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Bundesblatt

Bern, den 27.September 1968 120.Jahrgang

Bandii

Nr. 39 Erscheint wöchentlich Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahmeund Postzustelhmgsgebubr Inseratenverwaltung: Permedia, Publicitas AG, Abteilung für Penodika, Hirschmattstrasse 42, 6002 Luzern

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Botschaft

des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Genehmigung einer zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nordamerika abgeschlossenen Vereinbarung über Gegenseitigkeit in der Auszahlung gewisser Sozialversicherungsrenten (Vom 4. September 1968) Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft eine in der Form eines Notenwechsels zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nordamerika am 27. Juni 1968 getroffene Vereinbarung über die Zahlung von Renten der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung des einen Staates an die im Ausland wohnenden Angehörigen des ändern Staates zu unterbreiten.

I. Vorgeschichte

l. Bis zum vorliegenden Notenaustausch bestand zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten keinerlei Abkommen über Soziale Sicherheit; die Leistungsansprüche der Angehörigen des einen Staates gegenüber der Rentenversicherung (Alters-. Hinterlassenen- und Invalidenversicherung) des anderen Staates richteten sich daher ausschliesslich nach den Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts der beiden Staaten. Daraus ergab sich folgende Lage : Nach schweizerischem Recht waren die amerikanischen Staatsbürger nur rentenberechtigt, wenn sie während mindestens zehn Jahren Beiträge an die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung entrichtet hatten und nur solange sie ihren Wohnsitz in der Schweiz beibehielten (Art. 18 Abs. 2 AHVG und Art.6Abs.2IVG).

Die amerikanische Sozialversicherungsgesetzgebung anderseits stellte die Ausländer im allgemeinen den amerikanischen Staatsangehörigen gleich, sah indessen für die Zahlung der Renten an ausserhalb der Vereinigten Staaten wohBundesblatt. 120.Jatog.Bd.II

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nende Ausländer gewisse Einschränkungen vor. So wurden die Renten des amerikanischen « Social-Security »-Systems bis zum 30. Juni 1968 nur in folgenden Fällen an Ausländer ausserhalb der Vereinigten Staaten ausbezahlt : a. wenn der Berechtigte Angehöriger eines Staates war, gegenüber dem sich die Vereinigten Staaten durch ein vor dem I.Januar 1957 in Kraft getretenes Abkommen zur Zahlung ihrer Leistungen ins Ausland verpflichtet hatten, oder b. wenn er einem Staat angehörte, dessen Gesetzgebung die Auszahlung der von amerikanischen Staatsbürgern erworbenen Leistungen nach jedem beliebigen ändern Staat vorsah, oder schliesslich c. wenn er während mindestens zehn Jahren Beiträge an die amerikanische Sozialversicherung geleistet oder ebensolange Wohnsitz in den Vereinigten Staaten gehabt hatte.

Falls keine der obenerwähnten Bedingungen erfüllt wurde, so war die Zahlung der Sozialversicherungsleistung ins Ausland nicht möglich. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die ausserhalb der Vereinigten Staaten wohnenden Schweizerbürger nur dann in den Genuss ihrer in der amerikanischen Sozialversicherung erworbenen Renten kamen, wenn sie eine zehnjährige Beitragszeit oder Wohnsitzdauer in den Vereinigten Staaten nachweisen konnten.

2. Dieser Stand der Dinge auf dem Gebiet der Sozialversicherung konnte, nachdem jedes der beiden Länder eine ansehnliche Kolonie von Bürgern des ändern Staates aufweist (vgl. Abschnitt V), kaum als befriedigend bezeichnet werden. Aus diesem Grunde wurden im Jahre 1960 anlässlich der Amerikareise einer schweizerischen Delegation zu zwei internationalen Kongressen über Soziale Sicherheit in Washington erste offizielle Kontakte mit den zuständigen amerikanischen Behörden aufgenommen. Diese Besprechungen führten indessen zu keinem positiven Ergebnis. Während die Schweiz damals den Abschluss eines umfassenden « klassischen » Abkommens über Soziale Sicherheit mit den üblichen gegenseitigen Zugeständnissen und Verpflichtungen anstrebte, sahen sich die Vereinigten Staaten ausserstande, einen Staatsvertrag einzugehen, der Abweichungen von ihrem innerstaatlichen Recht beinhaltet hätte. So blieben die skizzierten Verhältnisse in den folgenden Jahren unverändert.

