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Bericht und Botschaft über die 1989 und 1990 an der 76. und der 77. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen sowie über drei an früheren Tagungen angenommene Übereinkommen vom 3. Juni 1991

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wie es Artikel 19 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) verlangt, erstatten wir Ihnen Bericht über die an der 76. und 77. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen und bitten Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen eine Botschaft zur Genehmigung der Übereinkommen (Nr. 119) über den Maschinenschutz, (Nr. 132) über den bezahlten Jahresurlaub und (Nr. 162) über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Juni 1991

1991-371

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Cotti Der Bundeskanzler: Buser

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Übersicht Dieser Bericht ist in acht Teile gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung erfolgt im zweiten Teil eine Analyse der Haltung der Schweiz zum Übereinkommen '(Nr. 169) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern. Der dritte Teil befasst sich mit der schweizerischen Haltung zum Übereinkommen (Nr. 170) und der Empfehlung (Nr. 177) über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe. Der vierte Teil ist der Prüfung des Übereinkommens (Nr. 171) und der Empfehlung (Nr. 178) über Nachtarbeit gewidmet. Der fünfte Teil behandelt das Protokoll von 1990 zum Übereinkommen über Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948. Die Teile sechs bis acht betreffen drei ältere IAO-Übereinkommen, die von der Arbeitskonferenz an früheren Tagungen angenommen worden sind, und zwar das Übereinkommen (Nr. 119) über den Maschinenschutz von 1963 (47. Tagung), das Übereinkommen (Nr. 132) über den bezahlten Jahresurlaub von 1970 (54. Tagung) und das Übereinkommen (Nr. 162) über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest von 1986 (72. Tagung).

Das Übereinkommen Nr. 169 revidiert frühere IAO-Normen, welche die Schweiz nicht ratifiziert hatte. Es verlangt von den Regierungen, mit Beteiligung der betreffenden Völker koordinierte und planvolle Massnahmen zum Schutz der Rechte eingeborener Völker und Stämme zu ergreifen und deren kulturelle Integrität zu wahren. Besondere Massnahmen sind zum Schutz der Einzelpersonen, der Einrichtungen, des Eigentums, der Arbeit, der Kultur und der Umwelt zu ergreifen. Das Übereinkommen richtet sich vor allem an jene IAO-Mitgliedstaaten, auf deren Territorium eingeborene Völker und Stämme leben. Die Schweiz ist daher vom Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht besonders betroffen, und unsere Politik im Bereich der Menschenrechte zielt eher in die Richtung der Ratifizierung und Inkraftsetzung von allgemeineren Instrumenten der Vereinten Nationen als auf die Ratifizierung eines derart speziellen Übereinkommens. Bei dieser Sachlage sehen wir davon ab, Ihnen die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 169 zu beantragen.

Das Übereinkommen Nr. 170 bezweckt die Verhütung von Berufskrankheiten und -Unfällen und die Verringerung ihrer Auswirkungen. Um diese Ziele zu erreichen, sieht es insbesondere folgende Massnahmen vor: die Bestimmung der von chemischen Stoffen ausgehenden
Gefahren, die Ausarbeitung eines Systems, das den Arbeitgebern erlaubt, von den Lieferanten die nötigen Informationen über Schutzmassnahmen zu erhalten und schliesslich die Information der Arbeitnehmer, welche an solchen Schutzverfahren beteiligt sind. Wir können uns zwar diesen Zielsetzungen des Übereinkommens anschliessen. Unsere Gesetzgebung erfüllt jedoch nicht alle für dessen Anwendung notwendigen Voraussetzungen, so dass wir Ihnen keinen Antrag auf Genehmigung unterbreiten.

Das Übereinkommen Nr. 171 will neben dem Gesundheitsschutz die Nachtarbeiter unabhängig von ihrem Geschlecht durch Massnahmen schützen, die ihnen die Ausübung ihrer Familienpflichten erleichtern, Entwicklungs- und Karrierechancen si-

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cherstellen und ihnen eine angemessene Vergütung gewährleisten. Obwohl wir uns den Zielen dieses Übereinkommens anschliessen können, stellen wir fest, dass unsere Gesetzgebung nicht allen Anforderungen des Übereinkommens entspricht, und dass der sehr weit gefasste Geltungsbereich des Übereinkommens mit unserem föderalistischen System nicht vereinbar ist. Wir beabsichtigen Ihnen daher keinen Antrag auf Genehmigung des Übereinkommens zu stellen.

Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen Nr. 89 der IAO ermöglicht eine Milderung des strengen Nachtarbeitsverbots für Frauen in der Industrie. Unser geltendes Recht genügt im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht allen Voraussetzungen dieses Protokolls, das im Falle der Ratifikation eine neue, detaillierte Gesetzgebung erforderlich machen würde. Die Ratifizierung hängt von sowohl nationalen wie internationalen Umständen ab, welche die Anpassung des schweizerischen Rechts wie auch die Berücksichtigung der Entwicklungen des EG-Rechts bedingen würden. Es scheint zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, über die Genehmigung dieses Protokolls zu entscheiden, da die erwähnten Umstände von zu vielen Unbekannten belastet sind.

Das Übereinkommen Nr. 119 sieht besondere Massnahmen bei der Instandsetzung und Verwendung von Maschinen vor. Diese Massnahmen betreffen sowohl unsere Gesetzgebung über die Unfallverhütung wie jene über die Sicherheit von technischen Anlagen und Geräten. Seit der Annahme des Übereinkommens Nr. 119 im Jahre 1963 hat unsere Gesetzgebung in den genannten Bereichen erhebliche Fortschritte erzielt, welche die Ratifizierung dieses internationalen Übereinkommens ermöglichen, so dass wir Ihnen dessen Genehmigung beantragen.

Das Übereinkommen Nr. 132 revidiert frühere IAO-Normen und setzt die Mindestdauer bezahlter Ferien auf jährlich drei Wochen fest. Der Umfang des im Übereinkommen vorgesehenen Ferienanspruchs, der vor kurzem vorgenommene Ausbau unserer Gesetzgebung sowie unsere Praxis in diesem Bereich gestatten uns, Ihnen dieses Übereinkommen zur Genehmigung zu unterbreiten.

Das Übereinkommen Nr. 162 ist Ihnen im Bericht vom 15. Juni 1987 vorgestellt worden, wobei in jenem Zeitpunkt ein Antrag auf Ratifizierung nicht möglich war, da unsere Gesetzgebung über den Schutz bei der Verwendung von Asbest zwei Hindernisse bot. In der Zwischenzeit ist unser geltendes
Recht den Erfordernissen des Übereinkommens angepasst worden, was eine Ratifizierung dieses internationalen Instruments möglich macht. Die Begründung unseres Antrags auf Ratifizierung kann sich daher auf diese beiden Punkte beschränken.

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Bericht und Botschaft l

Einleitung

Gemäss Artikel 19 Absätze 5 und 6 der Verfassung der IAO müssen die Mitgliedstaaten ihrem Parlament die von der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen innerhalb eines Jahres nach Abschluss der jeweiligen Tagung unterbreiten. Diese Frist kann um höchstens sechs Monate verlängert werden.

Der vorliegende Bericht behandelt zunächst die folgenden Übereinkommen und Empfehlungen, die an der 76. und 77. Tagung der Arbeitskonferenz angenommen wurden: - Übereinkommen (Nr. 169) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Staaten; - Übereinkommen (Nr. 170) und Empfehlung (Nr: 177) betreffend Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit; - Übereinkommen (Nr. 171) und Empfehlung (Nr. 178) über Nachtarbeit; - Protokoll von 1990 zum Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948.

Unser verstärktes Engagement im Rahmen der IAO veranlasste uns, zu prüfen, welche weiteren internationalen Übereinkommen dieser Organisation angesichts der Entwicklung unserer Gesetzgebung ratifiziert werden können. Als Ergebnis dieser Prüfung befasst sich der vorliegende Bericht ebenfalls mit drei weiteren Übereinkommen, die an früheren Tagungen der Arbeitskonferenz angenommen worden waren: - Übereinkommen (Nr. 119) betreffend den Maschinenschutz, 1963; - Übereinkommen (Nr. 132) über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung), 1970; - Übereinkommen (Nr. 162) über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest, 1986.

Wir beantragen Ihnen die Genehmigung dieser drei Übereinkommen und unterbreiten Ihnen den Entwurf zu einem entsprechenden Bundesbeschluss.

Die Texte der vorerwähnten Übereinkommen und Empfehlungen befinden sich im Anhang zu diesem Bericht.

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Übereinkommen (Nr. 169) über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern (Anhang 1)

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Allgemeiner Teil

Im November 1986 hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts beschlossen, die Frage der «Teilrevision des Übereinkommens (Nr. 107) über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957» auf die Tagesordnung der 75. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen.

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Diese Frage wurde von der Konferenz im üblichen Verfahren der zweifachen Lesung behandelt.

Die erste Lesung fand 1988 anlässlich der 75. Tagung der Arbeitskonferenz statt. Bei ihrer 76. Tagung bestimmte die Konferenz 1989. das Übereinkommen Nr. 169 anzunehmen, welches das Übereinkommen Nr. 107 über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen von 1957 teilweise revidiert.

Die Revision erwies sich als nötig, indem anerkannt wurde, dass das letzte Ziel eines solchen Übereinkommens heute nicht mehr wie in den fünfziger und sechziger Jahren jenes der Integration eingeborener und in Stämmen lebende Völker in die vorherrschende Kultur bzw. ihre Assimilation an diese sein kann, sondern die stärkere Betonung des Respekts vor der kulturellen Eigenart, der Lebensweise und der natürlichen Umwelt dieser Völker. Das neue Übereinkommen Nr. 169, welches die Schutzbestimmungen des Übereinkommens Nr. 107 beibehält, hat insbesondere zum Ziel, die Regierungen zu verpflichten, unter Mitwirkung der eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker koordinierte und systematische Massnahmen zum Schutze der Rechte dieser Völker und zur Wahrung ihrer Integrität zu ergreifen.

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Besonderer Teil

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Erläuterung der einzelnen Bestimmungen und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Wir unterstützen die allgemeine Zielsetzung des Übereinkommens Nr. 169, soweit es um die Sicherung eines wichtigen Aspekts der grundlegenden Menschenrechte geht.

Auf eine detaillierte Auseinandersetzung der einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens kann an dieser Stelle verzichtet werden, da sich das Übereinkommen auf jene IAO-Mitgliedstaaten bezieht, auf deren Territorium eingeborene Völker und Stämme leben. Unser Land ist daher von diesem Übereinkommen nicht in erster Linie betroffen. Als Schlussfolgerung legen wir daher unsere Haltung zum Übereinkommen unter dem Gesichtspunkt unserer allgemeinen Menschenrechtspolitik dar.

Das Übereinkommen ist auf die in Stämmen lebenden Völker in unabhängigen Ländern anwendbar, die sich infolge ihrer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse von anderen Teilen der nationalen Gemeinschaft unterscheiden, sowie auf Völker in unabhängigen Ländern, die aufgrund ihrer Abstammung als Eingeborene gelten. Das Gefühl der Eingeborenen- oder Stammeszugehörigkeit ist als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung dieser Gruppen anzusehen. Die Verwendung des Ausdrucks «Völker» darf nicht so ausgelegt werden, als hätte er irgendwelche Auswirkungen hinsichtlich der Rechte, die nach dem Völkerrecht mit diesem Ausdruck verbunden sein können.

Es ist Aufgabe der Regierungen, mit Beteiligung der betreffenden Völker koordinierte und planvolle Massnahmen auszuarbeiten, um die Rechte dieser Völker zu schützen und die Achtung ihrer Integrität zu gewährleisten. Gegebenenfalls sind besondere Massnahmen zum Schutz der Einzelpersonen, der Einrichtun29 BundesblatL 143.Jahrgang. Bd. ITI

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gen, des Eigentums, der Arbeit, der Kultur und der Umwelt der betreffenden Völker zu ergreifen.

Das Übereinkommen hebt hervor, dass die eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker in den vollen Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Behinderung oder Diskriminierung kommen müssen. Es darf keine Form von Gewalt oder Zwang in Verletzung dieser Grundrechte und Freiheiten angewendet werden.

Bei der Durchführung des Übereinkommens müssen die Regierungen die betreffenden Völker beim Erlass von sie berührenden gesetzgeberischen oder administrativen Massnahmen nach Treu und Glauben konsultieren; Zudem müssen sie Mittel schaffen, um diese Völker an der Entscheidungsbildung von Institutionen, die auf dem Wahlprinzip beruhen, und anderen Behörden zu beteiligen. Die betreffenden Völker müssen das Recht haben, ihre eigenen Prioritäten für den Entwicklungsprozess festzulegen, während die Regierungen verpflichtet sind, die Umwelt der vori diesen Völkern bewohnten Gebiete zu schützen und zu erhalten. Die eingeborenen Völker müssen ebenfalls das Recht haben, ihre Bräuche und Einrichtungen zu bewahren, soweit diese mit den international anerkannten Menschenrechten vereinbar sind.

Das Übereinkommen anerkennt weiter die Eigentums- und Besitzrechte dieser Völker an dem von ihnen von alters her besiedelten Land. Auserdem sind geeignete Massnahmen zu ergreifen, um ihr Recht zur Nutzung von Land zu schützen, das nicht ausschließlich von ihnen besiedelt wird. Besondere Aufmerksamkeit ist der Lage von Nomadenvölkern und Wanderfeldbauern zu schenken.

Die Rechte der betreffenden Völker an den natürlichen Ressourcen ihres Landes sind besonders zu schützen. Diese Rechte schliessen das Recht einer Beteiligung an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen ein.

'Die eingeborenen Völker dürfen nicht aus dem von ihnen besiedelten Gebiet ausgesiedelt werden. Falls die Umsiedlung ausnahmsweise als notwendig angesehen wird, darf sie nur mit deren freiwilliger und in voller Kenntnis der Sachlage erteilter Zustimmung stattfinden. Falls ihre Zustimmung nicht erlangt werden kann, muss jede Umsiedlung das Recht der Rückkehr in das angestammte Land einschliessen. Durch Gesetz sind angemessene Strafen für das unbefugte Eindringen in das Land der betreffenden Völker festzulegen.

Das Übereinkommen enthält
ferner Bestimmungen über Anwerbung und Arbeitsbedingungen, die Berufsbildung, die soziale Sicherheit, die Gesundheit, das Bildungswesen und die grenzüberschreitenden Wanderbewegungen der betreffenden Völker.

'

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Schlussfolgerung

Im Jahre 1958 erklärte der Bundesrat in seinem Bericht vom 7. März an die eidgenössischen Räte über die 41. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, dass unser Land vom Übereinkommen Nr. 107 nicht betroffen sei, und deswegen eine Ratifizierung nicht zur Debatte stehe (BEI 1958 l 530 ff., Ziff. I).

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Seit 1958 hat sich die Lage insofern weiterentwickelt als der Gedanke der Solidarität mit der internationalen Gemeinschaft in der Schweiz insbesondere im Rahmen unserer Politik zum Schutze der Menschenrechte zu einer Konstante unserer Aussenpolitik geworden ist: Die Behauptung der Unabhängigkeit des Landes ist das wichtigste Ziel der schweizerischen Aussenpolitik, wie es in Artikel 2 der Bundesverfassung niedergelegt ist. Die ständige und bewaffnete Neutralität ist eines der Hauptelemente dieser Politik. Dasselbe Ziel verfolgt die Schweiz auch mit ihrer Politik der Solidarität, und sie beteiligt sich deshalb an der internationalen Zusammenarbeit auf verschiedenste Art und Weise. Die Entwicklung und der Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten dienen nach dem Willen der Staatengemeinschaft gerade der Verstärkung der Zusammenarbeit. In ihrem eigenen Interesse kann sich die Schweiz dieser Aufgabe nicht entziehen; sie muss mithelfen, die Grundbedingungen zu schaffen, die es den Völkern erlauben, in Frieden zu leben. Der Bundesrat hat in seinem Bericht vom 16. Januar 1980 über die Richtlinien der Regierungspolitik für die gegenwärtige Legislaturperiode dargelegt, dass man heute nicht mehr die enge Verbindung verkennen darf, die zwischen der Respektierung der Menschenrechte und der Aufrechterhaltung des Friedens und der' Sicherheit in der Welt besteht. Damit alle Menschen tatsächlich in den Genuss dieser Rechte kommen, müssen die Staaten gemeinsam den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker fördern. Zu einer kohärenten .schweizerischen Aussenpolitik gehört daher der Einsatz zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in der Welt.

(Vgl. Bericht des Bundesrates vom 2. Juni 1982 über die schweizerische Menschenrechtspolitik; BB1 1982 II 729 ff., S. 786, Ziff. 4).

Im Rahmen unserer Politik zugunsten der Menschenrechte und insbesondere im Bereich jener Fragen, die teilweise auch Gegenstand des Übereinkommens Nr. 169 bilden, haben wir die nachfolgenden Massnahmen ergriffen oder in Aussicht genommen: Wir haben Ihnen kürzlich den Beitritt zu zwei Menschenrechtspakten von 1966 der Vereinten Nationen unterbreitet (vgl. Bericht vom 26. Juni 1988 über die Friedens- und Sicherheitspolitik der Schweiz; BEI 1989 I 668 ff., Ziff. 222; vgl.

auch BB1 19911 1189 ff.). Der
beiden Pakten gemeinsame Artikel l erwähnt das Recht der Völker auf eigene Verfügung über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel als wesentliche Bedingung einer wirksamen Sicherung der Menschenrechte; der Pakt über bürgerliche und politische Rechte garantiert das Recht der Angehörigen von ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten, zusammen mit den übrigen Angehörigen derselben Gruppe ihr eigenes Kulturleben zu pflegen, ihre eigene Religion zu praktizieren und ihre eigene Sprache zu gebrauchen (Art. 27).

Noch 1991 werden wir Ihnen zudem das Übereinkommen von 1965 über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung (vgl. obenerwähnten Bericht vom 26. Juni 1988, Ziff. 222) zur Genehmigung unterbreiten. Dieses Übereinkommen bezweckt die Verhütung und Bekämpfung jeder Form von Unterscheidung, Ausschluss, Beschränkung oder Bevorzugung aufgrund der Rasse, Farbe, Abkunft oder nationaler oder ethnischer Abstammung, die bezweckt oder bewirkt, dass die Anerkennung, der Genuss oder die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten verhindert oder beeinträchtigt werden (Art. 1).

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Das Übereinkommen sieht namentlich Massnahmen zur Sicherung der Entwicklung oder des Schutzes bestimmter Rassen- oder ethnischer Gruppen vor, um ihnen die volle Ausübung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten in voller Gleichheit zu gewährleisten (Art. 2, Ziff. 2). Es verpflichtet zudem die Unterzeichnerstaaten, auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung, der Kultur und der Information Massnahmen zum Kampf gegen rassistische Vorurteile und zur Förderung des Verständnisses, der Toleranz und der Freundschaft unter den Nationen, Rassen- und Bevölkerungsgruppen zu ergreifen (Art. 7).

Im Jahre 1989 hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten erstmals einen Beitrag von 25 000 Franken an den freiwilligen Beitragsfonds der Vereinten Nationen für eingeborene Völker entrichtet. Der Hauptzweck dieses Fonds liegt darin, den Vertretern und Organisationen dieser Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, die oftmals bedrohliche Lage ihrer Völker vor dem Ausschuss für den Kampf gegen diskrimatorische Massnahmen und für den Schutz der Minderheiten in Genf darzulegen.

Für die laufende Legislaturperiode (1987-1991) haben wir den Schwerpunkt auf den Beitritt zu diesen beiden Menschenrechtspakten und zum Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen der Rassendiskriminierung gelegt. Diese drei allgemein gefassten Instrumente zum Schutz der Menschenrechte stellen einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Sicherung dieser Rechte und, für uns, ein bedeutendes Element unserer Aussenpolitik dar.

Nach einmal erfolgtem Beitritt zu diesen drei Übereinkommen werden wir die Frage prüfen, ob die Schweiz aus Gründen der internationalen Solidarität auch das Übereinkommen Nr. 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern ratifizieren soll, wozu die Internationale Arbeitskonferenz in einer Resolution über die IAO-Tätigkeit in diesem Bereich alle Staaten ersucht hat. Als eines der entscheidungsrelevanten Elemente wird dabei zu berücksichtigen sein, ob die Staaten, auf deren Territorium keine eingeborenen Völker und Stämme leben, das Übereinkommen ratifizieren oder nicht.

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Übereinkommen (Nr. 170) betreffend Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit (Anhang 2)

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Allgemeiner Teil

Im November 1987 hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes beschlossen, die Frage der «Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit» auf die Tagesordnung der 76. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz zu setzen. Die Konferenz hat die Frage im üblichen Verfahren der zweifachen Lesung behandelt.

Die erste Lesung fand im Jahr 1989 an der 76. Tagung der Konferenz statt, welche einen Entwurf zu einem Übereinkommen ausarbeitete. Als Ergebnis der zweiten Lesung nahm die Konferenz 1990 anlässlich ihrer 77.Tagung das Übereinkommen Nr. 170 betreffend Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit an, das dem zunehmenden Auftreten' von Risiken che876

misch bedingter Erkrankungen oder Verletzungen bei der Arbeit begegnen und deren Auswirkungen verringern will.

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Besonderer Teil

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Erläuterung der einzelnen Bestimmungen und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Wir begrüssen die allgemeine Zielsetzung des Übereinkommens, nämlich die Verhütung des Gesundheitsrisikos der Arbeitnehmer bei der Verwendung chemischer Stoffe.

Die Anforderungen des Übereinkommens und die praktischen Massnahmen, welche für die Durchführung dieses sehr detaillierten Übereinkommens vorzusehen wären, müssen im Lichte unserer Gesetzgebung über die soziale Sicherheit, den Gesundheits- und den Arbeitnehmerschutz geprüft werden, das heisst des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20), der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV; SR 832.30), des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) sowie des Bundesgesetzes vom 21. März 1969 über den Verkehr mit Giften (Giftgesetz; SR 814.80).

Das Übereinkommen ist in sieben Teile gegliedert und umfasst insgesamt 27 Artikel.

Teil I (Art. l und 2) enthält die Bestimmungen über den Geltungsbereich und die Definition der grundlegenden Begriffe und Ausdrücke, die im Übereinkommen verwendet werden.

Das Übereinkommen gilt nach Artikel l für alle Wirtschaftszweige, in denen chemische Produkte verwendet werden. Die in Artikel 2 Buchstabe d enthaltene Definition des Wirtschaftszweigs schliesst jedoch die Selbständigerwerbenden sowie die privaten Haushalte vom Geltungsbereich des Übereinkommens aus.

Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, in ihrer innerstaatlichen Gesetzgebung Ausnahmen vorzusehen, sofern dadurch die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird (Art. l Abs. 2). Mit Blick auf unsere innerstaatliche Gesetzgebung besteht kein Anlass, von einem solchen Vorbehalt im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des Übereinkommens Gebrauch zu machen. Hingegen muss hier darauf hingewiesen werden, dass unser Rechtssystem bei den spezifischen Massnahmen zur Anwendung des Übereinkommens gewisse Abweichungen kennt, indem die Erwerbszweige, in denen chemische Stoffe verwendet werden, nicht vollumfänglich abgedeckt sind.

Schliesslich müssen nach dem Übereinkommen die besonderen Vorschriften den Schutz vertraulicher Informationen gegenüber der Konkurrenz erlauben.

Wir können daher den Geltungsbereich des Übereinkommens hinsichtlich der unterstellten Wirtschaftszweige und Personen annehmen, wobei bereits hier Vorbehalte in bezug auf die besonderen Massnahmen zur Verwirklichung des Übereinkommens angebracht werden müssen.

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Die Definitionen in den Buchstaben a und b des Artikels 2 bedürfen keiner besonderen Erläuterungen, da unser geltendes Recht (Giftgesetz) bereits eine Klassifizierung der chemischen Stoffe nach dem Grad ihrer Gefährlichkeit vornimmt. Obgleich unsere Gesetzgebung keine allgemeine Bestimmung des Begriffs der «Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit» (Bst. c) enthält, sind doch die verschiedenen unter Ziffer i) bis vii) genannten Operationen durch unsere Einzelgesetze (Giftgesetz, ArG, UVG) abgedeckt. Schliesslich bezieht sich der Ausdruck «Arbeitnehmervertreter» auf das Übereinkommen Nr. 135, das unser Land nicht ratifiziert hat. Wir werden die damit verbundene Problematik.

im Zusammenhang mit dem Artikel 18 des Übereinkommens Nr. 170 behandeln.

Wir können daher die Definitionen nach Artikel 2, Buchstäben a-e annehmen, jedoch nicht den Buchstaben f.

Der Teil II (Art. 3-5) ist den allgemeinen Grundsätzen gewidmet.

Artikel 3 sieht vor, dass die massgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu den Massnahmen zur Verwirklichung des Übereinkommens anzuhören sind. Dieser Grundsatz ist in unserem Land durch den Einbezug und die Anhörung der Sozialpartner bei der Ausarbeitung und der Revision von Rechtsvorschriften und Weisungen bestimmter Aufsichtsorgane verwirktlicht.

Artikel 4 verlangt die Durchführung und regelmässige Überprüfung einer Politik der Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe: dieser Grundsatz ist in unserem System verwirklicht; darüberhinaus ist der Grundsatz der Anpassung an den Stand der Technik in unserer Spezialgesetzgebung über den Gesundheitsschutz und die Arbeitssicherheit verankert. Aus diesem Grund werden die Richtlinien und Weisungen der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) und der SUVA periodisch angepasst und können gegebenenfalls von der Rechtsprechung als Referenz herangezogen werden.

Der Grundsatz des Verbots oder der Einschränkung der Verwendung gewisser gefährlicher chemischer Stoffe (Art. 5) deckt sich mit der entsprechenden Bestimmung in Artikel 13 Absatz 3 Giftgesetz; die konkreten Massnahmen sind in der Verordnung vom 23. Dezember 1971 über verbotene giftige Stoffe (SR 814.839) geregelt.

Wir können daher die allgemeinen Grundsätze, wie sie im zweiten Teil des Übereinkommens festgelegt werden, annehmen.

Der Teil III
(Art. 6-9) handelt von der Klassifizierung der chemischen Stoffe und den diesbezüglich zu treffenden Massnahmen. Die Errichtung eines Klassifizierungssystems der chemischen Stoffe, wie es in Artikel 6 Absatz l des Übereinkommens verlangt wird, ist in unserer Gesetzgebung über den Verkehr mit Giften vorgesehen und fällt in die Zuständigkeit der Abteilung Gifte des Bundesamtes für Gesundheitswesen. Unsere Gesetzgebung sieht fünf Giftklassen vor (Art. 4 Giftgesetz), und ihr Rlassifizierungssystem kann allmählich erweitert werden, um über die Vergiftungsgefahr hinaus gegebenenfalls auch Unfallrisiken, z. B. bei einer Explosion, auszuschliessen. Unter ihrem Hauptaspekt ist sie übrigens strenger als die vergleichbaren Bestimmungen des europäischen Rechts, das nur vier Giftklassen vorsieht. Die Bestimmung der gefährlichen Ei-

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genschaften einer Mischung erfolgt in der Schweiz nach strengeren Vorschriften als den in Artikel 6 Absatz 2 des Übereinkommens vorgesehenen (vgl. Art. 4 Abs. 4 der Giftverordnung vom 19. Okt. 1983).

Schliesslich sind die nach unserer Gesetzgebung aufgestellten Systeme und Kriterien mit den in Absatz 3 erwähnten internationalen Normen vereinbar.

Gemäss Artikel 7 des Übereinkommens müssen alle chemischen Stoffe so gekennzeichnet werden, dass ihre Identifizierung möglich ist (Abs. 1). Artikel 15 Absatz l Giftgesetz genügt dieser Anforderung für alle in der Schweiz klassifizierten giftigen Stoffe. Absatz 2 desselben Artikels verlangt die Etikettierung der gefährlichen chemischen Stoffe: die Ausführungsvorschriften zu dieser Bestimmung verlangen sogar die Verwendung von charakteristischen Symbolen und Farben je nach Giftklasse und die Angabe der zu treffenden Sicherheitsmassnahmen. Für den Erlass von Vorschriften über Kennzeichnung und Etikettierung ist das Bundesamt für Gesundheitswesen zuständig. Schliesslich ist hervorzuheben, dass die SUVA sowohl über die Klassifizierungssysteme und -kriterien wie auch über die Kennzeichnungs- und Etikettierungsvorschriften Instruktionskurse veranstaltet.

Artikel 8 statuiert die Pflicht, für gefährliche chemische Stoffe Sicherheitsdatenblätter zu erstellen. Das Übereinkommen überbindet diese Pflicht dem Lieferanten (Art. 9 Abs. l Bst. b); die Datenblätter müssen im einzelnen die wesentlichen Angaben enthalten. Das schweizerische Recht kennt keine solche Verpflichtung für den Lieferanten. In der Praxis haben die grossen chemischen Betriebe zwar solche Datenblätter zuhanden ihrer Arbeitnehmer eingeführt. Aber mangels einer klaren Rechtsgrundlage ist die Lage im gewerblichen Bereich, wo die Kleinbetriebe sich bei der Verwendung manchmal gefährlicher Stoffe mit den Etiketten auf der Verpackung begnügen, zugegebenermassen weniger befriedigend.

Im heutigen Zeitpunkt können wir daher, obwohl unser System bei den Vorschriften über die Klassifizierung strenger ist, die für die Umsetzung von Artikel 8 Absatz l notwendigen Anforderungen nicht erfüllen. Wir möchten jedoch unterstreichen, dass eine Anpassung unserer Gesetzgebung nicht ausgeschlossen werden kann für den Fall, dass unser Land eines Tages die einschlägigen Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft
übernehmen sollte.

Nachdem unser Rechtssystem dem Lieferanten die Ausarbeitung von Sicherheitsdatenblättern nicht vorschreibt, bedürfen die Absätze 2 und 3 dieses Artikels keiner besonderen Erläuterung.

Artikel 9 legt die Verantwortlichkeiten des Lieferanten fest. Der Begriff des Lieferanten schliesst dabei sowohl die Inverkehrssetzung wie den Handel gemäss Artikel 3 Giftgesetz ein. Wir haben oben festgestellt, dass unser System hinsichtlich der Klassifizierungsvorschriften mit dem Übereinkommen vereinbar ist (Art. 6). Das gleiche gilt für die Kennzeichnung und Etikettierung (Art. 7), aber nicht für die in Artikel 8 vorgesehenen Sicherheitsdatenblätter. Artikel 16 der Giftverordnung regelt die Anpassung der Etiketten durch das Bundesamt für Gesundheitswesen, wobei eine Frist für die Vornahme der nötigen Anpassungen in der Praxis vorgesehen ist. Hingegen bestehen keine solchen Vorschriften 879

für Sicherheitsdatenblätter. Im Zusammenhang mit dem dritten Absatz des Artikels 9 haben wir oben (s. Art. 6 und 7) dargelegt, dass unsere Gesetzgebung ein äusserst strenges KJassifizierungssystem kennt; ein chemischer Stoff kann grundsätzlich nicht in Verkehr gesetzt werden, bevor er in die entsprechende Giftklasse eingereiht worden ist.

Die aus Teil III des Übereinkommens fliessenden Verpflichtungen können nach unserem geltenden Recht nur teilweise erfüllt werden, da dieses nicht von einer Pflicht des Lieferanten zur Ausarbeitung von Sicherheitsdatenblättern ausgeht (Art. 8). Diese wichtige Divergenz zieht sich daher auch durch alle weiteren Vorschriften des Übereinkommens, die mit den Sicherheitsdatenblättern in Zusammenhang stehen, so dass wir darauf nicht mehr im Detail zurückkommen werden.

Ie;7/Kumschreibt die Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber bei der Kennzeichnung, der Etikettierung und den Sicherheitsdatenblättern. Die allgemeinen Grundsätze gemäss Artikel 82 UVG und den Artikeln 6-9 VUV decken die Erfordernisse des Artikels 10 des Übereinkommens hinsichtlich des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Arbeitnehmer ab. So ist der Arbeitgeber gehalten, alle erfahrungsgemäss notwendigen, nach dem Stand der Technik anwendbaren und nach den Umständen gebotenen Massnahmen zu ergreifen, um Unfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden; ausserdem muss er die Arbeitnehmer dazu heranziehen. Allerdings verbleiben zwei Differenzen zwischen unserem Landesrecht und dem Übereinkommen: dieses verlangt einerseits, dass den «Arbeitnehmervertretern» bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt werden, während unser Recht den Begriff des Arbeitnehmervertreters nicht ausdrücklich kennt; andererseits kann der Arbeitgeber nicht dazu angehalten werden, die nach unserem Schutzsystem nicht verlangten Sicherheitsdatenblätter auszuarbeiten und abzugeben.

Artikel 11 überbindet dem Arbeitgeber bestimmte Verpflichtungen beim Umfüllen chemischer Stoffe. Die Detailyorschriften dieses Artikels finden keine Entsprechung im schweizerischen Recht. Artikel 31 Absatz 2 VUV schreibt die vom Arbeitgeber zu treffenden Massnahmen nicht vor; Artikel 42 der Giftverordnüng stellt Vorschriften im Sinne des Übereinkommens auf, die sich aber an den Lieferanten richten. Wir können daher Artikel 11 des Übereinkommens nicht annehmen.
Die dem Arbeitgeber in Artikel 12 auferlegten Verpflichtungen gehen ebenfalls weiter als jene unserer eigenen Gesetzgebung. Die Buchstaben b-d dieses Artikels finden keine Entsprechung im schweizerischen Recht, das entsprechende Verpflichtungen nicht dem Arbeitgeber, sondern den Aufsichtsorganen der Arbeitsschutzgesetzgebung auferlegt. In der Schweiz ist die SUVA für die Vornahme der Kontrollen und die Anordnung der notwendigen Massnahmen zuständig. Nachdem die Praxis erwiesen hat, dass der Umfang des Schutzes in unserem Land demjenigen gemäss Übereinkommen gleichwertig ist, scheint es uns weder notwendig noch zweckmässig, diese Verpflichtungen der Aufsichtsorgane auf die Arbeitgeber zu übertragen.

