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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Initiativen der Kantone Genf und Waadt betreffend Regelung der Geschäftsmiete (Vom 29. Dezember 1964)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

1. Am 4. Februar 1956 hat der Grosse Bat des Kantons Genf einen Beschluss (arrêté législatif) folgenden Wortlauts über den Schutz der Geschäftsmiete gefasst : Art. l Von dem gemäss Bundesverfassung (Art. 93, Abs. 2) den Kantonen vorbehaltenen Initiativrecht Gebrauch machend, wird der Staatsrat beauftragt, der Bundesversammlung den Antrag auf Erlass eines Bundesgesetzes über den Schutz der Geschäftsmiete zu unterbreiten.

Art. 2 Dieses Gesetz konnte entweder ein Spezialgesetz sein oder einen Unterabschnitt zum Abschnitt über den Mietvertrag des Schweizerischen Obligationenrechts bilden und sollte namentlich Bestimmungen enthalten, die folgendes vorsehen: I. Geltungsbereich Das Bundesgesetz sollte auf die Verträge betreffend Gesohäftsmiete Anwendung finden.

II. Mindestdauer des Mietvertrages Das Bundesgesetz sollte für den ersten Mietvertrag eine Mindestdauer ron zehn Jahren vorsehen.

III. Erneuerung des Mietvertrages Das Bundesgesetz sollte vorsehen, dass wenn der Mietvertrag nicht zwei Jahre zum voraus gekündigt worden ist, er um eine Mindestdauer von f dnf Jahren erneuert wird, und so fort, unter Vorbehalt einer Kündigung von zwei Jahren zum voraus.

1645 IV. Kündigung des Mietvertrages Das Bundesgesetz sollte bestimmen, dass der Eigentümer, der einen Mietvertrag gekündigt hat und statt der Selbstbenützung die Weitervermietung der betreffenden Lokalitäten beschliesst, verpflichtet ist, diese innert nützlicher Frist schriftlich zu gleichen Bedingungen demjenigen anzubieten, dem sie vorher gekündigt wurden.

V. Abtretung des Mietvertrages Das Bundesgesetz sollte vorsehen, dass wenn ein handel- oder gewerbetreibender Mieter, der die Lokalitäten wenigstens fünf Jahre benützt hat und der sein Geschäft an einen zahlungsfähigen, dem Eigentümer alle Garantien bietenden Dritten übergeben möchte, der Eigentümer gehalten ist, dem Übernehmer einen Mietvertrag von mindestens fünf Jahren Dauer zuzugestehen, und zwar ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Übernahme des Geschäfts, sofern der Mietvertrag nicht schon von der einen oder ändern Partei gekündigt worden ist.

Der Eigentümer sollte verlangen dürfen, dass der^Mieter, der seinen Mietvertrag abtritt, ihm gegenüber für die Bezahlung des Mietzinses für die restliche Dauer des ursprünglichen Mietvertrages haftbar ist.

Diese Bestimmungen gelten nur im Falle der Übergabe an einen Dritten, der sich verpflichten würde, in den gemieteten Lokalitäten ein ähnliches Geschäft zu betreiben, wie es der Abtretende vorher besass.

VI. Entschädigung bei Nichterneuerung des Mietvertrages Das Bundesgesetz sollte festlegen, dass der Mieter, dessen Mietvertrag nicht erneuert wurde, Anspruch auf angemessene Entschädigung für den durch ausgeführte Arbeiten in das Gebäude gesteckten Mehrwert hat, sofern der Eigentümer daraus einen Nutzen zieht.

VII. Vormerkung im Grundbuch Das Bundesgesetz sollte vorsehen, dass der Mieter jederzeit den Eintrag seines Mietvertrages im Grundbuch verlangen kann, ohne dass der Eigentümer sich dem widersetzen kann.

VIII. Zwingende Vorschriften Das Bundesgesetz sollte festlegen, dass die Bestimmungen über die Geschäftsmiete zwingenden Charakter haben.

Gegen diesen Beschluss wurde das vom kantonalen Hecht vorgesehene Beferendum nicht ergriffen.

2. Am 28.November 1962 hat der Grosse Eat des Kantons Waadt folgenden Beschluss gefasst : 1. Der Kanton Waadt schlägt der Bundesversammlung auf dem Wege der Initiative vor, es seien in die Bundesgesetzgebung der Begriff und die Begelung der Geschäftsmiete aufzunehmen.

2. Das Bureau des Grossen Bates wird beauftragt, diesen Antrag der Bundesversammlung zu übermitteln.

8. Der Genfer Staatsrat hat die Initiative des Kantons Genf am 17. April 1956, der waadtländische Staatsrat diejenige des Kantons Waadt am 30.November 1962 der Bundesversammlung überwiesen.

1646 4. Sowohl der Beschluss des Genfer Grossen Eates als der Beschluss des waadtländischen Grossen Eates haben den Charakter kantonaler Initiativen im Sinne des Artikels 98, Absatz 2 der Bundesverfassung. Sie haben uns diese Initiativen zum Bericht überwiesen, und zwar die erste im Laufo der Junisession 1956, die zweite in der Dezembersesston 1962. Da beide Standesinifciativen den gleichen Gegenstand betreffen, können sie im gleichen Bericht behandelt werden.

