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Botschaft de«

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung der Schweiz an der Finanzierung der Gesellschaft EUROCHEMIC in Belgien (Vom 4. September 1964)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Mit Beschluss vom 3. Oktober 1958 hat die Bundesversammlung das Übereinkommen der OECE betreffend die Gründung der Europäischen Gesellschaft für die chemische Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe EUEOCHEMIC in Belgien genehmigt. Auf Grund dieses Beschlusses betreiligto sich der Bund am Aktienkapital der Gesellschaft mit 30 Aktion im Nominalwert von total 1,5 Millionen Eechnungseinheiten des Europäischen Währungsabkommens (BEEWA) oder 6,45 Millionen Franken.

Durch Bundesbeschluss vom 6. Juni 1963 über die weitere Beteiligung der Schweiz an den OECD-Gemeinschaftsunternehmen Halden in Norwegen und Dragon in Grossbritannien und die Beteiligung an der Kapitalerhöhung der Gesellschaft EUBOCHEMIC in Belgien wurde der Bundesrat bezüglich der EUBOCHEMIC ermächtigt, 8 neue Aktien im Gesamtbetrag von ca. 1,72 Millionen Franken zu erwerben. Der Bund ist mit diesem Anteil an der Kapitalerhöhung an EUBOCHEMIC mit total 88 Aktien im Nominalwert von 1,9 Millionen EE-EWA oder ca. 8,17 Millionen Franken beteiligt.

I. Weiterîinanzierung von EUROCHEMIC

Wie in dor Botschaft vom I.März 1963 betreffend die weitere Beteiligung der Schweiz an den europäischen OECD- Gemeinschaftsunternehmen auf Seite 10 ausgeführt wurde, war dor gesamte Kapitalbedarf der EUEOCHEMIC bis Ende 1968 auf 30,7 Millionen EE-EWA veranschlagt. Das Aktienkapital wurde jedoch anlässlich der Kapitalerhöhung nur auf 28,95 Millionen EE-BWA erhöht, da Italien, Portugal und die Türkei, die auf sie entfallenden neuen Aktien nicht

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zeichneten und Belgien die Übernahme von 10 ihm als Sitzstaat zusätzlich zugeteilten Aktien vorläufig zurückstellte.

Bald nach der Kapitalerhöhung zeigte sich, dass die zur Verfugung stehenden Mittel für die Fertigstellung der Anlagen und insbesondere für die Deckung der laufenden Kosten während der Bauperiode nicht ausreichen. Boi den Arbeiten traten grössere Verzögerungen auf, da das Unternehmen sich technisch komplizierter erwies als angenommen. Diese sind allerdings vom Standpunkt der Entwicklung der Kerntechnik für friedliche Zwecke aus nicht tragisch, weil auch die Erstellung von Kernkraftwerken in Europa hinter den Voraussagen zurückblieb, so dass heute noch nicht genügend gebrauchte Brennstoffelemente zur Aufarbeitung in Mol vorhanden sind. Kostenmassig wirken sie sich aber aus, wobei wegen der längeren Bauzeit insbesondere die grosscren Kosten fur das Personal und für die diversen mit dein Bau beauftragten Ingenieurfirmen ins Gewicht fallen. Ebenso ist die allgemeine Teuerung stark spurbar.

Die Besprechungen in den diversen Organen der Gesellschaft führten vorerst zur Ausarbeitung eines ersten Planes für die Finanzierung in den Jahren 1964-1967. Bei Beibehaltung des bisherigen Bau-, Forschungs- und Aufarbeitungsprogrammes ergäbe sich dabei ein zusatzlicher Finanzbedarf für diese 4 Jahre von 21,4 Millionen Dollar, und zwar für Millionen Dollar

I. Investitionen laufende Kosten 1964/65 bis zur Betriebsaufnahme Unvorhergesehenes und Teuerung II. Betriebskosten der Fabrik 1966/67 (7,6 Millionen Dollar - 3,5 Millionen Dollar Einnahmen) Unvorhergesehenes und Teuerung III. Forschungsprogramm 1964/1967 Unvorhergesehenes und Teuerung