Die in Artikel 13 vorgesehene operationeile Kontrolle findet sich sowohl im UVG wie im ArG wieder. Die geeigneten Mittel werden zudem zur Hauptsache 880

in einer Verordnung des EDI über die technischen Massnahmen zur Verhütung von Berufskrankheiten durch chemische Stoffe ausdrücklich aufgeführt.

Artikel 14 stellt Grundsätze über die Beseitigung gefährlicher chemischer Stoffe auf, die mit unserer innerstaatlichen Gesetzgebung (Umweltschutzgesetz und Luftreinhalteverordnung, Art. 3 Giftgesetz, Verordnung über den Transport von Spezialabfällen und Richtlinien der EKAS) kompatibel sind.

Die Information und Ausbildung der Arbeitnehmer in der in Artikel 15 des Übereinkommens verlangten Form entspricht Artikel 6 VUV, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Sicherheitsdatenblätter. Die in dieser Bestimmung des Übereinkommens vorgesehene permanente Ausbildung ist in unserer Gesetzgebung nicht ausdrücklich verankert. Entsprechende Instruktionskurse werden jedoch unter der Leitung der SUVA veranstaltet.

Die Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern (Art. 16) leitet sich aus den Artikeln 82 UVG und Artikel 3 ff. VUV ab.

Einige der aus dem vierten Teil des Übereinkommens fliessenden Anforderungen beruhen auf einer anderen Philosophie als unsere Arbeitsschutzbestimmungen. Diese Differenzen müssen aus den dargelegten Gründen als bedeutend angesehen werden, obwohl die Kontrolle in der Praxis ein identisches Schutzniveau sicherstellt.

Teil V des Übereinkommens besteht nur aus dem Artikel 17, der die Pflichten der Arbeitnehmer festlegt. Diese Vorschriften entsprechen dem schweizerischen Recht (Art. 6 ArG, Art. 82 UVG, Art. 3 ff. VUV), so dass wir diesen Teil ohne Vorbehalte annehmen können.

Teil VI regelt die Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter. Das Recht, sich bei einer Gefahr im Sinne des Übereinkommens in Sicherheit zu bringen (Art. 18 Abs. 1) wird in unserer Gesetzgebung nicht ausdrücklich erwähnt. Artikel 11 Absatz 2 VUV bestimmt jedoch, dass der Arbeitnehmer festgestellte Mängel, welche die Arbeitssicherheit beeinträchtigen, beseitigen oder, falls er dazu nicht befugt oder nicht in der Lage ist, dem Arbeitgeber unverzüglich melden muss. Zudem kann das kantonale Arbeitsinspektorat den Arbeitgeber anhalten, die Arbeit einzustellen, wenn die Sicherheit der Arbeitnehmer auf andere Weise nicht mehr gewährleistet ist (Art. 4 VUV). Nach Sinn und Zweck entsprechen daher die Bestimmungen des schweizerischen Rechts denjenigen des Übereinkommens.
Der Schutz des Arbeitnehmers, der vom Recht auf Verlassen des Arbeitsplatzes bei drohender Gefahr Gebrauch macht, gegen ungerechtfertigte Massregelung (Abs. 2) ergibt sich aus den obligationenrechtlichen Bestimmungen über den Persönlichkeitsschutz und den Kündigungsschutz. Obschon der Schutz gegen ungerechtfertigte Entlassungen ausgebaut worden ist, gewährt das schweizerische Recht allerdings keinen absoluten Schutz gegen die Entlassung des Arbeitnehmers, der seine aus dem Übereinkommen fliessenden Rechte in Anspruch nimmt.

Das in Absatz 3 vorgesehene Recht der Arbeitnehmer1 auf Zugang zu Informationen entspricht im grossen und ganzen unserem geltenden Recht. Hingegen ist die Ausdehnung dieses Rechts auf die Arbeitnehmervertreter unserem

Rechtssystem fremd, wie bereits anlässlich der Überprüfung anderer Bestimmungen des Übereinkommens festgestellt worden ist. Unser geltendes Recht kennt keine allgemeine Regelung über die Mitwirkung der Arbeitnehmer.

Die Artikel 6 Absatz 3 ArG, Artikel 82 Absatz 3 UVG und Artikel 6, VÜV verpflichten zwar den Arbeitgeber, die Arbeitnehmer bei den Sicherheits- und Gesundheitsschutzmassnahmen heranzuziehen und sie darüber anzuleiten, leitet daraus aber keine Rechtsansprüche ab. In diesem Punkt ist daher unser Land nicht in der Lage, die Anforderungen des Übereinkommens zu erfüllen.

Im Lichte der Entwicklung des einschlägigen europäischen Rechts und insbesondere für den Fall des Beitritts zu einem EWR-Vertrag könnte allerdings eine Anpassung unserer Gesetzgebung in Richtung des Übereinkommens ins Auge gefasst werden.

Teil VII enthält den Artikel 19, welcher die Verantwortlichkeiten der exportierenden Länder festlegt. Die schweizerischen Rechtsbestimmungen gestatten das Verbot der Verwendung gewisser chemischer Stoffe. Das Giftgesetz schützt nicht nur die Öffentlichkeit und die Umwelt, sondern auch die Arbeitnehmer (Art. 17 Abs. l Giftgesetz). Die Verordnung über verbotene giftige Stoffe (SR 814.839) stellt ein Anwendungsbeispiel dafür dar (Schutz der Sicherheit und Gesundheit unter anderem der gewerblichen Arbeitnehmer). Artikel 82 ÜVG würde ebenfalls eine Gesetzesgrundlage für das Verbot gewisser Chemikalien hergeben. Der in Artikel 19 des Übereinkommens geregelte Fall könnte daher in unserem Land eintreten, so dass wir dritten Staaten, in welche die Schweiz chemische Stoffe exportiert, von den zum Schutz der Arbeitssicherheit und Gesundheit erlassenen Einschränkungen und Verboten Kenntnis zu geben hätten.

Die Aufstellung von transparenteren Normen über die Wirkungsweise der Märkte bildet Gegenstand zahlreicher internationaler Verhandlungen (GATT, EWR, usw.). Gegenwärtig erlauben uns die bestehenden Verfahren über gegenseitige Mitteilungen und die Beseitigung technischer Exporthindernisse die Übernahme dieser Bestimmung noch nicht.

Artikel 20-27 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen und geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass.

322

Haltung zur Empfehlung

Der Empfehlung Nr. 177 kommt kein verbindlicher Charakter zu; sie unterliegt nicht der Ratifizierung. Die Empfehlung präzisiert den Gehalt der Bestimmungen des gesamten Übereinkommens und enthält Vorschläge für praktische Massnahmen zu dessen Durchführung.

323

Schlussfolgerungen

Zwischen unserer Gesetzgebung über die Verwendung von Giftstoffen und über den Arbeitnehmerschutz und unsere Exportgesetzgebung einerseits, und den Bestimmungen des Übereinkommens andererseits verbleiben verschiedene grössere Differenzen. Das Übereinkommen Nr. 170 heute vollumfänglich anzuneh882

men, würde bedeuten, dass wir verschiedene Gesetze unverzüglich umgestalten müssten, was uns nicht angezeigt erscheint. Wir ziehen es demgegenüber vor, zunächst die konkreten Ergebnisse aus den internationalen Verhandlungen (insbesondere GATT und EWR) abzuwarten und danach die Ratifikation des Übereinkommens anzustreben.

Unter diesen Umständen verzichten wir darauf, Ihnen das Übereinkommen Nr. 170 im gegenwärtigen Zeitpunkt zur Genehmigung zu unterbreiten.

4

Übereinkommen (Nr. 171) über Nachtarbeit (Anhang 3)

41

Allgemeiner Teil

Im November 1987 hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes an seiner 238. Tagung beschlossen, die Frage der Nachtarbeit auf die Tagesordnung der 76. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (1989) zu setzen. Die Konferenz hat die Frage im üblichen Verfahren der zweifachen Lesung behandelt.

Die erste Lesung fand im Jahr 1989 an der 76. Tagung der Konferenz statt, welche einen Entwurf zu einem Übereinkommen ausarbeitete. Als Ergebnis der zweiten Lesung nahm die Konferenz 1990 anlässlich ihrer 77. Tagung das Übereinkommen Nr. 171 und die ergänzende Empfehlung Nr. 178 an.

Mit der Annahme dieses Übereinkommens wird insofern Neuland betreten, als die bisherigen Instrumente über die Nachtarbeit nur immer eine klar umrissene Kategorie von Arbeitnehmern in einem einzigen Wirtschaftszweig schützten. So schützt das Übereinkommen Nr. 89 über die Nachtarbeit der Frauen nur die in der Industrie beschäftigten Frauen. Eine Revision dieses Übereinkommens ist schon seit langem erwogen worden. In den letzten Jahren haben sich mehrere Mitgliedstaaten, darunter die Schweiz, beim Internationalen Arbeitsamt dafür ausgesprochen, dieses überholte, den Anforderungen der modernen Industrie nicht mehr entsprechende und der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Mann und Frau zuwiderlaufende Übereinkommen zu revidieren. Einige Länder haben es bereits gekündigt oder eine Kündigung in Aussicht genommen. Die IAO hat sich deshalb entschlossen, einerseits ein Protokoll zum Übereinkommen Nr. 89 vorzuschlagen, das sozialpartnerschaftlich vereinbarte Abweichungen vom Nachtarbeitsverbot ermöglicht, und andererseits ein neues Übereinkommen über Nachtarbeit vorzulegen. Dieses neue Übereinkommen verzichtet auf das Verbot von Nachtarbeit, die aus sozialen, technischen und wirtschaftlichen Gründen in einer modernen Gesellschaft unentbehrlich ist, soll aber die Nachtarbeit einschränken und vor allem ihre negativen Auswirkungen für die Arbeitnehmer mildern. Zwei wesentliche Neuerungen liegen darin, dass das Übereinkommen mit wenigen Ausnahmen für die gesamte Industrie gilt, und dass es sowohl die Arbeitnehmerinnen wie die Arbeitnehmer schützt.

883

42

Besonderer Teil

421

Erläuterung der Bestimmungen und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Die allgemeine Zielsetzung des Übereinkommens Nr. 171, nämlich den Schutz der männlichen und weiblichen Arbeitnehmer, die nachts arbeiten, können wir nur begrüssen. Nachtarbeit kann, zumindest bei einem Teil der Nachtarbeiter, gewisse Beeinträchtigungen medizinischer, familiärer und sozialer Art hervorrufen. Ein Schutz dieser Arbeitnehmer erweist sich daher als notwendig.

Das Übereinkommen Nr. 171 umfasst 19 Artikel. Ob die Schweiz den Anforderungen des Übereinkommens nachkommen kann, ist anhand der diesbezüglichen Bestimmungen der schweizerischen Gesetzgebung zu überprüfen.

Das schweizerische Recht kennt kein allgemeines Gesetz, dem sämtliche Arbeitnehmer unterstellt wären. Die Vorschriften über Arbeitnehmerschutz finden sich in verschiedenen bundesrechtlichen, kantonalen und kommunalen Erlassen. Vorab ist das Obligationenrecht (OR; SR 210) zu erwähnen, dessen zivilrechtliche Vorschriften auf alle Arbeitnehmer anwendbar sind, die aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrags beschäftigt werden. In bezug auf den öffentlich-rechtlichen Arbeitnehmerschutz werden die meisten Arbeitnehmer der Privatwirtschaft durch den Geltungsbereich des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) erfasst. Übrig bleiben bestimmte Arbeitnehmerkategorien, die entweder anderen Gesetzen unterstellt sind (z. B. Heimarbeitnehmer, Personal von Transportunternehmungen), oder für die Normalarbeitsverträge (z. B. Hausangestellte und Assistenzärzte) oder internationale Abkommen (z. B. für das fliegende Personal von Fluggesellschaften) bestehen.

Schliesslich gibt es Arbeitnehmer, die aufgrund besonderer Umstände überhaupt keiner gesetzlichen Regelung unterstehen. Die Arbeitnehmer der öffentlichen Hand werden durch die jeweiligen Normen der Körperschaft geschützt, bei der sie angestellt sind. Auf Bundesebene handelt es sich dabei um das Beamtengesetz vom 30. Juni 1927 (BtG; SR 172.221.10) mitsamt den zugehörigen Ausführungsverordnungen und um das Gesetz vom 8. Oktober 1971 über die Arbeit in den Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (Arbeitszeitgesetz; SR 822.111.21).

Bei den Vorbereitungen zur Ausarbeitung des neuen Übereinkommens wie auch beim vorliegenden Bericht stützen wir uns zur Hauptsache auf das OR, das ArG, das Arbeitszeitgesetz (AZG) und das
Beamtenrecht des Bundes. Die kantonalen und kommunalen Gesetzgebungen, die in völliger Souveränität von den jeweiligen Gebietskörperschaften erlassen werden, konnten nicht in die Überprüfung einbezogen werden, obwohl gerade zahlreiche Arbeitnehmer, die dem kantonalen Personalrecht unterstehen, regelmässig oder gelegentlich nachts arbeiten (Polizisten, Feuerwehrleute, Spitalpersonal, usw.).

Die Überprüfung der Bestimmungen des Übereinkommens unter dem Blickwinkel der schweizerischen Gesetzgebung gibt zu den nachfolgenden Bemerkungen Anlass :

884

Artikel l definiert die Begriffe «Nachtarbeit» und «Nachtarbeiter». Die erste Definition wirft keine Probleme auf. In bezug auf die zweite macht das schweizerische Recht keinen Unterschied hinsichtlich des Umfangs der Nachtarbeit; es schützt den Arbeitnehmer von der ersten Stunde Nachtarbeit an, was im Verhältnis zum Übereinkommen zu keinerlei Problemen führt.

Artikel 2 enthält die Bestimmungen über den Geltungsbereich des Übereinkommens. Dieser Geltungsbereich umfasst, von wenigen Ausnahmen abgesehen, alle unselbständigen Arbeitnehmer. Wie wir bereits oben dargelegt haben, bestehen in unserem Land zahlreiche Schutzbestimmungen auf verschiedenen Ebenen. Zudem entziehen sich die für das Personal der Kantone und Gemeinden anwendbaren Gesetzgebungen der Kompetenz des Bundesgesetzgebers. Die kantonale Souveränität verbietet eine Intervention des Bundes in die kantonalen und Gemeindereglemente für diese Personalkategorie, die andererseits vom Übereinkommen ebenfalls betroffen sind. Zwar bietet dieser Artikel die Möglichkeit, bestimmte Arbeitnehmergruppen vom Geltungsbereich auszuschliessen; aber diese Ausnahmen sind für uns zu restriktiv. Der zu weit gefasste Geltungsbereich stellt einen der wichtigsten Gründe dar, die sich einer Ratifizierung des Übereinkommens durch die Schweiz in den Weg stellen.

Artikels setzt als Ziel des Übereinkommens fest, dass besondere Schutzmassnahmen zugunsten der Nachtarbeiter getroffen werden müssen. Die Möglichkeit, das Übereinkommen schrittweise einzuführen, bedeutet, dass diese Massnahmen nicht von Anfang an auf alle Arbeitnehmerkategorien angewendet werden müssen; sie müssen jedoch sofort angenommen werden, und dann sukzessive auf weitere Kategorien ausgedehnt werden, was mit unserer Ratifizierungspraxis und unserem politischen und Rechtssystem kaum vereinbar ist. Wie wir weiter unten sehen werden, kann die Schweiz heute die in den Artikeln 4--10 verlangten Massnahmen auf keine einzige Arbeitnehmergruppe vollumfänglich anwenden.

Die in Artikel 4 vorgeschriebenen Untersuchungen des Gesundheitszustandes von Nachtarbeitern kennt das schweizerische Recht nicht. In seiner geltenden Fassung schreibt das ArG keine regelmässigen medizinischen Untersuchungen vor; in der Bundesverwaltung und ihren Regiebetrieben werden sie nur vor dem Stellenantritt, sowie später im Bedarfsfall
vorgenommen. Es gibt zwar bereits Beratungsstellen für gesundheitliche Probleme im Zusammenhang mit Nachtarbeit, aber keine eigentlichen betriebsärztlichen Dienste. Wir sind daher noch nicht in :der Lage, diese Bestimmung anzunehmen. Ein Entwurf zu einer Revision des ArG sieht immerhin die Verbesserung der medizinischen Vorsorge und Betreuung vor. Zudem ist eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt worden, einen Revisionsentwurf zur VUV auszuarbeiten, wobei eine Regelung über Arbeitsärzte und andere Spezialisten der Arbeitssicherheit in diese Verordnung aufgenommen werden soll.

Artikel 5 bedarf keiner besonderen Bemerkungen, nachdem die notwendigen Infrastrukturen und, auf rechtlicher Ebene, die entsprechenden Verpflichtungen des Arbeitgebers in der Schweiz vorhanden sind.

Das Recht auf Versetzung des aus gesundheitlichen Gründen zur Nachtarbeit untauglichen Arbeitnehmers zu einer Tagesarbeit, wie in Artikel 6 Absatz l vor885

gesehen, wird durch die schweizerische Rechtsordnung nicht ausdrücklich garantiert. In der Praxis wird jedoch dieser Forderung wann immer möglich entsprochen. Die in den Absätzen 2 und 3 vorgesehenen Massnahmen sind hingegen im schweizerischen Recht verwirklicht, da diesen Arbeitnehmern der gleiche Schutz gewährt wird wie anderen Arbeitnehmern, die nicht in der Lage sind, zu arbeiten oder eine Beschäftigung zu erlangen.

Artikel 7 schreibt verschiedene Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmerin bei Mutterschaft vor. Er verlangt zunächst, dass ihr eine Alternative zur Nachtarbeit angeboten wird, und zwar in Form einer Versetzung zur Tagesarbeit, von Leistungen der sozialen Sicherheit oder einer Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs. Diese Alternative muss während insgesamt mindestens 16 Wochen, wovon mindestens acht Wochen vor der Niederkunft gewährleistet sein. Auf Vorlage eines entsprechenden Arztzeugnisses ist das Angebot auf zusätzliche Zeiträume während oder nach der Schwangerschaft auszudehnen.

Im ArG ist zwar vorgesehen, dass eine schwangere oder stillende Arbeitnehmerin sich von Nachtarbeit freistellen lassen kann. Ein Anspruch auf Beschäftigung mit Tagesarbeit besteht allerdings nicht. Während acht Wochen nach der Niederkunft darf die Arbeitnehmerin nicht beschäftigt werden. In der Bundesverwaltung und ihren Regiebetrieben ist kein Anspruch auf Versetzung von Nacht- zu Tagesarbeit vorgesehen, hingegen wird ein Mutterschaftsurlaub von vier Monaten gewährt. Ferner besteht, auf Vorlage eines Arztzeugnisses, der Anspruch auf Lohnfortzahlung auch für weitere Abwesenheiten.

Der in Absatz 3 Buchstabe a verlangte Kündigungsschutz besteht während des vorgeschriebenen Zeitraums sowohl für die Arbeitnehmerinnen der Privatwirtschaft (hier sogar vom Beginn der Schwangerschaft an) wie für das weibliche Personal der Bundesverwaltung.

Unsere Gesetzgebung entspricht der Bestimmung über die Lohnfortzahlung (Bst. b) nicht. Artikel 324a OR verpflichtet den Arbeitgeber lediglich zur Lohnfortzahlung während einer beschränkten Dauer, die von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängt und daher in der Praxis oft kürzer ist als die vom Übereinkommen verlangte. Die Arbeitnehmerinnen geniessen keine Sozialversicherungsleistungen für die Mutterschaft, da es in der Schweiz keine Mutterschaftsversicherung gibt. Eine
Änderung des Krankenversicherungsgesetzes, welche die Schaffung einer Mutterschaftsversicherung bezweckte, ist in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1987 verworfen worden. Die laufende Krankenversicherungsrevision sollte die Frage der Mutterschaftsversicherung wieder aufgreifen; der genaue Wortlaut steht allerdings noch nicht fest.

Schliesslich enthält unsere Gesetzgebung keine Bestimmungen über den Anspruch der Arbeitnehmerin, die mit der Nachtarbeit verbundene Vorteile während der mutterschaftsbedingten Abwesenheit beizubehalten.

Bezüglich Artikel 7 ist die Schweiz daher nicht in der Lage, den mit dem Übereinkommen verbundenen Verpflichtungen nachzukommen.

Die in Artikel 8 geforderten Kompensationen werden in der Schweiz gewährt.

Das ArG schreibt einen Lohnzuschlag bei vorübergehender Nachtarbeit vor.

Den Zeitausgleich kennt es hingegen nicht. Die anderen in die Überprüfung einbezogenen Gesetze schreiben Zeit- und Lohnzuschläge vor. In der Praxis

sind die Zuschläge oft höher als die gesetzlich vorgeschriebenen; in einigen Wirtschaftszweigen oder Betrieben kommt der Arbeitnehmer auch in den Genuss von Zeitzuschlägen (und damit einer Herabsetzung der Arbeitszeit). Die Gewährung von Zeitzuschlägen und die Gestaltung der Arbeitszeit von Nachtarbeitern sind im übrigen wichtige Punkte der Revisionsarbeiten am ArG.

Gemäss Artikel 9 sind für Nachtarbeiter geeignete Sozialdienste bereitzustellen.

Da dieser unbestimmte Begriff im Übereinkommen nicht näher umschrieben wird, muss auf die entsprechenden Artikel der Empfehlung (Art. 13-18) zurückgegriffen werden; diese erwähnen Massnahmen bezüglich Arbeitsweg, Verbesserung der Erholungsqualität und die Schaffung von Ruheeinrichtungen im Betrieb, Verpflegungsmassnahmen, Massnahmen in bezug auf die Betreuung der Kleinkinder von Nachtarbeitern, Aus- und Weiterbildungsmassnahmen und schliesslich solche betreffend kulturelle, sportliche und andere .Freizeitaktivitäten.

Das geltende ArG schreibt keinerlei Massnahmen in dieser Richtung vor. In der Praxis bieten viele Betriebe ihren Nachtarbeitern einen Teil der erwähnten Dienstleistungen an. Das BIGA verbindet die Erteilung von Nachtarbeitsbewilligungen bereits heute mit der Auflage, dass den Arbeitnehmern ermöglicht wird, im Betrieb eine warme Mahlzeit einzunehmen und sich auszuruhen. Das Bundespersonal kommt teilweise in den Genuss der empfohlenen Dienstleistungen. Die Verwirklichung solcher Massnahmen wäre allerdings insofern problematisch, als sie in die Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden eingreifen würde. Demnach sind wir gegenwärtig nicht in der Lage, die diesbezüglichen Anforderungen des Übereinkommens zu erfüllen.

Gemäss Artikel 10 sind die Vertreter der Nachtarbeiter anzuhören, wenn Nachtarbeit neu eingeführt wird oder längere Zeit andauert. Die Anhörung erstreckt sich auf die Gestaltung der Arbeitspläne und auf soziale und medizinische Massnahmen. Solche Konsultationen werden in der Bundesverwaltung und ihren Regiebetrieben vorgenommen. Das ArG kennt dagegen nur die Anhörung der betroffenen Arbeitnehmer, und dies überdies ausschliesslich bei Einführung von vorübergehender Nachtarbeit. Eine allgemeine gesetzliche Regelung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer besteht in der Schweiz nicht. Wir können die Anforderungen dieser Bestimmung daher
nicht erfüllen.

Die Artikel 11-19 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden muss. Zu erwähnen ist. dass das Übereinkommen keines der bestehenden Übereinkommen auf dem Gebiet der Nachtarbeit ändert oder aufhebt.

422

Haltung bezüglich der Empfehlung

Da der Empfehlung Nr. 178 kein zwingender Charakter zukommt, stellt sich die Frage nach einer möglichen Ratifizierung nicht.

Die Empfehlung umfasst Massnahmen, die den im Übereinkommen festgelegten Schutz der Nachtarbeiter vervollständigen und verstärken. Einige dieser Massnahmen, unter anderem im Bereich der Arbeits- und Ruhezeit sowie auf dem Gebiet der Sicherheit und Gesundheit; sind bei uns bereits verwirklicht 887

worden, sei es durch gesetzliche Vorschriften oder in der Praxis. Andere, und insbesondere die in Teil V betreffend die Errichtung sozialer Dienste empfohlenen Massnahmen entsprechen unserem System nicht.

423

Schlussfolgerungen

Auch die Analyse des Übereinkommens Nr. 171 erhellt, dass die Bedingungen zu einer Ratifizierung nicht gegeben sind. Wir können uns seiner Zielsetzung anschliessen, müssen jedoch feststellen, dass das Übereinkommen Massnahmen fordert, die sich mit unserem System nicht vereinbaren lassen. Vor allem der Geltungsbereich schafft für uns Schwierigkeiten, weil er zu weit reicht und Sektoren einschliesst, die sich der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers entziehen.

Unter den weiteren Anforderungen sind es vor allem die Mutterschutzbestimmungen, die über diejenigen des schweizerischen Rechts hinausgehen. Unter diesen Umständen verzichten wir darauf, Ihnen das Übereinkommen Nr. 171 über Nachtarbeit zur Genehmigung zu unterbreiten.

Der Entwurf zu einer Teilrevision des Arbeitsgesetzes entspricht den Anforderungen des Übereinkommens nur teilweise. Bei den weiteren Gesetzgebungsarbeiten wird sich Gelegenheit bieten, die Bestimmungen des Übereinkommens so weit als möglich zu berücksichtigen.

5

Protokoll von 1990 zum Übereinkommen (Nr. 89) über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948 (Anhang 4)

51

Allgemeiner Teil

Dieses Zusatzprotokoll revidiert für die Staaten, die es ratifizieren, das Übereinkommen Nr. 89, soweit sie die aus diesem Übereinkommen fliessenden Verpflichtungen übernommen haben. Sein Ziel besteht darin, die starren Vorschriften des Übereinkommens flexibler zu gestalten und den Unterzeichnerstaaten damit eine Alternative zur Kündigung zu bieten. Unser Land hat das Übereinkommen Nr. 89 am 17. April 1950 ratifiziert; dieses ist für die Schweiz am 6. Mai 1951 in Kraft getreten (vgl. BB1 1950 I 1). Eine Kündigung des erwähnten Übereinkommens ist während der Zeit vom 27. Februar 1991 bis zum 27. Februar 1992 möglich.

Im Gegensatz zum neuen Übereinkommen über Nachtarbeit ist der Geltungsbereich des Protokolls auf Frauen beschränkt, die in der Industrie beschäftigt werden. Für diese wird das grundsätzliche Verbot der Nachtarbeit aufrechterhalten.

Es sieht die Möglichkeit vor, aufgrund eines Entscheids der zuständigen Behörde vom definierten Zeitraum der Nacht sowie vom Verbot der Nachtarbeit für Frauen abzuweichen. Dieser Entscheid muss aufgrund einer vorgängig zu erlassenden gesetzlichen Regelung getroffen werden. Abweichungen können unter bestimmten Bedingungen (Vereinbarungen, Konsultationen, Garantien) auf Branchen- oder Berufsebene oder in bestimmten Betrieben eingeführt werden. Zum Schutz von Schwangeren und jungen Müttern sind besondere Garantien vorgesehen.

52

Besonderer Teil

521

Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen und Haltung der Schweiz

Das Protokoll umfasst fünf Artikel. Vorliegend sind nur die beiden ersten zu überprüfen, da die übrigen die üblichen Schlussbestimmungen enthalten.

Artikel l erlaubt den Staaten, welche das Protokoll ratifizieren, eine nationale Gesetzgebung anzunehmen, welche einerseits Änderungen des in Artikel 2 des Übereinkommens Nr. 89 definierten Zeitraums der Nacht erlaubt und andererseits Abweichungen vom in Artikel 3 des Übereinkommens vorgeschriebenen Verbot der Nachtarbeit von Frauen ermöglicht. Der Annahme solcher Gesetze hat die Anhörung der massgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände vorauszugehen. Die Abweichungen und Änderungen bedürfen im Einzelfall einer Bewilligung und können auf drei verschiedenen Ebenen eingeführt werden: a. in einem Wirtschaftszweig oder in einem bestimmten Beruf, vorausgesetzt, dass eine Vereinbarung zwischen den massgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vorliegt; b. in einem oder mehreren Betrieben, auf die ein gemäss Buchstabe a getroffener Entscheid nicht anwendbar ist, vorausgesetzt, dass in dem betreffenden Betrieb oder Unternehmen eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmervertretern geschlossen worden ist und die massgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände des betreffenden Wirtschafts- oder Berufszweigs oder die wichtigsten Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer angehört worden sind; c. in einem bestimmten Betrieb, auf den kein Entscheid nach den Buchstaben a oder b anwendbar ist, nachdem die Vertreter der Arbeitnehmer des Betriebs, die Sozialpartner des Wirtschaftszweigs oder ihre wichtigsten Verbände angehört worden sind. In diesem Fall muss die Behörde sich vergewissern, dass in dem Betrieb hinsichtlich des Arbeitsschutzes, der Sozialdienste und der Chancengleichheit und Gleichbehandlung für Arbeitnehmerinnen ausreichende Garantien bestehen. Die behördliche Bewilligung ist auf eine bestimmte Gültigkeitsdauer zu beschränken, kann jedoch erneuert werden.

Die Abweichungen nach den Buchstaben a und b beruhen auf einer Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern und auf einem Entscheid der zuständigen Behörde. Im Fall von Buchstabe c genügt der Entscheid der Behörde.

Nach Auskunft des Internationalen Arbeitsamtes wäre es nicht statthaft, durch die nationale Gesetzgebung ausschliesslich die in den Buchstaben a
und/oder c gebotenen Möglichkeiten zu verwirklichen, da die Bewilligungen nach den Buchstaben b und c voraussetzen, dass die jeweilige Gesetzgebung auch Bewilligungen nach den vorangehenden Buchstaben kennt.

Die Umstände des Änderungs-, Abweichungs- und Bewilligungsverfahrens und die erforderlichen Voraussetzungen.müssen durch die innerstaatliche Gesetzgebung näher umschrieben werden.

Die gegenwärtige schweizerische Gesetzgebung enthält keine entsprechenden Bestimmungen, wie sie für die Umsetzung dieses Artikels des Protokolls not-

wendig wären. Um diesen Artikel des Protokolls annehmen zu können, müssten wir die Verordnung l vom 14. Januar 1966 zum Arbeitsgesetz (SR 822.111) anpassen.

Artikel 2 bezweckt den Schutz der Mutterschaft.

Im ersten Absatz wird die Anwendung von Änderungen und Abweichungen, wie sie Artikel l erlaubt, auf Schwangere und Wöchnerinnen untersagt. Dieses Verbot gilt für eine Dauer von mindestens 16 Wochen, wovon wenigstens acht vor der Niederkunft liegen müssen; auf ausdrücklichen Wunsch der betreffenden Arbeitnehmerin kann das Verbot im Einzelfall aufgehoben werden, wenn weder ihre Gesundheit noch die ihres Kindes gefährdet ist. Das Verbot gilt ebenfalls für weitere Zeiträume während der Schwangerschaft oder nach der Niederkunft, sofern ein Arztzeugnis die Notwendigkeit bescheinigt (Abs. 2).

Das heisst, dass das strikte Verbot der Nachtarbeit (Art. 3 des Übereinkommens Nr. 89) während der fraglichen Zeitspanne aufrechterhalten wird.

In seiner heutigen Fassung verbietet das ArG die Beschäftigung von schwangeren oder stillenden Frauen ausserhalb der Grenzen der Tagesarbeit ohne ihr Einverständnis; ein Arztzeugnis wird nicht verlangt. Die übrigen in die Überprüfung einbezogenen Gesetze enthalten im allgemeinen ähnliche Lösungen.

Das schweizerische Recht erweist sich daher als mit dieser Bestimmung des Protokolls vereinbar.

Das Verbot der Kündigung während der in Absatz 3 Buchstabe a vorgesehenen Zeiträume besteht auch nach schweizerischem Recht.

Buchstabe b dieses Absatzes schreibt vor, dass das Einkommen der Arbeitnehmerin während der in den Absätzen l und 2 festgelegten Zeiträume auf einem bestimmten Niveau gehalten werden muss. Dies kann in Form der Versetzung in Tagesarbeit, der Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs oder von Sozialleistungen erfolgen. Verschiedene Massnàhmen können auch kombiniert werden.

Wie wir bereits bei der Überprüfung von Artikel 7 des Übereinkommens Nr. 171 festgehalten haben, entspricht die schweizerische Gesetzgebung dieser Anforderung nicht. Um diese zu erfüllen, müssten wir die Verordnung l zum ArG dahingehend abändern, dass nur in jenen Erwerbszweigen und Betrieben eine Ausnahmebewilligung erteilt wird, in denen das Einkommen der Arbeitnehmerin nach den Voraussetzungen von Artikel 2 des Protokolls gewährleistet ist.

Gemäss Absatz 4 dürfen die aufgrund der Absätze
1-3 getroffenen Normen den Schutz und die Vorteile, die mit dem Mutterschaftsurlaub verbunden sind, keinesfalls schmälern. Wie wir gesehen haben, kommt nur eine Minderheit der Arbeitnehmerinnen (vor allem im öffentlichen Dienst) in den Genuss eines eigentlichen Mutterschaftsurlaubs. Die Schweiz ist daher nicht in der Lage, diese Bedingungen zu erfüllen. Hierfür wäre ebenfalls eine Anpassung der Verordnung l zum ArG erforderlich.