Wir haben die Ehre, Ihnen hiermit diesen Bericht zu erstatten.

G-emäss Artikel 98, Absatz 2 der Bundesverfassung hat jeder Kanton das Eecht, der Bundesversammlung über einen in ihren Geschäftsbereich fallenden Gegenstand schriftlich einen Vorschlag zu unterbreiten. Der Vorschlag wird damit bei der Bundesversammlung anhängig, wobei die Bäte verpflichtet sind, ihn in Beratung zu ziehen und zu beschliessen, ob sie ihm Folge geben wollen.

Darin erschöpft sich aber die Eechtswirkung einer Standesinitiative. Folglich kann diese Wirkung nicht mit dem Volksbegehren auf Verfassungsrevision (Art. 120 oder 121 der Bundesverfassung) verglichen werden, das der Volksabstimmung auch dann zu unterbreiten ist, wenn die Eäte mit ihm nicht einverstanden sind. Beschliessen die Eäte, einer Standesinitiative keine Folge zu geben, so ist das Geschäft erledigt.

Nach den Geschäftsreglomenten der gesetzgebenden Eäte (Art. 47 des Eeglementes des Nationalrates und Art. 38 des Eeglementes des Ständerates) werden die Vorschläge der Kantone erst behandelt, wenn ein Bericht des Bundesratos vorliegt.

Der Vorschlag eines Kantons kann als allgemeine Anregung - was meistens der Fall ist - oder als ausgearbeiteter Gesetzes- oder Beschlussesentwurf formuliert sein. Die Initiativen der Kantone Genf und Waadt gehören der ersten Kategorie an. Beide beantragen, die Geschäftsmiete im Bundesrecht zu regeln; die Initiative des Kantons Genf erwähnt ausserdem die Grundsätze, welche das Bundesrecht aufweisen sollte.

II Der Zweck der von beiden Initiativen beantragten Eegelung geht deutlich aus dem Titel des vom Genfer Grossen Eat angenommenen Beschlusses hervor.

Es handelt sich darum, den Schutz der Goschàftsmiete, also der Mieter von Geschäftsräumen, zu sichern. Wegen Fohlens einer Sonderregelung für Mietverträge über Lokalitäten, die der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dienen, befänden sich Kaufleute und Gewerbetreibende oft in schwieriger Lago. Es dürfte häufig vorkommen, dass die Eigentümer den Interessen dieser Mieter keine Eechnung tragen, indem sie eine Erneuerung ihrer Mietverträge verweigern und die Objekte an Konkurrenten weitervermieten. So verlören Kaufleute und Gewerbetreibende die Frucht der Arbeit mehrerer Jahre und einen Teil der für die Übernahme eines Geschäfts investierten Kapitalien. Dieser

1647 Zustand werde im Falle eines, Mangels an Lokalitäten zu Handelszwecken und durch eine möglicherweise hinzukommende Spekulation noch verschärft. Geschäftsmieten für eine kurze Dauer würden es den Mietern nicht gestatten, Abschreibungen vorzunehmen und die nötigen Verbesserungen auszuführen.

Um dieser Situation abzuhelfen, beschränkt sich die Initiative des Kantons Genf nicht, wie jene des Kantons Waadt, darauf, eine Sonderregelung der Geschäftsmiete auf Bundesebene zu verlangen. Sie bezeichnet auch jene gesetzlichen Massnahmen, die im wesentlichen ergriffen werden sollten, damit diese Eegelung wirksam wäre. Der erste Mietvertrag sollte eine Minimaldauer von zehn Jahren haben; erfolgt wenigstens zwei Jahre zum voraus keine Kündigung, so würde sich der Mietvertrag von mindestens fünf zu fünf Jahren erneuern.

Würde nach Kündigung des Vertrages der Eigentümer die Lokalitäten nicht selbst benützen, so stünde dem bisherigen Mieter zu den gleichen Bedingungen ein Vorzugsrecht zu. Bei Abtretung seines Geschäfts durch einen handel- oder gewerbetreibenden Mieter, der die Lokalitäten während wenigstens fünf Jahren benützt hat, stünde dem Übernehmer grundsätzlich das Recht auf einen Mietvertrag von wenigstens fünf Jahren Dauer zu. Die Nichterneuerung des Mietvertrages durch den Eigentümer würde diesem die Pflicht auferlegen, den Mieter für gewisse Mehrwerte zu entschädigen. Ein einfaches Gesuch des Mieters würde für die Vormerkung des Mietvertrages im Grundbuch genügen. Den vorgesehenen Bestimmungen über die Geschäftsmiete müsste zwingender Charakter verliehen werden.

Der Beschluss des Genfer Grossen Eates lässt die Frage ausdrücklich offen, ob dio von ihm vorgeschlagenen bundesreehtlichen Bestimmungen in das Obligationenrecht aufgenommen werden sollten oder ob dafür ein Spezialgesetz in Aussicht zu nehmen soi. Über diesen Punkt spricht sich auch die Initiative des Kantons Waadt nicht aus.

III

Bei den Bundesbehörden wurden zahlreiche andere Vorstosse zugunsten einer Begelung der Geschäftsmiete auf Bundesebene unternommen.

