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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren für die Verkürzung der Arbeitszeit (Vom 17. Februar 1964)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund in Bern und die Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände in Zürich haben am 5.April 1960 der Bundeskanzlei die Ünterschriftenbogen zu einem Volksbegehren für die Verkürzung der Arbeitszeit eingereicht. Das Volksbegehren hat folgenden Wortlaut: «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen auf dem Wege der Volksinitiative (Art, 121 der Bundesverfassung) das Begehren, es sei Artikel 34, Absatz l der Bundesverfassung, der wie folgt lautet : ,,Der Bund ist befugt, einheit liehe Bestimmungen über die Verwendung von Kindern in den Fabriken und über die Dauer der Arbeit erwachsener Personen in denselben aufzustellen. Ebenso ist er berechtigt, Vorschriften zum Schütze der Arbeiter gegen einen die Gesundheit und Sicherheit gefährdenden Gewerbebetrieb zu erlassen", aufzuheben und durch folgende Bestimmungen zu ersetzen : 1. Der Bund erlässt auf dem Wege der Gesetzgebung für die Industrie, das Gewerbe und den Handel Vorschriften.

n) über den Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere über die Unfallverhütung und die Arbeitshygiene; h) über besondere Schutzmassnahmen für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer; c) über die Arbeits- und Ruhezeit. Bei der Regelung der Arbeits- und Ruhezeit ist neben dem Schutz der Arbeitnehmer auch die Sicherung des Arbeitsplatzes anzustreben; d) über die Ferien.

2. Auf die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden ist in der Gesetzgebung Rücksicht zu nehmen.

350 3. Das Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken sowie das Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten sind in der Weise zu ändern, dass spätestens im Jahre 1962 die normale wöchentliche Arbeitszeit um mindestens vier Stunden verkürzt wird. Innert der gleichen Frist ist die Arbeitszeit im Handel und im Gewerbe gesetzlich zu regeln.

Dabei darf für technische Angestellte und kaufmannisches Büropersonal die wöchentliche Arbeitszeit 44 Stunden nicht überschreiten.

Nach Verwirklichung der Bestimmungen von Absatz 3 durch die Bundesgesetzgebung fallt dieser dahin. i>

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend den Bericht über dieses Volksbegehren vorzulegen.

I

Mit Bericht vom 6.Mai I960 (BEI 1960 11570)"haben wir Ihnen von diesem Volksbegehren Kenntnis gegeben und dessen Zustandekommen festgestellt. Dio eidgenössischen Bäte haben in der Sommersession 1960 diesem Bericht zugestimmt und uns beauftragt, zum Volksbegehren Stellung zu nehmen. Bereits ara 30. September 1960 sind Ihnen Botschaft und Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) unterbreitet worden (BEI 1960 II 909), worin wir beantragton, die Behandlung des Volksbegehrens einstweilen zurückzustellen, da die Frage der Höchstdauer der normalen Arbeitszeit nur im Eahraen einer Gesamtregelung der Arbeits- und Buhezoit entschieden worden könne. Dor Nationalrat, dem die Priorität zustand, beschloss am 13.März 1962 ohne Gegenantrag, auf dio Vorlage einzutreten. Er hai damit stillschweigend der Auffassung zugestimmt, es sei zum Volksbegehren erst nach der Behandlung des Arbeitsgesetzes Stellung zu nehmen.

Im Zeitpunkt der Einreichung des Volksbegehrens galt noch das Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Bevision der Bundesverfassung. Gemass Artikel 8 dieses Gesetzes in der Fassung vom S.Oktober 1950 haben die eidgenössischen Eäte über ein Volksbegehren innert dreier Jahre nach seiner Einreichxing Beschluss zu fassen. Diese Frist wäre für die vorliegende Initiative am S.April 1963 abgelaufen. Nachdem sich die Beratungen über das Arbeitsgesetz wider Erwarten in die Länge zogen, reichte die dreijährige Frist nicht aus. Inzwischen ist das Geschäftsverkohrsgesetz vom 23.März 1962 in Kraft getreten, das die drei jahrige Frist beibehält, aber die Möglichkeit einer Verlängerung um ein weiteres Jahr vorsieht (Art.29, Abs. 3). Wir sahen uns deshalb veranlasst, Ihnen mit Bericht vom 27.November 1962 zu beantragen, die Frist bis S.April 1964 zu verlängern (BB11962 II1419). Am 19. Dezember 1962 haben Sie diesen Antrag gutgeheissen. Da das Geschäftsverkohrsgesetz eine weitere Fristerstreckung nicht zulässt, muss das Volksbegehren von den Bäten vor dem S.April 1964 behandelt und hernach dem Volke und den Ständen zur Abstimmung unterbreitet worden.