890

522

Verhältnis zum EG-Recht

Die Prüfung unter dem Blickwinkel der Rechtsgleichheit zwischen Mann und Frau hat die EG-Kommission veranlasst, das Übereinkommen Nr. 89 als unvereinbar mit dem Begriff der Gleichbehandlung im Sinne der Richtlinie EG 76/207 zu betrachten. Drei Länder der Gemeinschaft (Irland, Luxemburg und die Niederlande) haben das Übereinkommen bereits gekündigt. Andere Mitgliedstaaten (B, E, F, GR, I, P) sind noch an das Übereinkommen gebunden.

Die konkrete Frage, ob das im Übereinkommen verankerte Nachtarbeitsverbot für Frauen mit dem EG-Recht vereinbar ist, bildet derzeit Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Ausgang dieses Verfahrens wird die Haltung der betroffenen EG-Staaten bestimmen und zu gegebener Zeit auch eine Rolle für unsere eigene Lagebeurteilung spielen.

523

Schlussfolgerungen

Das Protokoll zum Übereinkommen Nr. 89 ist nicht self-executing, sondern erfordert eine detaillierte nationale Ausführungsgesetzgebung. Zwar wird der Staat dazu nicht gezwungen; das Protokoll bietet ihm hierzu vielmehr die Möglichkeit, es freiwillig zu tun und damit die aus dem Übereinkommen Nr. 89 fliessenden Einschränkungen zu flexibilisieren.

Die Überprüfung des Wortlauts des Protokolls hat ergeben, dass das bestehende schweizerische Recht den Anforderungen, die an eine Ausführungsgesetzgebung gestellt werden müssen, nicht entspricht. Selbst wenn eine Ratifizierung als Möglichkeit zur Flexibilisierung an sich ins Auge gefasst werden könnte, würde ihre Vornahme zum heutigen Zeitpunkt der schweizerischen Ratifikationspraxis widersprechen. Ausserdem würde sie unweigerlich Gesuche um Abweichungen nach sich ziehen, denen wir keine Folge geben könnten, da eine Ausführungsgesetzgebung fehlt. Eine solche wäre durch einzelne, allerdings substantielle Anpassungen der Verordnung l zum ArG zu bewerkstelligen, die wir derzeit näher prüfen.

Aus der Sicht des Bundesrates würde die Ratifizierung des Zusatzprotokolls nach vollzogener Anpassung des innerstaatlichen Rechts einen praktikablen Weg darstellen, um die Starrheit des absoluten Verbots der Frauennachtarbeit gemäss Übereinkommen Nr. 89 aufzubrechen. Er gedenkt deshalb, dem Parlament die Genehmigung des Zusatzprotokolls vorzuschlagen, sobald diese Voraussetzungen gegeben sind. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass auch die europäische Entwicklung nicht unbeachtet bleiben kann.

Es erscheint deshalb verfrüht, über das Protokoll zu einem Übereinkommen zu entscheiden, das gegenwärtig Gegenstand einer vertieften Verträglichkeitsprüfung mit einem der grundlegenden Prinzipien des EG-Rechts bildet. Sowohl in unserem Landesrecht wie auch auf internationaler Ebene sind daher die Voraussetzungen für eine Ratifizierung noch nicht gegeben. Diese werden ebenfalls den Entscheid über die mögliche Kündigung des Übereinkommens Nr. 89 beeinflussen, zu der wir uns innerhalb der dafür gesetzten Fristen veranlasst sehen könnten.

891

6

Übereinkommen Nr. 119 über den Maschinenschutz (Anhang 5)

61

Allgemeiner Teil

In unserem Bericht vom 20. Dezember 1963 über die 47. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (BB1 1964 I 65 ff.) haben wir das Übereinkommen (Nr. 119) über den Maschinenschutz analysiert und die Haltung unseres Landes zu diesem Übereinkommen dargelegt. Wenn wir zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in der Lage waren, alle aus diesem Übereinkommen fliessenden Verpflichtungen zu übernehmen, so sehen wir uns heute aufgrund der seither eingetretenen Entwicklung unserer Sozialgesetzgebung zu einer erneuten Prüfung dieser Frage veranlasst.

Nach dem gleichen Verfahren haben wir Ihnen schon andere wichtige Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation oft erst Jahre nach deren Annahme durch die Arbeitskonferenz zur Genehmigung unterbreitet.

62

Besonderer Teil

621

Erläuterung der einzelnen Bestimmungen und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Das Übereinkommen betrifft sowohl das Inverkehrbringen als auch die Verwendung von Maschinen. Um zu prüfen, ob die Schweiz den Anforderungen des Übereinkommens genügt, müssen dessen Bestimmungen mit unserer Gesetzgebung über die Unfallverhütung, insbesondere mit den Bundesgesetzen vom 19. März 1976 über Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG; SR 819.1) sowie vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20) und dem auf diesen beiden Bundesgesetzen beruhenden Verordnungsrecht verglichen werden.

Das Übereinkommen gliedert sich in sechs Teile und umfasst insgesamt 25 Artikel.

Teil I (Art. 1) definiert den Begriff der Maschine. Absatz 2 dieses Artikels sieht die Möglichkeit vor, diesen Begriff auf solche Einrichtungen und Geräte auszudehnen, die zwar von menschlicher Kraft angetrieben werden, aber dennoch eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer darstellen, was in Artikel 2 Absatz l STEG sowie in Artikel 24 der Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV; SR 832.30) tatsächlich in diesem Sinne geregelt wurde. Auf Strassenund Schienenfahrzeuge sowie auf bewegliche Landwirtschaftsmaschinen ist das Übereinkommen nur insofern anwendbar, als die Sicherheit des Bedienungspersonals berührt ist.

Unser Rechtssystem deckt demnach die allgemeinen und einführenden Bestimmungen des Übereinkommens ab.., Teil II (Art. 2^5) befasst sich mit den dem Übereinkommen unterliegenden Vertragsformen und der anderweitigen Überlassung sowie der Ausstellung von Maschinen. Alle diese Formen werden in der schweizerischen Gesetzgebung durch 892

die Verwendung der Begriffe «Anpreisen» und «Inverkehrbringen» (Art. l Abs. l STEG) abgedeckt. Das Verbot des Verkaufs, der Vermietung, anderweitigen Überlassung und Ausstellung von Maschinen, deren gefährlichen Elemente nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen sind, hat in Artikel 13 Ziffer l STEG seinen Niederschlag gefunden. Abweichungen von den Sicherheitsvorschriften sind bei Ausstellungen und Messen nur zulässig, wenn deutlich darauf hingewiesen wird, dass das Gerät in dieser Form nicht verkäuflich ist.

Artikel 3 STEG und Artikel 24 VUV verweisen in bezug auf die Sicherheit wie Artikel 2 des Übereinkommens auf den Stand der Technik. Die genannten Gesetzesbestimmungen werden ihrerseits vor allem durch Richtlinien der Eidgenössischen Koordinations-Kommission für Arbeitssicherheit (EKAS) sowie der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) konkretisiert.

Der Grundsatz der Unfallverhütung, wie er in Artikel 3 des Übereinkommens aufgestellt wird, gilt in der Praxis auch in unserem Land. Das Schutzziel kann mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden, nämlich durch die sichere Gestaltung eines technischen Systems, durch zusätzliche Sicherheitsvorkehren oder durch organisatorische Massnahmen.

Artikel 4 des Übereinkommens fasst den Kreis der Normadressaten sehr weit, aber auch sehr detailliert. Artikel l STEG verpflichtet demgegenüber jedermann, der technische Einrichtungen und Geräte in Verkehr bringt, zur Einhaltung des Gesetzes.

Das UVG und das STEG sind schliesslich strenger als Artikel 5 des Übereinkommens und sehen im Gegensatz zu diesem keine Möglichkeit der zeitweiligen Aufhebung von Sicherheitsvorschriften vor.

Unsere Gesetzgebung genügt demnach den in Teil II des Übereinkommens aufgestellten Anforderungen.

Teil ///(Art. 6-14) behandelt den Einsatz der unter das Übereinkommen fallenden Maschinen.

Gemäss Artikel 36 ist die Verwendung von Maschinen, bei denen ein gefährliches Element nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen ist, zu verhindern oder zu verbieten. Diese Vorschrift entspricht im wesentlichen den Artikeln 86 und 112 UVG.

Artikel 7 des Übereinkommens überbindet dem Arbeitgeber die Verpflichtung, die geeigneten Scrmtzmassnahmen im Sinne des Übereinkommens zu treffen; diese Verpflichtung findet sich im Artikel 82 Absatz l UVG wieder.

Nach Artikel
8 kann das Schutzziel «Sicherheit» mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden, die praktisch identisch mit den in Artikel 3 genannten sind, dessen Annehmbarkeit wir bereits oben dargelegt haben. Artikel 9 Absatz l lässt die vorübergehende Aufhebung von Sicherheitsvorschriften zu. Das UVG ist in diesem Punkt weit restriktiver, indem es keine solchen Ausnahmen zulässt.

Artikel 10, der die Pflicht des Arbeitgebers zur präventiven Information der Arbeitnehmer über die Gefahren der Verwendung der Maschinen sowie seine Pflicht zur Anordnung der nötigen Schutzmassnahmen vorsieht, findet seine innerstaatliche Entsprechung in Artikel 82 Absatz l und 2 UVG sowie in den Artikeln 3-6 VUV.

893

Artikel 11 zählt die Pflichten der Arbeitnehmer auf und deckt sich im wesentlichen mit den Artikeln 82 Absatz 3 UVG und Artikel 11 VUV.

Artikel 13 bietet die Möglichkeit, die Anwendung dieses Teils des Übereinkommens auf Selbständigerwerbende auszudehnen: nach unserem System sind die im Rahmen der Gesetzgebung über Unfallverhütung erlassenen Bestimmungen nicht auf Selbständigerwerbende im Sinne von Artikel 13 anwendbar. Hingegen schützen die Vorschriften des STEG sowohl die unselbständigen wie die selbständigen Arbeitnehmer. Wir werden das Internationale Arbeitsamt anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde auf diese Besonderheit unseres Rechtssystems hinweisen.

Die im dritten Teil des Übereinkommens aufgestellten Anforderungen an unsere Gesetzgebung sind demnach erfüllt.

Teil IV (Ari. 15 und 16) betreffen die Durchführungsmassnahmen. Nach Artikel 15 Absatz l sind alle erforderlichen Massnahmen einschliesslich geeigneter Zwangsmassnahmen zu treffen, um die wirksame Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens zu gewährleisten. Diesen Anforderungen wird sowohl im STEG (Art. 6, 11 und 12) als auch im UVG (Art. 84-87) sowie in den einschlägigen Vollzugsbestimmungen der Verordnung vom 21. Dezember 1977 über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEV, Art. 6-13) und der VUV (Art. 60-69) entsprochen.

In unserem ersten Bericht über das Übereinkommen Nr. 119 hatten wir darauf hingewiesen, dass Artikel 15 Absatz 2 nicht übernommen werden konnte, da eine gesetzlich verankerte Unfallverhütungsinstitution in der Landwirtschaft fehlte. Dieses Hindernis für eine Ratifizierung konnte mit Inkrafttreten des UVG und dem Beizug einer geeigneten Institution, die auch über die notwendige Praxis verfügt, ausgeräumt werden. Seit 1984 ist die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft als Fachorganisation im Sinne von Artikel 85 Absatz 3, zweiter Satz UVG tätig; damit ist unser Recht auch im Bereich der landwirtschaftlichen Urproduktion mit dem Übereinkommen in Einklang gebracht worden.

Die schweizerische Praxis zielt in die gleiche Richtung wie Artikel 16, nach welchem die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die der Durchführung des Übereinkommens dienen, erst nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls der
Verbände der Hersteller zu erlassen sind. Darüber hinaus sieht Artikel 57 VUV ausdrücklich vor, dass die EKAS die interessierten Organisationen vor wichtigen Beschlüssen anzuhören hat.

Teil IV kann nach dem Gesagten angenommen werden.

Teil V (Ail. 17) ist dem Geltungsbereich des Übereinkommens gewidmet. Nach Artikel 17 Absatz l sind die Bestimmungen des Übereinkommens auf alle Wirtschaftszweige anwendbar. Zweck der schweizerischen Gesetzgebung (STEG und UVG) ist der Schutz aller Anwender technischer Einrichtungen und Geräte und aller Arbeitnehmer vor der Gefahr von Unfällen und im Rahmen der obligatorischen Unfallversicherung auch vor Berufskrankheiten. Die Arbeitssicherheit der von der unfallgesetzlichen Unfallverhütung ausgenommenen Arbeitnehmer (Fahrdienste, fliegendes Personal und Personal von Kern- und Rohrlei-

894

tungsanlagen) wird nach schweizerischem Recht durch die einschlägige Spezialgesetzgebung gewährleistet. Infolgedessen erübrigt es sich, von der in Artikel 17 Absatz 2 eingeräumten Möglichkeit der Abgabe einer Erklärung über die Einschränkung der Durchführung des Übereinkommens Gebrauch zu machen.

Unsere Gesetzgebung ist daher mit den Anforderungen des V. Teils des Übereinkommens vereinbar.

Teil F/(Art. 18-25) enthält die üblichen Schlussbestimmungen, welche nicht besonders erläutert werden müssen.

622

Haltung in bezug auf die Empfehlung

Die Empfehlung Nr. 118 enthält keine rechtlich zwingenden Vorschriften. Die Frage der Ratifizierung stellt sich daher nicht.

Die Empfehlung beschränkt sich auf die Präzisierung der Grundsätze des Übereinkommens und regelt die Einzelheiten der Anwendung des Übereinkommens, dessen Übereinstimmung mit unserem Recht oben dargelegt worden ist.

623

Schlussfolgerungen

Die Bestimmungen des Übereinkommens entsprechen unserer Gesetzgebung über den Schutz der Anwender von technischen Einrichtungen und Geräten sowie unserer Gesetzgebung über den Arbeitnehmerschutz.

Nichts steht daher einer Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 119 entgegen.

63

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 119 ist mit keinen besonderen finanziellen Lasten für den Bund verbunden; sie wird sich auch auf den Personalbestand des Bundes nicht auswirken, da die Aufsichtsorgane für die Sicherheitsmassnahmen seit längerer Zeit bestehen.

64

Verhältnis zum EG-Recht ;

Die Europäische Gemeinschaft hat am 7. Mai 1985 eine Neukonzeption über die technische und normative Harmonisierung, sowie eine Richtlinie vom 14. Juni 1989 über die Harmonisierung der Gesetzesvorschriften der Mitgliedstaaten über Maschinen angenommen. Unsere Gesetzesvorschriften über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und des Arbeitsplatzes (UVG, STEG und Ausführungsverordnungen) entsprechen im grossen und ganzen den Anforderungen der beiden EG-Instrumente. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheinen die noch auf das KUVG vom 13. Juni 1911 abgestützten Vorschriften im Bereich der beruflichen Unfallverhütung rückständig im Vergleich mit den beiden EG-rechtlichen Texten. Eine Arbeitsgruppe ist eingesetzt worden, um Lösungen vorzuschlagen, die schliesslich eine systematische Neuordnung unseres Rechts 895

über die Arbeitssicherheit und dessen schrittweise Anpassung an den neuesten Stand der Technik und an die Anforderungen des EG-Rechts bringen sollen.

65

Rechtliche Grundlagen

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über das Übereinkommen Nr. 119 beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, welche dem Bund das Recht einräumt, Staatsverträge einzugehen. Aufgrund von Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung ist die Bundesversammlung für die Gutheissung des Übereinkommens zuständig. Nach Artikel 20 des Übereinkommens Nr. 119 kann dieses nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem Inkrafttreten sowie jeweils nach Ablauf von weiteren zehn Jahren gekündigt werden. Das Übereinkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c der Verfassung herbei. Demnach ist das Übereinkommen 119 nicht dem fakultativen Referendum über die internationalen Verträge gemäss Artikel 89 Absatz 3 der Verfassung unterstellt.

7

Übereinkommen (Nr. 132) über den bezahlten Jahresurlaub (Anhang 6)

71

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen (Nr. 132) über den bezahlten Jahresurlaub hatte die Internationale Arbeitskonferenz im Jahre 1970 anlässlich ihrer 54. Tagung angenommen, und wir hatten die Haltung unseres Landes zu diesem Instrument seinerzeit dargelegt (BB1 1971 II 1530 ff.). Dieses Übereinkommen revidiert oder ersetzt das Übereinkommen (Nr. 52) über den bezahlten Urlaub, 1936, das seither nicht mehr ratifiziert werden kann, sowie das Übereinkommen (Nr. 101) über den bezahlten Urlaub (Landwirtschaft) von 1952. Diese beiden Übereinkommen sind von der Schweiz nicht ratifiziert worden.

Im Vergleich mit den vorangehenden Übereinkommen über den bezahlten Jahresurlaub bringt das Übereinkommen Nr. 132 wichtige Fortschritte: es legt die Mindestdauer des bezahlten Jahresurlaubs auf drei Wochen fest, während das Übereinkommen Nr. 101 kein solches Minimum vorsieht, und das Übereinkommen Nr. 52 sich auf ein Minimum von sechs Werktagen nach einem ununterbrochenen Arbeitseinsatz von einem Jahr beschränkt. Weiter umfasst es Bestimmungen über die Definition, die praktische Anwendung und den Schutz des Ferienanspruchs.

Im Zeitpunkt seiner Annahme war die Schweiz nicht in der Lage, das Übereinkommen Nr. 132 zu ratifizieren, weil die Ferienregelung des Obligationenrechts den Anforderungen des Übereinkommens nicht genügte. Das Übereinkommen legte die Mindestdauer des Ferienanspruchs auf drei Wochen pro Jahr fest, während das Obligationenrecht nur zwei Ferienwochen vorsah und es den Kantonen anheimstellte, diese Dauer auf drei Wochen zu verlängern. Da nicht alle Kantone von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hatten, war der Bund nicht 896

in der Lage, zu garantieren, dass die Forderungen des Übereinkommens umgesetzt werden. Ein zweites Hindernis für die Ratifizierung lag in Artikel 329 e Absatz l OR, der gewisse Ausnahmen aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrags oder Normalarbeitsvertrags gestattete; dadurch wäre es möglich gewesen, die Feriendauer im Gegenzug zu anderen Vergünstigungen auf weniger als zwei oder drei Wochen herabzusetzen, was mit dem Übereinkommen unvereinbar gewesen wäre. Bei der Revision des Obligationenrechts (1982) ist die Mindestdauer der jährlichen Ferien auf vier Wochen für erwachsene und auf fünf Wochen für jugendliche Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Lebensjahr heraufgesetzt worden. Artikel 329 e OR wurde aufgehoben. Mit dieser Revision ist eine Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 132 möglich geworden.

72

Besonderer Teil,

721

Erläuterung der einzelnen Bestimmungen und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Um beurteilen zu können, ob unser Land die Anforderungen des Übereinkommens Nr. 132 erfüllt, müssen dessen Bestimmungen im Lichte unserer Gesetzgebung überprüft werden. Wir kennen kein für alle Arbeitnehmer anwendbares Gesetz über den bezahlten Jahresurlaub. Im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis unterliegt der bezahlte Jahresurlaub den Bestimmungen des Obligationenrechts (OR; SR 220). Die Ferienregelungen für die Arbeitnehmer des öffentlichen Bereichs (kantonale und kommunale Verwaltungen, Betriebe der öffentlichen Hand) finden sich in den spezifischen Gesetzgebungen dieser Körperschaften und Institutionen. Soweit wir wissen, kommen sämtliche Arbeitnehmer dieses Sektors in den Genuss von mindestens vier Wochen Ferien. Für die Arbeitnehmer der Bundesverwaltung gelten die diesbezüglichen Bestimmungen im Beamtengesetz (BtG; SR 172.221.10), in den Beamtenreglementen (1) (SR 172.221.101), (2) (SR 172.221.102) und (3) (SR 172.221.103) sowie in der Angestelltenverordnung (SR 172.221.104) und dem Arbeitszeitgesetz (AZG; SR 822.21).

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass der Begriff «Urlaub», wie er im Übereinkommen Nr. 132 verwendet wird, dem Begriff «Ferien» nach dem Sprachgebrauch des schweizerischen Rechts entspricht; unter «Urlaub» versteht das schweizerische Recht dagegen Abwesenheiten aus persönlichen oder familiären Gründen. Im vorliegenden Bericht verwenden wir die beiden Begriffe synonym.

Das Übereinkommen Nr. 132 enthält 24 Artikel. Artikel 17-24 sind den üblichen Schlussbestimmungen gewidmet und werden hier nicht erläutert.

Artikel l hält fest, dass die Bestimmungen des Übereinkommens durch die innerstaatliche Gesetzgebung durchgeführt werden müssen, soweit die einzelnen Länder nicht eine andere Art und Weise der Durchführung anwenden. Es handelt sich hier um eine übliche Standardwendung. In unserem Land bildet der Ferienanspruch des Arbeitnehmers Gegenstand von gesetzlichen Bestimmungen.

897

Gemäss Artikel 2 gilt das Übereinkommen für alle Arbeitnehmer, ausgenommen die Seeleute. Artikel 15 räumt allerdings den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, entweder das Übereinkommen auf die Landwirtschaft zu beschränken oder die Landwirtschaft vom Geltungsbereich auszuschliessen. Absatz 2 dieses Artikels erlaubt, für begrenzte Arbeitnehmergruppen von der Anwendung des Übereinkommens abzusehen, wenn dessen Anwendung zu erheblichen Problemen führen würde. Wie wir weiter unten bei der Detailüberprüfung des Übereinkommens sehen werden, stellt uns keine dieser Bestimmungen vor Probleme; deshalb können wir auf die Inanspruchnahme dieser Begrenzungsmöglichkeiten bezüglich des Kreises der geschützten Arbeitnehmer verzichten.

Artikel 3 stellt die Schlüsselbestimmung des Übereinkommens dar. Er verlangt, dass der bezahlte Urlaub «auf keinen Fall weniger als drei Arbeitswochen für ein Dienstjahr» betragen darf. Gegenwärtig wird diese Anforderung in der Schweiz nicht nur erfüllt, sondern sogar noch überholt. Sowohl die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft wie auch diejenigen der öffentlichen Hand gemessen ein Minimum von vier bezahlten Ferienwochen im Jahr. Für die Mehrheit der jugendlichen Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Altersjahr beträgt das Minimum fünf Wochen (Art. 325a Abs. l OR; Gesetzgebung über den öffentlichen Dienst des Bundes). Verschiedene kantonale Verwaltungen, private Unternehmungen und Gesamtarbeitsverträge gewähren sogar allen Arbeitnehmern fünf Wochen Ferien. Zudem geniessen die Arbeitnehmer von einem bestimmten Alter an oftmals fünf oder sechs Wochen Ferien.

Artikel 4 legt den Grundsatz fest, dass bei einem Anstellungsverhältnis von weniger als einem Kalenderjahr die Ferien pro rata temporis gekürzt werden können. Diesem Grundsatz folgt auch Artikel 329c Absatz 3 OR. Er gilt ebenfalls für die öffentlich Bediensteten.

Gemäss Artikel 5 ist es zulässig, eine Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses vorzuschreiben, ab welcher der Anspruch auf bezahlten Urlaub besteht. Das geltende schweizerische Recht ist hier für den Arbeitnehmer günstiger, da es seit der OR-Revision von 1982 keine solche Karenzfrist mehr kennt. Dies gilt auch für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes.

Artikel 6 schreibt in Absatz l vor, dass öffentliche und übliche Feiertage nicht zum Jahresurlaub gezählt werden
dürfen, gleichviel ob sie in die Zeit des Jahresurlaubs fallen oder nicht. In diesem Punkt entspricht das schweizerische Recht dem Übereinkommen. Absatz 2 des Artikels 6 verbietet im Rahmen von Bedingungen, die durch die zuständige Behörde oder Organisation des einzelnen Landes festzulegen sind, die Anrechnung von Zeiten krankheits- und unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit auf den Ferienanspruch. Die verschiedenen in unserem Land in Kraft stehenden Réglemente verbieten die direkte Anrechnung von Zeiten der Arbeitsverhinderung auf den Ferienanspruch, erlauben hingegen im allgemeinen eine gewisse proportionale Kürzung der Ferien, wenn die Absenz eine bestimmte Dauer übersteigt: diese beträgt für die Bundesbeamten 90 Tage und für die Arbeitnehmer der Privatwirtschaft einen Monat (zwei Monate bei Schwangerschaft und Mutterschaft). Diese Bestimmungen stehen im Einklang mit den Anforderungen des Übereinkommens.

898

Artikel 7 verlangt, dass dem Arbeitnehmer während der Ferien sein voller oder normaler Lohn einschliesslich des Gegenwerts allfälliger Naturalleistungen bezahlt wird. Das schweizerische Recht entspricht dieser Anforderung vollumfänglich.

Gegenstand von Artikel 8 bildet die mögliche Aufteilung der Ferien; vorbehaltlich einer anderslautenden Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer muss einer der Teile mindestens zwei Wochen umfassen. Die im schweizerischen Recht getroffenen Lösungen stimmen mit dieser Forderung überein.

Artikel 9 legt die Frist fest, innerhalb derer die Ferien für eine Dienstperiode gewährt und bezogen werden müssen. Er unterscheidet zwischen dem ununterbrochenen Teil der Ferien gemäss Artikel 8 Absatz 2, der grundsätzlich innerhalb höchstens eines Jahres bezogen werden muss, und dem Restanspruch, für den diese Frist 18 Monate beträgt. Die Einzelheiten hat jedes Land nach seinen Verhältnissen zu regeln. Gemäss Artikel 329c OR müssen die Ferien in der Regel während des entsprechenden Dienstjahres gewährt werden. Die Verjährungsfrist für Ferienansprüche beträgt übrigens fünf Jahre. Die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müssen ihre Ferien ebenfalls innerhalb einer bestimmten Frist beziehen.

Nach Artikel 10 des Übereinkommens wird der Zeitpunkt des Urlaubs vom Arbeitgeber nach Anhörung des beteiligten Arbeitnehmers oder seiner Vertreter festgesetzt, sofern dieser Zeitpunkt nicht auf eine andere Weise, etwa durch Gesamtarbeitsvertrag bestimmt wird. In der Schweiz bestimmt grundsätzlich der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien, wobei er auf die Wünsche des Arbeitnehmers soweit Rücksicht nehmen muss, als dies mit den Interessen des Betriebs vereinbar ist (Art. 329c OR). Diese und die ähnlichlautenden Bestimmungen des öffentlichen Personalrechts entsprechen damit ebenfalls den Anforderungen des Übereinkommens.

Artikel 11 des Übereinkommens schreibt vor, dass dem Arbeitnehmer, der seine Ferien bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht oder nur teilweise bezogen hat, eine gleichwertige Kompensation in Form von Geld oder Freizeit zu gewähren ist. Das schweizerische Recht regelt diesen Fall im gleichen Sinn wie das Übereinkommen. Gemäss Obligationenrecht hat der Arbeitnehmer, der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht alle Ferien bezogen hat, Anspruch auf eine
entsprechende Entschädigung, die er innerhalb von fünf Jahren geltend machen kann.

Artikel 12 des Übereinkommens verbietet den Verzicht auf Ferienansprüche und deren Abgeltung durch finanzielle Leistungen. Artikel 329 d, Absatz 2 OR enthält ebenfalls das Verbot, Ferien mit Geld oder anderen Vorteilen zu kompensieren, solange das Arbeitsverhältnis andauert. Dasselbe gilt für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Wir können diese Vorschrift des Übereinkommens daher annehmen.

Artikel 13 ermächtigt die zuständigen Behörden, Regelungen zur Unterbindung von «Schwarzarbeit» während der Ferien aufzustellen. Eine diesbezügliche Vorschrift findet sich im OR (Art. 329d Abs. 3): Der Arbeitgeber darf den Lohn für die Ferien zurückbehalten oder zurückfordern, wenn der Arbeitnehmer wäh899

rend dieser Zeit für einen Dritten eine bezahlte Beschäftigung ausübt, die den legitimen Interessen des Arbeitgebers widerspricht. Nach der Rechtsprechung liegt dieser Fall zum Beispiel dann vor, wenn der Arbeitnehmer für einen Konkurrenten seines Arbeitgebers tätig wird.

Artikel 14 befasst sich mit der Durchführung des Übereinkommens: Der Unterzeichnerstaat muss durch angemessene Aufsicht oder auf andere Weise sicherstellen, dass die Ferienregelungen angewendet und eingehalten werden. Die Vorschriften des Obligationenrechts gehören dem Privatrecht an; ihre Einhaltung wird vom Zivilrichter auf Klage hin überwacht. In Gesamtarbeitsverträgen kann vorgesehen werden, dass Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Ferienansprüche vorgängig zu einem Gerichtsverfahren einer durch die Sozialpartner gewählten Schlichtungsinstanz vorgelegt werden. Die Anwendung des Übereinkommens Nr. 132 auf die öffentlich Bediensteten wird nach Verfahrensregeln des öffentlichen Rechts sichergestellt.

Artikel 15 haben wir bereits im Zusammenhang mit Artikel 2 überprüft. Wir beabsichtigen nicht, von der Möglichkeit einer Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die Landwirtschaft oder eines Ausschlusses der Landwirtschaft von diesem Bereich Gebrauch zu machen, da die Arbeitnehmer in der Schweiz gesamthaft Bedingungen geniessen, die den Anforderungen des Übereinkommens entsprechen.

Artikel 16 w eist daraufhin, dass das Übereinkommen Nr. 132 die Übereinkommen Nr. 52 und Nr. 101 ändert, und regelt die Ratifizierung für solche Staaten, die eines oder beide der vorangehenden Übereinkommen ratifiziert haben. Da dies für die Schweiz nicht zutrifft, ist dieser Artikel für uns gegenstandslos.

722

Schlussfolgerungen

Wie oben dargelegt entsprechen die Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 132 unserer landesrechtlichen Ferienregelung. Bei dieser Sachlage steht einer Ratifizierung des Übereinkommens durch die Schweiz nichts mehr im Wege.

73

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 132 wird für den Bund weder besondere finanzielle noch personelle Auswirkungen nach sich ziehen.

74

Verhältnis zum EG-Recht

Bis heute hat die Europäische Gemeinschaft keine zwingenden Vorschriften über die Ferien erlassen. Eine Empfehlung zum Schutz von Jugendlichen am Arbeitsplatz von 1967 (67/125/EG) schlägt vor, allen Jugendlichen unter 18 Jahren einen bezahlten Jahresurlaub von mindestens 24 Tagen zu gewähren. Die Empfehlung zur 40-Stunden-Woche und zum Grundsatz von vier Wochen bezahlten Jahresurlaubs (75/457/EG) empfiehlt, auf dem Weg innerstaatlicher Gesetzge900

bung für alle Arbeitnehmer das Recht auf vier Wochen bezahlten Jahresurlaubs vorzusehen, wobei die bezahlten Feiertage nicht mitgerechnet werden. Der Richtlinienvorschlag zu verschiedenen Fragen der Arbeitszeitgestaltung vom 25. Juli 1990 hält nur den Grundsatz des bezahlten Jahresurlaubs fest; die Einzelheiten betreffend Dauer und Wirkungsweise sind entsprechend der nationalen Praxis auszugestalten. Nach ihrer Annahme könnte diese Richtlinie Bestandteil des relevanten «acquis communautaire» werden, der in den Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen wird.

75

Rechtliche Grundlagen

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über das Übereinkommen Nr. 132 beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, welche dem Bund das Recht einräumt, Staatsverträge einzugehen. Aufgrund von Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Übereinkommens zuständig. Nach Artikel 19 Absatz l des Übereinkommens Nr. 132 kann dieses nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem Inkrafttreten sowie jeweils nach Ablauf von weiteren zehn Jahren gekündigt werden. Das Übereinkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c der Verfassung herbei. Demnach ist das Übereinkommen 132 nicht dem fakultativen Referendum über die internationalen Verträge gemäss Artikel 89 Absatz 3 der Verfassung unterstellt.

8

Übereinkommen (Nr. 162) über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest (Anhang 7)

81

Allgemeiner Teil

Anlässlich der Frühjahrssession 1989 reichte der Nationalrat Béguelin eine Interpellation zur Frage ein; ob mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen unserer Gesetzgebung über den Umweltschutz und den Gesundheitsschutz im allgemeinen nicht die Zeit für einen Ratifizierungsantrag zum Übereinkommen Nr. 162 gekommen sei. In unserer Antwort haben wir uns bereit erklärt, die Frage der Ratifizierung dieses Übereinkommens unter Berücksichtigung unseres seither ausgebauten geltenden Rechts einer erneuten Überprüfung zu unterziehen; im Jahre 1990 haben wir diese versprochene Analyse durchgeführt und sind nunmehr in der Lage, Ihnen die Genehmigung dieses internationalen Übereinkommens zu beantragen.

Die in unserem Bericht vom 15. Juni 1987 erwähnten beiden Vorbehalte zu diesem im Jahre 1986 anlässlich der 72. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (BB1 198711 1360 ff.) angenommenen Übereinkommen konnten durch die Annahme geeigneter Schutzvorschriften ausgeräumt werden.

Wir können uns eine erneute Detailanalyse des gesamten Übereinkommens sparen und beschränken uns stattdessen auf die Erläuterung der Artikel 10 und 17 901

des Übereinkommens Nr. 162 im Lichte unserer Gesetzgebung. Immerhin sei erwähnt, dass die Bestimmungen des Übereinkommens Nr. 162 strenge Verhütungsmassnahmen und Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen die schweren Gesundheitsrisiken vorsehen, die sich aus dem beruflichen Kontakt mit Asbeststaub oder -fasern ergeben können.

82

Besonderer Teil

821

Erläuterung der Artikel 10 und 17 und Haltung der Schweiz zum Übereinkommen

Artikel 10 des Übereinkommens hat den folgenden Wortlaut: Soweit es zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich und technisch durchführbar ist, hat die innerstaatliche Gesetzgebung eine oder mehrere der folgenden Massnahmen vorzusehen: a) Ersetzen von Asbest oder von bestimmten Asbestarten oder asbesthaltigen Erzeugnissen durch andere Materialien oder Erzeugnisse oder die Verwendung alternativer Technologien, die von der zuständigen Stelle wissenschaftlich als unschädlich oder weniger schädlich beurteilt worden sind, wann immer dies möglich ist; b) uneingeschränktes oder eingeschränktes Verbot der Verwendung von Asbest oder von bestimmten Asbestarten oder asbesthaltigen Erzeugnissen bei bestimmten, Arbeitsverfahren.

