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Bundesblatt 90. Jahrgang.

Bern, den 19. Oktober 1938.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, W Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli £ Oie in Bern.

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Bericht des

Bundesrates zur Frage der Ausgleichsteuer an die Kommission des Nationalrates für die Vorlage über Landesverteidigung und Arbeitsbeschaffung.

(Vom 18. Oktober 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen unsern Bericht zur Frage der Ausgleichsteuer vorzulegen.

I.

1. Anlässlich Ihrer Verhandlungen vom 22./25. August 1938 in Klosters haben Sie den Bundesrat eingeladen, die Deckung für 200 Millionen Pranken der Arbeitsbeschaffungskredite in anderer Weise vorzunehmen. Laut Protokoll hat sich die Kommission mit den folgenden Anregungen von Herrn Nationalrat Dr. L. P. Meyer einverstanden erklärt: «1. Aus dem Abwertungsgewinn der Nationalbank werden 150 Millionen entnommen. Davon % an Bund und % an die Kantone im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Also je 75 Millionen.

2. Die verbleibenden 125 Millionen werden gedeckt durch eine Umsatzsteuer auf allen Geschäften des Detailhandels mit einem Umsatz von 200 000 oder 250 000 Pranken. Die Ansätze wären, dem breiten Fundament angemessen, bescheiden zu halten 1).» Mit Ziffer l, Abwertungsgewinn, setzen wir uns an anderer Stelle -auseinander. Über Ziffer 2 berichten wir Ihnen nachstehend.

Aus dem unter Ziffer 2 gestellten Antrag ist insbesondere hervorzuheben, dass statt einer Ausgleichsteuer auf die in unserer Vorlage vom 7. Juni ausdrücklich genannten Grossunternehmungen, d. h. auf Warenhäuser, Kauf!) Protokoll S. 52 und 55.

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häuser, Einheitspreisgeschäfte, Filialunternehmungen und Betriebe mit fahrenden Läden, die Steuer auf alle Detailhandelsgeschäfte mit einem bestimmten Umsatz ausgedehnt werde. Im Antrag kommt ferner zum Ausdruck, dass das Gesamtaufkommen dieser Steuer von 202 Millionen auf 125 Millionen herabgesetzt werden soll. Endlich ist zu prüfen, ob die Umsatzgrenze, die für die Unterstellungspflicht bestimmend ist, von 250 000 auf 200 000 Franken herabgesetzt werden soll.

2. Von einigen Kommissionsmitgliedern (Nationalrat Picot, Huber, Keller) sind gegen das Projekt der Ausgleichsteuer grundsätzliche Bedenken geltend gemacht worden, die sich zum Teil mit denjenigen decken, welche in der Presse in den letzten Monaten wiederholt geltend gemacht wurden. Wir sehen uns daher veranlasst, uns nochmals einlässlich über das vorgesehene Steuerprojekt zu äussern, das unseres Erachtens in der Öffentlichkeit nicht die sachliche Beurteilung gefunden hat, die es verdient.

II.

Ausgangspunkt für den Vorschlag des Bundesrates zur Erhebung einer Ausgleichsteuer auf Grossunternehmungen des Detailhandels war das Bestreben, eine neue ausserordentliche Finanzquelle zu schaffen, welche die von der Nationalbank verlangte Amortisation des Kredites von 202 Millionen Franken in absehbarer Zeit erlauben würde. Wegleitend war dabei, dass einerseits der Ertrag dieser neuen Finanzquelle dem Bedarf angepasst sei und dass andererseits keine der Steuern herbeigezogen werde, die im Bahmen der Finanzreform des Bundes schon eine Eolle spielt oder mindestens in Eeserve gestellt ist für die kommenden Etappen des Finanzprogramms.

In der Ausgleichsteuer, die mit der schon mehrfach zur Einführung empfohlenen allgemeinen Umsatzsteuer nur wenig Berührungspunkte hat und eher als eine nach der Höhe des Umsatzes zu berechnende Gewerbesteuer auf Grossunternehmungen des Detailhandels zu bezeichnen ist, schien eine solche Finanzquelle gefunden zu sein. Die allgemeine Umsatzsteuer -- dies soll hier vorweggenommen werden -- ist keine Massnahme, die man zwecks Beschaffung der Mittel zur Tilgung einer Schuld von 200 Millionen Franken einführen und, nachdem sie diese Aufgabe erfüllt hat, nach wenigen Jahren wieder abschaffen kann. Zu ihrer Durchführung bedarf es angesichts der grossen Zahl von Geschäftsbetrieben, die steuerpflichtig würden und deren
Umsatzdeklarationen zu überprüfen wären, eines Verwaltungsapparates, dessen Auf- und Ausbau sich nur rechtfertigen lässt, wenn die Steuer als dauernde Massnahme eingeführt und so ausgestaltet wird, dass sie hohe Jahreserträgnisse abwirft. Die allgemeine Umsatzsteuer kann ein Mittel darstellen, eine grosszügige Neuordnung der Bundesfinanzen und den Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen zu erleichtern, taugt aber nicht als kurzfristige zweckgebundene Gelegenheitsmassnahme.

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III.

Der Antrag Ihrer Kommission sowie die gegen die Ausgleichsteuer in der Öffentlichkeit geführten Polemiken veranlassen uns, noch einmal auf den Grundgedanken der Ausgleichsteuer einzugehen. In der Botschaft vom 1. Juni 1938 über den Ausbau der Landesverteidigung und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Bundesbl. 1938, I, 916 ff.) haben wir ausführlich dargelegt, dass die Steuer den gewerbepolitischen Zweck verfolgt, zugunsten der Klein- und Mittelbetriebe des Detailhandels die erheblichen Vorteile herabzumindern, welche die Grossunternehmungen im Wirtschaftskampf innehaben.

