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Bundesblatt 116. Jahrgang

Bern, den 2. April 1964

Erscheint wöehenUiek,

Band I

Prett SS Franken im Jahr, IS Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr

Einrückungsgebühr 5 0 Rappen d i e Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderung des Milchbeschlusses (Vom 20. März 1964) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend über Änderungen des Beschlusses der Bundesversammlung vom 29. September 1953 über Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluss) (AS 1953,1109; 1907, 571; 1961, 883) zu berichten und den Entwurf eines entsprechenden Bundesgesetzes zu unterbreiten.

I. Einleitung A. Die Bedeutung der Milchwirtschaft für die schweizerische Landwirtschaft Innerhalb der schweizerischen Landwirtschaft nimmt die Milchwirtschaft eine zentrale Stellung ein. Der aus der Milchproduktion erzielte Endrohertrag betrug im Jahre 1962 über l Milliarde Franken, waa rund 83 Prozent des Gesamtertrages ausmacht. Die Bedeutung der Milchwirtschaft beruht weitgehend auf den Boden- und Klimaverhältnissen grosser Landesteile. Wie schon in der Botschaft zum Milchbeschluss vom 13.Februar 1953 (BEI 1953, I, 389) dargestellt wurde, entfiel in den letzten Jahrzehnten, abgesehen von der Kriegszeit, immer mindestens ein Drittel des landwirtschaftlichen Endrohertrages auf die Milcherzeugung. Es kann daher gesagt werden, dass der Milcherlös - neben dem Erlös von Fleisch - die wichtigste Einnahmequelle für die schweizerische Landwirtschaft bedeutet.

E. Die Konsnmmilch im Rahmen der Milchverwertung Von der jährlichen Milchproduktion wird ein bestimmter Teil in Haus und Hof der Produzenten verwertet, und zwar zur Deckung des Eigenbedarfes an Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. I.

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Konsummiloh sowie zur Aufzucht und Mast von Jungtieren. Der grössere Teil der Milchproduktion verlässt den Hof (Verkehrsmilch) und wird als Konsummilch oder in Form von Milchprodukten verwertet.

Die Art der Verwertung der Verkehrsmilchnaenge ist weitgehend eine Frage der Absatzmöglichkeiten. In der Abrechnungsperiode 1962/1963 gestaltete sie sich ungefähr wie folgt : MÌO q Konsummilch 6,8 Joghurt und andere Spezialitäten 0,4 Volh-ahm und Kaffeerahm 1,5 Käsefabrikation 8,0 Dauermilchwaren 0,9 Butterfabrikation 6,1 Verkehrsmilch

23,7

Der Absatz von Konsummilch hat somit eine grosse Bedeutung. Dazu kommt, dass nicht jede Milchverwertungsart finanziell selbsttragend ist. Butter, Käse und Dauermilchwaren bedürfen zum Teil erheblicher Verwertungszuschüsse, damit sie zu angemessenen Preisen abgesetzt werden können. So betrug der Verwertungsaufwand in der Abrechnungsperiode 1962/1963 für Butter rund 56 Millionen Franken, für Käse rund 60 Millionen und für Dauermilchwaren rund l Million Franken, während für Konsummilch (abgesehen von den Zuschüssen der Preisausgleichskasse für Milch), Joghurt und andere Spezialitäten sowie für Vollrahm und Kaffeerahm keine Zuschüsse notwendig waren.

Sowohl der Bund als auch die Produzenten, welche nach der heutigen Eegelung an den Verwertungsverlusten beteiligt sind, haben somit ein Interesse daran, dass ein möglichst grosser Teil der Verkehrsmilch als Konsummilch verwertet wird. In diesen grossen Eahmen ist denn auch das Problem einer Freigabe des Verkaufes von pasteurisierter Milch (Kurzbezeichnung: Pastmilch), welche Gegenstand dieser Vorlage ist, zu stellen, und die direkten und indirekten Auswirkungen sind nachfolgend genau zu untersuchen.

C. Die Milchwirtschaft als Gegenstand staatlicher Anordnungen Bin Eückblick auf die früheren Erlasse auf dem Gebiete der Milchwirtschaft findet sich in der Botschaft zum Milchbeschluss vom 13.Februar 1953, worauf wir hier nicht näher eintreten. Nach Aufhebimg des Notrechtes der Kriegsjahre wurde die Erfassung und Verwertung der Verkehrsmilch, gestützt auf Artikel 31bls Absatz 8, Buchstabe b der Bundcsverfassung zum Gegenstand staatlicher Anordnungen gemacht. Um die geordnete Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten sichern und den Absatz zu Preisen gewährleisten zu können, welche für die Produzenten kostendeckend sind, muss die Milchordnung nach Möglichkeit ein geschlossenes Ganzes bilden. Auf Grund des erwähnten Vorfassungsartikels sind heute zwei Erlasse auf der Gesetzesstufe in Kraft, die Bestimmungen über die Milchwirtschaft enthalten. Das Bundesgesetz

671 vom 3.Oktober 1951 (AS 1953, 1073) über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes (Landwirtschaftsgesetz) befasst sich mit der Milch in den Artikeln 26, 27 und 59. Darin werden den Behörden allgemeine Begehi an die Hand gegeben, die in Erlassen auf der Verordnungsstufe teils durch die Bundesversammlung, teils durch den Bundesrat näher ausgeführt werden. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an den Milchbeschluss vom 29, September 1953, an das Milchlieferungsregulativ vom 29. Dezember 1954 (AS 1954, 1376; 1963, 381) und an die Verordnung vom 30. April 1957 über die Verwertung der Verkehrsmilch (AS 1957, 367). Der zweite Erlass auf der Gesetzesstufe ist der Bundesbeschluss vom 4. Oktober 1962 (AS 1962, 1187) über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft, der den gleichnamigen Bundesbeschluss vom 19. Juni 1959 (AS 1959, 907; 1960, 1635; 1961, 1149) ersetzte. Es kann nicht Aufgabe dieser Botschaft sein, sich mit der in diesen Erlassen geregelten Materie zu befassen.

An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass Massnahmen im Bereiche der Milchproduktion und des Milchabsatzes immer im Hinblick auf die Milchwirtschaft als Ganzes erwogen werden müssen. Die soeben erwähnten staatlichen Erlasse erfassen die Verkehrsmilch von der Produzentenstufe an bis zu den Konsumenten, Werden Teile dieser Ordnung geändert, so ist auch zu prüfen, welche Auswirkungen die Änderungen auf das Ganze haben. Nur auf diese Weise lassen sich gesamtwirtschaftlich befriedigende Lösungen erzielen.

In den folgenden Ausführungen geht es grundsätzlich darum, aus der umfassenden Ordnung der Milchproduktion und deren Verwertung einen Teil zu überprüfen, nämlich die Detailhandelsstufe beim Vertrieb von Konsummilch.

Die Beschränkung auf diese Erage wird nicht verhindern, dass die damit verbundenen Auswirkungen bis zur Produktion zurück untersucht werden müssen.

u. Die bisherige Regelung des Konsummilchverkaufs A. Die Regelung des Konsummilcuverkauïs gemäss Landwiitschaftsgesetz und Milchbeschluss 1. Regelung für die Konsunimilch im allgemeinen Im Artikel 26 des Landwirtschaftsgesetzes heisst es unter anderem: Zur Sicherung einer geordneten Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten und zur Förderung des Absatzes von Milch zu Preisen, die nach den Grundsätzen
dieses Gesetzes angemessen sind, kann die Bundesversammlung, unter Berücksichtigung der Interessen der Gesamtwirtschaft; a. Anordnungen über Erzeugung, Qualität, Ablieferung und Verwertung von Milch

und Milchprodukten treffen; d, ... Vorschriften über die zweckmässige und kostensparende Sammlung und Verteilung der Konsummilch erlassen, insbesondere auch durch Verhinderung einer übersetzten Zahl von Milchgeschäften und durch die Quartiereinteilung im Milchhandel. ...

Diese Ermächtigung an das Parlament, in einer Ausführungsverordnung zum Landwirtschaftsgesetz - dem nachmaligen Milchbeschluss - auch in der

672 Detailhandelsstufe lenkend einzugreifen, war grundsätzlich nicht neu. Schon das Notrecht der dreissiger Jahre sah solche Massnahmen vor. So finden wir zum. Beispiel in der Verordnung über die Milchproduktion und die Milchversorgung vom 80. April 1937 (ES 9, 190) unter dem Titel «Beaufsichtigung des Milchhandels und der Milchverwertung» die Bewilligungspflicht für die Eröffnung nouer Milchverkaufsgeschäfte, desgleichen auch für Inhaberwechsel und Verlegung bisheriger Geschäfte. Ferner war in diesem Erlasa die Möglichkeit der Quartiereinteilung vorgesehen, und er enthielt Bestimmungen, um die Unterbietung der Konsummilchpreise zu verhindern.

Der Grund für solche Vorschriften ist darin zu suchen, dass die Produzenten für die Milch einen kostendeckenden Erlös erzielen sollten, während die Konsumenten ein Interesse haben, für dieses wichtige Nahrungsmittel einen möglichst billigen Preis zu bezahlen. Diese beiden widerstrebenden Interessen können nur auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, wenn den Produzenten für ihr Produkt zwar ein angemessener Preis bezahlt wird, die Bestrebungen im übrigen aber dahingehen, dass die Milch auf den weiteren Handelsstufen nicht übermässig verteuert wird, so dass sie den Konsumenten zu einem marktgerechten und absatzfördernden Preis zur Verfügung steht. Indem die Absatzorganisation vereinfacht wird, sollen die Verteilungskosten gesenkt werden. Diese Zielsetzung wird in der Botschaft zum Landwirtschaftsgesetz vom 19. Januar 1951 (BEI 1951,1, 190) bestätigt: Insbesondere im. Zusammenhang mit Milchpreisstützungsaktionen wurde wiederholt an den Verschleisskosten der Konsummilchvermittlung in der Öffentlichkeit wie im Parlament Kritik geübt und eine Sanierung der Verhältnisse im Milchhandel als dringend notwendig bezeichnet. Dem Zudrang zum Milchhandelsgewerbe konnte mit Artikel 44 der Lebensmittelverordnung nur ungenügend und ungleich begegnet werden. Im Jahre 1938 musste zum Beispiel in Zürich der Konsummilchpreis um 2 Rappen, in der übrigen Schweiz nur um l Rappen erhöht werden, weil der Milchhandel mit der bisherigen Marge nicht mehr auskam. Die Zahl der Milchgeschäfte war nämlich dort von 235 im Jahre 1914 auf 426 (181 %) im Jahre 1936 gestiegen, der gesamte Konsummilchumsatz aber nur von 90 000 auf 110 000 Tagesliter (122 %). Sowolü die Eidgenössische
Preisbildungskommisaion (1927) als auch eine vom Bundesrat eingesetzte Studienkommission (1937) gelangten im wesentlichen zur Schlussfolgerung, die Vermittlungskosten würden unter anderm durch eine zu grosse Zahl von Kleinhändlern ungünstig beeinflusst und könnten durch die Einführung der quartierweisen Milchverteilung entlastet werden. Die Quartiereinteilung drängt sich aber auch aus Gründen der Ordnung der Arbeitszeit auf, wenn auf die Milchzustellung zum Haus auch an Sonntagen weiterhin Wert gelegt wird.

Gestützt auf die Ermächtigung von Artikel 26, Absatz l, Buchstabe d des Landwirtschaftsgesetzes wurden im Milchbeschluss einige Ausführungsvorschriften aufgenommen, die sich mit der Abgabe von Konsummilch auf der Detailhandelsstufe befassen (Art.21 bis 25 Milchbeschluss). Die Erläuterungen in der Botschaft zum Milchbeschluss vom 13.Februar 1953 betreffend den Abschnitt «2weckmässiger und kostensparender Konsummilchvertrieb» (BB11953, I, 459) sollen hier nicht wiederholt werden. Wir können uns damit begnügen, festzuhalten, dass auch an jener Stelle auf die Wichtigkeit eines rationellen

673 Konsummilchvertriebes hingewiesen wurde. Erwähnt sei lediglich noch eine Bemerkung zur Gesamtwürdigung des damaligen Entwurfes zum Milchbeschluss : /. In bezug auf einen zweckmässigen und kostensparenden Konsumm ilchverfcrieb sollen die bewährten Maasnahmen weitergeführt werden, mit dem Ziel, unnötig hohe Verschleisakosten im Interesse der Produzenten und Konsumenten zu verhindern. Es handelt sich keineswegs um gewcrbepolitische Massnahmen zugunsten des Milchhandels, sondern um Vorkehren für eine optimale Mileliverwertung und Milchversorgung.

Das in diesen Ausführungen erwähnte Ziel hat heute noch Geltung. Damit ist aber nicht gesagt, dass auch die Massnahmen, mit denen das Ziel erreicht werden aoll, heute noch die gleichen sein müssen.

Zur Verwirklichung eines wirtschaftlichen Konsumrailchvertriebes im Sinne von Artikel 26, Absatz l, Buchstabe d des Landwirtschaftsgesetzes enthält der Abschnitt VI des Milchbeschlusses unter dem Titel «Zweckmässiger und kostensparender Konsummilchvertrieb» Bestimmungen folgenden Inhalts: Artikel 21 des Milchbeschlusses unterstellt den gewerbsmässigen Verkauf von Konsummilch jeder Art, sei es im Laden oder durch Lieferung ins Haus, einer Bewilligungspflicht. Die Bewilligung ist notwendig für die Eröffnung neuer und für die Verlegung bestehender Milchverkaufsgeschäfte, ferner bei einem Inhaberwechsel (Abs.l). Als Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung werden das Bedürfnis seitens der Konsumenten sowie der Umstand genannt, dass durch die Erteilung der Bewilligung die zweckmässige und kostensparende Milchverwertung nicht beeinträchtigt werden darf. Bei Inhaberwechsel wird die Erhaltung eines Betriebes für Familienangehörige als Grund für die Bewilligungserteilung bezeichnet (Abs. 2). Absatz 8 befasst sich mit der Pastmilch im besondern; diese Bestimmung wird im folgenden Abschnitt ausführlich behandelt werden.

Artikel 22 des Milchbeschlusses regelt das Verfahren für die Behandlung von Gesuchen um eine Milchverkaufsbewilligung. Es besteht die Möglichkeit des Einsatzes kantonaler Vorentscheidsstellen für das Kantonsgebiet oder bestimmte Konsumplätze ; diese fällen einen erstinstanzlichen Entscheid, nachdem sie die interessierten Organisationen und Behörden konsultiert haben (Abs.l). Ein Vorentscheid kann durch Einsprache bei der Abteilung für Landwirtschaft aufgehoben werden; die letztere hat im Falle der Einsprache über die Angelegenheit neu zu befinden (Abs. 2). Wo keine kantonale Vorentscheidsstelle bezeichnet worden ist, sind Gesuche um Erteilung einer Milchverkaufsbewilligung direkt bei der Abteilung für Landwirtschaft einzureichen (Abs.8).

Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement gab bis anhin auf Antrag der Kantone an 29 kantonale und kommunale Stellen die Ermächtigung, Vorentscheide treffen zu können. Deren 12 sind je für das ganze Kantonsgebiet zuständig, deren 17 für einzelne Städte und grössere Ortschaften. Diese Regelung wirkte sich, wie beabsichtigt, im Sinne einer Entlastung der Bundesbehörden

674 aus. Die kantonalen Stellen leisteten nützliche Arbeit. Schwierigkeiten ergaben sich erst seit 1962, als sich die Gesuche um Erteilung einer Bewilligung zum Pastmilchverkauf häuften.

Artikel 28 des Milchbeschlusses befasst sich mit der Bezahlung der Milchkundschaft bei Inhaberwechsel. Es geht darum, durch Verhinderung der Überzahlung von Milchgeschäften zu erreichen, dass die Sanierung des KonsummilchVertriebes sich tatsächlich als Kosteneinsparung auswirkt. Die Bewilligungsstelle kann unangemessene Entgelte auf einen Umfang herabsetzen, der in Würdigung aller Umstände als angemessen erscheint.

Artikel 24 des Milchbeschlusses sieht die Möglichkeit der Quartiereinteilung vor. Wiederum zum Zwecke kostensparender Konsummilchverteilung können die zuständigen Behörden auf einzelnen Konsumplatzen die Quartiereinteilung anordnen, sofern zwei Drittel der Milch ins Haus liefernden Milchhändler und Selbstausmcs&er oder die Gemeindebehörde dies beantragen (Abs.l), Die Konsumenten haben die Möglichkeit, sich bei unbefriedigender Bedienung zu beschweren und die Zuteilung eines ändern Lieferanten zu verlangen, der zur Milchlieferung ins Haus verpflichtet ist (Abs.4).

Artikel 25 des Milehbeschmsses verbindet die Erteilung der Milchverkaufsbewilligung mit der Auflage, dass der Bewilligungsinhaber angemessene Handelsmargen nicht überschreitet. Der Bundosrat kann nötigenfalls Vorschriften erlassen, um ungerechtfertigte Margen zu verhindern oder herabzusetzen. Diese Bestimmung hat bis anhin keine Bedeutung erlangt, insbesondere deshalb, weil bei der Frischmilch zur Zeit noch das Preiskontrollrecht gilt.