Nachdem bei der Bearbeitung des Arbeitsgesetzes über die Frage der Höchstarbeitszeit keine Einigung zwischen den beiden Bäten zustande kam und der

351 Nationalrat seinen Bosehluss als endgültig erklärt hat, musste die Einigungskonferenz einberufen werden, die am 26. Februar 1964 zusammentritt. Falls dabei eine Lösung gefunden wird, der beider Bäte zustimmen, und falls die Initianton daraufhin das Volksbegehren zurückziehen, würde dieser Bericht gegenstandslos.

II

1. Bekanntlich hatte schon der Landesring der Unabhängigen am 14. September 1955 ein Volksbegehren für die 44-Stundenwoche eingereicht. Auch im vorliegenden Volksbegehren bildet die Arbeitszeitverkürzung das Hauptanliegen, wie dies bereits im Titel zum Ausdruck kommt. Ausserdem sollen dem Bund eine Beihe von Kompetenzen auf dem Gebiete desArbeitnohmerschutzes erteilt werden, mit dem Auftrag, die entsprechenden Gesetze zu erlassen. Die Initiative will Artikel 34, Absatz l der Bundesverfassung aufheben und durch die vorgeschlagenen Bestimmungen ersetzen. Artikel 84, Absatz l ist jedoch durch die Aufnahme von Artikel 34ter, Absatz l, Buchstabe a in die Verfassung anlässlich der Bcvision der Wirtschaftsartikel gegenstandslos geworden, wurde aber in der Verfassung belassen, weil man eine Xeunumerierung der Artikel 84bls bis 34(iuater vermeiden wollte. Artikel 34ter, Absatz l, Buchstabe a erteilt dem Bund ganz allgemein die Befugnis, Vorschriften aufzustellen «über den Schutz der Arbeitnehmer». Diese Befugnis beschränkt sich nicht auf Industrie, Gewerbe und Handel, wie der Vorschlag der Initianten, sondern erfasst alle Arbeitnehmer, ohne Eücksicht auf den Wirtschaftszweig, in welchem sie tätig sind, so auch die Arbeitnehmer der Landwirtschaft und der Forstwirtschaft. Bei Gutheissung der Initiative würde eine zweite Bestimmung über denselben Gegenstand, aber mit einem ändern Geltungsbereich, in die Verfassung aufgenommen, woraus sich Unklarheiten über die Abgrenzung ergäben.

2. Gemäss Ziffer l, Buchstabe a des Volksbegehrens soll der Bund Vorschriften aufstellen «über den Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere über'die Unfallverhütung und die Arbeitshygiene». Diese Kompetenz ist heute in Artikel 34ter, Absatz l, Buchstabe a der Verfassung enthalten; denn es besteht kein Zweifel, dass Unfallverhütung und Arbeitshygiene lediglich besondere Teilgebiete des allgemeinen Aibeitnehmerschutzes bilden. Die Gesetzgebungsbefugnis hierüber steht somit dem Bunde bereits zu. Das Arbeitsgesetz enthält denn auch einen besonderen Abschnitt über «Gesundheitsvorsorge und Unfallverhütung».

Ziffer l, Buchstabe &, verlangt besondere Schutzmassnahmen für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer. Auch diese Kompetenz ist bereits heute in Artikel 34ter, Absatz l, Buchstabe a enthalten. Das Arboitsgesetz sieht denn auch eine ganze
Beihe von Schutzmassnahmen für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer vor.