3. Unter den Sparmassnahmen, welche die Vereinigten Staaten kürzlich trafen, findet sich auch ein den « Social Security Act »
ergänzendes Gesetz, das - mit Wirkung ab l. Juli 1968 - die dritte der oben aufgeführten Möglichkeiten für Ausländer, trotz Wohnsitzes ausserhalb der Vereinigten Staaten in den Genuss ihrer amerikanischen Renten zu kommen, aufhob, nämlich die Voraussetzung der 10jährigen Beitrags- beziehungsweise Wohnzeit in den Vereinigten Staaten (vgl.

oben Ziff. l Buchstabe c). Wie bereits erwähnt, war dies praktisch die einzige Möglichkeit für einen Schweizerbürger, seine amerikanische Rente am schweizerischen Wohnsitz zu beziehen. Zwar blieb noch ein Ausweg : die Weiterzahlung der Rente ist zulässig, wenn sich der Berechtigte jeden Monat einmal in die Vereinigten Staaten begibt oder sich dort einen ganzen Monat pro halbes Jahr aufhält. Es liegt indessen auf der Hand, dass dieser Ausweg den in die Heimat zu-

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rückgekehrten Mitbürgern wenig hilft und den meisten unter ihnen der Verlust ihrer Rentenansprüche gegenüber der amerikanischen Social Security ab I.Juli 1968 drohte. Die Frage des Abschlusses einer Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten erlangte damit unversehens grösste Dringlichkeit.

H. Die Rentenversicherung der Vereinigten Staaten Die seit dem Jahre 1935 nach und nach eingeführte amerikanische Rentenversicherung umfasst heute sozusagen die gesamte, selbständig und unselbständig erwerbstätige Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Alle Erwerbstätigen sind somit beitragspflichtig, mit einigen Ausnahmen wie : Selbständigerwerbende mit einem Jahreseinkommen unter 400$ (1720.-Fr., bei einem Kurs von 4.30 Fr.), ferner im Betriebe ihrer Ehegatten arbeitende Frauen oder Männer, im weitern im Staatsdienst beschäftigte, einer Pensionskasse angeschlossene Arbeitnehmer. Die Beiträge der Unselbständigerwerbenden belaufen sich zur Zeit auf 7,6 Prozent des Lohnes, wobei das über 7800 $ (33 540.- Fr.) liegende Jahreseinkommen seit dem I.Juli 1968 nicht in die Beitragsberechnung einbezogen wird. Die Beiträge sind je zur Hälfte durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer aufzubringen.

Der Beitrag der Selbständigerwerbenden wurde für das Jahr 1968 auf 5,8 Prozent des Einkommens festgesetzt und das beitragspflichtige Jahreseinkommen wie bei den Unselbständigerwerbenden begrenzt. Die genannten Beitragssätze werden im Laufe der nächsten Jahre allmählich erhöht bis sie schliesslich - unter Vorbehalt allfälliger Gesetzesänderungen - im Jahre 1973 für die Unselbständigerwerbenden 10 Prozent und für die Selbständigerwerben 7 Prozent erreicht haben werden.

Die Rentenversicherung richtet folgende Leistungen aus : Altersrenten bei Vollendung des 65. Altersjahres (oder eine herabgesetzte Rente nach zurückgelegtem 62. Altersjahr, wenn die Versicherungsbedingungen schon in diesem Zeitpunkt erfüllt sind), Invalidenrenten bei Erwerbsunfähigkeit infolge eines körperlichen oder geistigen Gebrechens, Hinterlassenenrenten an Witwen (in gewissen Fällen auch an Witwer), an Waisen und an Eltern, wenn deren Unterhalt mindestens zur Hälfte vom Versicherten bestritten wurde, ferner Sterbegeld und Zusatzrentenfür unterhaltsberechtigte Personen.