2. Besondere Regelung für die Pastmücii a. Begriff der Pastmilch Artikel 21 des Mjlchbeschlussos, der von der Milchvorkaufsbewilligung handelt, enthalt in seinem Absatz 8 eine Sonderbestimmung für pasteurisierte Milch.

Bei der Pasteurisierung werden allfällige in der Milch enthaltene Krankheitskeime vernichtet, so dass die Milch für den Frischkonsum geeignet ist.

Ähnliche Verfahren sind die Sterilisierung und die Uperisierung, wobei die Sterilisierung die Milch völlig keimfrei macht, während die Uperisierung in ihrem Wirkungsgrad als eine Mittelstufe zwischen Pasteurisierung und Sterilisierung bezeichnet werden kann; sie hat annähernd den Wirkungsgrad der Sterilisicrung, schont jedoch den Gehalt der Milch
mehr als dieses Verfahren.

Für den Eohgenuss ist auch die sogenannte Vorzugsmilch geeignet; diese wird ohne irgendwelche physikalischen Einwirkungen in Betrieben gewonnen, die einer laufenden tierärztlichen Kontrolle unterstellt sind.

An dieser Stelle kann festgehalten worden, dass zum Begriff der pasteurisierten Milch im Sinne von Artikel 21, Absatz 3 des Milchbeschlusses auch die ändern Konsummilcharten gezählt wurden, die zum Eohgenuss geeignet sind.

675 In den Bichtlinien der Abteilung für Landwirtschaft vom l I.Mai 1962 betreffend die Erteilung von Bewilligungen zum Verkauf von pasteurisierter, uperisierter und sterilisierter Milch sowie von Vorzugsmilch in Flaschen oder in Wegwerfpackungen ist dieser Grundsatz fixiert; das gleiche gilt seit I.Januar 1964 auch in der Lebensmittelvorordnung. Der Grund für die Gleichbehandlung liegt u.a.

auch darin, dass alle genannten Konsummilcharten in bestimmten Verpackungen (Flaschen oder Wegwerfpackungen) verkauft werden. Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, dass die genannten Milcharten, wenn sie in Büchsen abgefüllt sind, nicht als Konsummilch angesehen werden. Die Verpackungsart gibt ihnen vielmehr den Charakter von Milchkonserven und eine Verkaufsbewilligung ist daher nicht nötig.

b. Die Sonderstellung der Pastmilch gemäss Artikel 21, Absatz 3 des Milchbeschlusses Die Erteilung einer Milchverkaufsbewüligung wird in Artikel 21 des Milchbeschlusses grundsätzlich vom Bestehen eines Bedürfnisses der Konsumenten abhängig gemacht ; ferner darf die zweckmässige und kostensparende Konsummilchverwertung nicht beeinträchtigt werden.

Für die Pastmilch gelten besondere Bestimmungen. Als Grundsatz gilt, dass der Verkauf von Pastmilch zwar einer Bewilligung bedarf, dass dafür aber nicht die gleich strengen Grundsätze gelten wie für den Verkauf von Offenmilch.

Unter gewissen Voraussetzungen bedarf deren Verkauf überhaupt keiner Bewilligung.

Artikel 21, Absatz 3 des Milchbeschlusses lautet: Der ambulante Verkauf von pasteurisierter Milch, wie in Manövern, bei Sportund Festanlässen usw. bedarf, unter Vorbehalt der besondern Bestimmungen von Artikel 73, Absatz 7 der Lebensmittelverordnung, keiner Bewilligung gemäss Absatz 1.

Gesuche für die Bewilligung zum Verkauf von pasteurisierter Milch in Flaschen sind, namentlich in Fremdenkurorten oder wenn die günstige Verkehrslage des betreffenden Milchproduktenladens einen vermehrten Konsum erwarten läset, entgegenkommend «u behandeln und zu erledigen.

Der Verzicht auf ein Bewilligungsverfahren beim ambulanten Verkauf bei Manövern, Sport- und Festanlässen usw. erklärt sich daraus, dass er als zusätzlicher Konsum zu werten ist, der nicht am Umsatz eines ändern Milchverkäufers abgeht. Es ergibt sich daher eine Steigerung und nicht nur eine Verlagerung des Milchabsatzes.

Der Verkauf von Pastmilch, der nicht unter den freien Verkauf im Sinne des ersten Satzes von Artikel 21, Absatz 3 des Milchbeschlusses subsumiert werden kann, ist bewilligungspflichtig. Entsprechende Gesuche sind jedoch entgegenkommend zu behandeln. In welcher Eichtung der Gesetzgeber von den Bewilligungsbehörden ein Entgegenkommen erwartet, zeigt sich durch die Einschiebung der Worte «namentlich in Fremdenkurorten oder wenn die günstige

676 Verkehrslage des betreffenden Milchproduktenladens einen vermehrten Konsum erwarten lässt ».

Festzuhalten ist, dass schon beim Erlass des Milchbeschlusses im Jahre 1953 ein deutlicher Unterschied zwischen Offenmilch und pasteurisierter Milch gemacht wurde. "Während für den Verkauf von Offemnilch die Bedürfnisklausel gilt (Ait.21, Abs.l des Milchbeschlusses), bestehen für den Verkauf von Pastmilch weniger Einschränkungen. Eine Bewilligung ist nicht nur im Falle eines nachweisbaren Bedürfnisses zu erteilen, sondern es kommt wesentlich auf den vermehrten Konsum an Milch überhaupt an. Diese besondere Behandlung der Pastmilch ergibt sich aus ihren speziellen Eigenschaften. Da sie vorverpackt ist und für den Konsum keiner besondern Behandlung bedarf, sind die Verwendungsmöglichkeiten mannigfaltig. Im Gegensatz zur Offenmilch erlangt Pastmilch auch ausserhalb des Haushaltes eine wesentliche Bedeutung und erschliesst neue Absatzmöglichkeiten für unsere grosse Milchproduktion. Dieser Bedeutung ist mit der Sonderbestimmung für Pastmilch im Eahmen der damals gegebenen Verhältnisse Eechnung getragen worden.

B. Die Bewilligungspraxis bezüglich Pastmilchverkauî seit Erlass des Milchbeschlusses Seit dem Erlass des Milchbeschlusses im Jahre 1958 hat Artikel 21, Absatz 8 zunehmende Bedeutung erlangt und ist in Anpassung an die Entwicklung auch einer gewissen Änderung der Auslegung unterworfen worden. Im folgenden soll dargestellt werden, wie sich die Interpretation dieser Vorschrift seit 1958 entwickelte.

1. Der Einbezug von Lebensmittelgeschäften Artikel 21, Absatz 3 des Milchbeschlusses bestimmt unter anderem, dass beim Bewilligungsentscheid auf die günstige Verkehrslage des betreffenden «Milchproduktenladens» abgestellt werden solle. Es soll vorerst daran erinnert werden, aus welchen Motiven dieser Ausdruck in die Bestimmung aufgenommen wurde. Im Entwurf zum Milchbeschluss lautete der entsprechende Passus: «... namentlich in Fremdenkurorten sowie durch Spezialgeschäfte für Milchprodukte, und wenn die günstige Verkehrslage des betreffenden Ladens einen vermehrten Konsum erwarten lässt,...» Im Parlament stellte Nationalrat Schütz den Antrag, die Bestimmung sei wie folgt zu fassen: «... namentlich in Fremdenkurorten oder wenn ein für den Verkauf von Milchprodukten geeignetes Geschäft sich in günstiger
Verkehrslage befindet und einen vermehrten Konsum erwarten lässt,... (StenBull 1958, Nationalrat, 8.383). Zur Begründung wurde angeführt, der im Entwurf enthaltene Begriff «Spezialgeschäfte für Milchprodukte» sei zu eng. Mit der vorgeschlagenen Fassung solle bewirkt werden, dass auch Lebensmittelgeschäfte, die Butter, Käse und weitere Milchprodukte verkaufen,

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zugleich pasteurisierte Milch abgeben können. Es würde von den Konsumenten nicht verstanden, wenn der Pastmilchverkauf nur in derart eingeschränkter Weise erlaubt würde. Es müsse ein gewisses Ventil vorhanden sein, damit Pastmilch in allen hygienisch einwandfreien Läden verkauft worden könne, denn die «Ladenkultur» habe heute an manchen Orten beträchtliche Fortschritte gemacht. Ahschliessend wurde festgehalten, dass dies zweifellos ein Weg sei, um den Milchkonsum zu fördern. In der Abstimmung wurde dann der Antrag der nationalrätlichen Kommission angenommen, der ebenfalls vom Entwurf abwich und die heute geltende Formunorung des betreffenden Passus brachte.

Die Mehrheit des Nationalrates war der Auffassung, dass die von der Kommission vorgeschlagene Formulierung gegemiber dem Text des Entwurfes eine Auflockerung bedeute, die es ermögliche, nicht nur Spezialgeschäften für Milchprodukte, sondern auch geeigneten Lebensmittelgeschäften die Bewilligung zum Verkauf von pasteurisierter Milch zu orteilen.

Die Bewilligungsbehörden erteilten daher bald nach Inkrafttreten des Milchbeschlusses auch geeigneten Lebensmittelgeschäften eine Bewilligung zum Verkauf von Pastmilch. Im Sinne von Artikel 21, Absatz 8 des Milchbeschlusses wurde die Bewilligung jedoch nur erteilt, wenn dadurch ein Mehrkonsum und nicht nur eine Verlagerung des Absatzes erwartet werden konnte, was um so wahrscheinlicher ist, je weiter das Geschäft mit der neuen Bewilligung von bereits bestehenden Milchgeschäften entfernt ist. Befindet sich dagegen in unmittelbarer Nähe bereits eine Milchverkaufsstelle, dann ist zu erwarten, dass der bisherige Laden zugunsten der neuen Verkaufsstelle eine Einbusse am Milchumsatz erleidet. Die Praxis war daher bemüht, für die Erteilung einer Bewilligung eine minimale Entfernung zu bestimmen, dio es unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass sich eine wesentliche Verlagerung des Umsatzes von der alten auf die neue Milchvorkauf sstello ergibt. Diese Entfernung wurde mit 800 m festgesetzt, und die Milchverkaufsbewilhgungen sind seit 1955 entsprechend erteilt worden.

2. Der Grossversuck Zürich In den Jahren 1959 und 1960 versuchte man auf dem Platze Zürich abzuklären, ob durch eine starke Vermehrung der Verkaufsstellen von Pastmilch eine wesentliche Steigerung des G-esamtmilchverbrauches möglich sei. Der Versuch
wurde durchgeführt, weil sich der Lebensmittelhandel wiederholt und mit Nachdruck um die Bewilligung zur Vermittlung von Pastmilch bemühte.

So hatten zum Beispiel im Sommer 1954 die Lebensmittelgrossverteiler in Zürich für 328 Lobensmittelläden eine Verkaufsbewilligung für Pastmilch verlangt. In Befolgung der damaligen Praxis wurden 87 Bewilligungen erteilt, wobei in diesen Fällen die nächste Milchverkaufsstelle mindestens 800 m entfernt sein musate.

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Die Grossverteilerorganisationen gaben sich mit dieser Praxis nicht zufrieden. Es wurde zum Teil argumentiert, durch Beseitigung der Bewilligungspflicht für den Pastmilchverkauf könnte der Konsummilchverbrauch bereits im ersten Jahr um 10 Prozent, im zweiten Jahr sogar um 20 Prozent gesteigert werden. Schon im ersten Jahr wären demnach rund 29 "Wagen weniger Butter zu verwerten, was eine Einsparung von rund l Million Franken (bei Frischkochbutter) bzw. rund 1,9 Millionen Franken (bei verbilligter eingesottener Butter) erlauben würde (Postulat Duttweiler vom 14. März 1958). Bei der Entgegennahme des Postulates Duttweiler führte der Sprecher des Bundesrates unter anderem aus, er sei bereit, die Frage eines Versuches zu prüfen; ein solcher Versuch müsse sich indessen im Bahmen der geltenden Vorschriften halten.

In Zürich bestanden damals rund 250 Milchgeschäfte und 1250 Lebensmittelläden. Naturgemäss konnte nicht allen Lebensmittelgeschäften für die Dauer des Versuches eine Bewilligung zum Verkauf von Pastmilch erteilt werden.

Vielmehr kam nur eine grössere Zahl von repräsentativen Lebensmittelläden in Betracht, die sich nicht allzu nahe bei bestehenden Milchverkaufsgeschäften befanden. In diesem Sinne meldeton die beteiligten Grossverteiler und privaten Lebensmittelhändler 313 Läden für den Versuch an, wovon 272 Verkaufsbewilligungen erhielten. Die Zahl der Milchverkaufsstellen wurde demnach für die Dauer des Versuches mehr als verdoppelt. Die Bewilligungen waren mit verschiedenen Auflagen verbunden, wie z.B. der Einhaltung von Festpreisen und der Bezugspflicht für die Pastmilch an einem vorgeschriebenen Orte.

Das Ergebnis des G-rossversuches Zürich kann wie folgt zusammengefasst werden: In der Versuchsanlage setzten sich die Beteiligten zum Ziel, den Milchverbrauch pro Kopf der Bevölkerung im ersten Versuchsjahr um 5 Prozent, im zweiten Jahr um 10 Prozent zu steigern, wobei allerdings zwei G-rossverteilergruppen die Auffassung vertraten, man solle sich mit einer Steigerung von 3 Prozent begnügen. Diese Meinungsverschiedenheiten führten dazu, dass bis im August 1959 nur rund die Hälfte der Versuchsbewilligungen ausgenützt wurden.

Erst vom September 1959 an wurde in 272 Vorsuchsläden Pastmilch verkauft.

Trotz grossem Propagandaaufwand und obschon der Preis der Literpackung um zwei Bappen herabgesetzt
worden war, wurde im ersten Versuchsjahr nur eine bescheidene Steigerung des Milchverbrauches pro Kopf der Bevölkerung um 0,04 l je Monat (+0,46%) erzielt. Gegenüber dem Vergleichsjahr 1958 ergab sich dann im zweiten Versuchsjahr ein Minderverbrauch pro Kopf der Bevölkerung von 0,101 oder von 0,85 Prozent pro Monat. Der Pastmilchverkauf in den Versuchsläden betrug 1959 ca. 3,3 Prozent und 1960 ca. 5,5 Prozent des Gesamtverbrauches. Da der letztere ungefähr konstant blieb, konnte abgeleitet werden, dass sich weitgehend nur eine Verlagerung des Absatzes vom angestammten Milchhandel in die Versuchsläden eingestellt hatte. Der Milchhandel erlitt gegenüber dem Jahr 1958 im ersten Versuchsjahr einen effektiven Bückgang des Milchumsatzes von rund 0,9 Millionen Liter und 1960 von rund 2,4 Millionen Liter.

679 3. Die Situation nach Abschluss des Grossversuches Zürich Die am Versuch beteiligten Gruppen wurden nach dessen Abschluss aufgefordert, für eine beschränkte Anzahl von Verstichsläden, die sich im Absatz von Pastmilch besonders bewährt hatten, Gesuche zum weitem Verkauf von Pastmilch auch nach dem I.Januar 1961 einzureichen. In der Folge wurden Gesuche für die meisten der bisherigen Versuchsläden gestellt. Die Paritätische Kommission (Vorentscheidsstclle) für den Platz Zürich beschloss, bei der Behandlung der Gesuche die nachfolgenden Richtlinien anzuwenden. Eine Bewilligung soll denjenigen Lebensmittelläden erteilt werden, die während des Versuches einen Umsatz von mindestens 80 Tageslitern hatten und wenigstens etwa 150 m vom nächsten angestammten Milchladen entfernt waren. Bei Versuchsläden mit mindestens 50 Tageslitern erhöhte sich die Entfernung auf 200 m, bei solchen mit ausgesprochen grossen Tagesumsätzen von 800 bis 500 Litern reduzierte sie sich auf mindestens 100 m. Diese Praxis ging wiederum davon aus, dass eine Absatz verro ehrung und nicht nur eine Unisatzverlagerung von bestehenden auf neue Verkaufsstellen um so wahrscheinlicher ist, je weiter die nächste Milchverkaufsstello entfernt ist. Dazu kam die Überlegung, dass ein zusätzlicher Konsum vor allem bei denjenigen Lebensmittelläden zu erwarten ist, die sich über einen besonders grossen Tagesumsatz ausgewiesen hatten.

