstatten, und um dessen Gutheissung zu ersuchen.

In unserm Bericht vom 23. März 1920 (siehe Bundesbl. 1920, Bd. I, S. 649) haben wir Ihnen eingehend die Gründe dargelegt, welche uns am 17. Februar gleichen Jahres im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche zu Schutzvorkehrungen für die durch die Bekämpfungsmassnahmen in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmten Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke geführt hatten. Wir verweisen auf den Inhalt des im Anhang abgedruckten Bundesratsbeschlusses vom 17. Februar 1920 betreffend Pächterschutz. Er sah im wesentlichen vor, dass Pächter, deren Pachtvertrag auf das Frühjahr 1920 abgelaufen war, und die infolge der Seuche verhindert gewesen sind, das bisherige Pachtgut zu verlassen oder das neu gepachtete zu beziehen, bzw. keinen Pachtvertrag über ein anderes Heinwesen für das Frühjahr 1920 abschliessen konnten, vom bisherigen Verpachte!- eine angemessene Verlängerung des Pachtverhältnisses beanspruchen durften. Daneben enthielt der Beschluss noch eine Eegelung der Kulturverhältnisse und der Streue-, Dürrfutter- und Düngervorräte anlässlich des Rücktritts von Pächtern, welche seinerzeit mit Eücksicht auf die behördlichen Vorschriften die hergebrachte oder vertraglich geordnete Bewirtschaftungsart hatten ändern müssen.

303

Als wir jenen Beschluss fassten, glaubten wir hoffen zu können, dass die Seuche im Laufe des Jahres zurückgehe, und dass daher die mannigfachen Verkehrsbeschränkungen vor dem nächsten allgemeinen Ablauftermin der Pachtverträge wieder beendigt seien.

Wir berücksichtigten deshalb nur die auf das Frühjahr 1920 zur Auflösung gelangten Pachtverhältnisse. Jene Hoffnung hat sich indessen nicht erfüllt, der Verbreitungsherd der Seuche hat sich inzwischen im Gegenteil noch vergrössert. Schon anfangs Juli dieses Jahres ist daher das schweizerische Bauernsekretariat an das eidgenössische Ernährungsamt mit der Anfrage herangetreten, ob im Hinblick auf die Seuchenverhältnisse nicht eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Beschlusses vom 17. Februar 1920 erfolgen könnte. Die Anfrage wurde jedoch als verfrüht zurückgelegt.

Man wollte verhindern, dass durch eine vorzeitige Erneuerung jenes Bundesratsbeschlusses gewisse Pächter sich in unrechtmässiger Weise etwa dahin einrichteten, auf der bisherigen Pachtstelle trotz Ablauf des Vertrages verbleiben zu können.

Der schweizerische Bauernverband hielt inzwischen eine Umfrage bei den landwirtschaftlichen Vereinigungen über die Wünschbarkeit der Erneuerung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Februar 1920. Es wurde von jenen Vereinigungen in der Hauptsache der Ansicht Baum gegeben, dass dieser Bundesratsbeschluss auch in Zukunft noch zur Anwendung gelangen sollte. Unter diesen Umständen, wie auch mit Eücksicht auf die weitere Ausdehnung der Seuche und die stets grösser werdende Schwierigkeit, in den Seuchengebieten landwirtschaftliche Betriebe zu besichtigen, glaubten wir mit der Verlängerung des Bundesratsbeschlusses nicht mehr warten zu sollen. Wir haben am 30. August entschieden, dass derselbe auch für nach dem Frühjahr 1920 aufgelöste oder künftig zur Auflösung gelangende Pachtverhältnisse gelte. Sie finden den an jenem Tage gefassten Beschluss in der Anlage abgedruckt. Wir werden ihn aufheben, sobald die Seuchenlage dies gestattet.

B e r n , den 17. September 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Bundeskanzler: Steiger.

Zivei Beilagen.

304 Beilage 1.

Bundesratsbeschluss betreffend

Pächterschutz.

(Vom 17. Februar 1920.)

Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf den zweiten Absatz von Ziffer I des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend die Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates *), beschliesst: Art. 1. Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke, die in einem auf das Frühjahr 1920 aufgelösten Pachtverhältnisse stehen, und die infolge behördlicher mit der Maul- und Klauenseuche zusammenhängender Massnahmen e n t w e d e r A verhindert sind, das bisherige Pachtgut zu verlassen oder auf das neu gepachtete aufzuziehen, o d e r B keinen Pachtvertrag über ein anderes Heimwesen für das Frühjahr 1920 abschliessen konnten, sind berechtigt, eine angemessene Verlängerung des Pachtverhältnisses vom bisherigen Verpächter zu beanspruchen.

Art. 2. Der Pachtantritt eines neuen Pächters ist bis zu dem Zeitpunkt zu verschieben, in welchem der nach Art. l verlängerte Pachtvertrag seines Vorgängers dahinfällt. Dem neuen Pächter steht hingegen, wenn die Verhältnisse es gebieten, das Recht zu, von dem Pachtvertrag zurückzutreten.