Der Rentenanspruch entsteht mit dem Eintritt des versicherten Ereignisses, wenn in diesem
Zeitpunkt eine bestimmte Versicherungsdauer (Deckungszeitraum) zurückgelegt ist. Diese Versicherungsdauer ist je nach der in Betracht kommenden Leistung unterschiedlich bemessen: bei den Altersrenten beträgt sie gegenwärtig im allgemeinen - für Übergangsfälle gelten besondere Bestimmungen ein Viertel derjenigen Zeit, die zwischen dem Jahre 1951 oder dem 21. Geburtstag des Versicherten (wenn dieser in die Jahre nach 1950 fällt) und dem Jahr des Eintritts des Versicherungsfalles liegt (Basisjahre). Der Deckungszeitraum erhöht sich bis auf weiteres jedes Jahr um ein Quartal, so dass beispielsweise eine Person, die bei Vollendung ihres 65. Altersjahres im Jahre 1968 eine Altersrente verlangt, eine Mindestdeckung von 17 Quartalen nachzuweisen hat, um einen Rentenanspruch zu erwerben. 1969 werden dazu 18 Quartale notwendig sein und so fort,

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bis schliesslich die erforderliche Viertelsdeckung im Jahre 1991 40 Quartale erreicht haben wird ; diese Anzahl wird von da ab im Regelfall die ordentliche Mindest-Versicherungsdauer zum Erwerb einer Altersrente darstellen. Das Gleiche gilt auch für die Hinterlassenenrenten, soweit hier nicht die günstigere Regelung Platz greift, nach welcher ein Leistungsanspruch ebenfalls entsteht, wenn mindestens sechs der demVersicherungsfall unmittelbar vorausgegangenen 13 Quartale als Versicherungszeit zurückgelegt sind. Für den Anspruch auf Invalidenrenten wird der Eintritt der Invalidität dem Erreichen des Rentenalters (65 Jahre) gleichgesetzt, so dass für den Erwerb einer Invalidenrente dieselbe Mindestdeckung erforderlich ist, wie wenn der Versicherte in diesem Zeitpunkt das 65. Altersjahr erreicht hätte (d. h. 1968:17 Quartale, 1969:18 Quartale, usw.). Ausserdem hat der Rentenansprecher nachzuweisen, dass er im Laufe der 40 dem versicherten Ereignis unmittelbar vorausgehenden Quartale deren 20 als Versicherungszeit zurückgelegt hat.

Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem durchschnittlichen Lohn während der Zeit, auf die Bezug genommen wird. Die Alters- und Invalidenrente einer Einzelperson kann im Monat mindestens 55 f (236.- Fr.) und höchstens 218 $ (937.- Fr.) betragen, die Ehepaar-Altersrente schwankt zwischen 82 $ (353.Fr.) und 317$ (1363.- Fr.) und der Gesamtbetrag der Leistungen für eine Familie mit Einschluss der Kinderzuschläge bewegt sich zwischen 83 $ (357.- Fr.) und 434 $ (1866.- Fr.). Allerdings ist bei diesen Angaben zu beachten, dass die erwähnten Höchstbeträge zur Zeit noch nicht erreicht werden können, weil die Erhöhung des beitragspflichtigen Lohnes (die eine Heraufsetzung der Leistungen erlaubte) erst kürzlich erfolgte. Es dürfte an dieser Stelle interessieren, dass die amerikanische Gesetzgebung es sich zum Ziel gesetzt hat, für Ehepaare mit einer vollständigen Versicherungslaufbahn Höchstrenten von 50 Prozent des durchschnittlichen plafonnierten Lohnes auszurichten. Abschliessend sei erwähnt, dass die Renten gekürzt oder sogar ganz aufgehoben werden, wenn und solange der Empfänger nach Vollendung des 65. Altersjahres weiterhin erwerbstätig ist und ein bestimmte Grenzen übersteigendes Einkommen erzielt. Diese Einschränkungen fallen indessen mit der Vollendung des 72. Altersjahres endgültig weg.