Durch diese ausgleichende Wirkung erhält die Steuer gerade in der Form, in der der Bundesrat sie vorgelegt hat, eine innere Berechtigung. Im Hinblick auf die einlässlichen Darlegungen an der zitierten Stelle der ersten Botschaft können wir davon absehen, hier erneut die verschiedenen Vorteile der Grossunternehmungen aufzuzahlen. Sie sind übrigens von keiner Seite bestritten worden. Im Gegenteil, in der gegnerischen Presse ist auf Grund ausländischer Statistiken noch besonders darauf hingewiesen worden, dass mit der Betriebsgrösse im Detailhandel der Umsatz pro beschäftigte Person und der Lagerunischlag erheblich ansteigen. Die «Schweizerische Handelszeitung»1) führte als Beleg hiefür aus einer Denkschrift der Internationalen Handelskammer aus dem Jahre 1935 die folgenden Angaben an: Betriebsgrösse (Jahresumsatz dän. Kr.)

Umsatz je beschäftigte Person

unter 35000 10029 von 35 000 bis 50 000 14 296 von 50 000 bis 75 000 .'

18 839 von 75 000 bis 100 000 23 294 über 100 000 29 001 Durchschnitt aller Betriebe 20 187 Die vorgenannte Denkschrift erwähnt hierzu : Der höhere Umsatz je Kopf «ist vielmehr offenbar im wesentlichen eine Folge der gesteigerten Nutzung der Arbeitskraft, die im grösseren Betrieb durch bessere Anpassung der Personalzahl an die Schwankungen des Beschäftigungsgrades möglich ist», Auch der Lagerumschlag stellt sich nach den Angaben der Internationalen Handelskammer im allgemeinen bei grösseren Betrieben günstiger.

Als Beispiel seien die deutschen Textilwarenfachgeschäfte erwähnt. Der Lagerumschlag stieg nach gemachten Erhebungen wie folgt: Umsatz Umsau

unter 25 000 EM 25 000 bis 40 000 40 000 bis 50 000 50 000 bis 60 000 *) Nr. 33, vom 18. August 1938.

Ugerumschlag 1932 1933

2,0 2,3 2,5 2,5

2,5 2,9 2,7 2,8

560 ,,,,.,,,,

Umsatz

Lagerumschlag 1932 1933

60 000 bis 80 000 2,8 2,6 80000 bis 100000 2,9 3,2 100 000 bis 125 000 3,2 3,3 125 000 bis 150 000 3,4 3,7 150 000 bis 200 000 3,8 3,7 200 000 bis 300 000 4,0 3,8 300 000 bis 500 000 4,3 4,6 500 000 bis l Million 4,5 4,4 über l Million 6,0 5,6 Von wenigen Ausnahmen, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, abgesehen, wurde somit die grosse Überlegenheit des Grossunternehmens im Detailhandel ohne weiteres eingestanden. Dagegen kann man sich nicht damit abfinden, dass in diesen internen Vorteilen der Grossunternehmungen auch ein besonderes Moment steuerlicher Leistungsfähigkeit zu erblicken ist, das zur Erhebung einer besondern Fiskalabgabe berechtigt. Man argumentiert damit, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit der Unternehmungen im Beingewinn zum Ausdruck komme und dass dieser Beingewinn in den direkten Steuern genügend erfasst werde.

Erst in neuerer Zeit hat sich die Auffassung durchgerungen, dass die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht allein im ausgewiesenen Beingewinn ihren Masstab findet. Von vielen Seiten, insbesondere auch in der Eingabe der Begierung des Kantons Zürich an die Kommission des Nationalrates, sind die Abhandlungen von Blumenstein über die glarnerische Minimalsteuer -1) zitiert worden. Von keiner Seite wurden aber diejenigen Teile der Abhandlung herbeigezogen, welche darauf hinweisen, dass es neben dem Beingewinn noch andere Momente gibt, welche als Gradmesser der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienen können. Blumenstein führt aus, bei der Spezialbesteuerung der Aktiengesellschaften und wirtschaftlichen Genossenschaften werde auch in einer Anzahl kantonaler Steuergesetze auf ein anderes Merkmal abgestellt, nämlich auf die «Intensität» des Ertrages, d. h. der Steuersatz werde abhängig gemacht vom Verhältnis des Beingewinns zu dem im Geschäftsbetrieb arbeitenden Eigen- und Fremdkapital. Er fährt fort: «Ebensogut wie die Ertragsintensität als Merkmal der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aufgefasst werden kann, ist unter Umständen auch der Geschäftsumsatz nach dieser Bichtung hin von Bedeutung. Die Warenhäuser, Filialgeschäfte, die Migros A G. und ähnliche Handelsunternehmungen erzielen bei einer verhältnismässig geringen zahlenmässigen Bentabilität des investierten Kapitals, dank ihres sehr grossen Umsatzes, bedeutende Geschäftseinnahmen. Es kann geradezu konstatiert
werden, dass sich diese Geschäfte mit einer niedrigen Gewinnmarge auf einzelnen Waren begnügen, *·) Archiv für schweizerisches Abgaberecht, Band 3, Hefte 2 und 4, und Band 4, Heft 10.

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um auf diese Weise den Umsatz zu steigern. Was hiebei an der Ertragsintensität eingebüsst wird, wird ersetzt durch den Umfang des Ertrages.

Die geschäftliche Prosperität verliert dadurch an sich nichts, sondern wird im Gegenteil ganz erheblich gesteigert 1 ).» In der Richtung dieser Ausführungen geht die geplante Ausgleichsteuer.

