17.051 Botschaft zur Volksinitiative «Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege (Velo-Initiative)» und zum direkten Gegenentwurf (Bundesbeschluss über die Velowege sowie die Fuss- und Wanderwege) vom 23. August 2017

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege (Velo-Initiative)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen. Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen einen direkten Gegenentwurf zur Initiative (Bundesbeschluss über die Velowege sowie die Fuss- und Wanderwege) mit dem Antrag, diesem Gegenentwurf zuzustimmen und ihn Volk und Ständen gleichzeitig mit der Initiative zu unterbreiten, mit der Empfehlung, dem Gegenentwurf zuzustimmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2017

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Doris Leuthard Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2017-1318

5901

Übersicht Am 1. März 2016 wurde die Volksinitiative «Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege (Velo-Initiative)» eingereicht. Die Initiative möchte den bestehenden Verfassungsartikel über die Fuss- und Wanderwege (Art. 88 BV) mit Bestimmungen über die Velowege ergänzen. Der Bundesrat unterstützt die Forderung, wonach der Bund bei den Velowegen die gleichen Kompetenzen erhalten soll wie bei den Fuss- und Wanderwegen, lehnt aber diejenigen Bestandteile der Initiative ab, die wesentlich darüber hinausgehen. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, die VeloInitiative abzulehnen und ihr einen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen.

Inhalt der Initiative Mit der Velo-Initiative soll der bestehende Verfassungsartikel über die Fuss- und Wanderwege (Art. 88 BV) mit Bestimmungen über die Velowege ergänzt werden.

Vorzüge und Mängel der Initiative Der Veloverkehr kann mithelfen, Verkehrsspitzen und Engpässe beim motorisierten Individualverkehr und beim öffentlichen Verkehr zu reduzieren, den inländischen CO2- und Energieverbrauch zu senken und die Gesundheit zu fördern. Deshalb erachtet der Bundesrat ein stärkeres Engagement im Bereich der Velowege als sinnvoll und zweckmässig. Da Velowege aber in erster Linie Sache der Kantone und Gemeinden sind und dem Bund bei der Wahrnehmung neuer Aufgaben finanzielle und personelle Grenzen gesetzt sind, lehnt der Bundesrat jene Bestandteile der Initiative ab, die über eine einfache Ergänzung von Artikel 88 mit den Velowegen hinausgehen.

Anträge des Bundesrates Der Bundesrat beantragt deshalb den eidgenössischen Räten, die Velo-Initiative Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen.

Er schlägt vor, der Initiative einen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen, der sich im Wesentlichen auf die neue Bundeskompetenz im Bereich Velowege beschränkt. Der Bund soll sich wie bei den Fuss- und Wanderwegen auf eine einfache Grundsatzgesetzgebung und subsidiäre Aufgaben in den Bereichen Vollzugsunterstützung, Koordination und Information beschränken.

Mit diesem direkten Gegenentwurf bringt der Bundesrat zum Ausdruck, dass er: ­

die Gleichstellung der Velowege mit den Fuss- und Wanderwegen aus verkehrspolitischer Sicht als sinnvoll und zweckmässig erachtet;

­

die Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden für Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb der Velowegnetze nicht in Frage stellt, aber auch bei diesen Wegnetzen bereit ist, eine koordinierende und vollzugsunterstützende Aufgabe wahrzunehmen;

5902

­

den Gegenentwurf in enger Anlehnung an die bestehende Verfassungsbestimmung auf das Wesentliche beschränkt.

Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten, dem Gegenentwurf zuzustimmen und ihn Volk und Ständen gleichzeitig mit der Initiative zu unterbreiten mit der Empfehlung, dem Gegenentwurf zuzustimmen.

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege (Velo-Initiative)» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 88

Fuss-, Wander- und Velowege

Der Bund legt Grundsätze über Fuss- und Wanderwegnetze und über Netze für den Alltags- und Freizeit-Veloverkehr fest.

1

Er fördert und koordiniert Massnahmen der Kantone und Dritter zur Anlage und Erhaltung attraktiver und sicherer Netze und zur Kommunikation über diese; dabei wahrt er die Zuständigkeiten der Kantone.

2

Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf solche Netze. Muss er dazugehörende Wege aufheben, so ersetzt er sie.

3

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Velo-Initiative wurde am 17. Februar 2015 von der Bundeskanzlei vorgeprüft 2 und am 1. März 2016 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 15. März 2016 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 105 234 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.3 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu einen direkten Gegenentwurf. Nach Artikel 97 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20024 (ParlG) hat der Bundesrat somit bis zum 1. September 2017 die Beschlussentwürfe und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 1. September 2018 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Diese Frist kann die Bundesversammlung um ein Jahr bis zum 1. September 2019 verlängern, wenn ein Rat über einen direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag Beschluss fasst (Art. 105 ParlG).

1 2 3 4

SR 101 BBl 2015 1819 BBl 2016 1791 SR 171.10

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1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV):

2

a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

Den Initiantinnen und Initianten dient der bestehende Verfassungsartikel zur Förderung der Fuss- und Wanderwege (Art. 88 BV) als Vorbild. Was sich für das Wandern und den Fussverkehr bewährt hat, soll auch dem Veloverkehr in Alltag und Freizeit zum Erfolg verhelfen. Wie bei den Fuss- und Wanderwegen soll der Bund in Zukunft auch für Velowegnetze bundesrechtliche Rahmenbedingungen schaffen, damit in Zukunft in der ganzen Schweiz attraktive und sichere Veloinfrastrukturen angeboten werden.

Mit der Gleichstellung der Velowegnetze mit den Fuss- und Wanderwegnetzen möchten die Initiantinnen und Initianten «der Schweiz eine starke Velokultur geben». Sie sind überzeugt, dass dann «mehr Menschen häufiger Velo fahren» 5. Dies käme nach ihrer Auffassung allen zugute, denn Velofahren sei platzsparend, gesund und umweltfreundlich. Die Schweiz mit ihren grösstenteils kurzen Wegen sei prädestiniert für das Velo.