Die in Ziffer l, Buchstabe c verlangten gesetzlichen Vorschriften über die Arbeits- und Buhezeit bilden ebenfalls ein Teilgebiet des allgemeinen Arbeitnehmerschutzes im Sinne von Artikel 84ter, Absatz l, Buchstabe a der «Ver-

352 fagsung. Auch hierüber enthält die den Eäten unterbreitete Arbeitsgesetzvorlage eingehende Vorschriften. Darüber hinaus verlangt die Initiative, dass bei der Bfegelung der Arbeits- und Euhezeit auch «die Sicherung des Arbeitsplatzes» angestrebt werden soll. Der Sinn dieses Zusatzes ist nicht ohne weiteres klar.

Offenbar haben die Initianten an eine Herabsetzung der normalen Arbeitszeit im Falle einer Wirtschaftskrise gedacht, um die Arbeit zu strecken und so einer möglichst grossen Zahl von Arbeitnehmern Beschäftigung zu bieten. In der Eegel werden jedoch nicht alle Berufszweige gleichzeitig und im gleichen Masse von Arbeitslosigkeit betroffen. Das Bedürfnis nach einer Arbeitszeitverkürzung zur Vermeidung von Entlassungen ist je nach Berufszweig und sogar je nach Betrieben verschieden, so dass solche Arbeitszeitverkürzungen nicht generell durch die Gesetzgebung vorgeschrieben werden könnten. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung wäre kaum ein taugliches Mittel zur Sicherung des Arbeitsplatzes.

Ziffer l, Buchstabe d will dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis über die Ferien geben. Auch diese Kompetenz ist bereits in Artikel 34ter, Absatz l, Buchstabe a der Verfassung enthalten, soweit eine öffentlich-rechtliche Eegelung der Ferien in Frage steht. Für eine zivilrechtliche Eegelung, wie sie das Arbeitsgesetz vorsieht, bildet Artikel 64, Absatz 2 der Verfassung die Grundlage.

8. Ziffer 2 des Volksbegehrens weist den Gesetzgeber an, bei der Durchführung der Verfassungsbestimmungen gemäss Ziffer l auf die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden Bücksicht zu nehmen. Die Initianton stellen sich darunter eine Kombination von gesetzlicher und gesamtarbeitsvertraglicher Eegelung vor und versprechen sich davon eine «flexiblere» Gesetzgebung.

Der Grundsatz, dass auf gesarntarbeitsvertraglicho Vereinbarungen Bücksicht zu nehmen sei, wird zwar in der Verfassung nicht ausdrücklich genannt, doch trägt ihm die Gesetzgebung weitgehend Eechnung. So beschränkt sich die Vorlage zum allgemeinen Arbeitsgesetz auf die im öffentlichen Interesse gebotenen Mindestvorschriften und überlässt es don beteiligten Verbänden, durch Gesamtarbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstigere Begelungen aufzustellen.

Von dieser Möglichkeit wird vor allem im Bereich der Arbeits- und Buhezeit in grossem Umfang
Gebrauch gemacht. Das Prinzip, dass der Gesetzgeber den gesamtarbeitsvertraglichen Vereinbarungen den angemessenen Baum gewährt, ist allgemein anerkannt. Wie weit jedoch die Mindestvorsclmften des Gesetzs gehen sollen, ist eine Ermessensfrage, die jeweils von den eidgenössischen Bäten entschieden werden muss.

Das Arbeitsgesetz nimmt zudem in anderer Hinsicht ausdrücklich Bücksicht auf die gesamtarbeitsvertraglichen Eegelungen ; wenn zum Beispiel ein Verstoss gegen Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung zugleich eine Verletzung von Bestimmungen eines für den Fehlbaren verbindlichen G esamtarbeitsvertrages darstellt, so können die Vollzugsbehörden auf die Massnahmen der Vertragsparteien zur Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages Bücksicht nehmen (Art.47, Abs.8 des Entwurfes). Ferner kann der Strafrichter von einer Busse

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absehen oder diese erraässigen, wenn auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages eine angemessene Konventionalstrafe ausgesprochen wird (Art. 57, Abs. 3 des Entwurfes).

