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Bundesblatt 116. Jahrgang

Bern, den 19. November 1964

Band II

Brtcheint Wöchentlich.

Preis 33 Franken im Jahr, 18 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 60 Happen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & CK., 3000 Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz (Vom 4. November 1964) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiemit das am 10. August 1964 in Rom unterzeichnete Abkommen über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz (nachstehend Abkommen genannt) zur Genehmigung zu unterbreiten.

I. Die Vereinbarung vom 22. Juni 1948 zwischen der Schweiz und Italien über die Einwanderung italienischer Arbeitskräfte in die Schweiz und die Notwendigkeit ihrer Revision Als die Vereinbarung vom 22. Juni 1948 abgeschlossen wurde, handelte es sich in beiden Ländern vor allem um die Beseitigung verwaltungsmässiger und praktischer Schwierigkeiten, die der Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz entgegenstanden. Diese Vereinbarung war dem Sinne nach hauptsächlich ein Eekrutierungsabkommen, welches das Verfahren für die Bekrutierung von Arbeitskräften in Italien unter Mitwirkung italienischer Amtsstellen regelte und die Aushändigung der für die Ausreise notwendigen Papiere gewährleistete. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung wurde das konsularische Visum aufgehoben, was ebenfalls zur Vereinfachung und Beschleunigung der für die Einwanderung italienischer Arbeitskräfte in die Schweiz erforderlichen Formalitäten beitrug. Dagegen bef asste sich die Vereinbarung von 1948 nur am Bande mit den Aufenthaltsbedingungen der italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz. Es gelang der Schweiz damals von Italien das Zugeständnis zu erlangen, dass die für Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. II.

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1002 die Erteilung der Niederlassungsbewilligung notwendige Frist, die auf Grund der Erklärung vom S.Mai 1934 betreffend die Anwendung des schweizerisch-italienischen Niederlassungs- und Konsularvertrages vom 22. Juli 1868 normalerweise fünf Jahre betrug, auf zehn Jahre erhöht wurde. Diese Massnahme schien zu jener Zeit um so notwendiger, als die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte nur als vorübergehende Erscheinung angesehen wurde; man glaubte, die angespannte Wirtschaftstätigkeit der Nachkriegszeit -werde früher oder später abklingen oder sogar in eine mehr oder weniger fühlbare Krise übergehen. Die schweizerischen Behörden waren deshalb bestrebt, eine übermässige Erhöhung der Zahl der dauernd in der Schweiz niedergelassenen italienischen Arbeitskräfte zu vermeiden. Im übrigen wich die Vereinbarung von 1948 in keiner Weise von den bei uns in Kraft, stehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften ab. Die italienischen Arbeitskräfte blieben somit in allen Punkten der für kontrollpflichtigo Ausländer geltenden Eegelung unterstellt.

Mit Eücksicht auf die Arbeitsmarktlage wurden die fremdenpolizeilichen Vorschriften im allgemeinen sehr weitherzig angewendet. Die Lage der italienischen Arbeitskräfte verbesserte sich besonders durch die Annahme des Batsbeschlusies vom 30.Oktober 1958/7.Dezember 1956 der «Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit» über die Eegelung der Beschäftigung von Angehörigen der Mitgliedstaaten, der von der «Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung» (nachfolgend OECD) übernommen worden ist. Dieser Batsbeschmss, den die Schweiz als Mitglied der Organisation anzuwenden hat, räumt den seit mindestens fünf Jahren im Land anwesenden Angehörigen der ändern Mitgliedstaaten gewisse Vorteile auf dem Arbeitsmarkt ein.

Trotz diesen tatsächlichen Verbesserungen liess sich die Eevision der Vereinbarung von 1948 nicht umgehen. Eine Eevision drängte sich auf angesichts der grundlegenden Veränderungen, die sich seit 1948 vollzogen haben. In den unmittelbar auf den letzten Weltkrieg folgenden Jahren gehörte die Schweiz zu den wenigen westeuropäischen Ländern, die den im Ausland nach Arbeit Ausschau haltenden italienischen Arbeitskräften Beschäftigung bieten konnten.

Die italienischen Arbeitskräfte, deren Heimat von schwerer Arbeitslosigkeit betroffen
war, schätzten sich glücklich, vorübergehend Arbeit zu finden in einem Nachbarland, dessen Lebens- und Arbeitsbedingungen damals über jenen der meisten übrigen europäischen Staaten lagen. Es bestand damals kein Anlass, ihre Eechtsstellung einlässlicher zu ordnen.

Im Verlaufe der letzten Jahre hat sich die Situation tiefgreifend verändert.

Entgegen der ursprünglichen Annahme hat die günstige wirtschaftliche Entwicklung Dauercharakter angenommen, was nicht nur zu einer ständigen Vermehrung der Zahl der ausländischen Arbeitskräfte, sondern auch zu einer Verlängerung ihrer Anwesenheit in der Schweiz führte. Es war deshalb unerlässlicb, die rechtliche und soziale Stellung dieser für längere Zeit in der Schweiz anwesenden Arbeitskräfte neu zu überprüfen und den gegenwärtigen Erfordernissen anzupassen.

1008 Auf der ändern Seite hat sich auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt gewandelt. Wenn auch das Angebot an ungelernten oder angelernten Arbeitskräften immer noch gross ist, so hat sich doch die Zahl der auswanderungswilligen qualifizierten Arbeitskräfte stark verringert, umsomehr als die Löhne in Italien sich den unsrigen weitgehend angeglichen haben. In den ändern europäischen Auswanderungsländern, die für eine Anwerbung von Arbeitskräften in Betracht kommen, ist ein Übersohuss an qualifizierten Kräften ebenfalls sehr gering geworden oder überhaupt verschwunden. Ausserdem finden die auswanderungswilligen Arbeitskräfte heute nicht nur in der Schweiz Beschäftigung, sondern auch in der Mehrzahl der übrigen westeuropäischen Staaten, wo die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre zu einem ebenso empfindlichen Personalmangel geführt hat wie bei uns, und wo die Arbeits- und Lebensbedingungen je länger je mehr mit den unsrigen vergleichbar sind. Die Konkurrenz auf dem internationalen Arbeitsmarkt ist wesentlich grösser geworden, so dass die Auswanderer den ihnen am günstigsten scheinenden Arbeitsort wählen können.

Auf lange Sicht wird sich, ungeachtet der unvermeidlichen Beschäftigungsschwankungen, diese Konkurrenz in Westeuropa noch verschärfen.

Seit dem Abschluss der Vereinbarung von 1948 haben sich auf dein schweizerischen Arbeitsmarkt tiefgreifende Strukturwandlungen vollzogen. Für viele Tätigkeiten stehen kaum noch Schweizer zur Verfügung. Unsere Wirtschaft wird auf Jahre hinaus auf die Beschaffung ausländischer Arbeitskräfte angewiesen sein. Annähernd 70 Prozent dieser Arbeitskräfte stammen aus Italien. Nach der Augusterhebung 1964 waren 470000 Italiener in der Schweiz beschäftigt. Für die meisten Zweige unserer Industrie, vor allem für die Metall- und Textilindustrie, aber auch für das Gast- und Baugewerbe ist die Rekrutierung italienischer Arbeitskräfte nach wie vor von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. die Tabellen im Anhang).

Angesichts dieser Situation konnte sich die Schweiz aus menschlichen wie aus wirtschaftlichen Erwägungen dem von Italien geäusserten Wunsch, die Bechtslage der italienischen Arbeitskräfte den seit 1948 eingetretenen Veränderungen anzupassen, nicht entziehen.

Eine umfassende Würdigung aller Probleme, die sich in Verbindung mit den ausländischen Arbeitskräften stellen,
würde den Bahmon dieser Botschaft übersteigen. Es sei deshalb an dieser Stelle auf den umfassenden Bericht der Studienkommission verwiesen, der jüngst unter dem Titel «Das Problem der ausländischen Arbeitskräfte» erschienen ist, und auf den in der Folge wiederholt Bezug genommen wird.

u. Die Verhandlungen Auf Wunsch der italienischen Regierung haben wir uns zu Beginn des Jahres 1961 bereit erklärt, Verhandlungen aufzunehmen über die Revision der Vereinbarung vom 22. Juni 1948 betreffend die Einwanderung italienischer Arbeitskräfte in die Schweiz, Die italienische Regierung machte geltend, dass

1004 diese Vereinbarung den gegenwärtigen Verhältnissen nicht mehr entspreche und dass insbesondere die Stellung der italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz hinter der Entwicklung in den ändern westeuropäischen Ländern zurückgebheben sei.

Gleichzeitig stellte sie das Begehren auf Revision des schweizerisch-italienischen Sozialversicherungsabkommens vom 17. Oktober 1951, das ebenfalls den in der Zwischenzeit eingetretenen Veränderungen angepasst werden sollte. Aus technischen Gründen wurden die Verhandlungen uber die Auswanderung und diejenigen über die Sozialversicherung schweizerischerseits durch zwei getrennte Delegationen geführt. Die beiden schweizerischen Delegationen nahmen die Besprechungen im März bzw. im Juni 1961 auf, da es um verschiedene Aspekte oin und desselben Problems ging und uns daran gelegen war, sie nicht voneinander zu trennen. Wir gaben denn auch der italienischen Regierung vor Beginn der Verhandlungen bekannt, dass wir die beiden Verhandlungen als zusammenhängend betrachteten und dass folglich die Eatifikation des Abkommens über Soziale Sicherheit von einem befriedigenden Ergebnis der Verhandlungen über die Auswanderung abhängen werde. Deshalb wurde das am 14, Dezember 1962 unterzeichnete neue Abkommen über Soziale Sicherheit erst nach Abschluss der Verhandlungen über die Auswanderung am 28. August 1964 ratifiziert und auf den I.September 1964 in Kraft gesetzt. Die Verknüpfung der beiden Fragen hat sich zweifellos günstig auf den Verlauf der Verhandlungen über die Auswanderung ausgewirkt.

Als die Verhandlungen über das Einwanderungsabkommen im Juni 1961 aufgenommen wurden, zeigte es sich, dass die Italiener äussorst weitgehende Forderungen stellten, auf dio unsere Unterhändler nicht eingehen konnten. So war namentlich die Forderung auf Verkürzung der Frist zur Erlangung der Niederlassungsbewilligung von zehn auf fünf Jahre mit Rucksicht auf die Überfiemdungsgefahr nicht annehmbar. Auch dem mit Nachdruck vertretenen Begehren, den Familiennachzug nach dem Vorbild der EWG-Länder sofort zu gestatten, konnte aus demselben Grunde nicht entsprochen werden. Ebenso konnte die Einführung des obligatorischen, von den italienischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in der Schweiz zu visierenden Dienstvertrages für alle, auch die spontan einreisenden italienischen
Arbeitskräfte nicht in Frage kommen.

Eine weitere Forderung ging dahin, dass die italienischen Arbeitskräfte, die in der Schweiz erwerbstätig gewesen waren und nach ihrer Ruckkehr nach Italien arbeitslos wurden, dort Arbeitslosenentschädigung erhalten sollten. Die italienische Delegation verlangte, dass die in der Schweiz beschäftigten italienischen Arbeitskräfte den italienischen Vorschriften über die Arbeitslosenunterstützung unterstellt bleiben und ihre Anwartschaft behalten, wobei die Schweiz entsprechende Beiträge zu leisten hätte, oder aber dass sie in der Schweiz gegen Arbeitslosigkeit versichert würden und ihnen die Arbeitslosenentschädigung entweder in der Schweiz ausbezahlt oder nach Italien überwiesen werde.

Schliesslich wurde im Zusammenhang mit dem Auswanderungsabkommen auch

1005 die Forderung nach der obligatorischen Krankenversicherung für alle italienischen Arbeitskräfte und ihre Familien erhoben, eine Frage, die später im Abkommen über die Soziale Sicherheit ihre teilweise Lösung fand.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Verhandlungen unter diesen Umständen sehr mühsam gestalteten. Sie wurden im November 1961 gleichzeitig mit jenen über die soziale Sicherheit weitergeführt. Da jedoch auf dieser Grundlage eine Einigung nicht möglich war, wurden sie unterbrochen und auf unbestimmte Zeit vertagt.

Im Laufe des Jahres 1962 fanden auf Wunsch Italiens inoffizielle Fühlungnahmen zwischen den beiden Delegationschefs statt.

Im November 1962 Hess die schweizerische Delegation mit unserem Einverständnis der italienischen Delegation neue Vorschläge zugehen. Es verging aber mehr als ein Jahr bis die Gegenpartei sich überzeugte, dass sie ihre Forderungen massigen müsse, wenn ihr an einer baldigen Eatifikation des Abkommens über die Soziale Sicherheit gelegen war. Neue inoffizielle Fühlungnahmen der beiden Delegationschefs in den ersten Monaten des Jahres 1964 führten dazu, dass Italien die Forderungen, auf die wir nicht eintreten konnten, fallen liess und sich auf die "Punkte beschränkte, in denen eine gegenseitige Verständigung möglich war. Nach Kenntnisnahme vom Ergebnis der Vorbesprechungen stimmten wir der Wiederaufnahme der offiziellen Verhandlungen und dem von unserer Delegation vorgeschlagenen Vertragsentwurf zu. Nachdem über die letzten strittigen Punkte eine Einigung erzielt worden war, wurde das Abkommen am 10. August 1964 in Eom unterzeichnet. Damit fanden die Verhandlungen, die mehr als drei Jahre in Anspruch genommen hatten und sich zeitweise sehr schwierig gestalteten, ihren Abschluss.

III. Die Hauptergebnisse der Verhandlungen Die Ergebnisse der Verhandlungen sind in drei Urkunden niedergelegt: dem Abkommen betreffend die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz, dem Schlussprotokoll und den « Gemeinsamen Erklärungen», alle datiert vom 10. August 1964. Das Schlussprotokoll präzisiert einzelne Punkte des Abkommens und bildet einen integrierenden Bestandteil desselben. Einige Fragen, auf welche die italienische Delegation grossen Wert legte, so insbesondere die Ansetzung der Fristen für den Familiennachzug, die Beschaffung von Unterkünften,
die Betreuung der italienischen Arbeitskräfte und die Schulung ihrer Kinder, konnten im Abkommen nicht geregelt werden. Die schweizerische Stellungnahme zu diesen Fragen sowie zu einigen weitern italienischen Wünschen wurden in «Gemeinsamen Erklärungen» niedergelegt. Im Gegensatz zum Abkommen und zum Schlussprotokoll, die der Batifikation unterliegen und deshalb den eidgenössischen Bäten zur Genehmigung zu. unterbreiten smd, bedürfen diese Erklärungen keiner parlamentarischen Genehmigung. Die drei Dokumente sind im Anhang zu dieser Botschaft wiedergegeben.

1006 Das Abkommen und das SchhiBSprotokoll werden im nächsten Abschnitt Punkt für Punkt erläutert. Vorher möchten wir Ihnen einen Überblick geben über die wichtigsten Verhandluügsergebnisse. Italien wünschte in erster Linie die Aufenthaltsbedingungen für die italienischen Arbeitskräfte zu verbessern.

Die wesentlichsten Neuerungen, die das Abkommen gegenüber dem bisherigen Zustand bringt, betreffen die Rechtsstellung der italienischen Nichtsaisonarbeiter mit fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz und der Saisonarbeiter, die während fünf aufeinanderfolgenden Jahren mindestens 45 Monate in der Schweiz gearbeitet hatten sowie den Nachzug der Familie.

