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9961 Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 51. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz # S T #

(Vom 29. Mai 1968)

Herr Präsident, Hochgeehrte Herren, Gemäss den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) erstatten wir Ihnen hiemit Bericht über die 5I.Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

I. Tagesordnung, Verhandlungen und Beschlüsse der Konferenz 1. Die Internationale Arbeitskonferenz hat ihre 5I.Tagung vom 7. bis 29. Juni 1967 im Palais des Nations in Genf abgehalten. Die Tagesordnung umfasste folgende Gegenstände : 1. Bericht des Generaldirektors; 2. Finanz-und Budgetfragen; 3. Mitteilungen und Berichte über die Anwendung der Übereinkommen und Empfehlungen; 4. Neufassung der Übereinkommen Nr. 35, 36, 37, 38, 39 und 40 über Alters-, Invaliditäts-und Hinterbliebenenrenten (2.Beratung); 5. Die Behandlung von Beschwerden und das Kommunikationswesen im Betrieb (2. Beratung); 6. Die höchstzulässige Traglast je Arbeitnehmer (allgemeine Diskussion) ; 7. Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Pächtern, Teilpächtern und ähnlichen Gruppen landwirtschaftlicher Arbeitskräfte (1.Beratung); 8. Die Internationale Arbeitsorganisation und die technische Zusammenarbeit (einschliesslich der Rolle der IAO bei der Industrialisierung der Entwicklungsländer).

2. Unser Land war, wie gewöhnlich, durch eine dreigliedrige Delegation vertreten, der die HH. Dr. Max Holzer, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, und Dr. Cristoforo Motta, Vizedirelctor des Buridesamtes für Sozialversicherung, als Regierungsdelegierte, sowie Dr. René Keller, Ständiger Vertreter der Schweiz bei den internationalen Organisationen in Genf, und

1368 Dr.Bernardo Zanetti, Vizedirektor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, als stellvertretende Regierungsdelegierte, ferner die HH. Rudolf Huber-Rübel, Präsident des Verwaltungsrates der Maschinenfabrik Oerlikon, als Arbeitgeberdelegierter und Jean Möri, Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, als Arbeitnehmerdelegierter, angehörten. Die Delegierten waren von einigen technischen Beratern begleitet.

Zum viertenmal hat die Konferenz Herrn Dr. Zanetti zum Präsidenten des Vollmachtenausschusses gewählt, welchem vor allem die wichtige Aufgabe zukommt, die Einwände gegen die Vollmachten der Delegierten und ihrer technischen Berater zu prüfen.

3. Seit der 50. Tagung wurden drei neue Staaten - Nepal, Lesotho und Barbados - als Mitglieder in die IAO aufgenommen. Diese zählt gegenwärtig 119 Mitglieder, wovon 109 an der 51.Tagung vertreten waren.

Im Gegensatz zum Vorjahr bereitete die Wahl des Konferenzpräsidenten keine Schwierigkeiten. Es lag nur die Kandidatur von Herrn Tesemma, Minister für soziale Angelegenheiten von Aethiopien, vor, der einstimmig gewählt wurde.

4. Das erste Traktandum (Bericht des Generaldirektors) wie auch die beiden folgenden (Finanz- und Budgetfragen und Anwendung der Übereinkommen und Empfehlungen) stehen jedes Jahr auf der Tagesordnung.

Der Teil I des Berichtes des Generaldirektors des Internationalen Arbeitsamtes ist regelmässig einer Studie von allgemeinem Interesse für die IAO gewidmet. Dieses Jahr wurde das Thema: «Die nichtmanuellen Arbeitnehmer: Probleme und Zukunftsaussichten» behandelt.

Dieses Traktandum gab zu einer sehr einlässlichen Debatte Anlass, wobei auch Fragen der allgemeinen Politik aufgeworfen wurden. Die Konferenz konnte aber nach einigen bewegten Auseinandersetzungen in Ruhe und Ordnung abgeschlossen werden.

Im II. Teil seines Berichtes gibt der Generaldirektor, wie üblich, einen Überblick über die Tätigkeit der IAO im Jahre 1966. Ein Zusatzbericht zu diesem II. Teil enthält den vierten Bericht der Arbeitsgruppe des Verwaltungsrates des Internationalen Arbeitsamtes über Programm und Ausbau der IAO. Dieser Zusatzbericht fand lebhaftes Interesse, und zahlreiche Redner äusserten sich zu den Fragen einer Überprüfung und Änderung des Programmes und der Struktur der Organisation.

5. Der Voranschlag der IAO für 1968 (Punkt 2 der
Tagesordnung), der von der Konferenz angenommen wurde, beläuft sich auf 24836091 Dollar (22472398 Dollar für 1967). Auf die Schweiz entfällt eine Beitragsleistung von 1,24 Prozent, was 307967 Dollar (278 658 Dollar für 1967) entspricht. .

Die Frage der Beitragsverteilung unter den Mitgliedstaaten wird gegenwärtig vom Verwaltungsrat der IAO überprüft und wurde auch während der Konferenz wiederholt zur Sprache gebracht. Es geht vor allem darum abzuklären, ob es möglich ist, den Verteilungsschlüssel der Vereinten Nationen anzuwenden, wie das in einer von der Generalversammlung dieser Organisation angenom-

1369 menen Resolution vorgeschlagen wurde. Gegen diese Anpassung wehren sich aber jene Staaten, die dadurch benachteiligt würden, so insbesondere die USA, deren Anteil sich von 25 Prozent auf 31,91 Prozent erhöhen würde. Vorläufig begnügte man sich mit vereinzelten Revisionen des Verteilungsschlüssels, welche eine allmähliche Annäherung der beiden Schlüssel herbeizuführen suchen.

So wurden für das Jahr 1968 für einzelne Staaten leichte Erhöhungen oder Herabsetzungen der Beiträge beschlossen. Die Herabsetzungen kamen den finanzschwachen Mitgliedstaaten zugute, deren minimaler Anteil von 0,12 auf 0,11 Prozent gesenkt wurde.

6. Zu Punkt 3 der Tagesordnung betreffend Anwendung der Übereinkommen und Empfehlungen ist für das Berichtsjahr nichts zu bemerken.

7. Zu den Sachfragen der Tagesordnung - Punkt 4 bis 8 - fasste die Konferenz die Beschlüsse, über welche in den nachstehenden Ziffern 8 bis 12 berichtet wird.

8. Nach der zweiten Beratung - die erste fand 1966 statt - nahm die Konferenz ein Übereinkommen und eine Empfehlung betreffend Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene an (Punkt 4 der Tagesordnung). Die Texte dieser Instrumente, auf die wir noch im Abschnitt II zurückkommen werden, sind in der Beilage wiedergegeben.

9. Die Debatte über Punkt 5 der Tagesordnung führte in der zweiten Beratung zur Annahme von zwei Empfehlungen, die eine über die Kommunikationen im Betrieb und die andere über die Behandlung von Beschwerden im Betrieb. Wir werden auch auf diese Texte, die ebenfalls in der Beilage wiedergegeben sind, im Abschnitt III zurückkommen.

10. In bezug auf Punkt 6 der Tagesordnung hat die Konferenz ein Übereinkommen und eine Empfehlung über die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer angenommen. Die Texte dieser Instrumente sind in der Beilage wiedergegeben, auf die wir im Abschnitt IV noch näher eintreten werden.

11. Zu Punkt 7 der Tagesordnung wurde eine erste Beratung abgehalten.

Die zweite Beratung, welche im Jahre 1968 stattfinden wird, soll zur Annahme einer Empfehlung über die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Pächtern, Teilpächtern und ähnlichen Gruppen landwirtschaftlicher Arbeitnehmer führen. Wir werden in unserem Bericht über die 52. Tagung (l 968) auf diese Empfehlung zurückkommen.

12. Was Punkt 8 der Tagesordnung anbelangt,
hat die Konferenz einstimmig eine Entschliessung und Schlussfolgerungen betreffend «Die IAO und die technische Zusammenarbeit» sowie Schlussfolgerungen über «Der Beitrag der IAO zur Industrialisierung der Entwicklungsländer» angenommen. Wie wir bereits in unserem Bericht über die 50. Tagung der Konferenz ausführten (BB1 1967 I 491/92), wurden diese Tätigkeiten im Laufe der letzten Jahre besonders intensiviert und ausgebaut im Hinblick auf die zunehmende Zahl von Entwicklungsländern, die Mitglieder der Organisation geworden sind. Es ergab sich daraus ein tiefgreifender Wandel in der Zusammensetzung der IAO, in ihren

1370 hauptsächlichsten Tätigkeiten und in der Struktur der Dienststellen des Internationalen Arbeitsamtes. Diese Tatsache erklärt die Bedeutung, welche die Konferenz den Fragen der technischen Zusammenarbeit und der Industrialisierung der Entwicklungsländer beimisst, und das Interesse, das in bezug auf die Arbeiten der Konferenz auf diesem Gebiet angebracht ist, auch wenn diese Arbeiten sich nicht in einem Übereinkommen oder einer Empfehlung konkretisiert haben. Im Abschnitt V werden hierüber einige Darlegungen folgen.

13. Schliesslich hat die Konferenz sieben Entschliessungen über Gegenstände, welche nicht auf der Tagesordnung figurierten, angenommen. Eine dieser Entschliessungen bezieht sich auf die zu treffenden Vorkehren für die Feierlichkeiten anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der IAO im Jahre 1969. Die Schweiz wird sich als Gastland an diesen Feierlichkeiten in gebührender Weise beteiligen. Von den übrigen Entschliessungen beziehen sich die vier wichtigsten auf die Arbeitsmedizin und die Berufskrankheiten, auf die internationale Zusammenarbeit für wirtschaftliche und soziale Entwicklung, den Einfluss der raschen Bevölkerungszunahme auf die Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten und das Wohlergehen der Arbeitnehmer sowie auf die Tätigkeit der IAO für die Wanderarbeiter.

II. Übereinkommen (Nr. 128) und Empfehlung (Nr. 131) über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene 1. Inhalt der Urkunden

Der Sachverständigenausschuss für Soziale Sicherheit der Internationalen Arbeitsorganisation stellte anlässlich seiner Tagung im Jahre 1959 fest, dass die Vorkriegsübereinkommen über die Soziale Sicherheit in ihrer Gesamtheit nicht mehr der Entwicklung zahlreicher Systeme der Sozialen Sicherheit entsprechen und deshalb dem heutigen Stand und den gewandelten Auffassungen angepasst werden sollten. Die Revision der entsprechenden Instrumente wurde in der Folge mit der Annahme des Übereinkommens (Nr. 121) über Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten durch die Internationale Arbeitskonferenz im Jahre 1964 in die Wege geleitet (vgl. unseren Bericht über die 48. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, BB11965 I 678).

Als nächster Schritt wurde die Neufassung der sechs Übereinkommen (Nr. 35 bis 40) aus dem Jahre 1933 über die Rentenversicherung an die Hand genommen. Je zwei dieser Urkunden, die in der langen Zeit ihres Bestehens lediglich sechs bis elf Ratifikationen zu erreichen vermochten (die Schweiz ist ihnen nicht beigetreten), befassen sich mit der Altersversicherung, mit der Invalidenversicherung und mit der Hinterlassenenversicherung und zwar getrennt für die Arbeitnehmer im Gewerbe usw. einerseits und in der Landwirtschaft andererseits. Ihre Neugestaltung erforderte indessen auch eine Berücksichtigung des Übereinkommens über Soziale Sicherheit (Mindestnormen) Nr. 102 aus dem Jahre 1952. Mit der Neufassung der erwähnten sechs Übereinkommen sollte im übrigen dem allgemein zum Ausdruck gebrachten Verlangen nach elastischeren

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Nonnen entsprochen werden, die in vermehrtem Masse der Vielgestaltigkeit der bestehenden Lösungen in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen und ungeachtet erhöhter Anforderungen die Ratifikationsmöglichkeiten verbessern.

Die früheren sechs Konventionen sind nun in ein einziges neues Übereinkommen zusammengefasst worden, das durch eine Empfehlung ergänzt wird.

Das neue Instrument wurde von der Internationalen Arbeitskonferenz mit 240 gegen 5 Stimmen, bei 59 Enthaltungen, angenommen; die Empfehlung vermochte nur 192 annehmende gegen 45 ablehnende Stimmen (bei 54 Enthaltungen) auf sich zu vereinigen.

Die neue Konvention ist in acht Teile gegliedert. Dîr erste Teil enthält Dsfinitionen (Art. 1) und umschreibt die Ratifikationsmäglichkeiten. Danach kann jeder Mitgliedstaat anstelle einer Gesamtratifikation ein schrittweises Vorgehen wählen und die aus der Ratifikation erwachsenden Verpflichtungen vorerst nur für einen oder für zwei der drei Zweige Invalidität, Alter und Hinterlassen^ übernehmen (Art. 2), mit der Möglichkeit jederzeitiger Ausdehnung auf die restlichen Zweige (Art. 3). Für Mitgliedstaaten, deren wirtschaftliche Entwicklung noch ungenügend ist, werden in Artikel 4 gewisse Ratifikations-Erleichterungen eingeräumt, die namentlich den Kreis der zu schützenden Personen betreffen ; der Bestimmung liegt die Auffassung zugrunde, dass die betreffenden Staaten in der Folge die Wirksamkeit ihrer Sozialen Sicherheit auszubauen hätten. Als Erleichterung der Ratifikation ist auch Artikel 6 gedacht, der nicht ohne Opposition aus der Konvention Nr. 102 übernommen worden ist und der gestattet, unter bestimmten Voraussetzungen für die Erfüllung der Ratifikationsbedingungen auch den nach innerstaatlichem Recht durch eine nicht obligatorische Versicherung gewährten sozialen Schutz mitzuberücksichtigen. Eine weitere Bestimmung bezweckt, die Ratifikationsmöglichkeiten des neuen Instruments zu erweitern; als Kompromiss zwischen zwei in den Beratungen immer wieder vertretenen gegensätzlichen Meinungen und gleichsam als Brücke zwischen den alten, nach Gewerbe und Landwirtschaft getrennten Konventionen Nr.;35 bis 40 und dem neuen Übereinkommen wurde in Teil VII (Art. 38) den Mitgliedstaaten, deren Gesetzgebung die Arbeitnehmer mit Ausnahme jener des landwirtschaftlichen Sektors schützt, gestattet, die Arbeitnehmer
der landwirtschaftlichen Berufe durch Abgabe einer Erklärung vorübergehend vom Geltungsbereich des Übereinkommens auszuschliessen. Es soll damit den zur Zeit vorwiegend ländwirtschaftlich orientierten Mitgliedern, die nur für die Arbeitnehmer in Gewerbe und Industrie, nicht aber für diejenigen in der Landwirtschaft, einen entsprechend .entwickelten sozialen Schutz eingeführt haben, die Ratifikation ermöglicht werden.

Die Teile II (Invalidität), III (Alter) und IV (Hinterlassene) enthalten die Bestimmungen über den Kreis der geschützten Personen sowie die Umschreibung der gedeckten Fälle. Entsprechend der mit dem neuen Instrument verfolgten Zielsetzung ist der Kreis der geschützten Personen gegenüber dem Übereinkommen Nr. 102 ganz beträchtlich erweitert worden. Es müssen nunmehr für den Fall der Invalidität oder des Alters geschützt sein entweder a) alle Arbeit-

1372 nehmer einschliesslich der Lehrlinge, oder b) vorgeschriebene Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung, die insgesamt mindestens 75 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung bilden, oder c) alle Einwohner oder doch jene Einwohner, deren Mittel bestimmte, gesunden und angemessenen Lebensbedingungen entsprechende Einkommensgrenzen nicht erreichen (Art. 28). Für den Fall des Todes hat sich der Schutz auf die Hinterlassenen der vorstehend bezeichneten Personen zu erstrecken. Dem bereits erwähnten Bestreben nach grösserer Elastizität tragen verschiedene Bestimmungen in Teil VII Rechnung, wonach es in beschränktem Umfang und unter Auferlegung gewisser Bedingungen möglich ist, von den genannten Umschreibungen des geschützten Personenkreises abzuweichen, beispielsweise durch den Ausschluss der Seeleute oder der öffentlichen Bediensteten, sofern diese durch Sondersysteme geschützt sind (Art. 39), oder durch eine abweichende Bezeichnung der Empfänger von Hinterlassenenleistungen (Art. 41 ). Zulässig sind ferner Ausnahmen in bezug auf Personen, die gelegentliche Arbeiten ausführen, in bezug auf mitarbeitende Familienangehörige von Arbeitgebern und hinsichtlich anderer Arbeitnehmergruppen, wenn sie zusammen zehn Prozent aller Arbeitnehmer nicht übersteigen (Art. 37).

Als Invalidität gilt ein im nationalen Recht umschriebener Grad der Unfähigkeit zur Ausübung irgendeiner Erwerbstätigkeit, sofern diese Unfähigkeit voraussichtlich dauernd ist oder nach einer bestimmten Zeitspanne weiterbesteht (Art. 8). In der Altersversicherung sollen die Leistungen nicht später als im Alter von 65 Jahren erfolgen, doch kann unter Berücksichtigung demographischer, wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten, die zu belegen sind, auch ein höheres Alter anerkannt werden. Liegt die Altersgrenze bei 65 Jahren oder höher, so ist sie für Personen herabzusetzen, die in Berufen beschäftigt werden, welche nach innerstaatlichem Rentenrecht als anstrengend oder gesundheitsschädlich gelten (Art. 15). Die Leistungen an Hinterlassene sollen den Verlust der Unterhaltsmittel decken, den die Witwe oder die Kinder infolge des Todes des Ernährers erleiden. Bei Witwen kann der Leistungsanspruch von einem Mindestalter abhängig gemacht werden, sofern die Witwe weder invalid ist noch für ein Kind zu sorgen hat. Bei der kinderlosen Witwe darf
auch eine Mindestdauer der Ehe vorgesehen sein (Art. 21).

Die Leistungsgewährung darf in allen drei Zweigen von einer Wartezeit, die in einer Mindestbeitrags-, -beschäftigungs- oder -wohnsitzzeit bestehen kann, abhängig sein; die Bestimmungen enthalten für jeden der drei Zweige - im Interesse möglichst elastischer Ratifikationsbedingungeri - mehrere Varianten in bezug auf die Wartezeit. Sie darf für den Fall der Invalidität oder der Hinterlassenen höchstens 15 Beitrags- oder Beschäftigungsjahre bzw. zehn Jahre Wohnsitz, für den Fall des Alters höchstens 30 Beitrags- oder Beschäftigungsjahre bzw. 20 Jahre Wohnsitz betragen (Art. 11,18 und 24). Diese Wartezeiten sind in der Regel von der geschützten Person oder deren Ernährer zu erfüllen; für Leistungen an Witwen auf Grund einer Wohnsitzzeit kann deren Erfüllung durch die Witwe verlangt werden.

In allen drei Zweigen sind die Leistungen in Form wiederkehrender Zahlungen während der ganzen Dauer des Falles zu gewähren, d.h. solange z.B.

1373 Witwenschaft (Art.25) oder Invalidität (Art. 12) besteht; bei der Invalidität wird die Ablösung durch eine Leistung auf Grund des Alters ausdrücklich vorgesehen, bei der Leistung an Witwen soll gestützt auf Artikel 40 gemäss der in den Beratungen gegebenen Auslegung Gleiches gelten. Die Ratifikation des Zweiges Invalidität setzt im übrigen das Bestehen von Einrichtungen zur beruflichen Wiedereingliederung und zur Vermittlung einer geeigneten Beschäftigung voraus (Art. 13).