Dem Begehren der Initianten auf Berücksichtigung gesamtarbeitsvertragh'cher Vereinbarungen wird schon heute Bechnung getragen, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Verfassungsbestimmung an die Adresse dos Gesetzgebers bedürfte.

III

t. Der Titel der Initiative («Volksbegehren für die Verkürzung der Arbeitszeit») weist darauf hin, dass es den Initianten hauptsächlich um die Verkürzung der Arbeitszeit geht. Ziffer 3 der Initiative verlangt die Änderung des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914 betreffend die Arbeit in den Fabriken (Fabrikgesetz) und des Bundosgesetzes vom B.März 1920 betreffend die Arbeitszeit beim Betrieb der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten (Arbeitszeitgesetz) sowie den Brlass eines Gesetzes über die Arbeitszeit in Handel und Gewerbe, Die Ziffer 3 des Begehrens stellt lediglich eine Übergangsbestimmung dar, die nach Erlass der entsprechenden Gesetze wieder dahinfallen wurde. Sie kommt im Grunde einer Gesetzesinitiative gleich, die das Bundesstaatsrecht nicht kennt. Die Bevision von Gesetzen kann jederzeit auf dem Wege einer Motion in den eidgenössischen Bäten anbegehrt werden. Eine solche Motion ist von den Bäten bereits am 4./19. Juni 1958 beschlossen worden. Der Bundesrat wurde dadurch beauftragt, die Vorlage für ein allgemeines Arbeitsgesetz nach Möglichkeit zu fördern und «darin für alle dem Gesetz unterstellten Arbeitnehmer eine Regelung der Arbeitszeit vorzusehen, die der wirtschaftlichen Entwicklung entspricht». Diesem Auftrag ist der Bimdesrat mit der Vorlage des Entwurfes zu einem Arbeitsgesetz nachgekommen, die den Katen mit Botschaft vom 80. September 1960 zugegangen ist (BEI 1960 II909). Darin wird die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Bahmen einer umfassenden und in sich zusammenhängenden Ordnung der Arbeits- und Buhezeit geregelt.

Wie wir schon in unserem Bericht vom 13. Dezember 1957 über das Volksbegehren für die 44-Stundenwoche ausführten, halten wir es nicht für gerechtfertigt, die Verfassungsinitiative für ein Bogehren zu verwenden, das sich seinem Gegenstande nach als Gesetzesinitiative darstellt.

2. Nach dem Volksbegehren wären das Fabrikgesetz und das Arbeitszeitgesetz in der Weise zu ändern, dass die normale wöchentliche Arbeitszeit um mindestens vier Stunden verkürzt wird.

In bezug auf die Fabrikbetriebe wurde es sich darum handeln, die Normalarbeitswoche im Sinne von Artikel 40, Absatz l des Fabrikgesetzes von 48 Stunden auf höchstens 44 Stunden herabzusetzen.

Bei den Verkehrsanstalten gehen die Initianten offenbar ebenfalls von einer «normalen wöchentlichen Arbeitszeit» von 48 Stunden aus, die auf höchstens

354 44 Stunden herabgesetzt werden soll. Im Unterschied zum Fabrikgesetz kennt aber das Arbeitszeitgesetz den Begriff der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nicht, sondern setzt die durchschnittliche Dauer der täglichen Arbeitszeit fest, die innerhalb von höchstens 14 Tagen nicht überschritten werden darf. Für die Arbeitnehmer in Verkehrsanstalten müsste somit im Volksbegehren richtigerweise eine Verkürzung der durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit verlangt werden.

Gleichzeitig mit der Verkürzung der normalen ·wöchentlichen Arbeitszeit in Fabrikbetrieben und Verkehrsanstalten soll die Arbeitszeit in Handel und Gewerbe gesetzlich geregelt werden. Die Initiative verzichtet jedoch darauf, die Höchstarbeitszeit generell vorzuschreiben, doch soll die Arbeitszeit der technischen Angestellten und des kaufmännischen Personals in Handel und Gewerbe 44 Stunden nicht überschreiten. Unklar bleibt, ob diese Bestimmung auch gelten würde für die technischen Angestellten und das Büropersonal in Fabrikbetrieben, da diese Arbeitnehmerkategorien dem. Fabrikgesetz nicht unterstehen.

