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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Richtlinien für die Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1968-1971 (Vom 15. Mai 1968)

Herr Präsident, hochgeehrte Herren, Mit dem vorliegenden Bericht unterbreiten wir Ihnen unsere Richtlinien für die Regierungspolitik der laufenden Legislaturperiode. Die eidgenössischen Räte haben den Bundesrat mit einer Motion beauftragt, «zu Beginn einer neuen Legislaturperiode ... den beiden Kammern Richtlinien für die zu befolgende Politik und eine Dringlichkeitsordnungfür die zu lösenden Aufgaben» vorzulegen. Am Ende der Legislaturperiode sei über das Erreichte Bericht zu erstatten. Der Auftrag sei durch eine Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes zu vollziehen.

Wir stehen noch am Beginn der neuen Legislaturperiode. Der Bundesrat hat sich daher entschlossen, die Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes nicht abzuwarten. Vielmehr wollen wir schon jetzt, ohne gesetzliche Vorschrift, dem von den eidgenössischen Räten zum Ausdruck gebrachten Willen entsprechen und Ihnen Richtlinien für die in den nächsten Jahren zu befolgende Regierungspolitik unterbreiten.

I.

Einleitung Grundsätzliches zu den «Richtlinien für die Regierungspolitik» Der nachfolgende Bericht stellt eine Neuerung in der Geschichte des schweizerischen Bundesstaates dar. Es ist schon deshalb unerlässlich, den eigentlichen Richtlinien einige grundsätzliche Betrachtungen vorauszuschicken.

Vorerst gilt es, den Begriff der Richtlinien zu definieren. Unter «Richtlinien für die Regierungspolitik» verstehen wir jene grundsätzlichen (also nicht detaillierten) Absichten und Vorsätze, von denen wir uns in der Erfüllung unseres verfassungsrechtlichen Auftrages (Art. 95 und 102BV) in der laufenden Legislaturperiode 1968-1971 leiten zu lassen gedenkenl Den Richtlinien kommt nicht eine rechtliche Verbindlichkeit zu. Der Bundesrat ist aber willens, sich für die Verwirklichung der hier niedergelegten Absichten einzusetzen. Indem er sie den eid-

1205 genössischen Räten unterbreitet, ergibt sich die Gelegenheit zu der erwünschten Klärung unserer Marschroute und zum Gespräch darüber zwischen Parlament und Regierung. Wie die in den Richtlinien formulierten Absichten in der Folge ausgeführt werden, wird im Lauf der Legislaturperiode an den erzielten Ergebnissen zu messen sein. Dabei ist aber als selbstverständlich festzuhalten, dass sich im Verlauf der Amtsperiode die Gegebenheiten, von denen wir ausgehen, ändern oder verschieben können oder wir dieses oder jenes Problem in anderem Licht, als es heute der Fall ist, zu beurteilen Anlass bekommen. In diesem Fall muss uns die Möglichkeit gewahrt bleiben, von den hier festgelegten Richtlinien - abgesehen von den Grundprinzipien der Eidgenossenschaft - sachlich oder zeitlich abzuweichen. Wir werden es uns aber angelegen sein lassen, immer dann, wenn sich ein Abweichen von unsern in den Richtlinien bekanntgegebenen grundsätzlichen Absichten aufdrängt, dies in der entsprechenden Botschaft oder im Geschäftsbericht näher zu begründen. Wir messen dieser Feststellung, gerade weil wir es mit einer Neuerung in unserem politischen Leben zu tun haben, über deren Bedeutung und Tragweite die Meinungen offensichtlich noch auseinandergehen, erhebliches Gewicht zu.

Ein weiterer Punkt bedarf in diesem Zusammenhang der Klärung. Er betrifft den Inhalt der Richtlinien. Es handelt sich hier nicht um ein Füllhorn von Massnahmen und Absichten, in dem jedermann all das finden wird, vielleicht sogar im Sinne von fertigen Lösungen, was er von seinem Standpunkt aus gesehen vom Bundesrat in der laufenden Legislaturperiode erwartet. Die «Richtlinien für die Regierungspolitik» beschränken sich vielmehr auf grundsätzlich ausgerichtete Erwägungen zu den in den kommenden Jahren im Vordergrund stehenden Massnahmen und Anstrengungen. Sie stellen somit keinen abschliessenden Katalog aller Aktivitäten dar, die wir heute schon für die kommenden 4 Jahre voraussehen können. Zahlreiche Vorhaben werden in diesen Richtlinien nicht oder nur am Rande erwähnt. Das will nicht heissen, dass wir nicht auch ihnen unsere Aufmerksamkeit schenken werden; nur stehen sie in diesem Gesamtüberblick nicht im Vordergrund.

Die Bekanntgabe dieser Richtlinien an die eidgenössischen Räte soll diesen und damit der schweizerischen Öffentlichkeit Einblick in
die grundsätzlichen Überlegungen, von denen sich der Bundesrat leiten lässt, und in die wichtigsten Absichten und Vorhaben der Regierung geben. Es handelt sich also nicht um ein Regierungsprogramm, das zwischen dem Parlament und dem Bundesrat oder einzelnen Parteien und dem Bundesrat vereinbart oder ausgehandelt wurde. Das schliesst Gespräche unter einzelnen Parteien über gewisse Grundsatzfragen und Realisierungen der eidgenössischen Politik nicht aus ; doch liegen diese auf einer ändern Ebene. Gemäss Artikel 95 der Bundesverfassung ist der Bundesrat nicht nur «vollziehende», sondern auch «leitende Behörde der Eidgenossenschaft». Er besitzt, wie auch aus den Artikeln 85 und 102 der Bundesverfassung zu schliessen ist, die Kompetenz zur Bestimmung der Regierungspolitik. Weder die einzelnen Regierungshandlungen noch hierüber aufgestellte Pläne bedürfen zu ihrer rechtlichen Verbindlichkeit der Genehmigung durch das Parlament. Die Verantwortung, die der Bundesrat gegenüber dem Parlament wie auch gegenüber der

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Öffentlichkeit trägt, ist keine rechtliche, sondern eine politische. Die Richtlinien werden daher den eidgenössischen Räten nur zur Kenntnisnahme unterbreitet, mit dem Zweck, ihnen die politische Aufsicht zu erleichtern.

Bei der Würdigung der «Richtlinien für die Regierungspolitik» ist ferner nicht zu übersehen, dass die Eidgenossenschaft kein von oben gelenkter Einheitsstaat ist. Auch bei der Aufstellung und Anwendung der «Richtlinien für die Regierungspolitik» ist der Grundsatz zu beachten, der in Artikel 71 der Bundesverfassung in der Wendung «unter Vorbehalt der Rechte des Volkes und der Kantone» zum Ausdruck kommt. So können insbesondere die autonomen Wirkungsbereiche der Kantone nicht Gegenstand der vorliegenden Richtlinien sein, selbst wenn sich darunter noch so brennende Probleme befinden. Mit dieser FeststeEung sollen die Fragen von gemeinsamem Interesse keineswegs verkannt werden. Wir denken z. B. an die Finanzpolitik und die Finanzplanung, Gebiete, auf denen eine Koordination immer dringender wird.

Unsere Zeit wird schliesslich mit Recht als eine Epoche des schnellen Wandels bezeichnet. Angesichts der wachsenden Interdependenz in allen Bereichen des menschlichen Lebens und damit auch der Staaten unter sich, soll auch unser Land, das sich im allgemeinen des Rufes politischer Stabilität erfreut, sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Die Initianten der Landesausstellung 1964 haben sich mutig das Ziel gesetzt, unser Volk mit den Problemen « der Schweiz von morgen» vertraut zu machen. Auch die «Richtlinienfür die Regierungspolitik» stellen eine Auseinandersetzung mit Fragen der Zukunft dar. Doch bewegt sich diese Auseinandersetzung auf dem Boden der Politik, der Behandlung von Problemen, die sich in konkreter, zwingender Gestalt stellen und nicht auf dem Gebiete spekulativer und theoretischer Abhandlungen. Der gedankliche Höhenflug mag dabei zugunsten eines gewissen Pragmatismus in den Hintergrund treten, doch liegt eine solche Darstellung der Absichten der Regierung zweifellos dem Wesen des Schweizers und der schweizerischen Referendumsdemokratie näher. Die von der Regierung erarbeiteten Richtlinien ihrer Politik stellen daher auch nicht eine Art wissenschaftliche Abhandlung dar.

n.

Allgemeine Zielsetzung der Regierungspolitik Es versteht sich von selbst, dass die «Richtlinien für die Regierungspolitik» nicht losgelöst von den längerfristigen Zielen unseres Staates und der Politik seiner obersten Organe konzipiert werden können. Es gilt im Gegenteil, diese Richtlinien in langfristige Zielsetzungen einzuordnen.

Diese Feststellung könnte den Versuch nahelegen, hier eine visionäre Schau der grossen, für die Menschheit entscheidenden Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten darzulegen und daraus die sich für unser Land und Volk ergebenden Folgen abzuleiten. Wir wollen uns jedoch auf einige wenige Aspekte beschränken, die für unsere Politik von entscheidender Bedeutung zu sein scheinen. Dabei ist in erster Linie an die grossen Fortschritte der Naturwissenschaften und der

1207 Technik zu denken. Die Entwicklung auf diesen Gebieten wird immer mehr das Bild der menschlichen Gesellschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert prägen.

Auch unser Land wird um eine Konfrontation mit den sich daraus ergebenden Problemen nicht herum kommen. Wir erwähnen nur das wachsende Zusammenrücken der Menschheit, oder in der Sprache der Wirtschaft, die immer grösser werdenden Märkte. Erinnert sei aber auch an die strukturellen Rückwirkungen dieser Entwicklung auf unsere Gesellschaftsordnung, unsere Wirtschaft und andere Gebiete des menschlichen Lebens.

Es ist wohl keine Übertreibung, wenn man feststellt, dass die menschliche Gesellschaft einem raschen Wandel unterworfen ist. Die Strukturen und künftigen Ergebnisse dieser Entwicklung lassen sich noch nicht mit Deutlichkeit erkennen; heute ist wohl noch niemand in der Lage, sich darüber schon langfristig ein Bild zu machen, das über hypothetische Annahmen hinausgeht.

In diesem allgemeinen Rahmen der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft bleibt es unsere Aufgabe, auch fürderhin den Zweck unseres Bundesstaates, wie er in Artikel 2 der Bundesverfassung verankert ist, bestmöglich zu verwirklichen. In dieser Bestimmung sind die drei grossen Ziele unserer Politik enthalten, nämlich - die Behauptung der Unabhängigkeit, - der Schutz der persönlichen Freiheit, - die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt.

Die sich verändernden Umweltbedingungen können die Mittel, die zur Verwirklichung dieser Ziele einzusetzen sind, zum Teil sogar sehr grundlegend, beeinflussen. Die Zielsetzungen sind aber gegeben. Immerhin kann auch ihre Bedeutung sich graduell verschieben. So wird gerade durch die Entwicklung der modernen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung die Wahrung der Rechte der freien menschlichen Persönlichkeit an Gewicht zunehmen. Auch tritt immer deutlicher die Vielschichtigkeit des Begriffes der gemeinsamen Wohlfahrt in Erscheinung, woraus sich immer neue Aufgaben auch für den Staat ergeben.

m.

Bestand und Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft A. Beziehungen zum Ausland 1. Grundprinzipien und Zielsetzung In unseren Beziehungen zum Ausland werden wir uns, immer auf das verfassungsmässige Ziel der Unabhängigkeit des Landes bedacht, von den grundlegenden Prinzipien der Neutralität, Solidarität und Universalität leiten lassen.

Die Behauptung unserer Unabhängigkeit stellt für uns eine der obersten verfassungsrechtlichen Verpflichtungen dar. Der Begriff der Unabhängigkeit hat aber gerade seit Ende des letzten Krieges eine gewisse Relativierung erfahren. In einem Zeitalter der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit und Durchdringung auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet kann von einer absoluten Unabhängig-

1208 keit nur noch mit Vorbehalt gesprochen werden. Dieser tatsächliche Wandel des Begriffes der Unabhängigkeit gilt indessen für alle und nicht etwa nur für die Schweiz allein. Der Umstand, dass jeder in vermehrtem Masse als früher auch auf den ändern angewiesen ist, führt dazu, dass die Wahrung der Unabhängigkeit auch die Sicherstellung eines gewissen Gleichgewichtes in der zunehmenden Interdependenz umfasst.

Die schweizerische Neutralität hat sich im Laufe der Zeit zu einem Statut des Völkerrechts entwickelt ; sie ist heute von allen Mächten anerkannt. Je mehr sich die ideologisch scharf getrennten Blöcke, in die sich die Welt aufgespalten hat, lockern, desto weniger wird unsere Neutralität international zu Diskussionen Anlass geben. Die Erfahrung zeigt sodann, dass unsere Neutralität uns stets genügend Handlungsfreiheit auf internationaler Ebene gelassen hat.

Die Solidarität, die im Rahmen der Grundprinzipien für unsere Beziehungen zum Ausland in den letzten Jahren eine wachsende Bedeutung erhalten hat, ist für uns nicht nur Ausfluss des menschlichen Gefühls der Zusammengehörigkeit über die nationalen Grenzen hinaus, sondern Ausdruck einer richtig verstandenen Politik zur Wahrung der Unabhängigkeit. Gerade die Relativierung des ursprünglich sehr absolut konzipierten Unabhängigkeitsgedankens führt zwangsläufig zu einer vermehrten Solidarität auf weltweiter Ebene, und zwar in wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, sozialen, rechtlichen und weiteren Belangen.

Dabei möchten wir betonen, dass die Entwicklungshilfe an die sogenannte dritte Welt wohl ein sehr bedeutsamer, aber lange nicht der einzige Aspekt dieser Solidarität ist.

Die Universalität unserer Beziehungen ist Ausfluss unserer Neutralitätspolitik. Besondere Probleme stellen sich dabei im allgemeinen lediglich in bezug auf jene Staaten, die geteilt sind. Weil die rechtliche Situation dieser Staaten oft unsicher und umstritten ist, gilt es in diesen Fällen pragmatisch vorzugehen, um schrittweise die Natur unserer gegenseitigen Beziehungen näher zu bestimmen.

Als abschliessende Betrachtung zu den vier Grundprinzipien unserer Aussenpolitik möchten wir doch keinen Zweifel offen lassen, dass die Schweiz sich als zum abendländischen Lebens- und Kulturkreis gehörend betrachtet und dass dieser Umstand für sie auch Verpflichtungen mit sich bringt.
2. Politische Beziehungen zum Ausland Es geht hier darum, zu einigen Fragenkomplexen noch etwas detaillierter Stellung zu nehmen. Im Vordergrund steht der Problemkreis unserer multilateralen Beziehungen. Wir gedenken, eine Politik zu verfolgen, die eine Verstärkung unserer Mitwirkung in allen internationalen Organisationen, in denen die Schweiz Mitglied ist, bezweckt.

Diese Politik führt unmittelbar zur Frage, ob die Schweiz den Vereinten Nationen beitreten solle. Die Ziele der Charta von San Francisco bejahen und unterstützen wir. Die Voraussetzungen, die für einen Eintritt der neutralen Schweiz in die UNO erfüllt sein müssten, sind aber zur Zeit entweder nicht gegeben oder noch nicht genügend abgeklärt. Vor allem dürften die Hindernisse

1209 für den Beitritt unseres Landes zur Weltorganisation an Gewicht verlieren, wenn auf dem neutralitätspolitischen Gebiet eine Lösung gefunden werden kann. Der Bundesrat wird den eidgenössischen Räten das gesamte Beitrittsproblem nächstes Jahr in einem Bericht darlegen und gleichzeitig dazu Stellung beziehen.

Auch als Nicht-Mitglied der UNO hat die Schweiz jedoch aktiv und vollberechtigt in den Spezialinstitutionen und in gewissen Organen der UNO sowie in ändern internationalen Organisationen mitwirken können, die, mit Ausnahme der politischen und militärischen, beinahe sämtliche Bereiche der internationalen Zusammenarbeit umfassen. Diese Teilnahme der Schweiz an den wirtschaftlichen, technischen, gesundheitlichen, verkehrspolitischen und sozialen Aufgaben der Völkergemeinschaft soll weiter aktiviert werden. Eine verstärkte Mitarbeit wird vor allem auf folgenden Gebieten ins Auge gefasst : - Entwicklung und Kodifizierung des internationalen Rechtes ; - Aussenhandelspolitik; - Humanitäre Aktionen, worunter wir auch das von den eidgenössischen Räten noch zu behandelnde Problem der Katastrophenhilfe verstanden haben möchten; - Kampf gegen den Hunger; - Kampf gegen die Luft- und Wasserverseuchung ; - Entwicklungshilfe; - Beitritt zur Menschenrechtskonvention und zu ändern Konventionen des Europarates ; - Internationale wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit, vor allem was die Fernmeldesatelliten und das CERN betrifft ; - Verstärkung der Stellung von Genf als internationalem Zentrum.

Unser Land steht mit seiner Rechtsordnung grundsätzlich eindeutig auf dem Boden der Menschenrechte. Im Prinzip befürworten wir daher auch den Beitritt der Schweiz zur europäischen Menschenrechtskonvention. Zur Zeit sind aber weder im Bundes- noch im kantonalen Recht alle Übereinstimmungen mit der Strassburger Konvention hergestellt (fehlendes Frauenwahlrecht, konfessionelle Ausnahmeartikel, die in einzelnen Kantonen zulässige administrative Anstaltsversorgung usw.). Bei einem demokratischen und föderalistisch strukturierten Staatswesen wie dem unsrigen lässt sich eine solche Harmonisierung nicht mit einem Federstrich herbeiführen. Es wird deshalb nicht unerlässlich sein, eine Bereinigung aller strittigen Fragen in Bund und Kantonen vor einem Beitritt zur Menschenrechtskonvention vorzunehmen, vielmehr könnte
der Beitritt unter bestimmten Vorbehalten ins Auge gefasst werden. Zu dieser Frage gedenken wir uns noch dieses Jahr in einem besondern Bericht an die eidgenössischen Räte zu äussern.