Seinerzeit enthielt unsere Gesetzgebung eine Lücke, die der Durchführung dieses Artikels des Übereinkommens entgegenstand. Wie wir in unserem erwähnten Bericht angekündigt hatten, haben wir am 1. März 1989 den Anhang 3 (Asbest) zur Verordnung vom 9. Juni 1986 über umweltgefährdende Stoffe (SR 814.013) erlassen. Nach dieser Verordnung wird Asbest in den einzelnen Anwendungsbereichen schrittweise verboten werden, wobei als Endziel für die Gesamtsubstitution der 1. Januar 1995 vorgegeben ist. Aus Sicht des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz wird die Asbestproblematik in den dieses Material verarbeitenden Betrieben Mitte der neunziger Jahre verschwunden sein. Die Anforderungen gemäss Artikel 10 des Übereinkommens werden somit erfüllt und der für die Durchsetzung der entsprechenden Massnahmen geplante Fahrplan ist klar festgelegt.

Artikel 17 Absatz l des Übereinkommens hat folgenden Wortlaut: Der Abbruch von Anlagen oder Bauten, die bröckliges Asbestisoliermaterial enthalten, und die Entfernung von Asbest aus Gebäuden oder Bauten, in denen voraussichtlich Asbest in die Luft freigesetzt wird, dürfen nur von Arbeitgebern oder Auftragnehmern durchgeführt werden, die von der zuständigen Stelle als befähigt anerkannt sind, solche Arbeiten gemäss den Bestimmungen dieses Übereinkommens auszuführen, und die zur Durchführung solcher Arbeiten ermächtigt worden sind.

Im Jahre 1987 waren die nötigen Kompetenzen und das im Übereinkommen vorgesehene Anerkennungsverfahren in unserem Recht noch nicht verwirklicht.

Mit der Verordnung vom 30. März 1988 über die Meldepflicht bei Sanierungsarbeiten an asbesthaltigen Spritzbelägen haben wir ein System errichtet, das uns eine noch wirksamere Kontrolle ermöglicht, als im Übereinkommen vorgese902

ben: Die Meldepflicht für Sanierungsarbeiten gestattet der Aufsichtsbehörde, systematische und unangemeldete Kontrollen bei den Betrieben vorzunehmen, die Sanierungsarbeiten durchführen. Wenn ein Betrieb zum erstenmal solche Arbeiten anmeldet, werden diese Sanierungsarbeiten unter allen Aspekten genau überprüft. Wo die Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer ungenügend erscheinen, kann die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsorgan jederzeit die Einstellung der Arbeit anordnen.

Wir haben damit auf die Schaffung eines formellen Verfahrens zur Anerkennung der zugelassenen Betriebe verzichtet und ein engmaschiges und im Vergleich zum Übereinkommen viel strengeres Kontrollsystem errichtet. Unter diesen Umständen können wir die Verpflichtungen, die sich aus Artikel 17 Absatz l des Übereinkommens ergeben, akzeptieren.

Diese praktischen Bestimmungen für die Durchführung der Kontrollen sind in einer Richtlinie der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS) enthalten, die am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist: die betroffenen Betriebe müssen nachweisen, dass sie über die erforderliche Kompetenz und die nötigen technischen Mittel verfügen, um die Arbeiten gemäss den Vorschriften dieser Richtlinie auszuführen. Schliesslich führt die SUVA eine Liste dieser Betriebe.

Artikel 17 Absatz 2 sieht vor: Der Arbeitgeber oder Auftragnehmer muss gehalten sein, vor Beginn der Abbrucharbeiten einen Arbeitsplan aufzustellen, in dem die zu treffenden Massnahmen aufgeführt werden, darunter Massnahmen, um: a) den Arbeitnehmern jeglichen erforderlichen Schutz zu gewähren; b) die Freisetzung von Asbeststaub in die Luft zu begrenzen; c) .die Beseitigung von asbesthaltigen Abfällen gemäss Artikel 19 dieses Übereinkommens vorzusehen.

Die oben erwähnte Richtlinie bestimmt unter Ziffer3.2, dass ein Arbeitsplan aufgestellt werden muss; die besonderen Vorschriften gemäss den Buchstaben a), b) und c) von Artikel 17 Absatz 2 des Übereinkommens Nr. 162 werden in den Beschlüssen der EKAS übernommen.

Somit besteht kein Hindernis für die Durchführung der Vorschriften dieses Absatzes.

Absatz 3 des Artikels 17 bestimmt: Die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter sind zu dem in Absatz 2 dieses Artikels erwähnten Arbeitsplan anzuhören.

Das schweizerische Recht regelt diese Form der Konsultation der Arbeitnehmer im Rahmen von Abbrucharbeiten oder der Entfernung von Asbest nicht ausdrücklich und kennt auch keine allgemeine Gesetzgebung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf dieser Ebene. Gemäss Artikel 82 Absatz 2 UVG hat der Arbeitgeber jedoch die Arbeitnehmer bei der Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten zur Mitwirkung heranzuziehen. Artikel 6 VUV präzisiert darüberhinaus, dass der Arbeitgeber dafür sorgen muss, dass die Arbeitnehmer über die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren in Kenntnis gesetzt sowie über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden. Er sorgt auch für 903

die Befolgung dieser Massnahmen. Diese allgemeingültigen Anforderungen decken den im Übereinkommen ausgedrückten Grundsatz ab, ohne dass ein besonderes Konsultationsverfahren aufgezogen werden müsste; am Arbeitsplatz pflegen die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im übrigen einen ständigen Dialog über die zu treffenden Massnahmen.

Deshalb halten wir auch den Absatz 3 des Artikels 17 für annehmbar.

822

Schlussfolgerungen

Wir haben uns mit den Zielsetzungen des Übereinkommens Nr. 162 von Anfang an ausdrücklich einverstanden erklärt. Asbest ist ein gefährlicher Werkstoff, dessen schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen bekannt sind. Wir haben unser Instrumentarium an Schutzmassnahmen im Hinblick auf die Durchführung dieses Übereinkommens ausgebaut und damit unseren Willen zur internationalen Solidarität im Kampf um den Gesundheitsschutz im allgemeinen bekundet.

Dieses Engagement findet seinen Abschluss in der Ratifizierung des Übereinkommens, die wir Ihnen hiermit beantragen.

83

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 162 bedingt keinen finanziellen Mehraufwand für den Bund und bleibt ohne Auswirkungen auf dessen Personalbestand, da die Inspektions- und Aufsichtsorgane die vorgeschriebenen Kontrollen bereits aufgrund der bestehenden Gesetzgebung durchführen.

84

Verhältnis zum EG-Recht

Eine EG-Richtlinie vom 19. September 1983 handelt vom Arbeitnehmerschutz gegen die Gefahren, die mit der Exposition der Arbeitnehmer gegenüber Asbest verbunden sind. Die EG-Regelung deckt die Anforderungen des Übereinkommens Nr. 162 nicht vollumfänglich ab; sie enthält aber ebenfalls eine Meldepflicht und Bestimmungen über die Rechte der Arbeitnehmer, wie das Anhörungsrecht oder den Zugang zu persönlichen oder allgemeinen Informationen.

Obwohl die Anforderungen des EG-Rechts in unserer eigenen Gesetzgebung zurzeit noch nicht ausdrücklich enthalten sind - und dasselbe gilt ja ebenfalls für diejenigen von Artikel 17 Absatz 3 des Übereinkommens - kann hier darauf verwiesen werden, dass gegenwärtig am Entwurf zu einer Dachverordnung gearbeitet wird, welche diese Aspekte des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz regeln soll. Schliesslich darf nicht vergessen werden, dass die EWR-Verhandlungen solche Aspekte der sozialen Beziehungen ebenfalls einbeziehen und uns veranlassen könnten, zu prüfen, ob sich eine umfassende Regelung der Anhörung der Arbeitnehmer über Fragen des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz aufdrängt.

904

Die unerheblichen Lücken, die unsere Gesetzgebung im Vergleich zum internationalen Recht noch aufweist, dürften damit in naher Zukunft geschlossen werden.

85

Rechtliche Grundlagen

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses über das Übereinkommen Nr. 162 beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, welche dem Bund das Recht einräumt, Staatsverträge einzugehen. Aufgrund von Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Übereinkommens zuständig. Nach Artikel 25 des Übereinkommens Nr. 162 kann dieses nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem Inkrafttreten sowie jeweils nach Ablauf von weiteren zehn Jahren gekündigt werden. Das Übereinkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Es führt auch keine multilaterale Rechtsvereinheitlichung im Sinne von Artikel 89 Absatz 3 Buchstabe c der Verfassung herbei. Insbesondere enthält es keine direkt anwendbaren Bestimmungen. Demnach ist das Übereinkommen 132 nicht dem fakultativen Referendum über die internationalen Verträge gemäss Artikel 89 Absatz 3 der Verfassung unterstellt.

4769

30 Bundesblatt 143.Jahrgang. Bd.III

,

905

Bundesbeschluss über die Genehmigung von drei internationalen Arbeitsübereinkommen

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 3. Juni 199l1', beschliesst:

Art. l 1

Die drei nachstehend aufgeführten internationalen Übereinkommen, die von der Internationalen Arbeitskonferenz an deren 47., 54. beziehungsweise 77. Tagung angenommen wurden, werden genehmigt.

a. Übereinkommen (Nr. 119) betreffend den Maschinenschutz, 1963; b. Übereinkommen (Nr. 132) über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung), 1970; c. Übereinkommen (Nr. 162) über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest, 1986.

2

Der Bundesrat wird ermächtigt, diese Übereinkommen zu ratifizieren.

Art. 2 Dieser Beschluss untersteht nicht dem Staatsvertragsreferendum.

4769

') BEI 1991 III 869 906

Anhang l

Übereinkommen Nr. 169 Übersetzung^ über Eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1989 zu ihrer sechsundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, verweist auf die internationalen Normen in dem Übereinkommen und der Empfehlung über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957; erinnert an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die vielen internationalen1 Übereinkünfte über die Verhütung von Diskriminierung; stellt fest, dass die Entwicklungen, die seit 1957 im internationalen Recht eingetreten sind, sowie die Entwicklungen in der Lage eingeborener und in Stämmen lebender Völker in allen Regionen der Welt es geboten erscheinen lassen, neue einschlägige internationale Normen anzunehmen, um die auf Assimilierung abzielende Ausrichtung der früheren Normen zu beseitigen; anerkennt die Bestrebungen dieser Völker, im Rahmen der Staaten, in denen sie leben, Kontrolle über ihre Einrichtungen, ihre Lebensweise und ihre wirtschaftliche Entwicklung auszuüben und ihre Identität, Sprache und Religion zu bewahren und zu entwickeln; stellt fest, dass in vielen Teilen der Welt diese Völker nicht in der Lage sind, ihre grundlegenden Menschenrechte im gleichen Umfang auszuüben wie die übrige Bevölkerung der Staaten, in denen sie leben, und dass ihre Gesetze, Werte, Bräuche und Perspektiven oft ausgehöhlt worden sind; verweist auf den besonderen Beitrag der eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker zur kulturellen Vielfalt und sozialen und ökologischen Harmonie der Menschheit sowie zur internationalen Zusammenarbeit und zum internationalen Verständnis ;

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

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Eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern

stellt fest, dass die nachstehenden Bestimmungen in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur und der Weltgesundheitsorganisation sowie dem Interamerikanischen Indianischen Institut auf entsprechender Ebene und in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich ausgearbeitet worden sind und dass beabsichtigt ist, diese Zusammenarbeit bei der Förderung und Sicherstellung der Anwendung dieser Bestimmungen fortzusetzen; hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Teilrevision des Übereinkommens (Nr. 107) über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens zur Neufassung des Übereinkommens über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 27. Juni 1989, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker, 1989, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Grundsätze Artikel l 1. Dieses Übereinkommen gilt für a) in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern, die sich infolge ihrer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse von anderen Teilen der nationalen Gemeinschaft unterscheiden und deren Stellung ganz oder teilweise durch die ihnen eigenen Bräuche oder Überlieferungen oder durch Sonderrecht geregelt ist; b) Völker in unabhängigen Ländern, die als Eingeborene gelten, weil sie von Bevölkerungsgruppen abstammen, die in dem Land oder in einem geographischen Gebiet, zu dem das Land gehört, zur Zeit der Eroberung oder Kolonisierung oder der Festlegung der gegenwärtigen Staatsgrenzen ansässig waren und die, unbeschadet ihrer Rechtsstellung, einige oder alle ihrer traditionellen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Einrichtungen beibehalten.

2. Das Gefühl der Eingeborenen- oder Stammeszugehörigkeit ist als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung der Gruppen anzusehen, auf die die Bestimmungen dieses Übereinkommens Anwendung finden.

3. Die Verwendung des Ausdrucks «Völker» in diesem Übereinkommen darf nicht so ausgelegt werden, als hätte er irgendwelche Auswirkungen hinsichtlich der Rechte, die nach dem Völkerrecht mit diesem Ausdruck verbunden sein können.

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Artikel 2 1. Es ist Aufgabe der Regierungen, mit Beteiligung der betreffenden Völker koordinierte und planvolle Massnahmen auszuarbeiten, um die Rechte dieser Völker zu schützen und die Achtung ihrer Unversehrtheit zu gewährleisten.

2. Im Rahmen dieser Aufgabe sind Massnahmen vorzusehen, deren Zweck es ist, a) sicherzustellen, dass die Angehörigen dieser Völker von den Rechten und Möglichkeiten, welche die innerstaatliche Gesetzgebung anderen Angehörigen der Bevölkerung gewährt, gleichberechtigt Gebrauch machen können; b) die volle Verwirklichung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte dieser Völker unter Achtung ihrer sozialen und kulturellen Identität, ihrer Bräuche und Überlieferungen und ihrer Einrichtungen zu fördern: c) den Angehörigen der betreffenden Völker dabei zu helfen, das zwischen eingeborenen und anderen Angehörigen der nationalen Gemeinschaft gegebenenfalls bestehende sozioökonomische Gefalle in einer Weise zu beseitigen, die mit den Bestrebungen und der Lebensweise dieser Völker vereinbar ist.

Artikel 3 1. Die eingeborenen und in Stämmen lebenden Völker müssen in den vollen Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Behinderung oder Diskriminierung kommen. Die Bestimmungen des Übereinkommens sind ohne Diskriminierung auf männliche und weibliche Angehörige dieser Völker anzuwenden.

2. Es darf keine Form von Gewalt oder Zwang in Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten der betreffenden Völker, einschliesslich der in diesem Übereinkommen enthaltenen Rechte, angewendet werden.

Artikel 4 1. Es sind gegebenenfalls besondere Massnahmen zum Schutz der Einzelpersonen, der Einrichtungen, des Eigentums, der Arbeit, der Kultur und der Umwelt der betreffenden Völker zu ergreifen.

2. Diese besonderen Massnahmen dürfen nicht im Widerspruch zu den frei geäusserten Wünschen der betreffenden Völker stehen.

3. Diese besonderen Massnahmen dürfen die Ausübung der allgemeinen Staatsbürgerrechte, die nicht durch unterschiedliche Behandlung geschmälert werden darf, in keiner Weise beeinträchtigen.

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Eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern

Artikel 5 Bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens a) sind die sozialen, kulturellen, religiösen und geistigen Werte und Gepflogenheiten dieser Völker anzuerkennen und zu schützen und ist der Natur der Probleme, denen sie sich als Gruppen und als Einzelpersonen gegenübergestellt sehen, gebührend Rechnung zu tragen: b) ist die Unyersehrheit der Werte, Gepflogenheiten und Einrichtungen dieser Völker zu achten; c) sind mit Beteiligung und Unterstützung der betroffenen Völker Massnahmen zur Milderung der Schwierigkeiten zu ergreifen, denen diese Völker angesichts neuer Lebens- und Arbeitsbedingungen begegnen.

Artikel 6 1. Bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens haben die Regierungen a) die betreffenden Völker durch geeignete Verfahren und insbesondere durch ihre repräsentativen Einrichtungen zu konsultieren, wann immer gesetzgeberische oder administrative Massnahmen, die sie unmittelbar berühren können, erwogen werden; b) Mittel zu schaffen, durch die diese Vöker sich im mindestens gleichen Umfang wie andere Teile der Bevölkerung ungehindert auf allen Entscheidungsebenen an auf dem Wahlprinzip beruhenden Einrichtungen sowie an Verwaltungs- und sonstigen Organen beteiligen können, die für sie betreffende Massnahmen und Programme verantwortlich sind; ·c) Mittel zu schaffen, die es diesen Völkern ermöglichen, ihre eigenen Einrichtungen und Initiativen voll zu entfalten, und in geeigneten Fällen die für diesen Zweck erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.

2. Die in Anwendung dieses Übereinkommens vorgenommenen Konsultationen sind in gutem Glauben und in einer den Umständen entsprechenden Form mit dem Ziel durchzuführen, Einverständnis oder Zustimmung bezüglich der vorgeschlagenen Massnahmen zu erreichen.

Artikel?

1. Die betreffenden Völker müssen das Recht haben, ihre eigenen Prioritäten für den Entwicklungsprozess, soweit er sich auf ihr Leben, ihre Überzeugungen, ihre Einrichtungen und ihr geistiges Wohl und das von ihnen besiedelte oder anderweitig genutzte Land auswirkt, festzulegen und soweit wie möglich Kontrolle über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung auszuüben.

Darüber hinaus haben sie an der Aufstellung, Durchführung und Bewertung von Plänen und Programmen für die nationale und regionale Entwicklung mitzuwirken, die sie unmittelbar
berühren können.

2. Die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie des Gesundheits- und Bildungsstandes der betreffenden Völker mit ihrer Beteiligung und 910

Eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern

Unterstützung muss in den allgemeinen Plänen für die wirtschaftliche Entwicklung der von ihnen bewohnten Gebiete Vorrang haben. Auch die besonderen Entwicklungspläne für diese Gebiete sind so zu gestalten, dass sie diese Verbesserung begünstigen.

3. Die Regierungen haben sicherzustellen, dass in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern gegebenenfalls Untersuchungen durchgeführt werden, um die sozialen, geistigen, kulturellen und Umweltauswirkungen geplanter Entwicklungstätigkeiten auf diese Völker zu beurteilen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind als grundlegende Kriterien für die Durchführung dieser Tätigkeiten anzusehen.

4. Die Regierungen haben in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern Massnahmen zu ergreifen, um die Umwelt der von ihnen bewohnten Gebiete zu schützen und zu erhalten.

Artikel 8 1. Bei der Anwendung der innerstaatlichen Gesetzgebung auf die betreffenden Völker sind deren Bräuche oder deren Gewohnheitsrecht gebührend zu berücksichtigen.

2. Diese Völker müssen das Recht haben, ihre Bräuche und Einrichtungen zu bewahren, soweit diese mit den durch die innerstaatliche Rechtsordnung festgelegten Grundrechten oder mit den international anerkannten Menschenrechten nicht unvereinbar sind. Erforderlichenfalls sind Verfahren festzulegen, um Konflikte zu lösen, die bei der Anwendung dieses Grundsatzes entstehen können.

3. Durch die Anwendung der Absätze l und 2 dieses Artikels dürfen Angehörige dieser Völker nicht daran gehindert werden, die allen Bürgern zuerkannten Rechte auszuüben und die entsprechenden Pflicht zu übernehmen.

Artikel 9 1. Soweit dies mit der innerstaatlichen Rechtsordnung und den international anerkannten Menschenrechten vereinbar ist, sind die bei den betreffenden Völkern üblichen Methoden zur Ahndung der von Angehörigen dieser Völker begangenen strafbaren Handlungen zu achten.

2. Die strafrechtlichen Bräuche dieser Völker sind von den zuständigen Behörden und Gerichten in Betracht zu ziehen.

Artikel 10 1. Werden Strafen, die in der allgemeinen Gesetzgebung vorgesehen sind, gegen Angehörige dieser Völker verhängt, so sind deren wirtschaftliche, soziale und kulturelle Besonderheiten zu berücksichtigen.

2. Andere Methoden der Bestrafung sind dem Freiheitsentzug vorzuziehen.

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Artikel 11 Mit Ausnahme der gesetzlich für alle Staatsbürger vorgesehenen Fälle ist es unter Strafandrohung zu verbieten, dass Angehörige der betreffenden Völker zwangsweise in irgendeiner Form zu persönlichen Dienstleistungen, gleich ob entgeltlicher oder unentgeltlicher Art, verpflichtet werden.

Artikel!!

Die betreffenden Völker sind gegen den Missbrauch ihrer Rechte zu schützen und müssen die Möglichkeit haben, entweder individuell oder durch ihre Vertretungsorgane, ein Gerichtsverfahren einzuleiten, um den wirksamen Schutz dieser Rechte sicherzustellen. Es sind Massnahmen zu treffen, um dafür zu sorgen, dass Angehörige dieser Völker in einem Gerichtsverfahren verstehen und verstanden werden können, nötigenfalls mit Hilfe eines Dolmetschers oder durch andere wirksame Mittel.

Teil II. Grund und Boden Artikel 13 1. Bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Teils des Übereinkommens haben die Regierungen die besondere Bedeutung, die die Beziehung der betreffenden Völker zu dem von ihnen besiedelten oder anderweitig genutzten Land oder den von ihnen besiedelten oder anderweitig genutzten Gebieten, oder gegebenenfalls zu beiden, für ihre Kultur und ihre geistigen Werte hat, und insbesondere die kollektiven Aspekte dieser Beziehung, zu achten.

2. Die Verwendung des Ausdrucks «Land» in den Artikeln 15 und 16 schliesst den Begriff der Gebiete ein, der die gesamte Umwelt der von den betreffenden Völkern besiedelten oder anderweitig genutzten Flächen umfasst.

Artikel 14 1. Die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an dem von ihnen von alters her besiedelten Land sind anzuerkennen. Ausserdem sind in geeigneten Fällen Massnahmen zu ergreifen, um das Recht der betreffenden Völker zur Nutzung von Land zu schützen, das nicht ausschliesslich von ihnen besiedelt ist, zudem sie aber im Hinblick auf ihre der Eigenversorgung dienenden und ihre traditionellen Tätigkeiten von alters her Zugang haben. Besondere Aufmerksamkeit ist diesbezüglich der Lage von Nomadenvölkern und Wanderfeldbauern zu schenken.

2. Die Regierungen haben, soweit notwendig, Massnahmen zu ergreifen, um das von den betreffenden Völkern von alters her besiedelte Land zu bestimmen und um den wirksamen Schutz ihrer Eigentums- und Besitzrechte zu gewährleisten.

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3. Im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsordnung sind angemessene Verfahren festzulegen, um Landforderungen der betreffenden Völker zu regeln.

Artikel 15 1. Die Rechte der betreffenden Völker an den natürlichen Ressourcen ihres Landes sind besonders zu schützen. Diese Rechte schliessen das Recht dieser Völker ein, sich an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen.

2. In Fällen, in denen der Staat das Eigentum an den mineralischen oder unterirdischen Ressourcen oder Rechte an anderen Ressourcen des Landes behält, haben die Regierungen Verfahren festzulegen oder aufrechtzuerhalten, mit deren Hilfe sie die betreffenden Völker zu konsultieren haben, um festzustellen, ob und in welchem Ausmass ihre Interessen beeinträchtigt werden würden, bevor sie Programme zur Erkundung oder Ausbeutung solcher Ressourcen ihres Landes durchführen oder genehmigen. Die betreffenden Völker müssen wo immer möglich an dem Nutzen aus solchen Tätigkeiten teilhaben und müssen einen angemessenen Ersatz für alle Schäden erhalten, die sie infolge solcher Tätigkeiten erleiden.

Artikel 16 1. Vorbehaltlich der nachstehenden Absätze dieses Artikels dürfen die betreffenden Völker aus dem von ihnen besiedelten Land nicht ausgesiedelt werden.

2. Falls die Umsiedlung dieser Völker ausnahmsweiswe als notwendig angesehen wird, darf sie nur mit deren freiwilliger und in voller Kenntnis der Sachlage erteilter Zustimmung stattfinden. Falls ihre Zustimmung nicht erlangt werden kann, darf eine solche Umsiedlung nur nach Anwendung geeigneter, durch die innerstaatliche Gesetzgebung festgelegter Verfahren, gegebenenfalls einschliesslich öffentlicher Untersuchungen, stattfinden, die den betreffenden Völkern Gelegenheit für eine wirksame Vertretung bieten.

3. Wann immer möglich, müssen diese Völker das Recht haben, in ihr angestammtes Land zurückzukehren, sobald die Umsiedlungsgründe nicht mehr bestehen.

4. Ist eine solche Rückkehr nicht möglich, wie einvernehmlich oder mangels Einvernehmens durch geeignete Verfahren festgestellt, ist diesen Völkern in allen in Frage kommenden Fällen als Ersatz i'ür ihren früheren Landbesitz Grund und Boden von mindestens gleich guter Beschaffenheit und mit mindestens gleich gutem Rechtsstatus zuzuweisen, dessen Ertrag ihre gegenwärtigen Bedürfnisse deckt und ihre künftige Entwicklung sicherstellt. Ziehen die betreffenden Völker eine Entschädigung in Form von Geld- oder Sachleistungen vor, so ist ihnen eine solche Entschädigung unter Gewährung angemessener Garantien zuzusprechen.

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5. Den auf diese Weise umgesiedelten Personen ist für jeden durch die Umsiedlung entstandenen Verlust oder Schaden voller Ersatz zu leisten.

Artikel 17 1. Die von den betreffenden Völkern festgelegten Verfahren für die Übertragung von Rechten an Grund und Boden unter Angehörigen dieser Völker sind zu achten.

: 2. Die betreffenden Völker sind zu konsultieren, wenn ihre Befugnis geprüft wird, ihr Land zu veräussern oder auf andere Weise ihre Rechte daran an Personen ausserhalb ihrer eigenen Gemeinschaft zu übertragen.

3. Personen, die diesen Völkern nicht angehören, sind daran zu hindern, deren Bräuche oder deren Gesetzesunkenntnis auszunützen, um Eigentums-, Besitzoder Nutzungsrechte an deren Grund und Boden zu erwerben.

Artikel 18 Durch Gesetz sind angemessene Strafen für das unbefugte Eindringen in das Land der betreffenden Völker oder seine unbefugte Nutzung festzulegen, und die Regierungen haben Massnahmen zu ergreifen, um solche strafbaren Handlungen zu verhindern.

Artikel 19 In staatlichen Agrarprogrammen ist den betreffenden Völkern eine gleich güns stige Behandlung wie den übrigen Teilen der Bevölkerung zu sichern in bezug auf a) die Zuweisung weiteren Landes, wenn die diesen Völkern zur Verfügung stehenden Bodenflächen zur Gewährleistung einer normalen Lebensführung oder im Hinblick auf ihren künftigen Bevölkerungszuwachs nicht ausreichen; b) die Gewährung der erforderlichen Mittel zur Hebung der Ertragsfähigkeit des bereits im Besitz dieser Völker befindlichen Bodens.

Teil III. Anwerbung und Beschäftigungsbedingungen Artikel 20 1. Die Regierungen haben im Rahmen der innerstaatlichen Gesetzgebung und in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern besondere Massnahmen zu treffen, um einen wirksamen Schutz der den betreffenden Völkern angehörenden Arbeitnehmer in bezug auf Anwerbung und Beschäftigungsbedingungen zu gewährleisten, soweit sie durch die für die Arbeitnehmer allgemein geltenden Gesetze nicht wirksam geschützt sind.

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2. Die Regierungen haben alles zu unternehmen, was in ihrer Macht steht, um jede unterschiedliche Behandlung der den betreffenden Völkern angehörenden Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern zu verhindern, insbesondere in bezug auf: a)_ die Zulassung zur Beschäftigung, einschliesslich der Facharbeit, sowie Beförderungs- und Aufstiegsmassnahmen ; b) gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit; c) ärztliche und soziale Betreuung, Arbeitsschutz, alle Leistungen der Sozialen Sicherheit und andere berufsbezogene Leistungen sowie Unterbringung; d) das Vereinigungsrecht und die freie Ausübung jeder rechtmässigen Gewerkschaftstätigkeit sowie das Recht zum Abschluss von Gesamtarbeitsverträgen mit Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden.

3. Die getroffenen Massnahmen haben Massnahmen zu umfassen, um sicherzustellen, a) dass die den betreffenden Völkern angehörenden Arbeitnehmer, einschliesslich der in der Landwirtschaft und in anderen Bereichen beschäftigten Saison-, Gelegenheits- und Wanderarbeitnehmer sowie der von Arbeitskräftevermittlern beschäftigten Arbeitnehmer, den Schutz gemessen, den die innerstaatliche Gesetzgebung und Praxis anderen solchen Arbeitnehmern in den gleichen Sektoren gewährt, und dass sie über ihre Rechte aufgrund der Arbeitsgesetzgebung und über die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsmittel umfassend unterrichtet werden; b) dass die diesen Völkern angehörenden Arbeitnehmer nicht Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind, die ihre Gesundheit gefährden, insbesondere durch die Exposition gegenüber Pestiziden oder anderen giftigen Stoffen; c) dass die diesen Völkern angehörenden Arbeitnehmer nicht Zwangsanwerbungssystemen unterworfen werden, einschliesslich der Schuldknechtschaft in allen ihren Formen: d) dass die diesen, Völkern angehörenden Arbeitnehmer Chancengleichheit und Gleichbehandlung in der Beschäl'tigung für Männer und Frauen und Schutz vor sexueller Belästigung gemessen.

4. Besondere Beachtung ist der Einrichtung ausreichender Arbeitsaufsichtsdienste in Gebieten zu schenken, wo den betreffenden Völkern angehörende Arbeitnehmer einer entlohnten Beschäftigung nachgehen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen dieses Teils des Übereinkommens eingehalten werden.

Teil IV. Berufsbildung, Handwerk und ländliche Gewerbe Artikel 21

Den Angehörigen der betreffenden Völker sind mindestens die gleichen Berufsbildungsmassnahmen zu bieten wie den übrigen Staatsbürgern.

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Artikel!!

1. Es sind Massnahmen zu treffen, um die freiwillige Teilnahme von Angehörigen der betreffenden Völker an allgemeinen Berufsbildungsprogrammen zu fördern.

2. Soweit die bestehenden allgemeinen Berufsbildungsprogramme den besonderen Bedürfnissen der betreffenden Völker nicht gerecht werden, haben die Regierungen mit Beteiligung dieser Völker für die Bereitstellung besonderer Ausbildungsprogramme und -möglichkeiten zu sorgen.

3. Grundlage der besonderen Ausbildungsprogramme müssen das wirtschaftliche Umfeld, die sozialen und kulturellen Verhältnisse und die tatsächlichen Bedürfnisse der betreffenden Völker sein. In diesem Zusammenhang vorgenommene Untersuchungen sind in Zusammenarbeit mit diesen Völkern durchzuführen, die zur Planung und Durchführung solcher Programme anzuhören sind.

Wo dies durchführbar ist, haben diese Völker schrittweise die Verantwortung für die Planung und Durchführung dieser besonderen Ausbildungsprogramme zu übernehmen, falls sie dies beschliessen.

Artikel 23 1. Handwerk, ländliche und gemeinschaftliche Gewerbe sowie der Eigenversorgung dienende und traditionelle Tätigkeiten der betreffenden Völker, wie Jagen, Fischen, Fallenstellen und Sammlen, sind als wichtige Faktoren in der Bewahrung ihrer Kultur und in ihrer wirtschaftlichen Eigenständigkeit und Entwicklung anzuerkennen. Die Regierungen haben, mit Beteiligung dieser Völker und falls angebracht, dafür zu sorgen, dass diese Tätigkeiten gestärkt und gefördert werden.

2. Auf Verlangen der betreffenden Völker ist, falls möglich, geeignete technische und finanzielle Unterstützung zu gewähren, wobei die traditionellen Techniken und kulturellen Besonderheiten dieser Völker sowie die Bedeutung einer tragfähigen und gerechten Entwicklung zu berücksichen sind.

Teil V. Soziale Sicherheit und Gesundheitswesen Artikel 24 Die Systeme der Sozialen Sicherheit sind schrittweise auf die betreffenden Völker auszudehnen und anzuwenden, ohne diese zu diskriminieren.

Artikel 25 1. Die Regierungen haben dafür zu sorgen, dass den betreffenden Völkern ausreichende Gesundheitsdienste zugänglich gemacht werden, oder haben ihnen die Mittel zur Verfügung zu stellen, um es ihnen zu ermöglichen, solche Dienste in eigener Verantwortung und unter eigener Kontrolle zu gestalten und bereit-

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zustellen, damit sie den höchstmöglichen Stand körperlicher und geistig-seelischer Gesundheit erreichen können.

2. Die Gesundheitsdienste müssen soweit wie möglich gemeinschaftsnah sein.

Diese Dienste sind in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern zu planen und zu verwalten und haben ihren wirtschaftlichen, geographischen, sozialen und kulturellen Verhältnissen sowie ihrer traditionellen Gesundheitsvorsorge und ihren traditionellen Heilverfahren und -mittein Rechnung zu tragen.

3. Das Gesundheitssystem hat der Ausbildung und Beschäftigung von Gesundheitspersonal der örtlichen Gemeinwesen Vorrang einzuräumen und das Schwergewicht auf die gesundheitliche Grundversorgung zu legen, wobei gleichzeitig enge Verbindungen mit anderen Ebenen der Gesundheitsdienste aufrechtzuerhalten sind.

4. Die Bereitstellung dieser Gesundheitsdienste ist mit der Durchführung anderer sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Massnahmen im Land zu koordinieren.