So lud im März 1944 ein Postulat Henri Cottier den Bundesrat ein, zu prüfen, ob es nicht angezeigt wäre, in die zivile Gesetzgebung den Begriff der Geschäftsmiete einzuführen. Dieses Postulat wurde vom Nationalrat am 27. März 1945 abgelehnt.

Ein am 80. September 1952 vom damaligen Nationalrat Chaudet eingereichtes neues Postulat lud den Bundesrat ein, zu prüfen, ob sich der Schutz für die handeltreibenden Mieter nicht dadurch zweckmässig erreichen liesse, dass in das Obligationenrecht der Begriff der Geschäftsmiete aufgenommen würde. Dieses Postulat wurde vom Nationalrat am 10. Juni 1953 angenommen. Das gleiche war am 7. Dezember 1955 der Fall bei einem Postulat Vincent vom 6. Juni 1955, das vom Bundesrat verlangte, es sei zum Schütze der berechtigten Interessen der Kaufleutc und Gewerbetreibenden die Einführung des Begriffes der Geschäftsmicte in das Obligationenrecht zu prüfen.

1648 Am 26. Juni 1956 schlug Ständerat Despland vor, den zur Diskussion stehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle durch Sonderbestimmungen über die Geschâftsmiete zu ergänzen. Diese Bestimmungen sollten es den vertragsschliessenden Parteien erlauben, auf die Vorteile der Massnahmen über die Mietzinskontrolle und die Beschrankung des Kündigungsrechts unter der Bedingung zu verzichten, dass der Mietvertrag gewisse Klauseln zugunsten der handel- oder gewerbetreibenden Mieter enthalte. Der Vorschlag wurde vom Ständerat am 26. Juni 1956 abgelehnt.

Nach einer vom waadtländischen Grossen Eat angenommenen Eesolution, die am 6. September 1957 zu unserer Kenntnis gelangte, erklärte der waadtländische Gesetzgeber namentlich, sich den verschiedenen boi den Bundesbehörden unternommenen Initiativen und Vorstössen über die Geschäftsmiete anzuschliessen, wobei dem Wunsch Ausdruck verheben wurde, die Frage mochte bald eine Lösung finden.

Am 20. März 1958 ersuchte Nationalrat Vincent in einer Kleinen Anfrage den Bundesrat um Auskunft, ob er die Frage der Geschäftsmiete demnächst den gesetzgebenden Bäten zu unterbreiten gedenke, damit man wisse, welche Folge der Initiative des Kantons Genf gegeben werde. Wir haben ihm geantwortet, dass wir Herrn Professor Jeanprêtre, Kantonsrichter in Neuenburg, beauftragt hätten, die Frage in ihrer Gesamtheit zu prüfen und einen Bericht zu erstatten.

Sobald dieser Bericht vorliege, werde uns das Justiz- und Polizeidepartement Anträge zuhanden der eidgenössischen Eäte unterbreiten.

In einer Kleinen Anfrage vom 2. März 1959 erkundigte sich Nationalrat Guinand nach dem Stand der Arbeiten über die Begelung der Geschäftsmiete. Wir haben ihn wissen lassen, dass Professor Jeanprêtre seinen Bericht abgeliefert habe. Sobald die Kantone und interessierten Organisationen sich dazu geäussert hätten, könnten wir den Bäten entweder einen Bericht oder eine Botschaft mit Entwurf auf Änderung des Obhgationenrechts im Sinne der Einführung der Geschäftsmiete unterbreiten.

Der Staatsrat des Kantons Genf hat sich wiederholt erkundigt, welche Folge der Standesinitiative gegeben werde. Die Bundesbehörden haben ihn über den Auftrag an Professor Jeanprêtre sowie über das Ergebnis der Umfrage bei den Kantonen und interessierten Verbänden orientiert. Am
30. Januar 1962 hat der Staatsrat dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement eine Motion des Grossen Eates übermittelt, welche die Kantonsregierung einlud, bei den Bundesbehörden für die Wiederaufnahme der Studien betreffend den Schutz der Geschäftsmiete vorstellig zu werden. Am 2. April 1962 liess das Justiz- und Polizeidepartement den Genfer Staatsrat wissen, im Hinblick auf das Ergebnis der Umfrage bei den Kantonen und interessierten Verbänden habe es sich als angebracht erwiesen, die Weiterverfolgung der Frage der Geschäftsmiete auszusetzen, bis das Schicksal des Gesetzesentwurfes über das Stockwerkeigentum bekannt sei. Dieses Vorgehen hatten wir übrigens in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage Vincent vom S.Dezember 1961 gebilligt. Insbesondere

1649 wurde hervorgehoben, dass die Einführung des Stockwerkeigentums die GeschäftBmiete vielleicht weniger notwendig, wenn nicht gar überflüssig machen könnte. Ausserdem legten wir Wert darauf, zu präzisieren, dass, sobald das Schicksal des Gesetzesentwurfes über diesen Gegenstand bekannt sein werde, wir auch in der Lage wären, in Kenntnis des Sachverhaltes den eidgenössischen Bäten Anträge zur Initiative des Kantons Genf zu unterbreiten.

In unserer Antwort vom 9. April 1964 auf eine weitere Kleine Anfrage Vincent wurde ausgeführt, das Justiz- und Polizeidepartement habe den Entwurf eines Berichts des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Standesinitiativen der Kantone Genf und Waadt vorbereitet. Wir fügten bei, dass wir uns entscheiden würden, ob dieser Bericht den eidgenössischen Bäten vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Änderung des Vierten Teils des Zivilgesetzbuches (Miteigentum und Stockwerkeigentum) unterbreitet werden solle.