Die Grossunternehmen führen, wie sie selbst betonen, diese betriebsinternen Vorteile dem kaufenden Publikum zu, und zwar in der Form der verbilligten Warenpreise. Dies geschieht jedoch nur mit einem Teil des Gewinnes, der dem Unternehmer aus den betriebsinternen Kostenvorteilen erwächst.

Ein anderer Teil fliegst nicht nur in den Eeingewinn, er fliesst auch in die offenen und stillen Eeserven der Unternehmungen, er fliesst in neu zu eröffnende Filialen, in den Ausbau von Grossbetrieben, in eine oft recht kostspielige Eeklame, in Zugaben und Lockvögel. Weshalb sollte nicht auch der Fiskus, der der Mittel zurzeit so dringlich bedarf, darauf Anspruch erheben können ?

Zur Würdigung dieser Gedankengänge ist es allerdings notwendig, dass man gegenüber den bisherigen finanztheoretischen Auffassungen, welche die Leistungsfähigkeit nur in der Grosse des Reingewinns erfassen zu können glaubten, umzudenken lernt. Das ist bisher noch nicht geschehen, und ein Teil der Vorwürfe über die Ungerechtigkeit der Ausgleichsteuer ist darauf zurückzuführen. Es wird beispielsweise die Behauptung aufgestellt, diese Steuer bedeute eine Strafe für denjenigen, der seinen Betrieb rationalisiert hat. Dem ist nicht so. In einem gewissen Umfang hat der rationalisierte Grossbetrieb auch im schweizerischen Detailhandel seinen Platz. Es handelt sieh aber darum, dem Fiskus seinen Anteil am Eationalisierungsgewinn zukommen zu lassen.

IV.

Auf Anregung von Nationalrat Dr. Meyer hat Ihre Kommission beantragt, die Steuerpflicht auf sämtliche Grossunternehmungen des Einzelhandels auszudehnen und eventuell auch die Grenze des steuerfreien Umsatzes von Fr. 250 000 herabzusetzen auf Fr. 200 000. Neben den Warenhäusern, Filialunternehmungen und den sonstigen in unserm Entwurf genannten Unternehmungen sollen darnach der Ausgleichsteuer auch die Spezialg e s c h ä f t e ohne Filialen und die S e l b s t h i l f e g e n o s s e n s c h a f t e n unterworfen werden, sofern ihr Jahresumsatz den Betrag von Fr. 200 000 übersteigt. Mit dem Antrag wird bezweckt, die Belastung auf eine breitere Grundlage zu verteilen, um mit niedrigeren als den von uns vorgesehenen Steuersätzen den Ertrag zu erzielen, der innert nützlicher Frist die Tilgung einer Schuld von 200 Millionen Franken ermöglicht.

Dem Antrag auf Ausdehnung des Geltungsbereiches auf Spezialgeschäfte können wir nicht zustimmen, weil er dem oben dargelegten Grundgedanken !) Arohiv, Band 3, Heft 3, S. 110.

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der neuen Steuer nicht Rechnung trägt. Das Spezialgeschäft arbeitet, wie wir in der Botschaft vom 7. Juni schon dargelegt haben, unter andern Bedingungen und übt auf die Kleinbetriebe des Einzelhandels nicht die gleich verderblichen Wirkungen aus wie das Warenhaus und gewisse Filialunternehmungen. Es beschränkt sich nicht wie das Warenhaus und Einheitspreisgeschäft auf den Vertrieb von für den Massenabsatz geeigneten Artikeln. Es muss von den Waren, auf welche es sich spezialisiert hat, das vollständige Sortiment mit den Qualitätsartikeln verschiedenster Herkunft feilbieten und führt sie meist das ganze Jahr hindurch. In bezug auf den Lebensmittelhandel hat die Preisbildungskommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements beim Vergleich zwischen Migros und Usego diesen Tatbestand eindrücklich beleuchtet. Sie legt dar *·), dass die Usego gegen 2000 Artikel führe, während die Migros sich auf rund 250 beschränke. «Es ist zu bemerken, dass das grosse Warensortiment des privaten Kleinhandels diesen kostenmässig stark belastet. Seine Kunden-Erziehungs-Möglichkeiten können kaum jemals so gross sein wie diejenigen der zentral geführten Migros, so dass das Warensortiment des privaten Kleinhandels schon deswegen stets grösser sein muss als dasjenige der Migros.» Was hier für den Lebensmittelhandel besonders hervorgehoben wird, gilt bekanntlich für das Warenhaus im Vergleich mit den übrigen Detailhandelsgeschäften. Zwar wird von Seiten einzelner Warenhäuser betont, dass auch sie vollständige Sortimente führen, allerdings unter der Einschränkung «unter besonderer Berücksichtigung des Massenbedarfes». In der Tat ist auch im Qualitätswarenhaus sehr häufig der teure, sich selten umsetzende und infolgedessen für den Händler kostspielige Artikel gar nicht oder nur ganz gering vertreten, und es darf auch darauf hingewiesen werden, dass gerade die Warenhäuser ihre Sortimente nicht das ganze Jahr hindurch führen, sondern gegen Ende der Saison weitgehend verringern. Das Spezialgeschäft kann wegen seines reichhaltigeren Sortiments die Vorteile des Grosseinkaufes nur in beschränktem Masse ausnützen, zumal seiner Grössenentwicklung, solange auf Filialbetrieb verzichtet wird, ohnehin ziemlich enge Grenzen gezogen sind. Die erheblichen und sich verhältnismässig langsam umsetzenden Warenvorräte verursachen einen
erhöhten Unkostenaufwand, der im Preise zum Ausdruck kommen muss. Darum vermag das grosse Spezialgeschäft keinen die Daseinsbedingungen der Kleinbetriebe ungebührlich schmälernden Preisdruck auszuüben. Es verdrängt auch nicht, wie das Filialgeschäft, den selbständigen kleinen Betrieb dadurch, dass es ein Netz von Verkaufsstellen errichtet und die Kundschaft in möglichst grossen Gebieten, namentlich der Städte, an sich zieht.