Auf Grund dieser Praxis wurden von der Paritätischen Kommission und der Abteilung für Landwirtschaft (als Einspracheinstanz) nach Abschluss des Grossversuches insgesamt 35 Bewilligungen für den Pastmilchverkauf ab I.Januar 1961 erteilt. Inhaber dieser neuen Bewilligungen waren die Lebensmittel-Grossverteiler auf dem Platze Zürich (Migros, Lebensmittelverein, Konsumverein Zürich, Denner usw.). Die Grossverteüer besassen damit in Zürich, emschliesslich der 87 früher erteilten Bewilligungen, 72 Bewilligungen zum Verkauf von Pastmilch. Der durchschnittliche Tagesumsatz; dieser Läden hatte im Oktober 1960 73,3 Liter, gegenüber 42,3 Liter als Durchschnitt aller Versuchsläden, betragen. Berücksichtigt wurden demnach vor allem die Laden mit den grössten Umsätzen.

Gewisse ablehnende Entscheide der Abteilung für Landwirtschaft wurden an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement als Beschwerdeinstanz weitergezogen. Dieses
fällte im Jahre 1961 einige Entscheide, die für die weitere Praxis von Bedeutung waren. Sie sollen daher kurz zusammengefasst werden.

Die Beschwerdeinstanz betonte darin, dass nicht die subjektiven Wünsche der Konsumenten oder der Eekurrentin für die Erteilung der Bewilligung massgebend sein, könnten. Vielmehr seien dafür ausschliesslich objektive Momente ausschlaggebend, wobei zu entscheiden sei, ob im bestehenden Milchversorgungsnetz eine Lücke bestehe, deren Ausfüllung im Interesse eines vermehrten Angebotes und Absatzes von Milch notwendig erscheint. Wörtlich wurde sodann in einem Falle ausgeführt: «Ln vorliegenden Verfahren gilt es hauptsächlich zu entscheiden, unter welchen Umständen und Voraussetzungen beim Verkauf

680 von Pastmilch ein vermehrter Konsum wahrscheinlich ist. Es ist ohne weiteres zu erwarten, dass in jedem normal geführten Lebensmittelgeschäft ein gewisser Umsatz an Pastmilch erzielt werden könnte, dessen Ausmass sich zur Hauptsache nach dem Umfang der Kundschaft richten würde. Wie der Grossversuch in Zürich aber gezeigt hat, wird oin solcher Umsatz in neuen Geschäften vielfach bloss auf Kosten bereits vorher bestehender Milchverkaufsstellen erzielt. Obschön eine solche Umsatavorlagerung nie vollständig ausgeschlossen werden kann, dürfen jedoch neue Y erkauf sbewilligungen dann nicht erteilt werden, wenn der mutnaassliche Umsatz im neuen Geschäft zum gróssten Teil aus Verkaufen besteht, die den umliegenden Milchverkaufsgoschäften abgehen. Um in dieser Beziehung eine genügende Sicherheitsmarge zu haben, sind relativ strenge Anforderungen zu stellen.» Die Beschwerdeinstanz stellte anhand der Ergebnisse des Zürcher Grossversuches fest, dass die Grosse des Tagesumsatzes im wesentlichen vom Ausbau des betreffenden Lebensmittelgeschäftes und von seiner Lage abhängt. Auf Grund der Unterlagen erscheine es gerechtfertigt, die Grenzlinie zwischen vermehrtem Konsum, welcher eine entgegenkommende Erledigung von Gesuchen gemäss Artikel 21, Absatz 8 des Milchbeschlusses begründen kann und blosser Umsatzverlagerung im allgemeinen bei rund 100 Tageslitern zu ziehen. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ging demnach davon aus, dass in grösseren Lebensmittelgeschäften mit einem Verkauf von über 100 Tageslitern ein wesentlicher Teil dieses Umsatzes als zusätzlich zu qualifizieren ist. Da an ändern Orten der Schweiz keine Versuche durchgeführt worden waren, konnte bei vielen Gesuchstellern naturgemäss nicht gesagt werden, wie gross ihr durchschnittlicher Tagesumsatz an Milch sei. Man nahm daher an, dass in Anbetracht der Kundenzahl bei Lebensmittelgeschäften mit einem gesamten Jahresumsatz von mindestens 2 Millionen Franken und einem angemessenen Milchproduktenangebot ein täglicher Pastmilchverkauf von rund 100 Litern erwartet werden darf. In solchen Fällen erhielten die Gesuchsteller eine Bewilligung, wenn die nächstgologene Milchverkaufsstelle mehr als 50 m entfernt lag.

4. Die Richtlinien der Abteilung für Landwirtschaft mm 11. Mai 1962 Im Anschluss an die Entscheide des Eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartementes bestand bei der Verwaltung das Bedürfnis, den Stand der Praxis bei den Bewilligungen für den Verkauf von Pastmilch genauer festzulegen. Dies lag insbesondere auch im Interesse der kantonalen Vorentscheidsinstanzen, denen in erster Linie die Beurteilung von Gesuchen obliegt. Als Ausgangspunkt war der Wortlaut von Artikel 21, Absatz 3 des Milchbeschlusses zu betrachten, ferner die seit dem Erlass des Milchbeschlussos geübte Praxis. In dieser Praxis war die Erfahrung festgehalten, dass ein zusätzlicher Milchkonsum um so wahrscheinlicher wird, je weiter die nächstgelegene Milchverkaufsstelle vom Laden des Gesuchstellers entfernt ist. Ferner hatten die zuständigen Behörden auch auf die Zusammenhänge zwischen der Grosse des Lebensmittelumsatzes, der

681 örtlichen Lage und dem Ausbau des Ladens des Gesuchstellers hingewiesen, wobei bei einem grossen Umsatz oin bestimmter Milchverkauf wahrscheinlich ist.

Am 11.Mai 1962 erliess die Abteilung für Landwirtschaft Eichtlinien für die Erteilung von Bewilligungen zum Verkauf von pasteurisierter, uperisierter und sterilisierter Milch sowie von Vorzugsmilch in Flaschen oder in Wegwerfpackung. In den ersten beiden Abschnitten wird des nähern ausgeführt, dass der Verkauf von Pastmilch zum Konsum an Ort keiner Bewilligung bedarf und dass in Fremdenkurorten, in Ferien- und Sportgebieten Gesuche zu bewilligen sind, sobald ein Mehrkonsum zu erwarten ist. Diese beiden Grundsätze ergeben sich direkt aus Artikel 21, Absatz 8 des Milchbeschlusses. Der ambulante Verkauf, der keiner Bewilligung bedarf, wobei im genannten Artikel Manöver, Sport- und Festanlässe als Beispiele aufgezahlt sind, wird des nähern umschrieben. Als Beispiele sind Milchbars, Kioske und Milchautomaten aufgezählt, ferner Arbeits-, Bade-, Sport- und Campingplätze. Für Automaten wird präzisiert, dass sie nicht in oder vor Verkaufsstellen ohne Milchvorkaufsbewilligung aufgestellt sein dürfen, da sonst das System der Milchverkaufsbewilligung leichthin umgangen werden könnte.

Der dritte Abschnitt befasst sich mit dor Behandlung von Gesuchen für den Pastmilchverkauf in Städten mit über 25 000 Einwohnern. Danach sind die Gesuche nach einzelnen Beurteilungskriterien zu bewerten, nämlich nach der Verkehrslago des Geschäftes, nach der Art des Verkaufsgeschäftes (Sortiment, Angebot an Milchprodukten, Grosse des Ladens, Einrichtung, Verkaufsart), nach den mutmasslichon Auswirkungen auf die Hauszustellung der Milch im betreffenden Quartier sowie nach den Verkaufsmöglichkeiten für Pastmilch, wobei im letzten Punkte auf den ausgewiesenen Umsatz an Milchprodukten abzustellen ist. Die Bewertung erfolgt nach einem Punktierschema, in welchem 82 Punkte das Maximum darstellen. Je nach der erreichten Punktzahl richtet sich die Distanz innerhalb der sich keine Milchverkaufsstelle befinden darf, damit die Bewilligung erteilt werden kann. Werden in einem Falle fi.B. 28 bis 82 Punkte erreicht, so darf die Verkaufsbewilligung bereits erteilt werden, wenn die nächste Milchverkaufsstelle mehr als 75 m entfernt liegt. Bei einem Punktetotal von unter 17 Punkten muss die
nächste Milchverkaufsstelle mindestens 300 m entfernt hegen. Modifikationen in bezug auf die Mindestentfernungen ergeben sich, wenn die nächste Milchverkaufsstelle ein Milchproduktenspezialgeschäft ist (Erhöhung der massgeblichen Strecke) oder wenn der Gesuchsteller ein derartiges Spezialgeschäft betreibt (Verkürzung der massgeblichen Distanzen).

Ohne eine derartige Punktierung ist vorzugehen, wenn es sich um Gesuche für den Pastmilchverkauf in halbstàdtischen odor ländlichen Orten handelt (vierter Abschnitt der EichtKnien). Eine Bewilligung ist hier vor allem zu erteilen, wenn die Lage des Geschäftes einen vermehrten Verkauf von Pastmilch begünstigt.

682 Von besonderer Bedeutung ist der sechste Abschnitt der Eichtlinien. Er soll im Wortlaut zitiert werden : Für den Milchbezug gelten allgemein für Geschäfte mit Bewilligung zum Verkauf von Pastniilch folgende Bedingungen bzw. Auflagen: a. Einzelne Geschäfte sind in der Regel vom Quartiermilchmann oder von der örtlichen Konsumregulierstelle unter angemessener Teilung der Detailmarge zu beliefern.

6. Geschäfte von f'ilialunternebmungen können, falls sie über eine eigene Pasteurisations- und Abfüllstelle verfügen, für den Verkauf am betreffenden Ort direkt ab dieser beliefert werden; ansonst ist die Pastmilch von der örtlichen Reguliermolkerei zu beziehen.

e. Die ortsüblichen Detailpreise für den Pastmüchverkauf im Laden diirfen nicht unterboten werden.

Die Tatsache, dass solche Auflagen an die Bewilligung geknüpft werden, bedeutete bei Brlass der Bichtlinien nichts Neues. Die Bewilligungen beim Grossversuch Zürich waren bereits mit diesen Auflagen verknüpft, und auch in den folgenden Jahren war dieses Vorgehen üblich. Ihre Eechtsgrundlage wurde in der gesetzlichen Zielsetzung einer zweckmässigen und kostensparenden Sammlung und Verteilung der Konsummilch (Art.26, Abs.l, Buchstabe d des Landwirtschaftsgesetzes; Art.21 des Milchbeschlusses) sowie in der Förderung des Absatzes (Art.26, Abs.l, Ingress, Landwirtschaftsgesetz) erblickt. Vom Gesichtspunkt der zweckmässigen und kostensparenden Verteilung der Konsummilch kann es nicht gleichgültig sein, woher die Bewilligungsinhaber ihre Pastmilch beziehen. Es ist die rationellste Lösung, wenn sie vom nächstmöglichen Ort aus beliefert werden. Für Läden mit relativ geringem Bedarf ist dies der Quartiermilchhändler, für Grossbezüger die nächstgelegene Molkerei. Beim Bezug vom Quartiermilchmann rechtfertigt sich die Margenteilung, weil dieser in bezug auf Lieferung und eventuelle Rücknahme gewisse Leistungen erbringt.

Die Auflage des Verkaufs zu den ortsüblichen Preisen wurde damit begründet, dass sich als Folge davon die Marge für die offen ausgeschenkte Konsummilch im Interesse der Konsumenten verhältnismässig niedrig ansetzen lässt. Man nahm an, diese Auflage sei ebenfalls auf das Ziel der kostensparenden Milchversorgung ausgerichtet.

5. Die Bewütigungspraxis nach Erlass der Bichtlinien Auch nach dem Erlass der Eichtlinien der Abteilung für Landwirtschaft
vom l I.Mai 1962 drängten namentlich die Gross vorteiler weiterhin auf vermehrte Bewilligung. In zahlreichen Beschwerden brachten sie zudem vor, es sei nicht angebracht, als Bewilligungsauflagen eine bestimmte Bezugspflicht sowie die Einhaltung der ortsüblichen Preise zu statuieren. Die Migros hielt bei ihren Pastmilchverkäufen die vorgeschriebenen Preise nicht mehr überall ein. Andere Grossverteiler mussten aus Konkurrenzgründen diesem Beispiel folgen. Entscheide des Eidgenössischen Volkswirtschaf tsdepartementes bestätigten indessen

683

die Praxis der Abteilung für Landwirtschaft, wonach es rechtlich zulässig sei, die genannten Auflagen an die Erteilung der Bewilligung zu knüpfen. Mitte 1963 konnte der sogenannte «Milchkrieg» beigelegt werden. Nach längeren "Verhandlungen erklärten sich alle Beteiligten dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement gegenüber mit der Einhaltung der Bezugsbedingungen einverstanden. Bezüglich der Preise konnte eine Übereinkunft erzielt werden, wonach die Grossverteilerorganisationen auf den in Frage stehenden Konsumplätzen einen Verkaufspreis für Pastmilch in Wegwerfpackung von 80 Eappen je Liter und 45 Bappen je Halbliter einhalten würden. Die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Preise wurden auf diese Beträge auf- oder abgerundet. Zu dieser Vereinbarung hatte insbesondere der Umstand geführt, dass den Grossverteilern vom erwähnten Departement zugesichert wurde, wir würden Ihnen die Freigabe des Pastmilchverkaufs auf den I.Januar 1965 beantragen.

Die nunmehr gefestigte Praxis war Gegenstand eines weiteren Kreisschreibens der Abteilung für Landwirtschaft vom 16. Juli 1963 an die Vorentscheidsstellen im Sinne von Artikel 22, Absatz l des Milchbeschlusses. In Ergänzung der Bichtlinien wurde festgelegt, dass eine Bewilligung schon erteilt werden kann, wenn der Gesuchsteller einen Lebensmittelumsatz von 2 bis 6 Millionen Franken pro Jahr nachweist und das nächstgelegene Milchspezialgeschäft mit Offenmilchvertrieb im Laden und durch Hauszustellung nur 50 m weit entfernt hegt. Bei einem Lebensmittelumsatz von über 6 Millionen Franken im Jahr kann sich diese Distanz noch verringern. Eine Punktierung ist in solchen Fällen nicht mehr durchzuführen. Grundsätzlich gelten demnach die Bichtlinien vom 11.Mai 1962 auch heute noch. Wo jedoch grosse Umsätze auf einen beträchtlichen Kundenzustrom hinweisen, ist ein zusätzlicher Milchverkauf und somit ein vermehrter Konsum zu erwarten, so dass in solchen Fällen die Bewilligung ebenfalls zu erteilen ist.

III. Veränderte Verhältnisse seit Erlass des Milchbeschlusses Die soeben dargestellte Entwicklung der Bewilligungspraxis weist darauf hin, dass seit 1953 bezüglich der Konsummilchvermittlung beträchtliche Veränderungen eingetreten sind. Es soll daher in diesem Abschnitt geprüft werden, welche Ursachen dafür massgebend waren.

A, Parlamentarische Vorstösse im Zusammenhang mit dem Milchverkauf Der Pastmilchverkauf war in den letzten Jahren Gegenstand mehrerer Motionen und Postulate. Sie zeigen deutlich, wie die veränderten Verhältnisse gewertet und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden.

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1. Motion Vontobel Am 19.Dezember 1956 hat der Nationalrat die Motion Vontobel vom 24. Juni 1955 betreffend Förderung des Trinkmilchkonsums in Form eines Postulates angenommen. Das Postulat hatte folgenden Wortlaut : Der Bundesrat -wird ersucht zu prüfen, ob nicht den eidgenössischen Bäten jene Abänderungen des Milchbeschlusses vorzulegen seien, die geeignet sind, den Trinkmilchkonsum entscheidend zu fördern, insbesondere durch eine wesentliche Lockerung der Bestimmungen über den Verkauf pasteurisierter Milch.

Wir hielten in unserer Antwort fest, dass die Steigerung des Konsummilchverbrauchs wünschbar sei und unter Beachtung aller Zusammenhänge die volle Aufmerksamkeit der zuständigen Stellen verdiene. Wünschbar wäre vor allem ein vermehrter Ausschank von Pastmilch in Gaststätten. Der Verkauf von pasteurisierter Milch habe bereits im geltenden Milchbeschluss eine Sonderregelung erhalten. Diese solle vernünftig gehandhabt werden, wobei immer auch darnach zu trachten sei, Erfahrungen über die Frage zu sammeln, ob die Steigerung des Verbrauches von pasteurisierter Milch lediglich zu einer Verlagerung oder wirklich zu einer Erhöhung des gesamten Konsummilchverbrauches führe. Sollte sich eine Änderung von Artikel 21 des Milchbeschlusses im Blick auf eine Förderung des Milchkonsums und unter Berücksichtigung der übrigen auf dem Spiele stehenden Interessen als zweckmässig erweisen, so werde eine solche auch in Erwägung gezogen.

2, Postulat Duttweiler Im Postulat Duttweiler vom 14. März 1958, das der Nationalrat in seiner Sitzung vom 4. Juni 1958 angenommen hat, wurde eine Freigabe des Verkaufes von pasteurisierter Milch mit folgendem Wortlaut beantragt : ... Der Milchüberschuss könnte durch eine entschlossene Popularisierung des Verkaufs von pasteurisierter Trinkmilch aufgefangen werden. Die Gelegenheit ist günstig, eine Dauerlösung für kommende Überschuss-Situationen zu schaffen. Wenn das Verbot dea Verkaufs in Ladengeschäften ganz allgemein aufgehoben würde, dann würde auch ein volksgeaundheitliches Postulat ersten Banges verwirklicht.