Hinsichtlich des Ausmasses der Leistungen stellt das Übereinkommen hohe Anforderungen und geht, wie schon bezüglich des Kreises der geschützten Personen, über den Rahmen des Übereinkommens Nr. 102 hinaus. Teil V, der von der Berechnung der regelmässig wiederkehrenden Zahlungen handelt, enthält sehr detaillierte Bestimmungen - die in allen wesentlichen Teilen wörtlich mit den entsprechenden Vorschriften des Übereinkommens Nr. 102 übereinstimmen - über die1 verschiedenen, wahlweise anwendbaren Prüfungsmethoden zur Feststellung, ob die Anforderungen des Instruments erfüllt werden. Ausgegangen wird dabei von einem Typus des Leistungsempfängers (Mann mit Ehefrau und zwei Kindern bzw. Witwe mit zwei Kindern) und seinem Lohn einschliesslich Familienzulagen, wobei zwei Varianten in Betracht gezogen werden können: der Lohn des gelernten männlichen Arbeitnehmers, der seinerseits wahlweise auf vier verschiedene Arten bestimmt werden kann (Art. 26), sowie der Lohn des erwachsenen männlichen ungelernten Arbeitnehmers, der auf zwei Arten bestimmt werden kann (Art. 27). Mit diesen Vergleichsgrössen werden, nach einem einlässlich geregelten Verfahren, die wiederkehrenden Zahlungen eines Leistungssystems in Beziehung gesetzt, woraus sich Prozentverhältnisse ergeben, die die entsprechenden Ansätze des Übereinkommens erreichen müssen. Diese Ansätze sind gegenüber jenen der Konvention Nr. 102, wie erwähnt, nochmals heraufgesetzt worden, und zwar für die Fälle des Alters und der Hinterlassenen von 40 auf 45, für den Fall der Invalidität sogar von 40 auf 50 Prozent. Auf die Skizzierung einer dritten Prüfungsmethode, welche auf Leistungssysteme mit einer Bedarfsklausel zugeschnitten ist (Art. 28), sei hier verzichtet. Vorgeschrieben wird im übrigen ausserdem die Überprüfung der Leistungen bei erheblichen Änderungen in der allgemeinen Verdiensthöhe
oder in den Lebenshaltungskosten ; über das Ergebnis dieser Prüfungen und über die in der Folge getroffenen Massnahmen ist dem Internationalen Arbeitsamt Bericht zu ei statten (Art. 29).

Teil VI des Übereinkommens befasst sich einerseits mit den zulässigen Einschränkungeii der Leistungsgewährung, beispielsweise der Kürzung oder dem Ruhen des Anspruches bei Erwerbstätigkeit (Art. 31), bei Auslandsaufenthalt des Berechtigten oder bei betrügerischer oder grobfahrlässiger Herbeiführung des gedeckten Falles (Art. 32), bei Zusammentreffen mehrerer Leistungen (Art. 33) usw., anderseits mit den Anforderungen hinsichtlich Organisation und Rechtspflege (Art. 34 bis 36).

Von einzelnen Bestimmungen des Teils VII war bereits die Rede im Zusammenhang mit der angestrebten Elastizität des neuen Übereinkommens. Je nach der über die Mindestanforderungen hinausgehenden Qualität des gebotenen

1374 Schutzes eines Leistungssystems sind gewisse Abweichungen von den besprochenen Regehi zulässig (Art. 41 und 42). Ferner wird hier das Verhältnis des neuen Übereinkommens zu den eingangs erwähnten früheren Konventionen geregelt: dieses gilt als Neufassung der sechs Übereinkommen aus dem Jahre 1933, mit der Folge, dass die Ratifikation des neuen Übereinkommens für einen, zwei oder alle drei Zweige allfällige Ratifikationen der entsprechenden früheren Instrumente durch den gleichen Mitgliedstaat hinfällig werden lässt. Ähnlich ist die Wirkung der Ratifikation hinsichtlich der Mindestnormen-Konvention Nr. 102 : Es wird in Artikel 45 festgestellt, dass unter Berücksichtigung von Artikel 75 der Konvention Nr. 102, deren Ratifikation in bezug auf die Teile V, IX und X ihre Wirksamkeit für den Mitgliedstaat verliert, der die entsprechenden (höhere Anforderungen stellenden) Teile des neuen Übereinkommens ratifiziert.

Teil VIII enthält die Schlussbestimmungen. Das neue Übereinkommen tritt zwölf Monate nach Eintragung der zweiten Ratifikation in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an können keine Ratifikationen der Übereinkommen Nr. 3 5 bis 40 mehr erfolgen. Die Ratifikation des neuen Übereinkommens bindet den Mitgliedstaat für zehn Jahre. Wird das Instrument nach Ablauf dieser Frist nicht innerhalb von zwölf Monaten gekündigt, so verpflichtet es den Mitgliedstaat für einen weiteren Zeitraum von gleicher Dauer.

Die gleichzeitig mit dem Übereinkommen beschlossene Empfehlung enthält 25 Postulate hinsichtlich der weiteren Verbesserung der Leistungen bei Invalidität und Alter sowie an Hinterlassene; sie ist als Wegweiser für die künftige Entwicklung der Systeme, die den Anforderungen des Übereinkommens bereits genügen, gedacht.

2. Stellungnahme zum Übereinkommen

Das Übereinkommen stellt inbezug auf die Zweige Invalidität, Alter und Hinterlassene eine in ihren Anforderungen über die Mindestnormen der Konvention Nr. 102 noch hinausgehende Neufassung der veralteten Urkunden Nr. 35 bis 40 dar, eine Neufassung, die anderseits jedoch hinsichtlich der Ratifikationsmöglichkeiten im Vergleich zu der oben genannten Konvention als beweglicheres, anpassungsfähigeres Instrument gelten kann. Nachdem es der Schweiz seinerzeit nicht möglich war, das Übereinkommen Nr. 102 inbezug auf die damals in Frage kommenden Zweige Alter und Hinterlassene zu ratifizieren (vgl. den einlässlichen Bericht über die 35. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, vom 18. Dezember 1953, deren Schlussfolgerungen in einem späteren Bericht an das Internationale Arbeitsamt über den Stand der Ratifikationsmöglichkeit, vom 13.Februar 1961, bestätigt werden musste) dürfte auch die Ratifizierung der neuen Urkunde, wie eine erste, allerdings nicht abschliessende Prüfung ergeben hat, heute kaum möglich sein; den elastischeren Ratifikationsbedingungen, über deren Auslegung bei der Anwendung auf das schweizerische System zur Zeit noch Abklärungen mit dem Internationalen Arbeitsamt im Gange sind, stehen wie erwähnt höhere Normen gegenüber. Zwar sind auf den l. Januar 1967 die Renten der AHV und IV um 10 Prozent heraufgesetzt worden, doch darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass in der Zwi-

1375 schenzeit auch die in beiden Konventionen (Nr. 102 und 128) gleicherweise als Bezugsgrössen bezeichneten Durchschnittslöhne in der Schweiz etwa im gleichen Ausmass angestiegen sind, so dass das Verhältnis «Renten : Löhne», das letztlich bei jeder Ratifikationsvariante mehr oder weniger massgebend ist, sich kaum verbessert hat.

Eine Änderung der Sachlage dürfte dagegen die in Vorbereitung befindliche 7. Revision des AHV-Gesetzes, die eine weitere Anhebung der Renten um durchschnittlich 25 Prozent bringen soll, bewirken. Es ist in hohem Masse wahrscheinlich, dass die künftigen Rentenleistungen unserer Versicherung wenigstens im Bereiche eines der drei Versicherungszweige, der Invalidität, eine Ratifikation der Konvention Nr. 128 durch die Schweiz erlauben werden. Im Hinblick darauf, dass die Gesetzesnovelle bereits auf den I.Januar 1969 in Kraft treten soll, erachten wir es als angezeigt, von einer einlässlichen Prüfung der Ratifikationsmöglichkeit des Übereinkommens Nr. 128 durch die Schweiz auf Grund der gegenwärtig geltenden Rentenansätze abzusehen und mit den erforderlichen umfangreichen statistischen und rechnerischen Arbeiten bis zu Beginn des nächsten Jahres zuzuwarten, d.h. bis zum Zeitpunkt, in dem die neuen Leistungsansätze der AHV und IV feststehen werden. Gleichzeitig wird dann auch die Frage einer Ratifikation der Mindestnormen des Übereinkommens Nr. 102 einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen sein.

IQ. Empfehlung (Nr. 129) betreifend Kommunikationen zwischen Betriebsleitung und Belegschaft und Empfehlung (Nr. 130) betreffend die Behandlung von Beschwerden im Betrieb mit dem Ziel ihrer Beilegung 1. Inhalt der Empfehlungen

a. Empfehlung Nr. 129 Die Empfehlung geht vom Grundgedanken aus, dass die Arbeitgeber und ihre Verbände sowie die Arbeitnehmer und ihre Verbände in ihrem gemeinsamen Interesse die Bedeutung anerkennen sollten, die einem Klima des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens im Betrieb zukommt, das sowohl der Leistungsfähigkeit des Betriebs als auch den Bestrebungen der Arbeitnehmer förderlich ist (Abs. 2, Ziff. 1). Dieses Klima sollte durch Verbreitung von Informationen über das Betriebsgeschehen gefördert werden (Abs. 2, Ziff. 2). Das setzt voraus, dass die Betriebsleitung eine wirksame Kommünikationspolitik anwendet (Abs. 2, Ziff. 3). Diese Politik sollte vor allem dafür Gewähr leisten, dass Informationen verbreitet werden und Beratungen zwischen den beteiligten Parteien stattfinden, bevor die Betriebsleitung wichtige Entscheide trifft (Abs. 3).

Die Kommunikationsverfahren sollten in keiner Weise die Vereinigungsfreiheit beeinträchtigen; sie sollten den Vertretern der Arbeitnehmer oder ihren Verbänden keine Nachteile verursachen (Abs. 4).

1376 Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sollten miteinander prüfen, welche Massnahmen zur Förderung der Kommunikationspolitik zu treffen sind (Abs. 5).

Es sollten auch Massnahmen getroffen werden, um die Beteiligten in der Anwendung der Kommunikationsverfahren auszubilden (Abs. 6). Jedes innerbetriebliche Kommunikationssystem sollte regelmässige Kommunikationen in beiden Richtungen vorsehen, einerseits zwischen den Vertretern der Betriebsleitung und der Belegschaft und andererseits zwischen dem Betriebsleiter oder seinem Stellvertreter und den Gewerkschaftsvertretern oder anderen" Personen, die mit der Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb betraut sind (Abs. 9). Nach der Aufzählung der in Betracht fallenden Kommunikationsmittel (Zusammenkünfte, Mitteilungsblätter, Werkzeitungen usw., Abs. 13) werden in Absatz 15, Ziffer 2, die Angelegenheiten aufgeführt, über die die Betriebsleitung Auskunft erteilen sollte. Darunter figurieren die allgemeinen Beschäftigungsbedingungen, die Beschreibung der verschiedenen Arbeitsplätze und der damit verbundenen Aufgaben, die Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb, die Anweisungen für die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten, das Verfahren für die Behandlung von Beschwerden, die betrieblichen Sozialeinrichtungen und die betrieblichen Systeme der Sozialen Sicherheit und Sozialfürsorge.

b. Empfehlung Nr. 130 Nach Darlegung der Art und Weise der Durchführung (Gesetzgebung, Gesamtarbeitsverträge, betriebliche Regelungen und andere geeignete Möglichkeiten, Abs. 1) sieht die Empfehlung vor, dass jeder Arbeitnehmer, der glaubt, Grund zu einer Beschwerde zu haben, das Recht haben sollte, diese Beschwerde vorzubringen, ohne dass ihm daraus Nachteile irgendwelcher Art entstehen, und nach einem geeigneten Verfahren behandeln zu lassen (Abs. 2). Wenn ein Verfahren zur Behandlung von Beschwerden durch einen Gesamtarbeitsvertrag eingeführt wird, so sollte den Parteien eines solchen Vertrages nahegelegt werden, in diesen eine Bestimmung aufzunehmen, wonach sie sich während der Geltungsdauer des Vertrages um die Beilegung von Beschwerden im Rahmen der vorgesehenen Verfahren bemühen und sich jeder Handlung enthalten werden, die die wirksame Anwendung dieser Verfahren behindern könnte (Abs. 5).

Um die Zahl der Beschwerden zu verringern,
soll einer gesunden Personalpolitik grösste Beachtung geschenkt werden (Abs. 7). Soweit wie möglich sollten die Beschwerden innerhalb des Betriebs selbst im Rahmen wirksamer Verfahren beigelegt werden, die den Beteiligten jede Gewähr für Sachlichkeit geben (Abs. 8).

In der Regel sollte zuerst versucht werden, Beschwerden unmittelbar zwischen dem Arbeitnehmer und seinem unmittelbaren Vorgesetzten beizulegen.

Wenn ein solcher Beilegungsversuch scheitert, so sollte der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, seine Beschwerde auf einer oder mehreren höheren Stufen vorzubringen (Abs. 10). Der Arbeitnehmer sollte zudem das Recht haben, sich

1377 während der Behandlung seiner Beschwerde von einem Vertreter eines Arbeitnehmerverbandes, einem Vertreter der Arbeitnehmer im Betrieb oder einer anderen Person seiner eigenen Wahl unterstützen oder vertreten zu lassen, wobei der Arbeitgeber ebenfalls das Recht haben sollte, sich von einem Arbeitgeberverband unterstützen oder vertreten zu lassen (Abs. 13).

Ferner wird festgelegt (Abs. 14), dass der beteiligte Arbeitnehmer oder sein Vertreter, sofern dieser in demselben Betrieb beschäftigt ist, über genügend Zeit sollte verfügen können, um an dem Verfahren zur Behandlung der Beschwerde teilnehmen zu können. Er sollte dabei keinen Verdienstausfall erleiden, wenn er infolge einer solchen Beteiligung der Arbeit fernbleibt.

Wenn alle Bemühungen, eine Beschwerde innerhalb des Betriebs beizulegen, gescheitert sind, so sollte die Möglichkeit bestehen, sie durch ein oder mehrere Verfahren endgültig beizulegen; als solche Verfahren kommen in Betracht : durch Gesamtarbeitsvertrag vorgesehene Verfahren, Einigungs- oder Schiedsverfahren der zuständigen Behörden, Anrufung eines Arbeitsgerichts oder eines ordentlichen Gerichts oder ein anderes geeignetes Verfahren (Abs. 17).

Die letzte Bestimmung der Empfehlung (Abs. 18) sieht vor, dass die Inanspruchnahme eines der erwähnten Verfahren für die Arbeitnehmer keinen Verdienstausfall zur Folge haben sollte, wenn sich seine Beschwerde im Laufe des Verfahrens als gerechtfertigt erweist. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um diese Verfahren während der arbeitsfreien Zeit der beteiligten Arbeitnehmer abzuwickeln.

2. Stellungnahme der Schweiz

a. Empfehlung Nr. 129 Die Empfehlung betrifft die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, deren Regelung soweit tunlich den Beteiligten selbst überlassen werden soll. Ihr Grundgedanke, dass eine geeignete Kommunikationspolitik zwischen der Betriebsleitung und dem Personal zu einem guten Arbeitsklima beiträgt und die Leistungsfähigkeit des Betriebs fördert, ist als selbstverständlich zu betrachten. Er ist in unserem Lande von den Arbeitgebern und natürlich auch von den Arbeitnehmern weitgehend anerkannt. Es sei zum Beispiel auf den zunehmenden Ausbau des betrieblichen Informationswesens durch periodische Mitteilungen der Betriebsleitungen oder durch eigentliche Werkzeitungen hingewiesen, welche die Mitarbeiter in anschaulicher Weise über die in der Empfehlung genannten Punkte orientieren.

Nachdem dieser Grundgedanke unbestritten ist, kann die Empfehlung, deren Bestimmungen genügend elastisch formuliert sind, als ein nützlicher Leitfaden für die Praxis betrachtet werden. Wie bereits erwähnt, ist die praktische Anwendung weitgehend den Sozialpartnern zu überlassen. Dennoch hat der schweizerische Gesetzgeber im neuen Arbeitsgesetz vorgesehen, dass in bezug auf gewisse Punkte des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung der Arbeitnehmer erforderlich ist; diese Zustimmung kann als eine Art Kommunikation betrachtet werden. Zu erwähnen sind hier die Artikel 17, Absatz l, und 19, Absatz l des Bundesblatt. 120. Jahrg. Bd.I.

87

1378 Arbeitsgesetzes, welche es dem Arbeitgeber nur mit dem Einverständnis der Arbeitnehmer erlauben, sie zu vorübergehender Nacht- oder Sonntagsarbeit heranzuziehen. Ferner hat der Arbeitgeber bei verschiedenen Fällen von Abweichungen von der ordentlichen Arbeitszeit, die er von sich aus treffen darf, die Arbeitnehmer anzuhören.

Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass unser Land keine weitem Massnahmen zu treffen braucht, um die Empfehlung zur Anwendung zu bringen, da deren Grundsätze bereits weitgehend verwirklicht sind, sei es freiwillig, sei es in bezug auf gewisse Fragen im Arbeitsgesetz.

b. Empfehlung Nr. 130 Zunächst ist festzuhalten, dass diese Empfehlung vor allem die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zum .Gegenstand hat. Ihre Anwendung hängt wesentlich ab von den Vereinbarungen zwischen den Arbeitnehmerorganisationen und den Arbeitgebern oder ihren Organisationen. Daraus ergibt sich, dass der Empfehlung hauptsächlich auf dem Wege von Gesamtarbeitsverträgen Rechnung getragen werden kann. In der Schweiz, wo der Gesämtarbeitsvertrag eine sehr wichtige Rolle spielt, wird die Durchführung der Empfehlung vor allem auf solchen Verträgen beruhen, ohne dass deshalb die anderen vorgesehenen Mittel und Wege, besonders innerbetriebliche Regelungen, ausgeschlossen sind.

Es darf gesagt werden, dass die Bestimmungen der Empfehlung in unserem Lande schon weitgehend Anwendung finden, und das vor allem dank den Bemühungen der Beteiligten selbst, sei es auf beruflicher oder auf betrieblicher Ebene.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen möchten wir auf einige Bestimmungen besonders eingehen.

Zunächst ist vor allem Absatz 14 hervorzuheben, wonach es dem Arbeitnehmer oder seinem allfälligen Vertreter möglich sein soll, während der Arbeitszeit an dem innerbetrieblichen Verfahren zur Behandlung der Beschwerde teilzunehmen, ohne einen Verdienstausfall zu erleiden. Ferner sollte gemäss Absatz 18 die Inanspruchnahme der ausserhalb des Betriebs durchgeführten Verfahren für den Arbeitnehmer keinen Verdienstausfall zur Folge haben, wenn sich seine Beschwerde im Laufe des Verfahrens als gerechtfertigt erweist. Diese beiden Bestimmungen wurden von der Konferenz nach lebhaften Kontroversen angenommen, und es ist vorauszusehen, dass die Arbeitgeber, die davon betroffen werden, hinsichtlich ihrer Anwendung
Zurückhaltung üben werden.