1. Regelung der AufenthaltsbemlUgung für Arbeitskräfte mit fünfjährigem enthalt in der Schweiz

Auf-

Wie bereits dargelegt, konnten wir unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht daran denken, dem italienischen Wunsche stattzugeben und die Frist für die Fjrlangung der Niederlassung auf fünf Jahre herabzusetzen, weil dies in deniographischer und -wirtschaftlicher Hinsicht weittragende Folgen gehabt hätte. Die Niederlassungsbewilligung gewährt dem Ausländer eine Vorzugsstellung. Er ist von der fremdenpolizeilichen Kontrolle befreit, er kann sich, unter Vorbehalt einer polizeilichen Ausweisungsverfügung, in der Schweiz aufhalten solange er will, er geniesat vollständige Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt und kann sich auch als Solbständigerwerbender betätigen. Der niedergelassene Ausländer ist somit in bezug auf die Ausübung einer Brwerbstätigkeit dem Schweizerbürger gleichgestellt.

In den letzten Jahren bewegte sich die Zahl der an italienische Arbeitskräfte erteilten Niederlassungsbewilligungcn in verhältnismässig bescheidenem Bahmen. Sie belicf sich in den Jahren 1959 und 1960 auf knapp 3000 und bewegte sich in den Jahren 1961 bis 1963 zwischen 5 und 6000. Diese Zahlen spiegehi die Einwanderungsverhältnisse zu Beginn der fünfziger Jahre wieder.

Angesichts der Zunahme der italienischen Einwanderung in den letzten Jahren und der stets zunehmenden Dauer des Aufenthaltes in der Schweiz ist ein weiteres Ansteigen zu erwarten. Diese Entwicklung ist unvermeidlich, solange es nicht gelingt, die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte wesentlich zu reduzieren.

Eine rasche und massive Zunahme der in unserem Lande niedergelassenen ausländischen Bevölkerung muss schon aus Überfremdungsgründen vermieden werden.

Auf der ändern Seite konnte dem italienischen Wunsch nach einer Verbesserung der Bechtsstellung der Arbeitskräfte, die sich während längerer Zeit bei uns aufhielten und sich bewährten, eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Eine Bosserstellung der Arbeitskräfte mit längerem Aufenthalt ergab sich bereits aus dem Batsbeschluss der OECE vom 30. Oktober 1953/7. Dezember 1956 betreffend die Beschäftigung von Angehörigen der MitgliedStaaten, dem die Schweiz zugestimmt hatte. Nach Ziffer 6 dieses Beschlusses haben Arbeitnehmer aus einem Mitgliedstaat nach einem Aufenthalt von min-

1007 destens fünf Jahren Anspruch auf die Bewilligung zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer entweder im gleichen Beruf oder, bei Arbeitslosigkeit in diesem Beruf, in einem ändern, nicht von Arbeitslosigkeit betroffenen Beruf.

Von dieser Verpflichtung kann nur aus zwingenden Gründen des staatlichen Interesses Umgang genommen werden. Diese Eegelung wurde durch das Abkommen dahin erweitert, dass die Bewilligung des Stellen- und Berufswechsels grundsätzlich ohne Rucksicht auf die Lage des Arbeitsmarktes zugestanden wird. Doch hat sich die Schweiz das Eecht vorbehalten, die Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung für die Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz oder die Erteilung der Bewilligung zum Stellenwechsel zu verweigern, falls im Berufszweig und in der Gegend, wo der Arbeitnehmer beschäftigt ist, schwere Arbeitslosigkeit herrscht. Ausserdem wurden die schweizerischen Vorschriften über die Beschränkung der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte ausdrücklich vorbehalten. Dieser Vorbehalt bezieht sich nicht nur auf die geltenden, sondern auch auf allfällige künftige Beschränkungen.

Gegen die Erleichterung des Stellen- und Berufswechsels sind verschiedentlich Bedenken laut geworden. Wir sind durchaus der Ansicht, dass ein häufiger Stellen- und Berufswechsel, besonders zu Beginn des Aufenthaltes, unerwünscht ist. Die Anwerbung und Anlernung von ausländischen Arbeitskräften ist mit Kosten verbunden, weshalb der Arbeitgeber mit Hecht erwartet, dass der Arbeitsplatz nicht schon nach einigen Wochen oder Monaten wieder verlassen wird. Unstabile Elemente, die durch häufigen Stellen- und Berufswechsel unnötige Umtriebe verursachen und die Produktivität der Wirtschaft beeinträchtigen, können dank der Bewilligungspflicht eliminiert werden. Die Praxis der Kantone, die für die Erteilung dieser Bewilligungen zuständig sind, ist allerdings nicht einheitlich. In der Eegel wird der Stellenwechsel spätestens nach einem Jahr und der Berufswechsel nach drei bis fünf Jahren bewilligt. Nachdem die kontrollpflichtigen Ausländer fast ein Drittel der Unselbatändigerwerbenden ausmachen, können sie nicht dauernd an ihrem Arbeitsplatz und Beruf festgehalten werden. Mindestens den Ausländern, die seit mehr als fünf Jahren in unserem Lande gearbeitet haben, sollte der Berufs- und Stellenwechsel nicht versagt werden,
damit sie an denjenigen Arbeitsplatz gelangen können, wo sie die nützlichsten Dienste leisten. Das liegt auch im Interesse unserer Wirtschaft.

Dank dieser verbesserten Rechtsstellung sind die italienischen Arbeitskräfte nach fünfjährigem, ununterbrochenem Auf enthalt in ihrer beruf heben Bewegungsfreiheit nicht mehr wesentlich eingeschränkt und gelten als vermittlungsfähig im Sinne der Vorschriften über die Arbeitslosenversicherung. Sie erhalten deshalb Zugang zur öffentlichen Arbeitsvermittlung und können auch der Arbeitslosenversicherung beitreten, wobei die Frage des Obligatoriums der kantonalen Gesetzgebung vorbehalten bleibt. Angesichts der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt ist nicht damit zu rechnen, dass sie die Arbeitsvermittlung in wesentlichem Umfang in Anspruch nehmen werden.

1008 2. Die Stellung der Saisonarbeitskräfte Ein grosser Teil der italienischen Arbeitskräfte ist in Saisonberufen beschäftigt. Nach der Bestandeserhebung über die ausländischen Arbeitskräfte vom August 1964 hatten von insgesamt 474000 kontrollpflichtigen italienischen Arbeitskräften 170000 eine Saisonbewilligung. Die Zahl der italienischen Saisonarbeiter ist besonders hoch im Baugo-werbe und ira Gastgewerbe, die ohne deren Mitarbeit sozusagen lahmgelegt wären. Es besteht wenig Aussicht, ausserhalb Italiens die zur Deckung unseres Bedarfes notwendige Anzahl Saisonarbeiter zu finden. Daraus ergibt sich die Bedeutung dieser Arbeitskräfte für unsere Wirtschaft, besonders wenn es sich um tüchtige und mit unseren Lebensverhältnissen vertraute Leute handelt. Nun erwirbt aber nach unserer Gesetzgebung der Inhaber einer Saisonbewilligung, auch wenn sie ihm nacheinander für mehrere Jahre erteilt wurde, keinerlei Eechte. Er kann in keinem Fall seine Familie nachziehen und auch niemals eine Mederlassungsbewilligung erhalten, da sein Aufenthalt in der Schweiz nur vorübergehend ist und er seinen Lebens- und Interessenkreis in der Heimat beibehält. Die zuständigen Behörden achten darauf, das» die Saisonarbeitskräfte nach Saisonschluss nach Hause zurückkehren.

Solange diese Wanderungsbewegung ihren herkömmlichen Charakter beibehielt, ergaben sich kerne Schwierigkeiten. In den letzten Jahren hat sich aber vor allem im Baugewerbe, das die Hauptmasse der ausländischen Saisonarbeitskräfte beschäftigt, der Saisoncharakter der Anstellung unter dem Einfluss der Hochkonjunktur und der technischen Entwicklung in zunehmendem Masse verwischt. Die tote Saison hat sich so sehr verkürzt, dass oft zwischen zwei aufeinanderfolgenden Saisonaufenthalten nur noch ein symbolischer Unterbruch besteht. Praktisch ist es schwierig, einen Unterschied festzustellen zwischen einem Saisonarbeiter, der seine Tätigkeit für einige Wochen aufgibt, und einem Arbeiter an einer Jahresstelle, der seine Ferien in der Heimat verbringt.

Dazu kommt der weitere Umstand, dass Saisonarbeiter Jahr für Jahr in die Schweiz, vielfach zum gleichen Arbeitgeber zurückkehren.

Die italienische Delegation hat die schweizerische Delegation ersucht, auf diese Entwicklung Bücksicht zu nehmen und, ohne die Vorschriften für Saisonarbeitskräfte abzuändern, ihnen die
Erlangung gewisser Hechte in der Schweiz zuzugestehen, wie dies auch in ändern europäischen Einwanderungsländern der Fall ist. Ohne das Saisonnierstatut aufzugeben, konnten wir dem ursprünglichen Begehren der italienischen Delegation nicht stattgeben, den Saisonarbeitern schon zu Beginn ihres Aufenthaltes in der Schweiz die Umwandlung der Saisonbewilligung zu ermöglichen. Dagegen konnte der italienischen Forderung,wenigstens den Saisonarbeitern, die während fünf aufeinanderfolgenden Jahren mindestens 45 Monate in der Schweiz gearbeitet haben, auf Gesuch hin die Bewilligung für eine Ganzjahresbeschäftigung zu erteilen, eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Wir können nicht Saisonarbeiter, die Jahr für Jahr bis zu 11 Monaten in der Schweiz arbeiten und nur auf Weihnachten nach Hause reisen, dauernd von allen Vergünstigungen ausschliessen und ihnen auf alle

1009 Zeiten die Niederlassungsbewilligung verweigern. Angesichts des Mangels an guten Arbeitskräften, vor allem im Baugewerbe, haben wir ein Interesse daran, Saisonarbeitern, die während längerer Zeit in der Schweiz tätig waren, die Möglichkeit zu gewähren, eine Grarizjahresbewilhgung zu erhalten, vorausgesetzt, dass sie in ihrem Beruf einen Arbeitgeber finden, der bereit ist, sie dauernd zu beschäftigen. Sie können in diesem Fall die Familie nachziehen und die Zeit, die sie als Saisonarbeiter in der Schweiz gearbeitet haben, wird ihnen für die Erlangung der übrigen im Abkommen vorgesehenen Erleichterungen angerechnet (Besserstellung auf dem Arbeitsmarkt, Erlangung der Niederlassungsbewilligung). Da die Rotation auch bei den Saisonarbeitern erheblich ist, durfte die Zahl der italienischen Arbeitskräfte, die einen Anspruch auf Erteiligung einer Jahresbewilligung geltend machen können, nicht allzu gross sein. Wir werden auf diese Frage bei der Würdigung des Abkommens noch zurückkommen.

Im übrigen wurden auch in bezug auf die Saisonarbeiter die schweizerischen Vorschriften über die Beschränkung der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte ausdrücklich vorbehalten.

3. Der Nachzug der Familie Das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer von 1931/48 enthält keine Bestimmungen über den Nachzug der Familienangehörigen kontrollpflichtiger Ausländer, Die zuständigen Behörden entscheiden, ob und wann den Angehörigen eines Ausländers die Bewilligung erteilt wird, «um Fainilienhaupt zu ziehen. Nach den Weisungen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements wird die Bewilligung zum Familiennachzug erst dann erteilt, wenn der Aufenthalt und das Arbeitsverhältnis des Ausländers eine genugende Stabilität erreicht haben. Dies ist in der Eegel erst nach einer gewissen Frist der Fall. Diese Frist wurde im Verlaufe der letzten Jahre schrittweise herabgesetzt; sie beträgt houte im allgemeinen drei Jahre, wobei jedoch zahlreiche Ausnahmen möglich sind. So wurden dio Familien qualifizierter Arbeitskräfte schon vor Ablauf von drei Jahren und die Familienangehörigen von Spezialisten sofort oder nach einer kurzen Probefrist, die in der Begel sechs Monate nicht überstieg, zugelassen.

Die italienische Delegation forderte, unter Berufung auf moralische und menschliche Erwägungen, dass die Familie
gleichzeitig mit dem Arbeitnehmer in der Schweiz zugelassen werde, vorausgesetzt, dass eine angemessene Wohnung vorhanden sei. Dieser Wunsch, den Zusammenschluss der Familie sobald als möglich zu gestatten, ist an sich verständlich. Auch in der Schweiz wird von zahlreichen Kreisen eine Lockerung der Vorschriften über den Familiennachzug befürwortet. Die Trennung von seinen Angehörigen bedeutet für den Arbeitnehmer eine grosse Härte, zumal er in einer fremden Umgebung lebt und die Trennung^auf die Dauer nicht ohne ernsthafte Bückwirkung auf seine persönlichen Verhältnisse bleibt. Angesichts der drohenden Uberfremdungsgefahr konnte jedoch dem Wunsch auf sofortigen Nachzug der Familie auf keinen Fall entsprochen

1010 werden. Eine bestimmte Wartefrist ist zudem unerlässlich, um es den schweizerischen Behörden zu ermöglichen, festzustellen, ob der neuzugereiste Ausländer gewillt und fähig ist, sich unseren Lebens- und Arbeitsverhältnissen anzupassen.

Charakterlich und beruflich ungeeignete Ausländer müssen möglichst rasch wieder zum Verlassen des Landes angehalten werden.

Da die schweizerische Wirtschaft noch während langer Zeit auf eine grosse Zahl ausländischer Arbeitskräfte angewiesen sein wird, muss den menschlichen und familiären Belangen dieser Arbeitskräfte in vermehrtem Masse Eechnung getragen werden. Es ist doshalb gerechtfertigt, die Wartefrist zu verkürzen.

Dies entspricht auch der Meinung weiter Volkskreise, unter deren Einfluss die Fremdenpolizeibehörden vieler Kantone sich veranlasst sahen, die bisherige zurückhaltende Zulassungspraxis zu lockern.

Das Abkommen hält am bisherigen Grundsatz fest, dass die Angehörigen oinos italienischen Arbeitnehmers erst zugelassen werden, wenn der Aufenthalt und das Anstellungsverhältnis dieses Arbeitnehmers als ausreichend gefestigt und dauerhaft betrachtet werden können. Pur den Familiennachzug, der ausdrücklich auf die Ehefrau und die minderjährigen Kinder beschränkt wurde, wird im Abkommen keine Frist festgesetzt. Die schweizerische Delegation hat der italienischen Delegation in den «Gemeinsamen Erklärungen» jodoch zugesichert, dass die schweizerischen Behörden in der Regel eine Frist von 18 Monaten anstatt von drei Jahren festsetzen werden, was einer Verkürzung auf die Hälfte gleichkommt. Für Spezialisten, deren Arbeitsverhältnis rasch einen festen Charakter annimmt, soll die Frist höchstens sechs Monate betragen. Da nicht mit Sicherheit vorauszusehen ist, welche Folge diese neue Begelung haben wird, hat die schweizerische Delegation erklärt, die Bundosbehörden müssten sich vorbehalten, auf diese Frist zurückzukommen, und sie gegebenenfalls ändern (vgl. Ziffer II der «Gemeinsamen Erklärungen»).