Die Trägerschaft der Velo-Initiative besteht aus 26 Verbänden und Parteien.6 Neben Verkehrsverbänden gehören dazu auch Organisationen aus dem Gesundheits-, Energie- und Umweltbereich, die sich für eine Verbesserung des Verkehrsangebots zugunsten energiesparender, umweltschonender und gesundheitsfördernder Mobilitätsformen einsetzen.

5 6

Medienmitteilung des Trägervereins der Velo-Initiative vom 1. März 2016, abrufbar unter: www.velo-initiative.ch > Medien > Medienmitteilungen.

Vgl. www.velo-initiative.ch > Komitee > Trägerverein.

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3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Die Velo-Initiative bezweckt eine Stärkung des Veloverkehrs in der Schweiz. Das Hauptziel der Initiative ist die verkehrspolitische Gleichstellung der Velowege mit den Fuss- und Wanderwegen: Der Bund soll bei den Velowegen die gleichen Kompetenzen erhalten, die er heute bei den Fuss- und Wanderwegen hat. Mit der VeloInitiative soll deshalb der bestehende Verfassungsartikel über die Fuss- und Wanderwege (Art. 88 BV) mit Bestimmungen über die Velowege ergänzt werden.

Kantone und Gemeinden sollen, wie sie das heute bereits bei den Fuss- und Wanderwegen tun, ein attraktives und sicheres Velowegnetz planen, erstellen und betreiben. Der Bund soll sie und Dritte dabei ­ unter Wahrung der kantonalen Zuständigkeiten ­ fachlich, koordinierend und finanziell unterstützen. Der Bund soll nicht nur Grundsätze über Fuss- und Wanderwegnetze festlegen, sondern neu auch über Netze für den Alltags- und Freizeitveloverkehr. Zudem soll der Bund Kommunikationsmassnahmen zugunsten dieser Verkehrsformen fördern, koordinieren und ergreifen.

Schliesslich soll der Bund, wie bei den Fuss- und Wanderwegen, verpflichtet werden, bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die kantonalen und kommunalen Veloinfrastrukturen zu nehmen und Velowege zu ersetzen, die er aufheben muss.

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Die vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 88 BV lassen sich am einfachsten mit einem synoptischen Vergleich der aktuellen BV (linke Spalte) mit dem Initiativtext (rechte Spalte) erläutern.

Art. 88 Fuss- und Wanderwege ( aktuelle Bundesverfassung)

Art. 88 Fuss-, Wander- und Velowege ( Initiativtext)

1

Der Bund legt Grundsätze über Fuss- und Wanderwegnetze fest.

1

2

Er kann Massnahmen der Kantone zur Anlage und Erhaltung solcher Netze unterstützen und koordinieren.

2

3

3

Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf Fuss- und Wanderwegnetze und ersetzt Wege, die er aufheben muss.

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Der Bund legt Grundsätze über Fuss- und Wanderwegnetze und über Netze für den Alltags- und Freizeit-Veloverkehr fest.

Er fördert und koordiniert Massnahmen der Kantone und Dritter zur Anlage und Erhaltung attraktiver und sicherer Netze und zur Kommunikation über diese; dabei wahrt er die Zuständigkeiten der Kantone.

Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf solche Netze. Muss er dazugehörende Wege aufheben, so ersetzt er sie.

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3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Art. 88 Abs. 1 BV Die bestehende Kompetenz des Bundes zum Erlass einer Grundsatzgesetzgebung für Fusswegnetze (Alltagsnetz) und Wanderwegnetze (Freizeitnetz) soll auf Velowegnetze für den Alltags- und Freizeitverkehr ausgedehnt werden.

Mit einer Grundsatzgesetzgebungskompetenz wird der Bund ermächtigt, im Interesse einer minimalen Harmonisierung und Koordination Sachverhalte von gesamtschweizerischem Interesse in ihren Grundzügen zu regeln. Die Konkretisierung bleibt weiterhin den Kantonen vorbehalten. Damit soll trotz kantonaler Verschiedenheiten die Wahrung gesamtschweizerischer Interessen sichergestellt werden. 7 Art. 88 Abs. 2 BV Die bestehende Kann-Formulierung (Förderkompetenz) wird im Initiativtext durch eine Muss-Formulierung (Förderpflicht) ersetzt. Neben kantonalen Massnahmen müssen auch «Massnahmen Dritter» gefördert und koordiniert werden. Gemeint sind damit in erster Linie Massnahmen privater Fachorganisationen von gesamtschweizerischer Bedeutung, die im Auftrag des Bundes ausgewählte Bundesaufgaben erfüllen oder bei deren Erfüllung mitwirken. Der Initiativtext verankert ausserdem zwei zentrale Qualitätsziele für die Wegnetze des Langsamverkehrs («attraktiv und sicher»).

Mit der Verankerung des Begriffs «Kommunikation» erhält Absatz 2 ein neues Handlungsfeld für alle Langsamverkehrsnetze. Neben reinen Fachinformationen fallen nach Aussagen der Initiantinnen und Initianten darunter auch Sensibilisierungs- und Motivationskampagnen, die bei der Bevölkerung Verhaltensänderungen in Richtung mehr Zufussgehen und Velofahren bewirken.8 Mit dem eingefügten Zuständigkeitsvorbehalt zugunsten der Kantone (letzter Teilsatz) unterstützt der Initiativtext die bestehende föderalistische Aufgabenteilung bei Planung, Bau, Betrieb und Unterhalt der Wegnetze des Langsamverkehrs.

Art. 88 Abs. 3 BV Mit dieser Ergänzung soll der Bund ­ wie bei den Fuss- und Wanderwegen ­ verpflichtet werden, bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die kantonalen und kommunalen Velonetze zu nehmen und Velowege zu ersetzen, die er aufheben muss.

