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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Hilfeleistung an die Türkei im Zusammenhang mit dem zweiten türkischen 5-Jahres-Plan (1968-1972) (Vom 28. August 1968)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Bereits in den Jahren 1958 und 1963 gelangte der Bundesrat im Sinne seiner Hilfspolitik gegenüber Entwicklungsländern an die Eidgenössischen Räte mit der Frage des finanziellen Beistandes der Mitgliedländer der OECE/OECD zugunsten der Türkei. 1963 handelte es sich darum, die finanzielle Unterstützung der Eidgenossenschaft während der 5 ersten Jahre (1963-1967) im Rahmen eines 15Jahres-Programmes, welches eine vollständige Umgestaltung der Struktur und eine beschleunigte Entwicklung der Wirtschaft bezweckt, festzulegen. Diese erste 5-jährige Periode ist nun abgelaufen.

Im Hinblick auf die erzielten Ergebnisse und die Notwendigkeit einer Weiterführung dieser Aktion hat das Konsortium für die Türkei1) (im folgenden Konsortium genannt) empfohlen, die Hilfe für die zweite 5-Jahres-Periode (1968-1972), wofür die türkischen Behörden einen neuen Entwicklungsplan (im folgenden 2. Plan genannt), wie für die erste Periode (l. Plan), aufgestellt haben, fortzuführen. Die internationalen Finanzinstitute, so der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Europäische Investitionsbank usw. sind ebenfalls für eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit. Wir haben somit die Ehre, Ihnen unsere Erwägungen sowie die neuen Vorschläge in dieser Angelegenheit zu unterbreiten.

Die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Hilfe an die Türkei vom 12. November 1963 enthält im besonderen eine detail*) Diese Organisation wurde im Jahre 1962 von der OECD gegründet mit dem Auftrag, die Zweckmässigkeit der türkischen Wirtschaftsmassnahmen zu überprüfen und die externe Finanzierung des 15-Jahres-Programms sicherzustellen.

Mitgliederländer: Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Kanada, Dänemark, USA, Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen, Niederlande, Grossbritannien, Schweden, Schweiz.

375 lierte Analyse der wesentlichen Gründe, welche zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieses Landes geführt haben sowie der Ziele und wichtigsten Massnahmenfür die Gesundung und Entwicklung gemäss dem 15-Jahres-Programm. Ferner werden darin die grossen Linien der Zusammenarbeit und der Hilfe der internationalen Institutionen und der Mitgliedländer des Konsortiums skizziert. Da somit der Rahmen bereits vorgezeichnet ist, erlauben wir uns, auf jene Botschaft hinzuweisen. Wir können uns daher darauf beschränken, hier vor allem auf die Ergebnisse des ersten Planes, die Konzeption des zweiten Planes und auf die Fortsetzung der Hilfe, welche die Schweiz zu gewähren beabsichtigt, näher einzutreten.

I. Entwicklung der türkischen Wirtschaft

1. Ergebnisse des 1. Planes (1963-1967) Die vorgesehenen Investitionen wurden zu 90 Prozent realisiert. Die staatlichen Wirtschaftsunternehmen (auf sie entfallen fast die Hälfte der industriellen Produktion) konnten ihre Lage trotz der unermüdlichen Reformversuche und der bedeutenden Investitionen kaum verbessern. Das Sekretariat des Konsortiums hat sich dazu wie folgt geäussert: «Den schwachen Punkt in der Finanzierung der öffentlichen Investitionen bildet die Lage der staatlichen Wirtschaftsunternehmen. Die Probleme, die sie aufwirft, sind komplex und können nur durch eine vollständige Umgestaltung der Struktur dieser Unternehmen, ihrer Beziehungen zur Regierung und ganz allgemein ihrer Geschäftsführung gelöst werden. » In der Landwirtschaft (ihr Anteil an der Ausfuhr beträgt 80 %) war trotz der besonders günstigen klimatischen Verhältnisse eine durchschnittliche jährliche Expansion von nur 3,3 Prozent, anstatt wie im Plane vorgesehen 4,6 Prozent, festzustellen.

Die Industrie (verarbeitende Industrie, Bergbau, Energiewirtschaft) erzielte ein ziemlich enttäuschendes Ergebnis, obwohl sich in den Jahren 1966 und 1967 eine deutlich erkennbare Aufholentwicklung abzuzeichnen begann. Dies dürfte auf die verspätete Inangriffnahme eines Teils der Projekte und auf die Langsamkeit bei der Vornahme von Kapitalinvestitionen in gewissen Sektoren zurückzuführen sein. Die Elektrizitätsproduktion hatte sich um 13 Prozent jährlich erhöht.

Diese Zunahme ist aber noch ungenügend. Dagegen scheint die Produktion im Bergbau das im Plane vorgesehene Niveau erreicht zu haben. Gesamthaft betrachtet, betrug die industrielle Produktion 8,9 Prozent pro Jahr anstatt der erhofften 12,3 Prozent.

Im Dienstleistungssektor wurde das gesteckte Ziel leicht überschritten. Die Zahl der Touristen stieg von 155000 im Jahre 1963 auf mehr als 415 000 im Jahre 1967. Dennoch war dem offiziellen Devisenmarkt als Folge des ungünstigen Wechselkurses der grösste Teil der Ausgaben der ausländischen Touristen entgangen. Die Fremdenverkehrsbilanz erlitt ein fühlbares Defizit. Dagegen hatte

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ein Faktor, welcher bei der Aufstellung des ersten Planes nicht vorgesehen war, die Gesamtzahlungsbilanz grundlegend beeinflusst. Es handelt sich um die Überweisung von Einkünften der türkischen Arbeiter im Ausland. Die Türkei hatte unter diesem Titel Einnahmen, die von einem noch minimen Betrag im Jahre 1963 auf 115 Millionen Dollars im Jahre 1966 anstiegen. Zufolge der wirtschaftlichen Abschwächung in Europa, vor allem in Deutschland, reduzierten sich im Jahre 1967 diese Einnahmen auf 92 Millionen Dollars. Diese Überweisungen sind zur wichtigsten Einnahmequelle im Dienstleistungsverkehr geworden.

Während der Periode des ersten Planes betrug das Zahlungsbilanzdefizit 755 Millionen Dollars gegenüber einem budgetierten von 1,246 Milliarden. Diese Verbesserung resultiert vor allem aus der Zunahme der Agrarausfuhr um 150 Millionen Dollars sowie aus den Invisibles-Überweisungen, namentlich der türkischen Arbeiter im Ausland, in der Höhe von 270 Millionen Dollars. Die NettoAusgaben des Tourismus bezifferten sich auf 65 Millionen Dollars gegenüber den erwarteten 22 Millionen Einnahmen.