Was unser Land anbetrifft, interessieren besonders Absatz 5, 17 und 18 auch die zuständigen Behörden.

Wie schon erwähnt wurde, sollten sich die Parteien gemäss Absatz 5 jeder Handlung enthalten, welche die Anwendung der durch Gesamtarbeitsverträge eingeführten Beschwerdeverfahren behindern könnte. In der Schweiz ist diese Verpflichtung nicht dem Willen der Vertragsparteien überlassen, sondern gesetzlich festgelegt, ist doch gemäss Artikel 323Ws, Absatz 2 des Obligationen-

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rechts jede Partei verpflichtet, den Arbeitsfrieden zu wahren und sich insbesondere in bezug auf die im Vertrag geregelten Gegenstände jeder Kampfmassnahme zu enthalten.

Absatz 17 sieht vor, dass die Möglichkeit bestehen soll, Beschwerden ausserhalb des Betriebs durch Einigungs- und Schiedsverfahren der zuständigen Behörden beizulegen, des weitern durch Anrufung eines Arbeitsgerichts oder der ordentlichen Gerichte. Diese Bestimmung ist in unserem Land bereits verwirklicht. Schliesslich wird in Absatz 18 empfohlen, dass sich diese Verfahren nach Möglichkeit während der arbeitsfreien Zeit der beteiligten Arbeitnehmer abwickeln sollen. Zweifellos wird die Anwendung dieser Bestimmung in der Schweiz wie anderswo erheblichen praktischen Schwierigkeiten begegnen.

Im ganzen kann gesagt Werden, dass - abgesehen von den erwähnten Vorbehalten ,- die Grundsätze der Empfehlung in unserem Lande schon weitgehend anerkannt sind.

IV. Übereinkommen (Nr. 127) und Empfehlung (Nr. 128) über die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer 1. Inhalt des Übereinkommens und der Empfehlung

a. Übereinkommen Nr. 127 Dieses Übereinkommen gilt gemäss Artikel 2 für die regelmässige Beförderung von Traglasten, und das in allen Wirtschaftszweigen, für die das betreffende Land ein System der Arbeitsaufsicht unterhält. Gemäss Artikel l ist unter dem Ausdruck «regelmässige Beförderung von Traglasten» jede Tätigkeit zu verstehen, die dauernd oder hauptsächlich der Beförderung von Traglasten gewidmet ist oder in der Regel, wenn auch mit Unterbrechungen, die Beförderung von Traglasten einschliesst.

Die Artikel 5 und 8 sehen vor, dass die Mitgliedstaaten, die das Übereinkommen ratifizieren, auf gesetzlichem oder anderem Wege und nach Anhörung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen die erforderlichen Massnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer, der bei der Beförderung von andern als leichten Traglasten eingesetzt wird, zuvor eine angemessene Ausbildung oder Anleitung in den Arbeitsmethoden erhält, die zum Schütze seiner Gesundheit und zur Verhütung von Unfällen anzuwenden sind.

Artikel 3 sieht vor, dass die Beförderung von Traglasten, deren Gewicht die Gesundheit oder die Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden könnte, weder verlangt noch zugelassen werden darf. Soweit irgend möglich sind geeignete technische Vorrichtungen zu verwenden, um die Beförderung von Traglasten einzuschränken oder zu erleichtern (Art. 6).

Gemäss Artikel 7 ist der Einsatz von Frauen und von jugendlichen Arbeitnehmern unter 18 Jahren bei der Beförderung von andern als leichten Trag-

1380 lasten einzuschränken. Werden Frauen und jugendliche Arbeitnehmer bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt, so hat das höchstzulässige Gewicht dieser Lasten erheblich niedriger zu sein als das für erwachsene männliche Arbeitnehmer.

b. Empfehlung Nr. 128 Diese Empfehlung ergänzt das Übereinkommen Nr. 127. Sie ist nicht nur auf die regelmässige Beförderung von Traglasten anwendbar, sondern auch auf die gelegentliche Beförderung von andern als leichten Traglasten. Es wird vor allem empfohlen, so rasch wie möglich Massnahmen zu treffen, um das höchstzulässige Gewicht der Traglast für einen erwachsenen männlichen Arbeitnehmer - sofern dieses mehr als 55 kg beträgt - auf 55 kg herabzusetzen. Ausserdem sollten die Arbeitnehmer eine angemessene Ausbildung oder Anleitung in den Methoden des Hebens, Tragens, Absetzens, Abiadens und Stapeins der verschiedenen Arten von Lasten erhalten, und ferner sollte vor dem Einsatz bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten eine ärztliche Eignungsuntersuchung gefordert werden, soweit das durchführbar und angebracht ist. Um die Beförderung von Traglasten einzuschränken oder zu erleichtern, sollten auch geeignete technische Vorrichtungen verwendet und auf eine möglichst zweckmässige Verpackungsart geachtet werden.

Des weitern enthält die Empfehlung detaillierte Bestimmungen über den Schutz der erwachsenen Arbeitnehmerinnen und der jugendlichen Arbeitnehmer. Im Rahmen der allgemeinen Bestimmungen wird ferner angeregt, dass die zuständigen Stellen die wissenschaftliche Forschung, einschliesslich ergonomischer Studien, hinsichtlich der Beförderung von Traglasten tatkräftig fördern sollten.

2. Stellungnahme der Schweiz

Ganz allgemein hat der Arbeitgeber gemäss Artikel 65 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung und Artikel 6, Absatz l des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz) zur Gesundheitsvorsorge und zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stande der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind. Eine entsprechende Vorschrift ist auch in Artikel 100 des Landwirtschaftsgesetzes vom 3. Oktober 1951 enthalten.

Gemäss Absatz 2 dieses Artikels kann der Bundesrat überdies nach Anhören der beteiligten Kreise die Einführung bestimmter Schutzmassnahmen auf dem Verordnungswege vorschreiben. Von dieser Kompetenz wurde bis jetzt allerdings kein Gebrauch gemacht.

Was den Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes anbetrifft, hat ferner der Arbeitgeber insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass neben Unfällen und Krankheiten auch die Überbeanspruchung der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden wird (Art. 6, Abs. 2). In Ergänzung dazu bestimmen Artikel 55, Buchstabe e, und Artikel 66,

1381 Buchstabe d der Verordnung I zum Arbeitsgesetz, dass Jugendliche unter 16 Jahren und Frauen nicht zum Heben, Tragen und Fortbewegen schwerer Lasten herangezogen werden dürfen.

Ein Vergleich zwischen dem Übereinkommen Nr. 127 und dem schweizerischen Recht zeigt, dass wir diesem Übereinkommen nicht Folge geben können; unsere Gesetzgebung geht eindeutig weniger weit. Wir verfügen über keine ausdrückliche Vorschrift, die Artikel 3 des Übereinkommens entspricht, wonach die Beförderung von Traglasten, deren Gewicht die Gesundheit oder die Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden könnte, nicht zugelassen werden darf. Artikel 6, Absatz 2 des Arbeitsgesetzes, welcher den Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Unfälle, Krankheiten und Überbeanspruchung der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden, vermag wegen seiner allgemeinen Fassung die Anwendung von Artikel 3 des Übereinkommens nicht zu gewährleisten. Dieses verlangt ferner, dass die Arbeitnehmer vor deren Einsatz bei der Beförderung von anderen als leichten Traglasten eine angemessene Ausbildung oder Anleitung in den anzuwendenden Arbeitsmethoden erhalten. Unsere Gesetzgebung kennt keine Vorschrift dieser Art. Nach Bundesrecht ist auch nirgends eindeutig vorgeschrieben, dass geeignete technische Vorrichtungen zu versvenden sind, um die Beförderung von Traglasten einzuschränken oder zu erleichtern. Ausserdem ist, wie erwähnt, gemäss Artikel 7 des Übereinkommens der Einsatz von Frauen und jugendlichen Arbeitnehmern unter 18 Jahren bei der Beförderung von andern als leichten Traglasten einzuschränken, und im Falle ihres Einsatzes bei solchen Arbeiten hat das höchstzulässige Gewicht der Traglasten erheblich niedriger zu sein als das für erwachsene männliche Arbeitnehmer. Zwar dürfen - wie wir bereits ausführten - gemäss Verordnung I zum Arbeitsgesetzjugendliche Arbeitnehmer unter 16 Jahren und Frauen nicht zum Heben, Tragen und Fortbewegen schwerer Lasten herangezogen werden; zudem wird in dieser Verordnung bestimmt, dass schwangere Frauen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden dürfen, die sich auf ihre Gesundheit oder die Schwangerschaft nachteilig auswirken, und auf ihr Verlangen auch nicht mit Arbeiten, die für sie beschwerlich sind. Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren - auf die das Übereinkommen ebenfalls anwendbar
ist - stehen jedoch gemäss unserer Gesetzgebung in bezug auf die Beförderung von Traglasten nicht mehr im Genüsse des Sonderschutzes. Ausserdem kennen wir keine Vorschrift, wonach das höchstzulässige Gewicht der Traglasten für Frauen und jugendliche Arbeitnehmer erheblich niedriger zu sein hätte als dasjenige für erwachsene männliche Arbeitnehmer.

. Im Hinblick auf diese Unterschiede sind wir nicht in der Lage, das Übereinkommen Nr. 127 zu ratifizieren. Das sollte jedoch keineswegs dazu führen, der Frage, deren Regelung damit aufgegriffen wurde, nicht die nötige Bedeutung beizumessen. Das Tragen, Heben und Absetzen von Lasten sind als ausserordentlich mühsame Arbeiten zu bezeichnen. Die Krankheiten und Abnutzungserscheinungen, die sie hervorrufen - es handelt sich vor allem um Rückenschmerzen und Herz- oder Kreislauf beschwerden - verursachen jedes Jahr auch

1382 erhebliche wirtschaftliche Verluste. Es ist deshalb vom Standpunkt des Arbeitnehmerschutzes wie auch des Allgemeininteresses aus wichtig, den zahlreichen, mit der Beförderung von Traglasten zusammenhängenden Fragen alle Aufmerksamkeit zu schenken. Für alle Kreise, die sich diesen Problemen gegenübergestellt sehen, sind das neue Übereinkommen und die zugehörige Empfehlung eine wertvolle Wegleitung.

V. Entschliessung und Schlussfolgerungen betreifend «Die IAO und die technische Zusammenarbeit» und Schlussfolgerungen betreffend «Der Beitrag der IAO zur Industrialisierung der Entwicklungsländer» 1. Inhalt der Entschliessung und der Schlussfolgerungen

a. Entschliessung und Schlussfolgerungen betreffend «Die IAO und die technische Zusammenarbeit» Die Programme der technischen Zusammenarbeit der IAO betreffen drei Gebiete, die in ihren Tätigkeitsbereich fallen, nämlich die Erschliessung und Verwendung der Arbeitskraftreserven, die Entwicklung sozialer Institutionen sowie die Arbeits- und Lebensbedingungen. Das Programm der Erschliessung und Verwendung der Arbeitskraftreserven - das nahezu drei Viertel der Tätigkeit der IAO im Rahmen der technischen Zusammenarbeit ausmacht - umfasst vor allem folgende Aufgaben : Schätzung des voraussichtlichen Bedarfs und der Reserven an Arbeitskräften; Arbeitsmarktplanung; Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten; Arbeitsmarktorganisation, einschliesslich Berufsberatung und Arbeitsvermittlung; Berufsbildung; Förderung von Kleingewerbe und Fremdenverkehr; Schulung der Führungskräfte. Von allen diesen Tätigkeiten bleibt diejenige auf dem Gebiete der Berufsbildung die wichtigste. Der Erschliessung und Verwendung der Arbeitskräfte sollte weiterhin die Priorität eingeräumt werden und besonders der Aus- und Fortbildung der betrieblichen Führungskräfte.

Im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der Programme der technischen Zusammenarbeit haben sich zahlreiche Probleme ergeben (Festlegung der Prioritäten, Experten, einheimische Mitarbeiter, Ausbildung im Ausland). Was die Experten anbetrifft, wird es als unerlässlich bezeichnet, die Zurverfügungstellung von qualifiziertem Personal des öffentlichen und privaten Sektors und der Berufsverbände zu organisieren. Den betreffenden Personen ist Gewähr zu bieten, dass sie nach Beendigung ihrer Aufgabe ihre frühere Tätigkeit wieder aufnehmen und ihre Laufbahn fortsetzen können und dass erworbene Rechte oder Ansprüche aufrechterhalten bleiben.

Hinsichtlich der Bewertung der Programme der technischen Zusammenarbeit wird betont, dass möglichst objektive Kriterien aufzustellen sind, welche eine systematische Bewertung der Vorhaben erlauben.

1383 Im Hinblick auf die Verfassung und den dreigliedrigen Aufbau der IAO wird die Beteiligung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Vorbereitung, Durchführung und Bewertung der Programme der technischen Zusammenarbeit als erforderlich bezeichnet.

Für die Koordinierung der Tätigkeiten, die im Bereich der technischen Zusammenarbeit von den verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen ausgehen, bieten die von diesen Organisationen beieits geschaffenen Einrichtungen (Verwaltungsausschuss für Koordinierung, Beratungsstelle der am Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen beteiligten Organisationen, Arbeitsgruppen, Vereinbarungen und Abmachungen zwischen den verschiedenen Organisationen) einen geeigneten Rahmen.

Die Entschliessung gibt dem Bedauern Ausdruck, dass die IAO nicht über ausreichende Mittel für ihre Tätigkeiten auf dem Gebiet der technischen Zusammenarbeit verfügt, und es wird betont, dass grössere Anstrengungen der Mitgliedstaaten erforderlich sind, um zusätzliche Mittel zu beschaffen, welche die IAO in den Stand setzen würden, ihre Tätigkeiten der technischen Zusammenarbeit auszubauen und zu intensivieren. Ferner wird empfohlen, dass die verschiedenen Aspekte der technischen Zusammenarbeit der IAO von der Konferenz in regelmässigen Abständen und häufiger gernäss den vom Verwaltungsrat zu treffenden Beschlüssen überprüft werden sollten.

b. Schlussfolgerungen betreffend «Der Beitrag der IAO zur Industrialisierung der Entwicklungsländer» Auf nationaler und internationaler Ebene werden gegenwärtig grosse Anstrengungen unternommen, um in den Entwicklungsländern zu einem ansehnlichen Grad der Industrialisierung zu gelangen. Im Bereiche dieser Bemühungen konzentrieren sich diejenigen der IAO im wesentlichen auf die Bedeutung der menschlichen Arbeitskraft im Industrialisierungsprozess. Die,IAO sollte eng .

mit der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO), die eine zentrale und führende Rolle auf diesem Gebiet innehat, sowie mit andern Institutionen zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit sollte sich aber nicht auf eine blosse Abgrenzung der Kompetenzen der verschiedenen Institutionen beschränken, sondern vielmehr die Form aufeinander abgestimmter Vorhaben annehmen. Als einzige internationale Organisation, in der die Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie
auch die Regierungen vertreten sind, sollte die IAO von den durch ihren Aufbau gegebenen Möglichkeiten Gebrauch machen und ein Bild der Auffassungen ihrer dreigliedrigen Delegationen über die Ausweitung der Perspektiven der industriellen Entwicklung vermitteln können. Die direkte praktische Unterstützung mittels der technischen Zusammenarbeit sollte weiterhin an erster Stelle stehen und wie bisher hauptsächlich aus den Mitteln des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (EPVN) finanziert werden. Auf diese Weise wird es möglich sein, die Mittel, die im Rahmen des ordentlichen Budgets der IAO vorgesehen sind, für Pilotprojekte und die Ausarbeitung von Musterprogrammen auf dem Gebiete der industriellen Ent-

1384 wicklung zu verwenden. Bei ihren Bemühungen um die Industrialisierung sollte sich die IAO davon Rechenschaft geben, dass der Beitrag zu den Entwicklungsprogrammen, die den Agrarsektor betreffen, eine dauernde Notwendigkeit darstellt. Die Entwicklung von Industrien, die in enger Verbindung mit der Landwirtschaft stehen (Nahrungsmittelindustrien, Industrien zur Erzeugung von Düngemitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln und landwirtschaftlichen Maschinen), sind im Hinblick auf die Ernährungslage in der Welt von besonderer Wichtigkeit. Zusammenfassend gesagt sollte die IAO ihre Mitwirkung bei der Industrialisierung der Entwicklungsländer verstärken und sich auf die drei grossen Programme konzentrieren, in deren Rahmen sich gegenwärtig ihre Tätigkeit auf dem Gebiet der technischen Hilfe abwickelt : die Erschliessung der für die industrielle Entwicklung erforderlichen Arbeitskräfte (und vor allem deren berufliche Ausbildung), die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Industrie und die Entwicklung sozialer Institutionen.

2. Stellungnahme der Schweiz a. Entschliessung und Schlussfolgerungen betreffend «Die IAO und die technische Zusammenarbeit» Unser Land kann die Debatte, die unter den Auspizien der Konferenz über die Frage «Die IAO und die technische Zusammenarbeit» begonnen hat, nur begrüssen. In dem Masse als die Entwicklungshilfe zunimmt, drängt sich eine engere Koordination der bilateralen und multilateralen Programme der technischen Zusammenarbeit auf. Die Erfahrungen, welche die IAO im Rahmen ihrer Vorhaben sammelte, können sehr lehrreich sein für die bilaterale technische Hilfe. Indem sie die Methoden und Bewertungskriterien herausschält - sowohl hinsichtlich der in Angriff genommenen Programme als auch der zu Ende geführten Vorhaben - kann die IAO auch den nationalen Verwaltungen einen Dienst erweisen. Es ist des weitern hervorzuheben, dass die Vorhaben der technischen Zusammenarbeit der IAO zum grössern Teil aus Mitteln des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (EPVN) finanziert werden, an das die Schweiz jedes Jahr einen namhaften Beitrag leistet (10 Millionen Franken im Jahre 1967 und 11 Millionen Franken im Jahre 1968). Indem die Konferenz periodisch die verschiedenen Aspekte der technischen Zusammenarbeit überprüft, gibt sie uns die Gelegenheit, in der Debatte in bezug auf die Verwendung dieser Mittel zu intervenieren. Wir billigen die Linie, welche die IAO im Bereiche der technischen Zusammenarbeit verfolgt, und sind der Auffassung, dass diese Organisation den Akzent weiterhin auf die Berufsbildung legen soll.

b. Schlussfolgerungen betreffend «Der Beitrag der IAO zur Industrialisierung der Entwicklungsländer» In ihren grossen Linien sind die Schlussfolgerungen auch für uns annehmbar. Die IAO soll ihre Bemühungen den Fragen der Arbeit und der Arbeitnehmer

1385 in der Industrie - mit Einschluss des Gewerbes - zuwenden und es anderen Organisationen überlassen, sich mit den Fragen der Finanzierung, der Investitionen, der Rohstoffe, des internationalen Handels und der Preise zu befassen.

