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Bundesblatt 90. Jahrgang.

Bern, den 29. Juni 1938.

Band II.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 Franken im Salbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Oie. in Bern.

Ablauf der Referendumsfrist: 27. September 1938.

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Bundesgesetz über

das Mindestalter der Arbeitnehmer.

(Vom 24. Juni 1938.)

.

Die Bundesversammlung der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf. Art. 34, Abs. l, und 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 11. Mai 1937, .

beschliesst:

Erster Abschnitt.

Geltungsbereich.

Art. 1.

1 Dieses Gesetz eilt für die öffentlichen und privaten Betriebe: Unterstellte des HTT d j i Betriebe.

a. des Handels ; b. des Handwerks und der Industrie, mit Einschluss der Heimarbeit; c. des Verkehrs, sofern nicht die bundesrechtlichen Vorschriften über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten anwendbar sind; d des Gast- und Wirtschaftsgewerbes, des Schaustellungs- und Lichtspielgewerbes ; e. verwandter Wirtschaftszweige..

2 Nicht unter das Gesetz fallen die Land- und Forstwirtschaft, der Dienst im privaten Haushalt sowie die Anstalten öffentlichen oder gemeinnützigen Charakters, die der Kunst, der Wissenschaft, der Erziehung oder dem Unterricht, der sozialen Fürsorge oder der Krankenpflege dienen.

Art. 2.

1 Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind alle Personen, die in Arbeitnehmer, einem dem Gesetz unterstellten Betriebe beschäftigt werden, sei es Bundesblatt. 90. Jahrg. Bd. II.

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im Betriebe selbst, sei es bei Verrichtungen, die damit im Zusammenhang stehen.

2 Ausgenommen sind: a. die Familienmitglieder der Betriebsinhaber; &. Personen, die ausschliesslich landwirtschaftliche oder häusliche Dienste verrichten.

Art. 3.

Untersteiiungsi Bestehen Zweifel über die Anwendung des Gesetzes auf einen einzelnen Betrieb, so entscheidet hierüber der Kanton, sofern es sich nicht um einen Betrieb handelt, auf den das Bundesgesetz vom 18. Juni 1914/27. Juni 1919 betreffend die Arbeit in den Fabriken oder das Bundesgesetz vom 6. März 1920 betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Bisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten Anwendung findet.

Der Entscheid der Kantonsregierung kann innert 10 Tagen seit der Eröffnung an das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement weitergezogen werden.

2 Zur Anrufung des Entscheides der kantonalen Behörde und zur Weiterziehung ist berechtigt, wer an dem Streit als Partei beteiligt ist oder durch den Entscheid der kantonalen Behörde in seinen Eechten verletzt wurde.

3 Der Entscheid des eidgenössischen Departements kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss dem Bundesgesetz über die eidgenössische Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege weitergezogen werden.

Abschnitt II.

Verbot der Kinderarbeit.

Art. 4.

Mindestaiter.

Die Arbeitnehmer, die in den von diesem Gesetz erfassten Betrieben beschäftigt werden, müssen das fünfzehnte Altersjahr vollendet haben.

Art. 5.

Leichte Arbeii In den dem Bundesgesetz vom 31. März 1922 über die Beschäftigung ten und Boten- , .

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_ , , n1 . , gange.

der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben unterstellten Betrieben, im Handel und in der Heimarbeit ist die Heranziehung von Kindern, die das dreizehnte Altersjahr vollendet haben, für Botengänge, im Handel überdies für leichte Hilfsarbeiten, zulässig.

2 Kinder, die das vierzehnte Altersjahr vollendet haben, können während lang andauernden, über das übliche Ferienmass hinausgehenden gesetzlichen Unterbrechungen des Schulbesuches auch in andern Betrieben zu leichten Hilfsarbeiten herangezogen werden, soweit diese Betriebe nicht unter das Bundesgesetz vom 18. Juni 1914/27. Juni 1919 betreffend

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die Arbeit in den Fabriken fallen und nicht zu den in Art. 7, Abs. l, erwähnten Erwerbszweigen gehören.

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3 Die in Abs. l und 2 vorgesehenen Verrichtungen sind nur unter der Voraussetzung gestattet, dass Gesundheit, Sittlichkeit und Unterricht nicht gefährdet werden. Der Bundesrat erlässt die zum Schutze dieser Kinder nötigen Bestimmungen und kann insbesondere ihre Arbeitszeit einschränken. Überdies sind die Kantone befugt, die Beschäftigung von einer besondern Erlaubnis' abhängig, zu machen oder gänzlich zu untersagen.

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Art. 6.

Die Kantone sind befugt, höhere Mindestalter als das in Art. 5 Weitergehende vorgeschriebene anzusetzen für die Zulassung von Arbeitnehmern in stritten!1" Betrieben des Gast- und Wirtschaftsgewerbes, des Schaustellungsund Lichtspielgewerbes, ferner zum Wanderhandel und Wandergewerbe sowie zur Tätigkeit auf Märkten und bei Auslagen ausserhalb der Verkauf slä den.