Was den Kapitalverkehr anbelangt, so lässt sich eine um 84 Millionen Dollars höhere als erwartete Amortisation der Schuld feststellen. Die privaten ausländischen Investitionen hatten den vorgesehenen bescheidenen Betrag von jährlich 25 Millionen Dollars nicht erreicht. Die gesamte Auslandshilfe ergab 174 Millionen Dollars weniger als im Plan budgetiert worden war.

Aus den verschiedenen Operationen der türkischen Zahlungsbilanz resultiert eine Verminderung der Devisenreserven bis Ende 1967 um mindestens 45 Millionen Dollars. Dies entspricht einem türkischen Einfuhrvolumen für drei Wochen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Ziele des ersten 5-Jahres-Planes fast, wenn auch mitunter auf vom Plan abweichenden Wegen, erreicht worden sind. Das mittlere jährliche Wachstum von etwa 6,5 Prozent des Brutto-Sozialproduktes wird allgemein als ein befriedigendes Ergebnis betrachtet. Stellt man das jährliche demographische Wachstum von 2,6 Prozent in Rechnung, so ergibt sich ein Fortschritt \ on 3,9 Prozent. Den türkischen Behörden ist es gelungen, ihre Politik der beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung mit einer relativen Preisstabilität zu kombinieren. Jedoch könnte, nach Ansicht der Experten der OECD, «der Umstand,
dass sich die Türkei wirtschaftlich isoliert und die Konkurrenzkräfte ausschaltet, beunruhigend wirken. Seine Importe und Exporte bilden nur einen geringen Anteil am Brutto-Sozialprodukt und ein grosser Teil seiner industriellen Entwicklung ist im Rahmen eines strikte gehandhabten Protektionismus verwirklicht worden. Die preisliche Konkurrenzkraft der verarbeitenden Industrie existiert praktisch nicht und nichts deutet daraufhin, dass sich diese Situation verbessern wird Die türkische Entwicklungspolitik bleibt weiterhin äusserst autark. Dazu kommt, dass mangels des notwendigen Einsatzes, um die Einnahmen aus dem Ausland zu erhöhen, die Wirtschaf t auf Rückschläge im Exportgeschäft, im Sektor des unsichtbaren Handels und in der Auslandshilfe sehr empfindlich reagiert. »

Tabelle 1 -- Zahlungsbilanz in Millionen US-Dollar 1962

-601 Einfuhr (rif) , , ---, 381 Ausfuhr (fob) .. .

Handelsbilanz -220 8 Einnahmen des Tourismus - 18 Ausgaben des Tourismus Uberweisung von Ertragnissen - 1 - 29 Zinszahlungen Cberweisungen von Einkornmen tiirkischer Arbeiter im Ausland Einnahmen fur Infrastruktur1) 40 und aus Off-Shore-Käufen2) - 1 Anderc «invisibles» ..

- 1 Bilanz des unsichtbarcn Handcls . .

-221 Bilanz der laufendcn Zahlungen . . .

- 97 Tilgung der Schuld -318 Globales Defizit .

62 Privater Kapitalzufluss wovon : dircktc Investitionen . .

36 Einfuhren ohne 3 Dcvisenbeanspruchung ) 26 Offentlicher Kapitalzufluss . . . .

(notwendige externe Finanzierung) 178 71 USA-Hilfe nach P.L.4804) . . . .

Kapitalzufluss, total 311 Veranderungen der Netto-Goldund Devisenreserven, der kurzfristigen Import- und Exportkredite, - 7 Unterlassungen und Irrtumer . . . .

*) Ausgaben der NATO in der TCirkei.

2 ) Ausserhalb des tiirkischen Territoriurris durch aktionen finanzierte Kaufe (Marine).

l.PlanC1963-1967) Voranschlag Realisierungen Jahres- total Jahres- total durchdurchschnitt schnitt

Voranschlag Z.Plan (1968-1972) total

1968

1969

1970

-835

-241 28 - 24 - 21 - 20

-3203 2000 -1203 139 - 117 - 107 - 99

540 -295 45 - 45 - 23 - 49 140

-900 575 -325 55 - 50 - 27 - 51 150

-975 615 -360 77 - 55 - 31 - 55 160

51 - 23 - 9 -250 -113 -363 25 25

32 255 161 15 6 - 114 28 15 38 98 189 - 43 -1246 -151 - 755 -197 - 567 -130 - 651 -102 -1813 -201 -1406 -299 34 125 173 52 125 23 115 40

15 17 109 -216 -101 -317 57 43

10 60 10 10 12 19 22 98 25 20 125 151 652 131 169 -235 - 224 - 226 -219 -1098 - 93 - 94 - 78 - 94 - 468 -328 - 318 - 304 -313 -1566 63 316 69 75 63 47 51 236 55 47

-641 400

280 58 363

1398 290 1813

-640 451 -189 11 - 25 - 12 - 32 58

-3200 2256 - 944 56 - 121 - 62 - 160 287

1971

1972

-1040 -1115 665 720 - 375 - 395 110 135 - 60 - 65 - 35 - 40 - 61 - 66 165 170

Jahresdurchschnitt

-4865 3115 -350 -1750 422 84 - 55 - 275 - 31 - 156 - 56 - 282 785 157 -973 623

11

58

12

14

16

18

20

16

80

246 33 313

1224 165 1562

247

260

265

249

229

250

1250

299

317

328

318

304

313

1566

32

156 r ) Z.B. E nfuhr v on Kap italgiite m durc i auslai dische Tochtergesellschaften i D der Tiirkei, w
") Inloka ler Wahrung rii ;kzahlb
3

Kapita trans-

LLi

2 4 1 2 0 . J a h r g . B d . I I B u n d e s b l a t t n a

Quelle: OECD und turkische Verwaltung

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2. Plan (1968-1972) Der 2. Plan stützt sich ebenfalls auf die Richtlinien des im Jahre 1962 für die Dauer von 15 Jahren aufgestellten Programms. Nach den Erklärungen der türkischen Behörden bezweckt dieses Programm eine grundlegende strukturelle Umwandlung der Wirtschaft sowie ihre Entwicklung. Das soziale Niveau soll derart gehoben werden, damit das Land seine Entwicklung ohne ausländische Hilfe fortsetzen kann.

Wie beim ersten Plan bestehen auch beim 2. die Hauptziele darin, das Brutto-Sozialprodukt um 7 Prozent pro Jahr zu vergrössern sowie das Beschäftigungsniveau zwecks Eindämmung der Arbeitslosigkeit zu heben.