Artikel 18, Absatz 2 bestimmt ausdrücklich, dass die Bewilligung zum Nachzug der Familie nur erteilt wird, wenn dorn Arbeitnehmer für seine Familie eine angemessene Wohnung zur Verfugung steht. Durch diese Bestimmung soll einmal verhindert werden, dass eine unkontrollierte Zureise von Familienangehörigen zu polirei- und sittenwidrigen Zuständen im Wohnungswesen
führt.

Zudem muss dafür Sorge getragen werden, dass die Zureise der Familien nur nach Massgabe der auf dem Wohnungsmarkt gegebenen Möglichkeiten bewilligt wird. Es ist dabei im besonderen darauf zu achten, dass die Beschaffung von Wohnraum für die Familien ausländischer Arbeitskräfte nicht zu Lasten der bisherigen Mieter geht.

Die Verbesserung der Rechtsstellung der Arbeitskräfte mit mehr als fünfjährigem Aufenthalt, und die Bestimmung über den Familiennachzug stellen die wesentlichen Neuerungen des Abkommens dar, die auch in der Öffentlichkeit am meisten diskutiert wurden. Sie entsprechen durchwegs den Empfehlungen der Studienkommission für das Problem der ausländischen Arbeitskräfte, deren

ion Bericht vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit übergeben wurde. Auch die Studienkormnission ist der Auffassung, dass den kontrollpflichtigen Ausländern nach einer gewissen Zeit eine vermehrte Freizügigkeit eingeräumt, dass den Saisonarbeitern nach langjährigem Aufenthalt eine Ganzjabresbewilligung erteilt und der Familiennachzug erleichtert werden sollten.

Die Erleichterungen auf dem Arbeitsmarkt, dio den Arbeitskräften mit mehr als fünfjährigem Aufenthalt gewährt werden, beeinflussen die Zahl der bei uns als Arbeitnehmer tätigen Auslander nicht. Sie tragen doshalb auch nicht zur Verschärfung der Überfrerndungsgefahr bei. Dagegen geben wir uns Eechenschaft, dass der Familiennachzug die Zahl der Ausländer erhöhen wird und schwierige Probleme in bezug auf den Wohnungsmarkt aufwirft. Wir werden darauf später zurückkommen.

IV. Erläuterungen zum Abkommen, zum Schlussprotokoll und zu den «Gemeinsamen Erklärungen» Nachdem wir vorstehend die wichtigsten Neuerungen des Abkommens dargelegt haben, sollen nunmehr die einzelnen Bestimmungen des Abkommens und des Schlussprotokolls artikelweise erläutert werden.

1. Geltungsbereich (Art.l) Das Abkommen findet grundsätzlich Anwendung auf alle italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz. Dieser Grundsatz erfahrt jedoch verschiedene Einschränkungen.

Auf Grenzgänger ist das Abkommen nur soweit anwendbar, als diese nicht besonderen Bestimmungen unterstehen, soi es auf Grund bilateraler Abkommen, sei es in Anwendung schweizerischer Vorschriften über die Zulassung von Grenzgängern.

Sodann sind die verschiedenen Abschnitte des Abkommons ihrem Inhalt nach nicht gleichmässig auf alle italienischen Arbeitskräfte anwendbar. So bezieht sich Abschnitt II (Anwerbung in Italien) sinngemass nur auf Arbeitskräfte, die in Italien unter Mitwirkung der italienischen Behörden angeworben werden, während sich Abschnitt III (Bückerstattung der Beisekosten) auch auf Arbeitskräfte bezieht, die ein Arbeitgeber ohne Mitwirkung der italienischen Behörden aus Italien, kommen lässt. Die Abschnitte IV (Zulassung in der Schweiz), V (Arbeitsbedingungen und Soziahnassnahmen), VI (VoÜzugsbestimmungen) und VII (Schlussbostimmungen) betreffen alle italienischen Arbeitnehmer ohne Bücksicht darauf, ob ihre Anstellung auf offiziellem oder anderem Wege, in Italien oder au Ort und Stelle in der Schweiz,
erfolgt ist.

2. Die Anwerbung in Italien (Art. 2-8) Die Artikel 8-10 regeln das Verfahren, nach welchem die Arbeitgeber Arbeitskräfte in Italien anwerben können. Die in der Vereinbarung von 1948 enthaltenen Vorschriften wurden ohne nennenswerte Änderungen übernommen.

1012 Diese Kekrutierungsvorschriften haben heute nicht mehr die Bedeutung wie nach Ende des Zweiten Weltkrieges, da die Bestimmungen über die Abgabe der Ausweispapiere, die Grenzformalitäten usw. wesentlich vereinfacht wurden.

Immerhin haben diese Eokrutierungsvorschriften nach wie vor eine Bedeutung für einzelne Wirtschaftszweige.

Art. 2. Zulässige Gesuche. Wie bisher haben die Arbeitgeber bei der offiziellen Anwerbung von Arbeitskräften in Italien um Mitwirkung der italienischen Amtsstellen nachzusuchen. Nach der italienischen Gesetzgebung dürfen nämlich ohne Zustimmung der, italienischen Behörden keine Bekrutierungshandlungen vorgenommen werden. Doch bleibt es den Arbeitgebern unbenommen, Arbeitskräfte anzustellen, mit denen sie auf Grund persönlicher Beziehungen die Verbindung aufgenommen haben, oder die sich ohne ihr Zutun bei ihnen um Arbeit bewerben. Die Stellenvermittlungsbüros schweizerischer Berufsverbände oder gemeinnütziger Organisationen können den italienischen Behörden ebenfalls Gesuche um Zuweisung von Arbeitskräften unterbreiten. Dagegen sind Gesuche von gewerbsmässigen Arbeitsvermittlungsstellen nicht zulässig, da nach der italienischen Gesetzgebung die geworbsraässige Arbeitsvermittlung verboten ist.

Es versteht sich von selbst, dass die italienischen Behörden die aus der Schweiz eingehenden Gesuche nur in dem Mass berücksichtigen können, als auswanderungswillige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die Bestimmung von Artikel 2, wonach die italienischen Behörden bei der Anwerbung von Arbeitskräften die schweizerischen Bedürfnisse berücksichtigen, ist in diesem Sinne zu verstehen. Die Bekrutierungsmöglichkeiten in Italien richten sich somit immer nach der jeweiligen Arbeitsmarktlage in Italien.

Art. 3 und 4. Zahlenmässige und namentliche Gesuche. Diese beiden Artikel regeln das Vorgehen bei der Anwerbung. Die Gesuche können sich auf eine bestimmte Anzahl nicht mit Namen bezeichneter Arbeitskräfte oder aber auf bestimmte, mit Namen bezeichnete Arbeitskräfte beziehen. Die Beschränkung auf fünf namentlich genannte Arbeitnehmer wurde fallen gelassen, Angesichts der Schwierigkeiten, der die Anwerbung von Arbeitskräften in bestimmten Gegenden Italiens begegnet, können sich die italienischen Behörden nicht verpflichten, die benötigten Arbeitskräfte in der vom Arbeitgeber bezeichneten
Gegend anzuwerben; allenfalls muss der Arbeitgeber in Kauf nehmen, dass die Bekrutierung auch auf andere Gegenden ausgedehnt wird.

Art. 5. Dienst v er trag. Mit jedem Gesuch hat der Arbeitgeber der zuständigen italienischen Vertretung einen auf amtlichem Formular ausgestellten Dienstvertrag vorzulegen, dessen Wortlaut und Bestimmungen von den italienischen Behörden im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ausgearbeitet werden.

Art. 6 und 7. S i c h t v e r m e r k . In diesen Artikeln werden die Bedingungen umschrieben, unter denen die zuständige italienische Vertretung den

1018 Sichtvermerk aul den Dienstverträgen anbringt. Die dafür von der italienischen Vertretung erhobene Gebühr wurde unverändert auf 10 Franken für jeden Vertrag belassen. Die italienische Eegierung wird den Ertrag dieser Gebühren zur Unterstützung italienischer Arbeitnehmer in der Schweiz verwenden (vgl.

Schlussprotokoll, Ziffer I).

Art. 8. Abgabe des Passes. Die italienischen Behörden sind gehalten, den italienischen Arbeitskräften gegen Vorweisung des mit dem Sichtvermerk der italienischen Vertretung in der Schweiz versehenen Dienstvortrages den Pass auszuhändigen, sofern nach italienischem Eecht die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

3. Rückerstattung der Reisekosten (Art.9) Wie nach der Vereinbarung von 1948, ist der Arbeitgeber auch gemäss Artikel 9 des neuen Abkommens verpflichtet, den auf seine Veranlassung aus Italien einreisenden Arbeitskräften die Eeisekosten zurückzuerstatten. Diese Verpflichtung besteht auch gegenüber Arbeitnehmern, die nicht nach dem offiziellen Verfahren, sondern auf ein Anstellungsvorsprechen des Arbeitgebers hin in die Schweiz einreisen. Die Bückerstattungspfhcht bezieht sich nur auf die Herreisekosten und schliesst sowohl dio in Italien als auch dio in der Schweiz zurückgelegte Strecke ein.

Die Vereinbarung von 1948 sprach sich nicht darüber aus, innert welcher Frist die Beisespesen zurückerstattet werden müssen. In der Praxis war es üblich geworden, sei beim Stellenantritt zu bezahlen, spätestens aber innerhalb von drei Monaten. Das neue Abkommen legt dafür eine Frist von einem Monat fest.

Auch nach dieser Frist kann sich der Arbeitgeber schadlos halten durch Verrechnung der bezahlten Eeisespesen mit der Lohnschuld, falls der Arbeitnehmer seine Stelle vor Ablauf der vertraglichen Dauer unrechtmässig verlässt.

Ist ein Arbeitnehmer unter Mitwirkung italienischer Amtsstellen angeworben worden, so übergeben diese dem Arbeitnehmer einen Beisegutschein für die italienische Strecke und teilen gleichzeitig dem Arbeitgeber den zurückzuerstattenden Betrag mit. Der Arbeitgeber hat den Betrag des Beisegutschoines den italienischen Behörden innerhalb eines Monats zurückzuerstatten. Geht die Mitteilung der italienischen Behörde dem Arbeitgeber nicht binnen drei Wochen zu, so kann sich der Arbeitgeber gemass Ziffer II des Schlussprotokolls dieser Verpflichtung durch
Eückerstattung der Eeisekosten an den Arbeitnehmer entledigen.

4. Zulassung in der Schweiz (Art,10-14) Art. 10. Einreise- und A u f e n t h a l t s b e d i n g u n g e n . Die Einreiseund Aufenthaltsbedingungen fin- italienische Arbeitnehmer richten sich nach der schweizerischen Gesetzgebung und den von der Schweiz eingegangenen internationalen Verpflichtungen. Artikel 10, Absatz l, beschränkt sich darauf, auf

1014 diese Bechtsgrundlagen hinzuweisen. Absatz 2 von Artikel 10 behält ausdrücklich Artikel 2, Absatz 2, der Erklärung vom 5.Mai 1984 vor, wonach die Niederlassungsbewilligung erst nach zehn Jahren erteilt wird.

Art.11. A r b e i t s k r ä f t e mit f ü n f j ä h r i g e m A u f e n t h a l t in der Schweiz. Auf Grund dieser neuen Bestimmung werden den Arbeitskräften nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren in der Schweiz folgende Vergünstigungen gewährt : a. Sie haben Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz ; b. sie erhalten in jedem Kanton die Bewilligung zum Stellen- und Berufswechsel als unselbständig Erwerbende ; c. ihre Aufenthaltsbewilligung wird zweimal für jeweilen zwei Jahre und anschliessend daran für die bis zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung notwendige Frist verlängert.

Diese Vergünstigungen werden ohne Eücksicht auf die Lage des Arbeitsmarktes gewährt, ausser wenn der Berufszweig des Arbeitnehmers von schwerer Arbeitslosigkeit betroffen ist, und die Arbeitslosigkeit in der Gegend, in dor der Arbeitnehmer beschäftigt ist, sich über den ganzen "Wirtschaftszweig erstreckt.

In diesem Falle kann dem Arbeitnehmer die Tätigkeit im bisherigen Beruf verweigert werden, doch hat er dann Anrecht auf Verlängerung seiner Bewilligung zum Antritt einer Stelle in einer ändern Gegend oder in einem andren Beruf, die nicht von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Nur wenn der Arbeitnehmer mangels der notwendigen Fähigkeiten zur Ausübung einer ändern Berufstätigkeit oder zufolge allgemeiner Arbeitslosigkeit keinerlei Arbeit findet, kann die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung verweigert werden, so dass er die Schweiz verlassen muss. In Ergänzung dieser Bestimmung wird unter Ziffer VII des Schlussprotokolls näher ausgeführt, dass, falls dio Aufenthaltsbewilligung eines gegen Arbeitslosigkeit versicherten Arbeitnehmers nicht verlängert werden kann, die Ausreisefrist so anzusetzen ist, dass er zum mindesten seinen Bechtsanspruch auf die Versicherungsleistung ausschöpfen kann.

Diese Vergünstigungen beeinträchtigen in keiner Weise den Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 1964 oder die an seine Stelle tretenden Beschlüsse, da im Abkommen die schweizerischen Vorschriften, welche die Zulassung ausländischer
Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses beschränken, vorbehalten bleiben. Nach Ziffer IV/1 des Schlussprotokolls werden die schweizerischen Behörden diesen Vorbehalt nur anrufen, wenn dies im Einzelfall notwendig ist und sich bemühen, in solchen Fällen die günstigste Behandlung zu gewähren, welche nach schweizerischem Eecht möglich ist.

A r t . 12. S a i s o n a r b e i t s k r ä f t e . Nach Artikel 12 haben Saisonarbeitskräfte, die im Verlaufe von fünf aufeinanderfolgenden Jahren während mindestens 45 Monaten als Saisonarbeiter beschäftigt waren, Anspruch auf eine Jahresbewilligung. Von diesem Becht kann jedoch nur Gebrauch gemacht werden, wenn der Saisonarbeiter in seinem bisherigen Beruf einen Arbeitgeber findet,

1015 der bereit ist, ihn während dee ganzen Jahres zu beschäftigen. Mit der Erteilung einer Jahresbewilligung haben Saisonarbeiter innerhalb dergleichen Frist wie die übrigen italienischen Arbeitskräfte Anspruch auf die Vergünstigungen nachMassgäbe von Artikel 11. Die als Saisonarbeiter in der Schweiz verbrachton Monate werden auf die für die Gewährung der Vorzugsbehandlung vorgeschriebenen Fristen angerechnet. In Ziffer V des Schlussprotokolls wird näher ausgeführt, wie sich diese Bestimmung auswirkt. Ein Saisonarbeiter, der beispielsweise während fünf aufeinanderfolgenden Jahren während insgesamt 9 Monaten in der Schweiz tätig war, erhält, falls er eine Jahresstelle findet, eine Ganzjahresbewilligung, muss aber noch 11 Monate warten, bis er in den Genuss der in Artikel 11 vorgesehenen Vergünstigungen gelangt. Solche Arbeitskräfte können auch die Familie nachkommen lassen; die als Saisonarbeiter verbrachte Zeit wird ihnen auf die für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung erforderliche Aufenthaltsdauer angerechnet.

Die Massnahmen zur Beschränkung der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte bleiben selbstverständlich auch in diesem Falle vorbehalten. Im übrigen bleiben die auf Saisonarbeitskräfte anzuwendenden Vorschriften unverändert.