Millionen Dollar

8,8 5,5 1,5 4,1

10,8

0,8

4,9

5,0 0,7

5,7 Total 21,4

Diese Losung hätte eine Erhöhung des Aktienkapitals um 10,8 Millionen Dollar notwendig gemacht; sie wurde von der Mehrzahl der Landesvertreter in den Gremien der EUEOCHEMIC jedoch nicht akzeptiert, da sich Italien, die Türkei und Portugal weiterhin weigern, an den zusatzlichen Kapitalbedarf beizutragen. Italien lehnt es ausserdem ab, an dio ßetriebsdefizite und die Forschungskosten entsprechend der vorgesehen Sehlusselung - Schlüssel für dio Beitrage an dio OECD nach dorn Nationaleinkommen, umgerechnet auf die an der EUEOCHBMIC beteiligten Staaten (Schweiz 3,91%) - zu partizipieren.

Der Verwaltungsrat der Gesellschaft hat hierauf geprüft, ob der Kapitalbedarf durch ein Anleihen gedeckt werden könnte, kam aber zum Schluss, dass bei der Ungewissheit über die Betriebsergebnisse nach 1967 eine solche Finan-

361 zierung nicht opportun sei. Er gelangte nach neuerlicher Überprüfung der Gesaintsituation zur Auffassung, dass sich im Interesse grösstmöglieher Einsparungen in den Jahren 1966-1967 ein gegenüber dem ursprünglichen Programm stark reduzierter Betrieb wegen den doch bestehenden "Üngewissheiten über das gute Funktionieren der Anlage und besonders über die Versorgung mit bestrahlten Kernbrennstoffen rechtfertigen liesse. Der Vorschlag des Verwaltungsrates ging dahin, dass die Gesellschaft die Anlagen fertigstellen solle, dass in den Jahren 1966/67 jedoch mir einige kleine Brennstoffladungen aus Forschungsreaktoren und eventuell einiges bestrahltes Uran aus Loistungsreaktorcn aufgearbeitet würden. Auf diese AYeise kann der Personalbestand wesentlich verkleinert, jedoch trotzdem technische Erfahrungen gesammelt werden; der industrielle Vollbetrieb -wurde für einige Jahre zurückgestellt. Dabei wahre immerhin die Zahl der Angestellten der EUEOCHBMIC in den Jahren 1964-1967 nur soweit zu reduzieren, dass ab 1968 wenn nötig innert kurzer Zeit zu einem industriellen Betrieb ubergangon werden könnte, sofern dann die wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die Betriebskosten können so von 4,9 auf 3,8 Millionen Dollar und die Aufwendungen für die Forschung von 5,7 auf 4,2 Millionen Dollar reduziert werden. Anderseits wäre bei einem Versuchsbetrieb nicht mit wesentlichen Einnahmen zu rechnen. Die neue Schätzung des Finanzbodarfes der Gesellschaft für die Jahre 1964-1967 zeigt folgende Aufstellung: Finanzbedarf 1964-1967 in Millionen Dollar I.Fertigstellung der Anlage 1964/65 Investitionen Unvorhergesehenes laufende Kosten Unvorhergesehenes

3,8 1,0 1,9 0,1

6,8

II. Betriebskosten der Fabrik Ausbildung von Betriebspersonal 1964/65 Unvorhergesehenes Versuchsbetrieb 1966/67 Unvorhergesehenes

1,1 0,1 2,4 0,2

3,8

III. Forschungsprogramm 1964-1967 Unvorhergesehenes

3,8 0,4 Total

4,2 14,8

Auf Antrag des Verwaltungsrates hat die Spezialgruppe «EUBOCHEMIC» dos Direktionsausschusses der Europaischen Kernenergie-Agentur dem Bat der OECD folgenden Finanzierungsmodus für die 14,8 Millionen Dollar vorgeschlagen: l. Die Fertigstellung der Anlagen sei mit einer zweiten Erhöhung des Aktienkapitals um 6,8 Millionen Dollar zu finanzieren.