Nach dem 2. Plan soll der Anteil der Landwirtschaft am Brutto-Sozialprodukt herabgemindert, derjenige der Industrie (Bergbau und Energiewirtschaft eingeschlossen) jedoch erhöht werden. Das Schwergewicht soll auf die verarbeitende Industrie, vor allem auf die Aluminium-, Zement- und chemische Industrie gelegt werden. Dabei verfolgt man eher das Ziel, an Stelle der Exportförderung die Einfuhr durch nationale Produktionen zu ersetzen. In der Tat tendiert die türkische Politik darauf hin, durch Drosselung der Importe Devisen einzusparen, anstatt deren Zufluss durch vermehrte Exporte zu steigern.

Der Tourismus soll entsprechend dem 2. Plan einen spektakulären Aufschwung nehmen. Durch die kürzliche Einführung eines besonderen Wechselkurses hofft man, die Deviseneinnahmen aus diesem Sektor bis zum Jahre 1972 auf 135 Millionen Dollars steigern zu können. Was das Transportgewerbe (Strassenund Eisenbahnverkehr, Schiff- und Luftfahrt) anbelangt, so ist es im Hinblick auf die Komplexität dieses Problems schwierig, Schätzungen über die künftige Expansion und Vermehrung der Einnahmen anzustellen.

Die Entwicklungsanstrengungen sollen daher, abgesehen vom Tourismus, welcher in Zukunft eine wichtige Devisenquelle darstellen kann, besonders auf das Gebiet der Industrie, deren Wachstumsrate auf 12 Prozent gegenüber 7,6 Prozent für den Dienstleistungssektor und nur 4,1 Prozent für die Landwirtschaft veranschlagt wird, verlegt werden. Der 2. Plan sieht im weiteren eine verlangsamte Erhöhung der Überweisungen der türkischen Arbeiter im Ausland vor.

Allerdings wird das Ausmass dieses Devisenzuflusses von der künftigen Beschäftigungslage im Norden von Europa abhängen.

Der 2. Plan widmet sich schliesslich
auch den Vorhaben über die weitere Verbesserung der Geschäftsführung und der Ertragsverhältnisse der staatlichen Wirtschaftsunternehmen sowie der Verwaltung im allgemeinen. Ebenfalls Verbesserungen sind auf den wichtigen Gebieten des Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitswesens vorgesehen.

Nachdem die Fiskalreform noch nicht in dem Ausmasse durchgeführt werden konnte, wie dies im ersten Plan vorgesehen war, und die Steuererträge sowie die finanziellen Ergebnisse der staatlichen Wirtschaftsunternehmen unter den angestellten Prognosen lagen, soll dies im 2. Plan korrigiert werden. Die Experten der OECD glauben zwar, dass es schwierig sein wird, hier rasch und in ausreichendem Masse Verbesserungen vorzunehmen. Sollte dies nicht gelingen, müsste

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man entweder die öffentlichen Ausgaben einschränken oder zu dem ohne Zweifel gefährlichen Mittel der Geld- und Kreditschöpfung greifen.

Die erhoffte Erhöhung der Deviseneinnahmen ist sehr problematisch. Denn einerseits wird ein vermehrter Deviseneingang gerade bei den bis jetzt wenig fortgeschrittenen Sektoren (Tourismus, Ausfuhr von Textilien und Lederwaren z. B.)

sowie durch die von türkischen Arbeitern im Ausland transferierten Einkünfte, die aber dem türkischen Einfluss vollständig entzogen sind, erwartet. Anderseits dürfte der Schuldendienst mehr Mittel beanspruchen als vorgesehen. Nach Ansicht der Experten der OECD scheint es nicht ausgeschlossen, dass sich, trotz der optimistischen Angaben des 2. Planes, das Ungleichgewicht in der Devisenbilanz bei der gegenwärtigen türkischen Politik noch verschärfen könnte. Eine grundlegende Revision des 2. Planes dürfte sich, was die Bedürfnisse an ausländischer Hilfe x) oder die Einfuhrmöglichkeiten anbelangt, aufdrängen, falls die Erträge des Tourismus oder die Überweisungen türkischer Arbeiter im Ausland, oder beide zusammen, zu wenig Devisen einbringen sollten. Wenn der erste Plan vorsah, dass das Land ab 1970/1972 auf die ausserordentliche Auslandshilfe verzichten könne, so wird dies im 2. Plan erst ab 1975 vorgesehen. Selbst dieser Termin scheint den Experten noch als sehr optimistisch. Sie glauben, dass diese Hilfe sogar bis 1977 unvermeidlich sei und dies auch nur in der Annahme, dass der Satz der Wirtschaftsexpansion auf 7 Prozent gehalten werden könne.

Nach einer im Schosse des Konsortiums geäusserten Meinung bildet der 2. Plan einen geeigneten, jedoch reformbedürftigen Rahmen für die Fortsetzung der Anstrengungen zur Sanierung und Entwicklung der türkischen Wirtschaft.

Unter reformbedürftig soll vor allem verstanden werden, dass es wünschbar wäre, dass die türkischen Behörden entsprechend ihren abgegebenen grundsätzlichen Erklärungen auch tatsächlich bereit sind, dem Privatsektor seine Bedeutung anzuerkennen und die von ihm benötigte Unterstützung zu gewähren. Dasselbe sollte auch für die privaten ausländischen Investitionen gelten. Trotz dem Bestehen eines « Gesetzes zur Ermutigung des ausländischen Kapitals » haben die Behörden Investitionen oft gebremst oder verhindert. Dies besonders aus Gründen einer strikten Protektion zugunsten der
einheimischen Industrie oder des Handwerks. Das Investitionsvolumen ist daher im Rückgang begriffen, was bedauerlich ist, da gerade diese Form der Hilfe entscheidend ist für die Entwicklung der Industrie sowie für die Gewährleistung des unentbehrlichen «Export-drive».

Nach der in der OECD geäusserten Meinung ist es gerade der «Export-drive», der ungenügend ist. Die türkische Politik, die Importe zu ersetzen, ist teuer und illusorisch. Ein Land, welches seine Wirtschaft in einem beschleunigten Tempo umgestalten und entwickeln will, darf sich nicht isolieren und sich hinter übertriebenen protektionistischenBarrieren verschanzen. Zur Zeit sind bereits viele türkische Produkte nicht konkurrenzfähig, weil ihr Preisniveau zu hoch ist. Der 2. Plan lässt immerhin auf diesem Gebiet einen Hoffnungsschimmer zu. Aber es wäre l

) Eine Erhöhung dieser Hilfe dürfte gegenwärtig wenig wahrscheinlich sein, nachdem verschiedene Umstände gewisse Lander, vor allem die USA, veranlasst haben, ihren Beitrag zu reduzieren.