7

8

Keller, Helen/Hauser, Matthias (2006): Verfassungsgrundlagen des Langsamverkehrs, Teil 1, Bundesamt für Strassen (ASTRA) (Hrsg.), Materialien Langsamverkehr Nr. 111, Bern, Nr. 20­24, abrufbar unter: www.astra.admin.ch > Themen > Langsamverkehr > Grundlagen mit strategischer Bedeutung.

Medienmitteilung Pro Velo Schweiz vom 8. Nov. 2014 zur Lancierung der Velo-Initiative, abrufbar unter: www.pro-velo.ch > Medien > Medienmitteilungen > Archiv.

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4

Würdigung der Initiative

4.1

Vorzüge und Mängel der Initiative

4.1.1

Vorzüge der Initiative

Übereinstimmung mit den verkehrspolitischen Zielen des Bundesrates Die zentrale Stossrichtung der Volksinitiative entspricht den verkehrspolitischen Zielen des Bundesrates, der dem Langsamverkehr eine wichtige Rolle für die Brechung der Verkehrsspitzen beim öffentlichen und beim individuellen motorisierten Verkehr beimisst9. Fast jede zweite Autofahrt und nahezu 80 Prozent aller Bus- und Tramfahrten sind kürzer als 5 Kilometer. Es besteht somit Entlastungspotenzial durch den Langsamverkehr, dessen Stärken «im Kurzstreckenbereich bis etwa 15 Minuten Unterwegszeit liegen, also zu Fuss bis 1 Kilometer, mit dem Velo bis etwa 5 Kilometer und mit dem E-Bike bis etwa 7 Kilometer»10.

Die Stossrichtung der Volksinitiative steht ebenfalls in Einklang mit den Bestrebungen des Bundesrates zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Strassenverkehr, insbesondere beim Veloverkehr. Sorgfältig projektierte und gebaute Velowegnetze können einen wichtigen Beitrag zur Reduktion und Behebung von Unfallschwerpunkten und Gefahrenstellen leisten.

Die wichtige Rolle des Velos im Gesamtverkehrssystem widerspiegelt sich auch in den zahlreichen Anstrengungen und Massnahmen, die nahezu alle Städte, Agglomerationen und Kantone im Rahmen der Agglomerationsprogramme unternehmen, um die Sicherheit und die Attraktivität des Veloverkehrs zu stärken. Gemäss einer Zusammenstellung11 des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) flossen bis heute gestützt auf Artikel 7 Absatz 5 des Infrastrukturfondsgesetzes vom 6. Oktober 200612 rund 15 Prozent der Bundesbeiträge zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur in Agglomerationen in Infrastrukturprojekte zur Verbesserung des Langsamverkehrs.

Auch auf internationaler Ebene gewinnt das Velo als Verkehrsmittel und als Freizeitaktivität laufend an Bedeutung. Beispiele dafür sind die «Declaration on Cycling as a climate friendly Transport Mode» im Rahmen der EU-Verkehrsratssitzung vom 7. Oktober 201513 und die Verabschiedung nationaler Masterpläne für den Velo-

9

10 11

12 13

Schweizerischer Bundesrat: Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019 vom 27. Jan.

2016, S. 21, Ziel 2.7, abrufbar unter: www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Strategie Nachhaltige Entwicklung.

Auszug Antwort des Bundesrates auf die Interpellation 13.4213 Fischer «Ist die Förderung des Langsamverkehrs Teil der Energiestrategie 2050?».

Faktenblatt «Stärkung des Agglomerationsverkehrs» vom 12. Dez. 2016 zum Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF), Tab. S. 3, abrufbar unter: www.astra.admin.ch > Themen > Strassenfinanzierung > Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) > Faktenblätter.

SR 725.13 Declaration on Cycling as a climate friendly Transport Mode, Informal Meeting of EU ministers for Transport, Luxemburg, 7. Okt. 2015, abrufbar unter: www.ec.europa.eu > Deutsch > Politikfelder, Informationen und Dienste > Strategie > Verkehr > Verkehrsthemen > Cycling.

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verkehr in europäischen Ländern (z. B. Deutschland: Nationaler Radverkehrsplan 202014; Österreich: Masterplan Radfahren 2015­202515).

Unterstützung der Erreichung wichtiger anderer Bundesziele Die Aufwertung des Veloverkehrs kann nicht nur einen Beitrag zur Entlastung der Verkehrsinfrastrukturen des motorisierten Individualverkehrs und des öffentlichen Verkehrs leisten. Eine Vergrösserung seines Verkehrsanteils leistet auch namhafte Beiträge zur Erreichung anderer Ziele des Bundesrates, wie beispielsweise: ­ Reduktion des inländischen Energieverbrauchs und der CO2-Emissionen Der Verkehrssektor war 2015 für 36,4 Prozent des schweizerischen Energieverbrauchs16 und für 32,1 Prozent der schweizerischen Treibhausgasemissionen 17 verantwortlich. Der motorisierte Strassen-Personenverkehr ist dabei für rund 70 Prozent des Energieverbrauchs des Verkehrssektors verantwortlich.18 Je nach gesellschaftlichen und verkehrspolitischen Rahmenbedingungen können durch den Ersatz von kurzen Autofahrten rund 1­3 Prozent der Verkehrsleistung des motorisierten Individualverkehrs auf den Langsamverkehr verlagert werden. 19 Damit ergeben sich entsprechende Einsparungen beim schweizerischen Energieverbrauch und bei den CO2-Emissionen.

­ Stärkung eines nachhaltigen Freizeit- und Tourismusangebotes Velofahren zählt heute zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten in der Schweiz. Velotouren der Schweizer Bevölkerung generieren einen Umsatz von 2,7 Milliarden Franken pro Jahr und sind ein wichtiger Pfeiler für den Sommertourismus; der Umsatz ausländischer Gäste wird auf 67 Millionen Franken pro Jahr geschätzt 20.