Teil VI. Bildungswesen und Kommunikationsmittel Artikel 26 Es sind Massnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass den Angehörigen der betreffenden Völker mindestens die gleichen Bildungsmöglichkeiten aller Stufen zur Verfügung stehen wie der übrigen Bevölkerung des Landes.

Artikel 27 1. Die Bildungsprogramme und -dienste für die betreffenden Völker sind in Zusammenarbeit mit ihnen zu entwickeln und durchzuführen, um ihren speziellen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, und haben ihre Geschichte, ihre Kenntnisse und Techniken, ihre Wertsysteme und ihre weiteren sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bestrebungen einzubeziehen.

2. Die zuständige Stelle hat für die Ausbildung von Angehörigen dieser Völker und ihre Beteiligung an der Aufstellung und Durchführung von Bildungsprogrammen zu sorgen, damit die Verantwortung für die Leitung dieser Programme gegebenenfalls schrittweise auf diese Völker übertragen werden kann.

3. Darüber hinaus haben die Regierungen das Recht dieser Völker anzuerkennen, ihre eigenen Bildungseinrichtungen und .-möglichkeiten zu schaffen, vorausgesetzt, dass diese Einrichtungen die von der zuständigen Stelle in Beratung mit diesen Völkern festgelegten Mindestnormen erfüllen. Zu diesem Zweck sind angemessene Mittel bereitzustellen.

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Artikel 28 1. Der Unterricht im Lesen und Schreiben für Kinder der betreffenden Völker hat, falls durchführbar, in deren Eingeborenensprache oder in der von der Bevölkerungsgruppe, der sie angehören, am meisten verwendeten Sprache zu erfolgen. Ist dies nicht durchführbar, haben die zuständigen Stellen Konsultationen mit diesen Völkern vorzunehmen, um Massnahmen festzulegen, die die Erreichung dieses Ziels gestatten.

2. Es sind ausreichende Massnahmen zu treffen, um dafür zu sorgen, dass diese Völker die Gelegenheit haben, die Landessprache oder eine der Amtssprachen des Landes so zu erlernen, dass sie sie fliessend beherrschen.

3. Es sind Massnahmen zu treffen, um die Entwicklung und den Gebrauch der Eingeborenensprachen der betreffenden Völker zu schützen und zu fördern.

Artikel 29

Die Bildung hat darauf abzuzielen, den Kindern der betreffenden Völker allgemeine Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die ihnen eine volle und gleichberechtigte Beteiligung in ihrer eigenen Gemeinschaft und in der nationalen Gemeinschaft erleichtern.

Artikel 30 1. Die Regierungen haben den Überlieferungen und Kulturen der betreffenden Völker entsprechende Massnahmen zu treffen, um sie über ihre Rechte und Pflichten, insbesondere auf dem Gebiet der Arbeit, der wirtschaftlichen Möglichkeiten, der Bildungs- und Gesundheitsangelegenheiten, der sozialen Dienste und der sich aus diesem Übereinkommen ergebenden Rechte, aufzuklären.

2. Erforderlichenfalls hat dies durch schriftliche Übersetzungen und Massenkommunikationsmittel in den Sprachen dieser Völker zu geschehen.

Artikel 31

Unter allen Teilen der Bevölkerung, insbesondere dort, wo die unmittelbarste Berührung mit den betreffenden Völkern besteht, sind erzieherische Massnahmen zu treffen, um gegebenenfalls bestehende Vorurteile gegen diese Völker zu beseitigen. Zu diesem Zweck sind Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Geschichtsbücher und das sonstige Bildungsmaterial eine gerechte, genaue und informative Darstellung der Gesellschaften und Kulturen dieser Völker bieten.

Teil VII. Grenzüberschreitende Kontakte und Zusammenarbeit Artikel 32 Die Regierungen haben geeignete Massnahmen zu ergreifen, auch mittels internationaler Vereinbarungen, um grenzüberschreitende Kontakte und die grenz918

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überschreitende Zusammenarbeit zwischen eingeborenen und in Stämmen lebenden Völkern zu erleichtern, einschliesslich Tätigkeiten im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, geistigen und Umweltbereich.

Teil VIII. Verwaltung Artikel 33 1. Die Behörde, welche für die in diesem Übereinkommen behandelten Angelegenheiten zuständig ist, hat sicherzustellen, dass zur Durchführung der Programme, die die betreffenden Völker berühren. Verwaltungsstellen oder andere geeignete Mechanismen bestehen, und dass diese die zur ordnungsgemässen Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel haben.

2. Diese Programme haben zu umfassen: a) die Planung, Koordinierung, Durchführung und Bewertung der in diesem Übereinkommen vorgesehenen Massnahmen in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern; b) die Unterbreitung von Vorschlägen betreffend gesetzgeberische und andere Massnahmen an die zuständigen Stellen sowie die Überwachung der Durchführung der getroffenen Massnahmen in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern.

Teil IX. Allgemeine Bestimmungen Artikel 34 Art und Umfang der zur Durchführung dieses Übereinkommens zu treffenden Massnahmen sind flexibel zu gestalten, wobei auf die besonderen Verhältnisse jedes Landes Rücksicht zu nehmen ist.

Artikel 35 Die Anwendung der Bestimmungen dieses Übereinkommens darf sich auf die Rechte und Vorteile der betreffenden Völker aus anderen Übereinkommen und Empfehlungen, internationalen Übereinkünften, Verträgen oder innerstaatlichen Gesetzen, Schiedsprüchen, Bräuchen oder Vereinbarungen nicht nachteilig auswirken.

Teil X. Schlussbestimmungen Artikel 36 Durch dieses Übereinkommen wird das Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen, 1957, neugefasst.

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Artikel 37 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 38 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt, zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 39 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamts kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz l genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 40 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 41 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Mass920

Eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern

gäbe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 42 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 43 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neufasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes: a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 39 ohne weiteres die Wirkung .einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifziert haben.

Artikel 44 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

Es folgen die Unterschriften

4769

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Anhang 2a

Übereinkommen Nr. 170 Übersetzung^ über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Juni 1990 zu ihrer siebenundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, verweist auf die einschlägigen internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen, insbesondere auf das Übereinkommen und die Empfehlung über Benzol, 1971, das Übereinkommen und die Empfehlung über Berufskrebs, 1974, das Übereinkommen und die Empfehlung über die Arbeitsumwelt (Luftverunreinigung, Lärm und Vibrationen), 1977, das Übereinkommen und die Empfehlung über den Arbeitsschutz, 1981, das Übereikommen und die Empfehlung über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, das Übereinkommen und die Empfehlung über Asbest, 1986, sowie die dem Übereinkommen über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, 1964, beigefügte Liste der Berufskrankheiten in der 1980 abgeänderten Fassung, stellt fest, dass der Schutz der Arbeitnehmer vor den schädlichen Auswirkungen von chemischen Stoffen auch den Schutz der Allgemeinheit und der Umwelt erhöht, stellt fest, dass die Arbeitnehmer Informationen über die von ihnen bei der Arbeit verwendeten chemischen Stoffe benötigen und dass sie ein Recht auf solche Informationen haben, ist der Auffassung, dass es wesentlich ist, das Auftreten von durch chemische Einwirkungen verursachten Erkrankungen und Verletzungen bei der Arbeit zu verhüten oder zu verringern, indem a) sichergestellt wird, dass alle chemischen Stoffe im Hinblick auf die von ihnen ausgehenden Gefahren bewertet werden; b) den Arbeitgebern ein Verfahren an die Hand gegeben wird, das es ihnen gestattet, von den Lieferanten Informationen über die bei der Arbeit verwendeten chemischen Stoffe zu erhalten, damit sie wirksame Programme zum Schutz der Arbeitnehmer vor chemischen Gefahren durchführen können;

>) Übersetzung des französischen Originaltextes.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

c) den Arbeitnehmern Informationen über die an ihren Arbeitsstätten verwendeten chemischen Stoffe und über geeignete Verhütungsmassnahmen zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich wirksam an den Schutzprogrammen beteiligen können; und d) Grundsätze für solche Programme festgelegt werden, um zu gewährleisten, dass die chemischen Stoffe sicher verwendet werden; verweist auf die Notwendigkeit der Zusammenarbeit im Rahmen des Internationalen Programms für chemische Sicherheit zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation sowie mit der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung, und weist auf die einschlägigen, von diesen Organisationen veröffentlichten Übereinkünfte, Regeln und Richtlinien hin, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1990, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über chemische Stoffe, 1990, bezeichnet wird.

Teil I. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel l 1. Dieses Übereinkommen gilt für alle Wirtschaftszweige, in denen chemische Stoffe verwendet werden.

2. Die zuständige Stelle eines Mitglieds, das dieses Übereinkommen ratifiziert, nach Anhörung der in Betracht kommenden massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und aufgrund einer Beurteilung der bestehenden Gefahren und der anzuwendenden Schutzmassnahmen, a) kann bestimmte Wirtschaftszweige, Betriebe oder Erzeugnisse von der Anwendung des Übereinkommens oder einzelner seiner Bestimmungen ausnehmen, wenn i) besondere Probleme von erheblicher Bedeutung auftreten; und ii) der gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis insgesamt gebotene Schutz nicht geringer ist, als er sich bei voller Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens ergeben würde; b) hat besondere Vorkehrungen zum Schutz von vertraulichen Informationen zu treffen, deren Weitergabe an einen Wettbewerber dem Betrieb eines Arbeitgebers voraussichtlich Schaden zufügen würde, soweit die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer dadurch nicht gefährdet werden.

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Sicherheit bei der Verwendung' chemischer Stoffe 'bei der Arbeit

3. Dieses Übereinkommen gilt nicht für Artikel, die bei normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen die Arbeitnehmer keinem gefährlichen chemischen Stoff aussetzen.

4. Dieses Übereinkommen gilt nicht für Organismen, gilt aber für aus Organismen gewonnene chemische Stoffe.

Artikel 2

Im Sinne dieses Übereinkommens a) bezeichnet der Ausdruck «chemische Stoffe» chemische Elemente und Verbindungen sowie Mischungen davon, gleich ob es sich um natürliche oder synthetische Stoffe handelt; b) umfasst der Ausdruck «gefährlicher chemischer Stoff» jeden chemischen Stoff, der gemäss Artikel 6 als gefährlich klassifiziert worden ist oder für den einschlägige Informationen vorliegen, denen zufolge der chemische Stoff gefährlich ist; c) bedeutet der Ausdruck «Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit» jede Arbeitstätigkeit, bei der ein Arbeitnehmer einem chemischen Stoff ausgesetzt werden kann, einschliesslich i) der Herstellung von chemischen Stoffen; ii) der Handhabung von chemischen Stoffen; iii) der Lagerung von chemischen Stoffen; iv) des Transports von chemischen Stoffen; v) der Beseitigung und Behandlung von chemischen Abfallstoffen; vi) der arbeitsbedingten Freisetzung von chemischen Stoffen; vii) der Wartung, Instandsetzung und Reinigung von Ausrüstungen und Behältnissen für chemische Stoffe; d) umfasst der Ausdruck «Wirtschaftszweige» alle Zweige, in denen Arbeitnehmer beschäftigt sind, einschliesslich des öffentlichen Dienstes; e) bezeichnet der Ausdruck «Artikel» einen Gegenstand, der während seiner Herstellung eine bestimmte Form oder Ausführung erhält oder der in seiner natürlichen Form vorliegt und dessen Verwendung in dieser Form ganz oder teilweise von seiner Form oder seiner Ausführung abhängt; f) bedeutet der Ausdruck «Arbeitnehmervertreter» die aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis im Einklang mit dem Übereinkommen über Arbeitnehmervertreter, 1971, als solche anerkannten Personen.

Teil II. Allgemeine Grundsätze Artikel 3

Die in Betracht kommenden massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind zu den Massnahmen anzuhören, die zur Durchführung dieses Übereinkommens zu treffen sind.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

Artikel 4 Jedes Mitglied hat unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten und in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine in sich geschlossene Politik auf dem Gebiet der Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit festzulegen, durchzuführen und regelmässig zu überprüfen.

Artikel 5 Sofern es aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt ist, muss die zuständige Stelle befugt sein, die Verwendung bestimmter gefährlicher chemischer Stoffe zu untersagen oder einzuschränken oder eine vorherige Meldung und Genehmigung zu verlangen, bevor solche chemischen Stoffe verwendet werden.

Teil III. Klassifizierung und damit zusammenhängende Massnahmen Artikel 6 Klassifzierungssysteme 1. In Übereinstimmung mit innerstaatlichen oder internationalen Normen hat die zuständige Stelle oder ein von ihr zugelassenes oder anerkanntes Organ Systeme und spezifische Kriterien festzulegen, die geeignet sind für die Klassifizierung aller chemischen Stoffe nach Art und Grad der mit ihnen verbundenen gesundheitlichen und physikalischen Gefahren und für die Beurteilung der Zweckdienlichkeit der Informationen, die erforderlich sind, um zu bestimmen, ob ein chemischer Stoff gefährlich ist.

2. Die gefährlichen Eigenschaften von Mischungen, die sich aus zwei oder mehr chemischen Stoffen zusammensetzen, können durch Beurteilungsverfahren auf der Grundlage der mit ihren chemischen Bestandteilen verbundenen Gefahren bestimmt werden.

3. Für den Fall des Transports haben solche Systeme und Kriterien den Empfehlungen der Vereinten Nationen über den Transport gefährlicher Güter Rech: nung zu tragen.

' 4. Die Klassifizierungssysteme und ihre Anwendung sind schrittweise zu erweitern.

Artikel 7 Etikettierung und Kennzeichnung 1. Alle chemischen Stoffe sind so zu kennzeichnen, dass ihre Identifizierung möglich ist.

2. Gefährliche chemische Stoffe sind darüber hinaus in einer für die Arbeitnehmer leicht verständlichen Weise zu etikettieren, um wesentliche Informationen über ihre Klassifizierung, die Gefahren, die sie darstellen, und die zu beachtenden Sicherheitsvorkehrungen zu liefern.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

3. (1) Die Erfordernisse für die Kennzeichnung oder Etikettierung von chemischen Stoffen gemäss den Absätzen l und 2 dieses Artikels sind von der zuständigen Stelle oder von einem von der zuständigen Stelle zugelassenen oder anerkannten Organ in Übereinstimmung mit innerstaatlichen oder internationalen Normen festzulegen.

(2) Für den Fall des Transports haben diese Erfordernisse den Empfehlungen der Vereinten Nationen über den Transport gefährlicher Güter Rechnung zu tragen.

Artikel 8 Sicherheitsblätter 1. Für gefährliche chemische Stoffe sind den Arbeitgebern Sicherheitsdatenblätter zur Verfügung zu stellen, die im einzelnen die wesentlichen Angaben über ihre Identität, Lieferanten, Klassifizierung, Gefahren, Sicherheitsvorkehrungen und Verfahren im Notfall enthalten.

2. Die Kriterien für die Ausarbeitung der Sicherheitsdatenblätter sind von der zuständigen Stelle oder von einem von der zuständigen Stelle zugelassenen oder anerkannten Organ in Übereinstimmung mit innerstaatlichen oder internationalen Normen festzulegen.

3. Die chemische oder übliche Bezeichnung, die zur Bestimmung des chemischen Stoffes auf dem Sicherheitsdatenblatt verwendet wird, muss dieselbe sein wie auf dem Etikett.

Artikel 9 Verantwortlichkeiten der Lieferanten 1. Lieferanten von chemischen Stoffen, gleich ob es sich dabei um Hersteller, Importeure oder Händler handelt, haben sicherzustellen dass a) diese chemischen Stoffe gemäss Artikel 6 auf der Grundlage der Kenntnis ihrer Eigenschaften und einer Auswertung der vorliegenden Informationen klassifziert oder gemäss Absatz 3 bewertet worden sind; b) diese chemischen Stoffe gemäss Artikel 7 Absatz l so gekennzeichnet werden, dass ihre Identifizierung möglich ist; , c) die von ihnen gelieferten gefährlichen chemischen Stoffe gemäss Artikel 7 Absatz 2 etikettiert werden d) Sicherheitsdatenblätter für solche gefährliche chemische Stoffe gemäss Artikel 8 Abstz l ausgearbeitet und den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden.

2. Lieferanten von gefährlichen chemischen Stoffen haben sicherzustellen; dass abgeänderte Etikette und Sicherheitsdatenblätter nach einer der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis entsprechenden Methode ausgearbeitet und den Arbeitgebern zur Verfügung gestellt werden, wenn neue einschlägige Informationen über Sicherheit und Gesundheit vorliegen.

3. Lieferanten von chemischen Stoffen, die noch nicht gemäss Artikel 6 klassifiziert worden sind, haben die von ihnen gelieferten chemischen Stoffe zu be926

Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

zeichnen und die Eigenschaften dieser chemischen Stoffe anhand der vorliegenden Informationen zu bewerten, um festzustellen, ob es gefährliche chemische Stoffe sind.

Teil IV. Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber Artikel 10 Bestimmung der Identität 1. Die Arbeitgeber haben sicherzustellen, dass alle bei der Arbeit verwendeten chemischen Stoffe gemäss den Erfordernissen des Artikels 7 etikettiert oder gekennzeichnet werden und dass Sicherheitsdatenblätter gemäss den Erfordernissen des Artikels 8 bereitgestellt worden sind und den Arbeitnehmern und ihren Vertretern zur Verfügung gestellt werden.

2. Arbeitgeber, die chemische Stoffe erhalten, die nicht gemäss den Erfordernissen des Artikels 7 etikettiert oder gekennzeichnet worden sind, oder für die keine Sicherheitsdatenblätter gemäss den Erfordernissen des Artikels 8 bereitgestellt worden sind, haben sich die einschlägigen Informationen beim Lieferanten oder bei anderen ohne weiteres zugänglichen Quellen zu beschaffen und dürfen die chemischen Stoffe erst dann verwenden, wenn sie im Besitz dieser Informationen sind.

3. Die Arbeitgeber haben sicherzustellen, dass nur chemische Stoffe verwendet werden, die gemäss Artikel 6 klassifiziert oder gemäss Artikel 9 Absatz 3 bezeichnet und bewertet und gemäss Artikel 7 etikettiert oder gekennzeichnet worden sind, und dass bei ihrer Verwendung alle erforderlichen Vorsichtsmassnahmen getroffen werden.

4. Die Arbeitgeber haben ein Verzeichnis der an der Arbeitsstätte verwendeten gefährlichen chemischen Stoffe zu führen, in dem auf die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter verwiesen wird. Dieses Verzeichnis hat allen betroffenen Arbeitnehmern und ihren Vertretern zugänglich zu sein.

Artikel 11 Umfüllen von chemischen Stoffen Die Arbeitgeber haben sicherzustellen, dass beim Umfüllen chemischer Stoffe in andere Behältnisse oder Ausrüstungen der Inhalt so angegeben wird, dass die Arbeitnehmer über die Identität dieser chemischen Stoffe, die mit ihrer Verwendung verbundenen Gefahren und die zu beachtenden Sicherheitsvorkehrungen unterrichtet werden.

Artikel 12 Exposition ; Die Arbeitgeber haben a) sicherzustellen, dass Arbeitnehmer chemischen Stoffen nicht in einem Ausmass ausgesetzt werden, das die von der zuständigen Stelle oder von einem von der zuständigen Stelle zugelassenen oder anerkannten Organ in Über927

Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

einstimmung mit innerstaatlichen oder internationalen Normen festgelegten Expositionsgrenzwerte oder sonstigen Expositionskriterien für die Beurteilung und Überwachung der Arbeitsumwelt überschreitet; b) die Exposition von Arbeitnehmern gegenüber gefährlichen chemischen Stoffen zu beurteilen; c) die Exposition von Arbeitnehmern gegenüber chemischen Stoffen zu überwachen und aufzuzeichnen, wenn dies erforderlich ist, um ihre Sicherheit und Gesundheit zu schützen, oder wenn die zuständige Stelle dies vorschreibt; d) sicherzustellen, dass die Aufzeichnungen über die Überwachung der Arbeitsumwelt und über die Exposition von Arbeitnehmern, die gefährliche chemische Stoffe verwenden, während eines von der zuständigen Stelle vorgeschriebenen Zeitraums aufbewahrt werden und den Arbeitnehmern und ihren Vertretern zugänglich sind.

Artikel 13 Betriebliche Massnahmen 1. Die Arbeitgeber haben eine Bewertung der sich aus der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit ergebenden Risiken vorzunehmen und die Arbeitnehmer durch geeignete Mittel vor solchen Risiken zu schützen, wie a) die Wahl von chemischen Stoffen, bei denen das Risiko ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt wird; b) die Wahl einer Technologie, bei der das Risiko ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt wird; c) die Anwendung ausreichender technischer Verhütungsmassnahmen; d) die Einführung von Arbeitssystemen und -methoden, bei denen das Risiko ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt wird; e) die Anwendung ausreichender arbeitshygienischer Massnahmen; f) oder, falls die vorstehenden Massnahmen nicht ausreichen, die Bereitstellung und ordnungsgemässe Instandhaltung von persönlicher Schutzausrüstung und Schutzkleidung, ohne dass den Arbeitnehmern dadurch Kosten entstehen, und die Durchführung von Massnahmen, durch die ihre Verwendung sichergestellt wird.

2. Die Arbeitgeber haben a) die Exposition gegenüber gefährlichen chemischen Stoffen zu begrenzen, um die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen; b) Erste Hilfe bereitzustellen; c) Vorkehrungen für Notfälle zu treffen.

Artikel 14 Beseitigung Gefährliche chemische Stoffe, die nicht mehr benötigt werden, und Behältnisse, die geleert worden sind, die aber noch Reste gefährlicher chemischer Stoffe enthalten können, sind gemäss der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis so zu handhaben oder zu beseitigen, dass das Risiko für die Sicherheit und Gesund928

Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

heit und für die Umwelt ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt wird.

Artikel 15 Information und Ausbildung Die Arbeitgeber haben a) die Arbeitnehmer über die Gefahren zu unterrichten, die mit einer Exposition gegenüber chemischen Stoffen, die an der Abeitsstätte verwendet werden, verbunden sind; b) die Arbeitnehmer darin zu unterweisen, wie die auf Etiketten und Sicherheitsdatenblättern gegebenen Informationen zu beschaffen und zu verwenden sind; c) die Sicherheitsdatenblätter sowie arbeitsplatzspezifische Informationen als Grundlage für Weisungen an die Arbeitnehmer zu verwenden, die gegebenenfalls schriftlich abgefasst werden sollten; d) die Arbeitnehmer in den Methoden und Verfahren weiterzubilden, die im Hinblick auf die Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit angewendet werden müssen.

Artikel 16 Zusammenarbeit Die Arbeitgeber haben bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortlichkeiten so eng wie möglich mit den Arbeitnehmern oder ihren Vertretern in bezug auf die Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit zusammenzuarbeiten.

Teil V. Pflichten der Arbeitnehmer Artikel 17 1. Die Arbeitnehmer haben mit ihren Arbeitgebern bei der Wahrnehmung der Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber so eng wie möglich zusammenzuarbeiten und alle Vorschriften und Verfahren im Zusammenhang mit der Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit einzuhalten.

2. Die Arbeitnehmer haben alle angemessenen Schritte zu unternehmen, um die sich aus der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit für sie selbst und für andere ergebenden Risiken auszuschliessen oder auf ein Mindestmass zu beschränken.

Teil VI. Rechte der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter Artikel 18 1. Die Arbeitnehmer müssen das Recht haben, sich bei Gefahr infolge der Verwendung chemischer Stoffe in Sicherheit zu bringen, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass ein unmittelbares und erhebliches Risiko 929

Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

für ihre Sicherheit oder Gesundheit besteht, und haben ihren Vorgesetzten unverzüglich zu informieren.

2. Arbeitnehmer, die sich gemäss dem vorstehenden Absatz in Sicherheit bringen oder die irgendwelche anderen Rechte aus diesem Übereinkommen ausüben, sind vor ungerechtfertigten Folgen zu schützen.

3. Die betroffenen Arbeitnehmer und ihre Vertreter müssen das Recht haben auf a) Informationen über die Identität der bei der Arbeit verwendeten chemischen Stoffe, die gefährlichen Eigenschaften solcher chemischen Stoffe, Vorsichtsmassnahmen, Unterweisung und Ausbildung; b) die auf Etiketten und in Kennzeichnungen enthaltenen Informationen ; c) Sicherheitsdatenblätter; d) alle sonstigen Informationen, die aufgrund dieses Übereinkommens aufbewahrt werden müssen.

4. Soweit die Bekanntgabe der spezifischen Identität eines Bestandteils einer chemischen Mischung an einen Wettbewerber dem Betrieb des Arbeitgebers voraussichtlich Schaden zufügen würde, kann der Arbeitgeber bei der Bereitstellung der gemäss Absatz 3 vorgeschriebenen Informationen diese Identität in einer von der zuständigen Stelle gemäss Artikel l Absatz 2 Buchstabe b) genehmigten Weise schützen.

Teil VII. Verantwortung der exportierenden Staaten Artikel 19 Wenn in einem exportierenden Mitgliedstaat alle oder einige Verwendungen gefährlicher chemischer Stoffe aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit verboten sind, hat der exportierende Mitgliedstaat diesen Umstand und die Gründe dafür jedem importierenden Land mitzuteilen.

Artikel 20 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 21 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt, zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

Artikel 22 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz l genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 23 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 24 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigun-

Artikel 25 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 26 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neufasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes:

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 22 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 27

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

Es folgen die Unterschriften

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Anhang 2b Empfehlung Nr. 177

Übersetzung^

betreffend Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Juni 1990 zu ihrer siebenundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über chemische Stoffe, 1990, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1990, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend chemische Stoffe, 1990, bezeichnet wird.

I. Allgemeine Bestimmungen 1. Die Bestimmungen dieser Empfehlung sollten in Verbindung mit denen des Übereinkommens über chemische Stoffe, 1990 (im folgenden «das Übereinkommen» genannt), angewendet werden.

2. Die in Betracht kommenden massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sollten zu den Massnahmen angehört werden, die zur Durchführung der Bestimmungen dieser Empfehlung zu treffen sind.

3. Die zuständige Stelle sollte die Gruppen von Arbeitnehmern bestimmen, die aus Gründen der Sicherheit und Gesundheit bestimmte chemische Stoffe nicht verwenden dürfen oder die diese nur unter Voraussetzungen verwenden dürfen, die im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung vorgeschrieben werden.

4. Die Bestimmungen dieser Empfehlung sollten auch für die durch die innerstaatliche Gesetzgebung bestimmten selbständig Erwerbstätigen gelten.

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

5. Die von der zuständigen Stelle festgelegten besonderen Vorkehrungen zum Schutz von vertraulichen Informationen gemäss Artikel l Absatz 2 Buchstabe b) und Artikel 18 Absatz 4 des Übereinkommens sollten: a) die Weitergabe vertraulicher Informationen auf diejenigen beschränken, die sie im Hinblick auf die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer benötigten; b) sicherstellen, dass diejenigen, die vertrauliche Informationen erhalten, sich bereit erklären, sie nur im Zusammenhang mit Erfordernissen der Sicherheit und Gesundheit zu verwenden und ansonsten ihren vertraulichen Charakter zu schützen; c) vorsehen, dass einschlägige vertrauliche Informationen in einem Notfall unverzüglich bekanntgegeben werden; d) Verfahren vorsehen, um unverzüglich die Berechtigung des Vertraulichkeitsanspruchs und des Bedarfs an den zurückgehaltenen Informationen zu prüfen, wenn hinsichtlich ihrer Weitergabe Meinungsverschiedenheiten bestehen.

II. Klassifizierung und damit zusammenhängende Massnahmen Klassifizierung

6. Die gemäss Artikel 6 Absatz l des Übereinkommens festgelegten Kriterien für die Klassifizierung der chemischen Stoffe sollten auf den Merkmalen der chemischen Stoffe beruhen, einschliesslich a) der toxischen Eigenschaften, einschliesslich der akuten und chronischen gesundheitlichen Auswirkungen in allen Körperteilen; b) der chemischen oder physikalischen Eigenschaften, einschliesslich der entzündlichen, explosiven, oxydierenden und gefährlich reaktiven Eigenschaften; c) der ätzenden und reizenden Eigenschaften; d) der allergisierenden und sensibilisierenden Wirkungen; e) der karzinogenen Wirkungen; f) der teratogenen und mutagenen Wirkungen; g) der Auswirkungen auf das Fortpflanzungssystem.

7. (1) Soweit möglich und durchführbar, sollte die zuständige Stelle ein zusammengefasstes Verzeichnis der bei der Arbeit verwendeten chemischen Elemente und Verbindungen zusammen mit einschlägigen Gefahreninformatiohen zusammenstellen und in regelmässigen Zeitabständen auf den neuesten Stand bringen.

(2) Für chemische Elemente und Verbindungen, die noch nicht in das zusammengefasste Verzeichnis aufgenommen sind, sollten die Hersteller oder Importeure, soweit sie nicht davon befreit sind, verpflichtet sein, der zuständigen Stelle vor der Verwendung bei der Arbeit die zur Führung des Verzeichnisses erforderlichen Informationen in einer Weise zu übermitteln, die mit dem Schutz 934

Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

vertraulicher Informationen gemäss Artikel l Absatz 2 Buchstabe b) des Übereinkommens im Einklang steht, Etikettierung und Kennzeichnung

8. (1) Die gemäss Artikel 7 des Übereinkommens festgelegten Erfordernisse für die Etikettierung und Kennzeichnung chemischer Stoffe sollten so beschaffen sein, dass Personen, die chemische Stoffe handhaben oder verwenden, in der Lage sind, sie sowohl bei Erhalt als auch bei der Verwendung zu erkennen und zwischen ihnen zu unterscheiden, so dass sie sicher verwendet werden können.

(2) Die Etikettierungserfordernisse für gefährliche chemische Stoffe sollten sich in Übereinstimmung mit den bestehenden innerstaatlichen oder internationalen Systemen erstrecken auf a) die Angaben, die das Etikett enthalten muss, darunter gegebenenfalls i) Handelsbezeichnungen; ii) die Identität des chemischen Stoffes; iii) Name, Anschrift und Rufnummer des Lieferanten; iv) Gefahrensymbole; v) die Art der mit der Verwendung des chemischen Stoffes verbundenen speziellen Risiken; vi) Sicherheitsvorkehrungen; vii) die Kennzeichnung des Loses; viii) der Hinweis, dass ein Sicherheitsdatenblatt mit zusätzlichen Informationen beim Arbeitgeber erhältlich ist; ix) die nach dem von der zuständigen Stelle festgelegten System zugeordnete Klassifizierung; b) die Lesbarkeit, Haltbarkeit und Grosse des Etiketts ; c) die Einheitlichkeit der Etikette und Symbole, einschliesslich der Farben.

(3) Das Etikett sollte für die Arbeitnehmer leicht verständlich sein.

(4) Im Falle von chemischen Stoffen, die nicht unter Unterabsatz (2) fallen, kann sich die Kennzeichnung auf die Identität des chemischen Stoffes beschränken.

9. Falls die Etikettierung oder Kennzeichnung eines chemischen Stoffes wegen der Grosse des Behältnisses oder der Art der Verpackung unmöglich ist, sollten andere wirksame Erkennungsmittel vorgesehen werden, wie Anhänger oder Begleitdokumente. Alle Behältnisse mit gefährlichen chemischen Stoffen sollten jedoch durch geeignete Angaben oder Symbole auf die Gefahren des Inhalts hinweisen.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

Sicherheitsdatenblätter 10. (1) Die Kriterien für die Ausarbeitung von Sicherheitsdatenblättern für gefährliche chemische Stoffe sollten sicherstellen, dass diese die wesentlichen Informationen enthalten, einschliesslich gegebenenfalls a) der Bezeichnung des chemischen Erzeugnisses und des Unternehmens (einschliesslich der Handelsbezeichnung oder üblichen Bezeichnung des chemischen Stoffes und Angaben über den Lieferanten oder Hersteller); b) der Zusammensetzung/Informationen über die Bestandteile (in einer Weise, die sie zur Durchführung einer Gefahrenbeurteilung eindeutig bestimmt) ; c) Bezeichnung der Gefahren; d) Erste-Hilfe-Massnahmen, e) Brandbekämpfungsmassnahmen; f) Massnahmen bei unbeabsichtigter Freisetzung; g) Handhabung und Lagerung; h) Massnahmen zur Verhütung der Exposition/persönlicher Schutz (einschliesslich möglicher Methoden zur Überwachung der Exposition am Arbeitsplatz); i) physikalische und chemische Eigenschaften; j) Stabilität und Reaktivität; k) toxikologische Informationen (einschliesslich der möglichen Wege des Eintritts in den Körper und der Möglichkeit des Synergismus mit anderen chemischen Stoffen oder Gefahren bei der Arbeit); l) ökologische Informationen; m) Angaben über die Entsorgung; n) Transportinformationen; o) Informationen über Vorschriften; p) sonstige Informationen (einschliesslich des Datums der Ausarbeitung des Sicherheitsdatenblatts).

(2) Soweit die Bezeichnungen oder Konzentrationen der in Unterabsatz (1) Buchstabe b) erwähnten Bestandteile vertrauliche Informationen darstellen, kann gemäss Artikel l Absatz 2 Buchstabe b) des Übereinkommens ihre Aufnahme in das Sicherheitsdatenblatt unterbleiben. Gemäss Absatz 5 dieser Empfehlung sollten die Informationen auf Verlangen der zuständigen Stelle sowie den betroffenen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Vertretern der Arbeitnehmer schriftlich mitgeteilt werden, die sich bereit erklären, die Informationen nur zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu verwenden und sie nicht für andere Zwecke weiterzugeben.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

III. Verantwortlichkeiten der Arbeitgeber Überwachung der Exposition

11. (1) Wo Arbeitnehmer gefährlichen chemischen Stoffen ausgesetzt sind, sollte der Arbeitgeber verpflichtet sein, a) die Exposition gegenüber solchen chemischen Stoffen zu begrenzen, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen; b) die Konzentration chemischer Stoffe in der Luft an der Arbeitsstätte je nach Notwendigkeit zu beurteilen, zu überwachen und aufzuzeichnen.