Der Bundesrat wird eingeladen, ini Sinne des bereits entgegengenommenen Postulates Vontobel und in Anbetracht der dringenden Situation die Einschränkung des Verkaufes pasteurisierter Milch sofort aufzuheben und so Verluste von Dutzenden von Millionen Franken, entstehend durch den Verkauf verbilligter Kochbutter, zu vermeiden.

Dieses Postulat veranlasste den Schweizerischen Verband des Milch-, Butterund Käsehandels zu einer Eingabe an das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, die in der Folge noch durch ein Gutachten von Prof. Dr. Gr.Roos, Bern, ergänzt wurde. Die Eingabe wurde den Mitgliedern der parlamentarischen Kommissionen für die Behandlung der Vorlage über die befristete Weiterführung der zusätzlichen Finanzierung des Absatzes von Milchprodukten zugestellt.

Eine Eeihe von Batsmitgliedern brachte zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang mit dem Postulat Duttweiler berührten Fragen noch der näheren Prüfung

685 bedürften. Bei der Behandlung des Postulates führte der Chef des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes aus, dass in dieser Angelegenheit bereits grosse Anstrengungen unternommen worden seien und dass die Bundesbehörden die Durchführung eines Versuches prüfen würden, um festzustellen, welche Auswirkungen die Freigabe des Pastmüchverkaufes tatsächlich haben könnte.

In der Folge fand in den Jahren 1959/1960 der bereits erwähnte Grossversuch Zürich statt.

3. Postulat Schütz Im Postulat Schütz vom 22. Juni 1960 wurde angeregt, dem Parlament solle über die Ergebnisse des Zürcher GrossVersuches Bericht erstattet werden.

Es hatte folgenden Wortlaut : In Zürich wurde seit anfangs 1959 ein Grossversuch mit dem Verkauf von Pastmilch in zahlreichen Lebensmittelläden durchgeführt. Der Bundesrat wird daher eingeladen, über die Ergebnisse dieses Versuches und seine Schiiissfolgerungen dem Rate einen Berieht vorzulegen.

Abgesehen von einer ausführlichen Pressemitteilung nach Abschluss des Versuches haben wir in unserer Botschaft an die Bundesversammlung vom 1. Juni 1962 (BEI 1962, 1,1157) über zusätzliche wirtschaftliche und finanzielle Massnahmen auf dem Gebiete der Milchwirtschaft darauf hingewiesen, dass es im Grossversuch nicht gelang, die erwartete Verbrauchssteigerung herbeizuführen.

4. Postulat König-Zürich Das Postulat König-Zürich vom 6.März 1963, das die allgemeine Freigabe des Verkaufes von Pastmilch anstrebte, hat folgenden Wortlaut : Nachdem vor allem in den grossen Konsumzentren der Milchausliefenmgsdienst unseres Milchhandels wegen des zunehmenden Mangels an Arbeitskräften mehr und mehr zusammenbricht, wird der Bundesrat eingeladen, für eine allgemeine Freigabe des Verkaufs pasteurisierter Milch in allen dafür eingerichteten Lebensmittelgeschäften und Konsumfilialen zu sorgen, schon um der notleidenden Landwirtschaft eine zusätzliche Absatzminderung und EmkommensschrntQerung zu ersparen, und ferner zu berichten, durch welche weiteren Massnahmen er eine gesundheitspolizeilich KU verantwortende Versorgung der Bevölkerung mit Frischmilch sicherzustellen gedenkt.

Wir legten in unserer Antwort dar, dass es darum gehe, den grossen und modernen Verteilerorganisationen in einer Weise den Weg zum Pastmilchverkauf zvi öffnen, ohne den Hauszustelldienst in Frage zu stellen oder zu verunmöglichen. Je mehr sich der Pastmilchverkauf in die Läden verlagere, die das wegen vermehrter Dienstleistung kostspielige Geschäft der Hauszustellung nicht betreiben, um so weniger rentabel werde die Hauszustellung für den Milchhandel. Der Hauszustelldienst spiele im Hinblick auf die Erhaltung unseres hohen Milchkonsums aber eine wichtige Eolle, Es müsse eine Lösung gefunden werden, die nicht diesen Hauptpfeiler unseres Milchkonsums, die tägliche Zustellung, in einem Ausmass aufs Spiel setze, wie das der Postulant für grosse Städte vorsehe. Ob der Pastmilchverkauf im Sinne dieses Postulates Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. I.

49

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überhaupt freigegeben werden soll und kann, was eine Änderung von Artikel 21 des Milclibeschlusses bedingen würde, werde im Zusammenhang mit dem Schicksal des befristeten Verfassungszusatzes vom 24. März 1960 über die Weiterführung befristeter Preiskontrollmassnahmen (AS 1960, 993) auf Ende 1964 zu prüfen sein. In diesem Sinne haben wir uns bereit erklärt, das Postulat entgegenzunehmen.

5. Postulat Brandii Am 22.März 1968 reichte Nationalrat Brandii folgendes Postulat ein: Das vcm Bundesrate in der Frühjahrsaession 1963 entgegengenommene Postulat König verlangt in seinem 2, Teil, dasa der Bundesrat darüber Bericht erstatten solle, durch welche Massnahmen er eine Versorgung der Bevölkerung durch Frischmilch sicherzustellen gedenke.

Eine Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit billiger offener Frischmilch, die besonders für die kinderreichen Familien nach wie vor notwendig ist, ist nur möglich, wenn der Hauazuatelldienst aufrechterhalten bleibt, der zudem den grösstmögliohen Absatz von Kcrisummilch gewährleistet, wie das auch in der Antwort von Herrn Bundesrat Schaffner auf das Postulat König bestätigt wurde.

Ich ersuche daher den Bundesrat, insbesondere Massnahmen zu prüfen, wie der Hauszustelldienst im Interesse der weiteren ungeschmälerten Versorgung der Bevölkerung mit billiger offener Frischmilch aufrechterhalten werden kann, besonders auch dann, wenn der Pastmilchverkauf in den Lebensmittelgeschäften eine weitere Lockerung erfahren sollte.

Dieses Postulat wurde noch nicht behandelt.

Diese parlamentarischen Vorstösse zeigen deutlich zwei Tendenzen. Einerseits stellen wir das Drängen der Grossverteilerorganisationen um Bewilligungen für den Pastmilchverkauf in ihren Lebensmittelgeschäften fest. Auf der anderen Seite sehen wir die Besorgnis der Landwirtschaft um die Erhaltung einer geordneten Hauszustellung, die als besonders absatzfördernde Verkaufsart betrachtet wird.

B. Wandlungen in der Struktur des Lebensmittelhandels

Beim Erlass des Milchbeschlusses im Jahre 1958 war bereits eine Tendenz zur Ausweitung des Sortiments im Detailhandel festzustellen. Das gilt nicht nur für die Lebensmittelgeschäfte, die zu Verkaufsartikeln griffen, welche nicht zu ihrem herkömmlichen Sortiment gehörten, sondern auch für viele Milch- und Milchproduktespezialgeschäfte, die ihr Sortiment ebenfalls nach den verschiedensten Eichtungen ausdehnten. Auf diese Entwicklung wies Nationalrat Schütz bei der parlamentarischen Beratung des Milchbeschlusses hin, indem er erklärte, dass es einem Spezialgeschäft für Milchprodukte nicht verboten sei, auch mit ändern Lebensmitteln Handel zu treiben und dass man dort in der Kegel auch zahlreiche andere Lebensrnittel erhalten könne. In der Tat ist es so, dass sich sehr viele Milchgeschäfte - ausser im Verkauf von Milch - durch nichts anderes von einem Lebensmittelgeschäft unterscheiden, wobei Milch und Milchprodukte mehr oder weniger stark in den Vordergrund treten.

687 Zu dieser Entwicklung haben zweifellos ausländische Beispiele beigetragen.

Das System der amerikanischen Supermarkets hat innerhalb der letzten Jahre in der Schweiz, vor allem durch die Grossverteüerorganisationon, Verbreitung und beim Konsumenten Erfolg gefunden. Dass sich andere Detaillisten diesen Einflüssen nicht verschlossen, sondern sich die neue Strömung ebenfalls zunutze machten, spricht für die Anpassungsfähigkeit unseres Detailhandels. Da aber beim einzelnen Detaillisten nicht die gleichen finanziellen Mittel und Möglichkeiten vorhanden sind wie bei grossen Organisationen, war dio Anpassung naturgemäss beschränkt. Die Ausweitung des Sortimentes auch beim Einzeldetaillisten ist jedoch eine unbestrittene Tatsache.

Die gleiche Strömung brachte auch neue Verkaufsmethoden in unser Land.

Das System der Selbstbedienung hat zur Voraussetzung, dass die zu kaufenden Gegenstände für den Konsumenten im Laden unmittelbar greifbar sind. Das bedingt nicht nur eine andere Bauweise der Geschäfte, sondern es beeinEhisst auch die Verpackungsart. Für Lebensmittel bedeutet es, dass sie vorverpackt sein müssen, wenn sie zur Selbstbedienung geeignet sein sollen. Im Zuge dieser Entwicklung ging daher der Handel auch bei Lebensrnitteln, die bis anhin dazu nicht tauglich erschienen, immer mehr zur Vorverpackung über. Wir erinnern in diesem Zusammenhange an die Vorverpackung von Käse, Heischwaren, Obst, Gemüse und Kartoffeln sowie bestimmter Backwaren.

Hier ist nun zu untersuchen, welche Stellung die Milch innerhalb dieser Entwicklung einnimmt. Die Frischmilch, ursprünglich die einzige Form der Konsummilch, wird bis heute offen ausgeschenkt. Da sie nicht in rohem Zustande gebraucht, sondern vor dem Genuss aufgekocht werden sollte, kann sie auch ohne weiteres offen ausgeschenkt werden. Anders verhält es sich mit der Pastmilch und ändern Konsummilcharten, die eine besondere Behandlung erfahren (uperisierto Milch, Sterilmilch, Vorzugsmilch). Damit ihnen die besondern Eigenschaften erhalten bleiben, müssen sie in einer luftdichten Verpackung mithin auch vorverpackt - vertrieben werden. Daraus ergibt sich nun eine Verbindung mit der eingangs geschilderten Tendenz dos modernen Detailhandels zur Vorverpackung.

Zunächst sei noch gesagt, dass auch die Art der Vorverpackung für Pastmilch im Verlaufe der Zeit eine
Wandlung durchgemacht hat. So spricht der Milchbeschluss aus dem Jahre 1953 in Artikel 21, Absatz 8 noch von pasteurisierter Milch in Flaschen. Erst seit einigen Jahren sind in der Schweiz die zum einmaligen Gebrauch bestimmten Wegwerfpackuugon (Tetra Pak, Thimopack, Wikopack, Zupack) aufgekommen und haben das Abfüllen der Pastmilch in Flaschen weitgehend verdrängt. Die Bücknahme und das Reinigen der Flaschen entfallen dadurch. Die neue Verpackungsart entspricht somit in grossom Masse den Anforderungen des modernen Lebensmittelhandels, woraus sich denn auch das Interesse dieser Geschäfte am Verkauf von Pastmilch ableiten lasst. Dieser Umstand war die Ursache dafür, dass in den letzten Jahren bei den zuständigen Behörden eine grosse Zahl von Gesuchen um Bewilligung des Pastmilchver-

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kaufes einging. Die neuen Verkaufsmethoden vermochten naturgemäss auch einen Binfluss auf die bereits geschilderte Bewüligungspraxis auszuüben.

C. Zunehmende Bedeutung der Pastmilch für den Konsumenten In den letzten zehn Jahren veränderten sich in unserem Lande auch die Ernährungsgewohnheiten. Mit dem Anwachsen der Städte ergeben sich für eine Vielzahl von Menschen immer grössere Distanzen zwischen Wohnstätte und Arbeitsplatz; die Distanzen sind oft so gross, dass es nicht mehr möglich ist, den Weg auch über die Mittagspause zurückzulegen. Diese Entwicklung führt dazu, dass immer mehr Betriebe die sogenannte englische Arbeitszeit einführen, was sich auch auf die Konsumgewohnheiten der städtischen Bevölkerung auswirkt. In vermehrtem Masso wird die Hauptmahlzeit am Abend eingenommen.

Die Mittagspause ist für eine leichtere Mahlzeit reserviert, die für die relativ kurze Arbeitspause angemessen ist. In der Mittagspause werden vermehrt Pastmilch sowie Joghurt und andere Milchspezialitäten, wie Fruchtmilch, Chocomilch usw., konsumiert. Pastmilch und Milchspezialitäten haben sich auch, nicht zuletzt dank dem Einsatz von Automaten, eine zunehmende Bedeutung als Zwischenverpflegung erobert. Ganz allgemein kann festgehalten werden, dass die stets trinkfertige Pastmilch innerhalb des gesamten Konsummilchverbrauchs eine immer stärkere Stellung einnimmt, was sich neben der zum Teil etwas geänderten Verwendungsart auch daraus ergibt, dass sie den hohen hygienischen Ansprüchen der Konsumenten in weitestem Masse zu entsprechen vermag.

Die geschilderte Entwicklung-kann durch Zahlen bestätigt werden. In allen grösseren Städten der Schweiz ist der Anteil der Pastmilch am Konsummilchverbratich gestiegen. Die Konsumenten haben aber nach wie vor die Möglichkeit, billigere Offenmilch zu beziehen. Wenn viele Verbraucher sich vermehrt der Pastmilch zuwenden, lässt sich daraus ableiten, dass diese Milch ihren Wünschen offenbar gut entspricht und sie auch bereit und in der Lage sind, einen gegenüber der Offenmilch höheren Preis auszulegen. Die als Folge der bisherigen BewiUigungspraxis vermehrten Kalifgelegenheiten kommen daher diesen Wünschen entgegen und entsprechen einem Bedürfnis, das nicht übersehen werden kann.

Bezüglich des Anteils der Pastmilch am gesamten Konsummilchverbrauch in den grösseren Schwoizerstädten (in Prozenten) ergibt sich folgendes Bild : ,7 ahi:

Genf

1955 1958 1959 1960 1961 1962 1968

18,20 20,10 25,90 28,60 34,60 40,80 51,70

Lausanne --

9,34 11,80 14,50 21,00" 24,54 32,10

Born

Basel

Zürich

3,5 5,4 8,1 9,8 14,7 19,4 --

11,68

18,10 16,00 20,90 24,60 27,80 31,70 85,50

16,40 18,80 23,79 29,87 37,72 89,86

Wintattmr St, Gallen

8,18 7,26 8,77 11,17 14,73 17,95 19,91

2,4 3,3 3,3 4,1 7,0 8,8 9,0

689 Diese Tabelle zeigt, dass der Anteil der Pastmilch in den Städten im Laufe der Jahre erheblich gestiegen ist. Andererseits ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass der gesamte Trinkmilchverbrauch eine abnehmende Tendenz aufweist. Er erreichte in don letzten Jahren folgende Mengen (in Kilogramm je Kopf und Jahr) : Jahr :

kg je Kopf und Jahr t

1936/40 248 1951/55 218 1956/60 201 1960 182 1961 177 1962 169 1963 (prov.)

161 Infolge Änderungen der Konsumgewohnheiten treten jedoch anstelle der Konsummilch vielfach in vermehrtem Masse Milchprodukte, wie Joghurt, Eahm, Milchmischgetränke und andere Milchspezialitäten.

Der in Kilogramm Milch umgerechnete Gesamtverbrauch von Konsummilch und Milcherzeugnissen je Kopf der Bevölkerung weist, wie die nachfolgende Tabelle zeigt, nach einem jahrelangen Kückgang pro 1961 eine kleine Zunahme auf. Bereits im Jahre 1962 ist gesamthaft aber wieder ein Verbrauchsrückgang eingetreten.

Jahr;

Milch und MUcherzeuguisee je Kopf und Julir in lîg Milch umgerechnet:

1936/40 476 1951/55 450 1956/60 441 1960 430 1961 440 1962 419 1968 (prov.)

418 Bei der Beurteilung des rückläufigen Verbrauches je Kopf der Gesamtbevölkenmg ist allerdings auch der unterschiedlichen Struktur der Wohnbevölkerung unseres Landes in den Nachkriegsjahren Eechnung zu tragen. Die Ursache dürfte zu einem grossen Teil auf die ändern Konsumgewohnheiten der grossen Zahl ausländischer Arbeitskräfte zurückzuführen sein.