­ Erhöhung der Alltagsbewegung zur Förderung der Gesundheit Zu Fuss und mit dem Velo lässt sich ein Teil der Alltagsmobilität mit einem gesundheitsförderlichen Mass an Bewegung kombinieren. Die Nationale Strategie zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie), die der Bundesrat und die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direk14 15 16 17

18

19

20

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2012): Nationaler Radverkehrsplan 2020, Berlin.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft (2015): Masterplan Radfahren 2015­2025, Wien.

Bundesamt für Energie: Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2015, S. 4, Fig. 3, abrufbar unter: www.bfe.admin.ch > Themen > Energiestatistiken > Gesamtenergiestatistik.

Bundesamt für Umwelt (2017): Emissionen von Treibhausgasen nach revidiertem CO 2Gesetz und Kyoto-Protokoll, 2. Verpflichtungsperiode (2013­2020), Version Juli 2017, S. 18, Abb. 7, abrufbar unter: www.bafu.admin.ch > Themen > Klima > Daten, Indikatoren und Karten > Daten > Treibhausgasinventar.

Bundesamt für Energie (2016): Analyse des schweizerischen Energieverbrauchs 2000­2015 nach Verwendungszwecken, S. 73, Abb. 4­12, abrufbar unter: www.bfe.admin.ch > Themen > Energiestatistiken > Energieverbrauch nach Verwendungszweck.

ASTRA/Infras (2005): CO2-Potenzial des Langsamverkehrs. Verlagerung von kurzen MIV-Fahrten, Bern, abrufbar unter: www.astra.admin.ch > Themen > Langsamverkehr > Grundlagen mit strategischer Bedeutung.

ASTRA/Schweiz Mobil (2015): Velofahren in der Schweiz 2014, Bern, S. 73, abrufbar unter: www.astra.admin.ch > Themen > Langsamverkehr > Materialien.

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toren (GDK) am 6. April 2016 verabschiedet haben21, integriert deshalb diesen Ansatz als wichtige Präventionsmassnahme. Flächendeckende, attraktive und sichere Wegnetze für den Fuss- und Veloverkehr sind eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung dieses Teils der bundesrätlichen Strategie.

Beachtung der bestehenden Aufgabenteilung Mit dem in Absatz 2 verankerten Zuständigkeitsvorbehalt zugunsten der Kantone bringt die Initiative zum Ausdruck, dass sie die bestehende föderalistische Aufgabenteilung bei Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb der Langsamverkehrs-Wegnetze bewahren und weiterführen will. Die Initiative will lediglich, unter Beachtung des seit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) in der Bundesverfassung verankerten Subsidiaritätsprinzips22, dass der Bund in Zukunft analog zu den Bestimmungen über Fuss- und Wanderwegnetze auch Grundsätze über Velowegnetze festlegt und die Kantone fachlich, koordinierend und nötigenfalls finanziell beim Vollzug unterstützt.

Berücksichtigung früherer politischer Bestrebungen Die Velo-Initiative verlangt mehr oder weniger das, was der Nationalrat bereits 1977 in seinem Gegenentwurf zur Volksinitiative «zur Förderung der Fuss- und Wanderwege» vorgeschlagen hatte. Der Nationalrat wollte die Velowege bereits damals im Verfassungstext verankern, konnte sich im Differenzbereinigungsverfahren mit dem Ständerat aber nicht einigen.23 Am 18. Februar 1979 wurde der Fuss- und Wanderwegartikel (ohne Velowege) mit einem Ja-Anteil von rund 78 Prozent und den Stimmen aller Stände mit Ausnahme des Kantons Wallis angenommen. 24 Heute ­ rund 40 Jahre später ­ hat der Veloverkehr in der Schweiz und im Ausland weiter an Bedeutung gewonnen, insbesondere bei Bewältigung der zunehmenden Verkehrsprobleme in den Städten und Agglomerationen.

4.1.2

Mängel der Initiative

In der Velo-Initiative wenig überzeugend gelöst sind die Regulierungsanliegen, die über einfache Ergänzungen der heutigen Regelung bei den Fuss- und Wanderwegen hinausgehen.

21

22 23 24

Bundesamt für Gesundheit/GDK (2016): Nationale Strategie Prävention nichtübertragbarer Krankheiten (NCD-Strategie) 2017­2024, S. 27 und 47, abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Strategien & Politik > Nationale Gesundheitsstrategien > NCD-Strategie.

Art. 5a und 43a Abs. 1 BV Vgl. Amtliches Bulletin 1978 IV 816 BBl 1979 II 8

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Pflicht des Bundes zur Unterstützung und Koordination von Massnahmen der Kantone und Dritter Der Initiativtext ersetzt die in Artikel 88 Absatz 2 BV bestehende Kann-Formulierung (Unterstützungskompetenz) durch eine den Bund verpflichtende Muss-Formulierung (Unterstützungspflicht). Diese Änderung nimmt dem Gesetzgeber bei der Gestaltung der Ausführungsgesetzgebung den bestehenden Handlungsspielraum und ist aus finanzpolitischen Gründen unerwünscht. Zudem würde die neue Regelung nicht nur für Velowege, sondern auch für Fuss- und Wanderwege gelten.

Kompetenz für verhaltenslenkende Kommunikationsmassnahmen Ebenso über die bisherige Regelung bei den Fuss- und Wanderwegen hinaus geht die Forderung der Initiative nach verhaltenslenkenden Kommunikationsmassnahmen (s. Ziff. 3.3). Diese sollen gemäss Initiativtext zudem nicht nur für Velo-, sondern auch für Fuss- und Wanderwege gelten. Bundesregelungen in anderen Sachbereichen beschränken sich in der Regel auf die Beschaffung und Verbreitung von fachlichen Informationen.