IV 1. Im schweizerischen Becbt ist die Geschtiftsmiete in den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Achten Titels des Obligationenrechts (Art.253-274) geregelt ; sie finden auf alle Mietverträge Anwendung. Diese Bestimmungen gewähren den Vertragssehliessendcn eine grosse Handlungsfreiheit. Daher können die Parteien den Mietzins, die Dauer des Mietvertrages, die Termine und die Kündigungsfristen frei festsetzen. Durch Verabredung können sie auch das Becht des Mieters auf Abtretung seines Mietvertrages aufheben oder einschränken. Im Falle des Todes des Mieters haben der Vermieter und die Erben des Mieters ein vorzeitiges Kündigungsrecht. Die Artikel 253 ff. des Obligationenrechts verpflichten den Mieter nicht zu einer auf Ende des Mietvertrages zu leistenden Entschädigung für Einrichtungen, die der Mieter in dem Gebäude vorgenommen hat. Der Mietvertrag kann endlich dem Erwerber des Gebäudes nicht entgegengehalten werden. Das Obligationenrecht enthalt nur zwei besondere Begehi in bezug auf Handolslokalitäten : Nach Artikel 254, Absatz 3 kann der Miet er, wenn die Gesundheit seiner Arbeiter durch gemietete ungesunde Lokalitäten bedroht ist, vom Vertrag zurücktreten. Unter Vorbehalt anders lautender Verabredung beträgt die Kündigungsfrist für Geschäftslokale, Werkstätten, Verkaufsläden und Magazine drei Monate (Artikel 267, Absatz 2, Ziffer 1). Hinsichtlich der Geschäftsmioten hat die Bechtsprechung das Obligationenrecht durch eine wichtige Begol ergänzt ; sie auferlegt dem Mieter im allgemeinen die Pf hebt zur Weiterführung des Betriebes (BGE 68 II 237).

Neben dem Obligationenrecht ordnet zurzeit noch eine Ausnahmegesetzgebung die Mietverträge einschliesslich der Geschäftsmieten. Die Geschäftsräume unterstehen in allen von der Mietzinskontrollo nicht befreiten Kantonen und Gemeinden einer Überwachung (Verordnung vom 28. Februar 1962 über Lockerung der Mietzinskontrolle (AS 1962,177). Bei der Überwachung kann der Mieter im Falle der Festsetzung oder Erhöhung des Mietzinses und unter bestimmten Bedingungen Einsprache erheben, und die Behörde hat das Becht, Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. II.

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1650 offensichtlich übersetzte Mietzinso von Amtes wegen herabzusetzen. Ausserdem kann der Mieter in gewissen Fällen den Widerruf der vom Vormieter ausgesprochenen Kündigung verlangen (VO vom ll.Aprill961 über Mietzinse und Kündigungsbeschränkung) , Inzwischen wurden in mehreren Kautonen die Mietzinse (Inbegriffen für Geschäftsmieten) für das gesamte Kantonsgebiet oder für eine Anzahl Gemeinden freigegeben (vgl. Verordnung vom 28.Februar 1962 und Verordnung vom 27. September 3963 über weitere Lockerungen der Mietzinskontrolle.)

In der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1964 haben Volk und Stände den Bundesbeschmss vom 9. Oktober 1964 über die Weiterfuhrung befristeter Preiskontrollniassnahmen angenommen. Dieser Boschluss gilt vom I.Januar 1965 bis 81. Dezember 1969 und bezweckt eine Ergänzung der Bundesverfassung.

Eine seiner Bestimmungen sieht namentlich die schrittweise Lockerung der Vorschriften über Mietzinse vor, soweit dies ohne wirtschaftliche Störungen und soziale Harten möglich ist. In den Städten Zürich, Bern, Basel, Lausanne und Genf und deren Agglomerationsgemeinden soll die Mietzinskontrolle spätestens auf Ende 1966, in den übrigen Gemeinden auf don I.Januar 1965 durch die Mietzinsuberwachung ersetzt werden, 2. Einige ausländische Gesetzgebungen regeln die Geschäftsmiete auf besondere Art. Die Angaben hierüber botreffen die Situation ira Frühling 1968.

In Frankreich regelt das - mehrmals geänderte - Dekret vom 30. September 1958 die Geschäftsmiete, d. h. die Mietvertrage über Gebäude oder Lokalitäten, in doncn ein Geschäft betrieben wird, gehöre es einem Kaufmann, einem Industriellen oder einem Gewerbetreibenden. Der Mieter hat das Eecht auf Erneuerung des Mietvertrages, wenn or Inhaber des Geschäfts ist und wenn der Betrieb eine gewisse Zeit gedauert hat. Zwar ist es ungenau, von einer Erneuerung zu sprechen. Der Vermieter kann nämlich die Erneuerung des Mietvertrages verweigern, in welchem Fallo er, unter Vorbehalt der vorgesehenen Ausnahmen (z. B. wenn es sich aus einem wichtigen Grund gegenüber dem bisherigen Mieter rechtfertigt), dorn vordrängten Mieter eine Entschädigung ausrichten muss. Auf Verlangen einer Partei können die Zinse für Geschäftsmieten alle drei Jahre unter dor Bedingung revidiert werden, dass dor Index der Konsumentenpreiso oder der Mietwert sich um mehr als IS
Prozont verändert hat.