362 2. Die Verteilung der neuen Aktien soi wie folgt vorzunehmen : Belgien, aus der 1. Kapitalerhöhung Bundesrepublik Deutschland Österreich Belgien Dänemark Spanien Frankreich Norwegen Niederlande , Schweden Schweiz

10 28,5 5 12 5,5 10,5 28,5 4,5 10,5 12 9 186

3. a. Die Betriebskosten und Forschungskosten von total 8 Millionen Dollar seien durch Beiträge der Teilnehmerstaaten zu decken und zwar nach dem der reduzierten Beteiligungszahl angepassten Schlüssel der OECD, fj. Der Bat der OECD soll einen entsprechenden Beschluss fassen. Diesem sei das jährliche Betriebs- und Forschungsbudget zur Genehmigung vorzulegen. Der entsprechende Betrag sei in das Budget der OECD einzuschliessen. Stimmberechtigt im Bat über diese Frage seien nur diejenigen Länder, die an diesen Posten Beiträge leisten.

4. Die von der Generalversammlung der Gesellschaft zu beschliessende Kapitalerhöhung werde erst definitiv nach Begelung der Dockung der ändern Auslagen.

Nachdem Italien, Portugal und die Türkei auch an der zweiten Kapitalerhöhung aus diversen Gründen nicht partizipieren, sind deren Anteile auf die ändern Länder aufgeteilt worden. Für die Schweiz bleibt deren prozentualer Anteil am Aktienkapital der Gesellschaft jedoch praktisch konstant auf etwas weniger als 6,6 Prozent.

Die Frage der Beteiligung der drei Länder, die bei der Kapitalerhohuiig nicht mitmachen, an den Betriebs- und Forschungskosten bildet noch Gegenstand von Verhandlungen.

Am 16. Juni ]964 hat der Bat der OECD diesem Verteilungsschlüssel zugestimmt, und am 1. Juli 1964 hat die Generalversammlung der EUBOCHEMIC eine Erhöhung des Aktienkapitals der Gesellschaft von 28,95 Millionen BE-EWA um 6,8 Millionen BE-EWA auf 85,75 Millionen BE-EWA beschlossen. Die schweizerische Zustimmung hiezu im Rat der OECD und in der Generalversammlung der EUBOCHEMIC erfolgte unter Vorbehalt der Kreditgewährung durch die eidgenössischen Bäte. Wir haben bei der Zeichnung der 9 neuenAktien denselben Vorbehalt angebracht.

363 Die finanziellen Konsequenzen aus der Beteiligung an der Finanzierung der EÜEOCHEMIC in den Jahren 1964-1967 wären für unser Land - 450 000 EE-EWA für die Liberierung der 9 gezeichneten Aktien, - ca. 390000 EE-EWA für die Beteiligung an den Forschungs- \md Betriebskosten in den Jahren 1964^-1967 entsprechend dem der reduzierten Beteiligungszahl angepassten Schlüssel der OECD.

II, Das schweizerische Interesse an der EUROCHEMIC Bereits in der Botschaft vom I.März 1963 an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung der Schweiz an der ersten Kapitalerhöhung wurde ausgeführt (S. 11), dass sich für unser Land die Notwendigkeit ergebe, sich an einem europäischen Unternehmen für die Aufarbeitung von bestrahlten Kernbrennstoffen angemessen zu beteiligen. Dieses Interesse erscheint heute in vermehrtem Masse aktuell, nachdem nun konkrete Pläne für die Errichtung von mindestens einem grossen Leistungsatomkraftwerk (Beznau) mit angereichertem Uran als Brennstoff in der Schweiz vorhegen. Diebei diesen Projekten vorgesehenen amerikanischen Eeaktoren könnon nur emen Bruchteil des in den Brennelementen eingebauten Spaltstoffes und dos im Betriebe entstehenden Plutoniums ausnützen.