D. Die Situation im angestammten Milchhandel In den letzten 10 Jahren zeigt sich auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt eine starke Anspannung. Viele Berufe sind zu ausgesprochenen Mangelberufen geworden. Der Nachwuchs muss entweder aus ausländischem Personal rekrutiert werden, oder das betreffende Gewerbe muss sich entsprechend umstellen und die Eationalisierung so weit fördern, dass es mit weniger Personal auskommt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhange auch der Umstand der Arbeitszeitverkürzung und des Überganges zur 5-Tage-Woche. Mangelberufe sind vor

690 allem jene mit unregelmässiger oder langer Arbeitszeit, mit SonntagBarbeit oder mit Nachtdienst. Dazu gehört auch der Beruf des selbständigen MilchhändlerB und des Milchführers. Er wird gekennzeichnet durch einen frühen Arbeitsbeginn, einen langen Arbeitstag und meistens noch durch Sonntagsarbeit (Milchsammeidienst) ; die Arbeit ist körperlich anstrengend und bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit auszuführen.

Die geschilderten Verhältnisse zwangen den Milchhandel, bei der Hauszustellung gewisse Einschränkungen vorzunehmen und diese erstmals im Winter 1962/68 an Sonntagen allgemein einzustellen. Der Hauszustelldienst wurde in der Folge im Sommer 1968 an Sonntagen nur beschränkt wieder aufgenommen; die Verhältnisse waren stärker als der Wille des Milchhandels, die Hauszustellung an allen Tagen durchzuführen.

Diese Ausführungen stellen keinen Vorwurf an den Milchhandel dar. Sie sollen lediglich zeigen, dass auch hier die Dienstleistungen unter dem Druck der Verhältnisse abgebaut werden mussten, und dass im Zusammenhang mit dem Erfordernis eines möglichst hohen Konsummilchabsatzes die relativen Vorzüge des angestammten Milchhandels mit Hauszustellung gegenüber den Geschäften mit reinem Ladenverkauf von Pastmilch kleiner wurden.

E. Unmöglichkeit einer befriedigenden Bewilligungspraxis Das geltende System der Bewilligungspflicht für den Verkauf von Fastmilch wurde, von verschiedenen Seiten angefochten, weil es zu Ungleichheiten und Härten führe. So wurde der Praxis der Bewilligungsbehörden unter anderem entgegengehalten, dass grosse Geschäfte bevorzugt seien, weil, neben anderen Kriterien, insbesondere auch auf die Umsatzzahlen abgestellt werde. Vorwürfe lassen sich gegen jedes Bewilligungssystem vorbringen. Ob ein Gesuch abgelehnt oder bewilligt werden soll, ist nach den Bichtlinien der Abteilung für Landwirtschaft vom 11.Mai 1962 zu entscheiden; bei einem solchen Bewilligungssystem ergeben sich zwangsläufig Härten. Die Aufhebung der Bewilligungspflicht hätte zur Folge, dass diese Härten wegfallen und sich niemand mehr benachteiligt fühlen muss. Gleichzeitig würde auch der administrative Aufwand, der sich aus der derzeitigen Bewilligungspraxis ergibt, beseitigt. Der Vollständigkeit halber erwähnen wir, dass der Verkauf von Offenmilch und die Hauszustellung von Pastmilch nach wie vor der
Bewilligungspflicht unterstehen werden; auch für die Quartiereinteilung gelten die bisherigen Bestimmungen.

F. Zusammenfassung Aus den Erwägungen dieses Abschnittes ergibt sich, dass heute aus den verschiedensten Gründen ein vermehrter Pastmilchverbrauch besteht. Die Entwicklungen im Lebensmittelhandel einerseits und in den Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung andererseits weisen auf eine vermehrte Bedeutung der Pastmilch hin. Dazu kommen gewisse Schwierigkeiten des angestammten Milchhandels, die

691 Bauszustelhing im bisherigen Sinne zu besorgen. Es war daher angebracht, wenn die zuständigen Amtsstellen dieser Entwicklung im Eahmen der bestehenden Möglichkeiten in der Weise entgegenkamen, dass sie durch eine Lockerung der Bewilligungspraxis vermehrte Gelegenheiten zum Verkauf von Pastmilch schufen. Ein vermehrter Konsum ist vor allem dann zu erwarten, wenn der Konsument bei Bedarf auch Gelegenheit hat, sich die Pastmilch ohne besondere Mühe zu verschaffen. Das bedingt, dass er zum Beispiel in nützlicher Nähe seines Arbeitsplatzes Pastmilch erhält. Pastmilch soll auch dem Konsumenten möglichst leicht erreichbar sein, in dessen Wohnbezirk der Hauszustelldionst nicht mehr voll funktioniert. Hat er keine bequeme Gelegenheit zum Kauf von Pastmilch, so wird er möglicherweise seinen Milchverbrauch reduzieren.

Wenn auch die vorangehenden Ausführungen in ausgeprägter Weise eine vermehrte Bedeutung des Pastmilchverkaufes in Lebensmittelgeschäften zeigen, so legen wir doch grossen Wert auf die Feststellung, dass damit die Nützlichkeit des Hauszustelldienstes in bezug auf die Absatzförderung von Konsummilch ganz allgemein nicht angezweifelt wird. Die Frage lautet nicht Ladenverkauf oder Hauszustellung, sondern Ladenverkauf und Hauszustellung. Es geht darum, im Interesse aller beteiligten Kreise, vom Produzenten bis zum Konsumenten, eine Lösung zu finden, die dem Problem der zweckmässigen und kostensparenden Milchverwertung und -Versorgung gerecht wird und einen möglichst grossen Absatz zu kostendeckenden Preisen für die Produzenten gewährleistet.

IV. Die Vorarbeiten für die Änderung des Milchbeschlusses Aus den Ausführungen im Abschnitt II ergibt sich, dass wir bereits vor einiger Zeit vorgesehen hatten, Ihnen Änderungen des Milchbeschlusses vorzuschlagen, die im Zusammenhang mit der Freigabe des Pastmilchverkaufes nötig werden. In diesem Abschnitt sollen nunmehr die damit im Zusammenhang stehenden Vorarbeiten dargelegt werden.

1. Der Vorentwurf der Abteilung für Landwirtschaft vom 30.November 1963 Das Volkswirtschaftsdepartement stellte den Kantonsregierungen und den Wirtschaftsorganisationen am 30.November 1963 einen Bericht der Abteilung für Landwirtschaft über die Freigabe des Pastmilchverkaufes zur Vernehmlassung zu. Dem Bericht war ein Entwurf zur Änderung von Artikel 21 des Milchbeschlusses beigefügt.

Angesichts der im vorangehenden Abschnitt geschilderten veränderten Verhältnisse seit Erlass des Milchbeschlusses im Jahre 1953, beruhte der Entwurf für eine Änderung des Milchbeschlusses auf dem Grundsatz einer Freigabe des Pastmilchverkaufes im Laden, allerdings verbunden mit gewissen Auflagen. Eine Ausnahme war nur für die Abgabe von Pastmilch aus fahrenden Läden vorgesehen, welche überall dort, wo die Milch vom Quartiermilchhändler noch zum

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Haus zugestellt -wird, einer Bewilligung bedurfte. Um unnötige Kosten zu vermeiden, sah der Entwurf vor, dass die Pastmilch beim Milchhändler oder beim nächstgelegenen Herstellungsbetrieb zu beziehen sei. Der Entwurf enthielt ferner eine Bestimmung, wonach die Abgabepreise für Pastmilch an die Detaillisten differenziert werden konnten. Dieser Vorschrift lag die Überlegung zugrunde, dass dio Verkäufer, welche Pastmilch ausschliesslich im Laden verkaufen, auf eine kleinere Marge angewiesen sind als der Milchhandel, welcher neben dem Ladenverkauf auch die kostspielige Hauszustellung.besorgt. Die differenzierten Abgabepreise würden, bei gleich hohen Verkaufspreisen an die Konsumenten, den Dienstleistungen entsprechende, unterschiedlich hohe Margen ermöglichen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Entwurf zwar die Freigabe des Pastmilchverkaufes im Laden vorsah, dazu aber einige Einschränkungen im Hinblick auf eine möglichst weitgehende Erhaltung der Hauszustellung enthielt.

In diese Eichtung wiesen mehrheitlich auch die Fragen, die das Volkswirtschaftsdepartement in seinem Kreisschreiben den Kantonen und "Wirtschaftsorganisationen stellte. Sie lauteten wie folgt : 1. Soll die geltende Bewilligungspflicht für den Verkauf von Pastmilch beibehalten werden, oder soll eine Liberalisierung erfolgen ?

a. Soll eine künftige Liberalisierung des Pastmilchvorkaufes allgemein erfolgen (Wegfall der Bewilligungs- und der Bezugspflicht sowie der Mindestpreise), oder sollen b. gewisse Bedingungen für den Ladenverkauf von Pastmilch weiterhin gelten ? Dabei würde es sich handeln um aa, Bedingungen betreffend den Verkaufspreis tind/oder fe&. Bedingungen betreffend den Bezug der Pastmilch (Bezug beim Milchhändler oder beim örtlichen bzw. regionalen Herstellungsbetrieb).

2. Sind Sie der Auffassung, dass zur Erhaltung der Hauszustellung bei einer Aufhebung der Bewilligungspfhcht für den Ladenverkauf von Pastmilch preisliche Massnahmen unerlässlich sind ?

a. Ist es notwendig, den Detailverkaufspreis als Festpreis zu gestalten ?

6. Genügt es, Mindestpreise anzusetzen?

c. Genügt es, andere Massnahmen vorzusehen (abgestufte Marge gemäss Funktion des Detailverkäufers; Vergütung für die Hauszustellung), so dass es verantwortet werden könnte, den Detailverkaufspreis für Pastmilch der freien Preisbildung zu überlassen ?
3. Soll im Falle einer Freigabe des Pastmilchverkaufes im Laden jedermann das Eecht haben, eine Pasteurisierungs- und Abfüllanlage zu betreiben und von den Beguliermolkereien das entsprechende Quantum OfJEemnilch zu verlangen, oder erscheint es wirtschaftlich gerechtfertigt, den Betrieb solcher Anlagen der Bewilligungspfhcht zu unterstellen ?

693 2. Die Stellungnahmen der Kantone und der Wirtschaftsverbände a. Die Stellungnahme der Kantone In allen Vornehmlassungen der Kantone kommt die Meinung zum Ausdruck, dass das bisherige System der Bewilligungspflicht zu ändern und eine gewisse Liberalisierung des Pastmilchverkaufes vorzunehmen sei. Allgemein wird auch die Auffassung vertreten, die Hauszustellung, die sowohl don Interessen der Produzenten als auch der Konsumenten diene, dürfe nicht gefährdet werden.

Die Meinungen gehen dagegen in der Frage auseinander, in welcher Form die allgemein begrüsste Liberalisierung zu geschehen hat. Die Hälfte der Kantone kommt zum Schiusa, dass eine Bewilligungspflicht beizubehalten sei, so dass die Liberalisierung des Pastmilchverkaufes lediglich in Form einer Lockerung des heutigen B e willigungs Verfahrens zu geschehen hat. Ein Kanton will den Pastmilchverkauf freigeben, das heisst, die Bewilligungspflicht vollständig beseitigen.

Die übrigen Kantone äussern sich nicht im einzelnen zu diesem Problem. Alle Kantone sind aber der Meinung, dass gewisse Bedingungen für don Ladenverkauf von Pastmilch weiterhin gelten sollen. So wird es als nötig erachtet, künftig Vorschriften über den Verkaufspreis und den Bezugsort der Pastmilch zu erlassen. Zur Begründung wird angeführt, dass die Milch nicht zu einem Kampfartikel werden dürfe, weil die Hauszustellung in diesem Falle mit Sicherheit in Gefahr gebracht würde. Die Mehrzahl der Kantone verlangt daher die Ansetzung von Festpreisen. Vier Stände erachten es als genügend, Mindestpreise vorzuschreiben. Eine abgestufte Marge gemäss Funktion des Detailverkäufers wird einheitlich als ungenügende Massnahme zum Schütze der Hauszustellung angesehen. Hingegen wird eine Vergütung für die HausKustellung in Verbindung mit der Ansetzung von Fest- oder Mindestpreisen von einigen Kantonen als brauchbare Lösung betrachtet. In manchen Vemehmlassnngen wird sodann darauf hingewiesen, dass im Falle der Beibehaltung von Preisvorschriften regionale Differenzierungen vorzusehen seien, je nach den Transport- und Verteilungskosten der Milch. Zugunsten einer geregelten Bezugspflicht wird angeführt, dass nur mit Hilfe einer solchen Vorschrift eine rationelle und kostensparende Milchsammlung und -Verteilung möglich sei.

In allen Vernehmlassungen wird die Bewilligungspflicht für den Betrieb
von Pasteurisations- und Abfüllanlagen befürwortet. Als Begründung wird angeführt, dass nur eine beschränkte Zahl solcher Anlagen Gewähr für eine geordnete Konsummilchversorgung und für eine rationelle und qualitativ einwandfreie Herstellung von Pastmilch biete. Einige Kantone sind der Meinung, dass es den milchwirtschaftlichen Organisationen vorbehalten bleiben sollte, solche Anlagen zu betreiben.

b. Die Stellungnahme der Wirtschaftsverbände Die Vernehmlassungen der Wirtschaftsverbände vermitteln ein weniger einheitliches Bild als diejenigen der Kantone. In Anbetracht der Wichtigkeit des

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Problems befassen wir uns eingehend mit den eingegangenen Meinungsäusserungen.

Einhelligkeit besteht lediglich darin, dass das geltende System der Bewilligungspflicht nicht beibehalten werden dürfe.

Je drei Organisationen der Konsumenten bzw. des Detailhandels mit Lebensrnitteln (Grossverteiler) befürworten eine bedingungslose Freigabe des Pastmilchverkaufes im Laden. Von Seite der Konsumenten wird namentlich argumentiert, dass die veränderten Verhältnisse seit Erlass des Müchbeschlusses für eine Freigabe sprechen. Der Konsument erwarte davon auch eine Verbilligung dieses hochwertigen Nahrungsmittels. Zwar sei auch die Erhaltung der Hauszustellung im Interesse der Konsumenten erwünscht, aber sie sei durch den Mangel an Arbeitskräften künftig in Frage gestellt. Zum Schütze der Hauszustellung sei zudem eine besondere Vergütung denkbar, da es sich bei dieser Vertriebsart um eine zusätzliche Dienstleistung handle. Eine ähnliche Begründung geben auch die Organisationen des Lebensmittelhandels, die sich für eine völlige Freigabe des Pastmilchverkaufes aussprechen. In einer Vernehmlassung wird angeführt, es bestehe keine Rechtsgrundlage, um Mindest- oder Festpreise anzusetzen. Die Bewilligungspflicht für Abfüllanlagen, die in den bereits erwähnten Vernehmlassungen von Konsumentenseite zum Teil bejaht wird, erfährt von Seiten des Lebensmittelhandels Ablehnung, desgleichen auch die Beibehaltung der Bewilligungspflicht für den Verkauf aus fahrenden Läden.

Drei weitere Vernehmlassungon von je einer Organisation des Detailhandels, des Grosshandels und der Konsumenten nehmen eine Mittelstellung ein, indem sie mit Ausnahme der wichtigen Frage des Preises für eine völlig freiheitliche Lösung plädieren. Zur Vermeidung von Preiskämpfen bejahen diese drei Organisationen Preisvorschriften.

Alle übrigen Vernehmlassungen, die aus den verschiedensten Kreisen stammen, lehnen eine bedingungslose Freigabe des Pastmilchverkaufes im Laden ab.

Es wird allgemein eine Liberalisierung mit oder ohne Bewilligungspflicht vorgeschlagen, wobei grundsätzlich die Notwendigkeit bejaht wird, Vorschriften über den Bezug und den Detailverkaufspreis der Pastmilch zu erlassen. Mit einer Ausnahme wird auch die Einführung einer Bewilligungspfhcht für Pasteurisierungsund Abfiillanlagen empfohlen. Im Detail zeigen die Vernehmlassungen eine
Vielzahl von Wünschen, von denen die wichtigsten kurz dargestellt werden.

Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten befürchtet im Falle einer bedingungslosen Freigabe des ïastmilchverkaufes eine Eeihe negativer Auswirkungen. Er führt im wesentlichen an: unrationelle Vermehrung der MilchVerkaufsstellen; Zersplitterung und Verteuerung der Vertriebskosten für die Beguliermolkereien; qualitative Verschlechterung der Pastmilch durch zu langes Liegenbleiben in den Verkaufsstellen; Preiskämpfe im Detailverkauf und entsprechende Auswirkungen auf den angestammten Milchhandel; Beeinträchtigung einer rationellen Produktionslenkung. Der Vorschlag des Zentralverbandes basiert indessen auf einer weitgehend gelockerten Bewilligungspflicht, Voraus-

695 Setzungen für die Erteilung der Bewilligung wären nur noch die lobensmittelpolizeiliche Erlaubnis sowie die Verpflichtung, Festpreise einzuhalten und der Bezugspflicht nachzuleben. Der Verband setzt sich für Festpreise ein, da die Gefahr bestehe, dass Mindestpreise im Hinblick auf die Mischrechnungen der Grossverteiler zu tief angesetzt würden. Die Differenzierung der Abgabepreise an die Detaillisten wird abgelehnt, weil auf diese Weise marktstörende Preismanipulationen nicht verhindert werden können. Der Betrieb von Abfüllanlagen für Pastmilch soll bewilligungspflichtig sein, wobei auf die Produktionslenkung und die Sicherung der Milchversorgung Bücksicht zu nehmen wäre. Diese Lösung wird im Interesse einer zweckmässigen Milchverwertung ganz allgemein und ferner im Hinblick auf eine zweckmässige und kostensparendo Versorgung der Verbraucher mit Konsummilch (Erhaltung der Hauszustellung und damit Förderung des Absatzes) als notwendig erachtet.

