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Ablauf der Referendumsfrist : 5. Juli 1938.

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Bundesgesetz über

die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern.

(Vom 1. April 1938.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 85, Ziff. 6, der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. November 1987, beschliesst: I. Zweck und Befugnisse.

Art. 1.

1 Der Bund trifft für den Fall der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges die notwendigen Massnahmen zur Beschaffung und Sicherstellung der für die Versorgung von Volk und Heer unentbehrlichen Güter.

2 Der Bundesrat ist ermächtigt, die in den nachstehenden Artikeln vorgesehenen Massnahmen durchzuführen. Er hat die notwendigen Kredite bei der Bundesversammlung nachzusuchen.

3 Über weitere Massnahmen zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern beschliesst unter Vorbehalt von Abschnitt IV die Bundesversammlung.

II. Bestandesaufnahmen und Erhebungen.

Art. 2.

1 Der Bundesrat ist ermächtigt, über Vorräte an lebenswichtigen Gütern Bestandesaufnahmen und über die Möglichkeiten ihrer Produktion Erhebungen anzuordnen. Er kann allgemein oder für bestimmte Fälle periodische Meldungen verlangen.

2 Wird eine Bestandesaufnahme oder Erhebung verfügt, so ist jedermann verpflichtet, den zuständigen Amtsstellen über alle wirtschaftlichen Verhältnisse, welche für die Versorgung von Volk und Heer von Bedeutung sind, Auskunft zu erteilen und auf Verlangen die zweckdienlichen Unterlagen vorzulegen. Soweit dies unerlässlich ist, kann die Führung einer zweckentsprechenden Lagerbuchhaltung angeordnet werden.

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in. Massnahmen in ansichern Zeiten.

Art. 8.

1 Wenn die allgemeine Lage es erfordert, kann der Bundesrat zur Sicherstellung der Landesversorgunga. Vorräte des Bundes anlegen oder vermehren; b. die Schaffung und Vermehrung von Vorräten Dritter durch Verträge und andere geeignete Mittel fördern; c. öffentliche und private Unternehmungen sowie die kantonalen Salzverwaltungen zur Haltung von Vorräten, die in ihren Geschäftsbereich fallen, in bestimmtem Umfang und an bestimmten Orten verpflichten.

2 Bei der Lagerhaltung Dritter ist in jedem Falle vorzuschreiben, wer für diese Lager verantwortlich und darüber verfügungsberechtigt ist.

8 Wenn die Errichtung und Haltung von Vorräten verfügt wird und daraus dem Lagerhalter ohne eigenes Verschulden unter Abzug allfälliger Gewinne Schaden entsteht, ist der Bund zur Schadloshaltung verpflichtet.

Art. 4.

Als weitere Massnahmen kann der Bundesrat für Erzeugnisse der Landoder Forstwirtschaft eine vermehrte Produktion oder Nutzung anordnen.

An die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile leistet der Bund angemessene Beiträge.

Art. 5.

Der Bundesrat kann Studien und Versuche sowie andere Vorbereitungsmassnahmen zur Nutzbarmachung inländischer Urprodukte oder zur Förderung der einheimischen Erzeugung lebenswichtiger Güter durch Beiträge oder andere geeignete Mittel unterstützen.

Art. 6.

Der Bundesrat trifft ferner die notwendigen Vorbereitungen für die Sicherstellung der Transporte im Falle der wirtschaftlichen Absperrung oder des Krieges.

IV. Massnahmen im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr.

Art. 7.

1 Im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr ist der Bundesrat ermächtigt, weitere Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer zu treffen.

Insbesondere kann er die Beschlagnahme oder Enteignung verfügen.

2 Freiwillig gehaltene Lager, namentlich solche, für die keine staatlichen Beiträge gewährt wurden, sind, soweit das Landesinteresse es zulässt, · dem Eigentümer zu überlassen.

3 Dem Eigentümer enteigneter Sachen bezahlt der Bund volle Entschädigung. Bei Beschlagnahme erfolgt angemessene Schadloshaltung.

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Art. 8.

Im Falle der Beeinträchtigung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern durch das Ausland erlässt der Bundesrat Bestimmungen zur Verhinderung ungerechtfertigter Preissteigerungen auch auf inländischen Vorräten.

V. Kontrolle und Verfahren.

Art. 9.