Gegenüber den grossen Problemen der internationalen Politik werden wir die den eidgenössischen Räten bekannte und bewährte Grundsatzhaltung einnehmen. So werden wir uns angelegen sein lassen, die Entwicklung des Integrationsproblems in Europa weiterhin aktiv zu verfolgen. Unsere konstanten Bestrebungen sind auf die Überwindung der bedauerlichen wirtschaftlichen Aufspal-

1210 tung Westeuropas in zwei getrennte Märkte und, kurzfristig, auf die Milderung der sich daraus ergebenden Auswirkungen gerichtet. Gleichzeitig werden wir vins bemühen, den Standort der Schweiz gegenüber den politischen Aspekten einer engeren europäischen Zusammenarbeit im Lichte der weiteren Entwicklung zu bestimmen, im Bestreben, den der historischen Tradition der Schweiz entsprechenden Beitrag an die zukünftige Gestaltung Europas zu leisten. Aus analogen Erwägungen werden wir unsere Mitarbeit im Europarat im bisherigen Sinne weiterführen. Im übrigen geben wir der Hoffnung Ausdruck, dass die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen West und Ost sich trotz der ideologischen Trennung weiterhin verbessern werden. Wir sind bereit, diese Entwicklung zu fördern.

Die Situation in den sogenannten Entwicklungsländern gibt zu besonderen Sorgen Anlass. Wir werden deshalb bestrebt sein, die internationalen Bemühungen für eine wirkungsvollere Politik der Entwicklungshilfe zu unterstützen. Auf multilateralem Wege soll das in unserer Möglichkeit Liegende getan werden, um mitzuhelfen, die Verhältnisse sukzessive zu verbessern, während wir auf bilateraler Ebene weiterhin die Durchführung sinnvoller Programme zu fördern bereit sind.

Wie bis anhin, werden wir auch in Zukunft der Frage der Abrüstung und insbesondere den Problemen eines umfassenden Atomsperrvertrages unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Nach unserer Ansicht liegt es im Interesse aller Nationen, dass der Weiterverbreitung der Atomwaffen Einhalt geboten wird. Der Bundesrat hofft denn auch, dass ein ausgewogener Vertrag zustande komme, der geeignet ist, von der grossen Mehrheit der Staaten unterzeichnet zu werden.

Bezüglich unserer bilateralen Beziehungen ist vor allem auf die Tatsache hinzuweisen, dass wir dank unserer Neutralität wie der Universalität unserer diplomatischen Beziehungen auch in Zukunft Gelegenheit haben dürften, in diesem und jenem Fall unsere guten Dienste zur Verfügung zu stellen, sei es um gewisse Begegnungen von gegnerischen Mächten zu ermöglichen, sei es durch Vermitteln.

Es wird unser Bestreben sein, unsere guten Dienste im Interesse des Weltfriedens stets verfügbar zu halten. In diesem Zusammenhang ist auch die Wahrung fremder Interessen zu erwähnen, wofür wir uns nötigenfalls auch in Zukunft zur Verfügung
halten werden. Diese Disponibilität der Schweiz ist ein wichtiges Element unserer Aussenpolitik.

Nachdem der Verfassungsartikel über die Auslandschweizer in Kraft getreten ist, werden wir die Ausarbeitung der Ausführungsgesetzgebung aktiv weiterführen.

B. Landesverteidigung 1. Gesamtverteidigung a. Institutionelle Fragen Die Leitung der Gesamtverteidigung gehört zu den verfassungsmässigen Aufgaben des Bundesrates. Sie hat angesichts der Bedrohung, mit der wir in

1211 einem künftigen Krieg zu rechnen haben, eine besondere Bedeutung erlangt. Die in den letzten Jahren durchgeführten umfassenden Landesverteidigungsübungen zeigten, dass die Schaffung einer Organisation, die den Bundesrat in seiner Leitungsfunktion unterstützen kann, unumgänglich ist. Wir beabsichtigen denn auch, eine solche Organisation zu schaffen. Eine entsprechende Botschaft sowie ein Entwurf zu einem «Bundesgesetz über die Leitung der Gesamt Verteidigung» sind in Vorbereitung.

b. Strategische Konzeption Um die heutigen Formen der Bedrohung klar zu erkennen und daraus die Schlüsse für unsere Landesverteidigung und Sicherheit zu ziehen, ist eine über den militärischen Bereich hinausgehende Schau notwendig. Diese hat namentlich die langfristigen Tendenzen der aussenpolitischen und militärpolitischen Lage sowie die Entwicklungen auf dem Gebiete der Kriegstechnik in Betracht zu ziehen. Die Evolution der strategischen Doktrinen bei den Grossmächten, die Veränderungen der Rüstung auf internationaler Ebene mit Einschluss der Fragen der Rüstungsbegrenzung sind aufmerksam zu verfolgen. Eine Synthese solcher Studien wird zum Bild der Bedrohung führen, der unser Land in den kommenden Jahren ausgesetzt sein kann. Die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen werden es gestatten, eine umfassende strategische Konzeption unserer Landesverteidigung zu formulieren. Diese bildet auch die Ausgangsbasis für die Beurteilung von Art und Umfang der Mittel, welche dafür eingesetzt werden müssen, und für den finanziellen Aufwand. Die Massnahmen für die Erarbeitung einer strategischen Konzeption sind an die Hand genommen worden.

i c. Materielle Fragen Als vordringliches Problem stellt sich uns die Integration der militärischen Landesverteidigung in die Gesamtverteidigung. In erster Linie geht es darum, den Territorialdienst zu reorganisieren, wobei der Hauptpunkt die Anpassung der territorialdienstlichen an die politischen Grenzen sein wird. Auf einzelnen wichtigen Gebieten, so dem Sanitätsdienst, der Versorgung, den Transporten, erfordert die heutige Form der Bedrohung nicht nur eine Koordination, sondern eine Zusammenfassung der zivilen und rniritärischen Mittel. Die Bildung «totaler» Sanitäts-, Versorgungs- und Transportdienste ist im Studium und muss der Verwirklichung entgegengeführt werden. Ebenso notwendig ist
der Aufbau eines einheitlichen nationalen Warndienstes.

2. Militärische Landesverteidigung a. Planung und nationale Rüstungspolitik Im Rahmen der vom Bundesrat zu gebenden Zielsetzung werden die teils vorhandenen, teils noch zu schaffenden militärischen Teilpläne zu einem Gesamtplan zu erweitern sein. Dieser umfasst Heeresorganisation, materielle Rüstung und Infrastruktur, Ausbildung, operative und logistische sowie finanzielle Planung, industrielle Rüstungsplanung und geistige Wehrfragen. In diesen Zusam-

1212 menhang gehört auch die Gestaltung einer nationalen Rüstungspolitik. Ausgangspunkt dafür ist die Feststellung, dass unsere Landesverteidigung nach wie vor auf eine einheimische Rüstungsindustrie angewiesen ist. Unsere Landesverteidigung bedarf - auch wenn sie in vielen und wichtigen Kategorien nicht ohne fremdes Material auskommt - der technischen Kenntnisse, die im eigenen Land nur vorhanden sind, wenn eine leistungsfähige Rüstungsindustrie besteht. In vielen Fällen kann die Armee dank des Milizsystems von diesen Kenntnissen auch einen direkten Nutzen ziehen.

Da aus naheliegenden Gründen das Inland einen beschränkten Markt mit ausgesprochen zyklischer Nachfragesituation darstellt und angesichts unserer zurückhaltenden Politik in bezug auf die Ausfuhr von Kriegsmaterial, stellen sich der Rüstungsindustrie recht schwierige Probleme. Ihre Lösung bedingt u. a. ein enges Zusammenwirken zwischen dem Militärdepartement, namentlich der Gruppe für Rüstungsdienste, und der einschlägigen Wissenschaft und Industrie.

Es handelt sich darum, die militärischen Zielsetzungen frühzeitig und klar zu erkennen und zu formulieren und den Möglichkeiten, die im Lande bestehen, gegenüberzustellen. Dabei wird auch der integrationsbedingte Strukturwandel unserer Wirtschaft gebührend in Rechnung zu stellen sein. Vermehrt werden auch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Industrie zu unterstützen sein.

b. Materielle Fragen Für die Erhaltung der Kampfkraft der Armee bildet die Truppenordnung 1961 weiterhin die Grundlage. Bei den Rüstungsanstrengungen, die in den nächsten Jahren geplant sind, handelt es sich teilweise um weitere Vollzugsmassnahmen im Rahmen der beschlossenen Truppenordnung, teilweise um Komplementärmassnahmen, die entweder aufgeschoben werden mussten oder sich wegen des technischen Fortschritts aufdrängen. Ein Schwergewicht liegt in der Verbesserung der Bewaffnung und Ausrüstung der im Mittelland zum Einsatz kommenden Verbände, wobei die Ausrüstung eines Teils der Artillerie mit Selbstfahrgeschützen und der Ersatz der veralterten Panzerjäger im Vordergrund stehen.

Bedeutende Mittel sind auch für die Verbesserung der Gebirgsausrüstung und der persönlichen Ausrüstung des Wehrmannes sowie für den Schutz gegen radioaktive und chemische Waffen vorgesehen.

Für die Flieger- und Flabtruppen sind in den
nächsten vier Jahren keine bedeutenderen Aufwendungen zu erwarten. Hingegen müssen in nächster Zeit die Arbeiten zur Bestimmung des Flugzeuges, das die Venoms ersetzen soll, zu Ende geführt werden. Die Möglichkeiten der schweizerischen Flugzeugindustrie sind dabei nicht ausser acht zu lassen.

Auf dem Gebiete der Infrastruktur, namentlich der Bauten, sind durch den Vollzug der Truppenordnung 1961 Bedürfnisse entstanden, die noch nicht voll befriedigt werden konnten.

In bezug auf die Ausbildung besteht ein ausgesprochener Nachholbedarf.

Den Bauten für die Ausbildung wurde innerhalb der Planung des Militärdepartements Priorität zugewiesen. Sie beanspruchen einen Drittel des Aufwandes. Ein

1213 weiteres Drittel muss für die Bauten der Kriegsmaterialverwaltung vorgesehen werden, die vor allem der Lagerung und dem Unterhalt von Munition und Material dienen. Das restliche Drittel verteilt sich auf Bauten verschiedener Zweckbestimmung, wobei ein recht hoher Betrag für Geländeverstärkungen verwendet werden soll.

c. Finanzielles Die Rüstungsausgaben für Material und Bauten bilden zusammen mit den laufenden Ausgaben, die zur Deckung des jährlichen Aufwandes der Armee bestimmt sind, Gegenstand eines sorgfältigen und im Verlauf der Zeit verfeinerten Finanzplanes. Dabei werden namentlich in einem gegebenen finanziellen Rahmen die Prioritäten bestimmt.

Die erwähnten Rüstungsbedürfnisse der nächsten Jahre werden nicht zu einem grösseren Anteil der Militärausgaben an den Bundesausgaben führen als bisher. Da zu den klassischen Bundesaufgaben, zu denen die Landesverteidigung gehört, neue hinzugekommen sind, wird der Anteil der Militärausgaben eher rückläufig sein. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass unsere Wehranstrengungen nur sinnvoll sind, wenn sie in bezug auf ihre Wirksamkeit und auf den Wehrwillen glaubhaft wirken. Beides setzt eine materielle Bereitschaft voraus, die mit der technischen Entwicklung Schritt hält. Die Kosten für die militärische Landesverteidigung werden deshalb wohl absolut, nicht aber relativ steigen.

d. Ausbildung Die Modernisierung der militärischen Ausbildung ist im Gang. Sie wird in den nächsten Jahren gestützt auf wissenschaftliche Analysen und unter Berücksichtigung moderner Lehrmethoden, wie etwa der des programmierten Unterrichts und der Verwendung audiovisueller Hilfsmittel, verstärkt werden.

Eine wichtige Rolle für den Ausbildungserfolg spielen dabei die äusseren Voraussetzungen, d.h. das Vorhandensein hinreichender Waffen-, Schiess- und Übungsplätze sowie ihre Ausstattung mit Einrichtungen, welche die Ausbildung erleichtern und für ihre Rationalisierung unentbehrlich sind. Gerade die kurzen Dienstzeiten unseres Milizheeres zwingen uns auf diesem Gebiet zu einer besonderen Anstrengung, die umso nötiger ist, als ein unverkennbarer Nachholbedarf besteht. Die Phase der Sicherstellung des Geländes ist heute zur Hauptsache abgeschlossen. Das Schwergewicht wird nunmehr auf dem Ausbau liegen sowie bei der Modernisierung der Gesamtheit unserer bestehenden
Waffenplätze.

Die Anpassung der militärischen Ausbildung an moderne Unterrichtsmethoden und die technischen Anforderungen neuzeitlicher Kampfmittel verlangen, dass besondere Anstrengungen bezüglich der Erhöhung des Bestandes an qualifiziertem Instruktionspersonal gemacht werden.

3. Zivile Landesverteidigung a, Staatsschutz Zur Verteidigung des Landes im Sinne des in Artikel 2 der Bundesverfassung umschriebenen Bundeszweckes gehören auch die unter dem Titel des Staatsschut-

1214 zes zusammengefassten Massnahmen. Sie bedeuten begriffsgemäss die den zivilen Behörden obliegenden nichtmilitärischen Vorkehren gegen Veranstaltungen und Angriffe, die sich gegen die Existenz, die äussere Sicherheit und Unabhängigkeit des Staates, die Staatsordnung, die Staatsgewalt, die verfassungsmässige Rechtsordnung, die innere Sicherheit, Ruhe und Ordnung und die von der Verfassung geschützten Freiheitsrechte richten und in diesem allgemeinen Sinne rechtswidrig sind.

Wir erwähnen diese Aufgabe, weil sie zu den dauernd und daher auch in der Zukunft nicht zu vernachlässigenden Obliegenheiten einer verantwortungsbewussten Regierung gehört. Es bedarf hiezu in absehbarer Zeit keiner ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen, wohl aber ständiger Wachsamkeit gegenüber jeder nachrichtendienstlichen Tätigkeit, die sich gegen unser Land oder in der Schweiz gegen Drittstaaten richten kann.

Vor allem im Hinblick darauf, dass wahrscheinlich auch inskünftig in unserem Land internationale Konferenzen abgehalten werden, die wir im Interesse des Friedens und gemäss unserer Bereitschaft zur Leistung guter Dienste begrüssen, fördern wir die zusammen mit der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren eingeleitete Bereitstellung genügend zahlreicher, ausgebildeter und ausgerüsteter Polizeikräfte aus kantonalen und Gemeindekontingenten. Wir werden den eidgenössischen Räten im Verlauf dieser Legislaturperiode darüber berichten und Antrag stellen.

b. Psychologische Landesverteidigung Im Rahmen der zivilen Kriegsvorbereitungen dürfen wir die Aufgaben der psychologischen Landesverteidigung nicht vernachlässigen. Sie sind auf die Erhaltung und Stärkung des Wehrwillens und der Widerstandskraft in Volk und Armee im aktiven Dienst oder im Krieg ausgerichtet und zur Hauptsache der Abteilung Presse und Funkspruch übertragen. Die im Einklang mit der militärischen Landesverteidigung weiterzuführenden Vorbereitungen haben als wesentliches Ziel die Sicherstellung der Information der Bevölkerung im Ernstfall durch die Nachrichtenmittel : Presse, Bild- und Tonträger. Sie werden unter Beizug militärisch eingeteilter Fachleute weiterverfolgt, bedürfen aber in organisatorischer und vor allem technischer Hinsicht der Überprüfung und des Ausbaues sowie entsprechender Mittel.

c. Zivilschutz Aufgabe des Zivilschutzes
ist es, im Falle eines Konfliktes das Überleben unserer Bevölkerung zu sichern. Seine Massnahmen haben sich, ausgehend von einem gegenüber früher völlig veränderten Kriegsbild, auf dieses Ziel hin auszurichten.

Wir werden, gestützt auf Artikel 22bls der Bundesverfassung, das Bundesgesetz über den Zivilschutz vom 23. März 1962 sowie das Bundesgesetz über die baulichen Massnahmen imZivilschutz vom 4. Oktober 1963 versuchen, den Zivilschutz in personeller, organisatorischer und technischer Hinsicht so bald als möglich kriegsgenügend zu gestalten, denn im Rahmen der Gesamtverteidigung kommt ihm wachsende Bedeutung zu.

1215 Besonderer und verstärkter Vorkehren bedürfen die Aufklärung der Bevölkerung über die Notwendigkeit des Zivilschutzes und über die für die Bereitschaft erforderlichen Massnahmen sowie die An Weisungen für das Verhalten der Bevölkerung im Krieg. Zu diesem Zweck und zur Stärkung des Willens, standzuhalten und zu überleben, werden wir an alle Haushaltungen das Zivilverteidigungsbuch abgeben, das wesentliche Abschnitte für den Zivilschutz enthält. Parallel zu dieser Aufklärung wird die Verstärkung der Bereitschaft auf allen Gebieten des Zivilschutzes, vor allem auch bei den Bauten, erfolgen. Ferner soll die Gesamtkonzeption des Zivilschutzes neu überprüft und den neusten Erkenntnissen der Waffentechnik und Waffenwirkung angepasst werden. Wir erwarten hiefür die Forschungsergebnisse der Studienkommission für Zivilschutz. Im Hinblick auf die Ausbildung des höheren Kaders und der Spezialisten wird ferner die Schaffung eines Zivilschutz-Ausbildungszentrums abgeklärt werden.

Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Zivilschutzes prüfen wir auch die Schaffung einer wirksamen Katastrophenhilfe für Friedenszeiten, insbesondere durch die Bildung einer permanenten Alarm- und Koordinationsstelle sowie durch die Bereitstellung von Rettungsdetachementen für Soforteinsatz in Katastrophengebieten. In enger Verbindung mit dem Zivilschutz soll auch der Kulturgüterschutz organisiert werden.

d. Wirtschaftliche Kriegsvorsorge Wir gedenken, demnächst ehi neues Vernehmlassungsverfahren im Hinblick auf die Revision des Kriegsvorsorgegesetzes einzuleiten. Dabei geht es u.a.

darum, dem Bundesrat die Möglichkeit zu verschaffen, schon bei ernstlicher Gefährdung der Zufuhren insbesondere zwecks Verhinderung von Hamstererscheinungen eingreifen zu können; solche Vorkommnisse sind nämlich geeignet, die für die allgemeine Versorgung zur Verfügung stehenden Landesvorräte empfindlich zu beeinträchtigen. Das heutige Kriegsvorsorgegesetz gestattet leider einen Eingriff erst bei ernsthaften Störungen der Zufuhren oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr.

In diesem Zusammenhang sei einmal mehr auf die grosse Bedeutung hingewiesen, die im Blick auf die wirtschaftliche Kriegsvorsorge der Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft zukommt.

Eine wichtige Aufgabe während der neuen Legislaturperiode wird es sein, die vorsorglichen Vorkehren
für Kriegszeiten wesentlich zu verbessern, während die Massnahmen zur Sicherung der Versorgung für den Fall des Neutralitätsdienstes weitgehend getroffen sind. Es geht im ersteren Fall vor allem darum, die kriegswirtschaftliche Organisation im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Armeekommando und den verschiedenen Stufen des Territorialdienstes auszubauen und so zu gestalten, dass sie auch unter den erschwerten Verhältnissen eines Krieges funktionsfähig ist. Dies wird u. a. auch entsprechende Übungen der kriegswirtschaftlichen Kader erheischen, wie dies bei den Stäben des Territorialdienstes bereits der Fall ist.

Die materiellen Vorkehren der wirtschaftlichen Kriegsvorsorge sind ebenfalls noch wesentlich zu verstärken. Wir denken hier insbesondere an das Bereit-

1216 stellen von Notstromgruppen, ferner an die Vermehrung und bessere Dezentralisierung unserer Vorräte an Treib- und Brennstoffen. In den gegen Kriegsgefahren gesicherten Anlagen werden die Lebensmittelvorräte für die Bevölkerung vergrössert werden müssen. Auch auf dem Gebiete der Sanitätsmaterial-, Medikamenten- und Trinkwasserversorgung drängen sich zusätzliche Massnahmen auf.

Verschiedene dieser Vorkehren sind aber in erster Linie Aufgaben, die in den Kompetenzbereich der Kantone fallen. Es kann deshalb nicht Sache des Bundes sein, diese Probleme ausschliesslich zu seinen Lasten zu lösen. Der Bund wird sich aber mit den Kantonen in Verbindung setzen müssen, damit die Dinge an die Hand genommen werden.

C. Überfremdungsproblem

Das Problem ist in unserem Bericht vom 29. Juni 1967 über das Volksbegehren gegen die Überfremdung einlässlich zur Darstellung gelangt. Im Rahmen des Hauptabschnittes «Bestand und Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft» soll dennoch angesichts seiner unveränderten staatspolitischen Bedeutung kurz darauf zurückgekommen werden, hängt doch dieser Fragenkomplex mit der Erhaltung unserer Eigenart und unserer Eigenständigkeit zusammen.

Als Nahziel unserer Politik gegen die Überfremdung haben wir erklärt, dass es gelte, ein Wiederansteigen des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften zu verhindern. Sollte es trotz aller Massnahmen - wir erinnern insbesondere an unsern letzten Beschluss vom 28. Februar 1968 - nicht gelingen, der Überfremdungsgefahr genügend wirksam zu begegnen, behält sich der Bundesrat vor, je nach der wirtschaftlichen und staatspolitischen Entwicklung weitergehende Vorkehren zu treffen.

Es darf aber auch an dieser Stelle nicht übersehen werden, dass die Anwesenheit einer grossen Zahl von ausländischen Arbeitskräften ebenfalls einen wirtschaftlichen Aspekt hat. Die Folgen eines zu raschen oder zu massiven Abbaues für die Wirtschaft wären nicht zu verantworten. Wichtig scheint uns auch die schon mehrmals gemachte Feststellung, dass das Problem der Überfremdung in seiner Gesamtheit (ausländische Wohnbevölkerung) mit dem Mittel der Herabsetzung der Bestände an kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräften nur begrenzt gelöst werden kann. Es ist daher angezeigt, einmal mehr auf die Notwendigkeit einer grosszügigeren Assimilierungs- und Einbürgerungspolitik in den Kantonen und Gemeinden hinzuweisen.

Zusammenfassung Die wichtigsten Thesen lassen sich, gruppiert nach den drei grossen Sachbereichen des Abschnittes «Bestand und Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft», wie folgt zusammenfassen : a. Im Bereiche unserer auswärtigen Beziehungen werden wir uns weiterhin von den grundlegenden Prinzipien der Unabhängigkeit, Neutralität, Solidarität und Universalität leiten lassen. Unser Land ist bestrebt, im Rahmen seiner immerwährenden Neutralität an der Gestaltung einer engeren Zusammenar-

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beit in Europa teilzunehmen, und wir erwarten auch, an allfälligen neuartigen Bemühungen um eine Annäherung zwischen der EWG und den EFTAStaaten von Anfang an mitwirken zu können.

Unser Land ist auch von der Notwendigkeit einer auf gegenseitigen Anstrengungen beruhenden und international koordinierten Förderung des wirtschaftlichen Wachstums der Entwicklungsländer überzeugt und wird seinen Beitrag an die Entwicklungshilfe bilateral und multilateral fortsetzen und verstärken.

Ein besonderes Anliegen ist es uns sodann, aktiv an der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit mitzuwirken.

b. Auf dem Gebiete der Landesverteidigung steht die Schaffung einer Leitungsorganisation der Gesamtverteidigung im Vordergrund. Ferner gilt es, eine strategische Konzeption unserer Landesverteidigung zu formulieren und insbesondere durch eine Reorganisation des Territorialdienstes eine bessere Integration der Armee in die Gesamtverteidigung zu erreichen.

Wir erachten es als unerlässlich, unter Einbezug der einheimischen Rüstungsindustrie sowie in Verbindung mit der Wissenschaft, eine nationale Rüstungspolitik zu gestalten. Die Rüstungsanstrengungen haben in erster Linie der Erhöhung der Schlagkraft der jetzigen Armee zu dienen. Zum gleichen Zwecke ist auch die militärische Ausbildung zu modernisieren.

Der finanzielle Auf wand für die militärische Landesverteidigung soll sich im bisherigen Rahmen halten.

Im zivilen Bereich steht an vordringlichster Stelle der Ausbau eines kriegsgenügenden Zivilschutzes.

c. Dem wichtigen staatspolitischen Problem der Überfremdung werden wir weiterhin unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Als Nahziel gilt es, ein Wiederansteigen des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften zu verhindern.

IV.

Rechtliche und organisatorische Grundfragen unseres Staates A. Verhältnis des Bundes zu den Kantonen/Beziehungen zu Organisationen und Verbänden

Im Laufe der Geschichte unseres Bundesstaates haben sich die Gewichte aus Gründen, die hier keiner näheren Darlegung bedürfen, immer mehr von den Kantonen auf den Bund verschoben. Diese Tendenz hält nach wie vor an. Aus der Entwicklung der Umweltbedingungen ist zu schliessen, dass auch die nähere Zukunft kaum zu einer Umkehr in dieser Tendenz führen wird. Immer mehr Probleme erheischen Lösungen auf nationaler oder gar übernationaler Ebene. Die föderalistische Struktur der Eidgenossenschaft ist jedoch nicht bloss organisch gewachsen und historisch zu erklären; sie bildet auch in der Gegenwart und Zukunft die bewährte Grundlage für die Lösung neuer Probleme. Das Wesen dieser Bundesblatt. 120.Jahrg.Bd.I

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1218 föderalistischen Struktur besteht darin, dass die Kantone souverän sind und als solche alle Rechte ausüben, welche nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Bundesgewalt übertragen sind. Die kantonale Souveränität wird also nur soweit eingeschränkt, als die Bundesverfassung dies vorsieht.

Die Schweiz ist eine politische Willensnation, unser Staat ein solcher mit föderalistischem Aufbau. Dieser Sachverhalt bleibt für manche Aspekte unseres nationalen Lebens, insbesondere in bezug auf die Mehrsprachigkeit unseres Landes und dessen Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturkreisen, und der politischen Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung. In unseren internationalen Beziehungen müssen wir daher bei unsern Gesprächspartnern, wenn Grundfragen unseres Rechtsstaates zur Diskussion stehen, stets wieder um Verständnis dafür werben, dass bei uns die Kantone nicht reine Verwaltungsbezirke sind, sondern Gliedstaaten eigenen Rechtes.

Die oben erwähnte Tendenz der Verlagerung der Gewichte auf den Bund, aber auch die zunehmende Erweiterung des Staatsvertragsrechtes, das sowohl dem Recht des Bundes wie der Kantone vorgeht, verlangen, dass inskünftig insbesondere bei den neuen Aufgaben, die an den Bund herangetragen werden, einlässlich geprüft wird, ob wirklich Lösungen auf Bundesebene unumgänglich sind oder ob nicht doch die Kantone, insbesondere auf dem Wege einer sektorenweisen, regionalen oder gesamtschweizerischen Zusammenarbeit, die sich stellenden Aufgaben ebensogut oder noch besser bewältigen können. Im Blick darauf begrüssen wir denn auch alle Bestrebungen, die die Kantone in die Lage versetzen sollen - besser als dies bis anhin der Fall war - abzuwägen, ob nicht durch eigene Initiative einzelne Aufgaben zweckmässiger gelöst werden können. Von grösstem Gewicht für die Erhaltung unserer förderalistischen Staatsstruktur ist in diesem Zusammenhang der entschlossene Wille der Kantone, in ihrem eigenen Wirkungsbereich die sich stellenden Probleme wirklich auch an die Hand zu nehmen und zu lösen. Wir werden auch prüfen, ob der Bund nicht bestimmte Aufgaben, ohne Beeinträchtigung des damit verfolgten Zieles, auf die Kantone übertragen könnte. Kann jedoch eine Aufgabe aus der Gesamtsituation heraus gesehen nicht ohne Intervention des Bundes zielgerecht gelöst werden, wird im Interesse des Ganzen
dieser Eingriff des Bundes nicht aus einem falsch verstandenen Föderalismus heraus abgelehnt werden dürfen.

Eine der Besonderheiten unseres Rechtsstaates besteht darin, dass schon bei der Ausarbeitung der Gesetze nicht nur die Kantone, sondern auch die Organisationen der Wirtschaft in einem starken Masse konsultativ herangezogen werden.

Es geschieht dies im Rahmen von vorberatenden Kommissionen, vor allem aber über das für gewisse Rechtsgebiete (Wirtschaftsartikel der BV) sogar verfassungsrechtlich vorgeschriebene Vernehmlassungsverfahren. Darüber hinaus wird aber auch der Vollzug von Gesetzen, besonders im Bereich der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung, in weitem Masse den Verbänden übertragen oder es werden hiefür besondere, ausserhalb der Bundesverwaltung stehende Organisationen geschaffen (öffentlichrechtliche Genossenschaften usw.).

Dieser enge Kontakt zwischen Staat und Wirtschaft bei der Vorbereitung und beim Vollzug wichtiger Teile unserer Gesetzgebung hat sicher viele positive

1219 Aspekte. Er birgt aber auch Gefahren in sich, die es rechtzeitig zu erkennen gilt. Es ist offensichtlich eine Entwicklung im Gang, die zu einer nicht unbedenklichen Verschiebung in den effektiven Gewichten von Bundesrat und Parlament zugunsten der Organisationen und Verbände der Wirtschaft führen könnte, ja teilweise schon geführt hat. Damit kann auch eine gewisse Gefahr des Überhandnehmens der Gruppeninteressen gegenüber dem Gemeinwohl nicht geleugnet werden. Aber auch beim Vollzug der Gesetze durch hiefür besonders geschaffene Organisationen oder durch den Heranzug von Wirtschaftsverbänden stellen sich verschiedene Probleme, die der Lösung harren. Wir denken hier an die Sicherstellung eines wirksamen Aufsichtsrechtes des Bundes sowie an die Gefahr der Vermischung privater und öffentlicher Interessen zulasten der letzteren.

Organisationen und Verbände der Wirtschaft erfüllen in unserem Staate eine wichtige Funktion, die zum Teil ausdrücklich in der Verfassung verankert ist.

Letzteres trifft auf die politischen Organisationen - die Parteien - nicht zu. Trotzdem kommt gerade in einer Referendumsdemokratie den politischen Parteien für das Funktionieren des ganzen Staatswesens eine Schlüsselstellung zu ; die zahlreichen Probleme, denen sich heute die politischen Parteien gegenübergestellt sehen, und ihre befriedigende Lösung sind deshalb für die Geschicke unseres Landes bedeutsam. Wir werden auch diesen Fragen Aufmerksamkeit schenken und mit den Parteien zusammen prüfen, was in dieser Hinsicht vorgekehrt werden kann.

B. Totalrevision der Bundesverfassung

Die Frage der Totalrevision der Bundesverfassung wird in der laufenden Legislaturperiode weder für den Bundesrat noch für die eidgenössischen Räte akut werden. Primär gilt es jetzt, den Bericht der letztes Jahr eingesetzten Arbeitsgruppe abzuwarten. Diese hat bekanntlich den Auftrag, auf breiter Basis Vorschläge für eine Gesamtrevision der Bundesverfassung zu sammeln und in der Folge zu sichten. Gestützt darauf wird sie ihre Konzeption des Inhaltes einer neuen Bundesverfassung umschreiben müssen. Der Schlussbericht dieser Kommission sollte dem Justiz- und Polizeidepartement im Laufe dieser Legislaturperiode zugehen. Er wird sich auch zur Frage zu äussern haben, ob nicht der Totalrevision vorausgehend gewisse Teilrevisionen der Bundesverfassung durchzuführen sind. Ferner wird die Arbeitsgruppe über allfällige weitere Vorfragen Bericht zu erstatten haben.

Im Anschluss an diese Vorarbeiten wird es allenfalls Aufgabe einer erweiterten eigentlichen Expertenkommission sein, einen Vorentwurf zu einer neuen Bundesverfassung auszuarbeiten. Dieser sollte mit den entsprechenden Empfehlungen für das weitere Vorgehen dem Justiz- und Polizeidepartement zu unseren Händen unterbreitet werden.

Es wird somit frühestens in der nächsten Legislaturperiode möglich sein, Ihnen über die allfällige Durchführung einer Totalrevision der Bundesverfassung Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen.

1220 C. Wichtige verfassungsrechtliche und gesetzgeberische Aufgaben In diesem Abschnitt führen wir jene wichtigen verfassungsrechtlichen und gesetzgeberischen Aufgaben auf, die nicht wegen ihres engen sachlichen Zusammenhanges in einen der nachfolgenden Abschnitte V-IX gehören.

Bodenrecht und Landesplanung

Eine Verfassungsvorlage liegt vor den eidgenössischen Räten. Sobald sie verabschiedet und gegebenenfalls von Volk und Ständen angenommen ist, wird die Ausführungsgesetzgebung in Angriff genommen werden müssen. Gewisse Vorabklärungen technischer und juristischer Natur - Erstellung von Leitbildern im Rahmen eines besondern Expertenauftrages ; Abklärung gewisser Grandsatzfragen rechtlicher Natur - sind bereits eingeleitet worden. Die Vorbereitung der Ausführungsgesetzgebung soll so gefördert werden, dass sie nach der Abstimmung über die Verfassungs vorläge - falls diese angenommen wird - den eidgenössischen Räten unterbreitet werden kann.

Dieser Ausführungsgesetzgebung, insbesondere betreffend die Landesplanung und den Vollzug im Zusammenwirken mit den Kantonen, messen wir grosse innenpolitische Bedeutung zu. Wir sehen vor, den eidgenössischen Räten den Erlass eines Planungsgesetzes zu empfehlen. Dieses wird die Ziele der Planungsmassnahmen umreissen und die grundlegenden Bestimmungen der Zonenordnung sowie Vollzugsanordnungen enthalten müssen. Vorher werden wir aber für die Landesplanung weitere wissenschaftliche Unterlagen beschaffen, die sowohl dem Bund wie den Kantonen von Nutzen sein werden.

