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Bundesblatt

Bern, den 7. Juni 1968 120. Jahrgang Band I

Nr. 23 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr

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Botschaft

des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha (Vom 22. Mai 1968) Herr Präsident, Sehr geehrte Herren, Wir beehren uns, Ihnen hiermit eine Botschaft samt Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha zu unterbreiten.

Da die Gültigkeit des gleichnamigen Bundesbeschlusses vom 25. September 1958 (BB1 1958,11, 809) am 31. Dezember 1968 abläuft, hat die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha - nachfolgend LR bezeichnet - in einer ausführlich begründeten Eingabe um Erlass eines neuen Bundesbeschlusses unter gleichzeitiger Erhöhung des jährlichen Bundesbeitrages von heute 100000 Franken auf 180000 Franken ersucht.

A. Einleitung Die Mehrsprachigkeit gehört zum Wesen unseres Landes. Im friedlichen, sich gegenseitig ergänzenden und befruchtenden Zusammenleben verschiedener Kulturen und Sprachen liegt der tiefere Sinn unserer nationalen Existenz.

Eine Schweiz, in der alle dasselbe Idiom sprächen, wäre in den letzten 150 Jahren in ungleich stärkerem Masse in ihrem Bestände gefährdet gewesen. Die Mehrsprachigkeit erscheint dergestalt nicht als Belastung der staatlichen Kohärenz, sondern als ein Element der Selbstbehauptung nach aussen und damit auch des inneren Zusammenhaltes. Es war kein Zufall, dass die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache zu einem Zeitpunkt erfolgte, als eine auf Volk und Sprache sich berufende nationalistische Hochflut einige unserer Nachbarstaaten ergriff. Das nahezu einstimmige Ergebnis der eidgenössischen Volksabstimmung vom 20. Februar 1938, durch die das Rätoromanische zur vierten Landessprache erhoben wurde, war ein eindeutiges Bekenntnis des Schweizervolkes zum eidgenössischen Staatsgedanken; zum Glauben, dass nicht Bundesblatt. 120.Jahrg.Bd.I

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1266 die Sprache, ethnische oder geographische Gegebenheiten einen Staat bilden, sondern eine gemeinsame geschichtliche Vergangenheit, das Bekenntnis zu denselben politischen Idealen sowie der Wille, ein Staat, eine Nation zu sein.

Die Gleichberechtigung der verschiedenen Sprachen und Kulturen bildet eine selbstverständliche Voraussetzung unserer mehrsprachigen Gemeinschaft.

Dieses Prinzip entspricht nicht nur dem Interesse und der Zusammensetzung unseres Staates, sondern hat seine Wurzel, wie bereits in der Botschaft vom l. Juni 1937 über die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache (BB1 1937,11,1) dargelegt wurde, in der Ehrfurcht vor dem Recht und der Freiheit der menschlichen Persönlichkeit und damit in der Ehrfurcht vor dem Recht der Muttersprache. Ohne Freiheit der Muttersprache ist eine wirkliche Freiheit des Geistes undenkbar. In der Achtung vor dem Menschen und seiner Muttersprache dürfen wir auch den Schlüssel zu jenem Geheimnis sehen, dass wir in einem Lande, in dem Völkerschaften von vier verschiedenen Sprachen in enger Gemeinschaft zusammenleben, unsere gegenseitigen Beziehungen nie von einem Sprachenstreit ernstlich getrübt sehen mussten.

Die Gleichberechtigung der verschiedenen Sprachen und Kulturen ist aber nur dann wirklich gewährleistet, wenn jede Gruppe ihre geistige und sprachliche Eigenart voll zur Entfaltung bringen kann. Daraus ergibt sich für den Bund die Notwendigkeit, jenen Sprachgemeinschaften, die infolge besonderer Voraussetzungen ihre kulturellen Aufgaben nur mit Mühe wahrnehmen können, die Hilfe zuteil werden zu lassen, deren sie dazu bedürfen.

B. Die Gefährdung der rätoromanischen Sprache und Kultur a. Die allgemeinen sprachlichen Verhältnisse Bekanntlich stellen weder das rätoromanische Gebiet noch die rätoromanische Sprache eine Einheit dar. Die geographische Beschaffenheit Rätiens, die besondere Struktur der ehemaligen rätischen Bünde, eine sehr weitgehende Gemeindeautonomie, die konfessionelle Entwicklung sowie geschichtlich-politische Gegensätze haben die Entstehung einer einheitlichen romanischen Schriftsprache verhindert. Heute gibt es fünf Schriftsprachen : die beiden Hauptidiome Surselvisch (Vorderrheintal) und Ladinisch, wobei letzteres in das Ober- und Unterengadinisch zerfällt, den Sutselvischen Dialekt im Hinterrheintal sowie das im Albula-
und Juliatal heimische Surmeirische. Diese Zersplitterung erschwert ganz erheblich Massnahmen zur Förderung der romanischen Sprache und Kultur.