In Anbetracht des hohen Preises des angereicherten Urans erweist es sich deshalb als eine wirtschaftliche Notwendigkeit, das noch vorhandene Uran und das Plutonium aus den gebrauchten Brennelementen zu extrahieren und für die Fabrikation neuer Brennstoffladungen zu verwenden. Die EÜEOCHEMIC kann bei Yollbetrieb diese Aufgabe übernehmen oder mindestens durch ihre Existenz regulierend auf die Tarife anderer Aufarbeitungsanlagen, die sonst eine Monopolstellung hätten, einwirken. Vom schweizerischen Standpunkt aus besitzen die Anlagen in Mol zudem den Vorteil, dass sie uns wengistens für einige Zeit eine bequeme Lösung des Lagorproblems für die hochradioaktiven, gebrauchten Brennelemente gestatten. Diese Elemente können nach einer Abkühlungsperiode auf dem Eeaktorgelände nach Mol abgeschoben werden, wo die nicht verwendbaren Spaltprodukte aufbewahrt werden. Der günstige Transportweg, der kein mehrfaches Umladen, wie im Falle der Benutzung bestehender überseeischer Aufarbeitungsanlagen, erfordert, wird sich auch finanziell günstig auswirken. Ausser den Elementen aus Atomkraftwerken kämen für die Aufarbeitung aber auch DIOEOT-Ladungen
zur Beschaffung von Plutonium für Forschungszwecke in Frage. Das Eidgenössische Institut für Eeaktorforschung betrachtet deshalb das schweizerische Interesse an der EÜEOCHEMIC als gegeben; insbesondere könnte das so gewonnene Plutonium für die Herstellung von sogenannten Spickelementen, welche die Einsatzmöglichkeiten des DIOBIÏEeaktors erweitern, verwendet werden.

Sowohl vom technischen wie vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet ist unser Land also sicher an der Fertigstellung und der Betriebsaufnahme der Anlage in Mol wie an der Forschung auf diesem Gebiete interessiert.

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Das Problem EUROCHEMIC hat jedoch auch einen politischen Gesichtspunkt. Eine Liquidation dieses europäischen Gemeinschaftsunternehmens, bevor die Anlagen fertiggestellt werden konnten, würde sicher schwerwiegende Auswirkungen auf zukünftige kooperative Projekte haben und ein bedenkliches Licht auf die westeuropäische Bereitschaft zur Zusammenarbeit werfen.

III.

Gestützt auf diese Ausführungen beehren wir uns, Ihnen die Annahme des nachstehenden Entwurfes zu einem Bundesboschluss zu empfehlen.

Seine verfassungsmässige Grundlage bildet Artikel 24quinquies der Bundesverfassung, Das Geschäft sollte in den beiden Eäten in der Dezembersession behandelt werden.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. September 1964.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : L. von Moos Der Bundeskanzler : Ch. Oser

865 (Entwurf)

Bundesbesckluss über

die Beteiligung der Schweiz an der weiteren Finanzierung der Gesellschaft EUROCHEMIC in Belgien

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestutzt auf Artikel 24quinquies der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesratos vom 4. September 1964, beschliesst :

Art. J Der Bundesrat wird ermächtigt, neun neue Aktien der Gesellschaft EUROCHEMIC ira Gesamtbetrag von 1,935 Millionen Franken zu erwerben.

Art. 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, maximal 1,7 Millionen Franken an die Betriebs- und Forschungskosten der Gesellschaft EUEOCHBMIC für die Jahre J 964-1967 zu leisten.

Art. 3 1

Dieser Bundosbeschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt sofort in Kraft.

2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Beteiligung der Schweiz an der Finanzierung der Gesellschaft EUROCHEMIC in Belgien (Vom 4.

September 1964)

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1964

Année Anno Band

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36

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9040

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10.09.1964

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359-365

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