In der Vernehmlassung des schweizerischen Verbandes des Milch-, Butterund Käsehandels wird die Aufrechterhaltung einer minimalen Bewilligungspflicht postuliert. In Ortschaften ohne Hauszustellung ist die Bewilligung in Zukunft lediglich ein Mittel, um Bezugs- und Preisbedingungen an den Fastmilchverkauf zu knüpfen. In Ortschaften mit Hauszustellung ist nach Auffassung des Milchhandels eine Bewilligungspflicht mit einschränkender Wirkung zu handhaben, und zwar so, dass durch die Erteilung der Bewilligungen keine wesentliche Gefährdung der Hauszustellung erfolgt. Nach Auffassung dieser Kreise können nur Festpreise eine wirkliche Garantie für die Beibehaltung der Hauszustellung bieten. Die Forderung nach einer klaren Begelung der Bezugspflieht für neue Pastmilchverkäufer - beim örtlichen Milchhandel - wird damit begründet, dass der angestammte Milchhandel auf diese Weise wenigstens einen Teil des Umsatzrückganges wettmachen kann, der sich aus einer Liberalisierung des Pastmilchverkaufes ergibt.

Auch von Seiten einiger Konsumentenorganisationen wird die bedingungslose Freigabe des Pastmilchverkaufes abgelehnt. Im Vordergrund steht das Motiv, dass im Interesse der Konsumenten und der Absatzförderung die begehrte Dienstleistung der Hauszustellung erhalten bleiben muss, was beim Entstehen eines Preiskampfes nicht der Fall sei. Aus diesen Gründen wird der Erlass
von Fest- oder Mindestpreisen befürwortet. Auch die Begelung der Bezugspflicht findet Zustimmung, Im Interesse einer Aufrechterhaltung der Hauszustellung und damit der Absatzsicherung befürwortet auch das Gewerbe die Beibehaltung eines partiellen Bewilligungssystems. Der Vorschlag hält sich im übrigen im Bahmen der zitierten Stellungnahme des Milchhandels.

Eine Organisation des Lobensmittelhandels, die sich selbst für den Pastmilchverkauf interessiert, spricht sich gegen das Weiterbestehen der Bewilligungspflicht aus. Sie befürwortet Festpreise, damit die Milch nicht zu einem Kampfartikel gemacht werde. Sie lehnt die Bewilligungspflicht für Abfüllan-

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lagen ab, da die Handlungsfreiheit interessierter Organisationen nicht zu sehr eingeschränkt werden dürfe.

Eine Organisation des Grosshandels erklärt, die Freigabe des Pastmilchverkaufes sei an sich erwünscht. Da jedoch Anzeichen bestehen, dass in diesem Falle dio Hauszustellung mehr und mehr eingestellt werde und damit der Milchkonsum zurückgehe, sei davon abzusehen und lediglich eine gewisse Liberalisierung des Bewilligungssystems einzuführen. Um zu vermeiden, dass aus der Pastmilch ein Kampfartikel werde, sind Mindestpreise festzusetzen. Die Regelung der Bezugspflicht wird bejaht.

, Im übrigen machen eine Konsumontenorganisation und der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten noch den bemerkenswerten Vorschlag, zur Vermeidung einer unrationellen Zersplitterung des Pastmilchverkaufes bzw. zur Sicherung einer guten Qualität sei in Zukunft ein unverschlüsselter Datumaufdruck (Ausgabedatum oder letzter Verkaufstermin) auf den Pastmilchpackungen vorzuschreiben. Die tägliche Qualitätskontrolle durch den Konsumenten sei die beste Garantie dafür, dass die Zahl der Wiederverkäufer von Pastmilch nicht zu gross werde.

3. Die Empfehlungen der Beratenden Kommission Die unterschiedliche Würdigling der Vorlage durch die Mitglieder der Beratenden Kommission hält sich im wesentlichen im Rahmen der vorstehend behandelten Vernehmlassungen der Wirtschaftsverbände. Kein Mitglied der Kommission ist der Meinung, die bestehende Regelung sei beizubehalten. Für eine bedingungslose Freigabe setzen sich fünf Vertreter aus Konsumenten- und Handelskreisen ein, während sich sieben Mitglieder im Hinblick auf die Erhaltung der Hauszustellung und des Milchabsatzes für eine Liberalisierung mit gewissen Einschränkungen aussprechen. Diese Mehrheit setzt sich aus Vertretern der Konsumenten, der Produzenten, des Gewerbes und des Handels zusammen.

Sie sind auch der Auffassung, es sei nötig, Bestimmungen über die Detailverkaufspreise und die Bezugspflicht in die neue Ordnung aufzunehmen, wobei sich wiederum die grössere Zahl zugunsten von Festpreisen äussert. Die Frage, ob die Abgabepreise für Pastmilch an die Detaillisten entsprechend den unterschiedlichen Funktionen zu differenzieren seien, wird mehrheitlich verneint, da diese Massnahme kein taugliches Mittel für eine Vereinheitlichung der Verkaufspreise sei. Da die
Hauszustellung als eine besondere und wertvolle Dienstleistung beurteilt wird, findet die Entrichtung einer speziellen Vergütung für diesen Dienst mehrheitliche Zustimmung. Dieses Vorgehen bejaht auch ein Vertreter der Konsumenten, der sich im übrigen zugunsten der bedingungslosen Freigabe des Pastmilchverkaufes ausspricht. Der Vorschlag einer Bewilligungspflicht für die Pasteurisierungs- und Abfüllanlagen findet mehrheitlich Zustimmung, da diese Massnahme einer rationellen Milchversorgung und Milchverwertung dient. Ein Kommissionsmitglied aus den Kreisen der Grossverteiler opponiert dieser Lösung.

697 V. Die Neuregelung des Pastmilchverkaufes A. Grundsätzliche Betrachtungen zur vorgesehenen Freigabe des Pastmilchverkaufes Im Abschnitt III der Botschaft haben -wir dargelegt, dass heute aus verschiedenen Gründen ein vermehrter Pastmüchverbrauch besteht. Es ist auch bereits oben gesagt worden, dass im Verlaufe der letzten Jahre im Eahmen des Möglichen das Bewilligungsverfahren gelockert wurde. Infolge der veränderten Verhältnisse ergibt sich eindeutig, dass die geltende Bewilligungspflicht der heutigen Situation nicht mehr entspricht und dass daher eine zeitgeinässe, neue Lösung gesucht werden rnuss. Es ist das übrigens auch die allgemeine Auffassung aller im Vernehmlassungsverfahren begrüssten Kantone und Wirtschaftsverbände.

Wir sind uns bowusst, dass verschiedene Bedenken gegen die vorgesehene Freigabe des Pastmilchverkaufes geltend gemacht werden können. Sie bestehen einmal darin, dass als Folge der Freigabe eine unrationelle Zersplitterung der Milchverkaufsstellen und damit verbunden unter Umständen auch eine Qualitätseinbusse bei der angebotenen Milch entstehen könnten, dass ferner eine Verteuerung der Offenmilch und ungünstige AVirkungen auf den angestammten Milchhandel, der neben dem Ladenverkauf insbesondere auch die Hauszustellung besorgt, nicht zu vermeiden wären. Dabei ist die Hauszustellung, wie bereits ausgeführt, ein wesentliches Mittel zur Erhaltung und Förderung des Absatzes von Milch, das nicht leichthin gefährdet werden darf. Eine Lösung für die Zukunft darf sich daher nicht einseitig auf die neuen Gegebenheiten im Verkauf und Vorbrauch ausrichten, sondern sie hat ebensosehr die weitgehende Erhaltung der Hauszustellung zu garantieren.

Unser Antrag geht dahin, die Bewilligungspflicht für den Verkauf von Pastmilch im Laden aufzuheben (Milchbeschluss, Art.äl1518, Abs.l des Entwurfes).

Jeder Ladonbesitzer hat somit das Eecht, Pastmilch zu verkaufen ; vorbehalten bleiben lediglich die gesundheitspolizeilichen Bedingungen. Damit werden die Abgrenzungsfragen, die beim bisherigen System zu Härten führten, beseitigt.

Dem Einwand, dass mit dieser Lösung eine unrationelle Zersplitterung des Milchverkaufes geradezu gefördert werde, ist entgegenzuhalten, dass zwar bei Inkrafttreten der neuen Lösung viele Detaillisten auch die Pastmilch in ihr Sortiment aufnehmen werden, dass sich aber
schon nach kurzor Zeit wieder eine namhafte Verminderung der Verkaufsstellen ergeben dürfte. Es hängt dies damit zusammen, dass die Pastmilch keine Konserve ist; ihre Haltbarkeit ist beschränkt. Manche Detaillisten werden auf deren Verkauf wieder verzichten, wenn der Absatz nicht ihren Erwartungen entspricht und die Kundschaft die dadurch bedingte ungenügende Qualität bemängelt. Die rückläufige Entwicklung der Zahl der Verkaufsstellen würde noch verstärkt, wenn in der Lebensmittelgesetzgebung die Vorschrift enthalten wäre, dass Pastmilchpackungen mit dem unverschlüsselten Abfülldatum oder dem letztzulässigen Verkaufsdatum

698 versehen sein müssten. Entsprechende Vorarbeiten zur Änderung der Lebensmittelverordnung sind im Gange. Diese Art der Selbstkontrolle durch die Konsumenten dürfte in jeder Beziehung günstige Auswirkungen haben.

B. Vorkehren gegen allfällige negative Auswirkungen der Freigabe des PastmilchVerkaufes im Laden 1. Allgemeines In verschiedenen Stellungnahmen wurde die Auffassung vertreten, nur mittels einer formellen Bewilligungspflicht sei es möglich, gewisse minimale Schranken in das System des Milchverkaufes einzubauen, um damit den zu erwartenden kleineren Absatz von Konsummilch zu vermeiden. Es wurde zum Beispiel an die Möglichkeit gedacht, die Bewilligung mit Auflagen hinsichtlich der Einhaltung des Preises und der Bezugspflicht zu verknüpfen. Bei dieser Argumentation wird übersehen, dass solche Auflagen nötigenfalls auch im Milchbeschluss generell vorgesehen werden können. Es bedarf also allein aus diesem Grunde keiner Weiterführung einer Bewilligungspflicht.

Man muss annehmen, dass die Aufhebung der Bewilligungspflicht und die damit verbundene Vermehrung der Verkaufsstellen von Pastmilch für den angestammten Milchhandel einen gewissen Umsatzrückgang bewirken wird. Neben anderen Gründen hängt dies damit zusammen, dass immer mehr Konsumenten es begrüssen, wenn sie alle Einkäufe an demselben Ort oder an möglichst wenigen Orten tätigen können. Sie werden also in Zukunft auch Milch in vielen Fällen im Lebensmittelgeschäft beziehen und als Folge davon zum Teil den Hauszustelldienst nicht mehr beanspruchen.

Zu berücksichtigen ist sodann auch die künftige Preisgestaltung für Milch.

Der Preis von Pastmilch dürfte nach der Freigabe des Verkaufes aus Konkurrenzgründen manchenorts sinken. Der Lebensmittelhandel, der keine Hauszustellung besorgt, ist nämlich nicht unbedingt auf die heutige Marge der Pastmilch angewiesen. Dieser Preisentwicklung wird der angestammte Milchhandel vermutlich weitgehend folgen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Seine Einnahmen können also nicht nur infolge eines gewissen Umsatzrückganges, sondern auch infolge der geringeren Marge auf der Pastmilch zurückgehen. Um den Ladenverkauf und die Hauszustellung trotzdem noch rentabel zu gestalten, wird die Offenmilch im Preise höher anzusetzen sein als heute. Die bestehende beträchtliche Preisdifferenz zwischen Pastmilch und Offenmilch dürfte sich daher in Zukunft manchenorts verringern. Dadurch wird ein Zustand erreicht, den auch der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten in seiner Vernehmlassung unter dem Stich"wort «Preiswahrheit im
Konsummilchsektor» ausdrücklich fordert. Es würde auf diese Weise gelingen, die durch verhältnismässig hohe Margen bedingten Preise von Pastmilch in Zukunft etwas abzubauen. Soweit die Preise von Offen- und Pastmilch heute durch die Preisausgleichskasse Milch verbilligt werden, können

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sich bei deren Abbau, über den -wir Innen in einer besondern Botschaft berichten, in den betroffenen Orten wieder Preiserhöhungen ergeben.

Diese Verschiebungen ändern allerdings nichts an der Tatsache, dass der Umsatz beim angestammten Milchhandel als Folge der Freigabe des Pastmilchverkaufes rückläufig sein -wird. Der Milchhandel dürfte der neuen Situation trotzdem weitgehend gewachsen sein, hat er doch mit seinen Spezialgeschäften die Möglichkeit, Leistungen zu erbringen, die den Bedürfnissen eines grossen Teiles der Konsumenten besonders entsprechen. Zu diesen besondern Leistungen gehört insbesondere auch die Bauszustellung.

Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Milchhandel die neue Situation meistern kann, ist eine vernunftige Preiskalkulation aller Pastmilchverkäufer.

2. Die Frage der Preisfestsetzung (Art. 21^^, Abs.3 des Entwurfes) Wir haben erwähnt, dass bei einer Freigabe dos Pastmilchverkaufes im Laden gewisse Preissenkungen za erwarten sind. Es wird nun befurchtet, dass die Pastmilch aus den nachfolgenden Überlegungen vor allem von den Grossverteilern als Lockartikel verwendet werden könnte. Die Lebensmittelläden mit grossem Warensortiment sind in der Lage, beim Pastmilchverkauf mit einer geringen Marge auszukommen oder auf eine solche sogar zu verzichten, weil sie ihr Auskommen mit dem Verkauf anderer Produkte finden und eine Miscbrechnung machen können. Da Milch im Haushalt nicht lange aufbewahrt werden kann, besteht eine gewisse Gewähr für einen regelmässigcn Gang in den Laden, besonders wenn der Preis der Milch günstig ist. Es kommt dazu, dass sich der Kunde in der Regel nicht auf den Kauf von Milch beschrankt, sondern bei dieser Gelegenheit auch noch andere Artikel kauft. Es wird denn auch argumentiert, dies seien die Gründe für das Interesse, das die Grossvorteilerorganisationen der Pastmilch entgegenbringen. Umgekehrt ist die Situation bei den Milchgeschäften und bei den kleineren Lebensmittellädcn. Sie sind darauf angewiesen, auch beim Verkauf von Milch eine kostendeckende Marge zu realisieren. Wenn es daher bei diesen unterschiedlichen Voraussetz angen nicht gelingt, dem Milchhandel mit Hauszustellung angemessene Preise zu erhalten, so wird er immer weniger in der Lage sein, diesen Spezialdienst weiterhin durchzuführen. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass
es vielenorts die kleineren Geschäfte sind, welche die Hauszustellung durchführen, während sich die Grossverteiler mit dieser Vertriebsart in der Begel nicht befassen.

In allen Vernehmlassungen wurde betont, die Hausssustellung müsse nach Möglichkeit erhalten bleiben, und zwar nicht nur, weil sie eine Annehmlichkeit für die Konsumenten darstelle, sondern auch weil sie eine weitgehende Garantie für einen möglichst hohen Konsummilchabsatz biete. Insbesondere für Familien mit kleinen Kindern, die einen relativ hohen Milchkonsum haben, ist die Hauszustellung eine wesentliche Erleichterung und damit auch eine Voraussetzung für den hohen Milchverbrauch. Es ist jedoch nicht möglich, zahlenmässig zu belegen,

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in welchem Ausmass der Konsummilchabsatz bei einer Verminderung oder im Extremfall bei einer Einstellung der Hauslieferungen zurückgehen würde; oft zitierte Angaben aus dem Ausland konnten zahlenmässig nicht nachgewiesen werden. Man wird deshalb lediglich von der an Sicherheit grenzenden Vermutung ausgehen können, dass der gesamte Konsummilchabsatz mit der Einschränkung des Hauszustelldienstes abnehmen wird. Die aus diesem Grunde anfallende, nicht mehr als Konsummilch verwertbare Menge würde daher aller Voraussicht nach hauptsächlich auf Butter zu verarbeiten sein. Auch wenn der Konsummilchbedarf nur um beispielsweise 10-15 Prozent (0,7-1 Mio q) sinken würde, ergäben sich je nach der milchwirtschaftlichen Gesamtsituation zusätzliche Verwertungsverluste von jährlich schätzungsweise 10 bis 20 Millionen Franken, allenfalls sogar noch grössere Beträge. Bei dieser Konstellation wird ersichtlich, dass nicht nur der Bund und die Verkehrsmilchproduzenten, welche sieh in die Verlusttragung teilen, ein Interesse an der Erhaltung der heutigen Konsummilchmenge haben, sondern dass an dieser Frage ein gesamtwirtschaftliches Interesse besteht. Es ist nun allerdings nicht bekannt, wie sich die Verkaufspreise von Pastmilch bei einer völligen Freigabe entwickeln und ob wirklich Preiskämpfe eintreten werden, durch welche die Hauszustellung mehr oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen würde und sich die geschilderten finanziellen Auswirkungen einstellen könnten. Immerhin haben die Grossverteilerorganisationen in ihren Vernehmlassungen keine Zusicherungen abgegeben, wonach sie von der Ansetzung von Kampfpreisen bei der Pastmilch absehen werden.