Zum Schutze derjenigen neuen Pächter, die nicht schon bis anhin ein landwirtschaftliches Pachtgut inné hatten, sind durch die Kantonsregierungen nötigenfalls Massnahmen zu treffen, die im Hinblick auf die vorläufige Beibehaltung der bisherigen Unterkunft und Betätigung als billig erscheinen.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd.XXXV, S. 255.

305

Art. 3. Die Verlängerung des Pachtverhältnisses soll in der Regel auf keine-längere Dauer als auf ein Jahr bzw. eine Anbauperiode festgesetzt werden.

Art. 4. Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke, die infolge behördlicher Vorschriften eine Änderung in der hergebrachten oder vertraglich geordneten Bewirtschaftung des Pachtgegenstandes vornehmen mussten, können nicht gehalten werden, bei Auflösung der Pacht das bei der Übernahme bestandene Kulturverhältnis wieder herzustellen. Sie sind aber verpflichtet, den Pachtgegenstand in einem Zustande zurückzulassen, der zurzeit einer rationellen Bewirtschaftung entspricht.

Entstehen dem Pächter aus dieser Pflicht Mehrauslagen, so hat der Verpachte!1 an dieselben einen angemessenen Beitrag zu leisten. Indessen kann auch der Verpächter auf eine angemessene durch den abtretenden Pächter zu bezahlende Entschädigung Anspruch erheben, wenn ihm aus der anschliessenden Bepflanzung des Pachtgutes Mehrauslagen erwachsen.

Art. 5. Der abziehende Pächter eines landwirtschaftlichen Gewerbes hat in der Regel die der veränderten Bewirtschaftungsweise entsprechenden Vorräte an Streue, Dürrfutter und Dünger zurückzulassen, ohne Rücksicht auf die zur Zeit des Pachtantrittes vorhandenen Vorräte, insofern die Betriebsänderung infolge behördlicher Massnahmen oder im Interesse der Landesversorgung durchgeführt worden ist. Ergeben sich hieraus für den abziehenden Pächter Vorteile, so hat er den Verpächter für die diesem erwachsenden Nachteile angemessen zu entschädigen.

Art. 6. In Streitfällen aus den Art. l--5 entscheidet nach Anhörung der Beteiligten, unter Berücksichtigung des Ortsgebrauchs, nach freiem Ermessen und in freiem Verfahren endgültig ein von der Regierung desjenigen Kantons aufgestelltes Schiedsgericht, in welchem das Pachtgut gelegen ist.

Art. 7. Sind die bei Erledigung eines Streitfalles in Betracht kommenden Personen in verschiedenen Kantonen domiziliert, so kann das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement einem von ihm eingesetzten Schiedsgericht sämtliche miteinander im Zusammenhang stehende Fragen zur Entscheidung übertragen.

In dieses Schiedsgericht ordnet jede beteiligte Kantonsregierung einen Schiedsrichter ab. Der Obmann und eventuell ein weiteres Mitglied werden vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement bezeichnet.

303

Die Entscheide der Schiedsgerichte (Art. 6 und 7) sind für ·den Vollzug den Urteilen des Bundesgerichtes gleichgestellt.

Art. 8. Die kantonalen Regierungen haben die von ihnen gestützt auf diesen Beschluss erlassenen Ausführungsbestimmungen dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement einzusenden.

Art. 9.

Dieser Beschluss tritt am 1. März 1920 in Kraft.

B e r n , den 17. Februar 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Steiger.

307 Beilage 2.

Bundesratsbeschluss betreffend

Erneuerung des Bundesratsbeschlusses vom 17. Februar 1920 betreffend Pächterschutz.

(Vom 30. August 1920.)

Der schweizerische Bundesrat, gestützt auf den zweiten Absatz von Ziffer I des Bundesbeschlusses vom 3. April 1919 betreffend die Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates beschliesst: Art. 1. Der Bundesratsbeschluss vom 17. Februar 1920 betreffend Pächterschutz**) gilt auch für nach dem Frühjahr 1920 auf gelöste oder künftig zur Auflösung gelangende PachtverhältnisseDer Bundesrat wird den Zeitpunkt seines Ausserkrafttretens bestimmen.

Art. 2.

Dieser Beschluss tritt sofort in Kraft.

B e r n , den 30. August 1920.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Vizekanzler: Kaeslin.

*) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXV, S. 255.

**) Siehe Gesetzsammlung, Bd. XXXVI, S. 93.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Ergebnis der eidgenössischen Volksabstimmung vom 21. März 1920 betreffend das Initiativbegehren um Abänderung des Art. 35 der Bundesverfassung (Verbot der Spielhäuser). (Vom 17.

September 1920...

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279-307

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