IH. Die Verhandlungen

l. Sobald die schweizerischen Behörden von den obenerwähnten amerikanischen Massnahmen Kenntnis erhielten, setzten sie sich durch Vermittlung der Botschaft der Vereinigten Staaten in Bern mit den amerikanischen Behörden in Verbindung, um nach einer Lösung zu suchen und unsere Mitbürger nach Möglichkeit vor den schweren Auswirkungen der neuen amerikanischen Erlasse zu bewahren. Nach den Angaben der amerikanischen Behörden handelte es sich um etwa 250 Schweizerbürger, die ausserhalb der Vereinigten Staaten wohnen und zur Zeit im Genüsse einer Rente der amerikanischen Sozialversicherung stehen; sie standen unmittelbar vor dem Verlust dieser Leistungen, die für sie oft die einzigen oder doch die wesentlichsten Unterhaltsmittel bilden.

417 2. Im Blick auf die bisher von der Schweiz in bezug auf die zwischenstaatliche soziale Sicherheit verfolgte Linie stellte sich zunächst die Frage nach dem Abschluss eines umfassenden Staatsvertrages. Es zeigte sich jedoch bald, dass auf diesem Weg das gewünschte Ergebnis nicht hätte herbeigeführt werden können (nämlich die Vermeidung der unmittelbaren Nachteile der amerikanischen Massnahmen), weil ein solches Abkommen keinesfalls bis zum l. Juli 1968 zustandegekommen und in Kraft getreten wäre. Ausserdem verhielten sich die Vereinigten Staaten, wie schon früher, gegenüber dem Abschluss eines Staatsvertrages ablehnend und auch der Versuch, einen Aufschub in der Anwendung der amerikanischen Massnahmen zu erreichen, war erfolglos.

3. Unter diesen Umständen wurden, um unseren Mitbürgern noch vor dem folgenschweren bevorstehenden Stichtag des I.Juli 1968 zu helfen, die zuständigen Bundesbehörden (das Eidg. Politische Departement und das Bundesamt für Sozialversicherung) vom Bundesrat ermächtigt, auf das von amerikanischer Seite vorgeschlagene Verfahren eines Notenwechsels einzutreten. Es sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass die amerikanische Gesetzgebung eine Klausel enthält, wonach denjenigen fremden Staatsangehörigen die Gleichbehandlung gewährt wird, deren Heimatstaat seinerseits den amerikanischen Staatsbürge n die Gleichbehandlung zusichert. Zur Anwendung dieser Klausel zugunsten der Schweizerbürger genügte daher, dass die Schweiz eine entsprechende Regelung traf. Eine schweizerische Verpflichtung dieser Art sowie die Feststellung der Anwendung der erwähnten amerikanischen Gesetzesbestimmung konnte durchaus in der Form eines Notenaustausches getroffen werden. Zweifellos handelt es sich hierbei, wie wir noch ausführen werden, um eine eher rudimentäre Form eines zwischenstaatlichen Vertrages, doch erwies sich der Notenwechsel unter den gegebenen Verhältnissen als einzig mögliches Verfahren, um rasch ans Ziel zu gelangen.

Nachdem man sich grundsätzlich für dieses Vorgehen entschieden hatte, schritten die Verhandlungen schnell voran, nicht zuletzt - was an dieser Stelle anerkannt sei - dank dem Verständnis und dem guten Willen der amerikanischen Behörden und der amerikanischen Botschaft in Bern.

IV. Der Inhalt des Notenwechsels 1. Geltungsbereich und Zahlung der Leistungen ins Ausland
Die getroffene Regelung erstreckt sich nur auf das Gebiet der Rentenversicherung, d.h. auf die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und innerhalb dieser auf die ordentlichen Renten.

Schweizerischerseits werden die in Artikel 18 Absatz 2 AHVG und Artikel 6 Absatz 2 IVG enthaltenen Beschränkungen bezüglich der Leistungsgewährung an Ausländer in dem Sinne gemildert, dass den amerikanischen Staatsangehörigen hinfort ein Anspruch auf die ordentlichen Renten zusteht, wenn sie während mindestens fünf voller Jahre Beiträge entrichtet haben, und dass sie diese Renten auch beziehen können, wenn sie ihren Wohnsitz ausserhalb der Schweiz verlegen.