In Ziffer I der «Gemeinsamen Erklärungen» hat die schweizerische Delegation der italienischen Delegation zur Kenntnis gegeben, dass die Bundesbohörden den Kantonen nahelegen werden, Saisonbewilligungen nur zu erteilen, wenn die Beschäftigung tatsächlich Saisoncharakter hat. Diese Empfehlungen bezwecken aber nicht, das Saisonnierstatut zu ändern, sondern sie sollen lediglich verhindern, dass die bestehenden Vorschriften nicht ihrem eigentlichen Sinne entsprechend angewendet werden.

Art.18. Familiennachzug. Das Abkommen legt nur die allgemeinen Grundsätze für den Familiennachzug fest. Der italienische Arbeitnehmer kann seine Ehefrau und die minderjährigen Kinder nachziehen und mit ihnen in der Schweiz gemeinsamen Wohnsitz nehmen, sobald sein Aufenthalts- und sein Arbeitsverhältnis als genügend gefestigt und dauerhaft zu betrachten sind. Die Bewilligung wird aber nur erteilt, wenn dem Arbeitnehmer für seine Familie eine angemessene Wohnung zur Verfügung steht.

Wie bereits oben dargelegt, bestimmt das Abkommen nicht, in welchem Zeitpunkt der Aufenthalt und das
Arbeitsverhältnis als genügend gefestigt und als dauerhaft gelten können. Nachdem schon seit längerer Zeit eine Herabsetzung der bisherigen dreijährigen Frist in Erwägung gezogen worden war, eine entsprechende Weisung hätte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in eigener Kompetenz den Kantonen erteilen können - hat die schweizerische Delegation in Ziffer II der «Gemeinsamen Erklärungen» der italienischen Delegation zur Kenntnis gebracht, dass die zuständigen Bundesbehördeu den kantonalen Behörden Weisung erteilen werden, den Aufenthalt und das Arbeitsverhältnis der italienischen Arbeitskräfte nach einem achtzehnmonatigen Aufenthalt in der Schweiz als genügend gefestigt und dauerhaft zu betrachten, um den Familiennachzug zu gestatten. Die Angehörigen eines Spezialarbeiters

1016 können, wie dies schon bisher der Fall war, innert sechs Monaten nach Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zugelassen werden, da der Aufenthalt und das Arbeitsverhältnis solcher Arbeitskräfte von Anfang an durch eine grössere Dauerhaftigkeit gekennzeichnet ist. In Einzelfällen kann beim Vorliegen schwerwiegender Umstände der Familiennachzug innert kürzerer Frist bewilligt werden.

Ferner kann, ebenfalls nur in Einzelfällen, der Nachzug der Verwandten des Arbeitnehmers oder seiner Ehefrau in aufsteigender Linie bewilligt werden, falls ein ablehnender Entscheid als besonders hart erscheinen könnte. Solche Ausnahmen in besonders gelagerten Einzelfällen wurden schon bisher gewährt.

Die schweizerische Delegation hat indessen ausdrücklich erklärt, dass sich die Bundesbehö'rden vorbehalten müssen, die Frist von achtzehn Monaten je nach den Umständen abzuändern, da sich die Schweiz die Freiheit wahren muss, Artikel 18 den Landesinteressen entsprechend anzuwenden.

Im übrigen erfolgt der Familiennachzug nicht automatisch nach achtzehn Monaten; er ist an gewisse Bedingungen geknüpft. Gemäss Artikel 18, Absatz 2, des Abkommens muss dem Arbeitnehmer für seine Familie eine angemessene Wohnung zur Verfügung stehen ; ist diese Bedingung nicht erfüllt, so wird dio Bewilligung verweigert. Nach Ziffer II der «Gemeinsamen Erklärungen» haben sich die zuständigen Behörden ausserdem zu. vergewissern, ob dio mit den Eltern in der Schweiz anwesenden Kinder genügend beaufsichtigt oder befriedigend untergebracht sind, falls beide Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nachgehen.

Ferner darf das persönliche und berufliche Verhalten des Arbeitnehmers zu keinen von den Behörden als begründet erachteten Klagen Anlass gegeben haben. Andernfalls kann die Bewilligung verweigert werden.

Art. ]4. Sanitarische Untersuchung. Artikel 14 stellt wie die Vereinbarung von 1948 lediglich den Grundsatz auf, dass sich die sanitarische Untersuchung auf das Notwendigste zu beschränken hat und dem Arbeitnehmer daraus keine Kosten erwachsen. In Ziffer VI des Schlussprotokolls wird umschrieben, wie der Ausdruck «das Notwendigste» zu verstehen ist : Es handelt sich dabei um die zur Feststellung ansteckender Krankheiten, insbesondere der Tuberkulose und Syphilis, notwendigen Untersuchungen, auf die bei der grenKsanitariBchen Kontrolle hauptsächlich
geachtet wird.

Gegenwärtig findet die sanitarische Untersuchung für Saisonarbeiter nicht bei jeder Einreise, sondern nur alle 15 Monate statt. Die italienische Delegation hatte eine weniger häufige sanitarische Untersuchung für die Saisonarbeiter gewünscht. Diesem Wunsche konnte jedoch nicht entsprochen werden. Wie aus Ziffer VI des Schlussprotokolls hervorgeht, haben sich die Bundesbehörden den Entscheid darüber vorbehalten, in welchen Abständen diese Untersuchungen im Interesse der Arbeitnehmer selbst und des Öffentlichen Gesundheitsschutzes zu wiederholen sind. Arbeitnehmer, die beim Grenzübertritt einen mit einem früheren Aufenthalt in der Schweiz zusammenhängenden Krankhcitsbefund aufweisen, werden nicht zurückgewiesen. Es entspricht einem Gebot der Billigkeit, dass solche Arbeitnehmer sich in der Schweiz kurieren lassen können.

1017 5. Arbeitsbedingungen und Sozialm assnahmen (Art. 15-19) Dieser Abschnitt enthält verglichen mit der Vereinbarung von 1948 nur wenig neue Bestimmungen.

A r t . 15. Gleichbehandlung und Kontrolle der Anstellungsbedingungen. Die Absätze l und 2 dieses Artikels bestätigen den bereits in der Vereinbarung von 1948 enthaltenen Grundsatz der Gleichstellung der italienischen Arbeitskräfte mit den einheimischen Arbeitnehmern in bezug auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen, die Anwendung der Gesetzgebung über den Arbeitnehmerschutz, die Unfallverhütung und die Gesundheitsvorsorge. Dieser Grundsatz, der ebenfaEs im Abkommen mit Spanien niedergelegt wurde, wird von der Schweiz gegenüber allen Ausländern angewandt.

Nach Artikel 15, Absatz 8, ist es Sache der für die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte zuständigen Behörde, sich bei der Prüfung der ßewilligungsgosuche zu vergewissern, ob die Lohn- und Arbeitsbedingungen dem Grundsatz der Gleichbehandlung im Eahmen der in der Schweiz geltenden Vorschriften entsprechen.

Auf Wunsch der italienischen Delegation wurde der Grundsatz der Gleichstellung auf das Wohnungswesen ausgedehnt, was sich weitgehend mit den bei uns bereits bestehenden Vorschriften deckt. Wie aus Ziffer III der « Gemeinsamen Erklärungen» hervorgeht, ist die Gleichbehandlung vollkommen verwirklicht auf dem Gebiet des Mieterschutzes, Ausserdem haben die zuständigen kantonalen und Gemeindebehörden auf Empfehlungen der eidgenössischen Behörden besondere Vorkehren getroffen, um sich zu vergewissern, dass für die ausländischen Arbeitskräfte angemessene Unterkünfte bereitstehen. Sie schreiten ein, wenn ihnen berechtigte Beschwerden über unzulängliche Unterkunftsverhältnisse zugehen, um den bau- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften Nachachtung zu verschaffen oder offensichtliche Mietzinsüberforderungen zu vermeiden.

Die Mehrzahl der Kantone oder Gemeinden, die den Wohnungsbau subventionieren, befolgen den Grundsatz der Gleichbehandlung beim Vermieten subventionierter Wohnungen. In einigen Kantonen besteht jedoch in dieser Beziehung noch eine unterschiedliche Behandlung. Die schweizerische Delegation hat erklärt, die Bundesbehörden werden den Kantonen nahelegen, auch auf diesem Gebiet für Gleichbehandlung zu sorgen und anfällige Vorschriften abzuändern, die diesem Grundsatz widersprechen.
Dass die italienischen Arbeitskräfte jederzeit die Möglichkeit haben, gleich wie die einheimischen Arbeitnehmer, den zuständigen Vorwaltungs- oder Gerichtsbehörden Beschwerden betreffend die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu unterbreiten, ist selbstverständlich. Um allfällige Lücken zu beseitigen, bestimmt Artikel 15, Ziffer 4, dass sie sich bei Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis, die nicht vor ihrer Ausreise aus der Schweiz erledigt werden konnten, vor Gericht vertreten lassen können. Darnach dürfen die Vorschriften der kantonalen Zivilprozessordnungen, die das persönliche Erscheinen der Parteien fordern oder das Vertretungsrecht für gewisse Gerichte einschränken, nicht dazu führen, dass Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. II.

70

1018 italienische Arbeitnehmer nach Verlassen der Schweiz ihre Interessen vor Gericht nicht mehr vertreten können.

Art. 16. Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.

Art.16 verschafft den italienischen Arbeitskräften, die nach fünfjährigem ordnungsgemässem und ununterbrochenem Aufenthalt in der Schweiz in den Genuss der Vergünstigungen gemäss Art. 11 dieses Abkommens kommen, den Zugang zur öffentlichen Arbeitsvermittlung und zur Arbeitslosenversicherung. Diese neue Sachlage ergibt sich aus der Vorzugsstellung, die diese Arbeitskräfte hinsichtlich Aufenthalt und Erwerbstätigkoit gemessen; sie entspricht der schweizerischen Gesetzgebung über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung.

Wie in Ziffer VII des Schlussprotokolls festgehalten wird, ist es Sache der Kantone, ob sie den Beitritt zur Arbeitslosenversicherung obligatorisch erklären wollen. Die in die Arbeitslosenversicherung aufgenommenen italienischen Arbeitskräfte haben im Falle von Arbeitslosigkeit dieselben Ansprüche wie Schweizerbürger.

Art. 17, Sozialversicherung. Diese Bestimmung, die der Vollständigkeit halber aufgenommen wurde, verweist auf das Sozialversicherungsabkommen zwischen der Schweiz und Italien vom 14.Dezember 1962, das am I.September 1964 in Kraft getreten ist.

Art. 18. Anpassung an die Lebcnsgewohnheiten. In den letzten Jahren wurden vermehrte Anstrengungen unternommen, um den italienischen Arbeitnehmern die Anpassung an die neuen Arbeits- und Lebensgewohnheiten zu erleichtern. Dieser Frage kommt unter den heutigen Verhältnissen, wie auch der Bericht der Studienkommission für das Problem der ausländischen Arbeitskräfte hervorhebt, je länger je mehr Bedeutung »u. Wie die Erfahrung zeigt, bedürfen die Betreuungsmassnahmen gemeinsamer Anstrengungen aller beteiligten Kreise. Art. 18 weist auf die Notwendigkeit der Koordination hin. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit hat sich dieser Aufgabe bereits angenommen. Private Körperschaften können mit Zustimmung der schweizerischen Behörden ebenfalls mitwirken.

A r t . 19. Ü b e r w e i s u n g von Ersparnissen. Eine entsprechende Bestimmung, welche die freie Überweisung von Ersparnissen nach Italien gewährleistet, war bereits in der Vereinbarung von 1948 enthalten. Sie wurde durch einen Hinweis auf das inzwischen in Kraft getretene Europäische
Währungsabkommen vom 5. August 1955 ersetzt.

6. Vollzugsbestimmungen (Art.20-22) Art. 20. Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene. Die zuständigen Behörden der beiden Länder treffen gemeinsam die Massnahmen, die für ihre Zusammenarbeit beim Vollzug des Abkommens erforderlich sind. Diese Zusammenarbeit schliesst den regelmässigen Austausch von Informationen ein.

1019 Art. 21. Beschwerden. Schon bisher wurden Klagen einzelner Arbeitnehmer durch Vermittlung der italienischen diplomatischen oder konsularischen Vertretungen in der Schweiz den zuständigen schweizerischen Behörden übermittelt, damit diese dio Angelegenheit untersuchen und gegebenenfalls Abhilfe schaffen können. Oft handelt es sich um Angelegenheiten von geringer Bedeutung, die vielfach auf ungenügende Aufklärung oder auf Sprachschwierigkeiten zurückzuführen sind und meist gütlich beigelegt werden können, ohne dass der Arbeitnehmer den Rechtsweg beschreitcn muss.

Art. 22, Gemischte Kommission. Schon die bisherige Vereinbarung sah eine Gemischte Kommission vor zur Behandlung der sich bei der Auslegung und Anwendung der Vereinbarung ergebenden Schwierigkeiten. Sie kann sich mit allen Fragen befassen, die sich aus der Einwanderung italienischer Arbeitskräfte und ihrer Familien ergeben und gegebenenfalls den beiden Regierungen auch Vorschläge unterbreiten, Angesichts der vielschichtigen Probleme, welche die Anwesenheit zahlreicher italienischer Arbeitskräfte mit sich bringt, ist zu erwarten, dass der Gemischten Kommission in Zukunft grössero Bedeutung zukommen wird als bisher.

7. Schlussbestimmungen (Art. 23) Artikel 28 regelt die Ratifikation, den Austausch der Ratifikationsurkunden, die Inkraftsetzung und die Kündigung des Abkommens. Dieses tritt am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden in Kraft. Hiernach gilt es als stillschweigend für je ein Jahr verlängert, sofern es nicht sechs Monate vor Ablauf der jeweiligen Geltungsdauer auf Jahresende gekündigt wird.

Nachdem sich die Verhandlungen mehr als drei Jahre hingezogen hatten, wurde auf Wunsch der italienischen Delegation eine Bestimmung aufgenommen, wonach das Abkommen ab 1. November 19G-4 provisorisch angewendet werde.

Dieses Vorgehen, einen ratifikationsbedürftigen Vertrag schon vor seiner Katifizierung provisorisch anzuwenden, ist nicht nou und wurde bisher von den eidgenössischen Räten auch nicht beanstandet. So enthalten zahlreiche von der Schweiz abgeschlossene Handels- und Nationalisierungsabkommon, wie z. ß.

der kurzlich mit der Voreinigten Arabischen Republik unterzeichnete Vertrag, Klauseln dieser Art. Auch das Einwandcrungsabkommen mit Spanien von 1961, das wie dasjenige mit Italien die provisorische Anwendung vorsieht,
wurde weder anlässlich der Genehmigung durch die eidgenössischen Räte noch in der Öffentlichkeit beanstandet, da die Genehmigung durch das Parlament immer vorbehalten bleibt. Diese Klausel ist inzwischen gegenstandslos geworden. Nachdem vorgesehen worden ist, das Abkommen in einem beschleunigten Verfahren zu behandeln, so dass es im Falle der parlamentarischen Genehmigung und nach anschliessendem Austausch der Ratifikationsurkunden auf I.Januar 1965 in Kraft treten konnte, haben wir nach Orientierung der italienischen Regierung davon abgesehen, es provisorisch anzuwenden.