Boi Mietverträgen mit veränderlicher Abstufung kann dio Bevision vorlangt worden, wenn durch das Spiel dieser Klausel der Mietzins um mehr als 25 Prozent abweicht. Ohne gogonteiligo Verabredung oder Zustimmung des Vermieters ist die Untermiete verboten. Abweichend vom gemeinen Recht erlischt dor Mietvertrag nicht von .Rechts wegen bei Erreichung des Termins ; immer ist eine vorgängige Kündigung von mindestens sechs Monaten notwendig.

In Belgien beruht die Gosetzgebung über die Goschäftsmiete im wesentlichen auf dorn Gesetz vom 30. April 1951, das zwischen 1951 und 1955 öfters geändert wurde. Es betrifft dio Miete von Bäumen, welche mit Zustimmung des Vennieters zur Ausübung eines Dotailhandols odor für die Tätigkeit oincs Ge-

1651 werbetreibenden mit direktem Kontakt mit der Bevölkerung bestimmt sind.

Die 'Dauer des Mietverhältnisses darf im Prinzip nicht weniger als neun Jahre betragen. Der Mieter kann den Mietvertrag auf das Ende jeder dreijährigen Periode kündigen. Andererseits kann der Vermieter nur dann alle drei.Jahre kündigen, wenn er sich dieses Becht im Mietvertrag vorbehalten hat, und nur, ·wenn er das Geschäft selbst betreiben oder es durch einen Angehörigen betreiben lassen will. Der Mieter hat Anspruch auf zwei Erneuerungen, jedes Mal für neun Jahre. In Wirklichkeit handelt es sich um einen Anspruch auf Entschädigung für verweigerte Erneuerung, in gewissen Fällen schuldet der Vermieter keine Entschädigung. Während des Mietverhältnisses kann jede Partei alle drei Jahre die Nachprüfung des Mietzinses verlangen. Der Mieter kann ohne Bücksicht auf die Vertragsbestimmungen seinen Mietvertrag dem Erwerber seines Unternehmens abtreten, wogegen sich der Vermieter aus wichtigen Gründen wehren kann. Bei Veräusserung des Gebäudes ist der Mieter, ausgenommen m den vom Gesetz abschliessend genannten Fällen, geschützt.

In England werden die Geschäftsmieten durch den «Landlord and Tenant Act, 1954» geregelt. Es handelt sich um Mietverträge über die Vermietung aller zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit («business») benützten Lokalitäten. Der Mieter kann vom Bichter die Erneuerung des Mietvertrages verlangen. In gewissen Fällen kann der Vermieter sich der Erneuerung widersetzen, z.B. wenn der Mieter seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Je nach den vom Vermieter geltend gemachten Gründen schuldet er dem Mieter eine Entschädigung. Der Mietzins wird zwischen denParteien festgesetzt. Entstehen unter ihnen bei Vertragserneuerung Meinungsverschiedenheiten, so setzt der Bichter den Mietzins fest. Hervorzuheben ist, dass der «Landlord and Tenant Act, 1954» zwar nicht revidiert worden ist, dass aber die Bechtsprechung der englischen Gerichte gewisse Änderungen der Kapitel über die Abtretung des Mietvertrages, seine Erneuerung und die Untermiete herbeigeführt hat.

Seit dem Gesetz vom 25. Juni 1952 unterstehen in Deutschland die GeBchäftsmieten weder der Preiskontrolle noch den Mieterschutzbestimmungen, Der Geschäftsmieter ist noch durch zwei Bestimmungen untergeordneter Art geschützt. Die erste sieht vor, dass
die Kündigung wenigstens drei Monate vorher auf Ende eines Trimesters des Kalenderjahres mitgeteilt werden muss. Die zweite bestimmt, dass der Bichter dem Mieter eine angemessene Frist zum Verlassen der Bäumlichkeiten bewilligen kann, wenn eine Ausweisungsverfügung gegen ihn ergangen ist.

In Italien sind die Mietzinse der zu ändern als Wohnzwecken bestimmten Gebäude der Sperre nicht mehr unterstellt. Eine Ausnahme besteht hinsichtlich der Mietzinse für Lokalitäten, in denen der Mieter mit Hilfe von Familienmitgliedern und höchstens fünf Lohnbezügern eine Berufstätigkeit ausübt. Für diese Fälle wurde die Mietzinssperre bis zum 81.Dezember 1964 verlängert. Ein Gesetz vom 27. Januar 1963 bestimmt namentlich, dass der Geschäftsmieter bei Kündigung des Mietvertrages gegebenenfalls eine Entschädigung verlangen kann.

1652 V Auf Grund der Postulate Chaudet (1952) und Vincent (1955) sowie der Initiative des Kantons Genf hat das Justiz- und Polizeidepartement im Jahre 1957 Herrn Professor Baymond Jeanpretre beauftragt, die durch die Postulate und die Initiative aufgeworfenen Fragen zu prüfen und gegebenenfalls einen Vorentwurf über die Eegelung der Geschäftsmiete auszuarbeiten.