418 Ursprünglich hatten die Vereinigten Staaten die vollständige Gleichstellung ihrer Bürger mit den Schweizern beantragt, d.h. die Zuerkennung des Rentenanspruchs schon nach einem einzigen Beitragsjahr. Damit hätte sich aber ein Missverhältnis zwischen den in den beiderseitigen Versicherungen zu erfüllenden Bedingungen ergeben, denn ein Anspruch gegenüber der amerikanischen Versicherung wird wie oben dargelegt - grundsätzlich erst dann erworben, wenn ein Viertel der möglichen Gesamtversicherungsdauer mit Versicherungszeiten belegt ist (heute beträgt die erforderliche Deckung 3 % von 17 Jahren, bis 1991 werden es 10 von 44 Jahren sein). So einigte man sich auf eine Mindestbeitragszeit von fünf Jahren als Anspruchsvoraussetzung in der schweizerischen Versicherung, was übrigens den von der Schweiz vor 1960 abgeschlossenen zwischenstaatlichen Regelungen entspricht. - Im Bereiche der Invalidenversicherung ist zu erwähnen, dass unter der genannten Beitragsvoraussetzung die ordentlichen Renten an amerikanische Staatsangehörige gewährt werden, wenn deren Invalidität in der Schweiz eintritt; die in der Schweiz erworbene Rente wird dem Berechtigten auch nach Verlassen unseres Landes weiterhin ausbezahlt. Für amerikanische Bürger, die während weniger als fünf Jahren Beiträge geleistet haben, ist die bisher geltende Regelung weiter anwendbar, nach welcher diese Personen die Rückerstattung der von ihnen entrichteten AHV-Beiträge im Rahmen der bundesrätlichen Verordnung vom 14. März 1952 über die Rückvergütung der von Ausländern und Staatenlosen an die Alters- und Hinterlassenenversicherung bezahlten Beiträge verlangen können; die Schweiz konnte diese amerikanischen Staatsangehörigen nicht schlechter stellen als die Bürger von Staaten, mit denen überhaupt kein Abkommen besteht und die gemäss obenerwähnter Verordnung innerhalb gewisser Grenzen Anspruch auf die Rückvergütung der von ihnen persönlich an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung geleisteten Beiträge haben.

Amerikanischerseits wird als Gegenstück zu den von der Schweiz eingeräumten Konzessionen die Erklärung abgegeben, die schweizerische Gesetzgebung erfülle die Voraussetzungen, von denen das amerikanische Recht die Leistungszahlung nach dem Ausland abhängig macht (vgl. oben Kapitel I, Buchstabe 6). Unsere Mitbürger, von nun an den
amerikanischen Staatsangehörigen gleichgestellt, können demnach ihre Renten der «Social Security» ohne Einschränkungen auch in der Schweiz oder anderswo beziehen. Damit erhalten künftig auch jene ausserhalb der Vereinigten Staaten wohnenden Landsleute eine amerikanische Rente, die wohl die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung erfüllten, jedoch dem bisherigen Erfordernis der 10jährigen Beitrags- oder Wohndauer nicht zu genügen vermochten (ein seinerzeit als Begünstigung gedachtes Erfordernis, dessen Aufhebung durch die neuen amerikanischen Rechtsvorschriften die vorliegende Vereinbarung notwendig machte).

2. Inkrafttreten Das Instrument bestimmt, dass die Vereinbarung am I.Juli 1968 in Kraft trete. Das bedeutet, dass einerseits von diesem Zeitpunkt an die schweizerischen Leistungen nach der getroffenen Regelung an amerikanische Staatsbürger ge-

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Es darf als seltene Ausnahme bezeichnet werden, dass der Bundesrat eine internationale Vereinbarung in Kraft setzt, bevor das Parlament sie genehmigt hat.

Im vorliegenden Fall schien dieses Vorgehen im Hinblick auf die Dringlichkeit und Bedeutung der Lösung für unsere Mitbürger gerechtfertigt. Wäre der Ablauf des parlamentarischen Genehmigungsverfahrens abgewartet worden, so wären nicht wenige Landsleute in eine unangenehme, zum Teil sogar sehr prekäre Lage geraten. Nur eine unverzügliche Inkraftsetzung der Vereinbarung konnte daher die Interessen jener Schweizerbürger wahren. Selbstverständlich enthält aber die schweizerische Note den Vorbehalt der Zustimmung der Eidgenössischen Räte.