Die D u r c h f ü h r u n g der Steuer würde durch die von Herrn Nationalrat Meyer, Luzern, beantragte Änderung erschwert. Die Schwierigkeiten würden keineswegs bloss im Verhältnis der vermehrten Zahl von steuerpflichtigen Unternehmungen gesteigert. Während die nach unserm Entwurf erfassten Betriebe 1 ) Die Verhältnisse im schweizerischen Lebensmittelkleinhandel, 1. Heft, 1934, S. 33 und 34.

563 sich praktisch sozusagen ausschliesslich mit dem Verkauf im Einzelhandel befassen und darum wohl eine Steuerberechnung nach dem Gesamtumsatz möglich wäre, entfällt bei den Spezialgeschäften in der Begel ein erheblicher (vielfach die Entwicklung zum Grossunternehmen erst erklärender) Teil des Umsatzes auf Grosshandelsgeschäfte und Werklieferungen. Die Steuerberechmmg nach dem Gesamtumsatz wäre darum bei der Mehrzahl der Spezialgeschäfte nicht zu rechtfertigen. Eine saubere Trennung der Grosshandelsgeschäfte, Kleinhandelsgeschäfte und der mit Werkverträgen verbundenen Warenlieferungen dürfte aber in der Praxis kaum möglich sein. Auch bei scharfsinnigster gesetzlicher Umschreibung der Begriffe ergäben sich in der Praxis unzählige Fälle, die schwer zu subsumieren wären und zu Anständen und Verärgerung führen könnten. -- Kach dem neuen Vorschlag müsste von jedem Spezialgeschäft, bei dem entweder auf Grund der Zahl der beschäftigten Personen oder andern äussern Anzeichen ein Umsatz von ca. Er. 200 000 vermutet werden kann, alljährlich die Deklaration des Umsatzes verlangt werden, wobei häufig die Überprüfung der erhaltenen Angaben notwendig werden dürfte. Das würde Kosten verursachen, die voraussichtlich in keinem Verhältnis zu den entsprechenden Mehreingängen stünden.

Der Steuermehrertrag, der sich beim Einbezug der grossen Spezialgeschäfte ergäbe, wäre nicht sehr bedeutend. Die Umsatzsumme der Spezialgeschäfte erreicht, namentlich wenn man die von diesen Unternehmungen abgeschlossenen Grosshandelsgeschäfte in Abzug bringt, durchschnittlich bei weitem nicht diejenige der Warenhäuser und der Filialunternehmungen. Es kämen darum die niedrigeren Ansätze des Progressionstarifs zur Anwendung, die wenig abtragen. Die Mehreinnahme, die eine Besteuerung der Spezialgeschäfte einbrächte, kann mangels statistischer Unterlagen nur roh geschätzt werden. Sie dürfte zwischen l und 1,3 Millionen Franken liegen und vermöchte keine beachtenswerte Herabsetzung der von uns vorgesehenen SteuerSätze zu rechtfertigen.

Bei den Selbsthilfegenossenschaften darf, worauf wir schon in der Botschaft vom 7. Juni hingewiesen haben (Bundesbl. 1938, Bd. I, S. 914), die besondere wirtschaftliche Zielsetzung nicht übersehen werden. Auch haben wir an gleicher Stelle schon darauf hingewiesen, dass der Eationalisierung und Kostenersparnis
bei den Selbsthilfegenossenschaften weitgehend Grenzen gesetzt sind, insbesondere in bezug auf die Lohneinsparungen. Die Prüfung der sich mit den Konsumgenossenschaften befassenden Berichte der Preisbildungskommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, insbesondere der Hefte 3 und 4 der Untersuchungen über die Verhältnisse im schweizerischen Lebensmittelkleinhandel, vermitteln diesen Eindruck des bestimmtesten 1).

*) Vgl. z. B. Heft 3 von 1935, S. 11, wo vom A. C. V. beider Basel mitgeteilt wird: «Dagegen ist es der Verwaltung bis heute (Juni 1935) nicht gelungen, durch Mechanisierung und Intensivierung die Spesen des eigentlichen Verkaufsdienstes

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Schliesslich darf nicht übersehen werden, dass sich die politischen Widerstände gegen die Einführung der Ausgleichsteuer vervielfachten, wenn man die vorgeschlagene Ausdehnung der Steuerpflicht ins Auge fassen würde.

V.

Von verschiedenen Seiten ist darauf hingewiesen worden, dass die Kostenvorteile nicht für alle Grossunternehmungen des Detailhandels die gleichen' sind. Insbesondere ist von Seiten der Filialgeschäfte geltend gemacht worden, dass bei diesen Unternehmungen das Geschäft intern durchaus dem Spezialgeschäft gleicht und sich in den Sortimenten und im allgemeinen Geschäftscharakter nicht von ihm unterscheidet.