Ausnahmeartikel (Art. 51 und52BV) Die Frage der konfessionellen Ausnahmeartikel (Art. 51 und 52 BV) ruft in unserer Zeit immer imperativer nach einer Lösung. Sie widersprechen nicht nur dem Gebot der Gerechtigkeit und Toleranz, sondern insbesondere auch den grundlegenden Rechten der Religionsfreiheit und der Rechtsgleichheit. Die Ablieferung des vor längerer Zeit in Auftrag gegebenen Gutachtens ist uns definitiv für 1968 zugesichert worden. Dieses Gutachten wird einen wertvollen Beitrag für eine allseitige und sachliche Aufklärung über diesen bedeutungsvollen Fragenkomplex darstellen. Wie wir schon früher festgehalten haben, vermag nur ein gründlich und eingehend dokumentierter Bericht den Weg zu einer Lösung zu bereiten. Wir sehen vor, zur gegebenen Zeit ein Vernehmlassungsverfahren bei den Kantonen, Parteien und kirchlichen Kreisen durchzuführen. In der Folge wird eine entsprechende Botschaft an die eidgenössischen Räte auszuarbeiten sein. Die Ausnahmeartikel sollen auf alle Fälle vorgängig einer allfälligen Totalrevision der Bundesverfassung Gegenstand einer separaten Teilrevision sein.

Einführung des
Frauenstimm- und-Wahlrechts Grundsätzlich beantworten wir die Frage der Einführung des Frauenstimmund -Wahlrechts auf eidgenössischem Boden durch eine entsprechende Teilrevision der Bundesverfassung nach wie vor positiv. Für die Beurteilung des richtigen

1221 Zeitpunktes für eine entsprechende neue Botschaft an die eidgenösssischen Räte ist aber - nachdem Volk und Stände vor mehreren Jahren eine solche Teilrevision abgelehnt haben -' die weitere Entwicklung dieses Problems in den Kantonen nicht ohne Bedeutung. Auch dürfte es zweckmässig sein, das Ergebnis der Umfrage der Arbeitsgruppe für die Totalrevision der Bundesverfassung abzuwarten, um die Wahl des Zeitpunktes i für die Vorlage einer Botschaft an die eidgenössischen Räte noch besser beurteilen zu können. Wir werden daher erst in der Mitte dieser Legislaturperiode zu beurteilen vermögen, ob der Zeitpunkt zur Ausarbeitung einer Vorlage gekommen sei. Die Verbindung einer Lösung der Frage des Frauenstimm- und -Wahlrechtes mit einer allfälligen Totalrevision der Bundesverfassung halten wir politisch nicht für zweckmässig, sondern nehmen hierfür eine Teilrevision in Aussicht.

Presserecht und Massenmedien Wir verweisen auf unsern Bericht vom 19. Oktober 1951 über die Revison von Artikel 55 der Bundesverfassung betreffend die Pressefreiheit (BB1.1951, III, 241) und das bei den eidgenössischen Räten noch hängige Volksbegehren vom 31. Mai 1935 über die Pressefreiheit (siehe unsern Bericht vom 30. Oktober 1951, BB1. 1951, III, 547).

Wir haben damals die Verwerfung dieses Volksbegehrens beantragt. Es wird von den eidgenössischen Räten in Beratung gezogen werden müssen, sobald die Gesetzesvorlagen über das Verwaltungsverfahren und den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit verabschiedet sein werden. In diesem Zeitpunkt wird auch über die von uns seinerzeit vorgeschlagene Revison des Artikels 55 der Bundesverfassung zu befinden sein.

Die Massenmedien haben in der letzten Zeit, besonders mit der Einführung des Fernsehens, einen starken Auftrieb erhalten. Radio und Fernsehen sind mit der Presse die ausgesprochenen Mittel der Nachrichtenübermittlung und der Meinungsbildung. Mit der Einführung des Werbefernsehens sind gewisse Differenzen zwischen den Massenmedien und der Presse in Erscheinung getreten. Die Konkurrenz zwischen Presse, Radio und Fernsehen wird nicht nur unter den schweizerischen Massenmedien ausgetragen, sondern sie wird auch mit den ausländischen Konkurrenten noch intensiver werden. Wir beabsichtigen, auch in der Zukunft an einer freiheitlichen Gestaltung aller Mittel der Meinungsbildung
festzuhalten.

Für Radio und Fernsehen steht im Vordergrund die Schaffung der verfassungsmässigen Grundlage und die Ausarbeitung der dazugehörenden Ausführungserlasse. Die Vorarbeiten sind so getroffen, dass demnächst das Vernehmlassungsverfahren für einen neuen Verfassungsartikel eingeleitet werden kann.

Dabei soll die Vorlage von 1956 durch einen Abschnitt über Programmautonomie ergänzt werden.

Bäuerliches Bodenrecht und Pachtrecht Ziel der in Vorbereitung befindlichen Revision des Bundesgesetzes vom 12. Juni 1951 ist, abgesehen von der darin allenfalls vorzusehenden Schaffung

1222 einer Landwirtschaftszone, die Neufassung der privatrechtlichen Teile des Gesetzes (Vorkaufsrecht, bäuerliches Erbrecht, Pachtrecht), vor allem im Hinblick auf Mängel, die sich aus der bisherigen Ordnung ergeben haben.

Familienrecht

Verschiedene Teile unserer Privatrechtsordnung bedürfen einer Anpassung an die seit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches gewandelten Lebensverhältnisse. Zu prüfen ist ein etappenweises Vorgehen, das zunächst eine Revision des Rechtes der Kindesannahme und des ausserehelichen Kindes, nachher des Ehegüterrechtes erlaubt.

Verwaltungsstrafverfahren Der Erlass eines Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafverfahren, ausgehend von der angeregten Revision des Fiskalstrafverfahrens, bedeutet die im Interesse der Rechtssicherheit erwünschte Kodifizierung der im Bundesstrafprozess und in zahlreichen speziellen Verwaltungsgesetzen des Bundes enthaltenen Strafund Sirafverfahrensbestimmungen.

Bankengesetz Der Geltungsbereich des Bankengesetzes bedarf der Überprüfung. Das Schutzbedürfnis des Publikums verlangt, dass industrielle und kommerzielle Finanzgesellschaften, die sich öffentlich zur Annahme fremder Gelder empfehlen, in irgend einer Form der Bankenaufsicht unterstellt werden. Da die Zahl der ausländischen Banken stark zunimmt, ist anzustreben, dass die besondere Bewilligungspflicht für die Errichtung unselbständiger Sitze, Zweigniederlassungen und Agenturen ausländischer Banken auf alle Geldinstitute ausgedehnt wird, die faktisch vom Ausland beherrscht werden. Ferner wird von verschiedener Seite auch eine Erhöhung des privilegierten Betrages der Spareinlagen verlangt. Vor allem soll auch die bankengesetzliche Aufsicht wirksamer gestaltet werden.

Bundesgesetz über Mass und Gewicht Dieses Gesetz ist dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen.

D. Ausbau des Behörden- und Verwaltungsapparates Die heutige Lage von Gesellschaft, Staat und Behörden, vor allem die Vielfalt und die wachsende Komplexität der Aufgaben, mit denen sich in Zukunft die Behörden zu befassen haben werden, werfen unweigerlich die Frage nach der Zweckmässigkeit der heutigen Behörden- und Verwaltungsorganisation und ihrer Arbeitsweise auf. Für uns geht es in erster Linie darum, auf der Basis des den eidgenösssichen Räten anfangs dieses Jahres zugegangenen Expertenberichtes vom November 1967 jene Vorschläge und Empfehlungen zu prüfen und zu verwirklichen, die uns zur Verbesserung der Regierungstätigkeit und der Verwal-

1223 tungsführung durch den Bundesrat zweckmässig erscheinen. Wir werden insbesondere dafür sorgen, dass den eidgenössischen Räten spätestens auf Ende dieser Legislaturperiode eine Botschaft betreffend Totalrevision des Verwaltungsorganisationsgesetzes unterbreitet werden kann. Sofern wir bei der nähern Abklärung in Anlehnung an die Konzeption der Expertenkommission dazu gelangen, in einer weitern Reformstufe eine Neuordnung des Aufgabenkatalogs von Bundesversammlung und Bundesrat anzuregen (Art. 85 und 102 BV), mit dem Ziel, die eidgenössischen Räte und damit auch den Bundesrat von untergeordneten Obliegenheiten zu entlasten, werden wir Ihnen hierüber eine Botschaft zur Revision der zitierten Verfassungsartikel vorlegen.

Zusammenfassung Die Richtschnur unseres Handelns liegt darin, eine den Erfordernissen unserer föderalistischen Schweiz, aber auch den Imperativen der Zukunft entsprechende Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen anzustreben. Es gilt sodann, bei allen dem Bund obliegenden Aufgaben unsern Rechtsstaat zu wahren und weiter zu entwickeln. Daher ist bei jeder Gesetzgebung oder Einzelverfügung der klaren und verfassungsgemässen Zuweisung der Kompetenzen, der Trennung der Gewalten, der Gebundenheit der rechtsanwendenden Behörde an das Gesetz und der Sicherung der Rechte des Bürgers unbedingte Achtung zu schenken. Unsere Behörden- und Verwaltungsapparat soll eine der heutigen Aufgabenstellung entsprechende Reorganisation erfahren.

Was die hauptsächlichen gesetzgeberischen* Auf gaben betrifft, so möchten wir zusammenfassend folgendes sagen : Von den zahlreichen vorstehend aufgeworfenen Problemen wird in der laufenden Legislaturperiode eindeutig der Fragenkomplex «Bodenrecht und Landesplanung» im Vordergrund stehen. Wir betrachten eine befriedigende Lösung der bodenrechtlichen und landesplanerischen Problematik als eine der wichtigsten Aufgaben unserer Generation überhaupt.

V.

Wirtschaftspolitik A. Zielsetzungen Unsere Wirtschaftspolitik ist primär auf die Hebung des materiellen Wohlergehens von Land und Volk ausgerichtet. Um diesem Hauptziel gerecht zu werden, muss sie die Voraussetzungen schaffen für einen grösstmöglichen Produktionsertrag und eine möglichst leistungsgerechte Verteilung dieses Ertrages. Darin wird sie jedoch durch gewisse ausserökonomische Ziele, vor allem durch das staatspolitische Ziel der Behauptung der Unabhängigkeit und der Eigenständigkeit unseres Landes und durch das sozialpolitische Ziel der sozial gerechten Verteilung eingeschränkt.

1224 Das machtpolitische Ringen zwischen West, Ost und Fernost hat zu einem Wettrüsten im technisch-wirtschaftlichen Bereich geführt. Das Wirtschaftswachstum ist zum zentralen Ziel der Machtblöcke und der einzelnen Länder geworden. In unserem Lande ist die wachstumspolitische Zielsetzung Verhältnismassig spät ins politische Blickfeld gerückt, nämlich erst bei der Auseinandersetzung um den konjunkturpolitischen Kurs Mitte der sechziger Jahre. Da die weltwirtschaftliche Abkühlung des Konjunkturklimas und der überfremdungspolitisch motivierte Abbau der ausländischen Arbeitskräfte auch bei uns in den letzten zwei Jahren zu einer erheblichen Abschwächung des Wirtschaftswachstums geführt haben,hatdasWachstumszielimökonomischenBereich für die laufende Legislaturperiode eine Vorrangstellung gewonnen. Dieses Wachstumsziel und die konjunkturpolitischen Erfordernisse sind aber laufend aufeinander abzustimmen.

B. Schwergewichte unserer Binnenwirtschaftspolitik a. Abgesehen von den Überlegungen im nachfolgenden Kapitel C stehen für die schweizerische Wirtschaftspolitik im Blick auf das Wachstumsziel folgende Erwägungen und Probleme im Vordergrund : Zwei wichtige Voraussetzungen für das Wirtschaftswachstum sind zur Zeit annähernd erfüllt, nämlich das aussenwirtschaftliche Gleichgewicht und die Vollbeschäftigung der verfügbaren Arbeitskräfte. Da vorderhand wegen der Inflationsgefahr und der überfremdungspolitischen Notwendigkeit einer Stabilisierung des Ausländerbestandes ein weiteres Breitenwachstum nur sehr begrenzt möglich ist, muss sich die Wachstumsförderung auf die Begünstigung des Produktivitätsfortschrittes konzentrieren. Für die Eindämmung der Inflationsgefahr liegen die Schwergewichte bei der Finanz- und Notenbankpolitik.

Die Möglichkeiten der Produktivitätsförderung verteilen sich auf drei Ebenen : Erstens lassen sich im Bereiche der sogenannten Rahmenpolitik oder gesamtwirtschaftlichen Ordnungspolitik mehr oder weniger günstige Voraussetzungen für den Produktivitätsfortschritt schaffen. Zum zweiten kann in all jenen Bereichen, für die aus Staats-, sozial- oder konjunkturpolitischen Gründen Schutz- oder Strukturerhaltungsmassnahmen getroffen worden sind, den produktivitätsfördernden Marktkräften mehr oder weniger Entfaltungsspielraum gewährt werden. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, die
Wachstumsbedingungen im Rahmen des Infrastrukturausbaues zu verbessern.

Im Bereiche der Rahmenpolitik sehen wir keine Möglichkeit und Notwendigkeit, den bisherigen aktiven Kurs durch völlig neuartige gesetzliche Massnahmen entscheidend zu ändern. Die Aussenhandelspolitik wird im Rahmen unserer Möglichkeiten weiterhin auf eine weltweite Aussenhandelsliberalisierung und auf eine Förderung unserer internationalen Konkurrenzfähigkeit hin arbeiten. Auf wettbewerbspolitischem Gebiet sind ausreichende gesetzliche Grundlagen vorhanden. Nach der bisherigen Tätigkeit der Kartellkommission zu schliessen, ist diese gewillt, ein für das Wirtschaftswachs-

1225 turn günstiges Konkurrenzklima zu schaffen. Die Wahrnehmung der Konsumenteninteressen schliesslich ist in erster Linie eine Angelegenheit der Konsumentenorganisationen. Wir haben mit der Schaffung einer Kommission und eines Büros für Konsumentenfragen den zur Zeit möglichen Beitrag geleistet. Wieweit eine weitergehende Unterstützung in Frage kommt, ist noch abzuklären. Bis heute haben hiefür vor allem auf Seite der Konsumentenorganisationen gewisse entscheidende Voraussetzungen gefehlt.

Soweit wir auf konjunkturpolitischem Gebiet mit dem Krisenverhütungsund Arbeitsbeschaffungsgesetz engagiert sind, geht es darum, die Konzeption neu zu überprüfen mit dem Ziel, sie in den Rahmen einer umfassenden wachstumsgerechten Konjunkturpolitik einzubauen.

Dagegen erheischen in diesem Zusammenhang die eigentlichen Interventionsbereiche des Bundes, nämlich der Arbeitsmarkt, die Landwirtschaft und der Wohnungsmarkt einen besonderen Kommentar.

Die wesentlichste Wachstumshemmung liegt bei der aus staatspolitischen Gründen verfügten Fremdarbeiterregelung. Nachdem die betriebliche Gesamtplafonierung bereits fallen gelassen worden ist, soll nun die aus überfremdungs- und konjunkturpolitischen Rücksichten eingeführte Betriebsplafonierung der ausländischen Arbeitskräfte im Interesse der erhöhten Mobilität schrittweise gelockert und schliesslich die Verteilung der Arbeitskraft wiederum ganz den Marktgesetzen überlassen werden.

Ein zweites Schwergewicht liegt in unseren Bemühungen, dem verfassungsmässigen Auftrag zur Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft und eines gesunden Bauernstandes vermehrt durch Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsgrundlagen und der Agrarstruktur sowie durch Ausrichtung der Produktion auf die Verbraucher- und Marktbedürfnisse nachzukommen. Die Preispolitik ist entsprechend weniger der Einkommenssicherung, dafür umso mehr der Produktionslenkung dienstbar zu machen. Zudem müssen sich die Gesamtaufwendungen des Bundes zugunsten der Landwirtschaft im Rahmen des gesamtwirtschaftlich und wachstumspolitisch vertretbaren Rahmens halten. Selbstverständlich werden wir dabei nicht nur den rein landwirtschaftlichen, sondern auch den forstwirtschaftlichen Belangen (insbesondere der Rationalisierung der Waldwirtschaft) unsere volle Aufmerksamkeit schenken.

Ein drittes Schwergewicht
soll bei den Massnahmen zur Förderung des rationellen und preiswürdigen Wohnungsbaues liegen. Wir nähern uns immer mehr einem globalen Marktgleichgewicht im Wohnungssektor.

Damit büssen die Massnahmen zur Mietzinsverbilligung sukzessive an Bedeutung ein. Die heutige bundesrechtliche Ordnung ist bis Ende 1970 befristet. Unsere Bemühungen konzentrieren sich auf die Förderung der Baulanderschliessung, des rationellen Bauens und damit auch der Bauforschung. Erstrangige Bedeutung kommt dabei den landesplanerischen Aspekten des Wohnungsbaues zu.

Grosses Gewicht messen wir schliesslich unter dem Gesichtspunkt des Wachstumszieles all j enen Massnahmen zu, die der Förderung der Forschung dienen.

1226 b. Ausgehend von der dargelegten übergeordneten Zielsetzung stehen im Bereiche der Wirtschaftspolitik in der laufenden Legislaturperiode folgende konkrete Massnahmen im Vordergrund: Auf dem Gebiete der Fremdarbeiterpolitik sind bereits die sich zur Zeit aufdrängenden Massnahmen getroffen worden. Wir erinnern an unsern Beschluss vom 28. Februar 1968.

Im Bereiche der Landwirtschaftspolitik ist ganz allgemein zu prüfen, ob und wieweit sich die - auch durch parlamentarische Vorstösse zur Diskussion gestellte - Änderung gesetzlicher Grundlagen aufdrängt, und wo durch Anpassung anderer Erlasse das Hauptanliegen, nämlich die Verbesserung der Produktionsgrundlagen und der Agrarstruktur, verwirklicht werden kann.