Die Organisation sollte auf dem Gebiete der Industrialisierung nicht ein eigenes Programm durchführen; ihre Aufgabe ist vielmehr, einen Beitrag an ein umfangreicheres internationales Programm zu leisten. Es ist unerlässlich, die Probleme der Kompetenzausscheidungen zwischen den verschiedenen internationalen Organisationen mit Aufmerksamkeit zu verfolgen (besonders zwischen der UNIDO, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung UNCTAD -, dem GATT und der IAO), und das vorgängig einer Integration der Programme. Eine ganz besondere Bedeutung messen wir auch der durch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (EPVN) zwischen den verschiedenen SpezialOrganisationen der Vereinten Nationen herbeigeführten Koordination zu; diese Koordination muss ebenso auf lokaler Ebene - durch die ständigen Vertreter des EPVN - wie auch im Rahmen der Beratungsstelle der am EPVN teilnehmenden Organisationen stattfinden. Der Wille der IAO, die Regionalisierung ihrer Tätigkeiten zu fördern, ist zu begrüssen, und es ist mit Befriedigung vom Passus der Schlussfolgerungen Kenntnis zu nehmen, der sich auf die besondere Bedeutung der Entwicklung derjenigen Industrien bezieht, die eng mit der Landwirtschaft verbunden sind.

Wir empfehlen Ihnen, von unserem Bericht in zustimmendem Sinne Kenntnis zu nehmen und bitten Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung zu genehmigen.

Bern, den 29. Mai 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Spuhler Der Bundeskanzler : Huber

1386

Beilage

Wortlaut der von der Internationalen Arbeitskonferenz an ihrer 51. Tagung (1967) angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen Die nachstehend abgedruckten deutschen Texte sind die in Übereinstimmung mit Artikel 42 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

Übereinkommen 128

Übereinkommen über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1967 zu ihrer einundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Neufassung des Übereinkommens über Altersversicherung (Gewerbe usw.), 1933, des Übereinkommens über Altersversicherung (Landwirtschaft), 1933, des Übereinkommens über Invaliditätsversicherung (Gewerbe usw.), 1933, des Übereinkommens über Invaliditätsversicherung (Landwirtschaft), 1933, des Übereinkommens über die Hinterbliebenenversicherung (Gewerbe usw.), 1933, und des Übereinkommens über die Hinterbliebenenversicherung (Landwirtschaft), 1933, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1967, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene, 1967, bezeichnet wird.

Teil I. Allgemeine Bestimmungen

Artikel l In diesem Übereinkommen a) umfasst der Ausdruck «Gesetzgebung» alle Gesetze und Verordnungen sowie die satzungsmässigen Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit ;

1387

b) bedeutet der Ausdruck «vorgeschrieben» von oder auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung bestimmt; c) umfasst der Ausdruck «gewerbliche Betriebe» alle Betriebe in folgenden Wirtschaftszweigen : Industrien zur Gewinnung von Rohstoffen ; verarbeitende Industrien ; Baugewerbe und öffentliche Arbeiten ; Elektrizität, Gas, Wasser und sanitäre Anlagen; Transportwesen, Lagerung und Verkehrswesen; d) bedeutet der Ausdruck «Wohnsitz» den gewöhnlichen Wohnsitz im Gebiet des Mitglieds und der Ausdruck «Einwohner» eine Person, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz im Gebiet des Mitglieds hat; e) bezieht sich der Ausdruck «unterhaltsberechtigt» auf die in vorgeschriebenen Fällen als gegeben angenommene Unterhaltsberechtigung; f) bedeutet der Ausdruck «Ehefrau» eine Ehefrau, für deren Unterhalt der Ehemann sorgt; g) bedeutet der Ausdruck «Witwe» eine Frau, für deren Unterhalt der Ehe-.

mann zur Zeit seines Todes gesorgt hat ; h) bezeichnet der Ausdruck «Kind» i) ein Kind unter dem Alter, in dem die Schulpflicht endet, oder ein Kind unter 15 Jahren, wobei die höhere Altersgrenze in Betracht zu ziehen ist, und ii) unter vorgeschriebenen Bedingungen ein Kind unter einer vorgeschriebenen Altersgrenze, die höher als die in Unterabsatz i) angegebene ist, sofern dieses Kind Lehrling oder Student ist oder infolge einer chronischen Krankheit oder Behinderung erwerbsunfähig ist; diese Bedingung gilt als erfüllt, wenn die innerstaatliche Gesetzgebung diesen Ausdruck so bestimmt, dass er alle Kinder unter einer Altersgrenze einbezieht, die erheblich höher ist als die in Unterabsatz i angegebene; i) bedeutet der Ausdruck «Wartezeit» entweder eine Beitragszeit oder eine Beschäftigungszeit oder eine Wohnsitzzeit oder irgendeine Verbindung dieser Zeiten, je nachdem was vorgeschrieben ist; ] .

j) bedeuten die Ausdrücke «beitragsgebundene Leistungen» und «beitragsfreie Leistungen» Leistungen, deren Gewährung von einer unmittelbaren finanziellen Beteiligung der geschützten Personen oder ihres Arbeitgebers oder von einer Berufstätigkeit während einer Wartezeit abhängt beziehungsweise nicht abhängt.

Artikel 2 l. Jedes Mitglied, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, hat anzuwen-

den a) b) c) d)

den Teil I ; mindestens einen der Teile II, III und IV ; die entsprechenden Bestimmungen der Teile V und VI und den Teil VII.

i

1388 2. Jedes Mitglied hat in seiner Ratifikation anzugeben, für welche der Teile II bis IV dieses Übereinkommens es die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen übernimmt.

Artikel 3 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann in der Folge dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mitteilen, dass es die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen für einen oder mehrere der Teile II bis IV übernimmt, die in seiner Ratifikation nicht bereits angegeben waren.

2. Die Verpflichtungen nach Absatz l dieses Artikels gelten als Bestandteil der Ratifikation und haben vom Zeitpunkt ihrer Mitteilung an die Wirkung einer Ratifikation.

Artikel 4 \. Ein Mitglied, dessen Entwicklung auf wirschaftlichem Gebiet noch ungenügend ist, kann durch eine seiner Ratifikation beigefügte begründete Erklärung die in den folgenden Artikeln vorgesehenen zeitweiligen Ausnahmen für sich in Ansprach nehmen: Artikel 9 Absatz 2; Artikel 13 Absatz 2; Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 22 Absatz 2.

2. Jedes Mitglied, das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels abgegeben hat, hat in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Berichten über die Durchführung dieses Übereinkommens in bezug auf jede von ihm in Anspruch genommene Ausnahme anzugeben, a) dass die Gründe hierfür weiterbestehen oder b) dass es von einem bestimmten Zeitpunkt an darauf verzichtet, die Ausnahme weiter in Anspruch zu nehmen.

3. Jedes Mitglied, daseineErklärungnach Absatz l dieses Artikels abgegeben hat, hat die Zahl der geschützten Arbeitnehmer in dem Masse zu erhöhen, wie die Umstände es gestatten.

Artikel 5 Ist ein Mitglied für die Anwendung eines der durch seine Ratifikation erfasssten Teile II bis IV dieses Übereinkommens gehalten, vorgeschriebene Personengruppen zu schützen, die insgesamt mindestens einen bestimmten Hundertsatz der Arbeitnehmer oder der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung bilden, so hat sich dieses Mitglied zu vergewissern, dass der in Betracht kommende Hundertsatz erreicht worden ist, bevor es sich zur Anwendung eines solchen Teils verpflichtet.

Artikel 6 Für die Anwendung der Teile II, III oder IV dieses Übereinkommens kann ein Mitglied den durch eine Versicherung gewährten Schutz auch dann in Rechnung stellen, wenn diese Versicherung nach der innerstaatlichen
Gesetzgebung für die geschützten Personen zwar keine Pflichtversicherung ist, aber a) behördlich überwacht oder nach vorgeschriebenen Normen gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verwaltet wird;

1389 b) einen namhaften Teil der Personen umfasst, deren Verdienst denjenigen eines gelernten männlichen Arbeiters nicht übersteigt ; c) in Verbindung mit anderen Formen des Schutzes, wo dies angebracht ist, den diesbezüglichen Bestimmungen des Übereinkommens entspricht.

Teil H. Leistungen bei Invalidität

Artikel 7 Jedes Mitglied, für das dieser Teil des Überinkommens in Kraft ist, hat den geschützten Personen Leistungen bei Invalidität nach den Bestimmungen der folgenden Artikel dieses Teils zu gewährleisten.

Artikel 8 Der gedeckte Fall hat einen vorgeschriebenen Grad der Unfähigkeit zur Ausübung irgendeiner Erwerbstätigkeit zu umfassen, sofern diese Unfähigkeit voraussichtlich dauernd ist oder nach Ablauf einer vorgeschriebenen Zeitspanne der vorübergehenden oder beginnenden Arbeitsunfähigkeit weiterbesteht.

Artikel 9 1. Der Kreis der geschützten Personen hat zu umfassen : a) alle Arbeitnehmer, einschliesslich der Lehrlinge; oder b) vorgeschriebene Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung, die insgesamt mindestens 75 vom Hundert der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung bilden; oder c) alle Einwohner oder die Einwohner, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene und den Bestimmungen von Artikel 28 entsprechende Grenzen nicht übersteigen.

2. Ist eine nach Artikel 4 abgegebene Erklärung in Kraft, so hat der Kreis der geschützten Personen zu umfassen : .

a) vorgeschriebene Gruppen von Arbeitnehmern, die insgesamt mindestens 25 vom Hundert aller Arbeitnehmer bilden; oder b) vorgeschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gewerblicher Betriebe, die insgesamt mindestens 50 vom Hundert aller Arbeitnehmer in gewerblichen . Betrieben bilden.

Artikel 10 Die Leistung bei Invalidität hat in einer regelmässig wiederkehrenden Zahlung zu bestehen, die berechnet wird a) nach den Bestimmungen von Artikel 26 oder Artikel 27, wenn Arbeitnehmer oder Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung geschützt sind; b) nach den Bestimmungen von Artikel 28, wenn alle Einwohner oder die Einwohner geschützt sind, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene Grenzen nicht übersteigen.

1390 Artikel 11 1. Die in Artikel 10 bezeichnete Leistung ist im gedeckten Fall mindestens zu gewährleisten a) einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit zurückgelegt hat, die in einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit von 15 Jahren oder einer Wohnsitzzeit von zehn Jahren bestehen kann; b) wenn grundsätzlich alle erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von drei Beitragsjahren zurückgelegt hat und für die während ihres Arbeitslebens die vorgeschriebene jährliche Durchschnittszahl oder jährliche Zahl von Beiträgen entrichtet worden ist.

2. Hängt die Leistung bei Invalidität von einer Mindestbeitragszeit, einer Mindestbeschäftigungszeit oder einer Mindestwohnsitzzeit ab, so ist eine gekürzte Leistung mindestens zu gewährleisten.

a) einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von fünf Beitrags-, Beschäftigungs- oder Wohnsitzjahren zurückgelegt hat; b) wenn grundsätzlich alle erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von drei Beitragsjahren zurückgelegt hat und für die während ihres Arbeitslebens die Hälfte der nach Absatz l Buchstabe b) dieses Artikels vorgeschriebenen jährlichen Durchschnittszahl oder jährlichen Zahl von Beiträgen entrichtet worden ist.

3. Die Bedingungen in Absatz l dieses Artikels gelten als erfüllt, wenn eine Leistung, die nach den Bestimmungen des Teils V berechnet ist, jedoch um zehn Einheiten unter dem in der Tabelle zu Teil V für den Typus des Leistungsempfängers angegebenen Hundertsatz liegt, mindestens jeder geschützten Person gewährleistet wird, die nach vorgeschriebener Regelung fünf Beitrags-, Beschäftigungs- oder Wohnsitzjahre zurückgelegt hat.

4. Der in der Tabelle zu Teil V angegebene Hundertsatz kann im entsprechenden Verhältnis gekürzt werden, wenn die Wartezeit für die dem gekürzten Hundertsatz entsprechende Leistung fünf Beitrags-, Beschäftigungs- oder Wohnsitzjahre übersteigt, jedoch geringer als 15 Beitrags- oder Beschäftigungsjahre oder zehn Wohnsitzjahre ist; eine gekürzte Leistung ist nach Absatz 2 dieses Artikels zu gewähren.

5. Die Bedingungen in den
Absätzen l und 2 dieses Artikels gelten als erfüllt, wenn eine Leistung, die nach den Bestimmungen des Teils V berechnet ist, mindestens jeder geschützten Person gewährleistet wird, die nach vorgeschriebener Regelung eine Beitrags- oder Beschäftigungszeit zurückgelegt hat, die in einem vorgeschriebenen Mindestalter fünf Jahre nicht übersteigen darf und mit fortschreitendem Alter bis zu einer vorgeschriebenen Höchstzahl von Jahren verlängert werden kann.

1391

Artikel 12 Die in den Artikeln 10 und 11 bezeichneten Leistungen sind während der ganzen Dauer des Falls zu gewähren oder so lange, bis sie durch eine Leistung bei Alter ersetzt werden.

Artikel 13 1. Jedes Mitglied, für das dieser Teil des Übereinkommens in Kraft ist, hat unter vorgeschriebenen Bedingungen a) Einrichtungen zur beruflichen Wiedereingliederung bereitzustellen, die dazu bestimmt sind, einen Invaliden, wo immer es möglich ist, für die Wiederaufnahme seiner früheren Tätigkeit oder, wenn dies nicht möglich ist, für eine andere Erwerbstätigkeit vorzubereiten, die seiner Eignung und seinen Fähigkeiten am besten entspricht ; b) Massnahmen zu treffen, um die Vermittlung einer geeigneten Beschäftigung für Invalide zu erleichtern.

2. Ist eine nach Artikel 4 abgegebene Erklärung in Kraft, so kann das Mitglied von den Bestimmungen in Absatz l dieses Artikels abweichen.

Teil m. Leistungen bei Alter Artikel 14 Jedes Mitglied, für das dieser Teil des Übereinkommens in Kraft ist, hat den geschützten Personen Leistungen bei Alter nach den Bestimmungen der folgenden Artikel dieses Teils zu gewährleisten.

Artikel 15 1. Der gedeckte Fall hat im Überschreiten eines vorgeschriebenen Alters zu bestehen.

2. Das vorgeschriebene Alter darf 65 Jahre nicht übersteigen, doch kann von der zuständigen Stelle unter Berücksichtigung massgebender demographischer, wirtschaftlicher und sozialer Merkmale, die statistisch zu belegen sind, ein höheres Alter festgesetzt werden.

3. Ist das vorgeschriebene Alter 65 Jahre oder höher, so ist dieses Alter unter vorgeschriebenen Bedingungen für jene Personen herabzusezten, die in Berufen beschäftigt waren, die von der innerstaatlichen Gesetzgebung im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen bei Alter als'anstrengend oder gesundheitsschädlich betrachtet werden.

Artikel 16 l. Der Kreis der geschützten Personen hat zu umfassen : a) alle Arbeitnehmer, einschliesslich der Lehrlinge oder b) vorgeschriebene Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung, die insgesamt mindestens 75 vom Hundert der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung bilden; oder

1392 e) alle Einwohner oder die Einwohner, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene und den Bestimmungen von Artikel 28 entsprechende Grenzen nicht übersteigen.

2. Ist eine nach Artikel 4 abgegebene Erklärung in Kraft, so hat der Kreis der geschützten Personen zu umfassen : a) vorgeschriebene Gruppen von Arbeitnehmern, die insgesamt mindestens 25 vom Hundert aller Arbeitnehmer bilden ; oder b) vorgeschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gewerblicher Betriebe, die insgesamt mindestens 50 vom Hundert aller Arbeitnehmer in gewerblichen Betrieben bilden.

Artikel 17 Die Leistung bei Alter hat in einer regelmässig wiederkehrenden Zahlung zu bestehen, die berechnet wird a) nach den Bestimmungen von Artikel 26 oder Artikel 27, wenn Arbeitnehmer oder Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung geschützt sind; b) nach den Bestimmungen von Artikel 28, wenn alle Einwohner oder die Einwohner geschützt sind, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene Grenzen nicht übersteigen.

Artikel 18 1. Die in Artikel 17 bezeichnete Leistung ist im gedeckten Fall mindestens zu gewährleisten a) einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit zurückgelegt hat, die in einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit von 30 Jahren oder einer Wohnsitzzeit von 20 Jahren bestehen kann; b) wenn grundsätzlich alle erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls eine vorgeschriebene Beitragszeit zurückgelegt hat und für die während ihres Arbeitslebens die vorgeschriebene jährliche Durchschnittszahl von Beiträgen entrichtet worden ist.

2. Hängt die Leistung bei Alter von einer Mindestbeitrags- oder Mindestbeschäftigungszeit ab, so ist eine gekürzte Leistung mindestens zu gewährleisten a) einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von 15 Beitrags- oder Beschäftigungsjahren zurückgelegt hat; b) wenn grundsätzlich aüe erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls eine vorgeschriebene Beitragszeit zurückgelegt hat und für die während ihres Arbeitslebens die Hälfte der nach Absatz l Buchstabe b) dieses Artikels vorgeschriebenen jährlichen Durchschnittszahl von Beiträgen entrichtet worden ist.

3. Die Bedingungen in Absatz l dieses Artikels gelten als erfüllt, wenn eine Leistung, die nach den Bestimmungen des Teils V berechnet ist, jedoch um zehn

13S>3 Einheiten unter dem in der Tabelle zu Teil V für den Typus des Leistungsempfängers angegebenen Hundertsatz liegt, mindestens jeder geschützten Person gewährleistet wird, die nach vorgeschriebener Regelung zehn Beitrags- oder Beschäftigungsjahre oder fünf Wohnsitzjahre zurückgelegt hat.

4. Der in der Tabelle zu Teil V angegebene Hundertsatz kann im entsprechenden Verhältnis gekürzt werden, wenn die Wartezeit für die dem gekürzten Hundertsatz entsprechende Leistung zehn Beitrags- oder Beschäftigungsjahre oder fünf Wohnsitzjahre übersteigt, aber geringer als 30 Beitrags- oder Beschäftigungsjahre oder 20 Wohnsitzjahre ist; übersteigt diese Wartezeit 15 Beitragsoder Beschäftigungsjahre, so ist eine gekürzte Leistung nach Absatz 2 dieses Artikels zu gewähren.

Artikel 19 Die in den Artikeln 17 und 18 bezeichneten Leistungen sind während der ganzen Dauer des Falls zu gewähren.

Teil IV. Leistungen an Hinterbliebene

Artikel 20 Jedes Mitglied, für das dieser Teil des Übereinkommens in Kraft ist, hat den geschützten Personen Leistungen an Hinterbliebene nach den Bestimmungen der folgenden Artikel dieses Teils zu gewährleisten.

Artikel 21 1. Der gedeckte Fall hat den Verlust der Unterhaltsmittel zu umfassen, den die Witwe oder die Kinder infolge des Todes des Ernährers erleiden.

2. Der Anspruch einer Witwe auf eine Leistung an Hinterbliebene kann vom Erreichen eines vorgeschriebenen Alters abhängig gemacht werden. Das Alter darf nicht höher sein als das für den Anspruch auf Leistungen bei Alter vorgeschriebene Alter.

3. Eine Altersbedingung ist nicht zulässig, wenn die Witwe a) im vorgeschriebenen Sinn invalide ist oder b) für ein unterhaltsberechtigtes Kind des Verstorbenen sorgt.