Qualitätsziele Sicherheit und Attraktivität Die Verankerung der beiden Qualitätsziele «sicher und attraktiv» soll nicht nur für Velowegnetze, sondern neu auch für die Fuss- und Wanderwegnetze gelten. Vor dem Hintergrund, dass solche Qualitätsmerkmale in keiner anderen Verfassungsbestimmung über Verkehrsträger und -infrastrukturen verankert sind (vgl. Art. 82­87 BV), geht diese Forderung der Initiative zu weit.

4.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Aufgrund der Initiative ergeben sich keine Konflikte mit dem Völkerrecht im Allgemeinen, dem Landverkehrsabkommen25 oder anderen internationalen Vereinbarungen im Bereich Verkehr oder Verkehrsinfrastrukturen.

5

Schlussfolgerungen

Die obigen Ausführungen zeigen, dass die Stossrichtung der Volksinitiative ­ die Integration des Veloverkehrs auf Verfassungsebene ­ mit den verkehrspolitischen Grundsätzen des Bundes einhergeht und einen positiven Beitrag zur Erreichung weiterer bundesrätlicher Ziele leistet. Ein stärkeres koordinierendes und vollzugsunterstützendes Engagement des Bundes im Bereich der Velowege ist daher grundsätzlich sinnvoll und zweckmässig.

25

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse, SR 0.740.72.

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Gleichzeitig muss der Bund jedoch darauf achten, dass er seine finanziellen und personellen Verpflichtungen bei der verfassungsmässigen Verankerung der Velowege stufengerecht begrenzt. Die Textelemente der Initiative, die über einfache Ergänzungen des heutigen Verfassungsartikels mit den Velowegen hinausgehen, stehen nicht im Einklang mit diesem Grundsatz. Zu diesen Bestimmungen gehören die Kompetenz und die Verpflichtung zur verhaltenslenkenden Kommunikation, die Umwandlung der Kann- in eine Muss-Formulierung sowie die Ergänzung der Netzanforderungen mit den Qualitätszielen «attraktiv und sicher».

Basierend auf dieser Sachlage empfiehlt der Bundesrat, die Velo-Initiative abzulehnen und ihr einen direkten Gegenentwurf gegenüberzustellen, der sich im Wesentlichen auf die verkehrspolitische Gleichstellung der Velowege mit den Fuss- und Wanderwegen beschränkt.

Mit einem indirekten Gegenvorschlag (Gesetzesvorlage) lässt sich im vorliegenden Fall das Hauptziel der Initiative, die verkehrspolitische Gleichstellung der Veloinfrastrukturen mit den Infrastrukturen des Fussverkehrs und des Wanderns, nicht erreichen. Eine solche Gesetzesvorlage könnte sich im Wesentlichen nur auf die bestehenden Verfassungsgrundlagen in den Bereichen Strassenverkehr (Art. 82 BV), Nationalstrassen (Art. 83 BV) oder Raumplanung (Art. 75 BV) stützen und müsste zwangsläufig Stückwerk bleiben. Eine dem Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 26 über Fuss- und Wanderwege (FWG) gleichwertige Bundesregelung für das Velo und dessen Infrastrukturen ist nur mit einer Verfassungsergänzung in Artikel 88 BV möglich.

6

Direkter Gegenentwurf

6.1

Grundzüge des direkten Gegenentwurfs

6.1.1

Die vorgeschlagene Lösung

Kernelement des Gegenentwurfs zur Volksinitiative ist die verkehrspolitisch motivierte Gleichstellung der Velowege mit den Fuss- und Wanderwegen in Artikel 88 der Bundesverfassung.

Der Gegenentwurf passt den Titel dem neuen Regelungsinhalt an und erweitert den Geltungsbereich der drei Absätze von Artikel 88 BV durch Aufnahme der Velowege und Velowegnetze in den Verfassungstext. Ebenfalls im Gegenentwurf verankert wird die Möglichkeit des Bundes zur Unterstützung und Koordination von Massnahmen Dritter sowie von Massnahmen zur Information über die Netze (s. Details in Ziff. 6.2). Ausserdem hält der Gegenentwurf fest, dass der Bund bei allen Massnahmen die Zuständigkeit der Kantone wahrt.

Darüber hinaus lehnt sich der Gegenentwurf eng an den bestehenden Verfassungstext über die Fuss- und Wanderwege an. So verzichtet er in Absatz 1 auf die im Initiativtext verankerte Differenzierung in Velowegnetze für den Alltags- und Freizeitveloverkehr, belässt es in Absatz 2 bei der heute geltenden Kann-Formulierung 26

SR 704

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und verzichtet auf die Übernahme der von der Initiative vorgeschlagenen Qualitätsziele «sicher und attraktiv».

In der nachfolgenden Tabelle werden die mit dem Gegenentwurf vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 88 BV (rechte Spalte) aufgelistet und der aktuellen Bundesverfassung (linke Spalte) gegenübergestellt.

Art. 88 Fuss- und Wanderwege ( aktuelle Bundesverfassung)

Art. 88 Fuss-, Wander- und Velowege ( direkter Gegenentwurf des Bundesrates)

1

Der Bund legt Grundsätze über Fuss- und Wanderwegnetze fest.

1

2

Er kann Massnahmen der Kantone zur Anlage und Erhaltung solcher Netze unterstützen und koordinieren.

2

3

3

Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf Fuss- und Wanderwegnetze und ersetzt Wege, die er aufheben muss.

Der Bund legt Grundsätze über Fuss-, Wander- und Velowegnetze fest.

Er kann Massnahmen der Kantone und Dritter zur Anlage und Erhaltung solcher Netze sowie zur Information über diese unterstützen und koordinieren. Dabei wahrt er die Zuständigkeiten der Kantone.

Er nimmt bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf solche Netze. Er ersetzt Wege, die er aufheben muss.

Die Erarbeitung der Gesetzesvorlage zur Konkretisierung der Verfassungsbestimmung erfolgt nach der Volksabstimmung. Für die Umsetzung des ergänzten Artikels stehen grundsätzlich zwei Wege offen: eine Totalrevision des bestehenden FWG mit Integration der Veloverkehrsanliegen oder die Erarbeitung eines neuen Bundesgesetzes über Velowege. Inhaltlich dürfte sich die Ausführungsgesetzgebung für den Bereich der Velowege und Velowegnetze bei beiden Varianten an der Gesetzgebung im Bereich der Fuss- und Wanderwege orientieren.