(2) Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sowie die zuständige Stelle sollten Zugang zu diesen Aufzeichnungen haben.

(3) Die Arbeitgeber sollten die in diesem Absatz vorgesehenen Aufzeichnungen während eines von der zuständigen Stelle festgelegten Zeitraums aufbewahren.

Betriebliche Massnahmen an der Arbeitsstätte

12. (1) Die Arbeitgeber sollten, ausgehend von den gemäss den Absätzen 13 bis 16 festgelegten Kriterien, Massnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor den Gefahren treffen, die sich aus der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit ergeben.

(2) Gemäss der vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes angenommenen Dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik sollte ein nationales oder multinationales Unternehmen mit mehr als einem Betrieb unterschiedslos für die Arbeitnehmer in allen seinen Betrieben, ungeachtet des Ortes oder Landes, in dem sie liegen, Sicherheitsmassnahmen zur Verhütung und Begrenzung von Gesundheitsgefahren infolge der beruflichen Exposition gegenüber gefährlichen chemischen Stoffen sowie zum Schutz gegen diese Gefahren vorsehen.

13. Die zuständige Stelle sollte dafür sorgen, dass Kriterien für die Sicherheit bei der Verwendung von gefährlichen chemischen Stoffen festgelegt werden, darunter Vorkehrungen, die sich gegebenenfalls erstrecken sollten auf a) das Risiko akuter oder chronischer Krankenheiten infolge des Eintritts in den Körper durch Einatmen, Hautresorption oder Einnahme; b) das Risiko der Verletzung oder Erkrankung durch Haut- oder Augenkontakt; c) das Risiko der Verletzung durch Feuer, Explosion oder andere Ereignisse aufgrund physikalischer Eigenschaften oder chemischer Reaktivität; d) die zu treffenden Vorsichtsmassnahmen durch i) die Wahl chemischer Stoffe, bei denen solche Risiken ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt werden;

3l Bundesblatt 143.Jahrgang. Bd.III

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe hei der Arbeit

ii) die Wahl von Verfahren, Technologien und Anlagen, bei denen solche Risiken ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt werden; iü) die Anwendung und ordnungsgemässe Beibehaltung yon technischen Verhütungsmassnahmen ; iv) die Einführung von Arbeitssystemen und -methoden, bei denen solche Risiken ausgeschlossen oder auf ein Mindestmass herabgesetzt werden; v) die Einführung ausreichender persönlicher Hygienemassnahmen und die Bereitstellung ausreichender sanitärer Einrichtungen; vi) die Bereitstellung, Instandhaltung und Verwendung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung und Schutzkleidung, ohne dass dem Arbeitnehmer dadurch Kosten entstehen, falls die vorstehend erwähnten Massnahmen sich als nicht ausreichend erwiesen haben, um solche Risiken auszuschliessen; vii) die Verwendung von Schildern und Hinweisen; viii) ausreichende Vorbereitungen für Notfälle.

14. Die zuständige Stelle sollte dafür sorgen, dass Kriterien für die Sicherheit bei der Lagerung von gefährlichen chemischen Stoffen festgelegt werden, darunter Vorkehrungen, die sich gegebenenfalls erstrecken sollten auf a) die Verträglichkeit und die getrennte Lagerung der chemischen Stoffe; b) die Eigenschaften und die Menge der zu lagernden chemischen Stoffe; c) die Sicherheit und den Standort der Lager sowie den Zugang zu ihnen; d) die Herstellung, die Art und die einwandfreie Beschaffenheit der Lagerbehältnisse; e) das Be- und Entladen der Lagerbehältnisse; f) die Etikettierungs- und Neuetikettierungserfordernisse; g) Vorsichtsmassnahmen gegen unbeabsichtigte Freisetzung, Feuer, Explosionen und chemische Reaktivität; h) Temperatur, Feuchtigkeit und Lüftung; i) Vorsichtsmassnahmen und Verfahren im Falle von Schüttverlusten; j) Verfahren im Notfall; k) mögliche physikalische und chemische Veränderungen der gelagerten chemischen Stoffe.

15. Die zuständige Stelle sollte dafür sorgen, dass mit innerstaatlichen oder internationalen Transportvorschriften im Einklang stehende Kriterien für die Sicherheit von Arbeitnehmern festgelegt werden, die mit dem Transport von chemischen Stoffen befasst sind, darunter Vorkehrungen, die sich gegebenenfalls erstrecken sollten auf a) die Eigenschaften und die Menge der zu transportierenden chemischen Stoffe;

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

b) die Art, die einwandfreie Beschaffenheit und den Schutz der beim Transport verwendeten Verpackungen und Behältnisse, einschliesslich Rohrleitungen; c) die Spezifikationen des verwendeten Transportfahrzeugs ; d) die zu benutzenden Strecken; e) die Ausbildung und Qualifikationen der Transportarbeiter; f) die Etikettierungserfordernisse ; g) das Be- und Entladen; h) die im Falle von Schüttverlusten zu treffenden Massnahmen.

16. (1) Die zuständige Stelle sollte dafür sorgen, dass mit innerstaatlichen oder internationalen Vorschriften über die Beseitigung gefährlicher Abfälle im Einklang stehende Kriterien für die Verfahren festgelegt werden, die bei der Beseitigung und Behandlung von gefährlichen chemischen Stoffen und gefährlichen Abfallprodukten zu befolgen sind, um die Sicherheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten.

(2) Diese Kriterien sollten Vorkehrungen umfassen, die sich gegebenenfalls erstrecken sollten auf a) die Methode für die Kennzeichnung der Abfallprodukte; b) die Handhabung verunreinigter Behältnisse; c) die Kennzeichnung, den Bau. die Art, die einwandfreie Beschaffenheit und den Schutz der Abfallbehältnisse; d) die Auswirkungen auf die Arbeitsumwelt; e) die Abgrenzung der Entsorgungsbereiche; f) die Bereitstellung, Instandhaltung und Verwendung persönlicher Schutzausrüstung und Schutzkleidung; g) die Entsorgungs- oder Behandlungsmethoden.

17. Die gemäss den Bestimmungen des Übereinkommens und dieser Empfehlung festgelegten Kriterien für die Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit sollten soweit wie möglich mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Umwelt und den hierfür festgelegten Kriterien im Einklang stehen.

Medizinische Überwachung

18. (1) Der Arbeitgeber oder die aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis zuständige Einrichtung sollte verpflichtet sein, mittels einer der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis entsprechenden Methode die medizinische Überwachung der Arbeitnehmer zu veranlassen, die erforderlich ist: a) für die Beurteilung des Gesundheitszustands der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit den durch die Exposition gegenüber chemischen Stoffen verursachten Gefahren; b) für die Diagnose arbeitsbedingter Erkrankungen und Verletzungen, die durch die Exposition gegenüber gefährlichen chemischen Stoffen verursacht worden sind.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

(2) Falls die Ergebnisse der medizinischen Tests oder Untersuchungen klinische oder vorklinische Auswirkungen erkennen lassen, sollten Massnahmen getroffen werden, um die Exposition der betreffenden Arbeitnehmer zu verhindern oder herabzusetzen und einer weiteren Verschlechterung ihres Gesundheitszustands vorzubeugen.

(3) Die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen sollten zur Feststellung des Gesundheitszustands im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber chemischen Stoffen verwendet und nicht zum Zweck einer Benachteiligung des Arbeitnehmers benutzt werden.

(4) Die sich aus der medizinischen Überwachung der Arbeitnehmer ergebenden Unterlagen sollten während eines Zeitraums und von den Personen, die von der zuständigen Stelle bestimmt werden, aufbewahrt werden.

(5) Die Arbeitnehmer sollten entweder persönlich oder über ihren Arzt Zugang zu ihren eigenen medizinischen Unterlagen haben.

(6) Die Vertraulichkeit individueller medizinischer Unterlagen sollte in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Grundsätzen des ärztlichen Berufsethos gewahrt werden.

(7) Die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen sollten den betroffenen Arbeitnehmern klar erläutert werden.

(8) Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sollten Zugang zu den Ergebnissen von anhand medizinischer Unterlagen ausgearbeiteten Studien haben, bei denen einzelne Arbeitnehmer nicht identifiziert werden können.

(9) Die Ergebnisse der medizinischen Unterlagen sollten für die Erstellung geeigneter Gesundheitsstatistiken und epidemiologischer Studien zur Verfügung gestellt werden, falls dies zur Erkennung und Bekämpfung von Berufskrankheiten beitragen kann, vorausgesetzt, dass die.Anonymität gewahrt bleibt.

Erste Hilfe und Notfälle 19. Die Arbeitgeber sollten in Übereinstimmung mit den von der zuständigen Stelle festgelegten Erfordernissen verpflichtet sein, Verfahren, einschliesslich Erste-Hilfe-Vorkehrungen, für Notfälle und Unfälle vorzusehen, die auf die Verwendung gefährlicher chemischer Stoffe bei der Arbeit zurückzuführen sind, und dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer in diesen Verfahren ausgebildet werden.

IV. Zusammenarbeit 20. Die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sollten bei der Anwendung der gemäss dieser Empfehlung vorgeschriebenen Massnahmen so eng wie möglich zusammenarbeiten.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

21. Die Arbeitnehmer sollten verpflichtet sein,

a) soweit wie möglich für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit und für die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen werden können, gemäss ihrer Ausbildung und den vom Arbeitgeber erteilten Weisungen Sorge zu tragen; b) alle zu ihrem Schutz und zum Schutz anderer Personen vorgesehenen Vorrichtungen ordnungsgemäss zu benutzen; c) ihrem Vorgesetzten unverzüglich jede Situation zu melden, die ihrer Ansicht nach eine Gefahr darstellen könnte und die sie selbst nicht in angemessener Weise bewältigen können.

22. Werbematerial für gefährliche chemische Stoffe, die für die Verwendung bei der Arbeit bestimmt sind, sollte auf deren Gefahren und auf die Notwendigkeit, Vorsichtsrnassnahmen zu treffen, hinweisen.

23. Lieferanten sollten den Arbeitgebern auf Verlangen die vorhandenen Informationen zur Verfügung stellen, die erforderlich sind für die Beurteilung ungewöhnlicher Gefahren, welche sich aus einer besonderen Verwendung eines chemischen Stoffes bei der Arbeit ergeben könnten.

V. Rechte der Arbeitnehmer 24. (1) Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sollten das Recht haben, a) vom Arbeitgeber Sicherheitsdatenblätter und andere Informationen zu erhalten, damit sie in Zusammenarbeit mit ihrem Arbeitgeber ausreichende Vorsichtsrnassnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefahren infolge der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit treffen können; b) vom Arbeitgeber oder von der zuständigen Stelle eine Untersuchung der möglichen Risiken, die sich bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit ergeben, zu verlangen und sich daran zu beteiligen.

(2) Soweit die angeforderten Informationen gemäss Artikel l Absatz 2 Buchstabe b) und Artikel 18 Absatz 4 des Übereinkommens vertraulich sind, können die Arbeitgeber von den Arbeitnehmern oder den Arbeitnehmervertretern verlangen, dass ihre Verwendung auf die Beurteilung und Bekämpfung möglicher Risiken infolge der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit beschränkt wird und dass sie angemessene Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass diese Informationen nicht an mögliche Wettbewerber weitergegeben werden.

(3) Entsprechend der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik sollten multinationale Unternehmen den betroffenen Arbeitnehmern,
den Arbeitnehmervertretern, der zuständigen Stelle sowie den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden in allen Ländern, in denen sie tätig sind, auf Verlangen Informationen über die Normen und Verfahren im Zusammenhang mit der Verwendung gefährlicher chemischer Stoffe bei ihren lokalen Tätigkeiten zur Verfügung stellen, die sie in anderen Ländern einhalten.

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Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit 25. (1) Die Arbeitnehmer sollten das Recht haben, a) ihren Vertretern, dem Arbeitgeber oder der zuständigen Stelle mögliche Gefahren, die sich aus der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit ergeben, zur Kenntnis zu bringen; b) sich bei Gefahr infolge der Verwendung chemischer Stoffe in Sicherheit zu bringen, wenn sie hinreichenden Grund zu der Annahme haben, dass ein unmittelbares und erhebliches Risiko für ihre Sicherheit oder Gesundheit besteht, und sollten ihren Vorgesetzten unverzüglich informieren; c) im Falle eines Gesundheitszustands, wie einer chemischen Sensibilisierung, der sie einem erhöhten Risiko einer Schädigung durch einen gefährlichen chemischen Stoff aussetzt, eine andere Arbeit zu erhalten, die nicht mit der Verwendung dieses chemischen Stoffes verbunden ist, falls eine solche Arbeit verfügbar ist und falls die betreffenden Arbeitnehmer die Voraussetzungen dafür besitzen oder nach vernünftigem Ermessen dafür ausgebildet werden können; d) auf eine Entschädigung, falls der in Unterabsatz l Buchstabe c) erwähnte Fall den Verlust der Beschäftigung zur Folge hat; e) auf angemessene medizinische Behandlung und eine Entschädigung für Verletzungen und Erkrankungen, die auf die Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit zurückzuführen sind.

(2) Arbeitnehmer, die sich gemäss Unterabsatz l Buchstabe b) in Sicherheit bringen oder die irgendwelche anderen Rechte aus dieser Empfehlung ausüben, sollten vor ungerechtfertigten Folgen geschützt werden.

(3) Falls Arbeitnehmer sich gemäss Unterabsatz l Buchstabe b) in Sicherheit gebracht haben, sollte der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmern und ihren Vertretern unverzüglich eine Untersuchung des Risikos durchführen und alle erforderlichen Abhilfemassnahmen treffen.

(4) Arbeitnehmerinnen sollten im Fall der Schwangerschaft oder des Stillens das Recht haben, eine andere Arbeit zu erhalten, die nicht mit der Verwendung chemischer Stoffe oder der Exposition gegenüber chemischen Stoffen verbunden ist, die für die Gesundheit des ungeborenen Kindes oder des Säuglings schädlich sind, falls eine solche Arbeit verfügbar ist, sowie das Recht haben, zu gegebener Zeit an ihren früheren Arbeitsplatz zurückzukehren.

26. Die Arbeitnehmer sollten erhalten: a) Informationen über
die Klassifizierung und Etikettierung von chemischen Stoffen und über Sicherheitsdatenblätter in einer für sie leicht verständlichen Form und Sprache; b) Informationen über die Risiken, die sich aus der Verwendung chemischer Stoffe während ihrer Arbeit ergeben können; c) eine schriftliche oder mündliche und gegebenenfalls arbeitsplatzspezifische Unterweisung auf der Grundlage des Sicherheitsdatenblatts;

942

Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit

d) eine Ausbildung und. falls erforderlich, eine Umschulung in den verfügbaren Methoden zur Verhütung und Bekämpfung solcher Risiken und zum Schutz gegen solche Risiken, einschliesslich sachgerechter Lager-, Transport- und Abfallbeseitigungsmethoden sowie Notfall- und Erste-HilfeMassnahmen.

Es folgen die Unterschriften

4769

943

Anhang 3a

Übereinkommen Nr. 171 über Nachtarbeit

Übersetzung1)

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Juni 1990 zu ihrer siebenundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, verweist auf die Bestimmungen der internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen über die Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen und insbesondere auf die Bestimmungen des Übereinkommens und der Empfehlung über Nachtarbeit Jugendlicher (nichtgewerbliche Arbeiten), 1946, des Übereinkommens über die Nachtarbeit der Jugendlichen im Gewerbe (Neufassung), 1948, und der Empfehlung betreffend die Nachtarbeit der Kinder und Jugendlichen (Landwirtschaft), 1921, verweist auf die Bestimmungen der internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen über die Nachtarbeit der Frauen und insbesondere auf die Bestimmungen des Übereinkommens über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948, und des dazugehörenden Protokolls von 1990, der Empfehlung betreffend die Nachtarbeit der Frauen (Landwirtschaft), 1921, und Absatz 5 der Empfehlung betreffend Mutterschutz, 1952.

verweist auf die Bestimmungen des Übereinkommens über die Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf), 1958, verweist auf die Bestimmungen des Übereinkommens über den Mutterschutz (Neufassung), 1952, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Nachtarbeit, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 26. Juni 1990, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Nachtarbeit, 1990, bezeichnet wird.

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

944

Nachtarbeit

Artikel l Im Sinne dieses Übereinkommens a) bedeutet der Ausdruck «Nachtarbeit» jede Arbeit, die während eines Zeitraums von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Stunden verrichtet wird, der die Zeit zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens einschliesst und der von der zuständigen Stelle nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder durch Gesamtarbeitsverträge festzulegen ist; b) bedeutet der Ausdruck «Nachtarbeiter» einen Arbeitnehmer, dessen Arbeit die Leistung einer erheblichen Anzahl von Nachtarbeitsstunden erfordert, die eine bestimmte Grenze überschreitet. Diese Grenze ist von der zuständigen Stelle nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder durch Gesamtarbeitsverträge festzulegen.

Artikel 2 1. Dieses Übereinkommen gilt für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme derjenigen, die in der Landwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei, dem Seetransport und der Binnenschiffahrt beschäftigt sind.

2. Ein Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann nach Anhörung der in Betracht kommenden repräsentativen Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer begrenzte Gruppen von Arbeitnehmern ganz oder teilweise aus dessen Geltungsbereich ausnehmen, wenn die Anwendung des Übereinkommens auf diese Gruppen besondere Probleme von erheblicher Bedeutung aufwerfen würde.

3. Jedes Mitglied, das die in Absatz 2 dieses Artikels gebotene Möglichkeit in Anspruch nimmt, hat in seinen Berichten über die Durchführung des Übereinkommens gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation die besonderen Gruppen von Arbeitnehmern, die ausgenommen worden sind, sowie die Gründe für deren Ausnahme anzugeben. Es hat ferner alle Massnahmen anzugeben, die getroffen worden sind, um die Bestimmungen des Übereinkommens schrittweise auf die betreffenden Arbeitnehmer auszudehnen.

Artikel 3 1. Es sind besondere, durch die Art der Nachtarbeit gebotene Massnahmen, die mindestens die in den Artikeln 4 bis 10 erwähnten zu umfassen haben, für Nachtarbeiter zu treffen, um ihre Gesundheit zu schützen, ihnen die Erfüllung ihrer Familien- und Sozialpflichten zu erleichtern, ihnen Möglichkeiten für den beruflichen Aufstieg zu bieten und sie angemessen zu entschädigen. Solche Massnahmen sind auch im Bereich der Sicherheit und des Mutterschutzes für alle Arbeitnehmer zu treffen, die Nachtarbeit verrichten.

2. Die in Absatz l erwähnten Massnahmen können schrittweise angewendet werden.

945

Nachtarbeit

Artikel 4 1. Die Arbeitnehmer müssen das Recht haben, sich auf Verlangen einer unentgeltlichen Prüfung ihres Gesundheitszustands zu unterziehen und sich beraten zu lassen, wie die mit ihrer Arbeit verbundenen Gesundheitsprobleme verringert oder vermieden werden können: a) vor der Aufnahme einer Tätigkeit als Nachtarbeiter; b) in regelmässigen Zeitabständen während einer solchen Tätigkeit; c) wenn sie während einer solchen Tätigkeit auf Gesundheitsprobleme stossen, die nicht durch andere Faktoren als die Verrichtung von Nachtarbeit verursacht werden.

2. Mit Ausnahme eines Befundes, der die Untauglichkeit zur Nachtarbeit ergeben hat, dürfen die Befunde solcher Prüfungen ohne die Zustimmung der Arbeitnehmer nicht an Dritte weitergegeben und dürfen nicht zu ihrem Nachteil verwendet werden.

Artikels Für Arbeitnehmer, die Nachtarbeit verrichten, sind geeignete Erste-Hilfe-Einrichtungen bereitzustellen, einschliesslich Vorkehrungen, die es gestatten, diese Arbeitnehmer erforderlichenfalls rasch an einen Ort zu bringen, wo sie eine zweckentsprechende Behandlung erhalten können.

Artikel 6 1. Nachtarbeiter, die aus gesundheitlichen Gründen für untauglich zur Nachtarbeit erklärt worden sind, sind nach Möglichkeit zu einer ähnlichen Tätigkeit zu versetzen, zu der sie tauglich sind.

2. Falls die Versetzung zu einer solchen Tätigkeit nicht möglich ist, sind diesen Arbeitnehmern die gleichen Leistungen zu gewähren wie anderen Arbeitnehmern, die nicht in der Lage sind, zu arbeiten oder eine Beschäftigung zu erlangen.

/ --" , 3. Einem Nachtarbeiter, der vorübergehend für untauglich zur Nachtarbeit erklärt worden ist, ist der gleiche Entlassungs- oder Kündigungsschutz zu gewähren wie anderen Arbeitnehmern, die aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig sind.

Artikel?

1. Es sind Massnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass für Arbeitnehmerinnen, die sonst Nachtarbeit verrichten müssten, eine Alternative zur Nachtarbeit zur Verfügung steht: a) vor und nach der Niederkunft während eines Zeitraums von mindestens 16 Wochen, davon mindestens acht Wochen vor der voraussichtlichen Niederkunft;

946

Nachtarbeit b) während zusätzlicher Zeiträume, für die eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt wird, der zufolge dies für die Gesundheit der Mutter oder des Kindes notwendig ist, i) während der Schwangerschaft; ii) während einer bestimmten Zeit im Anschluss an den gemäss Unterabsatz a) festgelegten Zeitraum nach der Niederkunft, deren Länge von der zuständigen Stelle nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer festzulegen ist.

2. Die in Absatz l dieses Artikels erwähnten Massnahmen können die Versetzung zu einer Tagesarbeit, soweit dies möglich ist, die Bereitstellung von Leistungen der Sozialen Sicherheit oder eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs umfassen.

3. Während der in Absatz l dieses Artikels erwähnten Zeiträume a) darf eine Arbeitnehmerin nicht entlassen oder darf ihr nicht gekündigt werden, ausser bei Vorliegen triftiger Gründe, die mit der Schwangerschaft oder der Niederkunft nicht zusammenhängen; b) ist das Einkommen der Arbeitnehmerin auf einem Niveau zu halten, das für ihren Unterhalt und den ihres Kindes bei angemessener Lebenshaltung ausreicht. Diese Einkommenssicherung kann durch eine der in Absatz 2 dieses Artikels genannten Massnahmen, durch andere geeignete Massnahmen oder durch eine Verbindung dieser Massnahmen gewährleistet werden; c) darf eine Arbeitnehmerin die Vorteile hinsichtlich Status, Dienstalter und Beförderung, die mit ihrem regulären Nachtarbeitsplatz verbunden sein können, nicht verlieren.

4. Die Bestimmungen dieses Artikels dürfen keine Minderung des Schutzes und der Leistung im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub bewirken.

Artikel 8 Der Ausgleich für Nachtarbeiter in Form von Arbeitszeit, Entgelt oder ähnlichen Vergünstigungen hat der Natur der Nachtarbeit Rechnung zu tragen.

Artikel 9 Für Nachtarbeiter, und erforderlichenfalls für Arbeitnehmer, die Nachtarbeit verrichten, sind geeignete Sozialdienste bereitzustellen.

Artikel 10 1. Vor der Einführung von Arbeitsplänen, die den Einsatz von Nachtarbeitern erforderlich machen, hat der Arbeitgeber die in Betracht kommenden Arbeitnehmervertreter zu den Einzelheiten dieser Arbeitspläne, zu den Formen der Organisation von Nachtarbeit, die für den Betrieb und sein Personal am geeignetsten sind, sowie zu den erforderlichen Gesundheitsschutzmassnahmen und

,947

Nachtarbeit

Sozialdiensten anzuhören. In Betrieben, die Nachtarbeiter beschäftigen, hat diese Anhörung regelmässig zu erfolgen.

2. Im Sinne dieses Artikels bedeutet der Ausdruck «Arbeitnehmervertreter» die aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis im Einklang mit dem Übereinkommen über Arbeitnehmervertreter, 1971, als solche anerkannten Personen.

Artikel 11 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens können durch die Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder gerichtliche Entscheidungen, eine Verbindung dieser Mittel oder auf eine andere den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechende Weise durchgeführt werden. Falls sie nicht durch andere Mittel in Kraft gesetzt worden sind, sind sie durch die Gesetzgebung durchzuführen.

2. Soweit die Bestimmungen dieses Übereinkommens durch die Gesetzgebung durchgeführt werden, hat eine vorherige Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer stattzufinden.

Artikel 12 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 13 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt, zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 14 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz l genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für wei-

948

Nachtarbeit

tere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 15 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 16 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 17 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 18 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neufasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes: a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 14 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

949

Nachtarbeit

Artikel 19 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

Es folgen die Unterschriften

4769

950

Anhang 3b

Empfehlung Nr. 178 betreffend Nachtarbeit

Übersetzung»

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Juni 1990 zu ihrer siebenundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Nachtarbeit, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über Nachtarbeit, 1990, erhalten sollen.

Die Konfenrez nimmt heute, am 26. Juni 1990, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend Nachtarbeit, 1990, bezeichnet wird.

I. Allgemeine Bestimmungen 1. Im Sinne dieser Empfehlung a) bedeutet der Ausdruck «Nachtarbeit» jede Arbeit, die während eines Zeitraums von mindestens sieben aufeinanderfolgenden Stunden verrichtet wird, der die Zeit zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens einschliesst und der von der zuständigen Stelle nach Anhörung der mässgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder durch Gesamtarbeitsverträge festzulegen ist; b) bedeutet der Ausdruck «Nachtarbeiter» einen Arbeitnehmer, dessen Arbeit die Leistung einer erheblichen Anzahl von Nachtarbeitsstunden erfordert, die eine bestimmte Grenze überschreitet. Diese Grenze ist von der zuständigen Stelle nach Anhörung der mässgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder durch Gesamtarbeitsverträge festzulegen.

2. Diese Empfehlung gilt für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme derjenigen, die in der Landwirtschaft, der Viehzucht, der Fischerei, dem Seetransport und der Binnenschiffahrt beschäftigt sind.

') Übersetzung des französischen Originaltextes

951

Nachtarbeit

3. (1) Die Bestimmungen dieser Empfehlung können durch die Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder gerichtliche Entscheidungen, eine Verbindung dieser Mittel oder auf eine andere den innerstaatlichen Verhältnissen, und Gepflogenheiten entsprechende Weise durchgeführt werden.

Falls sie nicht durch andere Mittel in Kraft gesetzt worden sind, sollten sie durch die Gesetzgebung durchgeführt werden.

(2) Soweit die Bestimmungen dieser Empfehlung durch die Gesetzgebung durchgeführt werden, sollte eine vorherige Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer stattfinden.

II. Arbeitszeit und Ruhezeiten 4. (1) Die Normalarbeitszeit der Nachtarbeiter sollte acht Stunden innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden, in dem sie Nachtarbeit verrichten, nicht überschreiten, mit Ausnahme von Arbeit, die erhebliche Zeiten blosser Anwesenheit oder Bereitschaft einschliesst, von Fällen, in denen andere Arbeitspläne den Arbeitnehmern einen zumindest gleichwertigen Schutz über verschiedene Zeiträume gewähren, oder von Fällen aussergewöhnlicher Umstände, die durch Gesamtarbeitsverträge oder anderenfalls durch die zuständige Stelle anerkannt werden.

(2) Die Normalarbeitszeit der Nachtarbeiter sollte im allgemeinen im Durchschnitt unter und keinesfalls im Durchschnitt über derjenigen der Arbeitnehmer liegen, die die gleiche Arbeit mit den gleichen Anforderungen in dem betreffenden Wirtschaftszweig oder Betrieb tagsüber verrichten.

(3) Nachtarbeitern sollten in mindestens gleichem Umfang wie anderen Arbeitnehmern allgemeine Massnahmen zur Verkürzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und zur Erhöhung der Zahl der bezahlten Urlaubstage zugute kommen.

5. (1) Die Arbeit sollte so geplant werden, dass Überstunden von Nachtarbeitern vor oder nach einem täglichen Arbeitszeitraum, der Nachtarbeit einschliesst, soweit wie möglich vermieden werden.

(2) In Berufen, die mit besonderen Gefahren oder schwerer körperlicher oder geistiger Belastung verbunden sind, sollten Nachtarbeiter vor oder nach einem täglichen Arbeitszeitraum, der Nachtarbeit einschliesst, keine Überstunden leisten, ausser in Fällen höherer Gewalt oder bei einem eingetretenen oder drohenden Unfall.

6. Falls Schichtarbeit mit Nachtarbeit verbunden ist, a) sollten in keinem Fall zwei aufeinanderfolgende
Vollzeitschichten geleistet werden, ausser in Fällen höherer Gewalt oder bei einem eingetretenen oder drohenden Unfall; b) sollte eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden zwischen zwei Schichten soweit wie möglich garantiert werden.

952

Nachtarbeit

7. Tägliche Arbeitszeiträume, die Nachtarbeit einschliessen, sollten eine oder mehrere Pausen einschliessen, damit die Arbeitnehmer sich ausruhen und verpflegen können. Die Einteilung und die Gesamtdauer dieser Pausen sollten den Belastungen Rechnung tragen, die den Arbeitnehmern durch die Art der Nachtarbeit auferlegt werden.

III. Finanzieller Ausgleich 8. (1) Für Nachtarbeit sollte im allgemeinen ein angemessener finanzieller Ausgleich gewährt werden. Ein solcher Ausgleich sollte zu dem Entgelt hinzukommen, das für die gleiche tagsüber verrichtete Arbeit mit den gleichen Anforderungen gezahlt wird, und a) sollte den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit wahren; b) kann in gegenseitigem Einvernehmen in Freizeit umgewandelt werden.

(2) Bei der Festlegung eines solchen Ausgleichs kann das Ausmass von Arbeitszeitverkürzungen berücksichtigt werden.

9. In Fällen, in denen der finanzielle Ausgleich für Nachtarbeit normaler Bestandteil des Verdienstes eines Nachtarbeiters ist, sollte er bei der Berechnung der Vergütung des bezahlten Jahresurlaubs, der bezahlten öffentlichen Feiertage und sonstiger normalerweise bezahlter Fehlzeiten sowie bei der Festsetzung der Beiträge und Leistungen der Sozialen Sicherheit einbezogen werden.

IV. Sicherheit und Gesundheit 10. Die Arbeitgeber und die in Betracht kommenden Arbeitnehmervertreter sollten in der Lage sein, die betriebsärztlichen Dienste, soweit solche bestehen, über die Auswirkungen verschiedener Formen der Organisation von Nachtarbeit zu befragen, insbesondere wenn diese in Wechselschichten verrichtet wird.

11. Bei der Festlegung des Inhalts der den Nachtarbeitern zugewiesenen Aufgaben sollte der Natur der Nachtarbeit und den Auswirkungen von Umweltfaktoren und Formen der Arbeitsorganisation Rechnung getragen werden. Besondere Aufmerksamkeit sollte Faktoren wie toxischen Stoffen, Lärm, Vibrationen und Beleuchtungsstärke sowie Formen der Arbeitsorganisation, die mit schwerer körperlicher oder geistiger Belastung verbunden sind, geschenkt werden. Kumulative Auswirkungen solcher Faktoren und Formen der Arbeitsorganisation sollten vermieden oder verringert werden.

12. Der Arbeitgeber sollte die erforderlichen Massnahmen treffen, um während der Nachtarbeit das gleiche Niveau des Schutzes vor berufsbedingten Gefahren wie tagsüber aufrechtzuerhalten, indem insbesondere die Isolierung der Arbeitnehmer soweit wie möglich vermieden wird.

953

Nachtarbeit

V. Sozialdienste 13. Es sollten Massnahmen getroffen werden, um die Wegzeiten der Nachtarbeiter zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu begrenzen oder zu verkürzen, um ihnen zusätzliche Fahrtkosten zu ersparen oder um diese zu verringern und um ihre Sicherheit bei Nachtfahrten zu verbessern. Diese Massnahmen können umfassen: a) die Abstimmung der Zeiten des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeiträume, die Nachtarbeit einschliessen, mit den Fahrplänen der örtlichen öffentlichen Verkehrsmittel; b) die Bereitstellung von Sammeltransportmitteln für die Nachtarbeiter durch den Arbeitgeber, falls keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen ; c) die Unterstützung der Nachtarbeiter bei der Anschaffung geeigneter Transportmittel ; d) die Zahlung eines entsprechenden Ausgleichs für zusätzliche Fahrtkosten; ,e) den Bau von Wohnkomplexen in angemessener Entfernung von der Arbeitsstätte.

14. Es sollten Massnahmen getroffen werden, um die Qualität der Ruhe für Nachtarbeiter zu verbessern. Diese Massnahmen können umfassen: a) die Beratung und gegebenenfalls Unterstützung der Nachtarbeiter hinsichtlich der Geräuschdämmung ihrer Wohnung; b) die Anlage und Ausstattung von Wohnkomplexen, die der Notwendigkeit der Lärmminderung Rechnung tragen.

15. Nachtarbeitern sollten zweckentsprechend ausgestattete Ruheeinrichtungen an geeigneten Orten im Betrieb zur Verfügung gestellt werden.

16. Der Arbeitgeber sollte die erforderlichen Massnahmen treffen, um Arbeitnehmer, die Nachtarbeit verrichten, in die Lage zu versetzen, Mahlzeiten und Getränke zu erhalten. Diese Massnahmen, die so beschaffen sein sollten, dass sie den Bedürfnissen der Nachtarbeiter gerecht werden, können umfassen: a) die Bereitstellung von Speisen und Getränken, die für den Verzehr in der Nacht geeignet sind, an geeigneten Orten im Betrieb; b) den Zugang zu Einrichtungen, wo die Arbeitnehmer mitgebrachte Speisen nachts zubereiten oder aufwärmen und verzehren können.