4. Für den Anspruch einer kinderlosen Witwe auf eine Leistung an Hinterbliebene kann eine Mindestdauer der Ehe vorgeschrieben werden.

Artikel 22 l. Der Kreis der geschützten Personen hat zu umfassen : a) die Ehefrauen, Kinder und sonstigen von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten unterhaltsberechtigten Angehörigen von Ernährern, die Arbeitnhemer oder Lehrlinge waren; oder b) die Ehefrauen, Kinder und sonstigen von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten unterhaltsberechtigten Angehörigen von Ernährern in Bundesblatt. 120. Jahrg.Bd.I

88

1394 vorgeschriebenen Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung, die insgesamt mindestens 75 vom Hundert der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung bilden; oder c) alle Witwen, alle Kinder und alle sonstigen von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten unterhaltsberechtigten Angehörigen, die den Ernährer verloren haben, Einwohner sind und, sofern angebracht, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene, den Bestimmungen von Artikel 28 entsprechende Grenzen nicht übersteigen.

2. Ist eine nach Artikel 4 abgegebene Erklärung in Kraft, so hat der Kreis der geschützten Personen zu umfassen : a) die Ehefrauen, Kinder und sonstigen von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten unterhaltsberechtigten Angehörigen von Ernährern in vorgeschriebenen Gruppen von Arbeitnehmern, die insgesamt mindestens 25 vom Hundert aller Arbeitnehmer bilden; oder b) die Ehefrauen, Kinder und sonstigen von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten unterhaltsberechtigten Angehörigen von Ernährern in vorgeschriebenen Gruppen von Arbeitnehmern gewerblicher Betriebe, die insgesamt mindestens 50 vom Hundert aller Arbeitnehmer in gewerblichen Betrieben bilden.

Artikel 23 Die Leistung an Hinterbliebene hat in einer regelmässig wiederkehrenden Zahlung zu bestehen, die berechnet wird a) nach den Bestimmungen von Artikel 26 oder Artikel 27, wenn Arbeitnehmer oder Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung geschützt sind ; b) nach den Bestimmungen von Artikel 28, wenn alle Einwohner oder die Einwohner, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene Grenzen nicht übersteigen, geschützt sind.

Artikel 24 l. Die in Artikel 23 bezeichnete Leistung ist im gedeckten Fall mindestens zu gewährleisten a) einer geschützten Person, deren Ernährer nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit zurückgelegt hat, die in einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit von 15 Jahren oder einer Wohnsitzzeit von zehn Jahren bestehen kann; für eine Leistung an eine Witwe kann statt dessen jedoch verlangt werden, dass diese Witwe eine vorgeschriebene Wohnsitzzeit zurückgelegt hat; b) wenn grundsätzlich die Ehefrauen und Kinder aller erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, deren Ernährer nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von drei Beitragsjahren zurückgelegt hat, sofern für ihn während seines Arbeitslebens die vorgeschriebene jährliche Durchschnittszahl oder jährliche Zahl von Beiträgen entrichtet worden ist.

1395 2. Hängt die Leistung an Hinterbliebene von einer Mindestbeitrags- oder Mindestbeschäftigungszeit ab, so ist eine gekürzte Leistung mindestens zu gewährleisten a) einer.geschützten Person, deren Ernährer nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von fünf Beitrags- oder Beschäftigungsjahren zurückgelegt hat; b) wenn grundsätzlich die Ehefrauen und Kinder aller erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, deren Ernährer nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von drei Beitragjahren zurückgelegt hat, sofern für ihn während seines Arbeitslebens die Hälfte dernach Absatz l Buchstabe b) dieses Artikels vorgeschriebenen jährlichen Durchschnittszahl oder jährlichen Zahl von Beiträgen entrichtet worden ist.

3. Die Bedingungen in Absatz l dieses Artikels gelten als erfüllt, wenn eine Leistung, die nach den Bestimmungen des Teils V berechnet ist, jedoch um zehn Einheiten unter dem in der Tabelle zu Teil V für den Typus des Leistungsempfängers angegebenen Hundertsatz liegt, mindestens jeder geschützten Person gewährleistet wird, deren Ernährer nach vorgeschriebener Regelung fünf .Beitrags-, Beschäftigungs- oder Wohnsitzjahre zurückgelegt hat.

4. Der in der Tabelle zu Teil V angegebene Hundertsatz kann im entsprechenden Verhältnis gekürzt werden, wenn die Wartezeit für die dem gekürzten Hundertsatz entsprechende ' Leistung fünf Beitrags-, Beschäftigungs- oder Wohnsitzjahre übersteigt, jedoch geringer als 15 Beitrags- oder Beschäftigungsjahre oder zehn Wohnsitzjahre ist; ist für eine solche Wartezeit eine Beitragsoder Beschäftigungszeit heranzuziehen, so ist eine gekürzte Leistung nach Absatz 2 dieses Artikels zu gewähren.

5. Die Bedingungen in den Absätzen l und 2 dieses Artikels gelten als erfüllt, wenn eine Leistung, die nach den Bestimmungen des Teils V berechnet ist, mindestens jeder geschützten Person gewährleistet .wird, deren Ernährer nach vorgeschriebener Regelung eine Beitrags- oder Beschäftigungszeit zurückgelegt hat, die in einem vorgeschriebenen Mindestalter fünf Jahre nicht übersteigen darf und mit fortschreitendem Alter bis zu einer vorgeschriebenen Höchstzahl von Jahren verlängert werden kann.

Artikel 25

\

'

'

Die in den Artikeln 23 und 24 bezeichneten Leistungen sind während der ganzen Dauer des Falls zu gewähren.

Teil V. Berechnung der regelmässig wiederkehrenden Zahlungen

Artikel 26 l. Bei einer regelmässig wiederkehrenden Zahlung, auf welche dieser Artikel Anwendung findet, ist der Leistungsbetrag, erhöht um den Betrag der wäh-

1396 rend der Dauer des Falls zu zahlenden Familienzulagen, wie folgt zu bemessen : Er hat für den betreffenden Fall und den in der Tabelle zu diesem Teil bezeichneten Typus des Leistungsempfängers mindestens den in der Tabelle vorgesehenen Hundertsatz der Gesamtsumme aus dem früheren Verdienst des Leistungsempfängers oder seines Ernährers und dem Betrag der Familienzulagen zu erreichen, die einer geschützten Person mit gleichen Familienlasten, wie sie der Typus des Leistungsempfängers hat, zu zahlen sind.

2. Der frühere Verdienst des Leistungsempfängers oder seines Ernährers ist nach vorgeschriebener Regelung zu berechnen; sind die geschützten Personen oder ihre Ernährer in Verdienstklassen eingeteilt, so kann der frühere Verdienst nach den Grundverdiensten der Klassen, zu denen sie gehörten, berechnet werden.

3. Für den Leistungsbetrag oder für den bei der Berechnung dieses Betrages zugrunde gelegten Verdienst kann eine Höchstgrenze vorgeschrieben werden, vorausgesetzt, dass dabei den Bestimmungen von Absatz l dieses Artikels entsprochen wird, wenn der frühere Verdienst des Leistungsempfängers oder seines Ernährers nicht höher ist als der Lohn eines gelernten männlichen Arbeiters.

4. Der frühere Verdienst des Leistungsempfängers oder seines Ernährers, der Lohn des gelernten männlichen Arbeiters, die Leistung und die Familienzulagen sind auf derselben zeitlichen Grundlage zu berechnen.

5. Für die übrigen Leistungsempfänger hat die Leistung in einem angemessenen Verhältnis zu der des Typus des Leistungsempfängers zu stehen.

6. Im Sinne dieses Artikels hat als gelernter männlicher Arbeiter zu gelten a) ein Einrichter oder Dreher in der Maschinenbauindustrie mit Ausnahme der Elektromaschinenindustrie oder b) der Typus des gelernten Arbeiters nach den Bestimmungen des nachstehenden Absatzes oder c) eine Person, deren Verdienst nicht niedriger ist als der Verdienst von 75 vom Hundert aller geschützten Personen, wobei dieser Verdienst auf der Grundlage jährlicher oder kürzerer Zeitspannen ermittelt wird, je nachdem was vorgeschrieben ist, oder d) eine Person, deren Verdienst ebenso hoch ist wie 125 vom Hundert des Durchschnittsverdienstes aller geschützten Personen.

7. Als Typus des gelernten Arbeiters im Sinne von Buchstabe b) des vorstehenden Absatzes hat eine Person zu gelten, die in der
Hauptgruppe mit der grössten Zahl für den betreffenden Fall geschützter erwerbstätiger männlicher Personen oder von Ernährern der geschützten Personen innerhalb der Abteilung beschäftigt ist, die ihrerseits die grösste Zahl solcher Personen oder Ernährer umfasst ; hierfür wird die internationale Systematik der wirtschaftlichen Tätigkeiten zugrunde gelegt, die vom Wirtschafts- und Sozialrat der Organisation der Vereinten Nationen auf seiner siebenten Tagung am 2 7. August 194 8 angenommen wurde und im Anhang zu diesem Übereinkommen in ihrer 1958 abgeänder-

1397 ten Fassung wiedergegeben ist, unter Berücksichtigung aller späteren Änderungen.

8. Haben die Leistungen eine nach Gebieten unterschiedliche Höhe, so kann der gelernte männliche Arbeiter nach den Bestimmungen der Absätze 6 und 7 dieses Artikels für jedes Gebiet bestimmt werden.

9. Der Lohn des gelernten männlichen Arbeiters ist auf der Grundlage der Lohnsätze für die durch Gesamtarbeitsverträge oder gegebenenfalls von oder auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder durch Gewohnheit festgelegte normale Arbeitszeit zu ermitteln, unter Einbeziehung etwaiger Teuerungszulagen; haben diese Lohnsätze eine nach Gebieten unterschiedliche Höhe und findet der Absatz 8 dieses Artikels keine Anwendung, so ist der mittlere Lohn zu Grunde zu legen.

Artikel 27 1. Bei einer regelmässig wiederkehrenden Zahlung, auf welche dieser Artikel Anwendung findet, ist der Leistungsbetrag, erhöht um den Betrag der während der Dauer des Falls zu zahlenden Familienzulagen, wie folgt zu bemessen: Er hat für den betreffenden Fall und den in der Tabelle zu diesem Teil bezeichneten Typus des Leistungsempfängers mindestens den in der Tabelle vorgesehenen Hundertsatz der Gesamtsumme aus dem Lohn eines gewöhnlichen erwachsenen männlichen ungelernten Arbeiters und dem Betrag der Familienzulagen zu erreichen, die einer geschützten Person mit gleichen Familienlasten, wie sie der Typus des Leistungsempfängers hat, zu zahlen sind.

2. Der Lohn des gewöhnlichen erwachsenen männlichen ungelernten Arbeiters, die Leistung und die Familienzulagen sind auf derselben zeitlichen Grundlage zu berechnen.

3. Für die übrigen Leistungsempfänger hat die Leistung in einem angemessenen Verhältnis zu der des Typus des Leistungsempfängers zu stehen.

4. Im Sinne dieses Artikels hat als gewöhnlicher erwachsener männlicher ungelernter Arbeiter zu gelten a) der Typus des ungelernten Arbeiters in der Maschinenbauindustrie mit Ausnahme der Elektromaschinenindustrie oder b) der Typus des ungelernten Arbeiters nach den Bestimmungen des nachstehenden Absatzes.

5. Als Typus des ungelernten Arbeiters im Sinne von Buchstabe b) des vorstehenden Absatzes hat eine Person zu gelten, die in der Hauptgruppe mit der grössten Zahl für den betreffenden Fall geschützter erwerbstätiger männlicher Personen oder von Ernährern der geschützten Personen innerhalb der
Abteilung beschäftigt ist, die ihrerseits die grösste Zahl solcher Personen oder Ernährer umfasst : hierfür wird die internationale Systematik der wirtschaftlichen Tätigkeiten zugrunde gelegt, die vom Wirtschafts- und Sozialrat der Organisation der Vereinten Nationen auf seiner siebenten Tagung am 27. August 1948 angenommen wurde und im Anhang zu diesem Übereinkommen in ihrer 1958 abgeänderten Fassung wiedergegeben ist, unter Berücksichtigung aller späteren Änderungen.

1398 6. Haben die Leistungen eine nach Gebieten unterschiedliche Höhe, so kann der gewöhnliche erwachsene männliche ungelernte Arbeiter nach den Bestimmungen der Absätze 4 und 5 dieses Artikels für jedes Gebiet bestimmt werden.

7. Der Lohn des gewöhnlichen erwachsenen männlichen ungelernten Arbeiters ist auf der Grundlage der Lohnsätze für die durch Geasmtarbeitsverträge oder gegebenenfalls von oder auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder durch Gewohnheit festgelegte normale Arbeitszeit zu ermitteln, unter Einbeziehung etwaiger Teuerungszulagen; haben diese Lohnsätze eine nach Gebieten unterschiedliche Höhe und findet der Absatz 6 dieses Artikels keine Anwendung, so ist der mittlere Lohn zugrunde zu legen.

Artikel 28 Bei einer regelmässig wiederkehrenden Zahlung, auf welche dieser Artikel Anwendung findet, gilt folgendes : a) der Leistungsbetrag ist entsprechend einer vorgeschriebenen Skala oder entsprechend einer von der zuständigen Stelle nach vorgeschriebener Regelung festgelegten Skala zu berechnen ; b) der Leistungsbetrag kann nur insoweit gekürzt werden, als die sonstigen Mittel der Familie des Leistungsempfängers vorgeschriebene namhafte Beträge oder von der zuständigen Stelle nach vorgeschriebener Regelung festgelegte namhafte Beträge übersteigen ; c) die Gesamtsumme aus der Leistung und den sonstigen Mitteln, nach Abzug der in Buchstabe b) bezeichneten namhaften Beträge, hat auszureichen, um der Familie des Leistungsempfängers gesunde und angemessene Lebensbedingungen zu gewährleisten ; sie darf nicht unter den nach den Bestimmungen des Artikels 27 berechneten Leistungen liegen; d) die Bedingungen in Buchstabe c) gelten als erfüllt, wenn der Gesamtbetrag der nach dem betreffenden Teil gewährten Leistungen um mindestens 30 vom Hundert höher ist als der Gesamtbetrag der Leistungen, der bei Anwendung der Bestimmungen des Artikels 27 und der nachstehenden Bestimmungen erreicht würde : i) Artikel 9 Absatz l Buchstabe b) für Teil II ; ii) Artikel 16 Absatz l Buchstabe b) ,f ür Teil III ; iii) Artikel 22 Absatz l Buchstabe b) für Teil IV; Artikel 29 1. Die Beträge der nach den Bestimmungen von Artikel 10, Artikel 17 und Artikel 23 zu gewährenden laufenden Barleistungen sind nach erheblichen Änderungen in der allgemeinen Verdiensthöhe oder nach erheblichen Änderungen in den Lebenshaltungskosten zu überprüfen.

1399 2. Jedes Mitglied hat die Ergebnisse dieser Überprüfungen in seinen nach Artikel22 der Verfassung der InternationalenArbeitsorganisation vorzulegenden Berichten über die Durchführung dieses Übereinkommens mitzuteilen und anzugeben, welche Massnahmen getroffen worden sind.

Tabelle zu Teil V. Regelmässig wiederkehrende Zahlungen an die Typen der Leistungsempfänger Teil II III IV

Fall

Typus des Leistungsempfängers

Invalidität . . . . Mann mit Ehefrau und zwei Kindern . .

Mann mit Ehefrau im Rentenalter Alter .

. .

Tod des Ernährers Witwe mit zwei Kindern

Hundertsatz

50 45 45

Teil VI. Gemeinsame Bestimmungen Artikel 30 Die innerstaatliche Gesetzgebung hat die Aufrechterhaltung der Anwartschaften auf beitragsgebundene Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene unter vorgeschriebenen Bedingungen vorzusehen.

Artikel 31 1. Die Leistungen bei Invalidität oder Alter oder an Hinterbliebene können unter vorgeschriebenen Bedingungen ruhen, wenn der Leistungsempfänger eine Erwerbstätigkeit ausübt.

2. Eine beitragsgebundene Leistung bei Invalidität oder Alter oder an Hinterbliebene kann gekürzt werden, wenn der Verdienst des Leistungsempfängers einen vorgeschriebenen Betrag übersteigt; die Leistungskürzung darf den Verdienst nicht übersteigen.

3. Eine beitragsfreie Leistung bei Invalidität oder Alter oder an Hinterbliebene kann gekürzt werden, wenn der Verdienst des Leistungsempfängers oder seine sonstigen Mittel oder beide zusammen einen vorgeschriebenen Betrag übersteigen.

Artikel 32 1. Eine Leistung, auf die eine geschützte Person in Anwendung eines der Teile II bis IV dieses Übereinkommens Anspruch hätte, kann in einem vorgeschriebenen Ausmass ruhen, a) solange die betreffende Person sich ausserhalb des Gebietes des Mitglieds aufhält, ausser unter vorgeschriebenen Bedingungen im Falle einer beitragsgebundenen Leistung; b) solange der Unterhalt der betreffenden Person aus öffentlichen Mitteln oder von einer Einrichtung oder einem Dienst der Sozialen Sicherheit bestritten wird;

1400 c) wenn die betreffende Person durch Betrug versucht hat, diese Leistung zu erhalten; d) wenn der Fall von der betreffenden Person durch ein von ihr begangenes Verbrechen oder Vergehen herbeigeführt worden ist; e) wenn der Fall vorsätzlich durch eine grobe Verfehlung der betreffenden Person herbeigeführt worden ist; f) in entsprechenden Fällen, wenn die betreffende Person es ohne triftigen Grund unterlässt, von den ihr zur Verfügung gestellten Einrichtungen des ärztlichen Dienstes oder des Dienstes für die berufliche Wiedereingliederung Gebrauch zu machen, oder die für die Nachprüfung des Bestehens des Falls oder für das Verhalten der Leistungsempfänger vorgeschriebene Regelung nicht befolgt; g) bei Leistungen an Hinterbliebene, solange eine Witwe mit einem Mann in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.

2. Ein Teil der Leistungen, die sonst zu zahlen gewesen wären, ist in den vorgeschriebenen Fällen und innerhalb der vorgeschriebenen Grenzen an die unterhaltsberechtigten Angehörigen der betreffenden Person zu zahlen.

Artikel 33 1. Hat oder hätte eine geschützte Person gleichzeitig Anspruch auf mehr als eine der in diesem Übereinkommen vorgesehenen Leistungen, so können diese unter vorgeschriebenen Bedingungen und in vorgeschriebenen Grenzen gekürzt werden ; die geschützte Person muss jedoch insgesamt mindestens den Betrag der günstigsten Leistung erhalten.

2. Hat oder hätte eine geschützte Person Anspruch auf eine in diesem Übereinkommen vorgesehene Leistung und erhält sie für denselben Fall eine andere Barleistung der Sozialen Sicherheit mit Ausnahme einer Familienleistung, so kann die im Übereinkommen vorgesehene Leistung unter vorgeschriebenen Bedingungen und in vorgeschriebenen Grenzen gekürzt werden oder ruhen, wobei jedoch der gekürzte oder ruhende Teil der Leistung den Betrag der anderen Leistung nicht überschreiten darf.

Artikel 34 1. Jedem Antragsteller ist das Recht einzuräumen, ein Rechtsmittel einzulegen, falls die Leistung abgelehnt oder ihre Art oder ihr Ausmass strittig wird.