Ohne weiteres kann zugegeben werden, dass die Eationalisierungsvorteile und die Vorteile des Grosseinkäufers nicht allen vom Bundesbeschluss erf assten Betrieben in gleichem Masse zukommen. Von Warenhaus zu Warenhaus und von Filialgeschäft zu Filialgeschäft kommen Unterschiede in der Betriebsgestaltung vor. Sogar beim Gross-Spezialgeschäft sieht sich die Preisbildungskommission des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes -1) veranlasst, von einem «aristokratischen» Typ zu sprechen, im Gegensatz zum ungleich kalkulierenden Grossbetrieb, der seine Machtstellung selbst zu unfairen Machenschaften benutzt.

Im grossen ganzen muss aber gesagt werden, dass, mit Ausnahme vielleicht gewisser in Luxuswaren handelnder grosser Spezialgeschäfte, alle Grossunternehmungen des Detailhandels die Vorteile des Grosseinkäufers besitzen und.

gleichzeitig die Überlegenheit, die aus einem grossen vorhandenen Kapital abzuleiten ist. Der Grad der Eationalisierung ist dagegen sehr verschieden.

Unbestreitbar haben aber auch die Filialgeschäfte mit spezialisiertem Sortiment dadurch einen wesentlichen Vorteil gegenüber dem Einzelbetrieb, dass die zentrale Leitung, der Einkauf, die Buchhaltung, die Reklame und andereentscheidende Dispositionen von einer Stelle aus getroffen werden, was für jede Filiale gegenüber dem selbständigen Ladengeschäft eine Kostenersparnis bedeutet.

zu vermindern. Der gesamte Verkaufsdienst verursachte nämlich im Jahre 1933 einen Kostenaufwand von 4,85 Millionen Franken, im Jahre 1934 dagegen 5,01 Millionen Franken bei einem wertmässigen Umsatzrückgang um rund 750 000 Franken.» und auf S. 25: «Will man sich von den Ursachen der Nichtanpassung oder der sehr geringen Anpassung
des Spesensatzes beim A. G. V. an die gesunkenen Warenpreise Rechenschaft geben, so berührt man damit allerdings ein etwas weitschichtiges Problem, das hier nicht erschöpft, vielmehr nur gestreift werden soll. Es handelt sich vor allem um die Frage der Gesamtheit der Lohnkosten; denn Produktionskosten und Spesen von Warenvertriebsunternehmungen setzen sich, wenn in ihre letzten Faktoren zerlegt, in der Hauptsache aus Lohnkosten zusammen.» 1 ) Veröffentlichung Nr. 10, Zur Warenhausfrage, S.U.

565.

Im Bahmen einer Steuer würde es übrigens überaus schwer halten, die betriebsinternen Kostenvorteile, welche durch die Steuer ausgeglichen werden sollen, genau erfassen zu wollen und die Steuer nach ihrer Intensität abzustufen.

Dies würde eine so grosse Komplikation mit sich bringen, dass die Erhebungskosten der Steuer ihren Ertrag weitgehend herabmindern müssten. Den Bundesbehörden ist zwar ein relativ einfacher Vorschlag zugeleitet worden, der in dieser Eichtung geht. Es wurde vorgeschlagen, die Steuer abzustufen, nach der Umsatzhöhe pro beschäftigte Person 1). Es würde somit der Steuersatz ansteigen, je nachdem der Betrieb eine grössere Ausnützung der beschäftigten Arbeitskräfte erreicht. Diesem Vorschlag liegt ein gesunder Gedanke zugrunde. Eine solche Ausgestaltung des Steuersatzes würde vielleicht sogar in dem Sinne wirken, dass nicht nur infolge der Ausgleichsteuer kein Personal entlassen, sondern eher mehr Verkäufer und Verkäuferinnen eingestellt würden, um die Umsatzziffer pro Kopf der Beschäftigten herabzusetzen. Der Vorschlag hat jedoch etwas Schematisches an sich. Der Umsatz pro Verkaufsperson variiert von Branche zu Branche stark, und es fragt sich, ob es möglich sein wird, diese Unterschiede zu berücksichtigen, ohne die Steuererhebung ins Ungemessene zu komplizieren. Immerhin ist der Gedanke durchaus beachtenswert, und wir sind der Auffassung, dass bei den Ausführungsvorschriften geprüft werden muss, ob er in irgendeiner Form aufgenommen werden kann.

Nach dem beiliegenden neuen Entwurf lautet im Verfassungsartikel die Bestimmung über den Steuersatz: «Die Steuer ist progressiv und bernisst sich nach dem jährlichen Umsatz und nach der Geschäftsart.» Diese Fassung gestattet unseres Erachtens, den Vorschlag bei den Ausführungsbestimmungen zu berücksichtigen.

Im übrigen haben wir den Eindruck, dass besonders bei den Filialgeschäften der Bekleidungs- und Lebensmittelbranche, mit Ausnahme ganz weniger Unternehmungen, die betriebsinternen Kostenvorteile nicht diejenigen der Kleinund Mittelbetriebe im gleichen Masse übertreffen wie die Kostenvorteile der Warenhäuser, Kaufhäuser und Einheitspreisgeschäfte mit ihren konzentrierten Grossbetrieben. Der Betrieb in dezentralisierten Einzelläden bringt gewisse Mehrkosten mit sich. Wir möchten daher vorschlagen, die Filial1 ) In einem Artikel
des «Aufgebot», 6. Jahrgang, Nr. 37, vom 15. September 1938 wird die folgende Skala vorgeschlagen: Umsatzzahl pro Kopf Ansatz für die Sondersteuer in °/( 0,25 bis Fr. SO 000 = » » 50000 = 0,5 » » 75000 = 0,75 1 » » 100000 = 2 » » 125000 = 3 » » 150000 = 4 » » 175000 = » » 200 000 und mehr = 5 des Gesamtumsatzes.