3. Geltungsdauer Die Geltungsdauer des Notenwechsels und der darin enthaltenen Regelung ist auf ein Jahr beschränkt. Sofern keine Kündigung durch eine der Parteien erfolgt, verlängert sie sich stillschweigend von Jahr zu Jahr.

V. Die finanziellen Auswirkungen der Vereinbarung

Die finanziellen Erwägungen betreffend die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, die wir bereits in mehreren Botschaften zu Abkommen über Soziale Sicherheit anstellten, gelten auch für die vorliegende Vereinbarung.

Durch die Einführung der pro-rata-temporis-Renten in der schweizerischen Rentenversicherung besteht seit dem l. Januar 1960 die Garantie für eine individuelle Gleichwertigkeit von Beiträgen und Renten, zumindest bei den verhältnismässig jung in die Versicherung Eintretenden - was bei den amerikanischen Staatsbürgern in der Schweiz in besonderem Masse zutrifft. Wie die folgenden Zahlen zeigen, kann übrigens damit gerechnet werden, dass sich viele Fälle durch Rückerstattung der persönlichen Beiträge der Versicherten erledigen werden. In diesem Zusammenhang dürften nachstehende Angaben über die amerikanische Kolonie in der Schweiz und die schweizerische Kolonie in den Vereinigten Staaten interessieren: Ende 1967 zählte man in der Schweiz 10012 amerikanische Staatsbürger, von denen 8844 im Besitze einer Aufenthalts- und 1168 im Besitze einer Niederlassungsbewilligung waren. Während von den Aufenthaltern 2037 Personen eine Erwerbstätigkeit ausübten, sind ungefähr 400 der Niedergelassenen in der Schweiz erwerbstätig. Wie aus den verfügbaren Zahlen hervorgeht, unterliegt die amerikanische Kolonie in der Schweiz einem starken Wechsel: so befinden sich von den 836 erwerbstätigen Amerikanern, die 1963 erstmals die Aufenthaltsbewilligung erhielten, nach vier Jahren, d. h. anfangs 1968, nur mehr deren 148 in der Schweiz (17,4%, im Vergleich zu 28% unter Berücksichtigung aller Ausländer in der Schweiz). Man schätzt, dass nach fünf Jahren jeweils nur noch 10 bis 15 Prozent der eingereisten Amerikaner in der Schweiz verweilen.

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Schliesslich bleibt zu erwähnen, dass die Alters- und Hinterlassenenversicherung im Jahre 1966 nur an zehn amerikanische Staatsbürger (fünf Männer und fünf Frauen) einfache Altersrenten ausrichtete ; hiezu kamen eine Ehepaar-Rente und drei Zusatzrenten für Ehefrauen amerikanischer Staatsangehöriger. In der gleichen Zeit wurde eine einzige Invalidenrente an einen Amerikaner gewährt.

Die Zahl unserer Landsleute in den Vereinigten Staaten betrug am 3I.Dezember 1967 16850 immatrikulierte Nur-Schweizer und 13220 immatrikulierte Doppelbürger, also insgesamt 30070 Personen, zu denen noch eine auf ungefähr 1000 Personen geschätzte Anzahl von Nichtimmatrikulierten gerechnet werden muss. Seit 1966 hat sich die Zahl der in den Vereinigten Staaten lebenden Schweizerbürger um 2347 Personen erhöht (ohne Berücksichtigung der Nichtimmatrikulierten).