Am 15. Oktober 1958 legte Professor Jeanpretre seinen Bericht vor. Er handelt von den Bestimmungen über die Geschäftsmiete in der Schweiz und in gewissen ändern Ländern sowie von den bei den Bundesbehörden im Hinblick auf die Ausarbeitung einer Sonderregelung über die Geschäftsmiete unternommenen Vorstössen. Der Bericht enthält ausserdem Vorschläge «de lege ferenda». Professor Jeanpretre erachtet es nicht für absolut notwendig, immerhin aber für nützlich und angemessen, im schweizerischen Zivilrecht Sonderbestimmungen über die Geschäftsmiete einzuführen. Nach seiner Auffassung würde die Einführung des Stockworkeigentums den Bund nicht davon entbinden, über die Geschäftsmiete zu legiferieren. Die Neuregelung müsste in jenem Zeitpunkt in Kraft treten, in dem die Ausnahmegesetzgebung über die Geschäftsmiete wenigstens teilweise aufgehoben sein würde. Diese Eegelung wäre auf der Ebene des Zivilrechts zu verwirklichen, sei es durch ein Spezialgesetz oder durch eine Bevision des Obligationenrechts. Die dem Bericht beigefügten Vorentwürfe von Gesetzen bezeichnen vorerst den Geltungsbereich der vorgesehenen Bestimmungen; sie setzen die Mindestdauer eines Mietvertrages auf fünf Jahre fest. Bei Veräusserung der gemieteten Lokalitäten würden die Bechte und Pflichten, die sich aus dem Mietvertrag für den Vermieter ergeben, auf den Erwerber übergehen. Das in Artikel 264 des Obligationenrechts vorgesehene Becht auf Abtretung der Miete könnte weder aufgehoben noch beschränkt worden. Das Recht des Vermieters, im Todesfalle des Mieters zu kündigen, würde eingeschränkt. Für die im Einverständnis des Eigentümers oder mit Bewilligung des Eichters ausgeführten Arbeiten könnte dem Mieter durch den Bichter eine Entschädigung zugesprochen werden.

VI Mit Kreisschreiben vom 4. Mai 1959 hat das Justiz- und Polizeidepartement die Kantonsregierungen, die interessierten Verbände sowie gewisse Amtsstellen und Privatpersonen eingeladen, ihm allfällige Bemerkungen zum Bericht Jeanprêtre über die Geschäftsmiete bekanntzugeben.

Elf Kantone und Halbkantone haben zum Bericht Jeanpretre nicht Stellung genommen, nämlich Luzern, Schwyz, Glarus, Freiburg, Basel-Landschaft, Appenzell A.-Bh., Appenzell I.-Eh., St. Gallen, Graubünden, Tessin und "Wallis.

Vier Kantone oder Halbkantone, d. h. Zürich, Zug, Basel-Stadt und Thurgau widersetzen sich einer Begelung der Geschäftsmiete, Die thurgauische Kantonsregierung bezeichnet die freiheitliehe Ordnung des Obligationenrechts als

1653 Ideallösung, von der grundsätzlich nicht abgewichen werden sollte. Für sie wie für den zürcherischen Eegierungsrat besteht kein Bedürfnis für Sonderregeln auf diesem Gebiet. Vier Kantone oder Halbkantone (Bern, Nidwaiden, Solothurn und Aargau) sind der Meinung, vor Wiederaufnahme der Arbeiten über die Geschäftsmiete sollte das Schicksal des Gesetzesentwurfs über das Stockwerkeigentum abgewartet werden, da die Einführung dieser Form des Miteigentums (nach gewissen Meinungen) Sonderbestimmungen über die Geschäftsmiete überflüssig oder weniger notwendig machen könnten. Nur die sechs Kantone oder Halbkantone Uri, Obwalden, Schaffhausen, Waadt, Neuenburg und Genf haben sich zugunsten einer Sonderregelung ausgesprochen. Die erwähnten welschen Kantone berufen sich auf die Notwendigkeit, Kaufleuten und Gewerbetreibenden die für die Ausübung ihres Berufes notwendige Stabilität zu sichern. Man darf annehmen, dass bei den Kantonen oder Halbkantonen, die sich nicht ausgesprochen haben, die durch die Initiativen der Kantone Genf und Waadt aufgeworfene Frage kaum oinem Interesse begegnet und dass diese Kantone folglich nicht als Befürworter der Standesinitiativen betrachtet worden können. Somit ist nur eine kleine Minderheit von Kantonen einer Sonderregelung der Geschäftsmiete geneigt.