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sehr zu wünschen, dass die Türkei in Wirklichkeit eine offenere Wirtschaftspolitik betreibt.

Für die nächste Zukunft sollte dieses Land alles daran setzen, um die Deviseneinnahmen durch die Förderung des Exportes oder der Dienstleistungen in jenen Sektoren, in denen es tatsächlich konkurrenzfähig ist, d. h. vor allem in der Landwirtschaft (z. B. Baumwolle und Agrumen) sowie im Tourismus zu erhöhen.

Die Experten der OECD kommen zum Schluss, dass die Ziele des 2. Planes nicht zu ambitiös sind, wenn die türkische Regierung bereit ist, die geeigneten Massnahmen zu ergreifen und die notwendigen Mittel einzusetzen. Da diese Basis jedoch nicht ohne weiteres durch die Bestimmungen des 2. Planes als gesichert erscheint, hat die OECD den türkischen Behörden bereits bestimmte Empfehlungen zukommen lassen; sie wird im übrigen die weitere Entwicklung in der Türkei aufmerksam verfolgen.

II. Verschuldung der Türkei und deren Bedarf an externer Finanzierung

1. Verschuldung Ende 1967 hat die äussere Schuld in konvertibler Währung 1796 Millionen Dollars betragen. Dazu kommen noch Zinslasten in der Höhe von 581 Millionen Dollars, so dass sich die Verpflichtungen auf 2377 Millionen Dollars belaufen.

Zusammen mit der türkischen externen Schuld in türkischen Pfund im Werte von 610 Millionen Dollars (Kapital und Zins) machen somit die gesamten Verbindlichkeiten annähernd 3 Milliarden Dollars aus. In dieser Summe ist der Kredit von 200 Millionen Dollars, den die Türkei auf Grund des Abkommens mit der Sowjetunion erhalten soll, nicht inbegriffen. Die Last des Schuldendienstes wird in den Jahren 1968 bis 1970 (vgl. Tabelle 2) besonders schwer sein. Zieht man noch das Handelsbilanzdefizit (Tabelle 1) in Betracht, so gewinnt man eine Idee über das Ausmass des zu deckenden externen Defizits.

2. Externe Finanzierung In den Jahren 1963-1967 hat die externe Finanzierung die Summe von etwa 1,56 Milliarden Dollars erreicht (budgetiert waren 1,8 Milliarden). Das macht im Durchschnitt annähernd 312 Millionen Dollars pro Jahr (gemäss Budget 360 Millionen) aus. Die Finanzbedürfnisse scheinen für die zweite 5-jährige Periode mit den budgetierten 1,57 Milliarden Dollars (vgl. Tabelle 1) ungefähr die gleichen zu sein. Nach Abzug der privaten Investitionen und der Einfuhren ohne Devisenbeanspruchung dürfte das voraussehbare Defizit l ,25 Milliarden Dollars, d.h. im Mittel 250 Millionen pro Jahr, betragen, wovon etwa 40 Millionen jährlich im Prinzip auf das Konto der Sowjetunion gehen.

Diese Zahlen sind natürlich fragwürdig, da die vorgesehenen Einnahmen an Devisen zum Teil, wie wir gesehen haben, auf zum voraus schwer einzuschätzende Faktoren beruhen (Aufschwung der Ausfuhr von Textil- und Lederartikeln usw., Tourismus und von türkischen Arbeitern im Ausland stammende Einkünfte, die gegenwärtig im Rückgang sind). Aus diesem Grund ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die türkischen Behörden in den nächsten Jahren vor die Alter-

Quelle: OECD Tabelle 2 - Auswärtige Schuld der Türkei in konvertierbarer Währung1) am 31. Dezember 1967 und Verpflichtungen aus dem Schuldendienst für die Jahre 1968--1972 in Millionen US-Dollar Art der Gläubiger

Totalbetrag der laufenden Schulden am 3 I.Dezember 1967 Kapital

Zins

Total

Zweiter 5-Jahres-Plan

1968

1969

Kapi- Zins tal

Total Kapi- Zins tal

1970

1971

Total Kapi- Zins tal

Total Kapi- Zins tal

j

1

1972

Total Kapi- Zins tal

Total

I. Multilaterale Gläubiger2) 38 27 55 57 65 31 21 6 377 106 483 19 9 28 46 9 8 7 II. Bilaterale Gläubiger 60 26 86 1419 475 1894 68 28 96 67 31 98 62 29 91 52 27 79 wovon : a. Kreditabkom1 8 men 1958/59..

0 2 9 7 65 9 74 2 2 7 3 10 7 7 3 10 b. Konsolidierte Handelsschulden 0 6 102 5 107 35 3 38 2 35 28 1 29 6 33 c. Konsortialkredit3) 910 358 1268 17 48 6 16 22 8 16 24 10 17 40 31 16 26 23 d. Verschiedene 4 Gläubiger ) . .

342 103 445 26 10 28 8 23 22 8 30 9 35 18 17 15 9 26 TU. A. Total aller Gläubiger . . , 1796 581 2377 87 37 124 113 40 153 120 37 157 83 34 117 81 32 113 B. Total A-1WF 1744 581 2325 84 37 121 92 40 132 93 37 130 83 34 117 81 32 113 x ) Die externe Schuld in türkischen Pfund, Kapital und Zins zusammen, betrug am 31 .Dezember 1967 610 Millionen Dollars.

2 ) EWA, IWF, EZU, Weltbank, IDA, Internationale Finanz-Gesellschaft, Europäische Investitionsbank, Europäischer Fond für Wiederaufbau.

3 ) Gewährte Kredite, einschliesslich Refinanzierungskredite während des ersten 5-Jahres-Planes im Sinne einer Konsortialhilfe.

4 ) Schulden des öffentlichen Sektors gegenüber ändern als OECD-Ländern und gegenüber privaten Gläubigern ; Schulden des privaten Sektors.

Die Differenzen zwischen den obigen Totalzahlen und denjenigen der Tabelle l rühren zum Teil davon her, dass die ersten auf neuern Unterlagen basieren.

Zufolge Auf- oder Abrundung stimmt die Addition der verschiedenen Posten mit den Totalbeträgen nicht genau überein.

UJ

00

382 native gestellt sehen, entweder, wenn möglich, eine verstärkte Hilfe zu erhalten oder den Rhythmus der Entwicklung zu bremsen.