17. Das Ausmass, an dem am jeweiligen Ort Nachtarbeit verrichtet wird, sollte einer der Faktoren sein, die zu berücksichtigen sind, wenn über die Errichtung von Kinderkrippen oder sonstigen Diensten für die Betreuung von Kleinkindern entschieden wird, ihr Standort gewählt wird und ihre Öffnungszeiten festgelegt werden.

18. Im Rahmen der von den Behörden, von anderen
Einrichtungen und von Arbeitgebern getroffenen Massnahmen zur Förderung der Ausbildung und Umschulung sowie der kulturellen, sportlichen oder Freizeittätigkeiten der Arbeit954

Nachtarbeit

nehmer sollten die besonderen Zwänge, denen Nachtarbeiter unterliegen, gebührend berücksichtigt werden.

VI. Sonstige Massnahmen 19. Nachtarbeiterinnen sollten während der Schwangerschaft, sobald diese bekannt ist, auf Wunsch jederzeit zu einer Tagesarbeit versetzt werden, soweit dies möglich ist.

20. Bei Schichtarbeit sollte die besondere Lage der Arbeitnehmer mit Familienpflichten, der in Ausbildung befindlichen Arbeitnehmer und der älteren Arbeitnehmer bei Entscheidungen über die Zusammensetzung der Nachtschichten berücksichtigt werden.

21. Ausser in Fällen höherer Gewalt oder bei einem eingetretenen oder drohenden Unfall sollte den Arbeitnehmern das Erfordernis, Nachtarbeit zu verrichten, innerhalb einer angemessenen Frist vorher mitgeteilt werden.

22. Es sollten gegebenenfalls Massnahmen getroffen werden, um Nachtarbeiter in die Lage zu versetzen, wie andere Arbeitnehmer Ausbildungsmöglichkeiten, einschliesslich bezahlten Bildungsurlaubs, in Anspruch zu nehmen.

23. (1) Nachtarbeiter, die eine bestimmte Anzahl von Jahren Nachtarbeit geleistet haben, sollten bei der Besetzung freier Tagesarbeitsplätze, für die sie die erforderlichen Qualifikationen besitzen, besonders berücksichtigt werden.

(2) Es sollten Vorbereitungen für solche Versetzungen getroffen werden, indem die Ausbildung der Nachtarbeiter, soweit erforderlich, für normalerweise tagsüber verrichtete Aufgaben erleichtert wird.

24. Arbeitnehmer, die eine erhebliche Anzahl von Jahren als Nachtarbeiter tätig gewesen sind, sollten hinsichtlich der Möglichkeiten für den freiwilligen Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand oder den Teilruhestand, soweit solche Möglichkeiten bestehen, besonders berücksichtigt werden.

25. Nachtarbeiter, die eine gewerkschaftliche oder Arbeitnehmervertretungsfunktion wahrnehmen, sollten wie andere Arbeitnehmer, die eine solche Funktion ausüben, in der Lage sein, diese unter ordnungsgemässen Bedingungen auszuüben. Bei Entscheidungen über die Einteilung von Arbeitnehmervertretern zur Nachtarbeit sollte die Notwendigkeit, Arbeitnehmervertretungsfunktionen wahrzunehmen, berücksichtigt werden.

26. Die Statistiken über Nachtarbeit sollten verbessert werden, und die Untersuchungen über die Auswirkungen verschiedener Formen der Organisation von Nachtarbeit, vor allem wenn sie im Rahmen von Schichtsystemen durchgeführt wird, sollten verstärkt werden.

955

Nachtarbeit

27. Wann immer möglich sollten der wissenschaftliche und technische Fortschritt und Neuerungen im Bereich der Arbeitsorganisation genutzt werden, um Nachtarbeit zu beschränken.

Es folgen die Unterschriften

4769

956

Anhang 4a Protokoll VOn 1990

Übersetzung^

zum Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 6. Juni 1990 zu ihrer siebenundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Nachtarbeit, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines Protokolls zum Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948 (nachstehend «das Übereinkommen» genannt), erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 26. Juni 1990, das folgende Protokoll an, das als Protokoll von 1990 zum Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948, bezeichnet wird.

Artikel l 1. (1) Die nach Anhörung der massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angenommene innerstaatliche Gesetzgebung kann bestimmen, dass Abweichungen von der Länge des in Artikel 2 des Übereinkommens definierten Nachtzeitraums und Ausnahmen von dem in Artikel 3 des Übereinkommens enthaltenen Verbot der Nachtarbeit durch Beschluss der zuständigen Stelle eingeführt werden können: a) in einem bestimmten Wirtschaftszweig oder Beruf, vorausgesetzt, dass die die betreffenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertretenden Verbände eine Vereinbarung geschlossen oder ihre Zustimmung erteilt haben; b) in einem oder mehreren bestimmten Betrieben, auf die ein gemäss Buchstabe a) gefasster Beschluss nicht Anwendung findet, vorausgesetzt, dass i) in dem betreffenden Betrieb oder Unternehmen eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmervertretern geschlossen worden ist; und

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

957

Nachtarbeit der Frauen

ii) die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweigs oder Berufs vertretenden Verbände oder die massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angehört worden sind; c) in einem bestimmten Betrieb, auf den ein gemäss Buchstabe a) gefasster Beschluss nicht Anwendung findet und in dem keine Vereinbarung gemäss Buchstabe b) i) erzielt worden ist, vorausgesetzt, dass i) die Arbeitnehmervertreter in dem Betrieb oder Unternehmen sowie die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer des betreffenden Wirtschaftszweigs oder Berufs vertretenden Verbände oder die massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer angehört worden sind; ii) die zuständige Stelle sich davon überzeugt hat, dass in dem Betrieb hinsichtlich des Arbeitsschutzes, der Sozialdienste und der Chancengleichheit und Gleichbehandlung für Arbeitnehmerinnen ausreichende Garantien bestehen; und iii) der Beschluss der zuständigen Stelle für einen bestimmten Zeitraum gilt, der in Anwendung des in den Ziffern i) und ii) vorgesehenen Verfahrens verlängert werden kann.

(2) Im Sinne dieses Absatzes bedeutet der Ausdruck «Arbeitnehmervertreter» die aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis im Einklang mit dem Übereinkommen über Arbeitnehmervertreter, 1971, als solche anerkannten Personen.

2. Die in Absatz l erwähnte innerstaatliche Gesetzgebung hat die Umstände, unter denen solche Abweichungen und Ausnahmen zulässig sind, und die Bedingungen, denen sie unterliegen, festzulegen.

Artikel 2 1. Es ist zu verbieten, die gemäss Artikel l zulässigen Abweichungen und Ausnahmen auf Arbeitnehmerinnen während eines Zeitraums von mindestens 16 Wochen vor und nach der Niederkunft anzuwenden, davon mindestens acht Wochen vor der voraussichtlichen Niederkunft. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann die Aufhebung dieses Verbots auf den ausdrücklichen Wunsch der betreffenden Arbeitnehmerin zulassen, unter der Voraussetzung, dass weder ihre Gesundheit noch die ihres Kindes gefährdet wird.

2. Das in Absatz l dieses Artikels vorgesehene Verbot hat auch für zusätzliche Zeiträume zu gelten, für die eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt wird, der zufolge dies für die Gesundheit der Mutter oder des Kindes notwendig ist, a) während der Schwangerschaft; oder b) während einer bestimmten Zeit im Anschluss an den gemäss Absatz l festgelegten Zeitraum nach der Niederkunft.

958

Nachtarbeit der Frauen

3. Während der in den Absätzen l und 2 dieses Artikels erwähnten Zeiträume a) darf eine Arbeitnehmerin nicht entlassen oder darf ihr nicht gekündigt werden, ausser bei Vorliegen triftiger Gründe, die mit der Schwangerschaft oder der Niederkunft nicht zusammenhängen; b) ist das Einkommen der Arbeitnehmerin auf einem Niveau zu halten, das für ihren Unterhalt und den ihres Kindes bei angemessener Lebenshaltung ausreicht. Diese Einkommenssicherung kann durch die Versetzung zu einer Tagesarbeit, verlängerten Mutterschaftsurlaub, Leistungen der Sozialen Sicherheit oder andere geeignete Massnahmen oder durch eine Verbindung dieser Massnahmen gewährleistet werden.

4. Die Bestimmungen der Absätze l, 2 und 3 dieses Artikels dürfen keine Minderung des Schutzes und der Leistungen im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub bewirken.

Artikel 3 Informationen über die gemäss diesem Protokoll eingeführten Abweichungen und Ausnahmen sind in die gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorgelegten Berichte über die Durchführung des Übereinkommens aufzunehmen.

Artikel 4 1. Ein Mitglied kann dieses Protokoll gleichzeitig mit der Ratifikation des Übereinkommens oder jederzeit danach durch Mitteilung seiner förmlichen Ratifikation des Protokolls an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung ratifizieren. Diese Ratifikation wird zwölf Monate nach ihrer Eintragung durch den Generaldirektor wirksam. Danach bindet das Übereinkommen das betreffende Mitglied unter Einbeziehung der Artikel l und 3 dieses Protokolls.

2. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen dieses Protokolls, die ihm von den Parteien des Übereinkommens mitgeteilt werden.

3. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe des Absatzes l dieses Artikels eingetragenen Ratifikationen.

959

Nachtarbeit der Frauen

Artikel 5 Der französische und der englische Wortlaut dieses Protokolls sind in gleicher Weise verbindlich.

Es folgen die Unterschriften

4769

960

Anhang 4b

Übereinkommen Nr. 89 über die Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1948)2)

Übersetzung^

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach San Francisco einberufen wurde und am 17. Juni 1948 zu ihrer einunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer ersten Tagung angenommenen Übereinkommens über die Nachtarbeit der Frauen, 1919, und des von der Konferenz auf ihrer achtzehnten Tagung angenommenen abgeänderten Übereinkommens über die Nachtarbeit (Frauen), 1934, eine Frage, die den neunten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 9. Juli 1948, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Nachtarbeit der Frauen (Neufassung), 1948, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen Artikel l 1. Als «gewerbliche Betriebe» im Sinne dieses Übereinkommens gelten insbesondere a) Bergwerke, Steinbrüche und andere Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen, b) Betriebe, in denen Gegenstände hergestellt, umgeändert, gereinigt, ausgebessert, verziert, fertiggestellt, verkaufsbereit gemacht oder abgebrochen werden oder in denen Stoffe umgearbeitet werden, einschliesslich Schiffsbaubetriebe und Betriebe zur Erzeugung, Umformung und Übertragung von Elektrizität oder sonstiger motorischer Kraft jeder Art,

'' Übersetzung des französischen Originaltextes.

> Dieses Übereinkommen ist am 27. Februar 1951 in Kraft getreten.

2

961

Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe

c) Betriebe des Hoch- und Tiefbaues, einschliesslich Bau-, Ausbesserungs-, Instandhaltungs-, Umbau- und Abbrucharbeiten.

2. Die zuständige Stelle bestimmt die Grenze zwischen Gewerbe einerseits, Landwirtschaft, Handel und anderen nichtgewerblichen Arbeiten andererseits.

Artikel 2

Als «Nacht» im Sinne dieses Übereinkommens gilt ein Zeitraum von mindestens elf aufeinanderfolgenden Stunden, der eine von der zuständigen Stelle bestimmte, mindestens sieben aufeinanderfolgende Stunden umfassende Zeitspanne in sich schliesst, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt. Die zuständige Stelle kann für bestimmte Gebiete, Gewerbe, Betriebe oder Gewerbe- oder Betriebsgruppen andere Zeitspannen vorschreiben, hat aber vor Festsetzung einer nach elf Uhr abends beginnenden Zeitspanne die beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer anzuhören.

Artikels Frauen ohne Unterschied des Alters dürfen während der Nacht in öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben nicht beschäftigt werden. Dies gilt nicht für Betriebe, in denen lediglich Mitglieder derselben Familie beschäftigt sind.

Artikel 4

Artikel 3 findet keine Anwendung a) im Fall einer nicht vorherzusehenden, sich nicht periodisch wiederholenden Betriebsunterbrechung, die auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, b) in Fällen, in denen es sich um Arbeit an Rohstoffen oder in Bearbeitung stehenden Stoffen handelt, die einem raschen Verderb ausgesetzt sind, sofern es zur Verhütung eines sonst unvermeidlichen Verlustes an diesen Rohstoffen oder Stoffen erforderlich ist.

Artikel 5 1. Das Verbot der Nachtarbeit der Frauen kann von der Regierung nach Anhörung der beteiligten Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ausser Kraft gesetzt werden, wenn es das Staatswohl infolge besonders schwerwiegender Umstände erfordert.

2. Hiervon ist dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes von der Regierung in ihrem Jahresbericht über die Durchführung des Übereinkommens Mitteilung zu machen.

962

Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe

Artikel 6 In gewerblichen Betrieben, die dem Einfluss der Jahreszeiten unterworfen sind, sowie in allen Fällen, in denen ausserordentliche Umstände es erheischen, kann die in Artikel 2 angegebene Nachtzeit an sechzig Tagen im Jahre auf zehn Stunden herabgesetzt werden.

Artikel 7 In Ländern, in denen die Arbeit am Tag infolge des Klimas besonders angreifend ist, kann die Nachtzeit kürzer bemessen werden, als in den vorhergehenden Artikeln bestimmt ist, vorausgesetzt, dass am Tag als Ersatz eine entsprechende Ruhezeit gewährt wird.

Artikel 8 Dieses Übereinkommen gilt nicht a) für Frauen, die verantwortliche Stellungen leitender oder technischer Art bekleiden, b) für Frauen, die im Gesundheits- und Fürsorgedienst tätig sind und in der Regel keine körperliche Arbeit verrichten.

Teil II. Sonderbestimmungen für bestimmte Länder Artikel 9 In Ländern, in denen die Nachtarbeit der Frauen in gewerblichen Betrieben noch nicht gesetzlich geregelt ist, kann für eine Übergangsfrist von höchstens drei Jahren von der Regierung bestimmt werden, dass unter «Nacht» ein Zeitraum von nur zehn Stunden zu verstehen ist; dieser Zeitraum muss eine mindestens sieben aufeinanderfolgende Stunden umfassende, von der zuständigen Stelle festzusetzende Zeitspanne in sich schliessen, die zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens liegt.

Artikel 10 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden auf Indien Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen.

2. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Indian Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

3. Als «gewerbliche Betriebe» gelten a) Fabriken im Sinne des indischen Fabrikgesetzes, b) Bergwerke, auf die das indische Bergbaugesetz Anwendung findet.

963

Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe

Artikel 11 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens finden auf Pakistan Anwendung, vorbehaltlich der in diesem Artikel vorgesehenen Abweichungen.

2. Die genannten Bestimmungen gelten für alle Gebiete, in denen die «Pakistan Legislature» zu ihrer Durchführung zuständig ist.

3. Als «gewerbliche Betriebe» gelten a) Fabriken im Sinne des Fabrikgeset/es, b) Bergwerke, auf die das Bergbaugesetz Anwendung findet.

Artikel 12 1. Die Internationale Arbeitskonferenz kann auf jeder Tagung, auf deren Tagesordnung die Frage steht, mit Zweidrittelmehrheit Abänderungsentwürfe zu einem oder mehreren der vorausgehenden Artikel des Teiles II dieses Übereinkommens annehmen.

2. Ein solcher Abänderungsentwurf hat anzugeben, auf welches Mitglied oder auf welche Mitglieder er Anwendung findet. Er ist von dem Mitglied, auf das er Anwendung findet, oder von den Mitgliedern, auf die er Anwendung findet, spätestens ein Jahr oder, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen, ! spätestens achtzehn Monate nach Schluss der Tagung der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Stelle oder den zur Entscheidung berufenen Stellen zum Zwecke der Verwirklichung durch die Gesetzgebung oder zwecks sonstiger Massnahmen zu unterbreiten.

3. Erlangt das Mitglied die Zustimmung der zur Entscheidung berufenen Stelle oder der zur Entscheidung berufenen Stellen, so teilt es die förmliche Ratifikation der Abänderung dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mit.

4. Sobald ein solcher Abänderungsentwurf von dem Mitglied, auf das er Anwendung findet, oder von den Mitgliedern, auf die er Anwendung findet, ratifiziert worden ist, tritt er als Abänderung dieses Übereinkommens in Kraft.

Teil III. Schlussbestimmungen Artikel 13 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 14 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen iSt.

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Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 15 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 16 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 17 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 18 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

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Nachtarbeit der Frauen im Gewerbe

Artikel 19 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 15, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 20 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

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Anhang 5a

Übereinkommen Nr. 119 über den Maschinenschutz

Übersetzung1^

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1963 zu ihrer 47. Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend das Verbot des Verkaufs, der Vermietung und der Verwendung von Maschinen ohne geeignete Schutzvorrichtungen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1963, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über den Maschinenschutz, 1963, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen Artikel l 1. Alle neuen oder gebrauchten Maschinen, die nicht von menschlicher Kraft angetrieben werden, gelten für die Durchführung dieses Übereinkommens als Maschinen.

2. Die zuständige Stelle jedes Landes hat zu bestimmen, ob und inwieweit neue oder gebrauchte Maschinen, die von menschlicher Kraft angetrieben werden, eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer darstellen und für die Durchführung dieses Übereinkommens als Maschinen zu gelten haben.

Diese Entscheidungen sind nach Anhörung der massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu treffen. Die Initiative zu dieser Anhörung kann von jedem dieser Verbände ausgehen.

3. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens a. gelten für Strassen- oder Schienenfahrzeuge während der Fahrt nur, soweit sie die Sicherheit des Fahrpersonals betreffen;

'' Übersetzung des französischen Originaltextes.

967

Maschinenschutz

b. gelten für bewegliche landwirtschaftliche Maschinen nur, soweit sie die Sicherheit der Arbeitnehmer betreffen, deren Beschäftigung mit diesen Maschinen zusammenhängt.

Teil II.

Verkauf, Vermietung, anderweitige Überlassung und Ausstellung Artikel 2 1. Der Verkauf und die Vermietung von Maschinen, deren in den Absätzen 3 und 4 dieses Artikels bezeichnete gefährliche Elemente nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen sind, sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung zu verbieten oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen zu verhindern.

\ 2. Die anderweitige Überlassung und die Ausstellung von Maschinen, deren in den Absätzen 3 und 4 dieses Artikels bezeichnete gefährliche Elemente nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen sind, sind in dem von der zuständigen Stelle bestimmten Umfang durch die innerstaatliche Gesetzgebung zu verbieten oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen zu verhindern. Die vorübergehende Entfernung der Schutzvorrichtungen, die während der Ausstellung der Maschine zu Vorführungszwecken erfolgt, gilt jedoch nicht als Verstoss gegen die vorliegende Bestimmung, sofern geeignete Vorsichtsmassnahmen zum Schutz von Personen gegen jede Gefahr getroffen werden.

3. Alle Stellschrauben, Bolzen und Keile und, soweit die zuständige Stelle dies vorschreibt, diejenigen anderen hervorstehenden Teile der beweglichen Maschinenelemente, die für Personen, die mit diesen Teilen, wenn sie sich in Bewegung befinden, in Berührung kommen, gleichfalls eine Gefahr darstellen können, müssen so gestaltet, versenkt angeordnet oder geschützt sein, dass diese Gefahr verhütet wird.

4. Alle Schwungräder, Zahn- und Reibradgetriebe, Nocken, Riemenscheiben und Treibriemen, Kettenräder und Ketten, Schnecken- und Kurbelgetriebe und Führungsschieber und, soweit die zuständige Stelle dies vorschreibt, diejenigen Wellen (einschliesslich der Wellenenden) und anderen Übertragungsvorrichtungen, die für Personen, die mit diesen Elementen, wenn sie sich in Bewegung befinden, in Berührung kommen, gleichfalls eine Gefahr darstellen können, müssen so gestaltet oder geschützt sein, dass diese Gefahr verhütet wird. Die Bedienungselemente der Maschinen .müssen so gestaltet oder geschützt sein, dass jede Gefahr verhütet wird.

Artikel 3 1. Die Bestimmungen des Artikels 2 gelten nicht für Maschinen oder deren dort bezeichnete gefährliche Elemente, die 968

Maschinenschutz

a. infolge ihrer Bauart die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären; b. dazu bestimmt sind, so aufgestellt oder angebracht zu werden, dass sie infolge ihrer Aufstellung oder Anbringung die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären.

2. Sind Maschinen so gebaut, dass während der Wartung, des Schmierens, des Einrichtens oder des Einstellens die Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 3 und 4 nicht restlos erfüllt sind, so fallen sie nicht allein aus diesem Grund unter das in Artikel 2, Absatz l und 2 vorgesehene Verbot des Verkaufs, der Vermietung, der anderweitigen Überlassung oder der Ausstellung, sofern jene Verrichtungen unter Einhaltung anerkannter Sicherheitsnormen ausgeführt werden können.

3. Die Bestimmungen des Artikels 2 stehen dem Verkauf oder der anderweitigen Überlassung von Maschinen zum Zweck der Lagerung, Verschrottung oder Wiederinstandsetzung nicht entgegen, doch dürfen diese Maschinen nach ihrer Lagerung oder Wiederinstandsetzung nur dann verkauft, vermietet, auf andere Weise überlassen oder ausgestellt werden, wenn sie nach den genannten Bestimmungen geschützt sind.

Artikel 4

Die Verpflichtung zur Durchführung der in Artikel 2 vorgesehenen Bestimmungen obliegt dem Verkäufer, dem Vermieter, der Person, welche Maschinen auf andere Weise überlässt, oder dem Aussteller sowie gegebenenfalls entsprechend der innerstaatlichen Gesetzgebung den Beauftragten dieser Person. Dieselbe Verpflichtung obliegt dem Hersteller, welcher Maschinen verkauft, vermietet, auf andere Weise überlässt oder ausstellt.

Artikel 5 1. Jedes Mitglied kann eine zeitweilige Aufhebung von Bestimmungen des Artikels 2 vorsehen.

2. Die Geltungsdauer der zeitweiligen Aufhebung, die drei Jahre, gerechnet vom Inkrafttreten des Übereinkommens für das betreffende Mitglied, nicht überschreiten darf, und die darauf bezüglichen sonstigen Bedingungen sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen zu bestimmen.

3. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Artikels hat i die zuständige Stelle die massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls die Verbände der Hersteller anzuhören.

32 Bundesblatt 143. Jahrgang. Bd. III

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Maschinenschutz

Teil III. Verwendung Artikel 6 1. Die Verwendung von Maschinen, bei denen irgendein gefährliches Element einschliesslich der Arbeitselemente (Wirkungsangriff) nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen ist, ist durch die innerstaatliche Gesetzgebung zur verbieten oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen zu verhindern.

Würde jedoch die volle Einhaltung dieses Verbotes die Verwendung der Maschine unmöglich machen, so gilt es jedenfalls insoweit, als die Verwendung der Maschinen dies zulässt.

2. Die Maschinen müssen so geschützt sein, dass die Einhaltung der innerstaatlichen Vorschriften und Normen für Arbeitssicherheit und Arbeitshygiene gewährleistet ist.

Artikel?

Die Verpflichtung zur Durchführung der in Artikel 6 vorgesehenen Bestimmungen obliegt dem Arbeitgeber.

Artikels 1. Die Bestimmungen von Artikel 6 gelten nicht für solche Maschinen oder Maschinenelemente, die infolge ihrer Bauart, ihrer Aufstellung oder Anbringung die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären.

2. Die Bestimmungen von Artikel 6 und Artikel 11 stehen der Wartung, dem Schmieren, dem Einrichten oder dem Einstellen von Maschinen oder Maschinenelementen nicht entgegen, sofern diese Verrichtungen unter Einhaltung anerkannter Sicherheitsnormen erfolgen.

Artikel 9 1. Jedes Mitglied kann eine zeitweilige Aufhebung von Bestimmungen des Artikels 6 vorsehen.

2. Die Geltungsdauer der zeitweiligen Aufhebung, die drei Jahre, gerechnet vom Inkrafttreten des Übereinkommens für das betreffende Mitglied, nicht überschreiten darf, und die darauf bezüglichen sonstigen Bedingungen sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen zu bestimmen.

3. Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Artikels hat die zuständige Stelle die massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände anzuhören.

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Maschinenschutz

Artikel 10 1. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer von der innerstaatlichen Gesetzgebung über den Maschinenschutz Kenntnis erhalten; er hat sie in geeigneter Weise liber die Gefahren, die mit der Verwendung von Maschinen verbunden sind sowie über die zu treffenden Vorsichtsmassnahmen aufzuklären.

2. Der Arbeitgeber hat solche Umweltbedingungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, dass die Arbeitnehmer, die an Maschinen beschäftigt sind, für die dieses Übereinkommen gilt, in keiner Weise gefährdet werden.

Artikel 11 1. Kein Arbeitnehmer darf eine Maschinen verwenden, deren Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäss angebracht sind; auch darf von keinem Arbeitnehmer verlangt werden, eine Maschine zu verwenden, deren Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäss angebracht sind.

2. Kein Arbeitnehmer darf die Schutzvorrichtungen der von ihm verwendeten Maschine unwirksam machen; auch dürfen solche Schutzvorrichtungen an einer Maschine, die ein Arbeitnehmer verwenden soll, nicht unwirksam gemacht werden.

Artikel 12 Durch die Ratifikation dieses Übereinkommens werden die Rechte der Arbeitnehmer aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung in bezug auf die Soziale Sicherheit oder die Sozialversicherung nicht berührt.

Artikel 13 Die Bestimmungen dieses Teils des Übereinkommens, die sich auf die Verpflichtungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer beziehen, gelten, falls und soweit die zuständige Stelle dies bestimmt, auch für selbständig Erwerbstätige.

Artikel 14 Der Ausdruck «Arbeitgeber» bezieht sich für die Durchführung dieses Teils des Übereinkommens gegebenenfalls auch auf den Beauftragten des Arbeitgebers im Sinne der innerstaatlichen Gesetzgebung.

Teil IV. Durchführungsmassnahmen Artikel 15 1. Es sind alle erforderlichen Massnahmen einschliesslich geeigneter Zwangsmassnahmen zu treffen, um die wirksame Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu gewährleisten.

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Maschinenschutz

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, geeignete Aufsichtsdienste mit der Überwachung der Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens zu beauftragen oder sich zu vergewissern, dass eine angemessene Aufsicht ausgeübt wird.

Artikel 16

Alle innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die zur Durchführung dieses Übereinkommens erlassen werden, sind von der zuständigen Stelle nach Anhörung der massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls der Verbände der Hersteller auszuarbeiten.

Teil V. Geltungsbereich Artikel 17 1. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten für alle Wirtschaftszweige, sofern nicht das ratifizierende Mitglied die Durchführung des Übereinkommens durch eine seiner Ratifikationsurkunde beigefügte Erklärung einschränkt.

2. Wird eine solche Erklärung über die eingeschränkte Durchführung dieses Übereinkommens abgegeben, so a. gelten die Bestimmungen des Übereinkommens zumindest für diejenigen Betriebe oder Wirtschaftszweige, für welche die zuständige Stelle nach Anhörung der Arbeitsaufsichtsdienste und der massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände feststellt, dass sie in erheblichem Ausmass Maschinen verwenden; die Initiative zu dieser Anhörung kann von jedem dieser Verbände ausgehen; b. hat das Mitglied in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Jahresberichten anzugeben, inwieweit Fortschritte im Hinblick auf eine weitergehende Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens verwirklicht worden sind.

3. Jedes Mitglied, das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels abgegeben hat, kann diese jederzeit durch eine spätere Erklärung ganz oder teilweise zurückziehen.

Teil VI. Schlussbestimmungen Artikel 18 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

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Maschinenschutz

Artikel 19 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 20 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 21 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 22 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen, vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

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Maschinenschutz

Artikel 23 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 24 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a. Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 20, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 25 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommen sind in gleicher Weise massgebend.

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974

Anhang 56

Empfehlung Nr. 118

Übersetzung»

betreffend den Maschinenschutz

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 1968 zu ihrer 47. Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend das Verbot des Verkaufs, der Vermietung und der Verwendung von Maschinen ohne geeignete Schutzvorrichtungen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über den Maschinenschutz, 1963, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1963, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend den Maschinenschutz, 1963, bezeichnet wird.

I. Herstellung, Verkauf, Vermietung, anderweitige Überlassung und Ausstellung 1. (1) Die Herstellung, der Verkauf, die Vermietung sowie - in dem von der zuständigen Stelle bestimmten Umfang - die anderweitige Überlassung und die Ausstellung bestimmter Arten von Maschinen, wie sie in Artikel l des Übereinkommens über den Maschinenschutz, 1963, bezeichnet sind, sollten durch die innerstaatliche Gesetzgebung verboten oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen verhindert werden, wenn diese Maschinen ausser den in Artikel 2 des Übereinkommens bezeichneten Elementen gefährliche Arbeitselemente (Wirkungsangriff) ohne geeignete Schutzvorrichtungen aufweisen.

(2) Bei der Konstruktion von Maschinen sollten die Bestimmungen des vorstehenden Unterabsatzes und des Absatzes 2 berücksichtigt werden.

(3) Die in Unterabsatz (1) erwähnten Maschinenarten sollten von der innerstaatlichen Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen bestimmt werden.

'' Übersetzung des französischen Originaltextes.

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Maschinenschutz

2. Bei der Bestimmung der von Absatz l erfassten Maschinenarten sollten ferner folgende Bestimmungen berücksichtigt werden: a) alle Arbeitselemente von Maschinen, die während ihres Betriebs Splitter oder Späne erzeugen können, sollten angemessen geschützt sein, so dass die Sicherheit des Bedienungspersonals gewährleistet ist; b) alle Maschinenelemente, die unter gefährlicher elektrischer Spannung stehen, sollten so geschützt sein, dass der volle Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist; c) wann immer es möglich ist, sollten automatische Sicherheitsvorrichtungen die Personen beim Ingangsetzen, während des Betriebs und beim Abstellen der Maschinen schützen; d) die Maschinen sollten so gebaut sein, dass nach Möglichkeit alle anderen als die in diesem Absatz beschriebenen Gefahren verhütet werden, denen die an solchen Maschinen beschäftigten Personen mit Rücksicht auf die Natur der verwendeten Materialien oder die Art der Gefahr ausgesetzt sein könnten.

3. (1) Die Bestimmungen von Absatz l gelten nicht für die dort bezeichneten Maschinen oder Arbeitselemente von Maschinen, die a) infolge ihrer Bauart die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären; b) dazu bestimmt sind, so aufgestellt oder angebracht zu werden, dass sie infolge ihrer Aufstellung oder Anbringung die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Sicherheitsvorrichtungen versehen wären.

(2) Sind Maschinen so gebaut, dass während der Wartung, des Schmierens, des Einrichtens oder des Einsteilens die Voraussetzungen von Absatz l nicht restlos erfüllt sind, so sollten sie nicht allein aus diesem Grund unter das dort vorgesehene Verbot der Herstellung, des Verkaufs, der Vermietung, der anderweitigen Überlassung oder der Ausstellung fallen, sofern jene Verrichtungen unter Einhaltung anerkannter Sicherheitsnormen ausgeführt werden können.

(3) Die Bestimmungen von Absatz l stehen dem Verkauf oder der anderweitigen Überlassung von Maschinen zum Zweck ihrer Lagerung, Verschrottung oder Wiederinstandsetzung nicht entgegen, doch sollten diese Maschinen nach ihrer Lagerung oder Wiederinstandsetzung nur dann verkauft, vermietet, auf andere Weise überlassen oder ausgestellt werden, wenn sie nach den genannten Bestimmungen geschützt sind.

4. Die Verpflichtung zur Durchführung der in Absatz l
vorgesehenen Bestimmungen sollte dem Hersteller, dem Verkäufer, dem Vermieter, der Person, welche Maschinen auf andere Weise überlässt, oder dem Aussteller sowie gegebenenfalls entsprechend der innerstaatlichen Gesetzgebung den Beauftragten dieser Personen obliegen.

5. (1) Jedes Mitglied kann eine zeitweilige Aufhebung von Bestimmungen des Absatzes l vorsehen.

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(2) Die Geltungsdauer der zeitweiligen Aufhebung, die drei Jahre nicht überschreiten sollte, und die darauf bezüglichen sonstigen Bedingungen sollten durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen bestimmt werden.

(3) Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Absatzes sollte ; die zuständige Stelle die massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls die Verbände der Hersteller anhören.

6. Die Bedienungsanleitungen für Maschinen sollten auf Methoden beruhen, die geeignet sind, eine unfallsichere Verwendung zu gewährleisten.

II. Verwendung 7. (1) Die Verwendung von Maschinen, bei denen irgendein gefährliches Element einschliesslich der Arbeitselemente (Wirkungsangriff) nicht mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen ist, sollte durch die innerstaatliche Gesetzgebung verboten oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen verhindert werden.

Würde jedoch die volle Einhaltung dieses Verbots die Verwendung der Maschine unmöglich machen, so sollte es jedenfalls insoweit gelten, als die Verwendung der Maschine dies zulässt.

(2) Die Maschinen sollten so geschützt sein, dass die Einhaltung der innerstaatlichen Vorschriften und Normen für Arbeitssicherheit und Arbeitshygiene gewährleistet ist.

8. Die Verpflichtung zur Durchführung der in Absatz 7 vorgesehenen Bestimmungen sollte dem Arbeitgeber obliegen.

9. (1) Die Bestimmungen von Absatz? sollten nicht für solche Maschinen oder Maschinenelemente gelten, die infolge ihrer Bauart, ihrer Aufstellung oder Anbringung die gleiche Sicherheit bieten, wie wenn sie mit geeigneten Schutzvorrichtungen versehen wären.

(2) Die Bestimmungen von Absatz 7 und Absatz 12 stehen der Wartung, dem Schmieren, dem Einrichten oder dem Einstellen von Maschinen und Maschinenelementen nicht entgegen, sofern diese Verrichtungen unter Einhaltung anerkannter Sicherheitsnormen erfolgen.