Nicht deutlicher spricht das Eesultat der Erhebung bei Verbänden, Amtsstellen und ändern Interessenten für diese Regelung. Zweiunddreissig Verbände (oder Gruppen) sowie sechs Amtsstellen und andere Interessenten wurden zur Stellungnahme eingeladen. Zwölf Verbände, darunter der Schweizerische Juristenverein, der Schweizerische kaufmännische Verein, der Christlichnationale Gewerkschaftsbund der Schweiz, der Schweizerische Hauseigentümerverband, der Schweizerische Baumeister-Verband, der Verband schweizerischer Lokalbanken haben sich nicht geäussert. Hingegen haben sich vierzehn einer Sonderregelung der Geschäftsmiete widersetzt. Es handelt sich namentlich um die Schweizerische Bankiervereinigung und den Verband schweizerischer Kantonalbanken. Nach deren Ansicht entspricht die verlangte Begelung keinem dringenden Bedürfnis und wäre vielleicht nicht einmal nützlich, weshalb sich eine Revision der geltenden Gesetzesbestimmungen nicht rechtfertige. Sowohl der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereinß als der
Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen halten Sonderbestimmungen über die Geschäftsmiete nicht für notwendig; sicher sei, dass sich in Genf, wo man den Erlass gesetzlicher Bestimmungen verlangt, die Situation nach Aufhebung der Mietzinskontrolle bessern werde. Der Schweizerische Anwaltsverband lehnt die Geschäftsmiete, wie sie in den französischen und belgischen Gesetzen geregelt ist und wie sie Professor Jeanprêtre in gemilderter Form vorschlägt, mit Nachdruck ab ; sobald dio ausserordentlichen Massnahmen verschwunden seien, dürfte eine Lösung im gegenwärtigen positiven Eecht gefunden werden. Die drei Notariatskammom, die sich geäussert haben - nämlich jene von Basel-Stadt, Bern und Neuenburg --, halten die bestehenden Eegeln für ausreichend. Nach Ansicht der neuenburgischen Notarenverbände bedeutet der Entwurf Jeanprêtre eine Art teilweiser Expropriation. Für den Schweizerischen

1654 Gewerkschaftsbund sind die Gesohäftsmieter genügend geschützt, wenn die Mietzinskontrolle ohne Lockerung beibehalten wird. Lockere man hingegen die Mieterschutzmassnahmen, dann sei nicht einzusehen, weshalb den Geschäftsmietern hinsichtlich der der Ausübung ihres Berufes dienenden Lokalitäten eine bevorzugte Stellung eingeräumt werden sollte. Der Schweizerische Städteverband hält dafür, dass im Moment keine Notwendigkeit besteht, Sondermaasnahmen zugunsten der G-eschäftsmieter zu ergreifen. Dem Vorteil der Mieter würden schwere Nachteile für die Vennieter gegenüberstehen. Der Schweizerische Verband der Immobilien-Treuhänder hält, solange die Mietzinskontrolle besteht, das Problem nicht für diskutabel, da der Vennieter in der Ausübung seiner Eigentumsrechte schon genügend beeinträchtigt sei. Für die Union romande des gérants et courtiers en immeubles und die Fédération romande des intérêts immobiliers wird die Aufhebung der Mietzinskontrolle die Bückkehr zu einer normalen Situation zur Folge haben und die Unnötigkeit von Änderungen im Bundeszivilrecht, wie sie verlangt werden, dartun. Auch die Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände, die Vereinigung schweizerischer Verwaltungsgesellschaften von Investraenttrusts und der Verband schweizerischer Lebensmittelfihalbetriebe sprechen sich gegen eine Eegelung der Geschäftsmiete aus.

Unter den sechs Verbänden, die eine Sonderregelung der Geschäftsmiete befürworten, hält der Schweizerische Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter eine solche Regelung zwar für nützlich und gerecht, aber nicht für absolut notwendig. Das Gleichgewicht der verschiedenen Interessen von Eigentümern und Mietern sollte erhalten bleiben. Der Schweizerische Gewerbeverband vertritt die Ansicht, eine Sonderregelung sei notwendig, aber das zu lösende Problem beschränke sich eher auf bestimmte Gebiete. Nach Auffassung des Verbandes schweizerischer Frauenvereine sollte die Vertragsfreiheit auf dem Gebiete der Geschäftsmiete zugunsten einer gesetzlichen Regelung eingeschränkt werden, damit unbefriedigende Verhältnisse vermieden worden könnten. Der Schweizerische Bauernverband, die Union vaudoise des associations industrielles, commerciales et de métiers sowie die Schweizerische Zentralstelle der Nahrungs- und Genussmittelwirtschaft sprechen sich ebenfalls für eine
gesetzliche Eegelung aus.

Es darf wohl angenommen werden, dass die von beiden Initiativen aufgeworfene Frage bei den zwölf Verbänden, die sieh nicht geäussert haben, kaum Interesse fand, weshalb diese nicht als Befürworter der beiden Initiativen betrachtet werden können. Die gleiche Bemerkung gilt für die befragten sechs Amtsstellen und Interessenten, von denen niemand sich ausgesprochen hat.

· Sogar wenn von dieser letzten Gruppe abgesehen wird, ist festzustellen, dass nur eine kleine Minderheit der befragten Verbände sich zur Frage einer Eegelung der Geschäftsmiete positiv ausgesprochen hat.

1655 VII 1. Mit Botschaft vom 7. Dezember 1962 haben wir der Bundesversammlung den Entwurf für ein Gesetz über die Abänderung des Vierten Teils des Zivilgesetzbuches (Miteigentum und Stockwerkeigentum) zur Genehmigung unterbroitot. Dieser Gesetzesentwurf sieht namentlich die Einführung des Stockworkoigentuzns im schweizerischen Zivilrecht vor. Er wurde von don gesetzgebenden Bäten am 19. Dezember 1968 mit einigen Änderungen angenommen und wir haben dessen Inkrafttreten auf den I.Januar 1965 festgesetzt. Wie in unserer Antwort vom 10. Januar 1962 auf die Kleine Anfrage Vincent vom S.Dezember 1961 haben wir in der erwähnten Botschaft hervorgehoben, dass die Einfuhrung des Stockwerkeigentums eine Sonderregelung der Geschaftsmictc weniger notwendig oder sogar überflussig machen könnte. Dieser Standpunkt wird geteilt von G.Flattet, La propriété par étage in Zeitschrift für schweizerisches Becht, 1956, S. 647 f. Gewiss wurde er nicht einhellig gutgeheissen.

Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass mehrere der befragten Kantone und Vorbände ebenfalls der Meinung sind, das Stockwerkeigentum werde Sonderbestimmungen über die Geschaftsmicto weniger notwendig machen. Wenn man es nicht in Kauf nehmen will, dio gesetzgeberische Arbeit unnötigerweise zu belasten, so rechtfertigt es sich, mit dor Weiterführung der Arbeiten über die Sonderregelung der Geschäftsmiete zuzuwarten, bis die neuen Bestimmungen des Schweizerischen Zivilgesetzbuches über das Stockwerkeigentum während einer gewissen Zeit angewendet worden sind. So dürfte es möglich sein, festzustellen, ob im Hinblick auf diese neue Form des Miteigentums sich Sonderregeln über die Geschäftsmiete erübrigen oder sich auf gewisse Punkte beschranken lassen. Wir gelangen daher schon aus diesem Grunde zur Auffassung, es bestehe im Augenblick kein Anlass, den Standesinitiativcn der Kantone Genf und Waadt Folge zu geben.

2. Es besteht noch ein anderer Grund, zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen. Sowohl beide Gegenstand dieses Berichts bildenden Standesinitiativen als auch die verschiedenen Vorsi osse von Mitgliedern der gesetzgebenden Eate oder von kantonalen Behörden (Postulate, Antrag, Kleine Anfragen, Besolution, Motion) bei Bundesbehòrden stammen alle aus den Kantonen Genf und Waadt. Hieraus ist zu schliessen, dass die Frage vornehmlich in diesen beiden Kantonen
von Interesse ist. In einer 1955 publizierten Abhandlung über den Geschäftsbesitz («propriété commerciale») stellte Max Monchal, damaliger Generalsekretär der Fédération romande des intérêts immobiliers, fest, dass die Frage des Geschäftsbesitzes, also der Geschaftsmiete, sich nur in zwei SchweizerStädten, nämlich Genf und Lausanne, stelle (Gernigon/Montchal, La propriété commerciale). An dieser Situation scheint sich seither nichts geändert zu haben.

3. Wie wir bereits hervorgehoben haben, bestimmt der Bundesbeschluss über die Weiterfuhrung befristeter Preiskontrollmassnahmen, dass die Vorschriften über Mietzinse schrittweise zu lockern sind, soweit dies ohne wirtschaftliche Störungen und soziale Harten möglich ist. Wurden der Vertragsfrei-

1656 heit auf dem Gebiete der Geschäftsmiete dauernde und strengere Einschränkungen als die gegenwärtig geltenden auferlegt, so würden die mit dem erwähnten Bundesbeschluss gewollten Bestrebungen durchkreuzt.

4. Die Ergebnisse der Umfrage bei den Kantonen und Verbänden über den Bericht Jeanprêtre bilden einen vierten, unseres Erachtens entscheidenden Grund, um den beiden Initiativen der Kantone Genf und Waadt im heutigen Zeitpunkt keine Folge zu geben. Es muss in der Tat vermieden werden, gesetzgeberische Arbeiten in Angriff zu nehmen, von denen aller Grund zur Annahme besteht, dass sie ihr Ziel verfehlen würden.

Aus diesen Gründen beantragen wir Ihnen, den beiden erwähnten Initiativen zur Zeit keine Folge zu geben und bei dieser Gelegenheit die Postulate Chaudet (1952) und Vincent (1955) abzuschreiben.

Durch die Initiativen der Kantone Genf und Waadt nicht vorgeschlagen ist schliesslich eine Lösung, die ebenfalls denkbar wäre, nämlich eine bundesrechtliche Ermächtigung an die Kantone, das System der Geschäftsmiete einzuführen.

Da die Kantone im Hinblick auf Artikel 64 der Bundesverfassung nicht zuständig sind, auf dem Gebiete des materiellen Zivilrechts zu legiferieren, würde diese Lösung darin bestehen, Ihnen einen Gesetzesentwurf über die Einfügung in das Obh'gationcnrecht von Bestimmungen über die Neugestaltung der Geschäftsmiete zu unterbreiten und die Kantone zu ermächtigen, diese Bestimmungen auf ihrem Gebieto anwendbar zu erklären. Eine solche Lösung scheint, auf den ersten Blick nicht unmöglich zu sein (vgl.z.B. Art.472, 616, 621
Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Vorsicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 29. Dezember 1964.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates,

7956

Der B u n d e s p r ä s i d e n t : L. von Moos Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Initiativen der Kantone Genf und Waadt betreffend Regelung der Geschäftsmiete (Vom 29. Dezember 1964)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1964

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

7151 8617

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.12.1964

Date Data Seite

1644-1656

Page Pagina Ref. No

10 042 753

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