Ferner sind rechtzeitig die Vorarbeiten für die allfällige Revision bzw. Ablösung des 1974 ablaufenden Bundesgesetzes vom 23. März 1962 über Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft an die Hand zu nehmen.

Wir studieren auch die Frage, ob sich nicht beim Stipendiengesetz gewisse Änderungen aufdrängen. Wichtig ist sodann die in Aussicht genommene Revision der Allgemeinen Landwirtschaftsverordnung, wobei es sich darum handelt, diese für die Preispolitik bedeutsame Verordnung einer fortschrittlichen Konzeption der Agrarpolitik anzupassen.

Die Probleme der Berglandwirtschaft und jene der Berggebiete im allgemeinen bedürfen besonderer Aufmerksamkeit. Im Rahmen eines wirtschaftlichen Entwicklungskonzepts für das Berggebiet sind im Zusammenhang mit der Revision einkommensverbessernder Erlasse zielgerichtete Massnahmen zugunsten der Berglandwirtschaft vorgesehen. Die Vorarbeiten für dieses Entwicklungskonzept, das nicht nur den Bereich der Berglandwirtschaft umfassen wird, sind bereits eingeleitet und sollen 1969/1970 abgeschlossen werden. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Abklärungen gilt es auch, die Lawinenverbauungen und die Aufforstungen zum Schütze der Siedelungen und der Verkehrswege in den Bergtälern zu intensivieren ; desgleichen ist die Walderschliessung in den Berggebieten vermehrt zu fördern.

Gerade für das Berggebiet spielt der Fremdenverkehr eine ganz besondere Rolle. Darüber hinaus kommt aber bekanntlich dem Tourismus in der schweizerischen Ertragsbilanz ein bedeutendes Gewicht zu, liefert er doch seit Jahren den grössten Beitrag zum Ausgleich der Handelsbilanz. Die
Förderung des Fremdenverkehrs ist daher unter diesen Gesichtspunkten vordringlich. Es wird sich die Frage stellen, ob diese Bundesaufgabe nicht in einem besonderen Verfassungsartikel verankert werden sollte. Die heutige Lage, bei der jeweils die Massnahmen zur Förderung des Fremdenverkehrs auf die verschiedensten Verfassungsbestimmungen abgestützt werden müssen, wobei meist nur ein mittelbarer Zusammenhang besteht, ist nicht sehr befriedigend. Eine wichtige Aufgabe liegt sodann im Rahmen der Förderung des Fremdenverkehrs bei der Kurortsplanung, die mit Rücksicht auf mannigfaltigste nationale Interessen vorangetrieben werden sollte; gerade in dieser Beziehung sind aber die Rechtsgrundlagen sehr unvollständig.

1227 Nebst den bereits erwähnten gesetzgeberischen Massnahmen werden auf dem Sektor der Landwirtschaftspolitik der laufenden Legislaturperiode vor allem die Neuordnung der Zuckerwirtschaft, die Ablösung der geltenden Massnahmen zugunsten des Rebbaues, die Revision der Käsemarktordnung und die Ablösung des bis 31. Oktober 1972 befristeten Milchwirtschaftsbeschlusses aktuell werden. Wir werden aber auch eine umfassende Revision der Tierzucht-, Pferdezucht- und Schlachtviehverordnungen an die Hand nehmen, wobei es darum geht, die bisher mit diesen Regelungen gemachten Erfahrungen auszuwerten, mit dem Ziel, eine zweckmässigere Ordnung zu schaffen. Um die heutige Regelung den veränderten Verhältnissen anzupassen und wirksamere Lösungen zu treffen, werden wir auch eine grundlegende Revision der Verordnung über die Verwertung der Verkehrsmilch einleiten.

Die von uns ins Auge gefassten Massnahmen auf dem Wohnungsmarkt konzentrieren sich auf die Ablösung des Bundesgesetzes vom 19. März 1965 über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues durch neue zweckmässigere Vorkehren, sowie die Revision des Bundesbeschlusses vom S.Oktober 1951/24. März 1960 über Massnahmen zur Sanierung von Wohnungsverhältnissen in Berggebieten, um den damit verfolgten Zielen noch besser gerecht zu werden.

C. Die wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland

Die grundlegende Aufgabe unserer Aussenwirtschaftspolitik besteht in der Wahrnehmung der schweizerischen Wirtschaftsinteressen gegenüber dem Ausland. Dabei handelt es sich vor allem darum, die Konkurrenzstellung der schweizerischen Exportwirtschaft gegen einschränkende Massnahmen ausländischer Regierungen zu sichern, den besonderen Bedürfnissen der schweizerischen Binnen- und Agrarwirtschaft Rechnung zu tragen und in einem weiteren Sinne die Produktivitätssteigerung der schweizerischen Wirtschaft zu fördern. Sie hat ferner der Landesversorgung durch Sicherung der lebenswichtigen Importe zu dienen und sowohl die Interessen der verarbeitenden Industrie als auch der Konsumentenschaft zu berücksichtigen.

Die Mittel, die zur Erfüllung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen, sind einerseits das klassische Instrument bilateraler zwischenstaatlicher Verhandlungen und anderseits die Mitwirkung in internationalen Organisationen und die Teilnahme an den von ihnen veranstalteten Handels-, Zoll- und ändern multilateralen Wirtschaftsverhandlungen. Der Schwerpunkt wird auch in der laufenden Legislaturperiode, gleich wie im Sektor der politischen Beziehungen, vermehrt bei der multilateralen Handelspolitik liegen.

Im grossen ganzen genügen die bestehenden gesetzlichen Grundlagen, obschon eine Anpassung an die heutigen veränderten Verhältnisse ins Auge gefasst werden könnte. Die Schweiz ist im Besitze eines modernen Zolltarifs; der Übergang zu einem Wertzollsystem in Anpassung an die ausländischen Verhältnisse ist nicht dringend, wäre jedoch im Falle einer engeren Verbindung mit der EWG erforderlich.

1228 Der Bundesbeschluss über die wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland ist bis zum 3I.Dezember 1972 verlängert worden; die Vorarbeiten für eine allfällige Revision werden aber gegen Schluss der gegenwärtigen Legislaturperiode an die Hand genommen werden müssen, wobei sich die Frage stellen wird, ob die Gelegenheit zur Ausarbeitung eines modernen Aussenwirtschaftsgesetzes ergriffen werde sollte.

Die Hauptaufgaben der Aussenwirtschaftspolitik werden in den kommenden vier Jahren auf folgenden fünf Gebieten liegen, zwischen denen keine Prioritätsordnung aufgestellt werden kann. Der jeweilige Schwerpunkt hängt genau so wie die von der Schweiz zu ergreifenden Massnahmen von der Entwicklung der Verhältnisse im Ausland ab.

a. Westeuropäische wirtschaftliche Zusammenarbeit Wir werden die aktive Zusammenarbeit in der EFTA fortsetzen, wobei seit der Herstellung der industriellen Freihandelszone die Diskussion um die nichttarifarischen Hindernisse in den Vordergrund tritt.

Gleichzeitig werden wir der Gestaltung der Beziehungen zur EWG unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Unser Ziel bleibt auf gesamteuropäische Lösungen ausgerichtet. Solange diese aus Gründen, die sich unserer Einflussmöglichkeiten entziehen, unerreichbar bleiben, werden wir angesichts der Vielfalt und Intensität der nachbarlichen Beziehungen zu den EWG-Staaten in pragmatischer Weise die vordringlichen Probleme, die sich auf einzelnen Gebieten ergeben, zu regeln suchen. Sollten neuartige Methoden für die Gestaltung der Beziehungen zwischen der EWG und den EFTA-Staaten geprüft werden, würde die Schweiz sich mit Entschiedenheit dafür einsetzen, von Anfang an auf der Stufe voller Gleichberechtigung mit den übrigen Nicht-Mitgliedstaaten der EWG an entsprechenden Verhandlungen teilzunehmen.

Im Falle einer Erweiterung der EWG würde auch die Schweiz die ihrer Neutralität, ihrer Staatsstruktur und ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen gemässen Modalitäten einer engeren Verbindung von neuem überprüfen. Dies würde die Frage einer weitgehenden Harmonisierung der schweizerischen Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgesetzgebung mit derjenigen der EWG aufwerfen. Auch im Falle einer andauernden Aussenseiterstellung der Schweiz werden jedoch Anpassungen erfolgen müssen, um die Konkurrenzfähigkeit unseres Landes zu erhalten. Auf dem Gebiete der
Landwirtschaft könnte sich in dem Masse, wie eine Regelung auf dem Verhandlungswege nicht erzielbar ist, die Schaffung eines neuen Instrumentariums als erforderlich erweisen.

b. Zusammenarbeit zwischen Industriestaaten der westlichen Welt Diese Zusammenarbeit, der angesichts der vielfach gemeinsamen Interessen zwischen der Schweiz und den übrigen europäischen Staaten auch im Hinblick auf die weitere Integrationsentwicklung eine besondere Bedeutung zukommt, findet vor allem im Rahmen des GATT und der OECD statt. Als erstes gilt es die Inkraftsetzung der Kennedy-Runde-Ergebnisse zu sichern. Anschliessend wird die

1229 Möglichkeit weiterer Liberalisierungsinitiativen zu prüfen sein. Mit fortschreitendem Zollabbau kommt der Feststellung und Behandlung der nicht-tarifischen Hindernisse vermehrte Bedeutung zu. Die Erfordernisse der modernen Wirtschaft werden zu einer Intensivierung der industriellen und technologischen Zusammenarbeit führen. Angesichts der immer stärkeren gegenseitigen wirtschaftlichen Verflechtung erweist sich die internationale Abstimmung konjunkturpolitischer Massnahmen wie überhaupt der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen als unerlässlich.

c. Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zu den Staatshandelsländern Wir werden die sich abzeichnende Wandlung der Struktur und der Wirtschaftspolitik dieser Lander mit Aufmerksamkeit verfolgen und die sich daraus für eine Belebung des Aussenhandels ergebenden Möglichkeiten nutzen.

d. Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern Wenn sich schon aus internationalen Solidaritätsgründen die Beteiligung der Schweiz an der Entwicklungshilfe aufdrängt, so kommt angesichts des unbewältigten Integrationsproblems der Verteidigung der wirtschaftlichen Stellung der Schweiz in den Entwicklungsländern, die ein grosses Expansionspotential besitzen, eine zusätzliche Bedeutung zu. Die Schweiz wird sich daher an den internationalen Bemühungen zur Erarbeitung besonderer Regeln und wirkungsvollerer Finanzierungsmodalitäten aktiv beteiligen. Im Vordergrund stehen der Abschluss von Rohstoffabkommen zum Zweck der Preisstabilisierung, ferner die Prüfung allgemeiner, aber zeitlich befristeter Zollpräferenzen der Gesamtheit der Industriestaaten zu Gunsten der Entwicklungsländer sowie die Unterstützung der Industrialisierungsbestrebungen der Entwicklungsländer und der regionalen Integration dieser Länder zur Schaffung grösserer Märkte.

Auf dem Gebiet der Finanzhilfe wird die Schweiz in Ergänzung der privatwirtschaftlichen Investitionstätigkeit in den Entwicklungsländern zusätzliche staatliche Anstrengungen unternehmen müssen.

Wir werden in diesem Zusammenhang, neben der Gewährung bilateraler Kredite, die Möglichkeit prüfen, an der Schaffung neuer Finanzierungsmechanismen mitzuwirken, die einen sinnvolleren Einsatz der Finanzhilfe und einen grösseren Wirkungsgrad versprechen sowie auf gegenseitig koordinierten Massnahmen der Entwicklungs- und der Industrieländer beruhen. Zudem wird
die Schweiz einen angemessenen Anteil ihrer technischen Hilfe handelspolitischen Programmen, insbesondere solchen, die auf die Exportförderung der Entwicklungsländerausgerichtet sind, zuteil werden lassen.

e. Weltagrarprobleme Die Organisation des Welthandels mit Agrarprodukten wird sowohl unter dem Gesichtspunkt der besseren Nahrungsmittelversorgung der Entwicklungsländer als auch unter demjenigen der Vermeidung struktureller Überschüsse und

1230 deren Auswirkungen auf den Aussenhandel anspruchsvolle Probleme stellen, an deren Bewältigung wir mitzuwirken gedenken. Ein Problem, das in der KennedyRunde weitgehend ungelöst blieb, steht weiterhin zur Diskussion, nämlich der Absatz von Agrarprodukten der gemässigten Zone (Getreide, Futtermittel, Fleisch und Milchprodukte) ; hier besteht das Ziel der gemeinsamen Bestrebungen, die auch für unser Land von weittragender Bedeutung sind, in der Schaffung gesicherter Märkte für diese Produkte zu stabilen Preisen im Rahmen internationaler Abkommen.

Zusammenfassung In binnenwirtschaftlicher Sicht werden sich unsere Anstrengungen auf die Wachstumsförderung zwecks Begünstigung des Produktivitätsfortschrittes konzentrieren müssen. Konkret gesprochen geht es vor allem darum, selbstverständlich unter Wahrung der staatpolitischen Erfordernisse, die in den letzten Jahren praktizierte Fremdarbeiterregelung schrittweise zu lockern und die Verteilung der Arbeitskraft schliesslich wieder ganz den Marktgesetzen zu überlassen. In der Landwirtschaftspolitik werden die Gewichte noch vermehrt auf die Verbesserung der Produktionsgrundlagen und der Agrarstruktur, aber auch auf die bessere Anpassung der Produktion auf die Verbraucher- und Marktbedürfnisse verlagert werden müssen. Dabei kommt der auf diese Ziele ausgerichteten Selbsthilfe der Landwirtschaft und ihrer Organisationen eine zentrale Bedeutung zu. Auf dem Wohnungsmarkt wird die Intervention des Bundes neu konzipiert werden müssen, und zwar im Sinne der Schaffung besserer Voraussetzungen für einen preisgünstigen Wohnungsbau.

Die Aufgabe unserer Aussenwirtschaftspolitik bleibt auch in Zukunft, wie in der Vergangenheit, grundsätzlich unverändert. Sie hat die Wahrnehmung der schweizerischen Wirtschaftsinteressen gegenüber dem Ausland zum Ziel. Das Schwergewicht der hiefür einzusetzenden Mittel wird sich aber noch vermehrt auf die multilaterale Handelspolitik verlegen. Eine zentrale Stellung nehmen dabei unsere Bemühungen zur Herbeiführung gesamteuropäischer Lösungen ein. Im Interesse unseres Landes gilt es aber, gleichzeitig auch die Zusammenarbeit unter den Industriestaaten des Westens weiter zu fördern, der Gestaltung der Wirtschaftskontakte mit den Staatshandelsländern unsere unveränderte Aufmerksamkeit zu schenken sowie die Beziehungen zu den Entwicklungsländern auszubauen.

VI.

Verkehrs- und Energiewirtschaft A. Verkehrswirtschaft 1. Verkehrskoordination und Gesamtkonzeption Im Güterverkehr auf der Strasse besteht, im Gegensatz zum linienmässig betriebenen Personenverkehr, keine Konzessionspflicht. Als Folge davon führt die Schweiz eine freiheitlichere Verkehrspolitik als manche andere Länder. Die

1231 freie Wahl des Verkehrsmittels durch den Verkehrsbenützer soll zu einer Bevorzugung des kostengünstigsten Verkehrsmittels und damit zu einer sinnvollen Verkehrskoordination führen. Dies setzt freilich voraus, dass keine Wettbewerbsverzerrungen die Wahl verfälschen. Es ist ein Zustand herbeizuführen, bei dem die Verkehrsträger ihre Kosten möglichst voll decken. Bei den Eisenbahnen, die den Bau und Unterhalt ihrer Schienenwege selbst besorgen, sind Wegekosten selbstverständlicher Kostenbestandteil. Bei Strassentransportbetrieben dagegen, die ihre Leistungen auf den von der öffentlichen Hand gebauten und unterhaltenen Strassen erbringen, ist die Deckung des Wegekostenanteils nicht von selbst gewährleistet. Aus diesem Grunde kommt der Strassenrechnung, in welcher die anrechenbaren Erträge der öffentlichen Hand aus dem Motorfahrzeugverkehr dessen anteiligen Strassenkosten gegenüberzustellen sind, und ihrer entsprechenden Aufgliederung (Personenwagen, Schwerverkehr) grosse Bedeutung zu.

Zur Ausschaltung jeglicher Wettbewerbsverzerrungen gehört ferner auch die Abgeltung für Auflagen, die einem Verkehrsträger im Interesse der gesamten Volkswirtschaft auferlegt sind. Daher bedingt die Lösung des Abgeltungsproblems bei den Eisenbahnen, dass vorerst versucht wird, abbaubare Auflagen zu beseitigen und noch unentbehrliche Auflagen abzugelten. Dabei ist das verkehrswirtschaftlich so wichtige Prinzip der Gleichbehandlung der verschiedenen Verkehrsträger durch den Staat gebührend zu beachten.

Diese Grundsätze gelten auch für die Investitionspolitik im Verkehrswesen, der ein grosser koordinatorischer Effekt zukommt. Aus dieser Erkenntnis heraus drängt sich eine sorgfältige Prüfung der grossen Investitionsvorhaben auf.

Die bedeutsame Aufgabe, eine Gesamtkonzeption der schweizerischen Verkehrspolitik zu erarbeiten, ist unabwendbar geworden. Da dabei Interessen der verschiedenen Verkehrsträger gegeneinander abzuwägen sind, müssen diese an der Aufgabe mitwirken, ebenso die Wirtschaftsverbände und die Wissenschaft.