10. (1) Jedes Mitglied kann eine zeitweilige Aufhebung von Bestimmungen des Absatzes 7 vorsehen.

(2) Die Geltungsdauer der zeitweiligen Aufhebung, die drei Jahre nicht überschreiten darf, und die darauf bezüglichen sonstigen Bedingungen sollten durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch andere, ebenso wirksame Massnahmen bestimmt werden.

33 Bundesblatt 143.Jahrgang. Bd.III

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Maschinenschutz

(3) Zur Durchführung der Bestimmungen dieses Absatzes sollte die zuständige Stelle die massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände anhören.

11. (1) Der Arbeitgeber sollte dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer von der innerstaatlichen Gesetzgebung über den Maschinenschutz Kenntnis erhalten; er sollte sie in geeigneter Weise über die Gefahren, die mit der Verwendung von Maschinen verbunden sind, sowie über die zu treffenden Vorsichtsmassnahmen aufklären.

(2) Der Arbeitgeber sollte solche Umweltbedingungen schaffen und aufrechterhalten, dass die Arbeitnehmer, die an Maschinen beschäftigt sind, für die diese Empfehlung gilt, in keiner Weise gefährdet werden.

12. (1) Kein Arbeitnehmer sollte eine Maschine verwenden, deren Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäss angebracht sind; auch sollte von keinem Arbeitnehmer verlangt werden, eine Maschine zu verwenden, deren Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäss angebracht sind.

(2) Kein Arbeitnehmer sollte die Schutzvorrichtungen der von ihm verwendeten Maschine unwirksam machen; auch sollten solche Schutzvorrichtungen an einer Maschine, die ein Arbeitnehmer verwenden soll, nicht unwirksam gemacht werden.

13. Durch die Anwendung dieser Empfehlung sollten die Rechte der Arbeitnehmer aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung in bezug auf die Soziale Sicherheit oder die Sozialversicherung nicht berührt werden.

14. Die Bestimmungen dieses Abschnittes der Empfehlung, die sich auf die Verpflichtungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer beziehen, sollten, falls und soweit die zuständige Stelle dies bestimmt, auch für selbständig Erwerbstätige gelten.

15. Der Ausdruck «Arbeitgeber» bezieht sich für die Durchführung dieses Abschnitts der Empfehlung gegebenenfalls auch auf den Beauftragten des Arbeitgebers im Sinne der innerstaatlichen Gesetzgebung.

III. Geltungsbereich 16. Diese Empfehlung gilt für alle Wirtschaftszweige.

IV. Sonstige Bestimmungen 17. (1) Es sollten alle erforderlichen Massnahmen getroffen werden, um die wirksame Durchführung der Bestimmungen dieser Empfehlung zu gewährleisten. Diese Massnahmen sollten eine möglichst eingehende Beschreibung der Mittel umfassen, die für Maschinen oder bestimmte Arten von Maschinen als 978

Maschinenschutz

geeigneter Schutz gelten können; ferner sollten sie Vorkehrungen für eine wirksame Aufsicht und für geeignete Zwangsmassnahmen umfassen.

(2) Jedes Mitglied sollte geeignete Aufsichtsdienste mit der Überwachung der Durchführung der Bestimmungen dieser Empfehlung beauftragen oder sich vergewissern, dass eine angemessene Aufsicht ausgeübt wird.

18. (1) Mitglieder, die Maschinen ausführen oder einführen, sollten zum Zweck der gemeinsamen Beratung und Zusammenarbeit bei der Durchführung des Übereinkommens über den Maschinenschutz, 1963, und dieser Empfehlung in bezug auf den Verkauf oder die Vermietung von Maschinen von einem Land zum anderen zweiseitige oder mehrseitige Vereinbarungen treffen.

(2) Diese Vereinbarungen sollten insbesondere die Vereinheitlichung der für Maschinen geltenden Normen für Arbeitssicherheit und Arbeitshygiene zum Gegenstand haben.

(3) Bei der Ausarbeitung solcher Vereinbarungen sollten die Mitglieder die einschlägigen Muster-Sicherheitsvorschriften und die Sammlungen von Richtlinien für die Praxis, die das Internationale Arbeitsamt von Zeit zu Zeit herausgibt, sowie die geeigneten Normen der internationalen Organisationen für Normung berücksichtigen.

19. Alle innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die zur Durchführung dieser Empfehlung erlassen werden, sollten von der zuständigen Stelle nach Anhörung der massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie gegebenenfalls der Verbände der Hersteller ausgearbeitet werden.

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Anhang 6

Übereinkommen Nr. 132 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung vom Jahre 1970)

Übersetzung1)

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1970 zu ihrer vierundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den bezahlten Urlaub, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Juni 1970, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über den bezahlten Urlaub (Neufassung), 1970, bezeichnet wird.

: Artikel l Die Bestimmungen dieses Übereinkommens sind durch die innerstaatliche Gesetzgebung durchzuführen, soweit ihre Durchführung nicht durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche, gerichtliche Entscheidungen, amtliche Verfahren zur Lohnfestsetzung oder auf irgendeine andere, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Art und Weise erfolgt, die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse jedes Landes geeignet erscheint.

Artikel 2 1. Dieses Übereinkommen gilt für alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der Seeleute.

2. Soweit notwendig, können von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, Massnahmen getroffen werden, um begrenzte Arbeitnehmergruppen von der Anwendung dieses Übereinkommens auszuschliessen, wenn im Hinblick auf die Art ihrer Beschäftigung im Zusammenhang mit der Durchführung oder mit verfassungsrechtlichen oder ge-

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

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Bezahlter Jahresurlaub

setzgeberischen Fragen besondere Probleme von erheblicher Bedeutung entstehen.

3. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat in seinem ersten Bericht, den es gemäss Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation über die Durchführung des Übereinkommens vorzulegen hat, die Gruppen anzugeben, die gegebenenfalls aufgrund von Absatz 2; dieses Artikels von der Anwendung ausgeschlossen worden sind, unter Angabe der Gründe für deren Ausschluss, und in den folgenden Berichten den Stand seiner Gesetzgebung und Praxis in bezug auf die ausgeschlossenen Gruppen anzugeben und mitzuteilen, in welchem Umfang dem Übereinkommen in bezug auf diese Gruppen entsprochen wurde oder entsprochen werden soll.

Artikel 3 1. Jede Person, für die dieses Übereinkommen gilt, hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von einer bestimmten Mindestdauer.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, hat in einer seiner Ratifikationsurkunde beigefügten Erklärung die Dauer des Urlaubs anzugeben.

3. Der Urlaub darf auf keinen Fall weniger als drei Arbeitswochen für ein Dienstjahr betragen.

4. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann in der Folge den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes durch eine weitere Erklärung davon in Kenntnis setzen, dass es einen längeren Urlaub festlegt, als es im Zeitpunkt der Ratifikation angegeben hat.

Artikel 4 1. Eine Person, deren Dienstzeit während eines bestimmten Jahres kürzer war als die im vorangehenden Artikel für den vollen Anspruch vorgeschriebene Dienstzeit, hat für dieses Jahr Anspruch auf bezahlten Urlaub im Verhältnis zur Dauer ihrer Dienstzeit während dieses Jahres.

2. Der Ausdruck «Jahr» in Absatz l dieses Artikels bedeutet Kalenderjahr oder jeden anderen gleich langen Zeitabschnitt, der von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in dem betreffenden Land bestimmt wird.

Artikel 5 1. Für den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub kann eine Mindestdienstzeit verlangt werden.

2. Die Dauer jeder solchen Mindestdienstzeit ist in dem betreffenden Land von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren zu bestimmen, darf aber sechs Monate nicht überschreiten.

981

Bezahlter Jahresurlaub

3. Die Art und Weise, wie die Dienstzeit für die Bemessung des Urlaubsanspruchs zu berechnen ist, ist von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land zu bestimmen.

4. Unter Bedingungen, die von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land zu bestimmen sind, sind Arbeitsversäumnisse aus Gründen, die unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitnehmers bestehen, wie z. B. Krankheit, Unfall oder Mutterschaft, als Dienstzeit anzurechnen.

Artikel 6 1. Öffentliche und übliche Feiertage, gleichviel ob sie in die Zeit des Jahresurlaubs fallen oder nicht, sind in den in Artikel 3 Absatz 3 vorgeschriebenen bezahlten Mindestjahresurlaub nicht einzurechnen.

2. Unter Bedingungen, die von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land zu bestimmen sind, dürfen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit oder Unfall in den in Artikel 3 Absatz 3 vorgeschriebenen Mindestjahresurlaub nicht eingerechnet werden.

Artikel?

1. Jede Person, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Urlaub nimmt, hat für die ganze Urlaubsdauer mindestens ihr normales oder durchschnittliches Entgelt zu erhalten (einschliesslich des Gegenwertes in bar für jeden Teil dieses Entgelts, der aus Sachleistungen besteht, sofern es sich nicht um Dauerleistungen handelt, die ohne Rücksicht darauf weitergewährt werden, ob sich die betreffende Person auf Urlaub befindet oder nicht); dieses Entgelt ist in jedem Land auf eine von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren zu bestimmende Weise zu berechnen.

2. Die nach Absatz l dieses Artikels zustehenden Beträge sind dem betreffenden Arbeitnehmer vor Urlaubsantritt auszuzahlen, sofern in einer für ihn und seinen Arbeitgeber geltenden Vereinbarung nichts anderes vorgesehen ist.

Artikel 8 1. Die Teilung des bezahlten Jahresurlaubs kann von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land zugelassen werden.

2. Sofern in einer für den Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmer geltenden Vereinbarung nichts anderes vorgesehen ist und der beteiligte Arbeitnehmer aufgrund seiner Dienstzeit Anspruch auf eine solche Zeitspanne hat, hat einer der Teile mindestens zwei ununterbrochene Arbeitswochen zu umfassen.

Artikel 9 1. Der in Artikel 8 Absatz 2 dieses Übereinkommens erwähnte ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs ist spätestens ein Jahr und der übrige Teil des 982

Bezahlter Jahresurlaub

bezahlten Jahresurlaubs spätestens achtzehn Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen.

2. Jeder Teil des Jahresurlaubs, der eine vorgeschriebene Mindestdauer übersteigt, kann mit der Zustimmung des beteiligten Arbeitnehmers über die in Absatz l dieses Artikels angegebene Frist hinaus und bis zu einem festgesetzten späteren Termin aufgeschoben werden.

3. Die Mindestdauer und der Termin, die in Absatz 2 dieses Artikels erwähnt werden, sind von der zuständigen Stelle nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände oder durch Kollektivverhandlungen oder auf irgendeine andere, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Art und Weise zu bestimmen, die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse jedes Landes geeignet erscheint-.

Artikel 10 1. Wird die Zeit, zu der der Urlaub zu nehmen ist, nicht durch Vorschriften, durch Gesamtarbeitsvertrag, Schiedsspruch oder auf eine andere, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Art und Weise bestimmt, so ist sie vom Arbeitgeber nach Anhörung des beteiligten Arbeitnehmers oder seiner Vertreter festzusetzen.

2. Bei der Festsetzung der Zeit, zu der der Urlaub zu nehmen ist, sind die Erfordernisse der Arbeit und die Gelegenheiten, die dem Arbeitnehmer zum Ausruhen und zur Erholung zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen.

Artikel 11 Ein Arbeitnehmer, der eine Mindestdienstzeit zurückgelegt hat, wie sie nach Artikel 5 Absatz l dieses Übereinkommens verlangt werden kann, hat bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf einen bezahlten Urlaub im Verhältnis zu der Dienstzeit, für die er keinen solchen Urlaub erhalten hat, oder auf eine Urlaubsabgeltung oder ein gleichwertiges Urlaubsguthaben.

Artikel 12 Jede Vereinbarung über die Abdingung des Anspruchs auf den in Artikel 3 Absatz 3 dieses Übereinkommens vorgeschriebenen bezahlten Mindestjahresurlaub oder über den Verzicht auf diesen Urlaub gegen Entschädigung oder auf irgendeine andere Art hat je nach den Verhältnissen des betreffenden Landes als nichtig zu gelten oder ist zu verbieten.

Artikel 13 Von der zuständigen Stelle oder durch geeignete Verfahren in jedem Land können besondere Regelungen für Fälle festgelegt werden, in denen der Arbeitneh-

983

Bezahlter Jahresurlaub

mer während des Urlaubs eine Erwerbstätigkeit ausübt, die mit dem Urlaubszweck unvereinbar ist.

Artikel 14

Es sind mit der Art der Durchführung dieses Übereinkommens im Einklang stehende wirksame Massnahmen zu treffen, um die ordnungsgemässe Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften oder Bestimmungen über den bezahlten Urlaub durch eine angemessene Aufsicht oder durch sonstige Mittel zu gewährleisten.

Artikel 15 1. Jedes Mitglied kann die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen getrennt übernehmen für a) Arbeitnehmer in Wirtschaftszweigen ausserhalb der Landwirtschaft; b) Arbeitnehmer in der Landwirtschaft.

x 2. Jedes Mitglied hat in seiner Ratifikationsurkunde anzugeben, ob es die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen für die in Absatz l Buchstabe a) dieses Artikels angeführten Personen, für die in Absatz l Buchstabe b) dieses Artikels angeführten Personen oder für beide Personengruppen übernimmt.

3. Jedes Mitglied, das bei der Ratifikation die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen entweder nur für die in Absatz l Buchstabe a) dieses Artikels angeführten Personen oder nur für die in Absatz l Buchstabe b) dieses Artikels angeführten Personen übernommen hat, kann in der Folge dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mitteilen, dass es die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen für alle Personengruppen übernimmt, für die dieses Übereinkommen gilt.

Artikel 16

Dieses Übereinkommen ändert das Übereinkommen über den bezahlten Urlaub, 1936, und das Übereinkommen über den bezahlten Urlaub (Landwirtschaft), 1952, nach Massgabe der folgenden Bestimmungen: a) die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Arbeitnehmer in Wirtschaftszweigen ausserhalb der Landwirtschaft durch ein Mitglied, das das Übereinkommen über den bezahlten Urlaub, 1936, ratifiziert hat, schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung jenes Übereinkommens in sich; b) die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Arbeitnehmer in der Landwirtschaft durch ein Mitglied, das das Übereinkommen über den bezahlten Urlaub (Landwirtschaft), 1952, ratifiziert hat, schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung jenes Übereinkommens in sich; 984

Bezahlter Jahresurlaub

c) das Inkrafttreten dieses Übereinkommens schliesst weitere Ratifikationen des Übereinkommens über den bezahlten Urlaub (Landwirtschaft), 1952, nicht aus.

Artikel 17 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 18 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 19 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 20 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

985

Bezahlter Jahresurlaub

Artikel 21 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 22 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 23 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen: a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 19, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 24 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

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Anhang 7

Übereinkommen Nr. 162 über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

Übersetzung1^

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juli 1986 zu ihrer zweiundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist, verweist auf die einschlägigen internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen, insbesondere auf das Übereinkommen und die Empfehlung über Berufskrebs. 1974, das Übereinkommen und die Empfehlung über die Arbeitsumwelt (Luftverunreinigung, Lärm und Vibrationen), 1977, das Übereinkommen und die Empfehlung über den Arbeitsschutz, 1981, das Übereinkommen und die Empfehlung über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, die dem Übereinkommen über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, 1964, beigefügte Liste der Berufskrankheiten in der 1980 abgeänderten Fassung sowie die vom Internationalen Arbeitsamt im Jahre 1984 veröffentlichte Sammlung praktischer Richtlinien über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest, die die Grundsätze einer innerstaatlichen Politik und die Massnahmen auf nationaler Ebene festlegen, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Sicherheit bei der Verwendung von Asbest, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 24. Juni 1986, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Asbest, 1986, bezeichnet wird.

Teil I. Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel l 1. Dieses Übereinkommen findet auf alle Tätigkeiten Anwendung, die mit einer Exposition von Arbeitnehmern gegenüber Asbest im Zusammenhang mit der Arbeit verbunden sind.

') Übersetzung des französischen Originaltextes.

987

Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

2. Ein Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann nach Beratung mit den in Betracht kommenden massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und aufgrund einer Beurteilung der bestehenden Gesundheitsgefahren und der angewendeten Sicherheitsmassnahmen bestimmte Wirtschaftszweige oder bestimmte Betriebe von der Anwendung einzelner Bestimmungen des Übereinkommens ausnehmen, wenn es überzeugt ist, dass ihre Anwendung auf diese Wirtschaftszweige oder Betriebe nicht erforderlich ist.

3. Die zuständige Stelle hat bei der Entscheidung über die Ausnahme bestimmter Wirtschaftszweige oder bestimmter Betriebe die Häufigkeit, die Dauer und den Grad der Exposition sowie die Art der Arbeit und die Verhältnisse an der Arbeitsstätte zu berücksichtigen.

Artikel!

In diesem Übereinkommen a) bedeutet der Ausdruck «Asbest» die faserige Form der mineralischen Silikate, die zu den gesteinsbildenden Mineralien der Serpentingruppe, d. h.

Chrysotil (Weissasbest), und der Amphibolgruppe, d. h. Aktinolith, Amosit (Braunasbest, Cummingtonit-Grünerit), Anthophyllit, Kxokydolith (Blauasbest), Tremolit, gehören, oder jede Mischung, die eines oder mehrere davon enthält; b) bedeutet der Ausdruck «Asbeststaub» Schwebstoff-Asbestteilchen oder abgesetzte Asbestteilchen, die zu Schwebstoff in der Arbeitsumwelt werden können; c) bedeutet der Ausdruck «Asbeststaub in der Luft» für Messzwecke Staubteilchen, die durch gravimetische Beurteilung oder eine andere gleichwertige Methode gemessen werden; d) bedeutet der Ausdruck «lungengängige Asbestfasern» Asbestfasern mit einem Durchmesser von weniger als 3 um und einem Länge-DurchmesserVerhältnis von mehr als 3:1. Für Messzwecke sind nur Fasern mit einer Länge von mehr als 5 |j.m zu berücksichtigen; e) bedeutet der Ausdruck «Exposition gegenüber Asbest» die Exposition gegenüber in der Luft befindlichen lungengängigen Asbestfasern oder Asbeststaub während der Arbeit, unabhängig davon, ob sie von Asbest oder von asbesthaltigen Mineralien, Materialien oder Erzeugnissen ausgehen; f) schliesst der Ausdruck «Arbeitnehmer» die Mitglieder von Produktionsgenossenschaften ein; g) bedeutet der Ausdruck «Arbeitnehmervertreter» die aufgrund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis gemäss dem Übereinkommen über Arbeitnehmervertreter, 1971, als solche anerkannten Arbeitnehmervertreter.

Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

Teil II. Allgemeine Grundsätze Artikel 3 1. Die innerstaatliche Gesetzgebung hat die Massnahmen vorzuschreiben, die zur Verhütung und Begrenzung von Gesundheitsgefahren infolge der beruflichen Exposition gegenüber Asbest sowie zum Schutz der Arbeitnehmer gegen diese Gefahren zu treffen sind.

2. Die gemäss Absatz l dieses Artikels erlassene innerstaatliche Gesetzgebung ist regelmässig unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts und der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu überprüfen.

3. Die zuständige Stelle kann vorübergehende Ausnahmen von den gemäss Absatz l dieses Artikels vorgeschriebenen Massnahmen unter Voraussetzungen und innerhalb von Fristen zulassen, die nach Beratung mit den in Betracht kommenden massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer festzulegen sind.

4. Bei der Bewilligung von Ausnahmen gemäss Absatz 3 dieses Artikels hat die zuständige Stelle sicherzustellen, dass die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen.

Artikel 4 Die zuständige Stelle hat die in Betracht kommenden massgebenden Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu den Massnahmen anzuhören, die zur Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu treffen sind.

Artikel 5 1. Die Durchführung der gemäss Artikels dieses Übereinkommens erlassenen Gesetzgebung ist durch ein angemessenes und geeignetes Aufsichtssystem sicherzustellen.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung hat die erforderlichen Massnahmen, einschliesslich angemessener Zwangsmassnahmen, vorzusehen, um die wirksame Durchführung und Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens sicherzustellen.

Artikel 6 1. Die Arbeitgeber sind für die Einhaltung der vorgeschriebenen Massnahmen verantwortlich zu machen.

2. Wenn zwei oder mehrere Arbeitgeber gleichzeitig an der gleichen Arbeitsstätte Arbeiten ausführen, haben sie zur Durchführung der vorgeschriebenen Massnahmen zusammenzuarbeiten, unbeschadet der Verantwortung des einzelnen Arbeitgebers für die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer, die

989

Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

er beschäftigt. Die zuständige Stelle hat erforderlichenfalls die allgemeinen Verfahren für diese Zusammenarbeit vorzuschreiben.

3. Die Arbeitgeber haben in Zusammenarbeit mit den Arbeitsschutzdiensten und nach Beratung mit den in Betracht kommenden Arbeitnehmervertretern Verfahren für Notfälle festzulegen.

Artikel 7 Die Arbeitnehmer sind im Rahmen ihrer Verantwortung dazu anzuhalten, die Arbeitsschutzvorschriften, die zur Verhütung und Begrenzung von Gesundheitsgefahren infolge der beruflichen Exposition gegenüber Asbest sowie zum Schutz gegen diese Gefahren erlassen worden sind, einzuhalten.

Artikel 8 Die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter haben bei der Anwendung der gemäss diesem Übereinkommen vorgeschriebenen Massnahmen auf allen Ebenen im Betrieb so eng wie möglich zusammenzuarbeiten.

Teil III. Schutz- und Verhütungsmassnahmen Artikel 9 Die gemäss Artikel 3 dieses Übereinkommens erlassene innerstaatliche Gesetzgebung hat vorzusehen, dass die Exposition gegenüber Asbest durch eine oder mehrere der folgenden Massnahmen zu verhüten oder zu begrenzen ist: a) Einführung von Regelungen, durch die angemessene technische Verhütungsmassnahmen und Arbeitsmethoden, einschliesslich der Hygierie am Arbeitsplatz, für Arbeiten vorgeschrieben werden, bei denen es zu einer Exposition gegenüber Asbest kommen kann; b) Einführung besonderer Regeln und Verfahren, einschliesslich Genehmigungsverfahren, für die Verwendung von Asbest oder von bestimmten Asbestarten oder asbesthaltigen Erzeugnissen oder für bestimmte Arbeitsverfahren.

Artikel 10 Soweit es zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich und technisch durchführbar ist, hat die innerstaatliche Gesetzgebung eine oder mehrere der folgenden Massnahmen vorzusehen: a) Ersetzen von Asbest oder von bestimmten Asbestarten oder asbesthaltigen Erzeugnissen durch andere Materialien oder Erzeugnisse oder die Verwendung alternativer Technologien, die von der zuständigen Stelle wissenschaftlich als unschädlich oder weniger schädlich beurteilt worden sind, wann immer dies möglich ist ; 990

Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

b) uneingeschränktes oder eingeschränktes Verbot der Verwendung von Asbest oder von bestimmten Asbestarten oder asbesthaltigen Erzeugnissen bei bestimmten Arbeitsverfahren.

Artikel 11

1. Die Verwendung von Krokydolith und von Erzeugnissen, die diese Faser enthalten, ist zu verbieten.

2. Die zuständige Stelle ist zu ermächtigen, nach Beratung mit den in Betracht kommenden massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Ausnahmen von dem in Absatz l dieses Artikels enthaltenen Verbot zuzulassen, wenn ein Ersetzen praktisch nicht durchführbar ist, vorausgesetzt, dass Massnahmen getroffen werden, um zu gewährleisten, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

Artikel 12 1. Das Versprühen (Spritzen) von Asbest in jeglicher Form ist zu verbieten.

2. Die zuständige Stelle ist zu ermächtigen, nach Beratung mit den in Betracht kommenden massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Ausnahmen von dem in Absatz l dieses Artikels enthaltenen Verbot zuzulassen, wenn andere Methoden praktisch nicht angewendet werden können, vorausgesetzt, dass Massnahmen getroffen werden, um zu gewährleisten, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

Artikel 13 Die innerstaatliche Gesetzgebung hat vorzusehen, dass die Arbeitgeber bestimmte Arten von Arbeiten, die mit einer Exposition gegenüber Asbest verbunden sind, der zuständigen Stelle in einer Weise und in dem Umfang zu melden haben, die von ihr vorgeschrieben werden.

Artikel 14 Die Erzeuger und Lieferanten von Asbest und die Hersteller und Lieferanten von asbesthaltigen Erzeugnissen sind für eine zweckentsprechende Kennzeichnung der Behältnisse und gegebenenfalls der Erzeugnisse in einer für die betreffenden Arbeitnehmer und Benutzer leicht verständlichen Sprache und Form entsprechend den Vorschriften der zuständigen Stelle verantwortlich zu machen.

Artikel 15 1. Die zuständige Stelle hat Grenzwerte für die Exposition der Arbeitnehmer gegenüber Asbest oder andere Expositionskriterien für die Bewertung der Arbeitsumwelt vorzuschreiben.

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Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

2. Die Expositionsgrenzwerte oder die anderen Expositionskriterien sind unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts und der neuesten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse festzulegen und regelmässig zu überprüfen und auf den neuesten Stand zu bringen.

3. In allen Arbeitsstätten, in denen Arbeitnehmer Asbest ausgesetzt sind, hat der Arbeitgeber alle geeigneten Massnahmen zu treffen, um die Freisetzung von Asbeststaub in die Luft zu verhindern oder zu begrenzen, um sicherzustellen, dass die Expositionsgrenzwerte oder die anderen Expositionskriterien eingehalten werden, und um die Exposition auf das niedrigste praktisch mögliche Niveau herabzusetzen.

4. Reichen die gemäss Absatz 3 dieses Artikels getroffenen Massnahmen nicht aus, um die Exposition gegenüber Asbest innerhalb der Grenzwerte zu halten oder um den anderen Expositionskriterien zu entsprechen, die in Absatz l dieses Artikels vorgeschrieben sind, hat der Arbeitgeber je nach den Umständen angemessene Atemschutzgeräte und Spezialschutzkleidung zur Verfügung zu stellen, instandzuhalten und erforderlichenfalls zu ersetzen, ohne dass den Arbeitnehmern dadurch Kosten entstehen. Die Atemschutzgeräte haben den von der zuständigen Stelle festgelegten Normen zu entsprechen, und ihre Verwendung darf nur eine ergänzende, vorübergehende, Not- oder aussergewöhnliche Massnahme und kein Ersatz für technische Verhütungsmassnahmen sein.

Artikel 16 Jeder Arbeitgeber ist für die Festlegung und Durchführung von praktischen Massnahmen zur Verhütung und Begrenzung der Exposition der von ihm beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber Asbest und zu ihrem Schutz gegen die Gefahren infolge von Asbest verantwortlich zu machen.

Artikel 17 1. Der Abbruch von Anlagen oder Bauten, die bröckliges Asbestisoliermaterial enthalten, und die Entfernung von Asbest aus Gebäuden oder Bauten, in denen voraussichtlich Asbest in die Luft freigesetzt wird, dürfen nur von Arbeitgebern oder Auftragnehmern durchgeführt werden, die von der zuständigen Stelle als befähigt anerkannt sind, solche Arbeiten gemäss den Bestimmungen dieses Übereinkommens auszuführen, und die zur Durchführung solcher Arbeiten ermächtigt worden sind.

2. Der Arbeitgeber oder Auftragnehmer muss gehalten sein, vor Beginn der Abbrucharbeiten einen Arbeitsplan aufzustellen, in dem die zu treffenden
Massnahmen aufgeführt werden, darunter Massnahmen, um: a) den Arbeitnehmern jeglichen erforderlichen Schutz zu gewähren; b) die Freisetzung von Asbeststaub in die Luft zu begrenzen; c)1 die Beseitigung von asbesthaltigen Abfällen gemäss Artikel 19 dieses Übereinkommens vorzusehen.

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Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

3. Die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter sind zu dem in Absatz 2 dieses Artikels erwähnten Arbeitsplan anzuhören.

Artikel 18 1. Falls die persönliche Kleidung der Arbeitnehmer durch Asbeststaub verunreinigt werden kann, hat der Arbeitgeber im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und in Beratung mit den Arbeitnehmervertretern geeignete Arbeitskleidung zur Verfügung zu stellen, die nicht ausserhalb der Arbeitsstätte getragen werden darf.

2. Der Umgang mit benutzter Arbeitskleidung und Spezialschutzkleidung und deren Reinigung haben unter kontrollierten Bedingungen entsprechend den Vorschrifteil der zuständigen Stelle so zu erfolgen, dass die Freisetzung von Asbeststaub verhindert wird.

3. Durch die innerstaatliche Gesetzgebung ist zu untersagen, Arbeitskleidung, Spezialschutzkleidung und persönliche Schutzausrüstung mit nach Hause zu nehmen.

4. Der Arbeitgeber hat für die Reinigung, Instandhaltung und Aufbewahrung der Arbeitskleidung, der Spezialschutzkleidung und der persönlichen Schutzausrüstung verantwortlich zu sein.

5. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmern, die Asbest ausgesetzt sind, je nach den Umständen Wasch-, Bade- oder Duschgelegenheiten an der Arbeitsstätte zur Verfügung zu stellen.

Artikel 19 1. Im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis haben die Arbeitgeber asbesthaltige Abfälle in einer Weise zu beseitigen, die weder für die betreffenden Arbeitnehmer, einschliesslich jener, die mit Asbestabfällen umgehen, noch für die in der Nähe des Betriebs lebende Bevölkerung ein Gesundheitsrisiko darstellt.

2. Die zuständige Stelle und die Arbeitgeber haben geeignete Massnahmen zu treffen, um die Verschmutzung der allgemeinen Umwelt durch aus der Arbeitsstätte freigesetzten Asbeststaub zu verhindern.

Teil IV.

Überwachung der Arbeitsumwelt und der Gesundheit der Arbeitnehmer Artikel 20 1. Soweit es zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlich ist, hat der Arbeitgeber in Zeitabständen und unter Verwendung von Methoden, die von der zuständigen Stelle vorgeschrieben werden, die Asbeststaubkonzentrationen in der Luft der Arbeitsstätten zu messen und die Exposition der Arbeitnehmer gegenüber Asbest zu überwachen.

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Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

2. Die Aufzeichnungen über die Überwachung der Arbeitsumwelt und der Exposition der Arbeitnehmer gegenüber Asbest sind während eines von der zuständigen Stelle vorgeschriebenen Zeitraums aufzubewahren.

3. Die betreffenden Arbeitnehmer, ihre Vertreter und die Aufsichtsdienste müssen Zugang zu diesen Aufzeichnungen haben.

l 4. Die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter müssen das Recht haben, die Überwachung der Arbeitsumwelt zu verlangen und sich hinsichtlich der Ergebnisse der Überwachung an die zuständige Stelle zu wenden.

Artikel 21 1. Arbeitnehmer, die Asbest ausgesetzt sind oder ausgesetzt waren, müssen sich im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis den ärztlichen Untersuchungen unterziehen können, die erforderlich sind, um ihre Gesundheit im Zusammenhang mit der berufsbedingten Gefahr zu überwachen und um die durch eine Exposition gegenüber Asbest verursachten Berufskrankheiten zu diagnostizieren.

2. Die Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Verwendung von Asbest darf keinerlei Verdienstausfall für sie zur Folge haben. Sie muss unentgeltlich sein und nach Möglichkeit während der Arbeitszeit stattfinden.

3. Die Arbeitnehmer sind über die Ergebnisse ihrer ärztlichen Untersuchungen in angemessener und zweckmässiger Weise zu unterrichten und hinsichtlich ihrer Gesundheit im Zusammenhang mit ihrer Arbeit individuell zu beraten.

4. Falls eine Weiterbeschäftigung mit Arbeiten, die mit einer Exposition gegenüber Asbest verbunden sind, aus medizinischen Gründen nicht ratsam ist, ist im Einklang mit den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten alles zu tun, um den betreffenden Arbeitnehmern andere Mittel zur Sicherung ihres Einkommens zur Verfügung zu stellen.

5. Die zuständige Stelle hat ein System für die Meldung von durch Asbest verursachten Berufskrankheiten zu entwickeln.

Teil V. Information und Aufklärung Artikel 22 1. Die zuständige Stelle hat in Beratung und Zusammenarbeit mit den in Betracht kommenden massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zweckentsprechende Vorkehrungen zu treffen, um die Verbreitung von Informationen und die Aufklärung aller Betroffenen über die Gesundheitsgefahren infolge der Exposition gegenüber Asbest und über die Methoden zu ihrer Verhütung und Begrenzung zu fördern.

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Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

2. Die zuständige Stelle hat sicherzustellen, dass die Arbeitgeber schriftlich eine Politik und Verfahren für Massnahmen zur Aufklärung und regelmässigen Ausbildung der Arbeitnehmer hinsichtlich der asbestbedingten Gefahren und der Methoden zu ihrer Verhütung und Begrenzung festgelegt haben.

3. Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer, die Asbest ausgesetzt sind oder voraussichtlich ausgesetzt sein werden, über die Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit ihrer Arbeit unterrichtet werden, in Verhütungsmassnahmen und sachgemässen Arbeitsmethoden unterwiesen werden und eine entsprechende fortlaufende Ausbildung erhalten.

Teil VI. Schlussbestimmungen Artikel 23 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 24 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind in Kraft.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 25 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird erst ein Jahr nach der Eintragung wirksam.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz l genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 26 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Rati995

Sicherheit bei der Verwendung von Asbest

fikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 27 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 28 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 29 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise neufasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt folgendes: a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 25 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen, Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 30 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise verbindlich.

Es folgen die Unterschriften 4769

996

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht und Botschaft über die 1989 und 1990 an der 76. und der 77. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen sowie über drei an früheren Tagungen angenommene Übereinkommen vom 3. Juni 1991

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1991

Année Anno Band

3

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31

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13.08.1991

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