2. Es sind Verfahren vorzuschreiben, nach denen der Antragsteller sich gegebenenfalls von einer sachkundigen Person seiner Wahl oder von einem Vertreter einer Organisation vertreten oder unterstützen lassen kann, die die geschützten Personen vertritt.

Artikel 35 \. Jedes Mitglied hat die allgemeine Verantwortung für die Gewährung der in Anwendung dieses Übereinkommens zu zahlenden Leistungen zu übernehmen und alle hierfür erforderlichen Massnahmen zu treffen.

1401 2. Jedes Mitglied hat die allgemeine Verantwortung für die einwandfreie Verwaltung der Einrichtungen und Dienste zu übernehmen, die bei der Durchführung dieses Übereinkommens mitwirken.

Artikel 36 Wird die Verwaltung nicht von einer nach Weisungen der Behörden tätigen Einrichtung oder von einer einem Parlament verantwortlichen Regierungsstelle wahrgenommen, so sind unter vorgeschriebenen Voraussetzungen Vertreter der geschützten Personen an der Verwaltung zu beteiligen ; die innerstaatliche Gesetzgebung kann auch die Mitwirkung von Vertretern der Arbeitgeber und der Behörden vorsehen.

Teil Vu. Sonstige Bestimmungen Artikel 37 Jedes. Mitglied, dessen Gesetzgebung Arbeitnehmer schützt, kann erforderlichenfalls von der Anwendung dieses Übereinkommens ausnehmen: a) Personen, die zu gelegentlichen Arbeiten verwendet werden; b) Familienangehörige des Arbeitgebers, die in seinem Haushalt leben, in bezug auf die für ihn verrichtete Arbeit; c) andere Gruppen von Arbeitnehmern, deren Zahl 10 vom Hundert aller Arbeitnehmer, die nicht nach den Buchstaben a) und b) dieses Artikels ausgeschlossen sind, nicht übersteigen darf.

Artikel 38 1. Jedes Mitglied, dessen Gesetzgebung Arbeitnehmer schützt, kann durch eine seiner Ratifikationsurkunde beigefügte Erklärung die Arbeitnehmer im Bereich der landwirtschaftlichen Berufe, die im Zeitpunkt der Ratifikation von der Gesetzgebung noch nicht geschützt sind, vorübergehend vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens ausschliessen.

2. Jedes Mitglied, das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels abgegeben hat, hat in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Berichten über die Durchführung dieses Übereinkommens anzugeben, in welchem Umfange den Bestimmungen des Übereinkommens betreffend die Arbeitnehmer im Bereich der landwirtschaftlichen Berufe entsprochen wurde oder entsprochen werden soll und inwieweit Fortschritte im Hinblick auf die Anwendung des Übereinkommens auf diese Arbeitnehmer erzielt worden sind; ist die Lage unverändert, so hat das Mitglied alle zweckdienlichen Erläuterungen zu geben.

3. Jedes Mitglied, das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels abgegeben hat, hat die Zahl der geschützten Arbeitnehmer im landwirtschaftlichen Bereich in dem Masse und so rasch, wie die Umstände es gestatten, zu erhöhen.

1402 Artikel 39 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann durch eine seiner Ratifikationsurkunde beigefügte Erklärung vom Geltungsbereich des Übereinkommens ausschliessen : a) die Seeleute, einschliesslich der Seefischer, b) die öffentlichen Bediensteten, sofern diese Gruppen durch Sondersysteme geschützt sind, die im ganzen Leistungen gewähren, die den in diesem Übereinkommen vorgesehenen mindestens gleichwertig sind.

2. Ist eine nach Absatz l dieses Artikels abgegebene Erklärung in Kraft, so kann das Mitglied Personen, die der oder den vom Geltungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossenen Gruppe oder Gruppen angehören, von der Zahl der Personen ausschliessen, die bei der Berechnung des in Artikel 9 Absatz l Buchstabe b) und Absatz 2 Buchstabe b), Artikel 16 Absatz l Buchstabe b) und Absatz 2, Buchstabe b) Artikel 22, Absatz l, Buchstabe b) und Absatz 2, Buchstabe b) und Artikel 37, Buchstabe c) erwähnten Hundertsatzes zu berücksichtigen sind.

3. Jedes Mitglied, das eine Erklärung nach Absatz l dieses Artikels abgegeben hat, kann in der Folge dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mitteilen, dass es die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für eine oder mehrere der bei der Ratifikation ausgeschlossenen Gruppen übernimmt.

Artikel 40 Hat eine geschützte Person auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung im Falle des Todes des Ernährers Anspruch auf andere regelmässig wiederkehrende Leistungen als auf Leistungen an Hinterbliebene, so können diese regelmässig wiederkehrenden Leistungen für die Anwendung dieses Übereinkommens den Leistungen an Hinterbliebene gleichgestellt werden.

Artikel 41 l. Ein Mitglied, das a) die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für die Teile II, III und IV übernommen hat und b) einen Hundertsatz der erwerbstätigen Bevölkerung schützt, der mindestens um zehn Einheiten höher ist als der in Artikel 9 Absatz l Buchstabe b), Artikel 16 Absatz l Buchstabe b) und Artikel 22 Absatz l Buchstabe b) geforderte, oder das die Bestimmungen von Artikel 9 Absatz l Buchstabe c), Artikel 16 Absatz l Buchstabe c) und Artikel 22 Absatz l Buchstabe c) erfüllt, und c) in bezug auf mindestens zwei der in den Teilen II, III und IV vorgesehenen gedeckten Fälle Leistungen in einem Betrag gewährleistet, der einem Hundertsatz entspricht, der um mindestens
fünf Einheiten höher ist als die in der Tabelle zu Teil V bezeichneten Hundertsätze, kann die Bestimmungen des nachstehenden Absatzes für sich in Anspruch nehmen.

1403 2. Ein solches Mitglied kann a) für die Zwecke von Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) und Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe b) die dort bezeichnete Zeitspanne vori drei Jahren durch eine solche von fünf Jahren ersetzen ; b) die Empfänger von Leistungen an Hinterbliebene in einer Art und Weise bestimmen, die von der in Artikel 21 geforderten abweicht, jedoch gewährleistet, dass die Gesamtzahl der Leistungsempfänger nicht unter der Zahl der Leistungsempfänger liegt, die sich bei der Anwendung von Artikel 21 ergeben würde.

3. Jedes Mitglied, das die Bestimmungen von Absatz 2 dieses Artikels für sich in Anspruch genommen hat, hat in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Berichten über die Durchführung dieses Übereinkommens über den Stand seiner Gesetzgebung und Praxis hinsichtlich der in diesem Absatz behandelten Fragen Auskunft zu geben und mitzuteilen, inwieweit Fortschritte im Hinblick auf eine vollständige Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens erzielt worden sind.

Artikel 42 1. Ein Mitglied, das a) die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für die Teile II, III und IV übernommen hat und b) einen Hundertsatz der erwerbstätigen Bevölkerung schützt, der mindestens um zehn Einheiten höher ist als der in Artikel 9 Absatz l Buchstabe b), Artikel 16 Absatz l Buchstabe b) und Artikel 22 Absatz l Buchstabe b) geforderte, oder das die Bestimmungen von Artikel 9 Absatz l Buchstabe c), Artikel 16 Absatz l Buchstabe c) und Artikel 22 Absatz l Buchstabe c) erfüllt, kann von einzelnen Bestimmungen der Teile II, III und IV abweichen, vorausgesetzt, dass der Gesamtbetrag der nach den Bestimmungen des betreffenden Teils gewährten Leistungen mindestens HO vom Hundert des Gesamtbetrages ausmacht, der bei Anwendung aller Bestimmungen dieses Teils erreicht würde.

2. Jedes Mitglied, das eine solche Abweichung für sich in Anspruch genommen hat, hat in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Berichten über die Durchführung dieses Übereinkommens Auskunft zu geben über den Stand seiner Gesetzgebung und Praxis hinsichtlich dieser Abweichungen und mitzuteilen, inwieweit Fortschritte im Hinblick auf eine vollständige Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens erzielt worden sind.

, Artikel 43
Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung auf a) Falle, die sich vor dem Inkrafttreten des entsprechenden Teils des Übereinkommens für das betreffende Mitglied ereignet haben;

1404 b) Leistungen für Fälle, die sich nach dem Inkrafttreten des entsprechenden Teils des Übereinkommens für das betreffende Mitglied ereignet haben, soweit sich die Ansprüche auf diese Leistungen aus Zeiten vor diesem Inkrafttreten herleiten.

Artikel 44 1. Dieses Übereinkommen ändert nach Massgabe der Bestimmungen dieses Artikels das Übereinkommen über Altersversicherung (Gewerbe usw.), 1933, das Übereinkommen über Altersversicherung (Landwirtschaft), 1933, das Übereinkommen über Invaliditätsversicherung (Gewerbe usw.), 1933, das Übereinkommen über Invaliditätsversicherung (Landwirtschaft), 1933, das Übereinkommen über die Hinterbliebenenversicherung (Gewerbe usw.), 1933, und das Übereinkommen über die Hinterbliebenenversicherung (Landwirtschaft), 1933.

2. Die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen durch ein Mitglied, das eines oder mehrere der abgeänderten Übereinkommen ratifiziert hat, hat für dieses Mitglied im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Übereinkommens die nachstehenden Rechtsfolgen : a) Die Übernahme der Verpflichtungen aus Teil II des Übereinkommens schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des Übereinkommens über Invaliditätsversicherung (Gewerbe usw.), 1933, und des Übereinkommens über Invaliditätsversicherung (Landwirtschaft), 1933, in sich; b) die Übernahme der Verpflichtungen aus Teil III des Übereinkommens schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des Übereinkommens über Altersversicherung (Gewerbe usw.), 1933, und des Übereinkommens über Altersversicherung (Landwirtschaft), 1933, in sich; c) die Übernahme der Verpflichtungen aus Teil IV des Übereinkommens schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des Übereinkommens über die Hinterbliebenenversicherung (Gewerbe usw.), 1933, und des Übereinkommens über die Hinterbliebenenversicherung (Landwirtschaft), 1933, in sich.

Artikel 45 1. Nach Artikel 75 des Übereinkommens über Soziale Sicherheit (Mindestnormen), 1952, verlieren die folgenden Teile jenes Übereinkommens sowie die entsprechenden Bestimmungen anderer Teile gegenüber jedem Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, ihre Wirksamkeit von dem Zeitpunkt an, in dem dieses Übereinkommen für das Mitglied verbindlich ist und keine nach Artikel 38 abgegebene Erklärung in Kraft ist : a) Teil IX, wenn das Mitglied die Verpflichtungen aus diesem
Übereinkommen für Teil II übernommen hat; b) Teil V, wenn das Mitglied die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Teil III übernommen hat; c) Teil X, wenn das Mitglied die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Teil IV übernommen hat.

1405 2. Die Übernahme der Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen gilt, sofern keine Erklärung nach Artikel 38 in Kraft ist, für die Zwecke des Artikels 2 des Übereinkommens über Soziale Sicherheit (Mindestnormen), 1952, als Übernahme der Verpflichtungen aus den folgenden Teilen und der entsprechenden Bestimmungen anderer Teile jenes Übereinkommens : a) Teil IX, wenn das Mitglied die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Teil II übernommen hat; b) Teil V, wenn das Mitglied die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Teil III übernommen hat; c) Teil X, wenn das Mitglied die Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen für Teil IV übernommen hat.

Artikel 46 Enthält ein Übereinkommen, das später von der Konferenz angenommen wird und sich auf einen oder mehrere der im vorliegenden Übereinkommen behandelten Gegenstände bezieht, eine dahingehende Bestimmung, so verlieren die Bestimmungen des vorliegenden Übereinkommens, die in dem neuen Übereinkommen angeführt werden, gegenüber jedem Mitglied, welches das neue Übereinkommen ratifiziert hat, ihre Wirksamkeit von dem Zeitpunkt an, in dem das neue Übereinkommen für das betreffende Mitglied in Kraft tritt.

Teil VIII. Schlussbestimmungen

Artikel 47 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 48 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 49 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann das Übereinkommen oder einen oder mehrere der Teile II bis IV nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

1406 2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen oder einen oder mehrere der Teile II bis IV jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 50 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 51 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 52 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 53 1. Nimmt die Konferenz ein neues'Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen : a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 49, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

1407 Artikel 54 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

ANHANG Internationale Systematik der wirtschaftlichen Tätigkeiten (Revidiert 1958) Verzeichnis der Abteilungen und Hauptgruppen Hauptgruppe

Abteilung

Abteilung 0,. Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei 01. Landwirtschaft 02. Forstwirtschaft und Waldnutzung 03. Jagd, Fallenstellerei und Wildhege 04. Fischerei Abteilung 1. Industrien zur Gewinnung von Rohstoffen 11.

12.

13.

14.

19.

Kohlenbergbau Metallbergbau Erdöl- und Erdgasgewinnung Stein-, Ton- und Sandgewinnung Gewinnung sonstiger nichtmetallischer Mineralien Abteilung2-3. Verarbeitendeindustrien

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

Nahrungsmittelindustrie, mit Ausnahme der Getränkeindustrie Getränkeindustrie Tabakindustrie Textilindustrie Herstellung von Schuhen, Bekleidungsgegenständen und anderen Gegenständen aus Textilien Holz- und Korkindustrie, mit Ausnahme der Möbelindustrie Möbelindustrie und Schreinerei Papierindustrie und Papierwarenindustrie Druck-und Verlagsgewerbe und verwandte Gewerbe Lederindustrie und Lederwaren- und Pelzwarenindustrie, mit Ausnahme der Herstellung von Schuhen und anderen Bekleidungsgegenständen Kautschukindustrie Chemische Industrie

1408 Hauptgruppe

Abteilung

32. Industrie der Erdöl- und Kohlenderivate 33. Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien, mit Ausnahme der Erdölund Kohlenderivate 34. Metallurgische Grundindustrien 35. Herstellung von Metallwaren, mit Ausnahme von Maschinen und Transportmaterial 36. Maschinenbauindustrie, mit Ausnahme der Elektromaschinenindustrie 37. Herstellung von elektrischen Maschinen, Elektroapparaten, Elektrogeräten und Elektrozubehör 38. Herstellung von Transportmaterial 39. Verschiedene verarbeitende Industrien Abteilung 4. Baugewerbe und öffentliche Arbeiten 40.

Baugewerbe und öffentliche Arbeiten Abteilung 5. Elektrizität, Gas, Wasser und sanitäre Anlagen

51.

52.

Elektrizität, Gas, Dampf Wasserversorgung und sanitäre Anlagen Abteilung 6. Handel, Banken, Versicherungen, Immobiliengeschäfte

61. Gross- und Einzelhandel 62. Banken und andere Finanzinstitute 63. Versicherungen 64. Immobiliengeschäfte Abteilung 7. Transportwesen, Lagerung und Verkehrswesen 71.

72.

73.

Transportwesen Lagerung Verkehrswesen

81.

82.

83.

84.

85.

Abteilung 8. Dienstleistungen Verwaltung Dienstleistungen für die Öffentlichkeit Dienstleistungen für Geschäftsbetriebe Dienstleistungen für Freizeitgestaltung Persönliche Dienstleistungen Abteilung 9. Ungenügend umschriebene Tätigkeiten

90.

Ungenügend umschriebene Tätigkeiten

1409

Empfehlung 131 Empfehlung betreffend Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am T.Juni 1967 zu ihrer einundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Neufassung des Übereinkommens über Altersversicherung (Gewerbe usw.), 1933, des Übereinkommens über Altersversicherung (Landwirtschaft), 1933, des Übereinkommens über Invaliditätsversicherung (Gewerbe usw.), 1933, des Übereinkommens über Invaliditätsversicherung (Landwirtschaft), 1933, des Übereinkommens über die Hinterbliebenenversicherung (Gewerbe usw.), 1933, und des Übereinkommens über die Hinterbliebenenversicherung (Landwirtschaft), 1933, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene, 1967, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1967, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene, 1967, bezeichnet wird.

I. Allgemeine Bestimmungen l. In dieser Empfehlung a) umfasst der Ausdruck «Gesetzgebung» alle Gesetze und Verordnungen sowie die satzungsmässigen Bestimmungen auf dem Gebiet der Sozialen Sicherheit; b) bedeutet der Ausdruck «vorgeschrieben» von oder auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung bestimmt; c) bezieht sich der Ausdruck «unterhaltsberechtigt» auf die in vorgeschriebenen Fällen als gegeben angenommene Unterhaltsberechtigung; d) bedeutet der Ausdruck «Ehefrau» eine Ehefrau, für deren Unterhalt der Ehemann sorgt; e) bedeutet der Ausdruck «Witwe» eine Frau, für deren Unterhalt der Ehemann zur Zeit seines Todes gesorgt hat; f) bezeichnet der Ausdruck «Kind» i) ein Kind unter dem Alter, in dem die Schulpflicht endet, oder ein Kind unter 15 Jahren, wobei die höhere Altersgrenze in Betracht zu ziehen ist, und Bundesblatt. IZO.Jahrg. Bd.I.

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1410 ii) unter vorgeschriebenen Bedingungen ein Kind unter einer vorgeschriebenen Altersgrenze, die höher als die in Unterabsatz i) angegebene ist, sofern dieses Kind Lehrling oder Student ist oder infolge einer chronischen Krankheit oder Behinderung erwerbsunfähig ist; g) bedeutet der Ausdruck «Wartezeit» entweder eine Beitragszeit oder eine Beschäftigungszeit oder eine Wohnsitzzeit oder irgendeine Verbindung dieser Zeiten, je nachdem was vorgeschrieben ist ; h) bedeutet der Ausdruck «beitragsgebundene Leistungen» Leistungen, deren Gewährung von einer unmittelbaren finanziellen Beteiligung der geschützten Personen oder ihres Arbeitgebers oder von einer Berufstätigkeit während einer Wartezeit abhängt.

II. Geschützte Personen

2. Die Mitglieder sollten den Geltungsbereich ihrer Gesetzgebung über Leistungen bei Invalidität und Alter, wenn nötig schrittweise, unter geeigneten Voraussetzungen ausdehnen auf a) Personen, die zu gelegentlichen Arbeiten verwendet werden ; b) alle erwerbstätigen Personen.

3. Die Mitglieder sollten den Geltungsbereich ihrer Gesetzgebung über Leistungen an Hinterbliebene, wenn nötig schrittweise, unter geeigneten Voraussetzungen ausdehnen auf die Ehefrauen, Kinder und sonstigen von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten unterhaltsberechtigten Angehörigen von a) Personen, die zu gelegentlichen Arbeiten verwendet werden ; b) allen erwerbstätigen Personen.

HI. Gedeckte Fälle

4. Die Begriffsbestimmung der Invalidität sollte die Unfähigkeit berücksichtigen, eine mit einem nennenswerten Verdienst verbundene berufliche Tätigkeit auszuüben.

5. Bei Teilinvalidität sollte unter vorgeschriebenen Bedingungen eine gekürzte Leistung gewährt werden.

6. Im Hinblick auf den Schutz der Personen, die ein vorgeschriebenes Alter überschritten, aber das Rentenalter noch nicht erreicht haben, sollten die Mitglieder unter vorgeschriebenen Bedingungen Leistungen gewähren an a) Personen, deren Arbeitsuntauglichkeit festgestellt ist oder vermutet wird; b) Personen, die während einer vorgeschriebenen Zeit unfreiwillig arbeitslos waren; c) andere vorgeschriebene Personengruppen, bei denen dies aus sozialen Gründen gerechtfertigt ist.