6.1.2

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Zu einem Vorentwurf des Gegenentwurfs wurde 2016 eine Vernehmlassung durchgeführt. Im Rahmen der Vernehmlassung gingen 74 Stellungnahmen ein27. Es beteiligten sich alle 26 Kantone, die Konferenz der kantonalen Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren sowie acht der in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien. Hinzu kamen die Stellungnahmen der drei gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, von drei gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft sowie von 29 Organisationen, vorab aus den Gebieten Verkehr, Gesundheit, Tourismus, Energie und Umwelt. Zudem äusserten sich zwei eidgenössische Fachkommissionen und eine Privatperson.

27

Die einzelnen Stellungnahmen und der zusammenfassende Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung sind unter folgender Adresse abrufbar: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2016 > UVEK.

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Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung zeigen, dass die Stossrichtung und die Grundzüge des zur Diskussion gestellten Gegenentwurfs insgesamt breite Unterstützung geniessen.

Hervorzuheben ist insbesondere die nahezu ungeteilte Zustimmung zur Aufwertung des Veloverkehrs im Gesamtverkehrssystem. Die Vernehmlassungsergebnisse zeigen aber auch, dass der Verfassungstext redaktionell noch vereinfacht werden und sich insbesondere enger am heutigen Artikel 88 BV über die Fuss- und Wanderwege ausrichten soll. Die Kantone und die Dachverbände der Gemeinden und Städte stehen praktisch geschlossen hinter der Stossrichtung des Gegenentwurfs. Auch die grosse Mehrheit der Organisationen unterstützt die Vorlage. Bei den politischen Parteien und den Dachverbänden der Wirtschaft halten sich Zustimmung und Ablehnung in etwa die Waage.

Die Kantone, Städte und Gemeinden wären von der verkehrspolitischen Gleichstellung der Velowege mit den Fuss- und Wanderwegen und der damit verbundenen Kompetenzverschiebung am meisten betroffen. Entsprechend hoch zu gewichten ist ihre nahezu einstimmige Unterstützung der Vorlage. Diese Staatsebenen begrüssen ausdrücklich, dass der Bund in Zukunft auch bei den Velowegen gesamtschweizerische Grundlagen bereitstellen sowie subsidiär koordinierend und nötigenfalls unterstützend tätig werden soll. Vor diesem Hintergrund gewichtet der Bundesrat einzelne föderalismuspolitische Bedenken gegen die Verankerung der Velowege in der Bundesverfassung weniger hoch.

Der Bundesrat hat den direkten Gegenentwurf aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse überarbeitet. Der vorliegend vorgeschlagene Verfassungstext steht in allen Punkten mit den Ergebnissen der Vernehmlassung in Einklang. Das gilt namentlich für: ­

die Bundeskompetenz zum Erlass von Grundsätzen für Velowegnetze (Abs. 1);

­

die Beibehaltung der Kann-Formulierung (Abs. 2);

­

den Verzicht auf die Qualitätsziele «sicher und attraktiv» (Abs. 2);

­

die Möglichkeit des Bundes zur Information sowie zur Unterstützung und Koordination von Massnahmen der Kantone und Dritter (Abs. 2);

­

die Verankerung eines ausdrücklichen Zuständigkeitsvorbehalts zugunsten der Kantone (Abs. 2);

­

die Verankerung der Pflicht des Bundes zur Rücksichtnahme auf kantonale und kommunale Wegnetze, einschliesslich Ersatzpflicht (Abs. 3).

6.2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des direkten Gegenentwurfs

Sachüberschrift von Art. 88 BV Die Verankerung der Velowege und Velowegnetze im Gegenentwurf erfordert eine entsprechende Anpassung der heutigen Sachüberschrift von Artikel 88 BV.

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Art. 88 Abs. 1 BV Im Gegenentwurf wird die bestehende Kompetenz des Bundes zum Erlass einer Grundsatzgesetzgebung über Fuss- und Wanderwegnetze auf Velowegnetze ausgedehnt.

Im Rahmen einer Grundsatzgesetzgebungskompetenz ist der Bund im Interesse einer minimalen Harmonisierung und Koordination ermächtigt, Sachverhalte von gesamtschweizerischem Interesse in ihren Grundzügen zu regeln. Die detaillierte Regelung und deren Vollzug bleiben dabei den Kantonen vorbehalten. In Analogie zur Gesetzgebung über die Fuss- und Wanderwege wird der Bund in der Ausführungsgesetzgebung über die Velowege somit ebenfalls nur minimale Anforderungen und Standards formulieren, über die die Kantone und Gemeinden entsprechend ihren Wünschen hinausgehen können.

Abweichend von der Initiative und der Vernehmlassungsvorlage unterscheidet der Gegenentwurf im Verfassungstext nicht mehr zwischen den Wegnetzen für den Alltags- und Freizeitveloverkehr. Entsprechend der Vernehmlassung soll die Aufschlüsselung und Konkretisierung der Netzkategorien sowie weiterer Elemente der Velowegnetzinfrastruktur, wie bei anderen Verfassungsbegriffen, erst im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung erfolgen.

Art. 88 Abs. 2 BV Der Gegenentwurf des Bundesrates verwirft die im Initiativtext verankerte, den Bund verpflichtende Formulierung zur Förderung und Koordination von Massnahmen und belässt es bei der heutigen Kann-Formulierung. Diese bewahrt dem Bund bei der Ausführungsgesetzgebung und Budgetierung die notwendigen Spielräume. Vor dem Hintergrund der bestehenden Gesetzgebung im Bereich der Fuss- und Wanderwege ist davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber von dieser Verfassungskompetenz ­ abgesehen von einer analogen Erweiterung auf das Handlungsfeld Velo ­ nur zurückhaltend Gebrauch machen wird.