3. In dem bereits erwähnten einlässlichen Bericht vom 13. Dezember 1957 hatten wir zu der seinerzeitigen Landesring-Initiative, die ebenfalls auf die Einführung der 44-Stundenwoche hinzielte, Stellung genommen und die Gründe für die Ablehnung jenes Volksbegehrens dargelegt (BEI 1957II1101). Die Initiative wurde dann auch am 26. Oktober 1958 vom Volk mit 586818 gegen 315790 Stimmen und von 19 Kantonen und 5 Halbkantonen gegen l Halbkanton verworfen.

Über die geschichtliche Entwicklung der Arbeitszeit und die Problematik einer gesetzlichen Arbeitszeitverkürzung haben wir uns in jenem Bericht vom 13.Dezember 1957 ausführlich geäussert. Ferner erörterten wir diese Fragen erneut und zusammenfassend in der Botschaft zum Arbeitsgesetzentwurf vom 30.September 1960 (BB1 1960 II 909 ff., insbesondere S.965). Im übrigen ist dieses Problem den eidgenössischen Bäten aus der Beratung des Arbeitsgesetzes noch in frischer Erinnerung. Zur Zeit besteht eine Differenz zwischen den Beschlüssen der beiden Eäte über die wöchentliche Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte mit Binschluss dos Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels. Dabei geht es darum, ob diese
Höchstarbeitszeit 46 Stunden (Beschluss des Ständerates) oder vorerst zwar ebenfalls 46 Stunden, vom I.Januar 1967 an jedoch 45 Stunden (Beschluss des Nationalrates), betragen soll.

Die Gründe, die gegen die Landesring-Initiative angeführt wurden, gelten grundsätzlich auch für das vorliegende Volksbegehren. Ebenso verhält es sich mit den Einwänden, die in den eidgenössischen Bäten gegen die Festlegung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit auf 45 Stunden im Arbeitsgesetz erhoben wurden. Um so schwerer wiegen diese Einwände gegenüber einer gesetzlichen Verkürzung der Arbeitszeit auf 44 Stunden in der Woche. Im gegenwärtigen Zeitpunkt, wo es darum geht, die Überkonjunktur nach Möglichkeit zu dämpfen,

855 könnte es der Bundesrat nicht verantworten, eine Arbeitszeitverkürzung auf 44 Stunden zu befürworten. Dies stünde auch im Widerspruch zu den Bestrebungen, die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte nicht mehr weiter anwachsen zu lassen, 4. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit kann nicht für sich allein festgesetzt werden, sondern nur im Zusammenhang mit der Arbeits- und Buhezeit, wie dies im Arbeitsgesetz! geschieht. Dazu gehören auch die Begrenzung der Tagesarboit und der Überzeitarbeit, ferner die Begelung der Schichtarbeit und des ununterbrochenen Betriebes sowie weiters Detaiîfragen. Es wäre deshalb unzweckmässig, die Regelung der wöchenthchenHöchstarbeitszeit aus diesem Zusammen hang herauszugreifen und für sich allein zum Gegenstand einer Verfassungsbestimrming zu erheben.

Das Fabrikgesctz sieht bekanntlich eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vor. Doch haben die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in den letzten Jahren auf dem Wege des G-esamtarbeitsvertrages namhafte Arbeitszeitverkürzungen durchgeführt. Die durchschnittliche Arbeitszeit in der Industrie betrug Ende 1959 46,6, Ende 1961 45,7 und im 1. Quartal 1963 45,5 Stunden. Seither ist diese Entwicklung zum Stillstand gekommen. Unter den heutigen Umständen besteht kein Anlass, die Arbeitszeitverkürzung auf gesetzlichem Wege voranzutreiben.

5. Die Initiative lässt die Etage des Lohnausgleichs für die ausfallende Arbeitszeit offen, wohl in der Annahme, dass diese Frage auf vertraglichem Wege gelöst werde. Wenn dieser Weg auch in vielen Fällen zum Ziel führen wird, so könnte doch nicht verhindert werden, dass gewisse Kategorien von Arbeitnehmern einen Lohnausfall erleiden.