566 Unternehmungen der Bekleidungs- und Lebensmittelbranche einem erniedrigten Steuersatz zu unterstellen. Wir bringen gemäss Beilage den Satz von 3 % in Vorschlag. Bei dieser Ermässigung des Steuersatzes wird auch der Gedanke berücksichtigt, dass der lebensnotwendige Bedarf der Bevölkerung, wenn irgend angängig, nicht allzu stark belastet werden sollte,

VI.

Die Kommission des Nationalrates hat vorgeschlagen, den Umsatzbetrag, bei dem ein Geschäft der Steuerpflicht nicht unterliegt, von Fr. 250 000 auf Fr. 200 000 herabzusetzen. Wir lassen diese Frage vorläufig offen, möchten aber auf folgende Bedenken verweisen, die gegen eine Herabsetzung sprechen: Je niedriger das steuerfreie Minimum bzw. der für die Steuerpflicht massgebliche Umsatz angesetzt wird, desto mehr nähern sich die betroffenen Betriebe denjenigen, die als mittelständische Einzelgeschäfte zu qualifizieren sind.

Dies wird zur Folge haben, dass beispielsweise in der Kategorie der Kaufhäuser Geschäfte unterstellt werden, die weder die grossen Kostenvorteile gemessen wie andere Grossunternehmungen, noch von den Einzelläden als bedrohliche Konkurrenz empfunden werden. ·-- Da der Steuersatz in den untern Umsatzgruppen sehr niedrig ist und nach der vorgesehenen Skala für Betriebe zwischen Fr. 200 000 und Fr. 250 000 sich nicht über l°/oo erheben würde, so ist der Mehrertrag der Steuer bei Herabsetzung der Grenze nur minim, dies um so mehr, weil nach unsern Vorschlägen das steuerfreie Minimum nur für die Unterstellung unter die Steuerpflicht massgebend sein wird und nicht bei jedem Steuerpflichtigen in Abzug gebracht werden soll.

Wir stellen es nunmehr den Erwägungen der Kommission anheim, ob sie beim Vorschlag des Bundesrates von Fr. 250 000 verbleiben oder die Umsatzgrenze auf Fr. 200 000 herabsetzen will.

VII.

Wenn wir somit nach reiflicher Prüfung Ihrer Anträge dazu kommen, Ihnen zu empfehlen, unserm ersten Projekt einer Ausgleichsteuer zuzustimmen, so sehen wir uns veranlasst, noch auf einige Argumente einzutreten, die der Ausgleichsteuer entgegengehalten werden und die im Vorstehenden noch nicht berührt sind: 1. Der Ausgleichsteuer wurde vorgeworfen, dass sie ihren gewerbepolitischen Zweck der Begünstigung kleiner und mittlerer Betriebe gegenüber den Grossunternehmungen des Detailhandels verfehlen werde, da die Grossunternehmungen in der Lage seien, durch Eückwälzung der Steuer sich dieser Last zu entledigen. Der geforderte Steuerbetrag werde entweder vermehrter Eationalisierung rufen oder, auf Lieferanten zurückgewälzt, die auf diese Weise einem neuen Preisdruck ausgesetzt würden. Gegebenenfalls sei auch eine Tendenz zur Herabsetzung der Lohnsummen, sei es durch Personalentlassungen

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oder Lohnkürzungen zu erwarten. Wir geben ohne weiteres zu, dass solche Möglichkeiten vorhanden sind. Bei den Bück- und Abwälzungsvorgängen der Besteuerung handelt es sich um unberechenbare Faktoren, die nicht nur von Betrieb zu Betrieb, sondern auch zeitlich variieren. In der heutigen wirtschaftlichen Situation glauben wir aber mit einer Abwälzung der Steuer auf die Preise rechnen zu dürfen. Bei den steuerpflichtigen Grossunternehmungen hat die interne Rationalisierung einen Grad erreicht, der kaum mehr gesteigert werden kann. Im Verlauf der Krise haben diese Geschäfte auch ihre Lieferanten zu äussersten Kalkulationen veranlasst, und es dürfte im heutigen Zeitpunkt kaum mehr möglich sein, weitere Preiskonzessionen zu erlangen. Ob die Grossunternehmungen des Detailhandels, die mit wenigen Ausnahmen gut rentieren, die Steuer auf ihr Personal abwälzen können, scheint uns sehr fraglich. Wir sehen daher, wie wir es schon oben erwähnt haben, einer teilweisen Erhöhung der Preise entgegen und hoffen, dass es den Grossunternehmungen gelingen wird, die Steuer in der Hauptsache auf den Artikeln des Massenluxuskonsums einzuholen, die nicht nur in Warenhäusern und Einheitspreisgeschäften, sondern auch in den grossen volkstümlichen Lebensmittelgeschäften zu finden sind und die teilweise zu unerhört niedrigen Preisen verkauft werden. Jede von der freien Wirtschaft erhobene Steuer setzt sich, wenn vielleicht auch nur mittelbar und nur im Laufe der Zeit, in Preiserhöhungen um. Wenn sich bei der Ausgleichsteuer dieser Vorgang schnell und unmittelbar vollzieht, so liegt nur in der Form, nicht aber in der Grundtatsache der Unterschied.