3. Die Finanzhilfe des Konsortiums Die Hilfe der Mitgliedländer des Konsortiums für die Realisierung des ersten Planes ist in den folgenden 3 Formen gewährt worden : Kredite zur Deckung eines Teils der kuranten türkischen Importe (Programmhilfe: 42 Prozent), Kredite für die Ausführung grosser Infrastruktur- und Industrialisierungsprojekte usw. (Projekthilfe : 46 Prozent) sowie Aufschub oder Refinanzierung von Fälligkeiten aus früheren Abkommen (12 Prozent).

Die Bedingungen dieser Kredite sind im Hinblick auf die grosse Last, welche der Schuldendienst verursacht, sehr geschmeidig, Im Durchschnitt sind die Kredite im Rahmen sowohl der Programm- als auch der Projekthilfe in 26 Jahren rückzahlbar, wobei in den ersten 7 Jahren keine Rückzahlung (Karenzzeit) zu erfolgen hat. Für die Erleichterung des Schuldendienstes lauten die entsprechenden Quelle: OECD Tabelle 3 - Gewährte Hilfe im Rahmen des Konsortiums 1963-1967 in Millionen US-Dollar; auf Grund der unterzeichneten Abkommen j ^rt der Leistungen Land oder Institution

I. Multilaterale Gläubiger EWA. .

Weltbank/IDA/IFC . . . .

Europaische Investitionsbank . .

Total II. Bilaterale Gläubiger USA Bundesrepublik Deutschland Grossbritannien Frankreich Italien Kanada Schweiz Niederlande Belgien Österreich Schweden Dänemark Norwegen Luxemburg Total Gesamttotal

Programmhilfe

8000

Projekthälfe

Erleichterungen im Schuldendienst 95,00

Total

175,00

126,84

126,84

105,32

105,32

8000

232,16

95,00

407,16

348,00

269,67

5,74

623,41

85 82 5420 2878 3340

33,00 8,40 36,48 18,00 22,66 1,49

112,56 26,06 13,56 9,00

231,38 88,66 78,82 60,40 22,66 9,95 9,26 8,28 5,37 5,03 2,03 1,67 0,10

6,95 9,26 5,70 490

2,58 0,47 5,03

2,03 1 47 0,10

580,61 660,61

1,51

394,73 626,89

_ 0,20

171,68 266,68

1147,02 1554,18

383 Zahlen auf 8 und 5 Jahre. Der mittlere Zinssatz beträgt 2,4 Prozent. Die Tabelle 3 vermittelt einen Überblick über die Konsortialbeiträge der Mitgliedländer und der internationalen Finanzorganisationen.

lu. Die wirtschaftlichen undfinanziellenBeziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei 1. Handeisverkehr und Investitionen Der Handelsverkehr entwickelt sich zufriedenstellend. Dessen ungeachtet bestehen Schwierigkeiten, die auf Restriktionen bzw. Einfuhrverbote zurückzuführen sind. Der Grund dieser Massnahmen liegt einmal im Bestreben, Devisen zu sparen (z. B. Erschwerung der Uhreneinfuhr), dann aber vor allem am Festhalten eines manchmal extremen Protektionismus zugunsten der einheimischen Industrie (z. B. Industrien, die Textilprodukte, gewisse pharmazeutische Produkte und Farbstoffe herstellen).

1963

in Millionen Franken 1964 1965 1966

1967

Schweizerische Einfuhr 37 40 42 40 48 Schweizerische Ausfuhr 41 42 55 65 71 An der Erhöhung der Einfuhr sind vermehrte Käufe von Rohbaumwolle sowie in schwächerem Ausmass Tabakbezüge beteiligt. Die Türkei, welche Mühe hat, ihre Produktion zu diversifizieren, liefert der Schweiz in erster Linie Rohbaumwolle, Haselnüsse und Rohtabak, dann folgen Feigen, Weinbeeren, frische Trauben und Bodenteppiche.

Die Ausfuhr hat sich noch stärker erhöht als die Einfuhr. An der gesamten türkischen Einfuhr partizipierte die Schweiz im Jahre 1963 mit 1,1 Prozent, im Jahre 1967 aber bereits mit 2,7 Prozent. In den letzten Jahren konnten schweizerische Maschinen, Instrumente und Apparate, die im Rahmen bedeutender türkischer Aufträge für Ausrüstungsgüter in die Türkei eingeführt wurden, beträchtliches Terrain gewinnen. Dagegen konnte die chemische und pharmazeutische Industrie, welche zum Teil dazu übergegangen ist, in der Türkei zu produzieren, ihre Position, vor allem wegen des türkischen Protektionismus, kaum verbessern.

Die Uhrenindustrie, die ebenfalls unter dem türkischen Einfuhrregime leidet, hatte immerhin dank türkischer Käufe auf besondern Wegen einige Fortschritte erzielt. Textilien mit Ausnahme einiger Rohstoffe sind zur Einfuhr in die Türkei nicht zugelassen.

Im grossen und ganzen darf erwartet werden, dass sich die schweizerische Ausfuhr nach der Türkei weiterhin progressiv entwickelt.

In der Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom ^.November 1963 betreffend die Hilfe an die Türkei wurde bereits auf die Bedeutung schweizerischer Investitionen in der Türkei sowie auf das mitunter schwierige Regime, dem sie unterworfen sind, hingewiesen. Trotz der Absichtserklärungen der türkischen Regierung in bezug auf die Förderung der Auslandsinvestitionen werden diese in der Regel einer restriktiven Behandlung unterstellt. Priorität sowie einen substantiellen Schutz gemessen die einheimischen Industrien, besonders diejenigen des chemischen und pharmazeutischen Sektors.

384

Obwohl die Konsortialhilfe zugunsten der Türkei grundsätzlich keine handelspolitischen Ziele verfolgt, ist es selbstverständlich, dass sie Anstrengungen seitens dieses Landes voraussetzt, um bestehende Hindernisse im Handelsverkehr und im Investitionssektor nach Möglichkeit zu beseitigen.

2. Stand der finanziellen Verpflichtungen der Türkei Die Türkei, als ein in rascher Entwicklung begriffenes und in ganz aussergewöhnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen stehendes Land, erfreut sich als Mitglied der OECD seit langem eines besondern Beistands von Seiten der meisten seiner Partner dieser Organisation, vor allem auch durch die Schweiz. Die gegenüber unserem Land eingegangenen Verpflichtungen bestehen namentlich aus folgenden Operationen: a. Bundeskredit vom Jahr 1958 in der Höhe von6559230 Franken.

b. Konsolidierungsabkommen vom Jahr 1959 für die Rückzahlung von Handelsschulden im Betrage von 16,4 Millionen Franken innerhalb von 12 Jahren.

c. Anteil der Schweiz an den vom Europäischen Fonds sukzessive gewährten Krediten (Europäisches Währungsabkommen), d. Konsortialhilfe für den l. Plan von 43 Millionen Franken und e. Exportrisikogarantie des Bundes.