Da die Situation vorläufig unklar ist, höhere Verluste in der Milchreehnung aber nach Möglichkeit zu vermeiden sind, sehen wir im Entwurf für die Änderung des Milchbeschlusses eine Vorschrift vor, mit welcher das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt wird, für den Verkauf von Pastmilch Mindestpreise anzusetzen, wenn die Hauszustellung durch unangemessen niedrige Preise im Detailverkauf von Pastmilch gefährdet wird (Art. 21Ms, Abs. 3 des Entwurfes). Die Form einer Ermächtigungsvorschrift wurde auch gewählt, weil dies dem Prinzip der Verhältnisraässigkeit des verwaltungsrechtlichen Eingriffs entspricht. Ob dereinst Preisvorschriften nötig sein werden, wird
vom Verhalten des Lebensmittelhandels nach der Freigabe des Pastmilchverkaufes abhängen.

Wichtig ist vor allem, dass aus gesamtwirtschaftlichen Gründen die Möglichkeit gegeben ist, nötigenfalls konkrete Preisvorschriften zu erlassen. Es hegt demnach vollständig in den Händen derjenigen, welche grundsätzlich gegen den Erlass jeglicher Preisvorschriften eingestellt sind, ob von dieser Ermächtigungsvorschrift je Gebrauch gemacht werden rnuss. Bei einer angemessenen Preisbildung wird ohne behördlich festgesetzte Minimalpreise auszukommen sein; bei einem Missbrauch der gewährten Freiheit dagegen wird der Staat einzugreifen haben.

Dem Prinzip der Verhältnismassigkeit entspricht es ferner auch, dass der Erlass allfälliger Preisvorschriften regional begrenzt wird; Preisvorschriften sollen ebenfalls Örtlich nur soweit eingeführt werden, als dazu Anlass besteht. Auch die Dauer der Massnahme ist von Fall zu Fall festzulegen. Gegen eine Ermächtigungsvorschrift lässt sich einwenden, sie verhindere, dass gegebenenfalls mit der noti-

701 gen Kilo gehandelt werden könne. Diesem an sich richtigen Einwand haben wir Eechnung getragen und bezeichnen in unserem Vorschlag das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement als zuständige Stelle. Es ist damit ein Verfahren vorgesehen, welches Gewähr für einen raschen Entscheid bietet.

Wenn unser Antrag vorsieht, gegebenenfalls Mindestpreise zu verfügen, so einfach deshalb, weil es unter allen Umständen zu vermeiden gilt, dass Kampfpreise oder allgemein derart tiefe Preise angesetzt werden, denen dor Milchhandel mit Haugzustellung nicht mehr folgen konnte. Die allfällige Verfügung von Mindestpreisen gestattet es, dieses Ziel zu erreichen.

"Wir haben Mindestpreise anstelle von Festpreisen gewählt, weil sie die geringere Freiheitsbeschränkung darstellen. Festpreise würden zudem über den Zweck der Bestimmung hinausgehen. Da eine Preisbegrenzung nach unten beabsichtigt ist, genügt die Ermächtigung zur Ansetzurtg von Mindestpreisen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass im übrigen Lebensmittelhandel allgemein gewisse Preisunterschiede bestehen. Solche Verhältnisse sind auch bei dor Pastmilch durchaus denkbar und sollen durch die behördliche Preisfestsetzung nicht ausgeschlossen werden.

Zur Verhinderung übersetzter Preise würden die Artikel l und 2 des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1960 über geschützte Warenpreise und die Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukto (AS 1061, 203) sowie Artikel 25, Absatz 2 des Milchbeschlusses dienen. Es ist aber nicht anzunehmen, dass von diesen Vorschriften im Zusammenhang mit den Detailpreisen von Pastmilch oft Gebrauch gemacht werden muss, da gelbst nach Freigabe der Preise die Konkurrenz dafür sorgen dürfte, dass kaum wesentliche Preiserhöhungen eintreten werden.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhnge die Frage, wie der angemessene Mindestpreis für den Detailverkauf von Pastmilch im Sinne von Artikel 21Ws Absatz 8 des Entwurfes berechnet wird. Auszugehen ist vom Produzentenmilchprcis, zu dem Sammol- und Transportkosten hinzutreten, bis die Milch in der Eeguliermolkerei ist, die in der Eegel auch Pasteurisierungs- und Abfüllstelle ist.

Da die Beschaffungskosten schwanken, dürfte es richtig sein, auf einen Jahresdurchschnitt abzustellen. In den Begulicrrnolkereien ergeben sich sodann Kosten für die Behandlung und Vorpackung der Pastmilch. Die nach diesen
Grundsätzen berechneten Gestehungskosten ab Molkerei bzw. Abfüllstelle bilden die Grundlage für die Lieferpreise dor Pastmilch an die Detaillisten. Dazu kommt ein Fuhrlohn, wenn die Milch in den Laden des Wiederverkauf ors zu hefern ist.

Zu diesem Betrag ist ferner eine angemessene Marge für den Detaillisten hinzuzurechnen. Don so errechneten Mindestpreis verstehen wir als Nettopreis, der auch durch keinerlei Vergünstigungen (Babatte, Goschenke usw.) unterschritten werden darf.

Man wird damit rechnen müssen, dass der so errechnete .Mindestpreis von den heute geltenden Preisen beim Pastmilchverkauf abweichen könnte, da diese nach der bisherigen Praxis verhältnismässig hoch waren. Der früher angetönte Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. I.

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Grundsatz der «Preiswahrheit im Konsummilchsektor», das ausgedehnte Verteilsystem in den Lebensmittelläden und die durch die ständige Zunahme des Bedarfes von Pastmilch eintretende relative Verbilligung in der Herstellung sind die hauptsächlichsten Gründe für eine tiefere Ansetzung des Mindestpreises.

Die Pestsetzung von Mindestpreisen setzt im Einzelfall neben den unangemessenen Detailpreisen voraus, dass der Hauszustelldienst in der betreffenden Eegion durch diese gefährdet wird. Der Tatbestand der Gefährdung wird dann erfüllt sein, wenn der Milchhandel den Hauszustelldienst einschränken müsste, weil sich diese Dienstleistung für ihn nicht mehr lohnend gestalten lässt. Damit von der Ermächtigung zur Festlegung von Mindestpreisen Gebrauch gemacht werden kann, ist es nicht nötig, dass die Hauszustellung schon tatsächlich eingeschränkt oder eingestellt wird, sondern es genügt, dass sie wegen unangemessen niedrigen Detailpreisen in absehbarer Zeit objektiv nicht mehr haltbar wäre.

Der Erlass von Mindestpreisen ist andererseits nicht gerechtfertigt, wenn zum Beispiel einzelne Milchhändler aus Protest oder mangels Personal von der Hauszustellung absehen. Um die Verhältnisse im Einzelfall abzuklären, hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die Möglichkeit, bei den Kantonen Vernehmlassungen einzuholen.

Die vorgeschlagene Lösung bedeutet gegenüber dem heutigen Zustand mit der Verpflichtung auf Einhaltung der ortsüblichen Preise - einen bedeutenden Schritt in Eichtung einer Liberalisierung. Sie stellt denn auch ein nicht zu unterschätzendes Entgegenkommen an diejenigen Kreise dar, die sich von den bestehenden Preisauflagen lösen wollen. Da es aber letztlich nicht nur darum geht, dass Milch verschiedenenorts besonders billig erhältlich ist, sondern vielmehr darum, dass gesamtschweizerisch eine geordnete und rationelle Verteilung, angemessene Konsumentenpreise und im Interesse der Aufrechterhaltung der Hauszustellung vernünftige Margenverhältnisse gewahrt bleiben, ist es unerlässlich, den Bundesbehörden die Möglichkeit der Festsetzung von Mindestpreisen zu geben.

3. Der Pastmilchbezug (Art.21TMs, Abs.2 des Entwurfes) Auch bei einer Freigabe des Pastmilchverkaufes haben die zuständigen Behörden darauf bedacht zu sein, eine optimale und rationelle Milchverwertung zu sichern (Art.26 des
Landwirtschaftsgesetzes). Zu beachten sind in diesem Zusammenhange die Artikel 10 und 11 des Milchbeschlusses, die sich mit der Konsummilchversorgung und der Milchverwertung befassen. Darin wird dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten die Pflicht überbunden, im Einvernehmen mit den ändern beteiligten milchwirtschaftlichen Organisationen die geordnete und kostensparende Konsummilchversorgung des Landes zu gewährleisten und für eine zweckmässige Milchverarbeitung zu sorgen. Dieser Auftrag bedeutet unter anderem die Pflicht zur Produktionslenkung und zur Uberschussverwertung. Die Aufgaben und Befugnisse des Zentralverbandes und sei-

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ner Sektionen sind in der Verordnung über die Verwertung der Verkehrsmilch vom 80. April 1957 des nähern festgelegt. In diesem grösseren Zusammenhang ist daher die Frage des Milchbezuges durch die Pastmüchverkäufer zu betrachten. Die Erfüllung der den milchwirtschaftlichen Organisationen übertragenen Aufgaben darf durch die neue Ordnung nicht behindert oder erschwert werden.

Als Folge der Freigabe des Pastmüchverkaufes werden künftig eine weit grössere Zahl von Detaillisten Pastmilch verkaufen; es stellt sich die Frage, woher sie die Pastmilch zu beziehen haben.

Wir haben im Entwurf vorgesehen, dass die Pastmilch beim Milchhändler oder beim örtlichen beziehungsweise regionalen Herstellungsbetrieb zu beziehen ist (Art.21biB, Abs. 2). Im Hinblick au{ eine geordnete und kostensparende Konsummilchversorgung wird der Bezug aus dem. bestehenden regionalen Vertriebsnetz vorgeschrieben. Nur auf diese Art kann vermieden werden, dass die betreffende Milch unnötig transportiert und verteuert wird. Pastmilchbqzüge von ausserhalb des regionalen Vertriebsnetzes können zur Folge haben, dass das bisher am betreffenden Ort verwertete Milchquantum unter Umständen anderen Verwertungsarten zugeführt werden müsste. Anderseits wäre an dem ausserhalb des regionalen Vertriebsnetzes gelegenen Ort mit Pastmilchherstellung plötzlich ein scheinbar grosser Mehrbedarf an Konsummilch vorhanden.

Der Entwurf beschränkt sich auf die Anordnung des unbedingt Notwendigen. Wie erwähnt, sind zwei Möglichkeiten des Bezuges vorgesehen, nämlich beim Milchhändler oder beim Örtlichen bzw. regionalen Herstellungsbetrieb. Als Bezugsquelle für kleinere Quantitäten dürfte der Quartiermilchbändler, für grössere Quantitäten der örtliche oder regionale Hergtelmngäbetrieb in Frage kommen. Eine eingehendere Begelung ist nicht nötig, weil sich eine gangbare Ordnung von selbst einspielen wird. Der Detaillist, der täglich nur wenige Liter Pastmilch benötigt, wird kaum auf den Gedanken kommen, für seine Bezüge eine Grossmolkerei zu beanspruchen. Eine Vereinbarung mit dem nächstgelegenen Milchhändler wird ihm die günstigsten Lieferungsbedingungen verschaffen, Die Teilung der Detailmarge ist der Abmachung der beiden Kontrahenten vorbehalten. Grundsätzlich kommt natürlich auch der örtliche oder regionale Herstellungsbetrieb für die Belieferung eines
kleinen Detaillisten in Frage, nur müssten dann Kleinbezügern verhältnismässig hohe Zustellgebühren verrechnet werden. Um eine Belieferung in jedem Falle sicherzustellen, wird im Entwurf erklärt, der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und seine Sektionen seien verpflichtet, dafür zu sorgen, dass den Verkäufern die erforderliche Pastmilch zu einem angemessenen Preis und in einwandfreier Qualität zur Verfügung steht. Dies bedeutet, dass im Falle von Uneinigkeit über Bezug und Lieferung die Verantwortung für die angemessene Begelung subsidiär bei den Milchverbänden liegt. Bei unangemessenen Lieferpreisen könnten die Behörden auf Grund der Artikel l und 2 des Bundesgesetzes über geschützte Warenpreise und die Preisausgleiohskasse für Eier und Eiprodukte vom 21. Dezember 1960 eingreifen.

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Es ist zu betonen, dass diese Bestimmung lediglich den Bezug von Pastmilch regelt. Die Frage des Bezuges von offener Milch zum Zwecke der Pasteurisierung wird im nachfolgenden Abschnitt C zu behandeln sein.

4. Weitere Möglichkeiten zur Erhaltung'der JJauszustellung Unser Entwurf für die Änderung des Milchbeschlusscs sieht keine weiteren Massnahmen zur Erhaltung der Hauszustellung vor. Das schhesst jedoch nicht aus, dass auf anderen Wegen versucht wird, die Lage des Milchhandels zu verbessern. Wir denken dabei insbesondere an eine etwas höhere Vergütung für die Hauszustellung, die pro Liter oder in Eorm eines monatlichen Betrages gefordert werden könnte. Die Konsumenten, welche die Hauszustellung in ihren Stellungnahmen mehrheitlich befürworten und die Annehmlichkeit dieser Dienstleistung zu schätzen wissen, werden auch bereit sein, dafür eine besondere Vergütung zu zahlen. Weite Kreise befürworten denn auch dieses Vorgehen in ihren Meinungsäusserungen ausdrucklich. Wichtig ist nur, dass diese Zustellvergiitung sich in angemessenem Bahmen halt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhange, dass der immer grössere Anteil dor Pastmilch am Konsummilchvcrbrauch auch bei der Hauszustellung die Arbeit erleichtern durfte.

Es darf an dieser Stelle auch noch erwähnt werden, dass sich die Hauszustellung in vielen Fällen nicht auf Milch und Milchprodukte beschränkt. Es besteht vielmehr - im Bahmen der bestehenden Vorschriften -- auch Gelegenheit, auf Bestellung andere Lebensmittel ins Haus zu liefern. Es wird Sache des Milchhandols sein, durch geschickte Werbung seine Absatzmöglichkeiten noch zu verbessern.

5. S'cmhtionsmöglichkeiten (Art.44bis des Entwurfes) Da in unserem Entwurf gewisse Massnahmen zur Sicherung und Erhaltung der Hauszustcllung und der geordneten Milchversorgung enthalten sind, stellt sich die Frage, wie diese Vorschriften bei Widerhandlungen durchzusetzen sind.

Zur Begelung dieses Problems sieht der Entwurf einen neuen Artikel 44Ws des Milchbeschlusses vor.

Die Befürworter einer gemässigten BewiHigungspfhcht haben im Vernohmlassungsverfahren zum Teil geltend gemacht, deren Beibehaltung sei gerechtfertigt, weil sie eine besondere Sanktion, nämlich den Entzug der Bewilligung, ermögliche. Wir haben bereits früher festgestellt, dass allem zu diesem Zwecke die Beibehaltung der Bewilligungspflicht
nicht nötig ist. Die Möglichkeit von Sanktionen bei Widerhandlungen besteht trotzdem, und zwar durch ein Vorbot der Pastmilchabgabe. Diese Möglichkeit wird in Artikel 44Ma, Absatz l des Entwurfes ausdrücklich vorgesehen. Da es sich dabei jedoch um einen schweren Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit handelt, ist in Absatz 2 der genannten Bestimmung vorgesehen, dass Beschwerden gegen ein Abgabeverbot in letzter Instanz an das Bundesgericht weitergezogen werden können, da eine solche Verfügung sich für den Betroffenen praktisch gleich auswirkt wie der Entzug einer

705 Bewilligung (Art. 107, Buchstabe fr des Landwirtschaftsgesetzes). Neben diesem Verbot kommen noch weitere Sanktionen in Betracht, nämlich dio Bestrafung (Art. 47 dos Milchbeschlusses) sowie die Sperre der Lieferung von Pastmilch (Art.48, Abs.l des Milchbeschlusses).