VI. Schlussbetrachtungen

Abschliessend möchten wir nicht unterlassen, nochmals die Besonderheiten der vorliegenden Übereinkunft hervorzuheben, die, wie wir oben bereits dargelegt haben, einmal auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass die Vereinigten Staaten in der Regel keine Staatsverträge, die ihrem innerstaatlichen Recht derogieren, einzugehen wünschen, und anderseits darauf, dass beim Abschluss der Vereinbarung zugunsten der betroffenen Schweizerbürger grosse Dringlichkeit geboten war. So musste als Lösung eine eher rudimentäre Vereinbarung in Kauf genommen werden, die natürlich nicht - wie die von der Schweiz mit zahlreichen anderen Staaten abgeschlossenen Abkommen - alle Vorteile eines umfassenden Vertrages über Soziale Sicherheit auf sich vereinigen kann. Abgesehen davon, dass sich die Übereinkunft nur auf das Gebiet der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung bezieht, ist auch die Regelung dieser Zweige unvollständig: so fehlt vor allem jegliche Totalisation schweizerischer Versicherungszeiten zur Eröffnung oder Aufrechterhaltung eines Anspruches in der amerikanischen Versicherung, sowie die Ergänzung hiezu, nämlich der Erwerb von proratisierten Renten. Allerdings wirkt sich der Verzicht auf eine Totalisation im Falle der Vereinigten Staaten etwas weniger nachteilig aus als im Verhältnis zu anderen Staaten, weil nach amerikanischem Recht - im wichtigsten Fall der Altersrente - ein Rentenanspruch endgültig erworben wird, wenn die Mindestbeitragsdauer vorhanden ist. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass das amerikanische System vorderhand wohl eine ansteigende minimale Beitragsdauer vorsieht, anderseits aber eine Minimalrente garantiert, die - wie oben erwähnt - als einfache Alters- oder Invalidenrente 55 l (236.- Fr.) und als Ehepaar-Altersrente 82 $ (353.- Fr.) im Monat beträgt.

Angesichts der mangelnden Totalisation auf amerikanischer Seite konnte schweizerischerseits die vollständige Gleichbehandlung der amerikanischen Staatsangehörigen nicht gewährt sondern den amerikanischen Bürgern der Anspruch auf die ordentlichen Renten der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung erst nach einer Beitragsdauer von 5 Jahren eingeräumt werden.

Wegleitend war dabei der bisher stets beachtete Grundsatz, dass der Herabsetzung derMindestbeitragsdauer für den Leistungsanspruch in der AHV/IV auf ein

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einziges Jahr jeweils die Anrechnung der schweizerischen Versicherungszeiten im Partnerstaat zur Erfüllung der dortigen längeren Mindestversicherungszeiten gegenüberstehen müsse.

Dafür wurden auf beiden Seiten die Beschränkungen bei der Zahlung der ordentlichen Renten ins Ausland aufgehoben, so dass nunmehr sowohl die amerikanischen Staatsangehörigen ihre einmal erworbenen schweizerischen Renten wie auch die Schweizerbürger die in der amerikanischen Social Security erworbenen Leistungen ungeachtet ihres Wohnsitzes im In- oder Ausland beziehen können.

Zusammenfassend darf gesagt werden, dass die Vereinbarung mit den Vereinigten Staaten in Anbetracht aller Umstände eine wohlausgewogene und zur Zeit sicher die bestmögliche Lösung darstellt. Wir sind überzeugt, dass sie den zahlreichen, aus den Vereinigten Staaten zurückgekehrten oder künftig zurückkehrenden Schweizerbürgern zum Wohle gereichen wird.

Die vorliegende Vereinbarung, obschon in der Form eines Notenwechsels getroffen, ist als Staatsvertrag zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten zu betrachten, der auf schweizerischer Seite der Genehmigung der Eidgenössischen Räte bedarf. Aus Artikel 341«»'« der Bundesverfassung, der dem Bund die Befugnis zur Gesetzgebung auf dem Gebiete der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung überträgt, und aus Artikel 8 dieser Verfassung, der dem Bund die Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen einräumt, ergibt sich die Verfassungsmässigkeit unserer Vorlage.

Mit den amerikanischen Massnahmen zur Einschränkung der Rentenzahlungen nach dem Ausland befasst sich auch die Kleine Anfrage Keller vom 27. Juni 1968. Sie darf mit diesen Darlegungen als beantwortet gelten.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, es sei der zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten erfolgte Notenwechsel vom 27. Juni 1968 durch die Annahme des beiliegenden Entwurfs eines Bundesbeschlusses zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 4. September 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Spühler

Der Bundeskanzler : Huber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung einer zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nordamerika abgeschlossenen Vereinbarung über Gegenseitigkeit in der Auszahlung gewisser Sozialversicherungsrenten Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4. September 1968, beschliesst: Artikel l 1

Die am 27. Juni 1968 durch Notenaustausch zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nordamerika getroffene Vereinbarung über Gegenseitigkeit in der Auszahlung gewisser Sozialversicherungsrenten wird genehmigt.