1020 8. «Gemeinsame Erklärungen»

Wie bereits dargelegt, bedürfen die « G-emeinsamon Erklärungen» der parlamentarischen Genehmigung nicht. Die Ziffern I, II und III dieser Erklärungen, die das Saisonarbeitsverhältnis, den Familiennachzug und die Unterkunftsverhältnisse betreffen, wurden bereits bei der Erläuterung der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens behandelt. Die Übrigen Ziffern beziehen sich auf die Besteuerung des Arbeitseinkommens (Ziffer IV), die Schulung der Kinder italienischer Arbeitskräfte (Ziffer V) und die Tragung der Kosten für die Überführung der Leichen der in der Schweiz verstorbenen italienischen Arbeitnehmer (Ziffer VI). Da für die Steuer- und Schulfragen in erster Linie die Kantone zuständig sind, hat sich die schweizerische Delegation bereit erklärt, die italienischen Wünsche den kantonalon Behörden bekanntzugeben und ihnen zu empfehlen, sie nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Beim letzten Punkt handelt es sich um eine Frage, die erst in der letzten Verhandlungsphase aufgeworfen wurde.

Die schweizerische Delegation hat den Wunsch der italienischen Delegation, die Schweiz möchte für die Kosten des Leichentransportes bis zur Schweizergrenze aufkommen, entgegengenommen und eine wohlwollende Prüfung zugesagt.

V. Würdigung des Abkommens

Für eine abschhesscnde Würdigung des Abkommens stellen sich vor allem zwei Fragen: Ist das Abkommen angemessen und für die Schweiz tragbar und ist dor Zeitpunkt für den Abschluss richtig gewählt worden ? Eine richtige Beurteilung des Abkommens ist nur möglich, wenn man von don Tatsachen ausgeht und den Mut hat, ihnen, auch wenn sie uns nicht gefallen, ins Auge zu schauen.

1. Bekanntlich haben sich in der Nachkriegszeit tiefgreifende Strukturwandlungen auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt vollzogen. Die stürmische Entwicklung der Wirtschaft und das ständige Wachstum des Sozialproduktes waren nur möglich dank Hunderttausonden von Ausländern. Wir müssen uns darüber Eochenschaft geben, dass wir auf Jahre hinaus auf die Beschäftigung einer grossen Anzahl Ausländer angewiesen bleiben und dass die Auslander zu einem unentbehrlichen Faktor unserer Wirtschaft geworden sind. Volk und Behörden sind einhellig der Auffassung, dass nunmehr die obere Grenze erreicht, ja sogar überschritten ist. Durch Beschlüsse vomì.März 1963 und 2] .Februar 1964 über dio Beschränkung der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte haben wir versucht, den weiteren Zustrom einzudämmen. Wenn auch die Zunahme absolut und relativ geringer geworden ist als in don vorangehenden Jahren, so ist es bis jetzt nicht gelungen, ein weiteres Anwachsen zu verhindern. Wirksamere Massnahmen drängen sich deshalb gebieterisch auf.

Auf der ändern Seite müssen wir uns mit der Tatsache abfinden, dass die eingetretenen Strukturwandlungen nicht von heute auf morgen rückgängig gemacht werden können. Da, wie auch die Studienkommission für das Problem

1021 der ausländischen Arbeitskräfte festgestellt hat, auf längere Zeit hinaus auf diese Arbeitskräfte nicht verzichtet werden kann und da sich der Mangel an Arbeitskräften, besonders an qualifizierten, in immer stärkerem Masse in allen europäischen Ländern immer mehr geltend macht, müssen wir dafür sorgen, dass unserer Wirtschaft die seit einer Eeihe von Jahren bei uns tätigen Arbeitskräfte erhalten bleiben. Bewährte Arbeitskräfte, die unser Land verlassen, können nicht oder nur durch weniger qualifizierte Ausländer ersetzt werden. Unter diesen Umständen wäre es nicht zu verantworten, die notwendig gewordene Neuregelung noch länger hinauszuschieben, da dies unserer Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Arbeitsmarkt und der Produktivität unserer Wirtschaft abträglich wäre.

Dazu kommt noch eine andere, nicht weniger wichtige Überlegung. Wir haben die Dinge jahrelang fast ausschliesslich unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet. Es ist Zeit, dass wir auch den menschlichen Aspekten vermehrte Aufmerksamkeit schenken. Wir können nicht nur die aktive Bevölkerung des Nachbarlandes hereinlassen, ihren Angehörigen aber die Türe weisen. Wir können nicht Arbeitnehmern, die sich während fünf Jahren bewährt haben, noch während weitem fünf Jahren bis zur Erlangung der Niederlassung den Berufs- und Stellenwechsel versagen. Wir können aber auch nicht Saisonarbeiter, die während fünf aufeinanderfolgenden Jahren regelrnässig in der Schweiz gearbeitet haben, von allen Vergünstigungen ausschliessen, die den übrigen Arbeitnehmern gewährt werden. In diesen drei Punkten waren Lockerungen fällig, wenn wir uns nicht dem Odium aussetzen wollen, dass wir zum Nutzen unserer Wirtschaft Hunderttausende von ausländischen Arbeitskräften beiziehen, aber nicht bereit sind, ihnen die Eechte und Vergünstigungen einzuräumen, die ihnen billigerweise nicht versagt werden können.

2. Das neue Abkommen hat in der Öffentlichkeit zu zahlreichen Bedenken Anlass gegeben, die sich sowohl auf seinen Inhalt wie auf seine zahlenmässigen Auswirkungen beziehen. Die materielle Tragweite des Abkommens darf nicht überschätzt werden. Wie bei den Erläuterungen der einzelnen -Bestimmungen gezeigt wurde, handelt es sich vielfach um die Kodifizierung eines bereits bestehenden faktischen Zustandes. In einzelnen Kantonen war die Praxis sogar
weitherziger.

Auch die zahlenmässigen Auswirkungen halten sich in tragbaren Grenzen.

Obsohon es nicht möglich ist, genaue Berechnungen anzustellen, lässt sich die Grössenordnung emigermassen zuverlässig schätzen.

Wir kennen die Zahl der Arbeitskräfte mit mehr als fünf Jahren Aufenthalt nicht genau. Die letzte Erhebung über die Aufenthaltsdauer der ausländischen Arbeitskräfte stammt aus dem Jahre 1959 und kann heute nicht mehr als repräsentativ gelten, weil sich in der Zwischenzeit die durchschnittliche Aufenthaltsdauer verlängert hat. Es kann angenommen werden, dass von den rund 224 000 italienischen Arbeitskiäften mit Ganzjahresbewilligung annähernd 40 000 bis 50 000 mehr als fünf und weniger als zehn Jahre in der Schweiz anwesend sind

1022 und somit beim Inkrafttreten des Abkommens mit. einem Schlag in den Genuss der verbesserten Rechtsstellung auf dem Arbeitsmarkt gelangen. Diese Zahl wird natürlich in den folgenden Jahren geringer sein, da immer nur ein Bruchteil der G anzjahresauf enthalt er die Voraussetzungen des mehr als fünfjährigen Aufenthaltes erfüllt.

Auch die Zahl der Saisonarbeiter, die während fünf aufeinanderfolgenden Jahren insgesamt mehr als 45 Monate in der Schweiz tätig waren, ist nicht bekannt, doch durfte diese Zahl nicht sehr hoch sein. Schon nach der geltenden Praxis wurden seit einigen Jahren, vor allem im Bau- und Gastgewerbe, aber auch in der Landwi -tschaft, unter bestimmten A'oraussetzungcn Saisonbewilligungen in Gauzjahrcsbewilligungen umgewandelt. Von den 159 000 in den Bauberufen tätigen Italienern waren im August 1964 14 000 im Genuss einer Ganzjahresbowilligmig. Schätzungen über die künftige Entwicklung sind kaum möglich; wir wissen nicht, wie viele Arbeitgeber im Baugewerbe in dor Lage sind, eine Ganzjahresbewilligung zuzusichern; ebensowenig lässt sich voraussehen, wieviele Saisonarbeiter, welche die Bedingungen erfüllen, von dieser Möglichkoit Gebrauch machen werdon. Nach den bisherigen Erfahrungen sind nicht wenige italienische Bauarbeiter, donon eine Ganzjahresbewilligung erteilt wurde, nachher wieder ausgereist.

Auch die Auswirkungen der Herabsetzung der Wartefrist für den Familiennachzug auf 18 Monate lassen sich aahleninassig nicht genau bestimmen, da sie von einer Beihe subjektiver und objektiver Umstände abhängen, die sich zum voraus nicht leicht abschätzen lassen. Immerhin lässt sich zeigen, dass die Befürchtungen wegen des Familiennachzuges bei weitem übertrieben sind.

Im August 1964 waren 176 000 männliche italienische Arbeitskräfte im Genuss einer Ganzjahresbewilligung. Die Zahl der Verheirateten kann mit rund 60 000 angenommen worden. Von den 60 000 Ehefrauen arbeiten rund 25 000 bereits in der Schweiz, 8000 weitere halten sich als Nichterwerbstätige bei uns auf und 7000 sind ehemalige Schweizerbürgerirmen, Es verbleiben somit ungefähr 20 000 Ehefrauen, von denen aber nur diejenigen für den sofortigen Nachzug aus Italien in Frage kommen, deren Ehemänner bereits seit mehr als 18 Monaton in der Schweiz tätig sind. Wieviele von diesen Frauen von der neuen Möglichkeit Gebrauch machen
und dem Ehegatten in die Schweiz nachfolgen werden, ist ungowiss.

Nach Abzug der Verheirateten bleiben 125 000 italienische Arbeitskräfte mit Ganzjahresbewilligimg, von denen der Hauptteil ledig ist. Wir kennen die Altersgliederung dieser Gruppe nicht, doch darf angenommen werden, dass der grössere Teil sich ira heiratsfähigen Alter befindet. Wie viele von ihnen sich in den nächsten Jahren verheiraten werden und von der Möglichkeit, die Ehefrau nachkommen zu lassen, Gebrauch machen werden, lässt sich nicht vorausberechnen. Auf jeden Fall sind dem Familiennachzug durch die Voraussetzung einer angemessenen Wohnung Grenzen gesetzt, und die zuständigen Behörden werden in Zukunft noch strenger darüber wachen müssen, dass diese Voraussetzung auch erfüllt wird.

1023 8. Es ist verschiedentlich der Einwand erhoben worden, das neue Abkommen stehe im Widerspruch zur Eindämmung der Uberfremdungsgefahr. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräften einerseits und der ausländischen Bevölkerung im ganzen, zu der auch die Angehörigen der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte sowie die Niedergelassenen gehören. Es muss mit Nachdruck darauf hingewiesen werden, dass der Bundesratsbeschluas vom 21. Februar 1964 über die Beschränkung der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte, der irreführonderweise als «Ausländerstopp» bezeichnet wird, durch das Abkommen in keiner Weise berührt wird.

Gestützt auf dieses Abkommen kann keine einzige ausländische Arbeitskraft zusätzlich in die Schweiz einreisen. Auch Ehefrauen und Kinder, die auf Grund des neuen Abkommens einreisen, dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie einen Arbeitgeber finden, der sie auf Grand der Plafonierung seines Gesamtpersonalbestandes beschäftigen darf.

Dass durch die Erleichterung des Familiennachzuges die ausländische Bevölkerung in der Schweiz weiter anwachsen wird, ist nicht zu bestreiten. Doch muss diese Konsequenz in Kauf genommen -werden, wenn wir uns der moralischen und menschlichen Forderung des Familiennachzuges nicht entschlagen wollen. Wenn wir Familienväter beschäftigen, können wir ihnen den Nachzug der Familie auf die Dauer nicht verweigern, sofern eine angemessene Wohnung zur Verfügung steht. Abhilfe kann nur dadurch gefunden werden, dass die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte auf ein Mass herabgesetzt wird, dass auch die Verheirateten unter ihnen mit der Familie zusammenleben können, ohne der Überfremdung weiteren Vorschub zu leisten.

4. Nachdem nach langen und mühsamen Verhandlungen endlich eine Lösung gefunden wurde, die für die Schweiz annehmbar war, konnte die Unterzeichnung des Abkommens nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Bekanntlich bestand eine Verbindung mit dem Sozialversicherungsabkommen, das von den Bäten im Jahre 1963 genehmigt wurde. Die Schweiz hatte sich ausdrücklich vorbehalten, dieses Abkommen, das inzwischen rückwirkend auf den I.Juni 1968 in Kraft getreten ist, erst zu ratifizieren, wenn auch das Einwanderungsabkommen unter Dach sei. Hätten wir mit der Unterzeichnung länger zugewartet, so hätte das Junktim
nicht auf die Dauer aufrecht erhalten werden können, und wir hätten wohl oder übel das Sozialversicherungsabkommen in Kraft setzen müssen, während die Einwanderungsfrage in der Schwebe geblieben wäre.

Seit der Aufnahme der Verhandlungen hat sich allerdings die Konjunktur m Italien abgeschwächt, so dass wieder in vermehrtem Masse italienische Arbeitskräfte, zum Teil sogar aus Oberitalien, zur Verfügung stehen. Dieser Umstand dürfte aber kaum von Dauer sein. Er kann jedenfalls keinen Grund bilden, den seit längerer Zeit in der Schweiz sich aufhaltenden italienischen Arbeitskräften gewisse Vergünstigungen vorzuenthalten, die ihnen billigerweise nicht versagt werden können.

1024 Das Einwanderungsabkommen ist in einem Zeitpunkt abgeschlossen worden, in welchem schweizerischerseits grosse Anstrengungen zur Konjunkturdämpfung eingeleitet wurden. In der Öffentlichkeit sind deshalb Befürchtungen laut geworden, dass die Schweiz mit diesem Abkommen die Meisterung des Konjunkturproblems aus der Hand gegeben habe. Zweifellos wird der Familiennachzug den Bedarf an Wohnungen, Schulhäusern und Spitälern vergrössern und uns nötigen, unsere Infrastruktur in einem Zeitpunkt auszubauen, in dem die wirtschaftlichen Kräfte bereits voll angespannt sind. Wie bereits dargelegt, erscheinen die geäusserten Befürchtungen über die Auswirkungen des Familiennachzuges als übertrieben. Sie dürfen uns keineswegs veranlassen, humanitäre Forderungen hintanzustellen.

Das Abkommen zieht die Konsequenzen aus der Entwicklung der letzten Jahre. Wir müssen uns endlich darüber Eechenschaft geben, dass die ausländischen Arbeitskräfte nicht nur wegen einer momentanen konjunkturellen Anspannung in die Schweiz gekommen, sondern zu einem unerlässlichen Faktor unseres Wirtschaftslebens geworden sind. Unsere zukünftige Zulassungspolitik wird sich nicht darauf beschränken können, nur die Einreise neuer Arbeitskräfte einzudämmen; sie wird in vermehrtem Masse darauf ausgerichtet werden müssen, die bewährten Arbeitskräfte zu erhalten und zu assimilieren. Die mit Italien getroffene Regelung bewegt sich in dieser Eichtung.

Die Verfassungsmässigkeit des vorgeschlagenen Bundesbeschlusses beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, der dem Bund das Becht zum Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland verleiht. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung beruht auf Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung. Da das Abkommen jeweils auf Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden kann, ist es gemäss Artikel 89, Absatz 3, der Bundesverfassung dem Eeferendum nicht unterstellt.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen: es sei das am 10. August 1964 zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossene Abkommen über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz durch die Annahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4,November 1964.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates : Der Bundespräsident: L. von Moos Der Bundeskanzler : Ch. Oser

1025 (Entwurf)

Bundesb eschluss betreffend die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf die Artikel 8 und 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4, November 1964, beschliesst :

Art. l 1

Das am 10. August 1964 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz wird genehmigt.

a Der Bundesrat wird ermächtigt, es zu ratifizieren,

Art. 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, die für die Anwendung des Abkommens notwendigen Vorschriften zu erlassen.