IV

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber bereits auf Grund der geltenden Verfassungsbestimmungen befugt ist, die von der Initiative verlangten Vorschriften zu erlassen. Der verfassungsmässige Weg zur Bevision der Gesetze, die Arbeitszeitvorschriften enthalten, ist bereits beschritten worden.

Die wöchentliche Höchstarbeitszeit bildet nur eine Teilfrage, die im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Arbeits- und Buhezeit geregelt werden muss und die nicht zum Gegenstand einer besonderen Verfassungsbestimmung gemacht werden sollte. Die materiellen Gründe, die gegen eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung sprechen, sind aus den Beratungen des Arbeitsgesetzentwurfes hinlänglich bekannt. Nachdem in den eidgenössischen Baten über die Frage, ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit in der Industrie 46 oder 45 Stunden betragen soll, keine Einigung erzielt werden konnte, dürfen sich weitere Erörterungen darüber, ob eine Arbeitszeitverkürzung auf 44 Wochenstunden zur Zeit angemessen und wirtschaftlich tragbar wäre, erübrigen.

356 Aus diesen Überlegungen empfehlen wir Urnen, das Volksbegehren für die Verkürzung der Arbeitszeit Volk und Ständen mit dem Antrag auf Verwerfung und ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten. Der Entwurf zu einem entsprechenden Bundesbeschluss liegt diesem Bericht bei, Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den IT.Februar 1964.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : L. von Moos Der Bundeskanzler : Ch. Oser

357 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

das Volksbegehren für die Verkürzung der Arbeitszeit

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Prüfung des Volksbegehrens vom S.April 1960 für Verkürzung der Arbeitszeit, nach Einsicht in einen Bericht des Bundesrates vom 17. Februar 1964; gestützt auf Artikel 121 ff. der Bundesverfassung und Artikel 27 und 29 des Geschäftsverkehrsgesetzes vom 23.März 19621), beschliesst :

Art. l Das Volksbegehren vom S.April 1960 für die Verkürzung der Arbeitszeit wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

Dieses Volksbegehren lautet wie folgt : «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen auf dem Wege der Volksinitiative (Art. 121 der Bundesverfassung) das Begehren, es sei Artikel 34, Absatz l, der Bundesverfassung, der wie folgt lautet : ,,Der Bund ist befugt, einheitliche Bestimmungen über die Verwendung von Kindern in den Fabriken und über die Dauer der Arbeit erwachsener Personen in denselben aufzustellen. Ebenso ist er berechtigt, Vorschriften zum Schütze der Arbeiter gegen einen die Gesundheit und Sicherheit gefährdenden Gewerbebetrieb zu erlassen", aufzuheben und durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: 1. Der Bund erlässt auf dem "Wege der Gesetzgebung für die Industrie, das Gewerbe und den Handel Vorschriften a. über den Schutz der Arbeitnehmer, insbesondere über die Unfallverhütung und die Arbeitshygiene ; *) AS 1962, 773.

358 6. über besondere Schutzmassnahmen für weibliche und jugendliche Arbeitnehmer; c. über die Arbeits- und Ruhezeit. Bei der Regelung der Arbeits- und Ruhezeit ist neben dem Schutz der Arbeitnehmer auch die Sicherung des Arbeitsplatzes anzustreben; d. über die Ferien.

2. Auf die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden ist in der Gesetzgebung Rücksicht zu nehmen, 3. Das Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken sowie das Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Yerkehrsanstalten sind in der Weise zu ändern, dass spätestens im Jahre 1962 die normale wöchentliche Arbeitszeit um mindestens vier Stunden verkürzt wird. Innert der gleichen Frist ist die Arbeitszeit im Handel und im Gewerbe gesetzlich zu regeln. Dabei darf für technische Angestellte und kaufmännisches Büropersonal die wöchentliche Arbeitszeit 44 Stunden nicht überschreiten.

Nach Verwirklichung der Bestimmungen von Absatz 3 durch die Bundesgesetzgebung fällt dieser dahin. »

Art. 2 Volk und Ständen wird die Verwerfung des Volksbegehrens beantragt.

Art. 3 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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