Im übrigen fällt auch der bundesrätlichen Delegation für Verkehrsfragen und einem noch zu schaffenden interdepartementalen Gremium auf Chef beamtenebene eine wichtige Koordinationsaufgabe zu.

2. Strassenbau und Strassenverkehr Dem Bund kommt im Nationalstrassenbau die Führung zu und auch auf den
Ausbau des Hauptstrassennetzes hat er auf dem Wege der Subventionsbedingungen einen starken Einfluss ; die Lösung der fast unendlichen Zahl von praktischen Einzelproblemen wird jedoch weniger durch die staatspolitische Ordnung des Stassenwesens als vielmehr von den strukturellen, demographischen und örtlichen Gegebenheiten bestimmt.

Zum finanziellen Aspekt äussern wir uns im Abschnitt «IX. Finanz- und Währungspolitik». Hier sei lediglich erwähnt, dass die rasche Amortisation der Aufwendungen des Bundes auch deshalb einer Notwendigkeit entspricht, weil sich bereits neue Aufgaben abzeichnen, die für die kommenden Legislaturperioden aktuell werden dürften und möglicherweise neue finanzielle Mittel erhei-

1232 sehen. Es handelt sich hier vor allem um die Frage, ob der Bund in Zukunft nicht in dieser oder jener Weise bei der Lösung der städtischen Expressstrassenproblerne und beim Ausbau des Hauptstrassennetzes mehr als bisher mitwirken soll. Hier werden noch sehr einlässliche Abklärungen notwendig sein, bevor auch nur eine erste Meinungsäusserung möglich ist, spielt hier doch das über den Strassenbau weit hinausgehende Problem der Bewältigung des Verkehrs in den städtischen Agglomerationen mit hinein.

Im übrigen legen wir Wert auf die Feststellung, dass für den Umfang des Nationalstrassenbaues in der laufenden Legislaturperiode das von uns im letzten Jahr beschlossene langfristige Bauprogramm massgebend sein wird. Besonders erwähnt sei lediglich der in diese Legislaturperiode fallende Beginn der Arbeiten am Gotthardtunnel, ein Werk von höchster Bedeutung für den schweizerischen und internationalen Verkehr.

Die Grundgegebenheiten des Strassenbaues, die für die Politik des Bundesrates in der laufenden Legislaturperiode massgebend sein werden, liegen somit in seinem Zusammenhang mit dem stets steigenden Lebensstandard, seiner grundlegenden Bedeutung für die Landes-, Regional- und Ortsplanung, seiner interkantonalen Verflechtung und seinem soliden finanziellen Rückhalt. Bezüglich des Strassenverkehrs drängt sich vor allem die umfassende Abklärung der Frage auf, ob auf unseren Strassen höhere Masse und Gewichte von Lastwagen zugelassen werden sollen.

3. Schienenverkehr a. Bundesbahnen Bei den Bundesbahnen zeichnet sich leider neuerdings eine ernsthafte Gefährdung ihres finanziellen Gleichgewichtes ab. Als Zielsetzungen des Ausbauprogrammes stehen die weitere Rationalisierung des Betriebes, die Erhöhung des Leistungsvermögens sowie die Verbesserung der Leistungsqualität zur Bewältigung der zukünftigen Aufgaben im Vordergrund. Für das langfristige Investitionsprogramm ist jährlich mit Aufwendungen von 450 Millionen Franken zu rechnen, wobei 250 Millionen Franken auf Ersatzinvestitionen und 200 Millionen Franken auf Investitionen zur Erweiterung und Leistungssteigerung entfallen.

Auf längere Sicht steht die Schweiz sodann vor der Frage, wie der internationale Transitverkehr durch die Alpen bewältigt werden soll. Die entsprechenden Abklärungen sind im Gange. Es geht hier vor allem um das Ostalpenbahn-
und das BLS-Problem sowie um den Bau eines Gotthardbasistunnels.

b. Privatbahnen Die finanzielle Lage der Privatbahnen des allgemeinen Verkehrs hat sich in den letzten Jahren ständig verschlechtert. Aber auch für sie stellt sich die Frage der Rationalisierung und des weiteren Ausbaues. Wir werden daher noch im Laufe dieser Legislaturperiode wahrscheinlich einen neuen Rahmenkredit einfordern müssen. Selbstverständlich sollen nur volkswirtschaftlich notwendige Bah-

1233 nen ausgebaut werden, während Bahnbetriebe, deren Bestehen nicht mehr gerechtfertigt ist, aufzugeben und durch andere Transportmittel zu ersetzen sind.

Als Folge der Übernahmeofferte für die BLS-Gruppe hat sich eine Reihe weiterer Kantone mit entsprechenden Übernahmebegehren angemeldet. Der ganze Fragenkomplex wird zur Zeit durch eine besondere Kommission geprüft.

Dieser Expertenbericht soll so rechtzeitig abgeliefert werden, dass wir noch im Laufe dieser Legislaturperiode die Erarbeitung unserer eigenen Schlussnahme an die Hand nehmen können.

4. Luftverkehr Die Entwicklungstendenzen im modernen Luftverkehr stellen sowohl unsere nationale Fluggesellschaft Swissair wie auch die für die erforderliche Infrastruktur verantwortlichen Organisationen vor grosse Aufgaben. Zur Zeit wird eine Studie ausgearbeitet über die voraussichtliche Entwicklung des Luftverkehrs bis 1980. Sie soll die Grundlage bilden für den Ausbau der Flugplätze und der Flugsicherung. Ferner wird ein Gesamtplan für die Rechtssetzung auf dem Gebiete der Luftfahrt erstellt.

5.

Schiffahrt

Hier geht es vor allem darum, weiterhin die schweizerischen Interessen im Rahmen der Rheinschiffahrtspolitik zu wahren. Der vor den eidgenössischen Räten liegende Bericht über die Schiff barmachung der Verbindung Adria-Langensee und der Aare ist zur Beantwortung von Fragen durch einen weiteren Bericht zu ergänzen. Es wird auch die Frage der Freihaltung schweizerischer Gewässer für die Schiff barmachung und der damit verbundenen Kosten abzuklären sein. Bezüglich des Transhelvetischen Kanals und der Hochrheinschiffahrt halten wir lediglich fest, dass es sich hier um Probleme handelt, die nicht vordringlich sind und schon deshalb in der laufenden Legislaturperiode keine Lösung finden werden.

B. Post- und Fernmeldewesen Im Vordergrund steht die Schaffung eines neuen Organisationsstatutes der PTT-Betriebe in der Richtung der heutigen Organisation der Bundesbahnen. In materieller Beziehung geht es vor allem um den Ausbau der Betriebsanlagen zur Bewältigung des ständig zunehmenden Post- und Fernmeldeverkehrs mit Einschluss der technischen Anlagen für den weiteren Ausbau des schweizerischen Fernsehens. Ein besonderes Problem stellt die Beteiligung der Schweiz an Fernmeldesatelliten im Weltraum dar.

Im Verlaufe der Legislaturperiode wird auch die Revision des Telegraphenund TelephonVerkehrsgesetzes aus dem Jahre 1922 in Angriff genommen werden müssen. Mit dieser Revision sollen die rechtlichen Grundlagen für eine zeitgemässe technische Entwicklung und einen dieser Entwicklung angepassten Netzund Tarifaufbau geschaffen werden.

Bundesblatt. 120. Jahrg. Ed. I

78

1234 C. Energiewirtschaft

Unsere Energieversorgung befindet sich in einem eigentlichen Strukturwandel. Sie gerät in eine steigende Abhängigkeit von ausländischen Lieferungen und zudem noch von einem einzelnen Energieträger (Rohöl), der aus aussereuropäischen Quellen stammt.

Eine gleichmässigere Abstützung auf verschiedene Energieträger scheint uns im Interesse der Versorgungssicherheit zu liegen. Im Hinblick darauf sollte der Einsatz der Atomenergie und des Erdgases als neue Energieträger gefördert werden. Dabei stellt sich das Problem der Versorgungsmöglichkeit mit Kernbrennstoff. Dieses wird in all seinen Aspekten sorgfältig geprüft, und zwar in Verbindung mit den Elektrizitätswerken.

Wir beabsichtigen, die Bundesversammlung in einem einlässlichen Bericht umfassend über das Problem der schweizerischen Energieversorgung zu orientieren und allfällige Anträge zu stellen.

Was die Förderung der Verwendung von Atomenergie betrifft, so werden wir unsere bisherige Politik grundsätzlich weiterführen. Sofern rechtzeitig begründete Vorschläge für neue Anstrengungen der schweizerischen Industrie in der Reaktortechnik eintreffen und gewisse Vorbedingungen erfüllt sind, sind wir bereit, solche Vorschläge zu prüfen und dem Parlament gegebenenfalls entsprechende Massnahmen zu beantragen. In Anbetracht der grossen Bedeutung der Reaktortechnik für die industrielle Zukunft unseres Landes wird der Bund sich weiterhin an geeigneten internationalen Gemeinschaftsunternehmen auf diesem Gebiete beteiligen.

Zusammenfassung Im Rahmen der Verkehrs- und Energiewirtschaft wird die laufende Legislaturperiode durch die Erarbeitung einer Gesamtkonzeption der schweizerischen Verkehrspolitik und der Berichterstattung an die eidgenössischen Räte über die Probleme unserer Energieversorgung beherrscht sein. Der Strassenbau soll gemäss dem beschlossenen Programm durchgeführt werden. Beim Schienenverkehr stehen die Rationalisierungsprobleme in Verbindung mit der Erhöhung des Leistungsvermögens im Vordergrund. Analoge Probleme ergeben sich beim Postund Fernmeldewesen. Hinzu kommt die Schaffung eines neuzeitlichen PTT-Statuts.

VII.

Bildung und Forschung A. Wissenschaftspolitik / Zielsetzung

Wie kaum ein anderes Gebiet der Bundesaufgaben ist die Wissenschaftspolitik Ausdruck einer sich von Grund auf wandelnden Gesellschaft. Nicht nur der Wohlstand der Nationen, sondern auch ihre Geltung und ihr Einfluss werden

1235 immer entscheidender und sichtbarer vom Erfolg ihrer Bemühungen in Forschung und Entwicklung abhängig.

Drei Faktoren vor allem bestimmen in einem Land Stand und Fortschritt der Wissenschaften und damit auch das Mass der wirtschaftlichen Entfaltung : - Breite und Vertiefung der Volksbildung, - die wirksame und gleichmässige Förderung der begabten jungen Menschen, - Ausmass und zweckmässiger Einsatz der für Forschung und Entwicklung verwendeten Mittel.

Das allgemeine Ziel unserer Politik auf dem Gebiete der Bildung und Forschung liegt einerseits in der Hebung des Bildungsniveaus und der Kenntnisse auf allen Schulungsstufen und andererseits in der Förderung der Grundlagen- wie der angewandten Forschung.

B. Volksbildung Die Verantwortung für das Volksschulwesen liegt bei den Kantonen. Der Bund wird sich, wie bis anhin, vor allem der auf die Volksschule folgenden Berufsbildung anzunehmen haben. Ziel der Berufsbildung muss es sein, alle Berufstätigen in Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Handel so vorzubilden, dass nur für Funktionen, die mehr als die üblichen Berufskenntnisse verlangen, Absolventen höherer Lehranstalten benötigt werden. Grösseres Gewicht wird sodann in allen Bereichen auf die Fortbildung der bereits Berufstätigen zu legen sein.

C. Begabtenförderung Grosse und weitgehend ungelöste Aufgaben stellen sich unserem Lande in der Begabtenförderung. Ein alarmierendes Symptom der gegenwärtigen wissenschaftspolitischen Situation der Schweiz sehen wir darin, dass die Zahl der Hochschulabsolventen in unserem Lande unter dem Durchschnitt Westeuropas steht und dass der Abstand gegenwärtig die Tendenz hat, nicht kleiner, sondern grösser zu werden. Aus dieser Lage ergeben sich bedeutungsvolle Zielsetzungen für die Zukunft.

Eine rasche und grosszügige personelle und bauliche Erweiterung der schweizerischen Hochschulen ist unerlässlich. Da in den technischen Berufen die Bedarfslücken besonders gross sind, ist es geboten, den grosszügigen Ausbau der ETH entschlossen weiterzuführen, die EPUL durch den Bund übernehmen zu lassen und ihre Erweiterung vorzubereiten. Wir verweisen auf unsere Botschaft vom 4. März 1968. Bezüglich der Förderung der kantonalen Hochschulen durch den Bund erinnern wir an unsere Botschaft vom 28. November 1967.

Mit einer besseren Ausstattung der Hochschulen ist es
indessen nicht getan.

Die eigentliche Schlüsselstellung im Auslese-Prozess nehmen die Mittelschulen ein. An ihnen liegt es vor allem, in vermehrtem Masse junge Menschen aus den «studienfernen» sozialen Schichten (z.B. dem Arbeiterstande oder der nichtstädtischen Bevölkerung) zur Hochschule zu führen. Dem gleichen Ziele haben

1236 die notwendigen Studienreformen an den Hochschulen und der Ausbau der Berufs- und Studienberatung zu dienen. Der Bund wird mit allen ihm zustehenden Einflussmitteln darauf hinzuwirken haben, die vorhandenen Begabungen besser und gleichmässiger auszuschöpfen. Ferner wird der Bund - in Verbindung mit den Kantonen - der Bildungsplanung seine ganze Aufmerksamkeit schenken müssen.

D. Forschung

Zum mindesten in einzelnen Bereichen müssen die Forschungsaufwendungen von Bund und Kantonen als zu gering bezeichnet werden. Das gilt vor allem für die industrie-orientierte Forschung der Hochschulen, für die angewandte medizinische Forschung (d. h. die Forschung im Dienste der Volksgesundheit) sowie für alle jene Forschungsrichtungen, die geeignet sind, die allgemeinen Grundlagen für eine zweckmässige Besiedelung und Bewirtschaftung des immer beengteren schweizerischen Raumes zu schaffen. Auch im Hinblick auf eine weitere Rationalisierung der Urproduktion sind noch eingehendere systematische Studien unerlässlich. Zur Intensivierung der Forschung in allen diesen Bereichen werden vermehrte Bundesmittel einzusetzen und vielleicht auch neue Institutionen zu schaffen sein. Dennoch werden die zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Mittel in unserem Kleinstaat notwendigerweise begrenzt bleiben. Es wird daher im Rahmen einer umfassenden Wissenschaftspolitik für ihren möglichst rationellen Einsatz und für eine reibungslose Koordination aller an der Forschung beteiligten Stellen zu sorgen sein.

Die Grundlagenforschung, soweit es sich um teure Grossprojekte handelt, wird vor allem durch internationale Gemeinschaftsunternehmen zu pflegen sein.

Fruchtbar ist eine Beteiligung an Forschungsgemeinschaften indessen nur, wenn die vom internationalen Unternehmen ausgehenden Impulse von nationalen Forschungsstätten aufgenommen und durch diese ergänzt werden. Ferner werden wir dem Schweizerischen Nationalfonds auch in Zukunft die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.

Wir werden abklären müssen, was in Zukunft zur Förderung der angewandten naturwissenschaftlichen und technischen Forschung vorzukehren ist.

Im Rahmen dieser grundsätzlichen Betrachtungen zur Förderung der Forschung werden wir auch den Problemen der Weltraumforschung unsere besondere Aufmerksamkeit schenken.

Zusammenfassung Zusammenfassend möchten wir festhalten, dass es in der laufenden Legislaturperiode vor allem darum geht, eine umfassende Bildungs- und Forschungspolitik für einen längeren Zeitraum, und zwar gemeinsam mit den Kantonen und soweit nötig mit der Wirtschaft, zu formulieren. Gleichrangig ist aber auch die dringliche Aufgabe des Bundes betreffend die Förderung der kantonalen Hochschulen, den weiteren Ausbau der ETH und die Übernahme der EPUL zu erwähnen.

1237

Vili.

Soziale Wohlfahrt A. Soziale Sicherheit Die Sozialversicherung ist ein besonders wirksames Mittel, um die in Artikel 2 der Bundesverfassung erwähnte Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt der Eidgenossen zu realisieren. In den letzten Jahren haben wir für einen bedeutsamen Ausbau unserer Sozialversicherungszweige gesorgt. Dank dessen, aber auch weil die Nachkriegszeit durch günstige wirtschaftliche Bedingungen gekennzeichnet war, hat unser Sozialversicherungswesen einen beachtlichen Stand erreicht. Wir beabsichtigen, diese Anstrengungen im gleichen Geiste fortzusetzen, um die Solidarität unter den verschiedenen Volksschichten zu verstärken und Notlagen zu beseitigen, wo solche noch bestehen und sofern neue auftreten sollten. Dabei werden wir uns stets bewusst sein, dass die Familie den natürlichen Lebenskreis des Menschen bildet und dass ihr in unserer Gesellschaftsordnung eine wichtige Rolle zukommt.

Unter den zahlreichen Sozialversicherungswerken kommt in der laufenden Legislaturperiode der Fürsorge für unsere alten Leute die Priorität zu. Das Alter stellt zur Zeit das grösste Sozialproblem unseres Landes dar. Aus diesem Grunde haben wir bereits eine Botschaft betreffend die T.Revision der AHV an die eidgenössischen Räte gerichtet. Darüber hinaus gilt es, die wichtigen Anregungen im bedeutsamen Bericht über die Altersfragen der Stiftung «Für das Alter» näher zu prüfen. Wie weit sich aus dieser Abklärung konkrete Anträge ergeben sollen, werden wir prüfen. Zwei wichtige Postulate (die Hilflosenzulage für Altersrentner und der freiwillige Aufschub der Altersgrenze) sollen bereits durch die 7. AHVRevision verwirklicht werden.