7840

1026

Abkommen zwischen

der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz

Der S c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t und Der P r ä s i d e n t der Italienischen Eepublik, vom Wunsche geleitet, die Vorschriften über die herkömmliche Wanderungsbewegung von Italien nach der Schweiz den heutigen Verhältnissen anzupassen, in Anbetracht der Notwendigkeit, die Anwerbung italienischer Arbeitskräfte und das Verfahren für ihre Ausreise nach der Schweiz zu vereinfachen und zu beschleunigen, in der Absicht, die Aufenthaltsbedingungen der italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz zu verbessern und ihnen die gleiche Behandlung wie den Schweizerbürgern hinsichtlich der Arbeitsbedingungen flu gewahrleisten, sind übereingekommen, die am 22. Juni 1948 zwischen den beiden Landern abgeschlossene Vereinbarung über die Einwanderung italienischer Arbeitskräfte in die Schweiz abzuändern und haben zu diesem Zweck zu ihren Bevollmächtigten ernannt : der Schweizerische Bundesrat Herrn Max Holz er, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit ; der Präsident der Italienischen .Republik Herrn Ferdinando Storchi, Unterstaatssekretär im Aussenministerium, die, nach gegenseitigem Austausch ihrer in guter und gehöriger Form befundenen Vollmachten, die folgenden Bestimmungen vereinbart haben :

I. Geltungsbereich Artikel l Das vorliegende Abkommen findet Anwendung auf die italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz, unter Vorbehalt der besonderen Bestimmungen über die Grenzgänger,

1027 II. Die Anwerbung in Italien Artikel 2 Zulässu/e Gesuche 1. In der Schweiz tätige Arbeitgeber, die in Italien Arbeitskräfte anwerben wollen, werden um die Mitwirkung der zuständigen italienischen Amtsstellen nachsuchen. Die GeBuche können für eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften oder für namentlich bezeichnete Personen eingereicht werden.

2. Die schweizerischen Bcrufsverbände und gemeinnützigen Vereinigungen, die nach schweizerischem Recht zur Arbeitsvermittlung ermächtigt sind, können ebenfalls Gesuche einreichen. Dagegen sind Gesuche gewerbsraassiger Arbeitsvermittler nicht zulässig.

8. Die italienischen Behörden berücksichtigen bei der Anwerbung aus\vanderungswilliger Arbeitskräfte die schweizerischen Bedürfnisse.

Artikel 3 Xahlenmässige Gesuche 1. Zahlenmässige Gesuche um Anwerbung von Arbeitskräften sind der Italicnischen Botschaft in Bern (nachstehend Botschaft genannt) einzureichen. Sie haben genaue und vollständige Angaben über die Art der Beschäftigung, die besondern Eigenschaften und die beruflichen Fähigkeiten der gewünschten Arbeitskräfte, die Lohn- und Arbeitsbedingungen, die Sozialleistungen, Unterkunft und Verpflegung sowie die Lohnruokbehalte für Sozialversicherung, Steuern, Gebühren und andere Abgaben zu enthalten.

2. Die Botschaft übermittelt die Gesuche dem Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit in Rom. .Dieses bestimmt die Ämter für Arbeitsvermittlung und Vollbeschäftigung (nachstehend Arbeitsämter genannt), durch deren Vermittlung die Arbeitskräfte in Italien angeworben werden können. Es berücksichtigt dabei soweit als möglich die Wünsche der Gesuchsteller hinsichtlich der Gegenden, in denen Arbeitskräfte angeworben werden sollen.

3. Die Arbeitsämter sorgen für die Anwerbung der nachgesuchten Arbeitskräfte.

Sie senden die Verzeichnisse mit den Namen der Bewerber an die Botschaft, welche sie den Gesuchsteilem übermittelt.

4. Sobald die Gesuchsteller diese Verzeichnisse erhalten haben, können sie sich an den Anwerbungsort in Italien begeben, um mit den für sie bestimmten Arbeitskräften Fühlung zu nehmen und sie gegebenfalls in die Schweiz zu begleiten. Sie verständigen sich vorher mit dem mit der Anwerbung beauftragten Arbeitsamt.

5. Es ist Sache der Gesuchsteller, den für sie bestimmten Arbeitskräften die von der Botschaft oder vom zuständigen italienischen Konsulat (nachstehend

1028 Konsulat genannt) mit Sichtvermerk versehenen Dienstverträge sowie die von der zuständigen kantonalen Fremdcnpoli/eibehörde ausgestellten Zusicherungen der Aufenthaltsbewilligung zu übermitteln.

6. Wenn eine auf ein zahlenmässiges Gesuch hin angeworbene Arbeitskraft die Stelle nicht antritt oder sich nicht in die Schweiz begeben kann, sorgen die italienischen Behörden ohne Verzug für den Ersatz durch eine andere Arbeitskraft, welche über die gewünschten Fähigkeiten verfügt.

Artikel 4 Namentliche Gesuche Der Arbeitgeber, der in Italien eine mit Namen bezeichnete Arbeitskraft anzustellen wünscht, sendet ihr einen vom Konsulat mit Sichtvermerk versehenen Dienstvertrag sowie die von der zuständigen kantonalen Fremdenpolizeibehörde ausgestellte Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung.

Artikel 5 Dienstvertrag Für die Dienstverträge, die mit einem Sichtvermerk versehen werden müssen, ist ein Formular zu verwenden, dessen Wortlaut und Bestimmungen von den italienischen Behörden im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (nachstehend Bundesamt genannt) ausgearbeitet wird. Dies gilt auch für jede spätere Änderung.

Artikel 6 Gültigkeit des Sichtvermerkes 1. Der Sichtvermerk der Botschaft oder des Konsulates ist für die ganze Aufenthaltsdauer des Arbeitsnehmers in der Schweiz gültig. Bei Stellen- und Berufswechsel muss er nicht erneuert werden.

2. Kein neuer Sichtvermerk wird verlangt für die Saisonarbeitskräfto, welche die Schweiz am Ende der Saison verlassen haben und die, mit einer für die nächste Saison gültigen Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung versehen, in die Schweiz zurückzukehren wünschen, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

3. Dasselbe gilt für italienische Arbeitskräfte, die während der Gültigkeitsdauer ihrer Aufenthaltsbewilligung vorübergehend die Schweiz verlassen.

Artikel 7 Sichtvermerksgebühr 1. Für jeden mit Sichtvermerk versehenen Dienstvertrag erhebt die Botschaft oder das Konsulat eine Gebühr von zehn Franken. Während der Aufenthaltsdauer des Arbeitnehmers in der Schweiz darf keine weitere Sichtvermerksgebühr verlangt werden.

1029 2, Die Gebühr geht zu Lasten des Arbeitgebers. Sie darf nicht vom Lohn dos Arbeitnehmers abgezogen werden.

3. Der Arbeitgeber, der die Gebühr entrichtet hat, die gewünschte Arbeitskraft aber nicht erhält, hat Anspruch auf Kuckerstattung des bezahlten Betrages.

Dieser wird nicht zurückerstattet, wenn ein namentlich angeforderter Arbeitnehmer aus Verschulden des Arbeitgebers die Stelle nicht antritt.

Artikel 8 Abgabe des Passes Die in Italien auf zahlenmässiges oder namentliches Gesuch hin angeworbenen Arbeitskräfte erhalten ihren Pass nach Vorlage des gemäss den vorstehenden Bestimmungen mit einem Sichtvermerk versehenen Dienstvertrages, sofern sie die vom italienischen Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllen.

IH. Rückerstattung der Reisekosten

Artikel 9 1. Der Arbeitgeber erstattet dem Arbeitnehmer, den er aus Italien kommen liess, die Reisekosten zurück. Die Bückerstattung erfolgt spätestens einen Monat nach dem Stellenantritt.

2. Falls die italienischen Behörden die Kosten der Reise auf italienischem Gebiet übernommen haben, genügt der Arbeitgeber seiner Rückerstattungspflicht durch Überweisung des Betrages an eine von den italienischen Behörden bezeichnete Stelle. Die Buckerstattung erfolgt innert eines Monates nach dem Stellenantritt des Arbeitnehmers, falls dieser noch vom Arbeitgeber beschäftigt wird.

IV. Zulassung in der Schweiz

Artikel 10 Einreise- und Aufenilialisbedingungen 1. Für die Einreise und den Aufenthalt der italienischen Arbeitskräfte gelten die Vorschriften der schweizerischen Gesetzgebung über Aufenthalt und Niederlassung der Auslander, die Erklärung vom 5.Mai 1984 über die Anwendung des Niedorlassungs- und Konsularvertrages vom 22. Juli 1868 zwischen der Schweiz und Italien und der Ratsbeschluss der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 80. Oktober 1953/7. Dezember 1956 über die Regelung der Beschäftigung von Angehörigen der Mitgliedstaaten, übernommen von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

1030 2. Für die Niederlassung der italienischen Arbeitskräfte in der Schweiz gilt Artikel 2, Absatz 2, der Erklärung vom S.Mai 1934.

Artikel 11 Arbeitskräfte mit fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz 1. Italienische Arbeitskräfte gemessen nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von wenigstens fünf Jahren folgende Yorzugsbehandlung : a. Sie haben Anspruch auf Verlängerung der Aufcnthaltsbewilligung für ihre Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz, Falls die Gültigkeitsdauer des Passes ausreicht, erfolgt die Verlängerung für zwei aufeinanderfolgende Zeitspannen von je zwei Jahren und anschliessend zum dritten Mal für die bis zur Erteilung der Nioderlassungsbewilliguog notwendige Frist.

b. Sie erhalten in jedem Kanton dio Bewilligung für den Stellenwechsel und für die Ausübung eines ändern Berufes als unselbständig Fjrwerbende.

2. Falls sich in der Gegend im ganzen Wirtschaftszweig, in welchem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, eine schwere Arbeitslosigkeit ausbreitet, kann die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für dio Tätigkeit am bisherigen Arbeitsplatz oder die Bewilligung für einen Stellenwechsel verweigert worden. Doch wird in diesem Falle dem Arbeitnehmer die Bewilligung für die Tätigkeit als unselbständig Erwerbender in einem ändern, nicht von Arbeitslosigkeit betroffenen Beruf erteilt.

3. Die schweizerischen Vorschriften, welche die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses einschränken, bleiben vorbehalten.

Artikel 12 Saisonarbeitskräfte 1. Saisonarbeitskraften, die sich im Verlaufe von fünf aufeinanderfolgenden Jahren ordnungsgemass während mindestens 45 Monaten zur Arbeit in der Schweiz aufgehalten haben, wird auf Gesuch hin eine Jabresbewilligung erteilt, vorausgesetzt, dass sie in ihrem Beruf eine Gaiizjahresbeschäftigung finden.

2. Die Monate, während donen der Arbeitnehmer als Saisonarbeiter in der Schweiz gearbeitet hat, werden von den Fristen abgezogen, die für die Gewährung dor Vorzugsbehandlung für Aufenthalter gelten.

3. Die schweizerischen Vorschriften, welche die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte aus zwingenden Gründen des Landesinteresses einschränken, bleiben vorbehalten.

1031 Artikel 13 Familiennachzug 1. Die schweizerischen Behörden gestatten der Ehefrau und den minderjährigen Kindern eines italienischen Arbeitnehmers den gemeinsamen Wohnsitz mit dem Familienhaupt in der Schweiz, sobald der Aufenthalt und das Anstellungsverhältnis dieses Arbeitnehmers als ausreichend gefestigt und dauerhaft betrachtet werden können: 2. Die Bewilligung wird nur erteilt, wenn dem Arbeitnohmor für seine Familie eine angemessene Wohnung zur Verfügung steht.

Artikel 14 Sanitarische Untersuchung Die Untersuchung des Gesundheitszustandes bei der Einreise in die Schweiz, die aus Gründen der öffentlichen Gesundheit wie auch zum Wohl der Arbeitnehmer erforderlich ist, wird auf das Notwendigste beschränkt. Aus dieser Untersuchung erwachsen dem Arbeitnehmer keine Kosten.

V. Arbeitsbedingungen und Sozialmassnahmen Artikel 15 1.

2.

8.

4.

Gleichbehandlung und Kontrolle der Anstellungsbedingungen Die italienischen Arbeitskräfte werden in der Schweiz zu denselben Lohn- und Arbeitsbedingungen beschäftigt, wie sie gemäss gesetzlicher Vorschrift, beruflicher und örtlicher Übung oder gegebenenfalls auf Grund von Gesamtund Normalarbeitsverträgen für einheimische Arbeitnehmer angewendet werden.

Sie gemessen dieselben Eechte und den gleichen Schutz wie dio einheimischen Arbeitnehmer in bezug auf die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den Arbeitnehmerschutz, die Unfallverhütung, die Gosundheitsvorsorge sowie das Wohnungswesen.

Die schweizerischen Behörden sorgen für die Einhaltung dieser Bestimmungen und wachen insbesondere darüber, dass die Anstellungsbedingungen im Einzelfall damit übereinstimmen.

Die italienischen Arbeitskräfte können sich für Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis hi gleicher Weise wie die einheimischen an die zuständigen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden w-ondon. Falls eine Streitigkeit aus dem Dienstverhältnis vor der Abreise des Arbeitnehmers nicht erledigt worden kann, darf dieser sich vor Gericht vertreten lassen.

1082 Artikel 16 Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1. Die schweizerische öffentliche Arbeitsvermittlung steht den italienischen Arbeitskräften zur Verfügung, die sich fünf Jahre ordnungsgemäss und ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben.

2. Diese Arbeitskräfte können in die schweizerischen Arbeitslosenversicherungskassen zu den durch die schweizerische Gesetzgebung aufgestellten Bedingungen aufgenommen werden.

Artikel 17 Sozialversicherung Für die Sozialversicherung der italienischen Arbeitskräfte gelten das hierüber zwischen der Schweiz und Italien abgeschlossene Abkommen vom 14, Dezember 1962 sowie die ergänzenden Abmachungen.

Artikel 18 Anpassung an die Lebensgewohnh&iten 1. Die schweizerischen Behörden prüfen in Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden und den in Frage kommenden Kreisen, wie den italienischen Arbeitskräften und ihren Familien die Überwindung von Anpassungsschwierigkeiten erleichtert werden kann, denen sie in der Schweiz vor allem zu Beginn ihres Aufenthaltes begegnen.

2, Mit Zustimmung des Bundesamtes können private Körperschaften bei dieser Aufgabe mitwirken.

Artikel 19 Überweisung von Ersparnissen Die italienischen Arbeitskräfte können ihre Ersparnisse im Bahmen des Europäischen Währungsabkommens vom 5. August 1955 frei nach Italien überweisen.

VI. Vollzugsbestinunungen Artikel 20 Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene 1. Die zuständigen Behörden der beiden Länder treffen gemeinsam die einzelnen Massnahmen, die für ihre Zusammenarbeit beim Vollzug des vorliegenden Abkommens erforderlich sind.