Die mit der Kontrolle der Erhebungen und der Lagerhaltung beauftragten Organe sind befugt, die Richtigkeit der Auskünfte und Meldungen nachzuprüfen, sowohl durch Einsichtnahme in alle vorhandenen Unterlagen als auch durch Besichtigung der Lager- und Fabrikationsräume.

Art. 10.

Alle Kontrollorgane sind verpflichtet, über die gemachten Feststellungen und Wahrnehmungen Amtsverschwiegenheit zu beobachten.

2 Die Kontrollorgane dürfen nur den zuständigen Stellen Auskunft erteilen.

1

Art. 11.

Der Bundesrat wird, unter Vorbehalt von Abs. 2, zur Entscheidung über im vorliegenden Gesetz begründete vermögensrechtliche Ansprüche ausserhalb der Bund es Verwaltung stehende Instanzen einsetzen. Deren Entscheide können an das Bundesgericht weitergezogen werden, wenn der Streitwert' nach Massgabe' der Eechtsbegehren, wie sie vor der unteren Instanz noch streitig waren, wenigstens zweitausend Franken beträgt; die Art. 77 bis 87 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1980 über die Enteignung finden entsprechende Anwendung.

2 Über die Zuwendungen des Bundes gemäss Art. 4 bis 6 entscheiden endgültig die zuständigen Verwaltungsbehörden.

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VI. Strafbestimmungen.

Art. 12.

Wer die Auskunfts- oder Meldepflicht oder die Verpflichtung zum Vorlegen von Unterlagen oder zur Führung einer Lagerbuchhaltung verletzt, wer sich einer von den zuständigen Stellen angeordneten Kontrolle widersetzt, diese verunmöglicht oder die Kontrollorgane täuscht, ·wer als Kontrollorgan die Schweigepflicht gemäss Art. 10 verletzt, wer einer von den zuständigen Amtsstellen gemäss Art. 4 erlassenen Verfügung zuwiderhandelt, wird mit Busse bis zu fünftausend Franken bestraft.

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Art. 18.

Wer einer von den zuständigen Amtsstellen gemäss Art. 8, lit. c, erlas senen Verfügung über Lagerhaltung zuwiderhandelt, wer zur Erlangung ungerechtfertigter Zuwendungen oder um sich sonst einen Vorteil zu verschaffen oder sich der Auferlegung einer Verpflichtung zu entziehen, unvollständige oder wahrheitswidrige Angaben macht, wird mit Busse bis zu dreissigtausend Franken oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Die beiden Strafen können verbunden werden.

2 Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Busse bis zu fünftausend Franken.

Art. 14.

Die Bundesversammlung ist befugt, für die Durchführung der ihr in Art. l, Abs. 8, übertragenen Ermächtigung die notwendigen Strafbestimmungen im Rahmen von Art. 18 zu erlassen. Die gleiche Befugnis besitzt der Bundesrat für die Durchführung der in Art. 7 und 8 vorgesehenen Massnahmen.

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· Art. 15.

Werden die Widerhandlungen iin Geschäftsbetrieb einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person oder der Gesellschaft für die Bussen und Kosten.

Art. 16.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechts finden Anwendung.

2 Die Verfolgung und Beurteilung liegt den Kantonen ob.

3 Die Urteile erster und letzter Instanz sowie die Einstellungsbeschlüsse sind in vollständiger schriftlicher Ausfertigung unverzüglich der Bundesanwaltschaft zuhanden des Bundesrates einzusenden.

1

Vu. Schlussbestimmungen.

Art. 17.

1 Der Bundesrat wird die zum Vollzug dieses Bundesgesetzes notwendigen Bestimmungen erlassen.

2 Er wird die Kantone zur Mitwirkung heranziehen.

3 Er wird auch die zuständigen Organisationen der Wirtschaft in Anspruch nehmen.

Art. 18.

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes.

556 Also beschlossen vom Nationalrat, B e r n , den 1. April 1938.

Der Präsident: F. Hanser.

Der Protokollführer: G. Bovet.

Also beschlossen vom Ständerat, B e r n , den 1. April 1938.

Der Präsident: B. Weck.

Der Protokollführer: Leimgruber

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 1. April

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1938.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler:

6. Bovet.

Datum der Veröffentlichung: 6. April 1938.

Ablauf der Referendumsfrist : 5. Juli 1938.

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Bundesgesetz über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern.

(Vom 1. April 1938.)

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1938

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06.04.1938

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