2 Sie können ferner den Aufenthalt von Kindern in den Bäumen der Betriebe sowie das Mitnehmen von Kindern bei der Ausübung eines Wandergewerbes oder Wanderhandels verbieten.

3 Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der Kantone, die aus gesundheitlichen und Sicherheitsgründen weitergehende Schutzvorschriften aufstellen.

* Die Kantone bezeichnen, unter Anzeige an den Bundesrat, die kantonalen Vorschriften, die unter Abs. 3 fallen und in Kraft bleiben.

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Art. 7.

In den diesem Gesetz unterstellten Betrieben ist ein Verzeichnis Kontroiizu führen, in welchem alle beschäftigten Personen unter achtzehn Jahren mit Angabe ihres Geburtsdatums ersichtlich sind.

2 Der Bundesrat kann auch die Vorlage eines Altersausweises oder andere Kontrollmassnahmen vorschreiben.

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Abschnitt III.

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Vollzug.

Art. 8.

Die Durchführung des Gesetzes-liegt den Kantonen ob.

Sie bezeichnen die kantonalen Vollzugsorgane. .

Vollzug durch ie antone -

Art. 9.

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Die Oberaufsicht über den Vollzug des Gesetzes liegt dem Bundes- Oberaulsicht i -L durch den rat ob.

Bund.

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Er erlässt die Vollzugsvorschriften und kann ausnahmsweise geringe Abweichungen von den Vorschriften dieses Gesetzes zulassen.

Abschnitt IV.

strafen.

Zuständigkeit.

Straf- und Schlussbestimmungen.

Art. 10.

i Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz durch die Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortlichen Personen werden mit Bussen von zehn bis fünfhundert Franken bestraft.

2 Wird die Zuwiderhandlung im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person oder der Gesellschaft für die Bussen und Kosten, 3 Der erste Abschnitt des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1858 über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft findet Anwendung. Strafbar ist auch die fahrlässige Handlung.

Art. 11.

i j)ie Verfolgung und Beurteilung der Zuwiderhandlung ist Sache der Kantone.

2 Sie haben dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit sämtliche endgültigen Strafentscheide einzusenden.

Art. 12.

Aulhebung lasse!TM1" Er~

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Kantonale Vorschriften über das Mindestalter der Arbeitnehmer den von diesem Gesetz erfassten Betrieben sind aufgehoben.

2 Ebenso sind aufgehoben: a. Art. 70, Abs. l, des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914/27. Juni 1919 betreffend die Arbeit in den Fabriken; 6. Art. 2 des Bundesgesetzes vom 81. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben; o. Art. 2 der Verordnung des Bundesrates vom 5. Juli 1923 betreffend die Beschäftigung jugendlicher Personen bei den Transportanstalten.

3 Vorbehalten bleiben die kantonale Schulgesetzgebung und die Vorschriften der Kantone im Sinne von Art. 7.

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Art. 18.

Der Art. 70, Abs. 2, des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1914/27. Juni Abänderung Bundes1919 betreffend die Arbeit in den Fabriken wird aufgehoben und durch von recht.

folgende Bestimmung ersetzt: Art. 70, Abs. 2. Der Aufenthalt in den Arbeitsräumen ist Kindern, die das fünfzehnte Alterajahr noch nicht zurückgelegt haben, nicht gestattet. Behördliche Ausnahmebewilligungen bleiben vorbehalten.

2 Der Art. 2, Abs. l, des Bundesgesetzes über die berufliche Ausbildung vom 26. Juni 1930 wird aufgehoben und durch folgende Bestimmung ersetzt: Art. 2, Abs. 1: Als Lehrlinge im Sinne des Gesetzes gelten die aus der Primarschulpflicht entlassenen Minderjährigen vom vollendeten fünfzehnten Altersjahr an, die in einem öffentlichen oder privaten Betrieb arbeiten, um einen bestimmten unter das Gesetz fallenden Beruf zu erlernen.

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Art. 14.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beginn der Wirksamkeit.

Gesetzes.

Also beschlossen vom Ständerat, B e r n , den 24. Juni 1938.

Der Präsident : B. Weck.

Der Protokollführer: Leimgrilber.

Also beschlossen vom Nationalrat, B e r n , den 24. Juni 1938.

Der Präsident : F. Hauser.

Der Protokollführer: G. Boret.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874. betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 24. Juni 1938.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler: G. Boyet.

369 Datum der Veröffentlichung: 29. Juni 1938.

Ablauf'der Referendumsfrist: 27. September 1988.

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Bundesgesetz über das Mindestalter der Arbeitnehmer. (Vom 24. Juni 1938.)

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Jahr

1938

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Volume Volume Heft

26

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

29.06.1938

Date Data Seite

141-145

Page Pagina Ref. No

10 033 655

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