Von wesentlicher Bedeutung ist sodann auch die eingeleitete Gesamtüberprüfung der Gesetzgebung über die Kranken- und Unfallversicherung. Der Bericht über die Altersfragen weist auf die Lücken in der Versicherung der alten Leute gegen Krankheiten und Unfälle hin. Somit müssen auch bei der Revision des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes die Bedürfnisse der älteren Generation besonders beachtet werden. Was die Bundesgesetzgebung über die Familienzulagen sowie die Erwerbsersatzordnung betrifft, wird sich eine Anpassung der Leistungen an die heutigen Verhältnisse aufdrängen.

B. Kultur und Erholung

1. Kulturpolitik Wir beabsichtigen, unsere kulturpolitische Aktivität weiter zu verstärken.

Gemäss der verfassungsrechtlichen Aufteilung zwischen Bund und Kantonen kommt allerdings den Kantonen der Vorrang in der Kulturförderung zu. Der Bund wird hier also grundsätzlich nur subsidiär tätig sein. Soweit er sich mit Kulturpolitik befasst, wird er sich auch in Zukunft vom Prinzip leiten lassen,

1238 die freie menschliche Persönlichkeit in ihrer geistigen und künstlerischen Entfaltung zu fördern und zu unterstützen, da nur sie und nicht der Staat Träger aller Kultur sein kann. Die Förderung der Kultur stellt einen wichtigen Beitrag dar zur Stärkung des Bewusstseins unserer Eigenart; sie dient auch der Vertiefung des Verständnisses für die geistige Grundlage unseres Staatswesens.

Auch in Zukunft soll die finanzielle Hilfe des Bundes vorwiegend über eine selbständige und in ihren Entschlüssen weitgehend autonome Institution, nämlich die Stiftung Pro Helvetia, ausgerichtet werden. Die Pro Helvetia wird das Schwergewicht ihrer Tätigkeit auf die Förderung des Kulturaustausches zwischen den verschiedenen Sprachgebieten unseres Landes legen. Daneben soll auch der Erwachsenenbildung grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Ein zweiter grosser Aufgabenkreis der Pro Helvetia betrifft bekanntlich die Pflege der Beziehungen zum Ausland. Es gilt vor allem, um vermehrtes Verständnis für das schweizerische Gedanken- und Kulturgut zu werben.

Besondere Aufmerksamkeit soll weiterhin der Erhaltung und Förderung der sprachlichen und kulturellen Eigenart jener schweizerischen Kulturgebiete geschenkt werden, die infolge ihrer besonderen Verhältnisse nicht in der Lage sind, ihr eigenständiges geistiges Leben voll zur Entfaltung zu bringen. Wir denken hier insbesondere an die italienischen und rätoromanischen Sprachgebiete.

Ein spezielles Problem wird sodann das Studium der Frage stellen, wie der Bund in vermehrtem Masse auf nationaler Ebene das Zusammenwirken der vielfältigen kulturpolitischen Anstrengungen fördern könnte.

Obwohl die Förderung der Freizeitgestaltung keine Bundesaufgabe darstellt, möchten wir nicht unterlassen, auf die wachsende Bedeutung dieses Problems hinzuweisen. Seine Lösung obliegt vornehmlich den Gemeinden und den Organisationen der Sozialpartner.

2. Natur- und Heimatschutz Durch die Annahme des Artikels 24sexles der Bundesverfassung hat das Schweizer Volk seinem Willen Ausdruck gegeben, dem Landschaftsschutz die gebührende Beachtung zukommen zu lassen. Gestützt auf das am l. Januar 1967 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz werden wir unsere Massnahmen intensivieren, um damit vor allem auch die Kantone, bei denen nach wie vor das Schwergewicht des Natur-
und Heimatschutzes verbleiben wird, in ihren Bestrebungen noch nachhaltiger zu unterstützen.

3. Sport Die Besonderheiten der heutigen Zeit, namentlich auch der durch die Technisierung bedingte Bewegungsmangel, rufen einer zweckmässigen und intensiveren Förderung von Turnen und Sport. Diese Fragen haben in letzter Zeit die eidgenössischen Räte wiederholt beschäftigt und werden zur Zeit in umfassender Weise abgeklärt. Es soll nun eine Meinungsforschung bei den Kantonen, Parteien

1239 und interessierten Organisationen über die Notwendigkeit und Zweckmässigkeit der Schaffung einer entsprechenden Verfassungsgrundlage und eines Bundesgesetzes durchgeführt werden.

C. Öffentliches Gesundheitswesen

1. Allgemeines Auf dem Gebiete des öffentlichen Gesundheitswesens gilt es, gemeinsam mit den Kantonen, denen auf diesem Gebiete die Hauptverantwortung zukommt, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Volksgesundheit zu heben und Krankheiten durch prophylaktische und therapeutische Massnahmen sowie durch die Förderung der medizinischen Forschung abzuwehren.

An konkreten Aktivitäten auf dem Gebiete des Gesundheitswesens im engern Sinne ist die geplante Totalrevision des Epidemiengesetzes zu erwähnen.

Sie soll den Erfahrungen in der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Rechnung tragen und auch die internationalen Verpflichtungen der Schweiz berücksichtigen. Wir studieren auch die Frage, ob es nicht möglich wäre, durch einen neu zu schaffenden «Nationalfonds für die Gesundheit» die epidemiologische und klinische Forschung in einem weiteren Rahmen, insbesondere auch bezüglich Herz- und Gefässkrankheiten speziell zu unterstützen. Ferner wird den eidgenössischen Räten demnächst ein Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Verkehr mit Giften zugehen. Dieser soll die gegenwärtigen, sehr unterschiedlichen kantonalen Regelungen ablösen.

2. Schutz gegen Immissionen Die im Hinblick auf einen umfassenden öffentlich-rechtlichen Immissionsschutz durchgeführten Abklärungen haben ergeben, dass der Grossteil der begrüssten Kreise einer allgemeinen verfassungsrechtlichen Kompetenz des Bundes den Vorzug gibt, während eine Minderheit sich für die Beschränkung auf das Gebiet der Lufthygiene ausgesprochen hat. Wir werden Ihnen in absehbarer Zeit eine Vorlage zu einem umfassenden Immissionsschutzartikel der Bundesverfassung unterbreiten.

D. Wasserwirtschaft und Gewässerschutz

Es hat sich gezeigt, dass in der Regelung der wasserwirtschaftlichen Belange noch eine empfindliche Lücke besteht. Der Bund sollte in Ergänzung seiner bisherigen, je die Wasserbaupolizei, die Wasserkraftnutzung, die Binnenschiffahrt, den Gewässerschutz und die Fischerei betreffenden Kompetenzen ebenfalls gesamtwasserwirtschaftliche Aufsichts- und Koordinationsbefugnisse haben, insbesondere auch für die Sicherung einer ausreichenden Versorgung des Landes mit einwandfreiem Trink- und Gebrauchswasser. Um diese Lücke zu schliessen, wird eine Ergänzung der Bundesverfassung vorbereitet, mit dem Ziel, die Pflege sowie eine haushälterische Bewirtschaftung der Wasserschätze als unentbehrliches Gut für die Entwicklung der Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse des Landes zu gewährleisten und die Beschaffung der erforderlichen Grundlagen zu fördern.

1240 Bezüglich der Gewässerreinhaltung sind wir der Auffassung, dass die in der geltenden Rechtsordnung verankerte Konzeption nicht grundsätzlich geändert werden soll (Vollzug der vom Bund erlassenen Vorschriften durch die Kantone).

Um aber die planmässige und beschleunigte Durchführung des Gewässerschutzes zu verstärken, ist beabsichtigt, das Bundesgesetz vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung soweit einer Revision zu unterziehen, als sich in seiner mehr als zehnjährigen Anwendung Lücken und Mängel gezeigt haben.

Zusammenfassung Im Rahmen der sozialen Wohlfahrt geht es vor allem darum, dem Alter, als unserem grössten sozialen Problem, die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und die bereits spruchreifen Massnahmen zu verwirklichen. Die Vielgestaltigkeit unseres Landes erheischt sodann eine besondere Förderung des kulturellen Austausches zwischen den verschiedenen Sprachgebieten. Besonders dringlich ist jedoch die aktive Anhandnahme einer umfassenden Gesetzgebung über die Abwehr von gesundheitsbedrohenden Faktoren, die sich aus der technischen und industriellen Entwicklung ergeben.

IX.

Finanz- und Währungspolitik A. Finanzpolitik /. Mehrjährige Finanzplanung Den eidgenössischen Räten ist mit Botschaft vom 21. Februar 1968 ein Entwurf zu einem Bundesgesetz über den eidgenössischen Finanzhaushalt unterbreitet worden. Dieser sieht die Institutionalisierung der mehrjährigen Finanzplanung vor. Nach dem Gesetzesentwurf ist überdies eine Koordination der Finanzplanung des Bundes mit derjenigen der Kantone und Gemeinden anzustreben.

Dies entspricht angesichts der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des öffentlichen Finanzhaushaltes einer Notwendigkeit.

Die Finanzplanung hat in einer ersten Phase einen Überblick über die unter bestimmten Annahmen in den folgenden Jahren sich abzeichnenden Ausgaben und zu erwartenden Einnahmen zu vermitteln. Gestützt darauf ist je nach den finanz- und konjunkturpolitischen Erfordernissen zu zeigen, wie auf die Ausgabenentwicklung Einfluss genommen werden kann. Die Finanzplanung ermöglicht damit vor allem auch, die Finanzpolitik nach aufgabenmässigen Schwerpunkten und zeitlichen Dringlichkeiten festzulegen. Damit der Finanzplan als Hilfsmittel für die Führung taugt, ist er periodisch zu überprüfen und den veränderten Verhältnissen anzupassen (rollende Planung).

Da sich die vorstehenden Richtlinien der Regierungspolitik auf die laufende Legislaturperiode beschränken, liegen auch für eine finanzielle Planung von der Ausgabenseite her gültige Grundlagen nur bis 1971 vor. Der Umfang der Ausga-

1241 ben wird dagegen durch diese Richtlinien nicht abschliessend festgelegt. Für die Schätzung der Einnahmen stellt vor allem die bessere Kenntnis der Zusammenhänge zwischen der Entwicklung gewisser Fiskaleinnahmen und jener des Bruttosozialproduktes ein wertvolles Hilfsmittel dar. Die Ermittlung des mutmasslichen Zahlungsbedarfes stützt sich hauptsächlich auf die von den Departementen und Fachabteilungen erarbeiteten Unterlagen, die von der Finanzverwaltung überprüft und soweit möglich bereinigt wurden.

Trotz aller Bemühungen, die Grundlagen für die Schätzungsmethoden zu verbessern, sind die Schwierigkeiten, präzise Zahlen zu erhalten, noch gross, da die Einflussfaktoren mannigfaltig sind und teilweise im ausserökonomischen Bereich liegen. Bei Ausgaben und Einnahmen in der Grössenordnung von je etwa 6 bis 7 Milliarden bewirkt schon eine Abweichung von nur 2 Prozent auf beiden Seiten Differenzen im Rechnungsergebnis von 240 bis 300 Millionen Franken. Deshalb sind gegenüber den Planungszahlen im Rahmen eines angemessenen Streuungsbereiches gewisse Vorbehalte angezeigt.

Für die Jahre 1969,1970und 1971 ergeben sich folgende Zahlen : 1969 Finanzrechnung

- Ausgaben - Einnahmen - Ausgabenüberschuss Rechnung 'der Vermögensveränderungen - Ertragsüberschuss Gesamtrechnung - Reinaufwand

in

1970 1971 Millionen Franken

6783 6463

7704 7073

8058 7347

320

631

711

213

435

375

107

196

336

Die Komponenten dieser Globalzahlen sind im Finanzplan des Bundesrates enthalten. Dieser Finanzplan ist ein internes Leitinstrument der Finanzpolitik.

Die Details für 1970 werden wir mit dem nächstjährigen Voranschlag veröffentlichen, jene für 1971 spätestens mit dem Voranschlag 1970.

Der Anstieg der Ausgaben von 1969 bis 1971 ist vor allem auf höhere Aufwendungen für die militärische Landesverteidigung und für Wissenschaft, Forschung und Unterricht einbegriffen ETH und EPUL) zurückzuführen. Im Bereiche der Subventionen erfordern nicht zuletzt die Massnahmen zugunsten der Landwirtschaft bedeutend mehr Mittel, während im Gebiete der Sozialpolitik die Leistungen für die AHV (7. AHV-Revision), die IV und an die Krankenkassen erheblich zunehmen. Als Folge steigender Steuererträge wachsen auch die Kantonsanteile beträchtlich an.

Für die Entwicklung der Einnahmen sind die Fiskalabgaben ausschlaggebend. Zur Erhöhung tragen vor allem die Steuern bei. Die stärkste Zunahme weist die Wehrsteuer auf. Dagegen kann bei den Einfuhrzöllen wegen des Abbaues im Rahmen der EFTA und der Kennedy-Runde praktisch mit keiner weiteren Erhöhung gerechnet werden.

1242 2. Herstellung des Gleichgewichtes im Bundesfinanzhaushalt

Defizite in der aus der vorstehenden Tabelle ersichtlichen Grössenordnung sind bei der anhaltend guten, sich neuerdings belebenden Wirtschaftslage konjunktur- und finanzpolitisch nicht vertretbar. Der Bundesrat ist bestrebt, eine konjunkturgerechte, auch mit der Währungs- '"und Geldpolitik koordinierte Finanzpolitik zu betreiben. Eine gesunde Finanzpolitik hat ein gedeihliches Wachstum der Wirtschaft unter Ausschaltung inflationärer Tendenzen zu ermöglichen. Obwohl wir alles daran setzen, den Staatshaushalt wirtschaftlich und sparsam zu führen - wir erinnern an die laufenden Arbeiten der Expertenkommission zur Überprüfung der Bundesausgaben - wird es angesichts der in diesen Richtlinien erwähnten, für das Wachstum wichtigen Aufgaben nicht möglich sein, eine weitere Zunahme der Ausgaben zu verhindern. Solange Vollbeschäftigung herrscht und das Preisniveau immer noch steigende Tendenz aufweist, sollten aber die öffentlichen Gemeinwesen ihre Finanzrechnungen nicht defizitär abschliessen, sondern sich bemühen, diese wenigstens im Gleichgewicht zu halten. Reichen die Einnahmen zur Deckung der für eine harmonische Entwicklung des Landes notwendigen Ausgaben nicht mehr aus, müssen sie erhöht werden. Eine Erhöhung der Verschuldung zur Finanzierung airfälliger Ausgabenüberschüsse ist grundsätzlich abzulehnen. Sie würde Artikel 42bis der Bundesverfassung, der vorschreibt, dass der Fehlbetrag der Bilanz unter Berücksichtigung der Lage der Wirtschaft abzutragen ist, widersprechen. Die Befriedigung der ausgewiesenen Kapitalbedürfnisse von Kantonen und Gemeinden sowie der Privatwirtschaft würden sonst erschwert und das Zinsniveau hochgehalten.

Wir erachten deshalb die Beschaffung zusätzlicher Einnahmen als unerlässlich. Massnahmen in dieser Richtung drängen sich ohnehin als Ersatz für die Zollausfälle (EFTA, Kennedy-Runde) auf. Diese betrugen im Jahre 1967 nach neuesten Schätzungen etwa 185 Millionen Franken. Sie werden im laufenden Jahr als Folge der Kennedy-Runde 200 Millionen übersteigen.

Wir haben das Finanz- und Zolldepartement beauftragt, eine Vorlage auszuarbeiten, welche eine Anpassung der heutigen, auf Ende 1974 befristeten Finanzordnung an den gesteigerten Finanzbedarf durch Korrektur der Satze für die Warenumsatzsteuer und die Wehrsteuer bringt. Gleichzeitig ist beabsichtigt, die Teilstufen des
Wehrsteuertarifes zur Milderung der kalten Progression zu erstrecken, in Verbindung mit einer Weiterführung der Progression in der obersten Stufe bis zu einem neuen Maximalsatz. Im Verhältnis zwischen den Verbrauchsund direkten Steuern wird der Bund darauf Rücksicht zu nehmen haben, dass die direkten Steuern die hauptsächlichste Steuerquelle der Kantone und Gemeinden darstellen. Damitnichtinnerhalb weniger Jahre eine zweite Volksabstimmung durchgeführt werden muss, sollen gleichzeitig die zeitliche Befristung und die sachliche Beschränkung dieser Steuern aus der Bundesverfassung herausgenommen werden. Auf diesem Wege würde ein Ziel erreicht, das schon früher mehrmals angestrebt wurde. Zwei wichtige Einnahmequellen, die zusammen 40 Prozent der Fiskaleinnahmen erbringen, würden damit dem Bunde dauernd gesichert; überdies ergäbe sich die Möglichkeit, die Umsatzsteuer für den Ersatz der Zoll-

1243 ausfälle einzusetzen. Die Verfassungsbestimmung soll so formuliert werden, dass die heutigeWarenumsatzsteuer gegebenenfalls in eine Mehrwertsteuer umgestaltet werden könnte.