b. Die gegenwärtige Lage 1. Die allgemeine Entwicklung In ihrer Eingabe an den Bundesrat kommt die LR bei der Beurteilung der heutigen Lage des Rätoromanischen zunächst auf die bedeutungsvollen Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse der rätoromanischen Bevölkerung zu sprechen. Sie weist auf den Rückgang des Bergbauerntums hin, der nicht nur einen

1267 tiefgreifenden Wandel in der soziologischen Struktur dieses Bevölkerungsteiles bewirkt, indem die Zahl der nicht in der Landwirtschaft tätigen Personen ständig zunimmt, sondern auch eine verstärkte Abwanderung zur Folge hat. Anderseits strömen mit der Ausführung der Kraftwerk- und Strassenbauten und mit der raschen Zunahme des Tourismus fremde Arbeitskräfte und Gäste aus aller Welt in die romanischen Stammlande.

Diese Entwicklung wirft naturgemäss für die fast durchwegs auf Gebirgsgegenden beschränkte und seit jeher engstens mit dem Bauerntum verbundene rätoromanische Sprache und Kultur ausserordentlich schwerwiegende Probleme auf.

Dazu kommt noch die Einwirkung anderssprachiger Massenmedien, der keine eigenen Tageszeitungen oder täglichen Radio- und Fernsehsendungen entgegenwirken.

Nach Ansicht der LR fehlt es allerdings auch nicht an ermutigenden Tendenzen. Die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache samt den seither mit noch mehr Nachdruck geführten Aktionen zur Förderung des althergebrachten Kulturgutes, die 1953 erfolgte Aufnahme der Cumünanza Radio Rumänisch als Vertreterin der viertsn Landessprache in die Schweizerische Rundspruchgesellschaft und die im Zuge der Reorganisation des Radios und Fernsehens gegründete Radio- und Fernsehgesellschaft der deutschen und der rätoromanischen Schweiz sowie das wache Interesse weiter Kreise für diese Sprache und Kultur haben die Romanen ermuntert, die eigene Sprache bewusster zu hegen und zu pflegen.

2. Die Ergebnisse der Volkszählung von 1960 Der allgemeine Zug der Entwicklung lässt sich auf Grund der Ergebnisse der Volkszählung von 1960 statistisch belegen.

In abslouten Zahlen hat die rätoromanische Bevölkerung in der Schweiz zwar in den letzten Jahrzehnten zugenommen. 1941 zählte unser Land 46456 Rätoromanen, 195048862 und 1960 49823. Davon lebten im Jahre 1950 8753 oder 18 Prozent ausserhalb des Kantons Graubünden, 1960 jedoch 11409 oder rund 23 Prozent.

Entscheidend für den Weiterbestand der rätoromanischen Sprache und Kultur wird jedoch sein, ob sie sich im Kanton Graubünden und innerhalb desselben in ihren eigentlichen Stammgebieten zu halten vermag. Diesbezüglich vermitteln die Ergebnisse der letzten Volkszählung, wie die nachstehende Tabelle zeigt, ein eher ungünstiges Bild.

Davon Muttersprache

Jahr

1941 1950

1960

Gesaratbevolkerung

128 247 137 100 147 458

Deutsch

1

Romanisch

Italienisch

absolut

in Prozenten

absolut

in Prozenten

absolut

70421 77096 83544

54,9 56,2 56,6

40187 40109 38414

31,3 29,2 26,1

16438 18079 23682

andere Sprachen

in Pro- absolut in Prozenten zenten

12,8 13,2

16,1

1201 1816 1818

1,0 1,4 1,2

1268 Daraus geht hervor, dass die Rätoromanen Graubündens im Jahrzehnt von 1950 bis 1960 einen Verlust von 1695 Personen zu verzeichnen haben, während die deutsch- und italienischsprachige Bevölkerung, letztere allerdings eindeutig wegen der starken Zunahme der Gastarbeiter, weiterhin angestiegen ist. Auch die prozentuale Verteilung spiegelt den Rückgang der Rätoromanen deutlich wieder.

Was noch schwerer wiegt, ist der Umstand, dass gerade die eigentlichen Stammgebiete erhebliche Einbussen aufweisen. Während im Jahre 1950 noch 13 der insgesamt 39 Kreise des Kantons eine romanische Mehrheit hatten, waren es 1960 nur mehr deren 11. Diese zählten im Jahre 1950 27 515 romanischsprechende Einwohner, im Jahre 1960 jedoch nur noch 25 701, was einem Verlust von 1814 oder beinahe 7 Prozent entspricht. In der gleichen Zeitspanne ist die deutschsprechende Einwohnerzahl dieser 11 Kreise um 446 auf 8311 angestiegen.