2. Den Gegnern der Ausgleichsteuer muss zugegeben werden, dass die Ausgleichsteuer eine Verteuerung gewisser Konsumgüter mit sich bringt. Dies liegt im gewerbepolitischen Zweck der Steuer inbegriffen. Es muss aber unbedingt hervorgehoben werden, dass die Klein- und Mittelbetriebe des Detailhandels in den letzten Jahren nicht nur unter der räumlichen Ausdehnung der Warenhäuser und Filialgeschäfte gelitten haben, sondern auch unter dem unerhörten Preisdruck vieler Grossunternehmungen und dem nicht enden wollenden Preiskampf. Mit der Ausgleichsteuer wird nur ein relativ kleiner Sektor des Umsatzes erfasst. Von den Warenhausbetrieben ist selbst geltend gemacht worden, dass sie nur einen
geringen Teil des gesamtschweizerischen Detailumsatzes tätigen. Die Besserstellung der Einzelbetriebe des Detailhandels kann entweder dadurch erfolgen, dass der Umsatz für gewisse Artikel wieder an sie zurückströmt oder dass sie ihre Kalkulation wieder etwas besser gestalten können. In diesem Sinne ist zuzugeben, dass die Preiserhöhungen da und dort vielleicht über die Betriebe hinausgehen, die von der Steuer direkt erfasst werden. Es ist aber anzunehmen, dass die Auswirkungen nicht sehr weit reichen, sondern im nächsten wirtschaftlichen Umkreis der Grossunternehmungen verebben, so dass von einer allgemeinen Steigerung der Lebenskosten nicht die Bede sein kann.

Wenn durch die Umsatzsteigerung bei den Grossunternehmungen und ihrem aus dem Hauptgrundsatz «kleiner Gewinn, grosser Umsatz» naturnotwendig hervorgehenden Preisdruck der mittelständische Kleinhandel immer

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mehr in eine Notlage hineinmanövriert wird, so wird übrigens die Verteuerung, vor der man jetzt, da sie sich in eng begrenzten Bahnen präsentiert, zurückschreckt, sich eben in der Steigerung von Sozialsten und in neuem Ansteigen der direkten Steuern geltend machen. Es ist in unserer heutigen Wirtschaft nicht möglich, die durch einen fortschreitenden Niedergang der kleinen Detailhandelsgeschäfte frei werdenden Arbeitskräfte in der Industrie oder in den Grossunternehmungen des Detailhandels unterzubringen. Wenn bei der Migros AG. der Umsatz pro Verkaufsperson Fr. 100 000 und mehr erreicht, während die Buchhaltungsstelle des Schweizerischen Gewerbeverbandes bei den von ihr erfassten Detailhandelsbetrieben nur einen solchen von durchschnittlich Fr. 22 000 errechnet, so ist es zahlenmässig klar, dass die Grossunternehmungen nicht die selben Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Aber auch die Personen eignen sich nicht zur Überfuhrung in die Industrie oder in die Hauswirtschaft, wie schon gelegentlich vorgeschlagen wurde, und es ist schliesslich Aufgabe aller Volkswirtschaftspolitik, möglichst vielen Volksangehörigen Beschäftigungsmöglichkeit und Existenz zu garantieren. Unser Bericht zum Postulat Bosset wird uns Anlass geben, uns über diese Frage noch ausführlicher auszusprechen.

3. Es ist ferner der vorgeschlagenen Sonderabgabe zum Vorwurf gemacht worden, sie verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit, welches die Verfassung nicht nur den rechtsanwendenden Behörden erteilt, sondern auch für den Erlass von Gesetzen vorgeschrieben hat ; eine solche Verletzung erblicken die Kritiker in dem Umstand, dass nicht alle Grossbetriebe des Detailhandels erfasst werden. Diese Einwände entbehren der Begründung. Weder rechtlich noch sachlich liegt eine Verletzung der Eechtsgleichheit vor.

In formeller Beziehung ist einmal darauf hinzuweisen, dass der Kreis der Steuerpflichtigen nicht in einem Gesetz, das dem Verfassungsgrundsatz der Eechtsgleichheit unterstellt ist, umschrieben wird, sondern in einem Erlass, der selbst Verfassungsrecht ist und eine gleichwertige Rechtsquelle im Verhältnis zu Art. 4 der Bundesverfassung darstellt, welcher die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz begründet.

Aber auch materiell liegt in der vorgeschlagenen Regelung keine Verletzung des «natürlichen Rechts jedes Bürgers». Der
Gesetzgeber verletzt die Rechtsgleichheit dann, wenn er eine von ihm aufgestellte allgemeine Regel in einem Fall aufhebt -- ein Privilegium schafft --, ohne diese Ausnahme selbst wieder generell und sachlich als Norm zu formulieren, auf die sich jedermann berufen könnte, oder wenn er tatsächlich Verschiedenes gleich oder Gleiches verschieden behandelt. Weder die eine noch die andere Form eines Verstosses gegen den Verfassungsgrundsatz liegen vor. Die «Ausnahmen» von der Ausgleichsteuerpflicht, wenn von solchen gesprochen werden kann, sind in einer generell formulierten Regelung niedergelegt, auf die sich alle, die den vorgeschriebenen Kriterien (z. B. Spezialgeschäft, Selbsthilfegenossenschaft) genügen, berufen können.

569 Das Ausgleichsteuerprojekt will aber auch nicht Gleiche ungleich oder Ungleiche gleich behandeln, sondern stellt bei seiner Differenzierung gerade im Sinne des Gebotes der Eechtsgleichheit auf die tatsächlichen Verschiedenheiten der Unternehmensform des Detailhandels ab und insbesondere auf die grossen Unterschiede der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diejenigen Kreise, deren Eechtsempfinden durch die neue Steuer verletzt wird, werden gut daran tun, sich mit dem in der Botschaft vom 7. Juni sowie im vorstehenden Bericht einlässlich dargelegten Grundgedanken des Kostenausgleiches vertraut zu machen. Wir sind überzeugt, dass sie dann die gerechte Tendenz der vorgesehenen Steuer anerkennen und gutheissen können.

