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Bundesblatt Bern, den 17. August 1938.

90. Jahrgang.

Band IT.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung des abgeänderten Art. 62 und eines neuen Art. 63 der Staatsverfassung des Kantons Solothurn.

(Vom 12. August 1938.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

In der Volksabstimmung vom 3. Juli 1938 hat das Solothurnervolk eine vom Kantonsrat am 19. Mai 1938 beschlossene Eevision der Verfassung des Kantons Solothurn vom 23. Oktober 1887 angenommen. Art. 62 wird aufgehoben und durch einen neuen Art. 62 ersetzt. In die Verfassung wird ein neuer Art. 63 aufgenommen. Die von der Revision erfassten Verfassungsbestimmungen lauten in ihrer bisherigen und in der neuen Passung wie folgt: Bisheriger Text:

Neuer Text:

Art. 62.

Art. 62.

Bestimmungen über direkte Besteuerung und indirekte Abgaben sind Sache der Gesetzgebung.

Eine direkte Steuer kann nur auf das reine Vermögen (nach Abzug aller Schulden) und auf das reine Einkommen verlegt werden.

Alle Steuerpflichtigen sollen im Verhältnis ihrer Hilfsmittel an die Ausgaben des Staates beitragen. Zu diesem Behufe ist die Steuer vom Vermögen und vom Einkommen nach dem Grundsatze einer massigen Progression zu erheben.

Bandesblatt, 90. Jahrg. Bd. II.

Bestimmungen über direkte Besteuerung und indirekte Abgaben sind Sache der Gesetzgebung.

Aue Steuerpflichtigen sollen im Verhältnis ihrer Mittel an die Ausgaben des Staates beitragen. Bei der Besteuerung des Einkommens und des Vermögens ist auf das reine Einkommen und das reine Vermögen abzustellen, und es sind die Grundsätze einer angemessenen Progression anzuwenden. Diese Grundsätze gelten sinngemäss auch für die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen.

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302 Die Progression darf beim Vermögen und beim Einkommen den doppelten Betrag der Proportionalsteuer nicht übersteigen.

Geringe Vermögen arbeitsunfähiger Personen, sowie von jedem Einkommen ein zum Leben unbedingt notwendiger Betrag sind steuerfrei.

Der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Grundstückes kann einen verhältnismässigen Nachlass der Steuer fordern, wenn der gewöhnliche Ertrag infolge ansserordentlicher Ungi licksfalle einen beträchtlichen Abbruch erlitten hat.

Geringe Vermögen sowie von jedem Einkommen ein zum Leben unbedingt notwendiger Betrag sind steuerfrei.

Ein verhältnisrnässiger Nachlass der Steuer kann zugunsten einzelner Steuerpflichtiger bewilligt werden, sofern sie durch Unglück, Not und Krise in Bedrängnis kommen.

Art. 63.

Art. 63.

(Aufgehoben durch Ziff. TU der Partialrevision vom 17. März 1895).

In Zeiten der Not kann zur Erfüllung ausserordentlicher Aufgaben der Staatssicherheit, der Arbeitsbeschaffung und Sozialfürsorge von den ordentlichen Steuergrundsätzen abgewichen werden. Dies darf jedoch nur auf dem Wege der Gesetzgebung und auf begrenzte Geltungsdauer geschehen.

Im neuen Art. 62 wird verfassungsmässig verankert, dass Bestimmungen über die direkte Besteuerung und die indirekten Abgaben nur durch das Volk beschlossen werden können. Den im alten Art. 62 festgelegten Grundsätzen wird hinzugefügt, dass sie sinngemäss auch für die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen gelten sollen. Die Bestimmung, wonach die Progression den doppelten Betrag der Proportionalsteuer nicht übersteigen darf, wird fallen gelassen. Der allgemeine Grundsatz nach § 15 des geltenden Steuergesetzes, dass ein verhältnisrnässiger Nachlass der Steuer zugunsten einzelner Steuerpflichtiger bewilligt werden kann, wird nun in die Verfassung aufgenommen, an Stelle des letzten Absatzes des alten Art. 62, der diesen Nachlass nur den Besitzern landwirtschaftlicher Grundstücke gewährte.

Der neue Art. 63 trägt einem Initiativbegehren um Ergänzung der Verfassung durch Aufnahme eines Notstandsartikels Eechnung. Damit wird erreicht, dass in Krisenzeiten ausserordentliche Pinanzmassnahmen getroffen werden können.

Die Eevision schafft somit die verfassungsrechtliche Grundlage für eine Einkommens- und Vermögenssteuer im Sinne der Gebote der Steuergerechtig-

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keit und Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie für eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Der Steuernachlass wird verfassungsmässig festgelegt und ein der Volksabstimmung unterliegendes Fiskalnotrecht geschaffen.

Es ist offensichtlich, dass die neuen Verfassungsbestimmungen ausschliesslich das kantonale Recht beschlagen und nichts enthalten, was dem Bundesrecht zuwiderlaufen würde.

"Wir beantragen Ihnen deshalb, durch Annahme des nachstehenden Beschlussesentwurfs in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung dieser Verfassungsänderung die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 12. August 1938.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Baumann.

Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

304 (Entwurf.)

Bundesfoeschluss über

die Gewährleistung des abgeänderten Art. 62 und eines neuen Art, 63 der Staatsverfassung des Kantons Solothurn.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , in Anwendung von Art, 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 12. August 1938, in Erwägung, dass diese Verfassungsänderungen nichts den Vorschriften der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthalten, beschliesst :

Art. 1.

Dem in der Volksabstimmung vorn 3. Juli 1938 angenommenen abgeänderten Art. 62 und dem neuen Art. 63 der Staatsverfassung des Kantons Solothurn wird die Gewährleistung des Bundes erteilt.

Art. 2.

Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung des abgeänderten Art. 62 und eines neuen Art. 63 der Staatsverfassung des Kantons Solothurn.

(Vom 12. August 1938.)

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Jahr

1938

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

33

Cahier Numero Geschäftsnummer

3751

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.08.1938

Date Data Seite

301-304

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