Wie sehr sich die Stellung des Rätoromanischen in einzelnen Kreisen verschlechtert hat, geht aus folgender Zusammenstellung hervor : Kreis

Romanen in Prozenten der Gesamtbevolkerung 1941 1950 1960

Domleschg Schams Rhäzüns Trins Oberengadin

34,0 61,5 60,0 37,0 40,0

27,5 55,0 51,5 31,0 37,5

21,6 35,0 43,0 25,0 28,5

In den Kreisen Oberengadin und Trins (mit Flims) hängt diese Entwicklung eindeutig mit dem regen Fremdenverkehr zusammen, im Kreis Rhäzüns mit der Ansiedlung einer grossen Industrie in Domat/Ems, in den Kreisen Domleschg und Schams wohl mit der Tatsache, dass vor langer Zeit in den meisten Gemeinden die deutsche Grundschule eingeführt wurde.

Ein Blick auf die einzelnen Gemeinden ergibt schliesslich, dass noch 86 von 220 eine mehrheitlich romanische Bevölkerung auf weisen.

Zusammenfassend ist in bezug auf die rätoromanische Bevölkerungsbewegung innerhalb des Kantons Graubünden festzustellen, dass die sprachliche Vermischung infolge der Abwanderung aus den Bergtalern nach den grossen Wirtschaftszentren und des gleichzeitigen Zuzuges von Anderssprachigen stark zugenommen hat. Immer mehr Romanen befinden sich in Gemeinden, in denen sie eine Minderheit darstellen. Im Jahre 1950 waren rund 8000 Romanen oder Vs, im Jahre 1960 aber ungefähr 12500 oder beinahe 1/3 in Gemeinden mit anderssprachigen Mehrheiten ansässig.

c. Folgerungen aus der sprachpolitischen Lage Die LR zieht aus den gsschilderten Verhältnissen den Schluss, dass es vor allem gelte, das Zusammengehöi igkeitsgef ühl der R omanen inner-und ausserhalb der Stammlande zu vertiefen, ihnen durch vermehrte Kontakte untereinander das Bewusstsein zu vermitteln, derselben Sprachgemeinschaft anzugehören, sowie möglichst alle Schichten des Volkes für die Ziele der romanischen Bewegung zu gewinnen. Von wesentlicher Bedeutung wird auch sein, ob es gelingt, die Abwan-

1269 derung aus den Alpentälern abzuwenden oder wenigstens erheblich zu vermindern.

In Würdigung der gegebenen Lage hat die LR im Jahre 19 64 für ihre weitere Tätigkeit u. a. festgelegt : - die Aktionen in den romanischen Stammlanden und die Beziehungen zwischen den Romanen in diesen Gebieten und jenen ausserhalb derselben sind zu verstärken, - das romanische Denken und Fühlen unter den Romanen, die in Ortschaften mit anderssprachigen Mehrheiten wohnhaft sind, muss vertieft werden, - in den romanischen Gemeinden ist die Assimilation von anderssprachigen Einwohnern zu fördern.

C. Die bisherigen Massnahmen zur Erhaltung der rätoromanischen Sprache und Kultur und die Leistungen des Bundes a. Die Tätigkeit der LR und der ihr angeschlossenen Vereinigungen

Mit der zunehmenden Bedrohung der rätoromanischen Sprache wuchs auch der Wille verantwortungsbewusster Rätoromanen, tatkräftig für die Erhaltung ihrer Sprache und Kultur einzustehen. Im Jahre 1886 konstituierte sich die « Società Retorumant scha », die sich zum Ziele setzte, die bestehenden Schriftsprachen zu pflegen und die rätoromanischen Sprachdenkmäler zu sammeln. Ihre Tätigkeit ist vorwiegend wissenschaftlicher Art. Sie veröffentlicht das angesehene Jahrbuch «Annalas», in dem alle romanischen Idiome zur Sprache kommen, und ist Herausgeberin des bündnerromanischen Idiotikons «Dicziunari Rumänisch Grischun», in dem der gesamte erreichbare Wortschatz der rätoromanischen Idiome vereinigt werden soll. Die wissenschaftliche Arbeit an diesem monumentalen Werk setzte 1904 ein. Die erste Lieferung erschien allerdings erst 1939. Bis heute konnten insgesamt 57 Hefte (umfassend die Buchstaben A-C) veröffentlicht werden. Wahrend die Società Retorumantscha, wie erwähnt, mehr wissenschaftliche Ziele verfolgt, geht das Bestreben der später gegründeten Regionalgesellschaften (Romania, Uniun dals Grischs, Renania, Uniung Rumantscha da Surmeir) dahin, die rätoromanische Sprachbewegung in das Volk zu tragen und seinen sprachlichen Lebenswillen zu wecken und zu fördern. Um die gemeinsame Arbeit zu koordinieren und eine wirksame Vertretung nach aussen zu gewährleisten, wurde im Jahre 1919 die Gründung einer alle romanischen Sprachvereinigungen umfassenden Dachorganisation, der Ligia Romontscha (surselvisch) / Lia Rumantscha (ladinisch), beschlossen. Ihr gehören heute neben den fünf bereits erwähnten Vereinigungen noch an: Uniun da Scripturs Romontschs, Cumünanza Radio Rumänisch, Uniun Romantscha da Turich.