C. Bewüligungspflicht für Pasteurisations- und Abfüllanlagen (Art.21Ws, Alis. 4 des Entwurfes) Die Freigabe dos Pastmilchvorkaufes wird ganz allgemein noch mehr Detaillisten als bisher zum Verkauf von Pastmilch veranlassen. Bei Verkäufern mit grosscm und kleinem Umsatz wird sich daher die Frage stellen, ob sie einzeln oder gruppenweise eine neuo Pasteurisations- und Abfullanlage erstellen sollen.

Dem Grundsatz der rationellen Milchverwertung ist sicher am besten Genüge getan, wenn nur solche Anlagen aufgestellt werden, die möglichst gut ausgenutzt sind. Voraussetzung dafür ist, dass die Zahl dieser Anlagen nicht zu gross wird. Dies ermöglicht die Kalkulation von gunstigen Preisen für Pastmilch, weil als Folge der vollen Auslastung der Anlagen deren feste "Kosten auf ein sehr grosses Milchquantuin verteilt werden können. Weitaus die meisten Vernehmlassungen der Kantone und Wirtschaftsverbände kommen zum gleichen Schluss.

In einer Vernehmlassung wird allerdings erklärt, der Bund habe sich nicht darum zu bekümmern, wenn eino Organisai ion von sich aus eine teure Anlage erstelle und überdies die Kosten des Transportes der Pastmilch vom Herstellungsort an den Konsumort selbst trage; es handle sich um eine private Angelegenheit. Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden, da das Problem, wie bereits im Abschnitt über die Bozugspfhcht ausgeführt, in grössern Zusammenhängen zu betrachten ist. Abgesehen davon, dass die Transportkosten die Milch verteuern, muss auch das Problem der geordneten Milchverwertung erneut in die Betrachtungen einbezogen worden. Wollten Organisationen der Detailhandelsstufo, wie die Grossverteiler oder der Milchhandel, allenfalls neue Anlagen für die Herstellung und Abfallung von Pastmilch in Betrieb nehmon und einen gròsseren Landesteil, eventuell sogar ihre Filialbetriebe in der ganzen Schweiz, mit Pastmilch beliefern, so würde dies dem Grundsatz der zweckmässigen und kostensparenden Vorteilung der Konsunmülch und der zweckmässigen Milchverteilung vollständig widersprechen. Der zuständige Milchverband hatte der betreffenden Anlage aus einem immer gròsseren Umkreis Offenmilch zuzuführen, während an den entfernten Verbrauchsorten dieser Pastmilch die dort seit jeher für den Konsum bestimmte Milch zum Teil verarbeitet werden müsste, Milchversorgung und Milchveiwcrtung
wurden damit gesamthaft in nicht zu verantwortender Weise erschwert und verteuert. Der Grundsatz, wonach die Konsummilch womöglich im natürlichen Einzugsgebiet der Vorbrauchsorte zu beschaffen sei, wurde auf diese Weise zusehends verwässert. Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten wäre kaum mehr in der Lage, seme öffentlichrechtlichen Aufgaben zu erfüllen.

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Aus diesen Erwägungen sehen wir in Artikel 21Ws, Absatz 4 des Entwurfes vor, die Erstellung und den Betrieb neuer Anlagen für die Herstellung und Abfüllung von Pastmilch von einer Bewilligung durch die Abteilung für Landwirtschaft abhängig zu machen, Bewilligungen sind nur zu erteilen, wenn dadurch gesamthaft die geordnete und kostensparende Konsummilchversorgung und die zweckmässige Milchverarbeitung nicht gestört werden. Zur Abklärung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung erfüllt sind, wird der Gesuchsteller neben Angaben über das Anlage-System und dessen Kapazität namentlich darzulegen haben, wieviel Offenmilch er täglich beansprucht und welches Gebiet er von dieser Anlage aus mit Pastmilch versorgen will. Zu betonen ist, dass die Bewilligungspflicht alle Grossen und Systeme von Anlagen erfasst.

Die Bewilligung wird nicht zuletzt davon abhängig sein, ob die geplante Anlage auch hinsichtlich der Qualität ein einwandfreies Produkt zu liefern vermag. Die Notwendigkeit einer solchen Bestimmung ergibt sich auch aus der bisherigen Praxis.

In diesem Zusammenhange stellt sich schliesslich auch noch die Frage, woher die Bewilligungsinhaber von neuen Anlagen zur Herstellung der Pastmilch die benötigte Offenmilch beziehen sollen. Als Milchlieferanten kommen grundsätzlich die Sektionen des Zentralverbandes schweizerischer Milchproduzenten in Frage. Dabei wird abzuklären sein, wie gross das Quantum der Offenmilch ist, das verlangt werden kann. Da für die Beurteilung der Bewilligung der Anlage der Grundsatz der geordneten Konsummilchversorgung und der zweckmässigen Milchverarbeitung ausschlaggebend ist, muss dieser Grundsatz auch für die Belieferung mit Offenmilch gelten. In diesem Sinne lautet auch Artikel 4 der Verordnung über die Verwertung der Verkehrsmilch. Die Anlagen haben demnach nur soweit Anspruch auf Belieferung mit Offenmilch, als dieser Grundsatz nicht tangiert wird. Anlagen, die ohne Bewilligung erstellt werden, haben andererseits kernen Anspruch auf Belieferung mit Offenmilch.

VI. Rechtsgrundlagen Der Abschnitt VI des Milchbeschlusses (Zweckmässiger und kostensparender Konsummilchvertrieb) stützt sich auf Artikel 26 des Landwirtschaftsgesetzes und hat somit, wie die ändern Abschnitte, den Charakter einer Verordnung der Bundesversammlung. Eine Änderung dieser Verordnung ist an sich nicht dem Eeferendum unterstellt.

In der bisherigen Praxis wurde an die Bewilligung zum Pastmilchverkauf regelmässig die Auflage geknüpft, es dürften die ortsüblichen Preise nicht unterschritten werden. Die Kompetenz für diese Auflage stützte sich auf Artikel 26 des Landwirtschaftsgesetzes, insbesondere Buchstaben a und d. Es wurde jedoch von gewisser Seite bestritten, dass auf dieser Grundlage Auflagen mit Bezug auf den Detailpreis zulässig seien. Da über diese Frage die Meinungen geteilt sind und damit] in Zukunft weitere Diskussionen hinfällig werden, er-

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achten wir es als gegeben, die im Entwurf enthaltene Ermächtigung zur Ansetzung von Mindestpreisen auf Artikel 81bls, Absatz 8, Buchstabe 6 der Bundesverfassung abzustützen. Die Ansetzung von Mindestpreisen kann, wie bereits vorne ausgeführt wurde, zur Erhaltung der Hauszustellung und damit des Konsummilchabsatzes notwendig sein. Es geht darum, im gesamtwirtschaftlichen Interesse und im Interesse der Landwirtschaft zusätzliche Verwertungsverluste zu vermeiden. Die Voraussetzungen für ein Abweichen von der Handels-und Gewerbefreiheit sind daher erfüllt.

Die Kompetenz zur Ansetzung von Mindestpreisen beruht auf einer neuen gesetzlichen Grundlage und ist damit dem Eeferendum unterstellt; das gleiche gilt für die Anfechtung des Verbotes des Pastmilchverkaufes beim Bundesgericht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde, weil die Aufzählung der Beschwerdematerien gemäss Artikel 107 des Landwirtschaftsgesetzes erweitert wird. Die ändern Änderungen könnten wie bisher von der Bundesversammlung allein beschlossen werden. Es fragte sich deshalb, ob zwei Erlasse vorzulegen seien, nämlich einerseits ein Bundesgesetz über die Mindestpreise und die erwähnte Beschwerde an das Bundesgericht sowie anderseits ein Bescbluss über die Änderung der übrigen Bestimmungen, der dem Referendum nicht unterstellt ist. Wir kommen zum Schluss, es sei ein einziger Erlass vorzulegen, weil die ganze Änderung eine Einheit darstellt. Da die vorliegende Änderung des Milchbeschlusses nicht befristet ist und rechtsetzende Normen enthält, ist sie gemäss Artikel 5, Absatz l des Geschäftsverkehrsgesetzes (AS 1962,773) in die Form eines Bundesgesetzes zu kleiden.

VII. Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes 1. Artikel 21 Absatz l hält den Grundsatz der Bewilligungspflicht für den Verkauf von Konsummilch fest, wie er auch in Zukunft gelten wird. Neu wird der Ausdruck «Abgabe» verwendet, damit sämtliche Formen der Vermittlung an den Konsumenten erfasst werden. Vorbehalten ist Artikel 21bl8, der sich mit der Pastmilch befasst. Absatz 2 lautet gleich wie die geltende Fassung, da für den Verkauf von Offenmilch und die Hauszustellung von Pastmilch die gleichen Regeln gelten sollen wie bis anhin. Absatz 8 wird aufgehoben und durch eine neue Bestimmung, Artikel 21^, ersetzt.

2. Artikel 21TM*

Absatz l halt die Ausnahmen von dem in Artikel 21 festgelegten Grundsatz fest. Vorerst definiert er den Begriff «Pastmilch», der sich an die bisherige Praxis und an die Vorschriften der Lebensmittelverordnung hält. Sodann wird erklärt, daes die Abgabe im Laden, aus Kiosken und Automaten, die ambulante Abgabe in Manövern, bei Sport- und Festanlässen usw. keiner Bewilligung bedarf. Abge-

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sehen von der Abgabe im Laden wird auch hier auf die bisherige Praxis abgestellt.

Zu beachten ist, dass die Hauszustellung von Pastmilch nicht in dieser Aufzählung enthalten ist und daher weiterhin einer Bewilligung gemäss Artikel 21 bedarf.

Eine besondere Eegelung ist für den Verkauf aus fahrenden Läden vorgesehen. Wie schon erwähnt, soll die Hauszustellung der Milch erhalten bleiben, ferner auch die Quartiereinteilung. Die Abgabe von Pastmilch aus fahrenden Laden wäre geeignet, diese Ordnung zu stören. Konsequenterweise ist daher zur Erhaltung dor Hauszustellung die Abgabe von Pastmilch aus fahrenden Läden weiterhin der Bewilligungspflicht zu unterstellen. Ans der Zielsetzung ergibt sich, dass an Orten ohne Hauszustellung für die Abgabe von Pastmilch aus Verkaufswagen keine Bewilligung notig ist. In Gemeinden mit Hauszustellung hingegen bedarf es dazu einer Bewilligung, die nach Massgabe des Bestandes und des Funktionier eng der Hauszustollung zu erteilen oder zu verweigern ist. Als Konsequenz ist denkbar, dass ein Verkaufswagen an bestimmten Orten seiner Fahrt Pastmilch verkaufen darf, an ändern Orten nicht.

Die Absätze 2 (Pastrailchbozug), 3 (Möglichkeit der Ansetzung von Mindestpreisen) und 4 (Bcwilligungspflicht fur Pasteurisations- und Abfullanlagen) sind bereits im vorangehenden Abschnitt erläutert worden. Zum Absatz 4 ist lediglich uoch beizufügen, dass sich die Bewilligungspfhcht nur auf die Erstellung und den Betrieb neuer Anlagen bezieht; die bisherigen Anlagen gelten daher als bewilligt.

3. Artikel 44TM Materiell haben wir diese Bestimmung bereits erläutert. Das Verbot des Pastmilchvcrkaufes bei Widerhandlungen wurde den Kantonen übertragen, weil es ihnen leichter fallt als einer zentralen Instanz, Widerhandlungen festzustellen und zu untersuchen. Die Dauer des Entzuges ist befristet. Den zustandigen Behörden ist es anhcimgestellt, innerhalb des Eahmens von einem Monat bis zu einem Jahr zu befinden. Da in letzter Instanz das Bundesgericht zuständig ist, erscheint es gerechtfertigt, vorher eine kantonale Eokursinstanz einzusetzen.

Damit kann vermieden werden, dass sich das Bundesgericht mit Bagatellfallen befassen muss.

Die Bestimmung ist als neuer Artikel 44bls vorgesehen, weil es sich um eine administrative Sanktion handelt, die systematisch den Artikeln 39 ff. des Milchbeschlusses anzugliedern ist.

1

Zur Frage der Verfassungsmässigkeit dieser Vorlage haben wir uns bereits im Abschnitt VI ausgesprochen.

Gestutzt auf die vorstehenden Erwägungen beantragen wir Ihnon die Annahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesgesetz betreffend die Ände-

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rang des Beschlusses der Bundesversammlung über Milch, Milchprodukte und Spei&efette (Milchbeschluss).

Ferner stellen wir Ihnen den Antrag, die folgenden Postulate des Nationalrates abzuschreiben: Nr. 6936 vom 19. Dezember 1956 (Postulat Yontobel) Nr. 7606 vom 4. Juni 1958 (Postulat Duttweiler) Nr. 8018 vom 22. Juni 1960 (Postulat Schutz) Nr. 8343 vom 6. März 1963 (Postulat König-Zürich) Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 20.März 1964.

Im Namen, des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : L. von Moos Der Bundeskanzler: Ch. Oser

710 (Entwuri)

Bundesgesetz betreffend

die Anderung des Beschlusses der Bundesversanunlung iiber Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluss)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestiitzt auf Artikel 31bis, 32 un114bisls der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 20. Marz 19643 beschliesst: I Der Beschluss der Bundesversammlung vom 29. September 1958 fiber Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluss)1) wird wie folgt geandert: Art. 21, Abs. 1 und 8 1 Im Interesse einer zweckraassigen und kostensparenden Versorgung Milohverkauftbewllllgung der Verbraucher bedarf es zur gewerbsmassigen Abgabe von Konsumrniloh a. im allgemeinen jeder Art, abgesehen von der gesundheitspolizeilichen Erlaubnis (Eidgenossische Lebensmittelverordnung), einer Bewilligung der gemass Artikel 22, Absatz 1 und 8, bezeicbneten Stelle. Vorbehalten bleibt Artikel 21bis.

Die Bewilhgung ist erforderlich flir die Ero'ffnung neuer und die Verlegung bestehender Milchverkaufsgeschftfte oder Filialen, beim Inhaberwechsel zu Eigentum, Miete oder Pacht,beiAufnabjne des Selbstausmessens (Art.5, Abs. 2) sowie fiir die Belieferung von eigenen gewerblichen Betrieben durch den Milchproduzenten (Art.5, Abs.8).

3... Aufgehoben b. Besondere Begelung fttr PastmUch

Art. 21bis (neu) Die Abgabe pasteurisierter, uperisierter und sterilisierter Milch BOwie von Vorzugsmilch und weiterer nach ahnlichen Verfahren bearbeiteter Konsummilch in Wegwerfpackungen oder in Maschen (im folgenden als 1

*) AS 1953, 1109; 1957,571; 1961,838.

711 Pastmilch bezeichnet) in Läden bedarf keiner Bewjlligung. Der Verkauf aus Kiosken und Autoniaten, die ambulante Abgabe in Manovern, bei Sport- und Festanlassen usw. 1st ebenfalls frei. Die Abgabe aus fahrenden Laden bedarf in Gemeinden mit Hauszustellung einer Bewilligung gemass Artikel 21. Die Lebensmittelgesetzgebung bleibt in alien Fallen vorbebalten.

a Die Verkaufer haben die Pastmilch, sofern aie diese nicht selbat herstellen, beim Milchhandler oder beim ortlichen bzw. regionalen Herstellungsbetrieb zu beziehen. Der Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und seine Sektionen sind verpflichtet, dafiir zu sorgen, dass den Verkaufern die erforderliche Pastmilch zu einem angemessenen Preis in einwandfreier Qualitat zur Verfligung steht.

8 Das Eidgenossisohe Volkswirtschaftsdepartement kann, wenn die Hauszustellung durch unangemeasen niedrige Preise im Detailverkauf von Pastmilch gefahrdet wird, fiir die betreffende Eegion Mindestpreise festsetzen.

4 Die Erstelhmg und der Betrieb neuer Anlagen fiir die Herstellung und Abftillung von Pastmilch sind bewilligungspflicht Bewilligungen sind nur zu erteilen, wenn dadurch gesamthaft die geordnete und kostensparende Konsummilohversorgung und die zweckmassige Milchverarbeitung nicht gestort werden und eine einwandfreie Qualitat gewahrleistet wird. Bewilligungsstelle ist die Abteilung fur Landwirtschaft.

Art. 44Ws (neu) 1 Bei vorsatzlichen Widerhandlungen gegen Bezugs- oder Preisvorschriften fur Pastmilch (Art.21bls) haben die Kantone den fehlbaren Verkaufern, unabhangig von einer Strafverfolgung, die Abgabe von Pastmilch fur die Dauer von einem Monat bis zu einem Jahr zu verbieten.

8 Die Kantone bezeichnen die zustandige Stelle sowie eine Eekursinstanz. Das Abgabeverbot ist dem Entzug einer Bewilligung im Sinne von Artikel 107, Buchstabe b des Landwirtschaftsgesetzes gleiohgestellt.

II Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt des Inkraittretens dieses Bundeageeetzes fest.

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Abgabeverbot fiir Pastmlloh

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Änderung des Milchbeschlusses (Vom 20. März 1964)

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