Was die Gewährung der Exportrisikogarantie anbelangt, so verdient ein Geschäft besonders erwähnt zu werden. Es handelt sich um die Erweiterung des Elektrizitätswerkes von Anbarli bei Istanbul durch Angliederung von zwei Turboalternatorengruppen von je 150 MW. Die beschleunigte Realisierung dieses Projektes soll dazu beitragen, einen Engpass in der Energieproduktion, die die Türkei für die Fortsetzung ihrer Wirtschaftsentwicklung benötigt, zu vermeiden.

Die Schweiz war unter den Bewerbern, die sich für dieses Werk interessierten, gut plaziert, da nur sie in der Lage ist, den Auftrag innerhalb der festgesetzten Frist auszuführen. Dank dem Umstand, dass eine gleiche Anlage bereits in Vouvry errichtet worden war, und dass es sich bei Anbarli lediglich um eine Wiederholung handelt, waren die Ingenieur-Studien zum grössten Teil nicht notwendig. Dies verkürzt nicht nur die Lieferfrist, sondern bedeutet zudem einen beachtlichen Preisvorteil für die Türkei. Dieses Geschäft, dessen Kosten sich auf etwa 156 Millionen Franken belaufen, umfasst schweizerische Lieferungen und Dienstleistungen in der Höhe von etwa 148 Millionen Franken und erfordert einen Kredit
von 115,16 Millionen Franken, welcher von einer schweizerischen Bankengruppe gestützt auf die gewährte Exportrisikogarantie, deren Plafond auf 140 Millionen Franken festgesetzt wurde, zur Verfügung gestellt wird. Durch Notenaustausch vom 26. März 1968 zwischen der Schweizerischen Botschaft in Ankara und dem türkischen Finanzminister wurde vereinbart, dass dieses Geschäft in die Aktion des Konsortiums für die Durchführung des 2. Planes einbezogen wird.

Unter Einschluss des vorerwähnten, bereits in Durchführung begriffenen Geschäfts ergibt sich für den Bund per Ende 1967 das folgende Engagement ge-

385 genüber der Türkei, wobei die Zinslast von etwa 16 Millionen Franken darin nicht enthalten ist : Saldo

Bundeskredit 1958 Anteil der Schweiz an den durch das EWA gewährten Kredit Konsortialbeitrag I.Plan Exportrisikogarantie

1,2 Mio. Franken 4,9 Mio. Franken 43,0 Mio. Franken 143,3 Mio. Franken

3. Konsortialbeitrag der Schweiz im Rahmen des ersten Planes In Ausführung des Bundesbeschlusses vom 17. Februar 1964 betreffend die Gewährung von Finanzerleichterungen an die Türkei hat der Bundesrat die schweizerische Hilfe wie folgt gewährt : Art der Hilfe

T, · , ,,,-,, Projekthilfe

Betrag Millionen Franken

d (Geschenk) (5>5

nicht gebundener Kredit ..

4 Refinanzierung von Schulden 6,5 gebundene Kredite 26

Kreditdauer (Jahre)

wovon Zinssatz Karenzzeit (Jahre)

22

?

33/4%

12

6

4%

7 22

6 7

3% 3%%

Mit diesem Beitrag von total 43 Millionen Franken steht die Schweiz im 7. Rang unter den 14 Mitgliedländern des Konsortiums. Die vorerwähnte Projekthilfe ist für die Ausführung von Entwicklungsvorhaben in der Milchwirtschaft und im besondern für den Bau einer Fabrik für die Herstellung von Milchpulver in der Provinz Kars, im Osten der Türkei, sowie für die Errichtung einer Verkaufszentrale für Milchprodukte in Istanbul bestimmt. Die Verwirklichung dieses Projektes soll im nächsten Jahr beendet sein. Der nicht gebundene Kredit ist in dieser Form gewährt worden, um bereits zu Beginn unserer Hilfsaktion möglichst rasch einen Beitrag zur Entlastung der türkischen Zahlungsbilanz zu leisten. Daneben haben die Schulden-Refinanzierungskredite zum Ziel, die Bürde der Fälligkeiten, die aus dem Bundeskredit des Jahres 1958 und aus dem Konsplidierungsabkommen über kommerzielle Schulden vom Jahre 1959 resultieren, zu erleichtern. Die gebundenen Kredite haben der Türkei ermöglicht, verschiedenartige schweizerische Ausrüstungsgüter, welche die Devisenbilanz nur wenig belasten werden, zu erwerben. Der noch bestehende kleine Saldo aus diesen verschiedenen Krediten dürfte demnächst ausgenützt werden.

4. Fortsetzung der Konsortialhüfe der Schweiz während der Zeit des 2. Planes

Seit der im Jahre 1962 erfolgten Gründung des Konsortiums war man sich bewusst, dass man ein Werk der Solidarität und der Mithilfe gegenüber einem Mitgliedstaat der OECD für eine längere Zeitspanne begonnen hatte. Es war

386

nicht nur für die erste Zeit des türkischen, für die Dauer von 15 Jahren aufgestellten Entwicklungsprogramms bestimmt, sondern auch für eine weitere Periode, während welcher eine ausserordentliche Unterstützung als absolut notwendig betrachtet wird. Neben den eigenen Anstrengungen der Türkei ist diese konsortiale Unterstützung, um zu einem wirklichen Fortschritt beizutragen, von höchster Bedeutung. Die Weiterführung der schweizerischen Hilfe im Rahmen des Konsortiums ist nicht nur gerechtfertigt im Hinblick auf die gesteckten Ziele der Türkei, sondern auch mit Rücksicht auf die fortgesetzten gemeinsamen Anstrengungen aller Mitglieder des Konsortiums, welche darauf hinzielen, diesem Land die Möglichkeit zu bieten, seine Wirtschaft auf soliden Grundlagen zu entwikkeln.

Das Konsortium für die Türkei bleibt weiterhin eine Institution, die geeignet ist, nicht nur die auf bilateralem Wege gewährten Unterstützungen zu koordinieren, sondern diese auch mit den Leistungen der internationalen Finanzorganisationen zu harmonisieren. Es wird auch künftighin den Vorteil bieten, dass es regelmässige Kontakte mit der türkischen Regierung pflegt, um die Ausführung des 2. Planes und die rationelle Ausnützung der gewährten Hilfe bestmöglich zu gewährleisten.