Ergänzend ermöglicht der Gegenentwurf dem Bund die Koordination und Unterstützung von Massnahmen Dritter. Diese aus der Initiative übernommene Kompetenz nimmt Bezug auf eine Regelung, die bis zur Totalrevision der BV in Artikel 37quater Absatz 4 der alten Bundesverfassung verankert war, aus redaktionellen Gründen zur Straffung des Verfassungstextes aber weggelassen wurde28. Gemeint sind damit in erster Linie Massnahmen privater Fachorganisationen, die im Auftrag der öffentlichen Hand ausgewählte Aufgaben erfüllen oder bei deren Erfüllung mitwirken. Eine
Regelung für private Fachorganisationen im Bereich Fussverkehr und Wandern existiert beispielsweise in den Artikeln 8 und 12 FWG. Solche Organisationen sind die Vereine Schweizer Wanderwege und Fussverkehr Schweiz oder die Stiftung Schweiz Mobil. Zu den Aufgaben der Fachorganisationen gehören die Erarbeitung und die Bereitstellung von Arbeits- und Vollzugshilfen oder anderen Vollzugswerkzeugen wie geodatenbasierten Applikationen zur Planung und Verwaltung der verschiedenen Wegnetze sowie die Erledigung von Aufgaben in den Bereichen Information, Fachausbildung, Monitoring und Evaluation. Diese Form der Zusam28

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menarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten Fachorganisationen hat sich im Bereich der Fuss- und Wanderwege bewährt und erlaubt eine effiziente, kostengünstige und qualitativ hochwertige Aufgabenerfüllung.

Der Gegenentwurf des Bundesrates verwirft die von der Initiative vorgeschlagene Ergänzung mit der Formulierung «Kommunikation» und ersetzt ihn durch den weniger weit gehenden Begriff der «Information». Der Bund beschränkt damit bei diesem Handlungsfeld seine Unterstützungs- und Koordinationskompetenz auf die Beschaffung, die Bereitstellung und die Verbreitung allgemeiner Fachinformationen über die Wegnetze des Langsamverkehrs. Diese Kompetenz im Bereich Information geht weiter als der in Artikel 180 Absatz 2 BV verankerte generelle Informationsauftrag des Bundes, der dem Bundesrat und der Bundesverwaltung lediglich die Kompetenz einräumt, über die eigenen Aktivitäten zu informieren. Von der Beschränkung auf allgemeine Fachinformationen nicht berührt sind Informations- und Kommunikationsmassnahmen, die gestützt auf andere Rechtsgrundlagen erfolgen, z. B. im Rahmen der Gesetzgebungen über Energie, Umwelt, Gesundheit oder Tourismusförderung.

Vor dem Hintergrund des Vernehmlassungsergebnisses enthält der Gegenentwurf des Bundesrates im Verfassungstext einen Zuständigkeitsvorbehalt zugunsten der Kantone (zweiter Satz). Obwohl ein solcher Vorbehalt im vorliegenden Zusammenhang lediglich deklaratorische Wirkung hat, bringt der Verfassungstext zum Ausdruck, dass er die bestehende föderalistische Aufgabenteilung bei Planung, Bau und Unterhalt der Langsamverkehrs-Wegnetze bewahrt und weiterführt.

Art. 88 Abs. 3 BV Mit dieser Anpassung wird der Bund verpflichtet, bei der Erfüllung seiner Aufgaben (z. B. bei Projektierung und Planung seiner Bundesinfrastrukturvorhaben) auf die kantonalen und kommunalen Velowegnetze Rücksicht zu nehmen und Velowege zu ersetzen, die er aufheben muss. Eine identische Verpflichtung besteht heute bereits bei den Fuss- und Wanderwegen.

Die Kantone und Gemeinden erhalten damit auch im Bereich der Velowege eine verbindliche Zusicherung, dass der Bund bei der Erfüllung seiner (nationalen) Aufgaben die Anliegen und Bedürfnisse der kantonalen und kommunalen Wegnetze des Langsamverkehr berücksichtigt und bei Bedarf einen gleichwertigen Ersatz erstellt bzw. finanziert.

6.3

Auswirkungen des direkten Gegenentwurfs

6.3.1

Personelle und finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Die Verankerung der Velowege in Artikel 88 BV hat ­ wie jede neue Bundesaufgabe ­ finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Eine detaillierte Zusammenstellung aller finanziellen und personellen Auswirkungen kann erst bei Vorliegen der Ausführungsgesetzgebung vorgenommen werden. Erst darin wird im Einzelnen festgelegt werden, welche konkreten Aufgaben dem Bund 5916

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und den Kantonen im Bereich Velowege übertragen werden und wie gross die zu deren Erfüllung benötigten personellen und finanziellen Ressourcen sind.

Vor dem Hintergrund der im Gegenentwurf verankerten Gleichstellung der Velo-, Fuss- und Wanderweganliegen ist aber bereits heute eine plausible Abschätzung des Aufwands möglich. Im seit knapp 40 Jahren in der Bundesverfassung verankerten Bereich der Fuss- und Wanderwege nimmt der Bund seine koordinierenden, vollzugsunterstützenden und Grundlagen schaffenden Aufgaben mit einem Aufwand von rund 1,8 Millionen Franken pro Jahr und 2,5 Vollzeitstellen wahr. Analog dazu dürfte dem Bund bei einer gleichartigen Umsetzung der neuen Bestimmungen über den Veloverkehr insgesamt etwa der gleiche finanzielle und personelle Aufwand entstehen. Da das Bundesamt für Strassen (ASTRA) im Rahmen seiner weniger weit reichenden Rechtsgrundlagen bereits mit einer Vollzeitstelle und rund 700 000 Franken pro Jahr Aktivitäten im Bereich Veloverkehr ausführt und unterstützt, beliefe sich der neu hinzukommende Netto-Aufwand auf rund 1,1 Millionen Franken pro Jahr und etwa 1,5 Vollzeitstellen. Die dafür notwendigen finanziellen und personellen Mittel müssen innerhalb des Budgets des ASTRA aufgefangen werden.