2. Sie tauschen regelmässig alle Informationen aus, die der Verwirklichung dieser Zusammenarbeit dienen.

1033 Artikel 21 Beschwerden Die Botschaft oder das Konsulat geben die ihnen über die Anwendung des vorliegenden Abkommens zugehenden Beschwerden den zuständigen schweizerischen Behörden bekannt. Diese fuhren die erforderlichen Erhebungen durch, nehmen wenn nötig Fühlung mit der Botschaft oder dem Konsulat und bemühen sich, eine angemessene Lösung zu finden. Diese wird der Botschaft oder dem Konsulat mitgeteilt.

Artikel 22 Gemischte Kommission 1. Es wird eine Gemischte Kommission gebildet, bestehend aus höchstens je fünf Vertretern eines jeden Landes. Jede Delegation kann die von ihr benötigten Fachleute beiziehen.

2. Die Kommission untersucht und beseitigt wenn möglich die Schwierigkeiten, die sich bei der Auslegung und Anwendung des vorliegenden Abkommens ergeben könnten und deren Beilegung auf dem üblichen Weg nicht möglich war. Sie kann sich auch mit allen ändern Fragen befassen, die sich aus der Einwanderung italienischer Arbeitskräfte und ihrer Familien in die Schweiz ergeben. Sie unterbreitet wenn nötig den beiden Eegierungen die erforderlichen Vorschläge, gegebenenfalls auch den Antrag, das vorliegende Abkommen zu ändern.

3. Die Gemischte Kommission bestimmt ihre Organisation und ihre Arbeitsweise selbst. Sie tritt auf Verlangen eines der beiden Länder in der Schweiz oder in Italien zusammen.

VII. Schlussbestimmungen Artikel 23

'

Ratifikation, Inkraftsetzung und Geltungsdauer 1. Das vorliegende Abkommen wird ratifiziert und die Ratifikationsurkunden werden so bald als möglich in Bern ausgetauscht.

2. Das Abkommen tritt am Tage des Austausches der Batifikationsurkunden in Kraft und gilt bis zum darauffolgenden 81. Dezember. Danach gilt es als stillschweigend für je ein Jahr verlängert, sofern es nicht sechs Monate vor Ablauf der jeweiligen Geltungsdauer gekündigt wird.

3. Es wird indessen vom 1.November 1964 an provisorisch angewendet.

4. Die Vereinbarung zwischen der Schweiz und Italien über die Einwanderung italienischer Arbeitskräfte in die Schweiz vom 22. Juni 1948 wird mit der Bundesblatt. 116. Jahrg. Bd. II.

71

1034 provisorischen Anwendung des vorliegenden Abkommens ausser Kraft gesetzt und am Tage des Austausches der Ratifikationsurkunden dieses Abkommens aufgehoben.

Zu Urkund dessen haben die eingangs genannten Bevollmächtigten das vorliegende Abkommen unterzeichnet.

So geschehen am 10. August 1964 in Rom in zwei Ausfertigungen, von denen eine in französischer, die andere in italienischer Sprache abgefasst ist, die beide in gleicher Weise verbindlich sind.

Für die Schweiz

Für Italien

(gez.) Holzer

(gez.) Ferdinande Storchi

1035 Übersetzung

Schlussprotokoll Anlässlich der heute erfolgten Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien üher die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz (nachstehend Abkommen genannt) haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsparteien Wert darauf gelegt, folgende Punkte genauer zu umschreiben.

Hinsichtlich Artikel 7 des Abkommens wird festgehalten, dass die italienischen Behörden die für den Sichtvermerk auf dem Dienstvertrag erhobene Gebühr zur Unterstützung italienischer Arbeitskräfte in der Schweiz verwenden.

II Bezüglich der in Artikel 9, Absatz 2, vorgesehenen Bückerstattung der Reisekosten wurde vereinbart, dass die mit dem Einzug beauftragte Stelle dem Arbeitgeber eine Mitteilung zukommen lässt. Diese bestätigt, dass der Arbeitnehmer für die italienische Reisestrecke einen Eeisegutschein erhalten hat, und nennt den zurückzuerstattenden Betrag. Diese Mitteilung muss dem Arbeitgeber innert drei Wochen nach dem Stellenantritt des Arbeitnehmers zukommen.

Nach Ablauf dieser Frist kann sich der Arbeitgeber dieser Verpflichtung durch eine Eückerstattung der Reisekosten an den Arbeitnehmer entledigen.

III Die in Artikel 11 des Abkommens enthaltenen Begriffe «ordnungsgemäss und ununterbrochen» schliessen nicht aus, dass die italienischen Arbeitskräfte sich zu vorübergehenden, kurzen Aufenthalten von höchstens zwei Monaten ins Ausland begeben können.

Dies gilt auch für Artikel 16 des Abkommens.

IV 1. Die schweizerischen Behörden werden den Vorbehalt gemäss Artikel 11, Absatz 8, nur anrufen, wenn dies im Einzelfall notwendig ist. Die schweizerischen Behörden werden sich in solchen Fällen bemühen, die günstigste Behandlung zu gewähren, welche die Vorschriften über die Beschränkung der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte zulassen.

Diese Erklärung gilt auch für Artikel 12, Absatz 8, des Abkommens.

1036 2. Solito ein italienischer Arbeitnehmer mit mehr als fünf Jahren Aufenthalt aus aussergewöhnlichen Gründen gezwungen sein, die Schweiz zu verlassen, und kehrt er innert zwei Jahren nach der Ausreise in die Schweiz zurück, so wird der bisherige Aufenthalt bei der Berechnung der Fristen, die Anspruch auf die im Abkommen vorgesehene Vorzugsbehandlung geben, berücksichtigt.

Zu Artikel 12 des Abkommens wird näher ausgeführt: a. Saisonarbeitskräfte, die sich während fünf aufeinanderfolgenden Jahren ordnungsgemass während mindestens 45 Monaten zur Arbeit in der Schweiz aufhielten und denen eine Jahresbewilligung erteilt wurde, können sofort ihre Familien nachkommen lassen. Artikel 13, Absatz 2, des Abkommens bleibt vorbehalten.

6. Diese Arbeitskräfte gelangen nach 60 Monaten tatsächlichem Aufenthalt in der Schweiz in den Genuss der Vorzugsbehandlung gemäss Artikel 11 und 16 des Abkommens.

c. Diesen Arbeitskräften wird der Aufenthalt als Saisonarbeiter in der Schweiz auf die für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung notwendige Aufenthaltsdauer angerechnet.

VI 1. Der Ausdruck «das Notwendigste» in Artikel 14 des Abkommens bedeutet, dass die italienischen Arbeitskräfte nur zur Feststellung ansteckender Krankheiten, insbesondere der Tuberkulose und der Syphilis, untersucht werden.

, 2, Die Bundesbehörden behalten sich vor, die Häufigkeit der Untersuchung in Berücksichtigung des Wohls der Arbeitskräfte und des Schutzes der öffentlichen Gesundheit festzusetzen.

3. Die Bundesbehörden verpflichten sich, italienische Arbeitskräfte, die nach einer Abwesenheit von beschränkter Dauer im Ausland in die Schweiz zurückkehren und die einen mit ihrem früheren Aufenthalt in der Schweiz zusammenhängenden Krankheitsbefund aufweisen, nicht zurückzuweisen.

VII 1. Zu Artikel 16, Absatz 2, des Abkommens ist festzuhalten, dass es in der Schweiz gemäss der Bundesverfassung den Kantonen überlassen bleibt, die Beitrittspflicht zu einer Arbeitslosenversicherungskasse vorzuschreiben. Es ist somit Sache der zuständigen kantonalen Behörden, zu entscheiden, ob der Beitritt der italienischen Arbeitskräfte mit fünf Jahren Aufenthalt obligatorisch oder freiwillig ist. Die den Arbeitslosenversicherungskassen beigetretenen italienischen Arbeitskräfte gemessen im Falle von Arbeitslosigkeit dieselbe Behandlung wie Schweizerbürger.

1037 2. Wenn die Aufenthaltsbewilligung eines versicherten Arbeitnehmers nicht verlängert werden kann, wird die Ausreisefrist derart festgesetzt, dass er zum mindesten sein Eecht auf Bezug der Versicherungsleistungen ausschöpfen kann.

Das vorliegende Schlussprotokoll, welches einen integrierenden Bestandteil des Abkommens bildet, ist zu ratifizieren und wird unter den gleichen Voraussetzungen und für die gleiche Dauer gelten wie das Abkommen.

So geschehen am 10. August 1964 in Born in zwei Ausfertigungen, von denen eine in französischer, die andere in italienischer Sprache abgefasst wurde, die beide in gleicher Weise verbindlich sind.

Für den Schweizerischen Bundesrat

Für die Eegierung der Italienischen Eepublik

Holzer

Storchi

1088 Übersetzung

Gemeinsame Erklärungen Anlässlich der heute erfolgten Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsparteien folgende gemeinsame Erklärungen unterzeichnet :

Unabhängig von Artikel 12 des Abkommens bestätigt die schweizerische Delegation, dass der Saisoncharakter der Beschäftigung in gewissen Tätigkeitsgebieten nicht mehr gegeben ist. Dies ist z.B. der Fall in der Backstein- und Ziegehndustrie und in der Zeinentwarenherstellung, Demzufolge haben die Bundesbehörden die zuständigen kantonalen Amtsstellon ersucht, den in solchen Berufen ununterbrochen beschäftigten ausländischen Arbeitskräften für ein Jahr gültige Aufenthaltsbewilligungen zu erteilen.

Die Bundesbehörden haben ferner den Kantonen nahegelegt, konkrete Gesuche um Umwandlung von Saison- in Jahresbewilligungen, auch aus ändern Wirtschaftszweigen mit Saisoncharakter, wie z.B. dem Baugewerbe, der Landwirtschaft und dem Gastgewerbe, wohlwollend zu prüfen, vorausgestzt, dass die wirtschaftlichen, beruflichen und betrieblichen Verhältnisse des Einzelfalles dies rechtfertigen.

Die Bundesbehördon sind bereit, diese Eichtlinien an die Kantone zu bestätigen, damit Saisonbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn dies mit der Art dieser Bewilligung vereinbar ist.

II

1. Zu Artikel 13 dos Abkommens erklärt die schweizerische Delegation, dass die Bundesbehörden die Kantone anweisen werden, den Aufenthalt und die Anstellungsverhältnisse der italienischen Arbeitskräfte nach ISmonatigem ordnungsgemässem und ununterbrochenem Aufenthalt als genügend gefestigt und dauerhaft zu betrachten, und ihnen von diesem Zeitpunkt an den Familiennachzug zu gestatten. Das persönliche und berufliche Verhalten dieser Arbeitskräfte darf jedoch zu keinen von den Behörden als begründet erachteten Klagen Anlass gegeben haben.

Die Bundesbehörden werden den Kantonen empfehlen, die Familien von Spezialisten innert sechs Monaten nach Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zuzulassen.

1039 Selbstverständlich wird der Nachzug der Familie in allen Fällen nur bewilligt, wenn diese über eine angemessene Wohnung verfügt. Falls beide Ehegatten einer Arbeit nachgehen, vergewissern sich die schweizerischen Behörden, dass die Kinder befriedigend beaufsichtigt und untergebracht sind.

In Einzelfällen kann beim Vorliegen schwerwiegender Umstände der Familiennachzug innert kürzerer Fristen bewilligt werden.

In Einzelfällen kann ferner der Nachzug der Verwandten des Arbeitnehmers oder seiner Ehefrau in aufsteigender Linie bewilligt werden, falls ein ablehnender Entscheid in Anbetracht der Familienverhältnisse als besonders hart erscheinen müsste.

Die schweizerische Delegation erklärt, dass sich die Bundesbehörden vorbehalten, je nach den Verhältnissen die Frist von 18 Monaten, nach welcher der Aufenthalt und die Anstellungsverhältnisse der italienischen Arbeitskräfte als genügend gefestigt und dauerhaft betrachtet werden, zu ändern.

Die in Ziffer III des Schlussprotokolls zum heute unterzeichneten Abkommen enthaltene Erläuterung über die Begriffe «ordnungsgemäss und ununterbrochen» gilt auch für den Familiennachzug.

2. Die italienische Delegation erklärt, dass nach Meinung und Wunsch ihrer Begierung keine Fristen für den Zusammenschluss der Familien festgesetzt werden sollten. Sie nimmt zur Kenntnis, dass die erwähnte Frist von den Bundesbehörden mit Eücksicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse festgesetzt worden ist, und gibt dem Wunsche Ausdruck, dass diese Behörden dem Problem weiterhin ihre volle Aufmerksamkeit schenken.

III Über die Unterkunftsverhältnisse fuhrt die schweizerische Delegation folgendes aus : 1. Die Vorschriften über das Wohnungswesen, insbesondere diejenigen über den Mieterschutz, gelten ebenfalls für die italienischen Arbeitskräfte. Die Bundesbehörden haben die Kantonsregierungen mehrfach eingeladen, die Anwendung dieser Vorschriften auf die ausländischen Arbeitskräfte aufmerksam zu überwachen, und die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte und ihrer Familien vom Vorhandensein einer angemessenen Unterkunft abhängig zu machen, Falls die Unterkunftsverhältnisse zu Beschwerden Anlass geben, eröffnen die für die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte zuständigen Behörden oder die besonderen Überwachungsstellen eine Untersuchung, Artikel 18, Absatz 2, und Artikel 15,
Absatz 2, dos Abkommens werden im Sinne dieser Erklärung angewendet.

2. Der Bund fördert den Bau von verbilligten Wohnungen* Von Bundes wegen bestehen keine Vorschriften, welche italienische Arbeitskräfte an der Miete von mit öffentlichen Beiträgen errichteten Wohnungen hindern. Die meisten Kantone kennen ebenfalls keine besonderen Vorschriften für Ausländer.

Die Bundesbehörden sind bereit, allen Kantonen die Gleichbehandlung von Schweizern und Italienern bei der Anwendung der betreffenden Vorschriften zu

1040 empfehlen und Kantonen, in denen Sondervorschriften für Ausländer bestehen, nahezulegen, diese so abzuändern, dass die Ausländer den Schweizern gleichgestellt sind.

IV Zur Besteuerung des Arbeitseinkommens erklärt die schweizerische Delegation, dasa die Kantone bereits besondere Verfahren, insbesondere die Quellensteuer, eingeführt haben oder noch einführen werden, um Veranlagung und Erhobung der Steuern auf dem Einkommen ausländischer Arbeitskräfte zu vereinfachen und zu erleichtern. Weil diese Verfahren und die Entwicklung auf diesem Gebiet sehr verschieden sind, sind die beiden Delegationen übereingekommen, diese Frage der Gemischten Kommission zur Prüfung zu unterbreiten.

Zur Steuerpflicht der Saisonarbeitskräfte erklärt die schweizerische Delegation, dass die Bundesbehörden den Kantonen empfehlen werden, für die Festsetzung des Steueransatzes auf das während der Zeitdauer der Besteuerung erworbene Arbeitseinkommen und auf eine jährliche Arbeitsdauer von höchstens 11 Monaten oder 2300 Stunden abzustellen. Für die Arbeitskräfte gunstigere kantonale Vorschriften bleiben vorbehalten.