Ihrerseits haben die schweizerischen Wirtschaftskreise ein Interesse daran, im Verkehr mit der Türkei so rasch wie möglich zu der herkömmlichen Art der Geschäftsabwicklung zurückzukehren, welche den Exporteuren ermöglicht, Lieferantenkredite zu normalen Marktbedingungen zu gewähren. Mit Recht betrachten diese Kreise die Konsortialhilfe als einen Notbehelf, der noch vorübergehend, jedoch in abnehmendem Ausmass, nebst den eigenen Anstrengungen der Türkei, notwendigist. Nachihrer Auffassung sollte die Konsortialhilfe die Türkei in die Lage versetzen, die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation bei gleichzeitiger vermehrter Heranziehung des Privatsektors und vor allem auch der ausländischen Investitionen zu beschleunigen, was aber nur in einer liberaleren Wirtschaftsatmosphäre möglich sein wird. Was die Schweiz anbelangt, so ist festzustellen, dass gewisse Anleger einstweilen davon absehen, in der Türkei zu investieren, weil das Regime trotz dem Bestehen eines Gesetzes zugunsten des ausländischen Kapitals zu restriktiv ist und in der Anwendung Schwierigkeiten
bereitet.

Diese Überlegungen der schweizerischen Wirtschaftskreise stimmen im wesentlichen mit denen vieler Mitglieder des Konsortiums überein.

A. Form der Hilfe Im Konsortium ist man immer mehr der Auffassung, dass es sich weniger darum handeln kann, das Defizit der türkischen Zahlungsbilanz regelmässig zu decken, als vielmehr die Entwicklung der Wirtschaft sicherzustellen. So wird man auch die Programmhilfe, welche zur Entlastung der Zahlungsbilanz bestimmt ist, zunehmend zugunsten der Projekthilfe kürzen. Im weitern ist man kaum noch geneigt, die Fälligkeiten aus Kreditabkommen oder frühern Konsolidierungsaktionen Jahr für Jahr zu refinanzieren oder zu stunden. Die Mehrheit der Konsortialmitglieder, darunter auch unser Land, erachten es im Prinzip als angezeigt,

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dass die Türkei von nun an ihre Schulden pünktlich bezahlt, und zwar aus ihren eigenen Mitteln, was nur dazu beitragen kann, ihren Kredit im Ausland zu verbessern.

Ganz allgemein kann die schweizerische Aktion umfassen: die Gewährung neuer Bundeskredite, die besonders für die Finanzierung von Projekten oder Lieferungen schweizerischer Ausrüstungsgüter sowie von Dienstleistungen der schweizerischen Ingenieur-Beratungsbüros bestimmt sind, die Fortsetzung der technischen Zusammenarbeit und die Gewährung der Exportrisikogarantie.

Letztere könnte, wenn nötig, zu Spezialbedingungen gewährt werden, um die langfristige Finanzierung von Ausrüstungsgütern in denjenigen Fällen, in denen besondere Umstände die Inanspruchnahme dieser Garantie sich rechtfertigt, zu ermöglichen. Diese Aufzählung ist nicht abschliessend und es ist nicht ausgeschlossen, dass noch andere Arten der Hilfe in Aussicht genommen werden müssen. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang, dass wir mit Zustimmung der eidgenössischen Räte die Zahlungsfrist für die Fälligkeiten pro 1968, herrührend aus dem Bundeskredit vom Jahre 1958, durch ein Abkommen vom 28. Juni dieses Jahres verlängert haben. Diese Verlängerung, die sich auch bei früheren Fälligkeiten aufdrängte, ist nunmehr die letzte für diesen Kredit.

B. Ausmass und Bedingungen der Hilfe

Die türkischen Behörden haben den Wunsch ausgedrückt, dass die Schweiz für den zweiten Plan eine Hilfe gewähren möchte, die derjenigen des ersten Planes gleichwertig, wenn möglich aber grösser wäre.

Allein die Bereitstellung des schweizerischen Bankenkredits für das Geschäft Anbarli, welche durch die Gewährung der Exportrisikogarantie ermöglicht wurde, bildet schon eine sehr grosse schweizerische Leistung. Sie muss deshalb als das wesentlichste Element des schweizerischen Beitrages im Rahmen des zweiten Planes betrachtet werden. Im Hinblick auf das Ausmass des genannten Kredites (in US-Dollar umgerechnet 26,7 Mio.) wird denn auch die Struktur unserer Konsortialhilfe grundlegend verändert; in ihrer Zusammensetzung lässt sie sich kaum mit derjenigen für den ersten Plan vergleichen.

Allerdings muss in Betracht gezogen werden, dass, obwohl der Kreditbetrag für das Geschäft Anbarli aussergewöhnlich hoch ist, die Rückzahlungs- und Zinsbedingungen nicht ganz so vorteilhaft sind wie diejenigen der ändern Mitgliedstaaten des Konsortiums. Diese Mitgliedstaaten sind darauf bedacht, dass die Bedingungen günstig sind, damit die wirtschaftliche Entwicklung der Türkei beschleunigt voranschreiten kann, jedoch ohne dass dabei eine allzu starke Belastung der Zahlungsbilanz eintritt. Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, dass der schweizerische Konsortialbeitrag durch die Gewährung anderer Krediterleichterungen verbessert, d.h. durch eine zusätzliche Hilfe zu Konsortialbedingungen ergänzt wird. Ihre Höhe muss jedoch in Berücksichtigung der bereits grossen Verpflichtung der Türkei gegenüber der Schweiz festgesetzt werden. Diese Verpflichtung ist in der Tat wegen des hohen Betrages des Anbarligeschäftes im Vergleich zur schweizerischen Hilfe an andere Entwicklungsländer sehr gross.

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Nach Ansicht der interessierten Verwaltungen und Wirtschaftsorganisationen könnte die erwähnte Ergänzungshilfe ungefähr 15 Millionen Franken betragen. Sollten ganz besondere Umstände, die nicht im Zusammenhang mit den üblich wiederkehrenden akuten Devisenschwierigkeiten stehen, es als zweckmässig erscheinen lassen, diese Limite zu überschreiten, so z.B. wenn die meisten Mitglieder des Konsortiums beschliessen würden, ausnahmsweise eine ausserordentliche Hilfe zu leisten, oder wenn schweizerische Interessen dies rechtfertigen würden, so könnte der schweizerische Ergänzungskredit bis zum Maximum von 25 Millionen Franken erhöht werden. Bei der Abwägung der Opportunität einer solchen Erhöhung wird man auch zu berücksichtigen haben, wie die türkischen Behörden den Empfehlungen des Konsortiums Rechnung tragen, vor allem aber in welchem Mass sie in der Praxis die Tätigkeit der in der Türkei nach türkischem Recht und mit ausländischem Kapital gegründeten Unternehmen sowie die privaten ausländischen Investitionen ermutigen.