2 Der Bundesrat wird beauftragt, diese Genehmigung der Regierung der Vereinigten Staaten zu notifizieren.

Artikel 2 Der Bundesrat wird ermächtigt, die für die Anwendung des Abkommens notwendigen Vorschriften zu erlassen.

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Notenwechsel zwischen dem Eidgenössischen Politischen Departement und der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Bern über Gegenseitigkeit in der Auszahlung gewisser Sozialversicherungsrenten

Wortlaut der schweizerischen Note

( Übersetzung aus dem englischen Originaltext) Das Eidgenössische Politische Departement beehrt sich, den Empfang der Note der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika vom heutigen Tag zu bestätigen, die wie folgt lautet : «Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beehrt sich, auf die Besprechungen Bezug zu nehmen, die kürzlich zwischen Vertretern der Botschaft einerseits und des Eidgenössischen Politischen Departements sowie des Eidgenössischen Departements des Innern anderseits stattgefunden haben und welche die Gegenseitigkeit in der Auszahlung gewisser Leistungen der Sozialen Sicherheit zum Gegenstand hatten.

Die erwähnten Besprechungen haben zu der nachstehenden, ab I.Juli 1968 geltenden Vereinbarung zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten und der Schweizerischen Regierung geführt.

Bezüglich der Auszahlung der in Artikel 28 bis 38 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung und der in Artikel 21 bis 41 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vorgesehenen Leistungen erklärt die Schweizerische Regierung, dass die in Artikel 6 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung und in Artikel 18 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung enthaltenen Einschränkungen auf leistungsberechtigte Bürger und Staatsangehörige der Vereinigten Staaten nicht angewendet werden, sofern diese insgesamt während fünf oder mehr Jahren Beiträge entrichtet haben. Anderseits erhalten diejenigen amerikanischen Bürger und Staatsangehörigen, die während mehr als eines Jahres aber weniger als fünf Jahren Beiträge an die genannten Versicherungen entrichtet haben, auf Antrag diese Beiträge gemäss der Verordnung des Bundesrates vom 14. März 1952 über

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die Rückvergütung der von Ausländern und Staatenlosen an die Alters- und Hinterlassenenversicherung bezahlten Beiträge zurückerstattet.

Die Regierung der Vereinigten Staaten erklärt ihrerseits, dass das Sozialversicherungssystem der Schweiz den Anforderungen des Abschnittes 202 (t) (2) des Social Security Act der Vereinigten Staaten [42 USC 402 (t) (2)] genügt und dass infolgedessen die entsprechenden, in den Abschnitten 202 (a) bis und mit 202 (i) und in Abschnitt 223 (a) des Social Security Act der Vereinigten Staaten [42 USC 402 (a) bis 402 (/') und 423 (a) ] vorgesehenen Leistungen den leistungsberechtigten Schweizerbürgern ungeachtet der in Abschnitt 202 (t) (1) des Social Security Act der Vereinigten Staaten [42 USC 402 (r) (1)] vorgesehenen Einschränkungen ausbezahlt werden können.

Die vorliegende Vereinbarung gilt für die Dauer eines Jahres. Sie erneuert sich stillschweigend von Jahr zu Jahr, sofern sie nicht durch die Gesetzgebung einer der Vertragsparteien aufgehoben wird. Eine Kündigung soll innerhalb der letzten drei Monate vor Ablauf der Gültigkeitsfrist so frühzeitig wie möglich mitgeteilt werden. » Das Departement ist in der angenehmen Lage, der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika bekanntgeben zu können, dass die Schweizerische Regierung, unter Vorbehalt der Genehmigung durch die Eidgenössischen Räte, dem Inhalt dieser Note zustimmt. Die Vereinbarung tritt mit dem Austausch der Noten in Kraft.

Das Departement benützt diese Gelegenheit, um die Botschaft erneut seiner vorzüglichen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 27. Juni 1968.

0348

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