Die Konsequenzen daraus lassen sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschliessend einschätzen. Die Inkraftsetzung der Ausführungsgesetzgebung wird erst dann möglich sein, wenn die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen vorhanden sind.

6.3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb der Velowegnetze und anderer Veloinfrastrukturen bleiben auch nach Annahme der geänderten Verfassungsbestimmung grundsätzlich Sache der Kantone und Gemeinden. Auch die Ausführungsgesetzgebung wird deshalb den Kantonen und Gemeinden keine grundsätzlich neuen Aufgaben übertragen. Die gesetzliche Regelung dürfte sich vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips (s. Ziff. 6.4.5) und in Analogie zur Fuss- und Wanderweggesetzgebung auf wenige gesamtschweizerische Grundsätze beschränken, andererseits die Kantone und Gemeinden aber auch entlasten, indem sie sie bei ihren Arbeiten fachlich und koordinierend unterstützt.

Die konkreten planerischen, organisatorischen und finanziellen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden können zurzeit nur anhand der Folgen abgeschätzt werden, die die Umsetzung des FWG mit sich brachte. Im FWG werden die Kantone insbesondere verpflichtet, die Fuss- und Wanderwege in Plänen festzuhalten sowie eine Fachstelle für Fuss- und Wanderwege zu bezeichnen.

Es ist davon auszugehen, dass bei einer Verankerung der Velowege in Artikel 88 BV ähnliche Pflichten in der Ausführungsgesetzgebung über die Velowege formuliert würden. Bereits heute halten bis auf eine Ausnahme alle Kantone ihre Velowegnetze in Plänen fest und 23 von 26 Kantonen haben auch Fachstellen für den Veloverkehr bezeichnet, häufig kombiniert mit den Fachstellen für den Fussverkehr.

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Auch nach Erlass einer Grundsatzgesetzgebung über Velowege (s. Ziff. 6.1.1) entstünden also bei einem Grossteil der Kantone kaum neue Aufgaben und finanzielle Aufwände. Der Bund würde sie aber subsidiär bei ihren Aufgaben in den Bereichen Vollzug, Koordination und Information unterstützen.

6.3.3

Auswirkungen auf Volkswirtschaft, Umwelt und Gesellschaft

Die Aufwertung des Veloverkehrs im Gesamtverkehrssystem entspricht den verkehrspolitischen Zielen des Bundesrats und unterstützt die Erreichung wichtiger anderer Bundesziele (s. Ziff. 4.1.1). Langsamverkehr ist nahezu CO 2- und emissionsfrei, siedlungsverträglich, ressourcenschonend, energieeffizient, kostengünstig, gesund und für alle ohne grosse Einschränkungen rund um die Uhr verfügbar. Seine Auswirkungen auf Volkswirtschaft, Umwelt und Gesellschaft sind insgesamt nachhaltig. Auch für die öffentliche Hand weisen Investitionen in Wegnetze und andere Infrastrukturen des Langsamverkehrs eine hohe Kosteneffizienz aus. 29

6.4

Rechtliche Aspekte

6.4.1

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 139 Absatz 5 BV kann die Bundesversammlung einer Volksinitiative einen Gegenentwurf gegenüberstellen.

Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung einen direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Zur Förderung der Velo-, Fuss- und Wanderwege (Velo-Initiative)» mit dem Antrag, diesem Gegenentwurf zuzustimmen und ihn Volk und Ständen gleichzeitig mit der Initiative zu unterbreiten mit der Empfehlung, dem Gegenentwurf zuzustimmen. Sofern die Volksinitiative nicht zurückgezogen wird, wird der Gegenentwurf zusammen mit der Volksinitiative nach dem Verfahren gemäss Artikel 139b BV Volk und Ständen zur Abstimmung unterbreitet.

6.4.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Aufgrund des Gegenentwurfs ergeben sich keine Konflikte mit dem Völkerrecht im Allgemeinen, dem Landverkehrsabkommen oder anderen internationalen Vereinbarungen im Bereich Verkehr oder Verkehrsinfrastrukturen.

29

ASTRA/Infras (2003): Effizienz von öffentlichen Investitionen in den Langsamverkehr, Bern, abrufbar unter: www.astra.admin.ch > Themen > Langsamverkehr > Grundlagen mit strategischer Bedeutung.

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6.4.3

Erlassform

Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung den Gegenentwurf zur Volksinitiative nach Artikel 163 Absatz 2 BV sowie den Artikeln 97 Absatz 1 Buchstabe a und 101 ParlG in der Form eines Bundesbeschlusses.

6.4.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Bestimmungen, die eine einmalige Ausgabe von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte. Keine Bestimmung dieser Verfassungsvorlage führt nach dem heutigen Kenntnisstand zu Ausgaben, die über diesen Ausgabengrenzen liegen (s. Ziff. 6.3.1).

6.4.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips

Mit dem in Artikel 88 Absatz 2 BV verankerten Zuständigkeitsvorbehalt zugunsten der Kantone bekräftigt der Gegenentwurf, dass er die bewährte föderalistische Aufgabenteilung bei Planung, Bau und Unterhalt der Wegnetze für alle Verkehrsformen des Langsamverkehrs weiterführen will. Unter Beachtung des in der Bundesverfassung verankerten Subsidiaritätsprinzips (Art. 5a und 43a BV) ermöglicht der Gegenentwurf deshalb lediglich, dass der Bund analog zu den Bestimmungen über Fuss- und Wanderwegnetze Grundsätze über Velowegnetze festlegen sowie die Kantone und Dritte fachlich, koordinierend und nötigenfalls finanziell bei deren Vollzug unterstützen kann.

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