4. Man hat auch darauf hingewiesen, dass der E r t r a g dieser Steuer unsicher sei und zurückgehen werde, wenn der gewerbepolitische Zweck der Steuer erreicht, d. h. wenn der Umsatz zum Teil wieder auf kleine und mittlere Betriebe des Detailhandels übergegangen sei. Dies muss bis zu einem gewissen Grade zugegeben werden, und wir haben uns veranlasst gesehen, den Ertrag der Steuer daher niedrig einzuschätzen, so dass vorauszusehen ist, dass er in den ersten Jahren der Steuererhebung überschritten wird. Bei gleichbleibender allgemeiner Wirtschaftslage wird er möglicherweise nach den ersten Jahren der Steuererhebung sinken. Der Mehrertrag in den Anfangsjahren würde den Ausfall in den Schlussjahren bis zu einem gewissen Grade wettmachen.

5. Von verschiedener Seite ist beanstandet worden, dass durch den ersten Entwurf eines Verfassungsartikels dem Bundesrat die Kompetenz zur Erhebung einer Ausgleichsteuer übertragen werden sollte. Diesen Stimmen haben wir im neuen Entwurf des Verfassungsartikels Eechnung getragen, indem wir die Kompetenz zum Erlass der Ausführungsvorschriften in die Hände der Bundesversammlung legen. Wir sind jedoch der Auffassung, dass es schon aus Zeitgründen nötig ist, einen endgültigen Beschluss der Bundesversammlung vorzusehen. Es wäre in jeder Weise unzweckmässig, das Projekt der Steuer in kurzer Frist zweimal der Volksabstimmung zu unterbreiten, erstmalig im Bahmen des Verfassungsartikels und später als Steuergesetz. Es ist vorgesehen, für die Ausarbeitung des Erlasses eine besondere Expertenkommission einzuberufen. Auf diese Weise dürften Garantien für eine sorgfältige und zweck massige Ausgestaltung der Ausgleichsteuer geschaffen sein.

Gestützt auf diese Darlegungen empfehlen wir Ihnen, das Projekt der Ausgleichsteuer im Bahmen der Landesverteidigungs- und Arbeitsbeschaffungsvorlage an die Bäte weiterzuleiten. Wir bitten Sie, sich dabei vor Augen zu halten, dass der Devise «Umsatz um jeden Preis», auch um den Preis der Vernichtung von Existenzen, um den Preis der Qualitätsverderbnis, um den Preis des wirtschaftlichen Friedens, der in unserm Lande bis vor wenigen Jahren noch zwischen Grossunternehmungen und mittelständischem Detail-

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handel geherrscht hatte, bisher von selten des Staates'keine andere Losung entgegengesetzt worden ist. Die Ausgleichsteuer ist ein Mittel zum Kampf gegen das rücksichtslose Ansichziehen des Umsatzes durch die Grossunternehmungen. Sie trifft einen Kreis von Steuerzahlern, der lange nicht im gleichen Masse wie andere Wirtschaftszweige, wie etwa die Industrie oder die Hôtellerie, unter der Krisis der letzten Jahre gelitten haben, sondern die aus dem Schwinden der Konsumkraft der schweizerischen Bevölkerung Vorteile zogen, da der Konsum sich dem billigen Standardartikel zuwandte. Wir können wohl verstehen, dass die Betroffenen selbst mit allen Mitteln sich gegen die Belastung wenden. Doch geben wir die Hoffnung nicht auf, dass der Geist wirtschaftlicher Verständigung, sozialen Ausgleichs und vaterländischer Opferbereitschaft auch in diesen Kreisen FUSS fassen wird.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 18. Oktober 1938.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Baumann.

Der Bundeskanzler:

G. ßovet.

571

(Entwurf.)

W

Bundesfoeschluss betreffend

Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel über den Ausbau der Landesverteidigung und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

(Abänderung der Ziffer 3 nach Antrag des Bundesrats vom 9. September 1938.)

Die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 wird durch folgenden Artikel ergänzt : Ziffer 1. ...

Ziffer 2. ...

Ziffer 3. Der Bund ist befugt, zur teilweisen Tilgung der Aufwendungen nach Ziffern l und 2 eine Ausgleichsteuer von Grossunternehmungen des Einzelhandels zu erheben, bis ihr Ertrag die Summe von 200 Millionen Pranken erreicht haben wird.

Dieser Steuer unterliegen, sofern ihr Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr Fr. 250 000 (oder Fr. 200 000) überstieg, Warenhäuser, Kaufhäuser, Einheitspreisgeschäfte, Filialunternehmungen und Unternehmungen mit fahrenden Läden sowie Versandgeschäfte, die mehrere Warenkategorien führen. Die Selbsthilfegenossenschaften sind steuerfrei.

Die Steuer ist progressiv und bemisst sich nach dem jährlichen Umsatz und nach der Geschäftsart. Die Gesamtbelastung des steuerbaren Umsatzes beträgt mindestens eins vom Tausend und höchstens fünf vom Hundert.

Für Filialunternehmungen des Handels mit Lebensmitteln und Bekleidungsgegenständen beträgt sie höchstens drei vom Hundert des steuerbaren Umsatzes.

Über die zur Durchführung dieser Verfassungsbestimmung erforderlichen.

Vorschriften beschliesst die Bundesversammlung endgültig.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates zur Frage der Ausgleichsteuer an die Kommission des Nationalrates für die Vorlage über Landesverteidigung und Arbeitsbeschaffung. (Vom 18.

Oktober 1938.)

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Jahr

1938

Année Anno Band

2

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42

Cahier Numero Geschäftsnummer

3730

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

19.10.1938

Date Data Seite

557-571

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