1. Die italienische Delegation stellt mit Befriedigung fest, dass - abgesehen von den italienischen Vorkehren zugunsten der Schulung der Kinder italienischer Arbeitskräfte - mehrere Kantone bereits Vorkehren getroffen haben, um den Kindern italienischer Arbeitskräfte den Anschluss an den Unterricht der schweizerischen öffentlichen Schulen dort zu erleichtern, wo fühlbare Unterschiede in bezug auf die Sprache und die Unterrichtsmethoden bestehen, an welche diese Kinder vorher gewohnt waren. Sie wünscht, dass die Bundesbehörden allen Kantonen empfehlen, geeignete Vorkehren zu treffen, um den Kindern italienischer Arbeitskräfte die Überwindung von Sprach- und Schulschwierigkeiten zu erleichtern.

Ferner spricht die italienische Delegation den Wunsch aus, dass die Bundesbehörden den Kantonen empfehlen, Lösungen zu suchen, die es den Kindern italienischer Arbeitskräfte ermöglichen, zusätzlich zu den Pflichtfächern, italienischen Sprachunterricht zu erhalten. Die italienischen Behörden sind bereit, auf Wunsch der schweizerischen Behörden bei dieser Aufgabe mitzuwirken.

2. Die schweizerische Delegation legt Wert auf die FeststeEung, dass der öffentliche Unterricht grundsätzlich Sache der Kantone ist. Sie bestätigt, dass in verschiedenen Kantonen Massnahmen ergriffen wurden, um die Aufnahme von Kindern italienischer Arbeitskräfte in die schweizerischen öffentlichen Schulen zu erleichtern. Die Bundesbehörden werden den Kantonen empfehlen, solche Vorkehren zu treffen oder bereits bestehende auszubauen.

Die schweizerische Delegation nimmt Kenntnis vom Wunsch der italienischen Delegation, wonach den Kindern italienischer Arbeitskräfte Gelegen-

1041 heit verschafft werden sollte, zusätzlich zu den Pflichtfächern den italienischen Sprachunterricht zu besuchen. Sie erklärt, dass die Bundesbehörden den kantonalen Amtsstellen diesen Wunsch zur Kenntnis bringen und ihnen empfehlen werden, dieser Angelegenheit ihre Aufmerksamkeit zu schenken.

VI Die italienische Delegation wies zum Schiusa auf die Schwierigkeiten hin, welche bei der Überführung der Leiche eines in der Schweiz verstorbenen italienischen Arbeitnehmers entstehen. Es handelt sich hier um eine Frage, deren menschlicher Aspekt nicht unterschätzt werden darf. Da oft erhebliche Kosten entstehen, wenn ein Arbeitnehmer stirbt und seine sterbliche Hülle nach Italien überführt werden muss, wünscht die italienische Delegation, dass die schweizerischen Behörden die Tragung dieser Kosten, insbesondere der Überführungskosten bis zur Schweizergrenze, prüfen.

Die schweizerische Delegation nimmt Kenntnis von diesem Wunsch und erklärt, dass die Bundesbehörden ihn verständnisvoll prüfen werden.

Eom, den 10. August 1964.

Für den Schweizerischen Bundesrat

Für die Begierung der Italienischen Bepublik

(gez.) Holzer

(gez.) Storchi

7840

1042

Tabette 1 Anted der Italiener am Gesamtbestand der kmtrottpflichtigern ausldndischen Arbeitskr&fte, im Febntar und August 1956-1964 Ausländische Arbeitstrafte Insgesamt

davon Italiener

Jahie Februar

1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964

194 584 236 984 261 572 250 794 275 291 348 941 445610 512 412 546244

August

326 065 377 097 363 391 364 778 435 476 548 312 644706 690 013 720 901

absolut

in Prozent

Februar

AUKUBt

Februar

August

94829 126 114 142 203 138 253 158 773 214 036 285 155 323148 335 687

206 860 247835 235765 242806 303 090 392 060 454402 472 052 474 340

48,7 53,2 54,4 55,1 57,7 61,3 64,0 63,1 61,5

63,4 65,7 64,9 66,6 69,6 71,5 70,5 68,4 65,8

1043

Tabelle 2 Kontrollpfliclitige italienische Arbeitskrafte nach Bewilligungskategorien und Geschlecht, August 1956-1964 Eewilligungskategorien

1956

I960

1961

1962

Absolute Zahlen ItaHener insgesamt Nichtsaisonarbeiter . . . 103 085 162 727 217 535 262 157 Saisonarbeiter 96347 128 725 160645 175 412 Granzganger 7428 11688 13880 16833 Total 206 860 303 090 392 060 454 402 M&rmer Nichtsaisonarbeiter . . . 53899 93619 129 765 158 291 Saisonarbeiter 88025 118847 149 517 162643 6298 Grenzganger 3448 7809 10054 Total 14S 372 218764 287 091 880 988 Frauvn Niohtsaisonarbeiter . . . 49186 69108 87770 108 866 9878 11128 12769 Saisonarbeiter 8322 5340 Grenzganger 3980 6071 6779 Total 61488 84326 104969 123 414 lialiener insgesamt Niohtsaisonarbeiter . . .

Saisonarbeiter Grenziganger Total Manner Niohtsaisonarbeiter . . .

Saisonarbeiter Grenzgiinger . .

Total Frauen Niohtsaisonarbeiter . . .

Saisonarbeiter Grenzganger Total

1963

1964

278 010 283 742 175 496 170 492 18546 20106 472 052 474340 171 169 176 161 163 930 158044 11932 12870 347 031 847 075 106841 107 581 11566 12448 6614 7236 125 021 127 265

Prozentverteilung

49,8 46,6 3,6 100

53,7 42,5 3,8 100

55,5 41,0 3,5 100

57,7 38,6 3,7 100

58,9 37,2 3,9 100

59,9 35,9 4,2 100

37,1' 60,5 2,4 100

42,7 54,4 2,9 100

45,2 52,1 2,7 100

47,8 49,2 3,0 100

49,4 47,2 3,4 100

50,8 45,5 3,7 100

80,0 13,5 6,5 100

82,0 11,7 6,3 100

83,6 10,6 5,8 100

84,2 10,8 5,5 100

85,4 9,3 5,3 100

84,5 9,8 5,7 100

1044

Tabelle 3 Kontrollpflichtige italienische Arbeitslcr&fte nach Berufsgruppem, BetoilKgungskategorien und GesMeeht, August 1964 Berufsgnippen

Bergbau

Landwirtschaft, Gartnerei .

Foratwirtachaft, Pisoherei , Nahrunga- und Genussmittel . .

Textilberufe Bekleidung .

. .

Leder und Gummi . . . .

Papierindustrie Graphiache Beruf e . . . .

Chemische Industrie . . .

Metallbearbeitung . . . .

Uhrmaoherei, Bijouterie . , Erden und Steine, Glaa . .

Bearbeitung von Hok und Kork Bauberufe Verkehrsdienst . , . .

Gastgewerbliche Berufe . .

Hausdienst . . .

. .

Kaufmannische und Biiroberufe Teohnisohe Berufe . . . .

Geeundheits- und Korperpflege Geiatea- und Kunstleben .

Ubrige Berufsarten . . . .

Total ·-

Nichtsaisonarbejter

306 4469 328

14550 27484 29652 3399 6230 2911 6271 86912 7605 9417

Saiaonftrbeiter

Manner

IFrauen

719

27

4520 1060

228 39

8456 1418

761 9

962 1 628 1 201 237 1728 4489 123 117 83 344 59 229 57 197 2122 2934 333 342 2529 510

8513 7949 6664 2096 2670 1848 4344 75582 1826 11475

8 627 20973 29205 1543 3987 1351 2181 16886 6454 981

2808 14972 14256 138 348 466 2757 25649 10100 640 7 375

2616 1438

GrenzgSnger

42 76

1 052

513 16791 6888 159 379 168 3377 272 17827 538 544 846 79

1 543 1551

Total

1 052 9217 1427

17140 28922 35869 3639 6657 3199 6525 91968 8280 12456

1 502 18293 63 159442 14 3 391 18194 36021 8009 8558 1 961 42

3504 1593

68 45 2475 1632 843 2362 10 212 220 705 485 483 1019 698 10053 12300 8959 14012 288 742 170 492 20106 347075 127 265 474 340

1045 Tabelle £ Kontrollpflichtige italietwsche Arbeitskräfte nach Berufsgruppen, Bewilligungslcategorien und Geschkcht, August 1964 (Prozentverteilung) Nlcht- Saisonsaisonarbeiter i arbeiter

Berufsgruppen

Bergbau Landwirtschaft, Gärtnerei .

Forstwirtschaft, Fischerei .

Nahrungs- und Genussmittel Textilberufe . . .

. .

.

.

.

.

Leder und Gummi Papierindustrie . . . . . . .

Graphische Berufe Metallbearbeitung Uhrmacherei, Bijouterie . . .

Erden und Steine, Glas . . .

Bearbeitung von Holz und Kork . . . .

. . .

Verkehrsdienst . .

Gastgewerbhohe Berufe , . .

Kaufmännische und Büroberufe . . .

Technische Berufe .

Gesundheits- und Körperpflege Geistes- und Kunstleben . . .

Übrige Berufsarten Total

Grenz-gänger

Männer

Frauen

Total

0,1 1,6 0,1 5,1 9,7 10,5 1,2 2,2 · 1,0 2,2 30,7 2,7 3,3

0*4 2,7 0,6 1,0 07 10 0,1 0,2 0,1 01 1,2 0,2 1,5

0,1 1,1 0,2 4,8 1,2 22,3 0,6 0,4 0,3 0,3 14,6 1,7 2,5

0,3 2,4 0,4 2,5 2,3 1,9 0,6 0,8 0,5 1,3 21,8 0,5 3,3

0,6 0,0 6,8 16,5 22,9 1,2 3,1 1,1 1,7 12,9 5,1 0,8

0,2 1,9 0,3 3,6 6,1 7,6 0,8 1,4 0,7 1,4 19,4 1,7 2,6

5,3 5,0 1,0 9,0 26

17 81,2 03 5,9 04

2,6 34,1 0,8 1,4 27

4,8 46,0 1,0 5,1 0,2

1,2 0,0 0,0 14,3 6,3

3,9 33,7 0,7 7,6 1,8

0,9 05 0,8 0,2 4,8 100

00 00 0,0 0,1 0,6 100

0,4 0,4 0,5 0,1 2,9 100

1,5 0,0 0,7 0,2 3,1 100

0,7 0,3 0,5 0,1 3,0 100

1 4,2 0,4 0,3 0,0 3,4 100

1046 Tabelk 5 KontrottpfUchtige italienische Arb&itskrafte naeh Berufsgruppen, Bemittigungskategorien und Geschleaht, August 1964 (Prozentzahlen) Berufsgruppen

Bergbau . .

.

Landwirtschaft, Gartnerei . .

Forstwirtsohaft, Fischerei , .

Nahrungs- und Genusamittel .

Textilberufe Beldeidung Leder und Gummi Papierindustrie . .

Graphische Berufe CHemische Industrie . .

Metallbearbeitung Uhrmacherei, Bijouterie . . .

Erden und Steine, Glas . . , Bearbeitung von Holz und Kork Bauberufe » . . * Verkehrsdienst Gaatgewerbliohe Berufe . . .

Hausdienst . .

. . . . * Kaufmannisohe und Biiroberufe .

. . . . .

Technisohe Berufe Gesundheits- und Korperpflege Geistes- und Kunstleben . . .

Ubrige Berufsarten Total

Nichtsalsonarbeiter

Saiaonaibeitei

Grenzg stager

« 29,1 48,5 23,0 84,9 95,0 82,7 9S,4 98,6 91,0 96,1 94,5 91,9 75,6

68,3 49,0 74,3 9,5 4,2 4,8 3,2 5,2 7,2 3,0 2,3 4,1 20,3

81,8 8,9 81,3 71,2 86,2 74,7 90,2 95,5 68,5 87,8 59,9

Manner

Prauen

Total

2,5 2,7 5,6 08 12,5 3,4 12 1,8 09 32 4,0 4,1

100,0 91,7 99,4 49,7 275 18,6 57,6 40 1 57,8 666 82,2 22,1 92,1

8,3 0,6 50,3 72,5 81,4 42,4 59,9 42,2 38,4 17,8 77,9 7,9

100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100

15,4 868 13,7 28,0 75

2,8 43 5,0 0,8 63

91,8 1000 99,6 49,5 64

8,2 0,0 0,4 50,5 936

100 100 100 100 100

12 4,8 1,8 30,1 7,3 35,9

24 1 5,0 2,7 1,4 4,9 4,2

440 97,4 65,9 68,8 71,7 73,2

560 2,6 34,1 31,2 28,3 26,8

100 100 100 100 100 100

26

100

Kvnfrollpjlicktige italimische Arb&tiskrafte nook Bemlligwngskateganen

Zurich Bern Dri .

Sotiwyz Obwalden * . .

Nidwalden Glarus Zug Freiburg Solothum Basel- Stadt Basel-Land Schaffhausen Appenaell A.-Rh. . . .

Appenzell I.-Bh. . . .

St Gallen Graubiinden Aargavi Thurgau Tessin Waadt. .

Wallis . .

Neuenburg . . . .

Genf Zusammen

Total

Nichtsalsouaibeiter

140101 112 222 48939 73744 13053 20017 2051 803 3819 6824 1 532 476 2989 633 4266 5847 4882 6616 7667 4523 17667 22579 31454 19064 20132 30437 11178 6876 4592 3838 675 947 38267 25510 29307 9733 38127 52348 16539 22310 18817 56499 40167 55815 23215 3900 12681 17815 56750 38024 720 901 465366

TabeUe 6

Saiaonarbeiter

Total

26879 24066 6964 1248 3005 1056 2356 1581 1734 3144 4545 5104 6773 1759 720 272 9055 19180 12241 4548 19188 15382 18508 4464 13533 206 305

88417 51956 12825 1612 5480 1047 2023 4750 4471 4500 17014 13570 19076 5914 2955 686 22203 22517 38395 15154 52845 31085 18428 12356 25061 474340

abaolut davon Nichtgaiaonsaisonarbeifcer arbeiter

65110 32753 7574 563 2859 299 352 3352 3022 2098 13053 9057 13 720 4395 2313 447 14301 6354 27567 11389 16484 20186 2818 8315 15861 283 742

23307 19 183 5251 1049 2621 748 1671 1398 1449 2402 3961 4379 5356 1 508 642 239 7870 15781 10814 3761 17888 10874 14822 4040 9478 170 492

Total

63,1 70,5 64,1 78,6 80,3 68,3 67,7 81,2 67,6 58,7 75,4 43,1 62,7 52,9 64,4 72,4 58,0 76,8 73,3 67,9 93,5 55,7 79,4 69,4 44,2 65,8

in Prozent davon NlohtSaisonsalsonarbelter arbeiter 58,0 66,9 58,0 70,1 74,9 62,8 55,6 78,6 61,9 46,4 73,9 47,5 68,2 63,9 60,3 66,2 56,1 65,3 72,3 68,9 87,6 50,3 72,3 65,6 40,4 61,0

86,7 79,7 75,4 84,1 87,2 70,8 70,9 88,4 83,6 76,4 87,2 85,8 79,1 85,7 89,2 87,9 86,9 82,3 88,3 82,7 93,2 70,7 80,1 90,5 75,6 82,6

LfOl

Kantone

Bestawleserkebung August 1964 Davon Itallener

Auslander inagesamt davon

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte nach der Schweiz (Vom 4. November 1964)

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Jahr

1964

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

46

Cahier Numero Geschäftsnummer

9104

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.11.1964

Date Data Seite

1001-1047

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