7. Das Rentenalter sollte gegebenenfalls unter vorgeschriebenen Bedingungen für alle vorgeschriebenen Personengruppen, bei denen dies aus sozialen Gründen gerechtfertigt ist, herabgesetzt werden.

1411 8. Eine gekürzte Leistung bei Alter sollte unter vorgeschriebenen Bedingungen einer geschützten Person gewährt werden, die allein wegen ihres vorgeschrittenen Alters im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzgebung zur Durchführung des Übereinkommens über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene, 1967, die vorgeschriebenen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllen konnte, es sei denn, dass einer solchen Person in einem höheren als dem normalen Rentenalter eine Leistung nach den Bestimmungen von Artikel 18 Absätze l, 3 oder 4 jenes Übereinkommens gewährt wird.

9. Wird der Anspruch einer Witwe auf eine Leistung an Hinterbliebene davon abhängig gemacht, dass sie ein vorgeschriebenes Alter erreicht hat, so sollte Witwen unter diesem Alter jede Unterstützung gewährt und alle Einrichtungen, einschliesslich solcher für Ausbildung und Arbeitsvermittlung, zur Verfügung gestellt sowie, falls angebracht, Leistungen gewährt werden, damit sie eine geeignete Beschäftigung finden können.

10. Eine Witwe, deren Ehemann die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt hatte, die aber selbst die Voraussetzungen für eine Leistung an Hinterbliebene nicht erfüllt, sollte Anspruch auf eine Zulage während einer bestimmten Zeit oder auf Sterbegeld haben.

11. Eine beitragsgebundene Leistung bei Alter oder eine beitragsgebundene Leistung an Hinterbliebene an eine Witwe sollte von einem vorgeschriebenen Alter an nicht allein deswegen ruhen, weil die betreffende Person eine Erwerbstätigkeit ausübt.

12. Ein invalider und unterhaltsberechtigter Witwer sollte unter vorgeschriebenen Bedingungen den gleichen Anspruch auf Leistungen an Hinterbliebene haben wie eine Witwe.

13. Eine Leistung bei Invalidität sollte mindestens einer geschützten Person gewährleistet werden, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit zurückgelegt hat, die in einer Beitrags-, Beschäftigungs- oder Wohnsitzzeit von fünf Jahren bestehen kann.

14. Für jugendliche Arbeitnehmer die ein vorgeschriebenes Alter noch nicht erreicht haben, sollte die Wartezeit für die Gewährung einer Leistung bei Invalidität unter vorgeschriebenen Bedingungen entfallen oder verkürzt werden.

15. Ist die Invalidität auf einen Unfall zurückzuführen, so sollte die Wartezeit für die Gewährung einer Leistung bei Invalidität unter
vorgeschriebenen Bedingungen entfallen oder verkürzt werden.

16. Eine Leistung bei Alter sollte mindestens einer geschützten Person gewährleistet werden, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit zurückgelegt hat, die in einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit von 20 Jahren oder einer Wohnsitzzeit von 15 Jahren bestehen kann.

17. Wird die Gewährung einer Leistung bei Alter von der Zurücklegung einer Mindestbeitrags- oder Mindestbeschäftigungszeit abhängig gemacht, so sollte eine gekürzte Leistung mindestens einer geschützten Person gewährleistet

1412 werden, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine Wartezeit von zehn Beitrags- oder Beschäftigungsjahren zurückgelegt hat.

18. Wird die Gewährung einer Leistung bei Alter von der Zurücklegung einer Mindestbeitrags- oder Mindestbeschäftigungszeit abhängig gemacht, so sollte der Betrag der Leistung bei Alter unter vorgeschriebenen Bedingungen erhöht werden, a) sofern die Gewährung der Leistung vom Verzicht auf die Ausübung einer vorgeschriebenen Erwerbstätigkeit abhängig gemacht wird : wenn eine Person, die das Rentenalter erreicht und die für die Gewährung einer Leistung vorgeschriebene Beitrags- oder Beschäftigungszeit zurückgelegt hat, ihren Eintritt in den Ruhestand aufschiebt ; b) sofern die Gewährung einer Leistung bei Alter nicht vom Verzicht auf die Ausübung einer vorgeschriebenen Erwerbstätigkeit abhängig gemacht wird: wenn eine Person, .die das Rentenalter erreicht und die für die Gewährung einer Leistung vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt hat, die Geltendmachung ihres Leistungsanspruchs aufschiebt.

19. Eine Leistung an Hinterbliebene sollte mindestens unter den in Absatz 13 dieser Empfehlung vorgesehenen Voraussetzungen für den Bezug einer Leistung bei Invalidität gewährleistet werden.

20. Wird die Gewährung einer Leistung bei Invalidität oder Alter oder an Hinterbliebene von der Zurücklegung einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit abhängig gemacht, so sollten zumindest die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge von Erkrankung, Unfall öder Mutterschaft und die Zeiten unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, für die eine Leistung gezahlt wurde, unter vorgeschriebenen Bedingungen für die Berechnung der von der betreffenden Person zurückgelegten Wartezeit den Beitrags- oder Beschäftigungszeiten gleichgestellt werden.

21. Wird die Gewährung einer Leistung bei Invalidität oder Alter oder an Hinterbliebene von der Zurücklegung einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit abhängig gemacht, so sollten die Zeiten der Erfüllung der Militärdienstpflicht unter vorgeschriebenen Bedingungen für die Berechnung der von der betreffenden Person zurückgelegten Wartezeit den Beitrags- oder Beschäftigungszeiten gleichgestellt werden.

IV. Leistungen 22. Die in der Tabelle zu Teil V des Übereinkommens über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene, 1967, angegebenen
Hundertsätze sollten um mindestens zehn Einheiten erhöht werden.

23. Die innerstaatliche Gesetzgebung sollte die Mindestbeträge für die Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene so festsetzen, dass sie das Existenzminimum gewährleisten.

24. Die Beträge der Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene sollten unter Berücksichtigung von Änderungen der allgemeinen Verdiensthöhe oder der Lebenshaltungskosten regelmässig angepasst werden.

1413 25. Für Leistungsempfänger, die ständig fremder Hilfe oder Betreuung bedürfen, sollten unter vorgeschriebenen Bedingungen Leistungserhöhungen oder zusätzliche oder besondere Leistungen vorgesehen werden.

26. Leistungen, auf die eine geschützte Person sonst Anspruch hätte, sollten nicht allein deswegen ruhen, weil sie sich ausserhalb des Gebiets des Mitglieds aufhält.

Empfehlung 129

Empfehlung betreffend Kommunikationen zwischen Betriebsleitung und Belegschaft Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1967 zu ihrer einundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, ; i nimmt Kenntnis von den Bestimmungen der Empfehlung betreffend Zusammenarbeit im Bereich des Betriebs, 1952 ; hält es für erwünscht, die Bestimmungen dieser Urkunde zu ergänzen ; hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen, betreffend das Kommunikationswesen im Betrieb, eine Frage, die zum fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1967, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend Kommunikationen im Betrieb; 1967, bezeichnet wird.

I. Allgemeine Erwägungen 1. Jedes Mitglied sollte die erforderlichen Massnahmen treffen, um die Bestimmungen dieser Empfehlung den Personen, Organisationen und Stellen zur Kenntnis zu bringen, zu deren Aufgaben die Festlegung und Anwendung einer Politik der Kommunikationen zwischen Betriebsleitung und Belegschaft gehören können.

2. (1) Die Arbeitgeber und ihre Verbände sowie die Arbeitnehmer und ihre Verbände sollten in ihrem gemeinsamen Interesse die Bedeutung anerkennen, die einem Klima des gegenseitigen Verständnisses und Vertrauens im Betrieb zukommt, das sowohl der Leistungsfähigkeit des Betriebs als auch den Bestrebungen der Arbeitnehmer förderlich ist.

(2) Dieses Klima sollte durch die rasche Verbreitung und den raschen Austausch von möglichst vollständigen und sachlichen Informationen über die verschiedenen Seiten des Betriebsgeschehens und die sozialen Verhältnisse der Arbeitnehmer gefördert werden.

Bundesblatt. 120.Jahrg.Bd.I

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1414 (3) Um ein solches Klima zu fördern, sollte die Betriebsleitung nach Anhörung der Vertreter der Arbeitnehmer geeignete Massnahmen treffen, um eine wirksame Politik der Kommunikation mit den Arbeitnehmern und deren Vertretern anzuwenden.

3. Eine wirksame Kommunikationspolitik sollte gewährleisten, dass Informationen verbreitet werden und Beratungen zwischen den beteiligten Parteien stattfinden, bevor die Betriebsleitung Entscheidungen über Fragen von grösserem Interesse trifft, soweit die Bekanntgabe dieser Informationen keiner der Parteien schadet.

4. Die Kommunikationsverfahren sollten in keiner Weise die Vereinigungsfreiheit beeinträchtigen ; sie sollten in keiner Weise den frei gewählten Vertretern der Arbeitnehmer oder ihren Verbänden Nachteile verursachen oder die Funktionen von Körperschaften, die entsprechend der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis die Arbeitnehmer vertreten, einschränken.

5. Die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sollten miteinander Beratungen und einen Meinungsaustausch pflegen, um zu prüfen, welche Massnahmen zur Ermutigung und Förderung der Anerkennung sowie der wirksamen Anwendung der Kommunikationspolitik zu treffen sind.

6. Es sollten Massnahmen getroffen werden, um die Beteiligten in der Anwendung der Kommunikationsverfahren auszubilden und sie soweit wie möglich mit allen Sachfragen vertraut zu machen, über die Kommunikationen stattfinden sollten.

7. Bei der Festlegung und, Anwendung einer Kommunikationspolitik sollten sich Betriebsleiter, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Körperschaften, welche die Arbeitnehmer vertreten, sowie, falls dies unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verhältnisse angebracht erscheint, Behörden von den in Abschnitt n enthaltenen Bestimmungen leiten lassen.

u. Grundzüge einer Kommunikationspolitik im Betrieb 8. Jede Kommunikationspolitik sollte der Natur des betreffenden Betriebs unter Berücksichtigung seiner Grosse sowie der Zusammensetzung und der Interessen der Belegschaft angepasst sein.

9. Jedes innerbetriebliche Kommunikationssystem sollte, um seinen Zweck zu erfüllen, so beschaffen sein, dass es in beiden Richtungen wirksame und regelmässige Kommunikationen gewährleistet zwischen a) Vertretern der Betriebsleitung (Betriebsleiter, Abteilungsleiter, Meister usw.) und der Belegschaft ; b) dem Betriebsleiter,
dem Personalleiter oder einem anderen Vertreter der obersten Betriebsleitung und den gewerkschaftlichen Vertretern oder anderen Personen, die nach der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis oder auf Grund von Gesamtarbeitsverträgen mit der Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb betraut sind.

1415 10. Wenn die Betriebsleitung Informationen auf dem Wege über die Vertreter der Arbeitnehmer zu übermitteln wünscht, sollten diesen, sofern sie sich hierzu bereit erklären, die Mittel gegeben werden, sie rasch und vollständig an die beteiligten Arbeitnehmer weiterzuleiten.

11. Die Betriebsleitung sollte bei der Wahl des Kommunikationsweges beziehungsweise der Kommunikationswege, die ihr für die zu übermittelnden Informationen geeignet erscheinen, die unterschiedlichen Funktionen der betrieblichen Vorgesetzten und der Arbeitnehmervertreter gebührend berücksichtigen, um weder die Stellung der einen noch die der anderen zu schwächen.

12. Für die Wahl des geeigneten Kommunikationsmittels und des Zeitpunktes der Kommunikation sollten unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gepflogenheiten die Umstände der jeweiligen Sachlage massgebend sein.

13. Als Kommunikationsmittel können u. a. dienen: : a) Zusammenkünfte zum Austausch von Meinungen und Informationen; b) Mittel zur Unterrichtung bestimmter Gruppen der Belegschaft, z. B. Mitteilungsblätter für Meister .und Handbücher über Personalpolitik; c) Massenmedien, wie Werkzeitungen und -Zeitschriften; Nachrichtenrundschreiben und Informations- und Einführungsrundschreiben; Anschlagbretter; Jahresberichte und Bilanzberichte, die in einer für alle Arbeitnehmer verständlichen Form abgefasst sind; Briefe an die Arbeitnehmer; Ausstellungen; Betriebsbesichtigungen; Filme, Stehbildstreifen und Diapositive; Rundfunk und Fernsehen; d) Mittel, die den Arbeitnehmern die Möglichkeit geben, Vorschläge zu unterbreiten und ihre Meinung zu Fragen zu äussern, die sich auf den Gang des Betriebs beziehen.

14. Inhalt und Form der zu übermittelnden Informationen sollten durch das Bestreben bestimmt werden, das gegenseitige Verständnis hinsichtlich der aus der Vielfalt der Betriebstätigkeit entstehenden Probleme zu erleichtern.

15. (1) Die von der Betriebsleitung ausgehenden Informationen sollten unter Berücksichtigung ihrer Natur entweder an die Vertreter der Arbeitnehmer oder an die Belegschaft gerichtet sein und sollten soweit wie möglich alle die Belegschaft interessierenden Fragen umfassen, welche den Gang und die Zukunftsaussichten des Betriebs sowie die gegenwärtige und künftige Lage der Belegschaft betreffen, soweit die Bekanntgabe der Informationen den
Parteien nicht schadet.

(2) Die Betriebsleitung sollte insbesondere über die nachstehenden Angelegenheiten Auskunft erteilen : a) allgemeine Beschäftigungsbedingungen, einschliesslich Einstellung, Versetzung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses ; b) Beschreibung der verschiedenen Arbeitsplätze und der damit verbundenen Aufgaben und ihrer Stellung im Betriebsaufbau ; c) Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb; d) allgemeine Arbeitsbedingungen; :

1416 e) Vorschriften für den Arbeitsschutz und Anweisungen für die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten ; · . .

f) Verfahren für die Behandlung von Beschwerden sowie die Regeln und Gepflogenheiten ihrer Anwendung und die Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme; g) betriebliche Sozialeinrichtungen (ärztliche Betreuung, Hygiene, Kantinen, Wohnungen, Einrichtungen für Freizeitgestaltung, Spar- und Bankwesen usw.) ; h) betriebliche Systeme der Sozialen Sicherheit und Sozialfürsorge ; i) Bestimmungen der innerstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit, denen die Arbeitnehmer auf Grund ihrer Beschäftigung im Betrieb unterstehen ; j) allgemeine Lage des Betriebs und Aussichten oder Pläne für seine künftige Entwicklung; k) Erläuterung von Beschlüssen, die einen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf die Lage der Belegschaft haben können; l) Verfahren der Beratung, Aussprache und Zusammenarbeit zwischen der Betriebsleitung und ihren Vertretern auf der einen und den Arbeitnehmern und ihren Vertretern auf der anderen Seite.

(3) Handelt es sich um Fragen, die den Gegenstand von Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern oder ihren Vertretern im Betrieb oder eines auf überbetrieblicher Ebene abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrages gebildet haben, so sollte in den Informationen ausdrücklich darauf hingewiesen werden.

Empfehlung 130

Empfehlung betreffend die Behandlung von Beschwerden im Betrieb mit dem Ziel ihrer Beilegung Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1967 zu ihrer einundf ünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, nimmt Kenntnis von den Bestimmungen der bestehenden internationalen Arbeitsempfehlungen, die verschiedene Seiten der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen behandeln, insbesondere der Empfehlung betreffend die Gesamtarbeitsverträge, 1951, der Empfehlung betreffend das freiwillige Einigungs- und Schiedsverfahren, 1951, der Empfehlung betreffend Zusammenarbeit im Bereich des Betriebs, 1952, und der Empfehlung betreffend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 1963 ; hält es für erwünscht, die Bestimmungen dieser Urkunden zu ergänzen ; nimmt Kenntnis von den Bestimmungen der Empfehlung betreffend Kommunikationen im Betrieb ,1967;

1417 hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Behandlung von Beschwerden im Betrieb, eine Frage, die zum fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 29. Juni 1967, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Behandlung von Beschwerden, 1967, bezeichnet wird.

I. Art und Weise der Durchführung

1. Die Durchführung dieser Empfehlung kann durch die innerstaatliche Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, betriebliche Regelungen, Schiedssprüche oder auf irgendeine andere, den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Art und Weise erfolgen, die unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse jedes Landes geeignet erscheint.

u. Allgemeine Grundsätze

2. Jeder im eigenen Namen oder gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern handelnde Arbeitnehmer, der glaubt, Grund zu einer Beschwerde zu haben, sollte das Recht haben, a) diese Beschwerde vorzubringen, ohne dass ihm daraus Nachteile irgendwel. eher Art entstehen, und b) diese Beschwerde nach einem geeigneten Verfahren behandeln zu lassen.

3. Die Beschwerdegründe können auf jeder Massnahme oder Sachlage beruhen, die die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft oder die Beschäftigungsbedingungen eines oder mehrerer Arbeitnehmer des Betriebes .

berührt oder berühren könnte, wenn diese Massnahme oder Sachlage mit den Bestimmungen eines geltenden Gesamtarbeitsvertrages oder Einzelarbeitsvertrages, den betrieblichen Regelungen, der Gesetzgebung oder der Gewohnheit oder Übung in dem betreffenden Beruf, Wirtschaftszweig oder Land im Widerspruch zu stehen scheint, wobei die Grundsätze von Treu und Glauben berücksichtigt werden sollten.

4. (1) Die Bestimmungen dieser Empfehlung gelten nicht für kollektive Forderungen, die auf eine Änderung der Beschäftigungsbedingungen abzielen.

(2) Es ist Sache der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis, die Unterscheidung zu treffen zwischen Fällen, in denen eine von einem oder mehreren Arbeitnehmern vorgebrachte Beanstandung eine Beschwerde ist, die im Rahmen der in dieser Empfehlung in Aussicht genommenen Verfahren zu behandeln ist, und Fällen, in denen eine Beanstandung einer Forderung allgemeiner Art gleichkommt, die im Wege von Kollektiwerhandlungen oder im Rahmen eines anderen Verfahrens zur Beilegung von Streitigkeiten zu behandeln ist.

5. Werden Verfahren zur Behandlung von Beschwerden durch Gesamtarbeitsvertrag eingeführt, so sollte den Parteien eines solchen Vertrags nahegelegt

1418 werden, in diesen eine Bestimmung aufzunehmen, wonach sie sich während der Geltungsdauer des Vertrags um die Beilegung von Beschwerden im Rahmen der vorgesehenen Verfahren bemühen und sich jeder Handlung enthalten werden, die die wirksame Anwendung dieser Verfahren behindern könnte.

6. Die Arbeitnehmerverbände oder die Vertreter der Arbeitnehmer im Betrieb sollten, vorzugsweise im Wege einer Vereinbarung, mit den gleichen Rechten und Pflichten zusammen mit den Arbeitgebern oder deren Verbänden an der Schaffung und Anwendung der Beschwerdeverfahren im Betrieb beteiligt werden, in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis.