Bei einer Beschleunigung der Vorarbeiten sollte es möglich sein, im Jahre 1971 zusätzliche Einnahmen von 250 Millionen und ab 1972 von mindestens 400 Millionen zu beschaffen. Allerdings wären auch dann die voraussichtlichen Defizite der Finanzrechnung nicht v öllig ausgeglichen. Wir beabsichtigen, Ihnen die Vorlage im Laufe des Jahres 1969 zu unterbreiten. Die Kantone, die politischen Parteien und die Spitzenorganisationen der Wirtschaft werden wie üblich vorgängig Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Wir sind uns bewusst, dass die Probleme einer Bundesfinanzreform damit nicht ein für allemal gelöst sind. Einerseits bedarf es weiterhin fortgesetzter Sparanstrengungen, anderseits wird auch die «Expertenkommission Bundeseinnahmen» ihre Arbeiten weiterführen und namentlich zu prüfen haben, wie weitere Zielsetzungen, so zum Beispiel die Vereinfachung des Steuerwesens, eine bessere Verwirklichung der steuerlichen Gleichbehandlung und eine Neuordnung des Finanzausgleichs im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung realisiert werden können.

3. Finanzierung der Nationalstrassen, Gesamtüberprüfung Sofern die Voraussetzungen, die der heutigen Finanzierung zugrunde liegen (gleichbleibendes Netz, Einhalten der Kostenschätzungen, den Schätzungen entsprechende Einnahmenentwicklung), unverändert bleiben, scheint von dieser Seite aus betrachtet die Finanzierung gesichert. Die Verschlechterung der Finanzlage des Bundes sowie die im Unterabschnitt «Strassenbau und Strassenverkehr» erwähnten neuen Probleme, zu denen auch noch die Begehren um Netzerweiterungen und ganze oder teilweise Übernahme der Unterhalts- und Betriebskosten (einschliesslich Polizei) durch den Bund kommen, deuten jedoch eine mögliche Entwicklung an, bei der sich die Frage der Erschliessung zusätzlicher Einnahmen erneut stellen würde.

Die vom Finanz- und Zolldepartement eingesetzte Finanzierungskommission wird diesen Problemen ihre volle Aufmerksamkeit schenken müssen, wobei man sich auch über das künftige Vorgehen in der Frage der Gebührenerhebung schlüssig werden muss.

4. Überprüfung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs Der bundesstaatliche Finanzausgleich zielt darauf
ab, die Haushalte der finanzschwachem Kantone instand zu setzen, die öffentlichen Grundaufgaben zu erfüllen, ohne die Steuerzahler übermässig zu belasten. Ein völliger Ausgleich der Unterschiede lässt sich damit nicht erzielen. Leistungsfähigkeit und Steuerbelastung der einzelnen Kantone sind trotz wesentlichen Verbesserungen noch recht unterschiedlich. Im übrigen fehlen zuverlässige Angaben über ihren Entwicklungsstand und vor allem den Entwicklungsbedarf. Die notwendige Verbesserung des gegenwärtigen Finanzausgleichs ist auf den bisherigen Grundlagen kaum mehr möglich, weil die unterschiedlichen Steuer-, Bewertungs- und Rech-

1244 nungsgrundlagen der Kantone keine verfeinerte Messung der Finanzkraft zulassen. Deshalb müssen neue Lösungen gesucht werden, bei deren Studium auch das Problem der Verteilung der Aufgaben und der Einnahmen zwischen Bund und Kantonen untersucht werden muss. Diese Abklärungen dürften ziemlich zeitraubend sein.

B. Währungspolitik

1. Allgemeines Nach der Verfassung ist der Bund für die Ordnung des Geldwesens zuständig. Der Nationalbank ist im besondern die Aufgabe übertragen, den Geldumlauf des Landes zu regeln und eine dem Gesamtinteresse dienende Kredit- und Währungspolitik zu führen. Deren Ziel ist Stabilität der Währung und Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes bei ausreichendem Wachstum. Um das Ziel zu erreichen, soll das Geldvolumen, weiches neben den Münzen und Noten sowie den täglich fälligen Verbindlichkeiten der Nationalbank auch das von den Banken geschaffene Buchgeld umfasst, in einem angemessenen Verhältnis zum Angebot an Gütern und Dienstleistungen gehalten werden.

Eine Vergrösserung des Geldstromes im Vergleich zum Güterstrom begünstigt inflationäre Preiserhöhungen und gefährdet das wirtschaftliche und soziale Gleichgewicht.

Eine wirksame Regelung der Geld- und Kreditversorgung ist auch mit Rücksicht auf die enge Verbundenheit unserer Wirtschaft mit dem Ausland geboten.

Mit einer stabilen Währung kann unser Land seine Stellung im Aussenhandel und im internationalen Dienstleistungsverkehr stärken, was für die Erhaltung unseres Wohlstandes von entscheidender Bedeutung ist. Aus dem gleichen Grund ist die Schweiz aber auch an der Erhaltung eines leistungsfähigen internationalen Währungssystems interessiert. Sie hat in den vergangenen Jahren an zahlreichen Aktionen währungspolitischer Kooperation mitgewirkt. Mit der Nationalbank sind wir bereit, soweit dies in unseren Kräften steht, auch künftig einen Beitrag zur Überwindung kurzfristiger Zahlungsbilanzstörungen zu leisten. Hinsichtlich der in Gang befindlichen Bemühungen um eine Reform der internationalen Währungsordnung erachten wir die Herstellung eines bessern Gleichgewichtes im Zahlungsverkehr zwischen den wichtigsten Industrieländern als vordringlich und entscheidend.

Mit geldpolitischen Mitteln allein lässt sich die Konjunktur allerdings nicht steuern. Zur Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes und der Preisstabilität bedarf es auch eines koordinierten Einsatzes der staatlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik.

2. Ausbau des Instrumentariums der Schweizerischen Nationalbank (Revision des Nationalbankgesetzes) Unsere enge wirtschaftliche und finanzielle Verflechtung mit dem Ausland erschwert die Regelung der inländischen Geldmenge, die - seitdem die meisten

1245 Währungen konvertibel sind - oft durch Kapitalbewegungen über die Grenze stark beeinflusst wird. Dazu kommt, dass der Anteil des von den Banken geschaffenen Buchgeldes am gesamten Geldvolumen beträchtlich zugenommen hat. Für die Regelung des Buchgeldes reichen die der Notenbank auf Grund der geltenden Gesetzgebung zur Verfügung stehenden Mittel der Diskont- und Offenmarktpolitik nicht aus. Auch zur Neutralisierung von Geldzuflüssen aus dem Ausland verfügt sie über keine wirksamen Instrumente. Die Bedingungen, unter denen die Notenbank ihre Aufgaben lösen muss, haben sich seit der letzten Revision des Nationalbankgesetzes vor anderthalb Jahrzehnten stark verändert.

Ein Ausbau des notenbankpolitischen Instrumentariums ist deshalb unumgänglich. Wir werden den eidgenössischen Räten demnächst eine Botschaft betreffend die Revision des Nationalbankgesetzes unterbreiten. Durch die Erweiterung der gesetzlichen Kompetenzen der Nationalbank sollen Störungen im schweizerischen Geldwesen und in der gesamten Wirtschaft in Zukunft verhindert oder wirksamer als bisher gemildert werden. Vorgesehen ist ein Ausbau der Offenmarktpolitik. Ferner soll die Nationalbank ermächtigt werden, Mindestguthaben auf dem Zuwachs von Verbindlichkeiten der Banken einzuf ordern. Subsidiär wäre ihr die Befugnis einzuräumen, für begrenzte Dauer Zuwachsraten bei der gesamten Kreditgewährung der Banken festzulegen, wenn andere Mittel nicht ausreichen, um nachteiligen Auswirkungen einer übermässigen Geldvermehrung zu begegnen. Die Nationalbank soll schliesslich die Möglichkeit erhalten, in Zeiten einer starken Beanspruchung des Kapitalmarktes die Emissionstätigkeit zu überwachen.

3. Prüfung des Beitritts zu den Bretton Woods-Institutionen Der Mitgliedschaft der Schweiz bei der Weltbank stünden an sich keine Hindernisse im Wege. Voraussetzung ist aber die Mitgliedschaft beim Währungsfonds, wogegen gewisse Bedenken bestehen. In neuester Zeit sprach gegen einen Beitritt zum Währungsfonds vor allem der Umstand, dass die Nationalbank noch über kein angemessenes Instrumentarium verfügt, um allfälligen inflatorischen Auswirkungen bei der Schaffung von Schweizerfranken im Zusammenhang mit der Ausübung von Ziehungsrechten entgegenwirken zu können. Dazu kam seit 1963 die Ungewissheit über den Ausgang der Verhandlungen über eine Reform des
internationalen Währungssystems. Schliesslich würde der Beitritt zu den Bretton Woods-Institutionen eine weitere namhafte Belastung der Bundesfinanzen mit sich bringen.

Wir haben indessen anfangs dieses Jahres das Finanz- und Zolldepartement beauftragt, im Einvernehmen mit den interessierten Departementen und der Nationalbank die Frage eines Beitritts zu den Institutionen von Bretton Woods erneut zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage einer allfälligen Beteiligung der Schweiz an den Sonderziehungsrechten, die als Ergänzung der bestehenden Währungsreserven gedacht sind, zu untersuchen sein.

1246 Zusammenfassung Im Rahmen der Finanz- und Währungspolitik wird das Schwergewicht in der laufenden Legislaturperiode zweifellos bei der Vorlage über die Anpassung der heutigen Finanzordnung an den gesteigerten Finanzbedarf sowie bei der Schaffung eines wirksamen Notenbankinstrumentariums liegen.

X.

Schlussbetrachtungen Die vorstehenden Richtlinien für die Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1968-1971 geben einen Überblick über die Zielsetzungen unserer Politik, die wichtigsten Problemkreise, mit denen wir uns zu befassen haben werden, und soweit die Dinge schon genügend ausgereift sind - auch über die allgemeine Richtung der Anstrengungen und Massnahmen zur Lösung der einzelnen Aufgaben.

In den vorliegenden Schlussbetrachtungen soll nun darüber hinaus eine Gesamtgewichtung unserer Aktivitäten im Sinne der Bildung von Schwerpunkten (Prioritäten) vorgenommen werden. Für diese Gesamtgewichtung sind die drei grossen Zielsetzungen unserer Regierungspolitik, nämlich die Behauptung der Unabhängigkeit, der Schutz der persönlichen Freiheit und die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt massgebend.

Der gute Ruf unseres Landes, seine Stabilität und sein Wohlstand basieren zu einem nicht geringen Teil - was im Trubel der politischen und wirtschaftlichen Ereignisse immer wieder etwas in den Hintergrund tritt - auf der Tatsache, dass die Idee des Rechtsstaates eine der Grundlagen unseres Staatswesens und unserer Volksgemeinschaft ist. Eine unserer wichtigsten Aufgaben besteht in der Erhaltung und im Ausbau unseres Rechtsstaates, vor allem im Hinblick auf den Schutz der persönlichen Freiheit.

Eine harmonische Entwicklung unseres Landes erfordert sodann gleichrangig eine Finanzpolitik mit dem primären Ziel der Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Bundesfinanzhaushalt sowie eine Geld- und Währungspolitik, die sich auf ein wirksames Instrumentarium unserer Notenbank abstützen kann.

Parallel dazu ist eine Wirtschaftspolitik zu führen, die aussenwirtschaftlich auf die Erhaltung und Förderung eines möglichst freien internationalen Handels abzielt, was auch unser stets reges Interesse an der Verwirklichung eines grossen europäischen Marktes bedingt. Binnenwirtschaftlich gilt es, vor allem in den drei grossen Interventionsbereichen, Fremdarbeiterpolitik, Landwirtschaftspolitik und Wohnungsmarktpolitik, die Akzente so zu setzen, dass ehi harmonisches Wachstum im Sinne der Begünstigung des Produktivitätsfortschrittes ermöglicht wird. Bei der Fremdarbeiterpolitik haben wir uns als Nahziel die Verhinderung eines Wiederansteigens des Bestandes an ausländischen Arbeitskräften gesetzt.

Die geltende Regelung
soll sukzessive so gelockert werden, dass die Verteilung der Arbeitskräfte zuletzt ganz dem Markt überlassen werden kann. Da jedoch das Überfremdungsproblem vor allem einen staatspolitisch wichtigen Aspekt auf-

1247 weist, wird bei allen Schritten auf diesem Gebiet den staatspolitischen Erfordernissen besondere Beachtung zukommen müssen. In der Landwirtschaftspolitik sind unsere Bemühungen noch in verstärktem Masse auf die Verbesserung der Produktionsgrundlagen und der Agrarstruktur auszurichten, während auf dem Sektor von Produktion, Absatz und Einkommensbildung wieder vermehrt die Marktgesetze zum Spielen kommen sollen. Diese Umorientierung unserer Landwirtschaftspolitik, die übrigens schon seit dem 2. und 3. Landwirtschaftsbericht eingeleitet worden ist, stellt indessen lediglich einen ändern, wirklichkeitsnaheren Weg zur Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft und eines gesunden Bauernstandes dar. Im Bereiche der Wohnungsmarktpolitik soll eine neue Konzeption der Wohnbauförderung verwirklicht werden, die nicht mehr die Mietzinsverbilligung als Mittel zur Wohnbauförderung in den Vordergrund stellt, sondern die Schaffung preisgünstiger Voraussetzungen für den Wohnungsbau.

Nicht zuletzt auch von diesem Wachstumsziel aus gesehen, kommt unsern Anstrengungen auf dem Gebiete der Bildung und Forschung grossies Gewicht zu.

Dabei stehen die Formulierung einer nationalen Bildungs- und Forschungspolitik, der Ausbau der kantonalen Hochschulen sowie der ETH und die Übernahme der EPUL im Vordergrund. An die Adresse der Kantone richtet sich sodann unser dringender Appell, ihre ganz besondere Aufmerksamkeit dem Mittelschulproblem zu widmen.

Eine der grossen Aufgaben unserer Zeit ist Bund und Kantonen auf dem Gebiete des Bodenrechtes und der Landesplanung gestellt. Es ist zu hoffen, dass aus den Beratungen der eidgenössischen Räte eine den Erfordernissen der Zeit gerecht werdende verfassungsrechtliche Grundlage für das Bodenrecht und die Landesplanung hervorgeht, und dass diese in der Folge auch die Zustimmung von Volk und Ständen finden wird. Sobald einmal diese Voraussetzungen geschaffen sind, werden wir die Ausarbeitung der Ausführungsgesetzgebung nach Kräften fördern.

Angesichts der grossen Verkehrsprobleme, welche sich in der modernen Industriegesellschaft stellen, ist die Erarbeitung einer Gesamtkonzeption der schweizerischen Verkehrspolitik sachlich und zeitlich vordringlich geworden.

Daneben sind zahlreiche weitere verkehrspolitische Aufgaben von nationaler Bedeutung zu lösen.

Die technische und
industrielle Entwicklung erfordert sodann einen wirksamen Ausbau der Gesetzgebung zur Abwehr gesundheitsstörender Faktoren im Interesse der Gesundheit und des Wohlbefindens unseres Volkes. Im Rahmen des Ausbaues der sozialen Sicherheit ist dem Alter als dem grössten Problem unserer Zeit besondere Beachtung zu schenken.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass dieser Katalog von Aktivitäten, der nur die zentralen, sachlichen Prioritäten umfasst, zusammen mit allen ändern Aufgaben, die es zu lösen gilt, grosse Anforderungen steilen wird. Wollen wir diesen gerecht werden, so setzt dies in erster Linie ein waches Verständnis für die vielgestaltigen Bedürfnisse unserer Zeit voraus. Eine allseitige, sachliche und umfassende Aufklärung über die sich wandelnden Umweltbedingungen, insbesondere über

1248 den Einfluss von Wissenschaft, Technik und den durch die wachsende gegenseitige Durchdringung der Märkte bedingten wirtschaftlichen Strukturwandel, muss daher als vordringlich bezeichnet werden. Dabei gilt es auch die Folgen, die sich für unser Land ergeben, klar darzulegen. Die Bewältigung der uns allen gestellten Aufgaben erheischt sodann mehr denn je eine enge auf das Gemeinwohl ausgerichtete Zusammenarbeit aller Gruppen unseres Volkes. Nur solch vereinten Bemühungen wird es gelingen, dem einzelnen Bürger und den verschiedenen Gemeinschaften eine freie Entfaltungsmöglichkeit im Rahmen des Gemeinwohls zu sichern, allen Volksschichten einen angemessenen Anteil an der gemeinsamen Wohlfahrt zukommen zu lassen, die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten sowie den guten Ruf unseres Landes jenseits der Grenzen zu wahren und zu mehren, in einer Welt, mit der auch wir uns immer mehr verbunden fühlen müssen.

Wir ersuchen Sie, vom vorliegenden Bericht Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 15. Mai 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Spülüer Der Bundeskanzler: Huber

# S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates (Vom 17. Mai 1968)

Seine Exzellenz Herr Scheich Jawad Zikri hat dem Bundesrat sein Beglaubigungsschreiben als ausserordentlicher und bevollmächtigter Botschafter von Saudi-Arabien bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft überreicht.

Seine Exzellenz Herr Siddiq Mohamed Abdul Magid al Muntasser hat dem Bundesrat sein Beglaubigungsschreiben als ausserordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Königreiches Libyen bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft überreicht.

Seine Exzellenz Herr Ahmed Ould Jiddou hat dem Bundesrat sein Beglaubigungsschreiben als ausserordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Islamischen Republik Mauretanien bei der Schweizerischen Eidgenossenschaft überreicht.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Richtlinien für die Regierungspolitik in der Legislaturperiode 1968-1971 (Vom 15. Mai 1968)

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Jahr

1968

Année Anno Band

1

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22

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9914

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31.05.1968

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1204-1248

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