Die schweizerische Hilfe im Rahmen des ersten Planes war besonders auf die Deckung des Zahlungsbilanzdefizits ausgerichtet, während die Unterstützung für die Periode 1968-1972 zum grössten Teil einen Beitrag zur Fortsetzung der industriellen Entwicklung darstellt. Durch diese Änderung der Struktur verliert unsere Hilfe ihren Wert jedoch keineswegs. Im Gegenteil, die schweizerischen Leistungen zugunsten des zweiten Planes dürfen sich, gesamthaft betrachtet, im Vergleich zu denjenigen für den ersten Plan durchaus sehen lassen.

Durch die Gewährung der Ergänzungshüfe im Rahmen des Konsortiums soll die Kompetenz des Bundesrates, die Exportrisikogarantie weiterhin zu erteilen, nicht eingeschränkt werden. Dies wäre umsoweniger gerechtfertigt, als die Banken- und Lieferantenkredite gerade diejenige Finanzierungsart darstellen, zu der man nach und nach zurückzukehren beabsichtigt. Der Bundesrat wird denn auch, wie bisher, ausserhalb der Konsortialhilfe in einem tragbaren Rahmen Garantien gewähren, soweit sich dies im Interesse der Aufrechterhaltung unserer Ausfuhr als notwendig erweist. Garantien für Exporte mit ausserordentlich langen, die Norm überschreitenden Zahlungsfristen sind jedoch soweit als möglich dem Plafond anzurechnen.

Anlässlich der bilateralen Verhandlungen, die mit der Türkei
zu führen sind, werden für uns bei der Festsetzung des schweizerischen Beitrages, ausser den bereits genannten noch die folgenden Kriterien massgebend sein : 1. Der Bundesrat wird grundsätzlich bei der Bemessung des schweizerischen Beitrages nicht über einen Betrag hinausgehen, der in der Grössenordming den Leistungen derjenigen Staaten entspricht, die mit unserem Land vergleichbar sind. Dieselbe Regel gilt für die Festsetzung der Kreditbedingungen.

2. Er wird unter Wahrung des Grundsatzes der degressiven Konsortialhilfe und der Rückkehr zu normalen kommerziellen Kreditbedingungen die Art, die Höhe und die Modalitäten des schweizerischen Beitrages festlegen, die erforderlich sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Dieses Ziel besteht darin, die Ausführung des zweiten Planes zu erleichtern und die Zahlungsbilanz der Türkei, welche während der nächsten Jahre noch unter einem besonders star-

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ken Schuldendruck zu leiden haben wird, zu entlasten. Die Dauer der Finanzierung, die Rückzahlungsbedingungen und die Höhe des Zinssatzes werden diesem Umstand Rechnung tragen müssen.

Die Gewährung der Exportrisikogarantie und die technische Zusammenarbeit bilden Aktionsmöglichkeiten, die in der Kompetenz des Bundesrates liegen und somit die Genehmigung durch die eidgenössischen Räte nicht erfordern.

Dagegen ist diese Genehmigung notwendig für die Hingabe neuer Kredite der Eidgenossenschaft, weshalb wir Ihnen diese Botschaft samt einem Entwurf zu einem Bundesbeschluss unterbreiten. Aus praktischen Gründen legen wir Ihnen diesen Vorschlag für die gesamte Dauer des zweiten Planes (5 Jahre) vor. Wir werden aber, wie in der Vergangenheit, die Hilfe grundsätzlich jährlich festlegen, was uns jedoch nicht hindern soll, sie in anderen Zeitabständen zur Verfügung zu stellen, sofern dies die Verhältnisse als wünschenswert erscheinen lassen.

Der Bundesrat wird Ihnen, wie bis anhin, gestützt auf die ihm entsprechend dem beiliegenden Bundesbeschlussesentwurf zu erteilende Ermächtigung über die getroffenen Massnahmen Bericht erstatten. Er wird dies jeweils tun in seinen Berichten an die Bundesversammlung betreffend die gemäss Bundesbeschluss vom 28. September 1956/28. September 1962 getroffenen wirtschaftlichen Massnahmen gegenüber dem Ausland sowie über andere handelspolitische Fragen.

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen schlagen wir Ihnen die Ann ahme des beiliegenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss vor.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 28. August 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Spühler Der Bundeskanzler : Huber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe an die Türkei im Zusammenhang mit dem zweiten 5-Jahres-Plan dieses Landes(1968-1972) Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. August 1968, beschliesst:

Art. l Der Bundesrat wird ermächtigt, die Gewährung von Krediten an die Türkei in dem durch die Beteiligung der Schweiz am Konsortium Türkei der OECD erforderlichen Rahmen fortzusetzen.

2 Diese Kredite sind grundsätzlich nach Massgabe des türkischen Fünf jahresplanes während des Zeitraumes von 1968-1972 in jährlichen Tranchen zu eröffnen. Sie betragen im Prinzip 15 Millionen Franken und dürfen im gesamten den Betrag von 25 Millionen Franken nicht überschreiten. Andere Leistungen der Schweiz an die Türkei, namentlich die ausserordentlichen Leistungen auf den Gebieten der Exportrisikogarantie und der technischen Zusammenarbeit, sind in der Regel in Anrechnung zu bringen.

3 Bei der Festsetzung der Höhe und der Bedingungen der Kredite trägt der Bundesrat der Beteiligung der der Schweiz vergleichbaren Mitgliedstaaten des Konsortiums, der übrigen der Türkei zur Verfügung gestellten Hilfe, dem Fortschritt der türkischen Entwicklungsanstrengungen und den schweizerischen Wirtschaftsinteressen in angemessener Weise Rechnung.

1

Art. 2 Die Ausgaben, die sich aus diesem Bundesbeschluss ergeben, sind jedes Jahr im Budget aufzuführen.

Art. 3 Dieser Beschluss ist nicht allgemeinverbindlich und tritt sofort in Kraft.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend eine Hilfeleistung an die Türkei im Zusammenhang mit dem zweiten türkischen 5-Jahres-Plan (1968-1972) (Vom 28.

August 1968)

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1968

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37

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13.09.1968

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