7. (1) Um die Zahl der Beschwerden zu verringern, sollte der Festlegung und wirksamen Anwendung einer gesunden Personalpolitik, die den Rechten und Interessen der Arbeitnehmer Rechnung trägt und auf sie Rücksicht nimmt, grösste Beachtung geschenkt werden.

(2) Im Hinblick auf die Verwirklichung einer solchen Politik und auf die Lösung sozialer Fragen, die die Arbeitnehmer des Betriebes angehen, sollte die Betriebsleitung, bevor sie eine Entscheidung trifft, mit den Vertretern der Arbeitnehmer zusammenarbeiten.

,8. Beschwerden sollten soweit wie möglich innerhalb des Betriebs selbst im Rahmen wirksamer Verfahren beigelegt werden, die den Verhältnissen in dem betreffenden Land, Wirtschaftszweig und Betrieb angepasst sind und den beteiligten Parteien jede Gewähr für Sachlichkeit geben.

9. Keine Bestimmung dieser Empfehlung sollte zu einer Einschränkung des Rechtes eines Arbeitnehmers führen, in einer Beschwerdesache die zuständige Arbeitsbehörde, ein Arbeitsgericht oder ein anderes Gericht unmittelbar anzurufen, wenn dieses Recht von der innerstaatlichen Gesetzgebung anerkannt ist.

in. Innerbetriebliche Verfahren 10. (1) In der Regel sollte zuerst versucht werden, Beschwerden unmittelbar zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer, allein oder unterstützt von einem Beistand, und seinem unmittelbaren Vorgesetzten beizulegen.

(2) Scheitert ein solcher Beilegungsversuch oder ist die Beschwerde solcher Art, dass eine persönliche Aussprache zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer und seinem unmittelbaren Vorgesetzten nicht angebracht wäre, so sollte der Arbeitnehmer ein Recht auf Prüfung seines Falles auf einer oder mehreren höheren Stufen haben, wobei die Art
der Beschwerde und die Gliederung und Grosse des Betriebs berücksichtigt werden sollten.

11. Die Beschwerdeverfahren sollten so gestaltet und angewendet werden, dass eine echte Möglichkeit besteht, auf jeder in dem Verfahren vorgesehenen Stufe zu einer von dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber aus freien Stücken angenommenen Beilegung des Streitfalls zu gelangen.

12. Die Beschwerdeverfahren sollten so einfach und so rasch wie möglich sein, wofür erforderlichenfalls angemessene Fristen vorgeschrieben werden kön-

1419 nen ; die mit der Anwendung dieser Verfahren verbundenen Förmlichkeiten sollten auf ein Mindestmass beschränkt werden.

13. (1) Der beteiligte Arbeitnehmer sollte das Recht haben, am Beschwerdeverfahren unmittelbar teilzunehmen und sich während der Behandlung seiner Beschwerde in Übereinstimmung mit der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis von einem Vertreter eines Arbeitnehmerverbandes, einem Vertreter der Arbeitnehmer im Betrieb oder einer anderen Person seiner eigenen Wahl unterstützen oder vertreten zu lassen.

(2) Der Arbeitgeber sollte das Recht haben, sich von einem Arbeitgeberverband unterstützen oder vertreten zu lassen.

(3) Jede in demselben Betrieb beschäftigte Person, die den Arbeitnehmer während der Behandlung seiner Beschwerde unterstützt oder vertritt, sollte unter der Voraussetzung, dass sie sich an das Beschwerdeverfahren hält, den gleichen Schutz gemessen, wie er dem Arbeitnehmer auf Grund von Absatz 2 Buchstabe a) dieser Empfehlung zusteht.

14. Der beteiligte Arbeitnehmer oder sein Vertreter, sofern dieser in demselben Betrieb beschäftigt ist, sollte über genügend Zeit verfügen können, um an dem Verfahren zur Behandlung der Beschwerde teilnehmen zu können.

Er sollte keinen Verdienstausfall erleiden, wenn er infolge einer solchen Beteiligung der Arbeit fernbleibt ; dabei sollten die gegebenenfalls durch die Gesetzgebung, Gesamtarbeitsverträge oder auf andere geeignete Weise festgelegten Regeln und Gepflogenheiten - einschliesslich von Sicherheitsklauseln gegen Missbräuche - berücksichtigt werden.

15. Wenn die Parteien es für erforderlich halten, kann in gegenseitigem Einvernehmen eine Verhandlungsniederschrift angefertigt und den Parteien zur Verfügung gestellt werden.

16. (1) Es sollten geeignete Massnahmen getroffen werden, um zu gewährleisten, dass alle Arbeitnehmer von den Beschwerdeverfahren sowie den Regeln und Gepflogenheiten ihrer Anwendung und den Bedingungen Kenntnis erhalten, unter denen diese Verfahren in Anspruch genommen werden können.

(2) Jeder Arbeitnehmer, der eine Beschwerde vorgebracht hat, sollte über den Verlauf des Verfahrens und die auf Grund seiner Beschwerde unternommenen Schritte auf dem laufenden gehalten werden.

IV. Regelung nicht beigelegter Beschwerden 17. Sind alle Bemühungen, eine Beschwerde innerhalb des Betriebs beizulegen,
gescheitert, so sollte unter Berücksichtigung der Art der Beschwerde die Möglichkeit bestehen, sie durch eines oder mehrere der nachstehenden Verfahren endgültig beizulegen: a) durch Gesamtarbeitsvertrag vorgesehene Verfahren, z.B. die gemeinsame Prüfung des Falles durch die beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände oder durch freiwillige Anrufung einer oder mehrerer Personen als

1420 Schiedsrichter, die im Einvernehmen mit dem beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder mit deren Verbänden bestellt werden; b) Einigungs- oder Schiedsverfahren der zuständigen Behörden ; c) Anrufung eines Arbeitsgerichts oder eines anderen Gerichts ; d) ein anderes Verfahren, das unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verhältnisse geeignet erscheint.

18. (1) Dem Arbeitnehmer sollte die notwendige Zeit eingeräumt werden, damit er an den in Absatz 17 dieser Empfehlung erwähnten Verfahren teilnehmen kann.

(2) Die Inanspruchnahme irgendeines der in Absatz 17 vorgesehenen Verfahren sollte für den Arbeitnehmer keinen Verdienstausfall zur Folge haben, wenn sich seine Beschwerde im Laufe des Verfahrens als gerechtfertigt erweist. Es sollten nach Möglichkeit alle Anstrengungen unternommen werden, um diese Verfahren während der arbeitsfreien Zeit der beteiligten Arbeitnehmer abzuwikkeln.

Übereinkommen 127

Übereinkommen über die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1967 zu ihrer einundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1967, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die höchstzulässige Traglast, 1967, bezeichnet wird.

Artikel l Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet a) der Ausdruck «Beförderung von Traglasten» jede Beförderung, bei der das Gewicht der Last vollständig von einem Arbeitnehmer getragen wird; er umfasst auch das Heben und Absetzen der Last;

1421 b) der Ausdruck «regelmässige Beförderung von Traglasten» jede Tätigkeit, die dauernd oder hauptsächlich der Beförderung von Traglasten gewidmet ist oder in der Regel, wenn auch mit Unterbrechungen, die Beförderung von Traglasten einschliesst; c) der Ausdruck «jugendlicher Arbeitnehmer» einen Arbeitnehmer unter 18 Jahren.

Artikel 2 1. Dieses Übereinkommen gilt für die regelmässige Beförderung von Traglasten.

2. Dieses Übereinkommen gilt für alle Wirtschaftszweige, für die das betreffende Mitglied ein System der Arbeitsaufsicht unterhält.

\Artikel |3

;

Die Beförderung von Traglasten, deren Gewicht die Gesundheit oder die Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden könnte, darf weder verlangt noch zugelassen werden.

Artikel 4 Bei der Durchführung des in Artikel 3 festgelegten Grundsatzes haben die Mitglieder alle Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen die Arbeit ausgeführt werden muss.

Artikel 5 , Jedes Mitglied hat die erforderlichen Massnahmen zu treffen, damit jeder Arbeitnehmer, der bei der Beförderung von anderen als leichten Traglasten eingesetzt wird, vorher zum Schütze seiner Gesundheit und zur Verhütung von Unfällen eine angemessene Ausbildung oder Anleitung in den anzuwendenden Arbeitsmethoden erhält.

Artikel 6 Um die Beförderung von Traglasten einzuschränken oder zu erleichtern, sind, soweit irgend möglich, geeignete technische Vorrichtungen zu verwenden.

Artikel 7 1. Der Einsatz von Frauen und jugendlichen Arbeitnehmern bei der Beförderung von anderen als leichten Traglasten ist einzuschränken.

2. Werden Frauen und jugendliche Arbeitnehmer bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt, so hat das höchstzulässige Gewicht dieser Lasten erheblich niedriger zu sein als das für erwachsene männliche Arbeitnehmer.

Artikel 8 Jedes Mitglied hat im Wege der Gesetzgebung oder mittels anderer, den innerstaatlichen Gepflogenheiten und Verhältnissen entsprechender Methoden

1422 und in Beratung mit den massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden die zur Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens erforderlichen Massnahmen zu treffen.

Artikel 9 Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.

Artikel 10 1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.

Artikel 11 '' 1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann.es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Massgabe dieses Artikels kündigen.

Artikel 12 1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.

Artikel 13 Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102

1423

der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.

Artikel 14 Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.

Artikel 15 1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz! oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen : a) Die Ratifikation des neugefassten Übereinkommens durch ein Mitglied schliesst ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 11, vorausgesetzt, dass das neugefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefasste Übereinkommen ratifiziert haben.

Artikel 16 Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.

Empfehlung 128

Empfehlung betreffend die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1967 zu ihrer einundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die höchstzulässige Traglast für einen Arbeitnehmer, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über die höchstzulässige Traglast, 1967, erhalten sollen.

1424 Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1967, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die höchstzulässige Traglast, 1967, bezeichnet wird.

I. Begriffsbestimmung und Geltungsbereich

1. Im Sinne dieser Empfehlung bedeutet a) der Ausdruck «Beförderung von Traglasten» jede Beförderung, bei der das Gewicht der Last vollständig von einem Arbeitnehmer getragen wird; er umfaßt auch das Heben und Absetzen der Last; b) der Ausdruck «regelmäßige Beförderung von Traglasten» jede Tätigkeit, die dauernd oder hauptsächlich der Beförderung von Traglasten gewidmet ist oder in der Regel, wenn auch mit Unterbrechungen, die Beförderung von Traglasten einschließt; c) der Ausdruck «jugendlicher Arbeitnehmer» einen Arbeitnehmer unter 18 Jahren.

2. Unter Vorbehalt anderslautender Bestimmungen gilt diese Empfehlung für die regelmäßige und die gelegentliche Beförderung von anderen als leichten Traglasten.

3. Diese Empfehlung gilt für alle Wirtschaftszweige.

u. Allgemeiner Grundsatz

4. Die Beförderung von Traglasten, deren Gewicht die Gesundheit oder die Sicherheit des Arbeitnehmers gefährden könnte, sollte weder verlangt noch zugelassen werden.

III. Ausbildung und Anleitung

5. (1) Jeder Arbeitnehmer, der bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten eingesetzt wird, sollte vorher zum Schütze seiner Gesundheit und zur Verhütung von Unfällen eine angemessene Ausbildung oder Anleitung in den anzuwendenden Arbeitsmethoden erhalten.

(2) Diese Ausbildung oder Anleitung sollte die Methoden des Hebens, Tragens, Absetzens, Abiadens und Stapeins der verschiedenen Arten von Lasten umfassen und von Personen oder Einrichtungen mit der erforderlichen Sachkenntnis vermittelt werden.

(3) Dieser Ausbildung oder Anleitung sollte, soweit durchführbar, eine Überwachung bei der Arbeit folgen, um dafür zu sorgen, dass die richtigen Methoden angewendet werden.

6. Jeder Arbeitnehmer, der gelegentlich bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt wird, sollte eine angemessene Anleitung in den Methoden erhalten, die die gefahrlose Ausführung solcher Arbeiten gewährleisten.

1425 IV. Arztliche Untersuchungen

7. Eine ärztliche Untersuchung im Hinblick auf die Eignung zur Beschäftigung sollte vor dem Einsatz bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten gefordert werden, soweit dies durchführbar und angebracht ist.

8. Von Zeit zu Zeit sollten je nach Notwendigkeit ärztliche Nachuntersuchungen vorgenommen werden.

9. Die zuständige Stelle sollte Regelungen hinsichtlich der in;den Absätzen 7 und 8 dieser Empfehlung vorgesehenen Untersuchungen erlassen.

10. Über die in Absatz 7 dieser Empfehlung vorgesehene Untersuchung sollte eine Bescheinigung ausgestellt werden. Diese Bescheinigung sollte sich nur auf die Eignung zur Beschäftigung beziehen, aber keine ärztlichen Angaben enthalten.

V. Technische Vorrichtungen und Verpackungen

11. Um die Beförderung von Traglasten einzuschränken oder zu erleichtern, sollten, soweit irgend möglich, geeignete technische Vorrichtungen verwendet werden.

12. Die Verpackungen von Lasten, die gegebenenfalls als Traglasten befördert werden können, sollten nicht sperrig und aus geeigneten Materialien hergestellt sein; sie sollten, soweit 'möglich und angebracht, mit Vorrichtungen zum Anfassen versehen und so beschaffen sein, dass sie keine Unfallgefahr bilden; zum Beispiel sollten sie keine scharfen Kanten, hervorstehenden Teile oder rauhen Oberflächen aufweisen.

VI. Höchstzulässige Traglast

13. Bei der Durchführung dieses Abschnitts der Empfehlung sollten die Mitglieder folgendes berücksichtigen : a) die physiologischen Besonderheiten der Arbeitnehmer, die Umweltbedingungen und die Art der zu verrichtenden Arbeit, b) sonstige Umstände, die sich auf die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer auswirken können.

A. Erwachsene männliche Arbeitnehmer 14. Beträgt das höchstzulässige Gewicht der Traglast für einen erwachsenen männlichen Arbeitnehmer mehr als 55 kg, so sollten so rasch wie möglich Massnahmen getroffen werden, um es auf 55 kg herabzusetzen.

B. Arbeitnehmerinnen 15. Werden erwachsene Arbeitnehmerinnen bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollte das höchstzulässige Gewicht dieser Lasten erheblich niedriger sein als das für erwachsene männliche Arbeitnehmer.

1426 16. Erwachsene Arbeitnehmerinnen sollten, soweit irgend möglich, nicht bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten eingesetzt werden.

17. Werden erwachsene Arbeitnehmerinnen bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollten Vorkehrungen getroffen werden, um a) in geeigneten Fällen die Zeit zu verringern, während der sie tatsächlich Lasten heben, tragen und absetzen; b) ihren Einsatz bei bestimmten genau bezeichneten und besonders beschwer-.

liehen Arbeiten bei der Beförderung von Traglasten zu verbieten.

18. Keine Frau sollte während einer ärztlich festgestellten Schwangerschaft oder während der ersten zehn Wochen nach der Niederkunft bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt werden, wenn diese Arbeit nach Ansicht eines berufenen Arztes geeignet ist, ihre Gesundheit oder diejenige ihres Kindes zu gefährden.

C. Jugendliche Arbeitnehmer

19. Werden jugendliche Arbeitnehmer bei der Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollte das höchstzulässige Gewicht dieser Lasten erheblich niedriger sein als das für erwachsene Arbeitnehmer desselben Geschlechts.

20. Jugendliche Arbeitnehmer sollten, soweit irgend möglich, nicht bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten eingesetzt werden.

21. Beträgt das Mindestalter für den Einsatz bei der Beförderung von Traglasten weniger als 16 Jahre, so sollten so rasch wie möglich Massnahmen getroffen werden, um dieses Alter auf 16 Jahre zu erhöhen.

22. Das Mindestalter für den Einsatz bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten sollte erhöht werden, mit dem Ziel, ein Mindestalter von 18 Jahren zu erreichen.

23. Werden jugendliche Arbeitnehmer bei der regelmässigen Beförderung von Traglasten eingesetzt, so sollten Vorkehrungen getroffen werden, um a) in geeigneten Fällen die Zeit zu verringern, während der sie tatsächlich Lasten heben, tragen und absetzen ; b) ihren Einsatz bei bestimmten genau bezeichneten und besonders beschwerlichen Arbeiten bei der Beförderung von Traglasten zu verbieten.

Vu. Sonstige Massnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit

24. Auf Grund eines ärztlichen Gutachtens und unter Berücksichtigung der besonderen Bedingungen, unter denen die Arbeit ausgeführt werden muss, sollte die zuständige Stelle nach besten Kräften dafür sorgen, dass die Anstrengung, die im Laufe eines Arbeitstages oder einer Schicht von den bei der Beförderung von Traglasten eingesetzten Arbeitnehmern verlangt wird, ihre Gesundheit oder Sicherheit nicht gefährden kann.

25. Den bei der Beförderung von Traglasten eingesetzten Arbeitnehmern sollten alle geeigneten Vorrichtungen und Ausrüstungen, die zum Schutz ihrer

1427 Gesundheit und Sicherheit erforderlich sind, übergeben oder zur Verfügung gestellt und von den Arbeitnehmern verwendet werden.

Vili. Allgemeine Bestimmungen 26. Die Ausbildung oder Anleitung und die ärztlichen Untersuchungen, die in dieser Empfehlung vorgesehen sind, sollten dem Arbeitnehmer keine Kosten verursachen.

27. Die zuständige Stelle sollte die wissenschaftliche Forschung, einschliesslich ergonomischer Studien, auf dem Gebiet der Beförderung von Traglasten tatkräftig fördern, insbesondere um a) die möglichen Zusammenhänge zwischen berufsbedingten Krankheiten und Störungen und der Beförderung von Traglasten zu ermitteln; b) die Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit der bei der Beförderung von Traglasten eingesetzten Arbeitnehmer auf ein Mindestmass herabzusetzen.

28. Bildet das Ziehen oder Schieben von Lasten die vorherrschende Beförderungsmethode, die vom Arbeitnehmer eine ähnliche Anstrengung erfordert wie die Beförderung von Traglasten, so kann die zuständige Stelle die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen dieser Empfehlung auf diese Beförderungsmethode in Betracht ziehen.

29. Jedes Mitglied sollte im Wege der Gesetzgebung oder mittels anderer, den innerstaatlichen Gepflogenheiten und Verhältnissen entsprechender Methoden und in Beratung mit den massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden die zur Durchführung der Bestimmungen dieser Empfehlung erforderlichen Massnahmen treffen.

30. Die Mitglieder können nach Anhörung des innerstaatlichen Aufsichtsdienstes und der massgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände Ausnahmen von der Anwendung einzelner Bestimmungen dieser Empfehlung zulassen, wenn solche Ausnahmen im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen oder die Art der Lasten erforderlich sind; die Grenzen der Abweichung sollten für jede Ausnahme oder Gruppe von Ausnahmen angegeben werden.

31. Jedes Mitglied sollte entsprechend seinen innerstaatlichen Gepflogenheiten die Person oder die Personen bezeichnen, die für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Empfehlung zu sorgen haben, sowie die Stelle, die die Durchführung dieser Bestimmungen zu überwachen hat.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 51. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Vom 29. Mai 1968)

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1968

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14.06.1968

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