Ein erstes Hauptanliegen der LR war es, einige wesentliche Werke für die Sprachpflege vorzubereiten. Durch Herausgabe von Grammatiken und Wörterbüchern sollten die Grundlagen für die Erhaltung der rätoromanischen Sprache geschaffen werden, wobei es vor allem darauf ankam, den Sprachschatz zu reinigen, schwankende Schreib- und Redeweisen zu fixieren sowie korrekte Worte für

1270 Ausdrücke des modernen Lebens festzulegen. Diese Massnahmen bezweckten, dem Volk ein sicheres Sprachgefühl zu vermitteln. Nach 20jähriger Arbeit konnten 1945 das deutsch-surselvische und das deutsch-ladinische Wörterbuch veröffentlicht werden. Daneben schenkte die LR von Anfang an auch dem Problem der romanischen Schulen ihre besondere Aufmerksamkeit. So unterbreitete sie Vorschläge und Anregungen für die Ausbreitung des Romanischunterrichtes auf allen Stufen der Schule, wobei es immer wieder galt, die eigene Bevölkerung vom Gewinn und Nutzen romanischen Volksschulunterrichtes zu überzeugen.

Nach langer Aufklärungsarbeit konnte erreicht werden, dass in Mittelbünden, wo mit Ausnahme des Oberhalbsteins und eines Teils des Schamsertales das Deutsch vor mehr als 150 Jahren als Unterrichtssprache eingeführt wurde, in Gemeinden mit romanischen Kleinkinderschulen 1-2 Wochenstunden Romanischunterricht an den Volksschulen erteilt wird.

Grosse finanzielle Mittel setzt die LR für die Sonderaktionen in den stark gefährdeten Gebieten Mittelbündens und des Oberengadins ein, vor allem für die romanischen Kleinkinderschulen, zu deren Gründung sie sich im Jahre 1945 entschloss. Heute bestehen in Romanischbünden 59 solcher «scolettas» oder «scoulinas», die sich fast auf das ganze Gebiet verteilen. Wenn sie sich in den rein romanischen Ortschaften kaum von jenen der übrigen Kindergärten unterscheiden, so kommt ihnen in den sprachlich gemischten Gebieten die schwierige Aufgabe zu, die Kinder auf den Romanischunterricht in der Volksschule vorzubereiten. Die Kleinkinderschulen sollen insbesondere die Freude und den Mut zum Reden in der Muttersprache wecken, nicht nur in der Schule selbst, sondern auch auf der Strasse und in den Familien. Auf diese Weise hofft man, dem Kinde eine feste muttersprachliche Grundlage zu vermitteln, auf der dann der Romanischunterricht in der Volksschule aufbauen kann.

Zum Teil werden die Kleinkinderschulen von der LR selbst unterhalten, zum Teil von ihr nur unterstützt. Die Zahl der von der LR geführten «scolettas» ist seit 1956 von 16 auf 12 zurückgegangen, diejenige der unterstützten von 17 auf 29 angestiegen. Drei eigene Kleinkinderschulen (Almens, Cazis und Scharans) mussten geschlossen werden, da das gesetzte Ziel wegen des zu weit fortgeschrittenen Rückganges des Rätoromanischen
nicht erreicht werden konnte.

Die LR fördert alle romanischen Kindergärten - auch solche in rein romanischsprechenden Gebieten, die keine direktenfinanziellenBeiträge erhalten durch Beratung und Ausbildung der Leiterinnen. Die finanziellen Leistungen für die Kindergärten sind beträchtlich. Trotz erheblicher Erhöhung der Zuwendungen von Gemeinden und Beiträgen anderer Institutionen ist der Aufwand zu Lasten der LR ständig angewachsen und erreichte 1966 62700 Franken gegenüber 45 875 Franken im Jahre 1959. Der gesamte Nettoaufwand der LR für die «scolettas» seit 1960beläuft sich auf 349405 Franken oder im Durchschnitt der Jahre 1960/1966 auf rund 50000 Franken.

Neue Aufgaben mussten im letzten Jahrzehnt auch auf dem Gebiete des Romanischunterrichts an Volksschulen gelöst werden, dem besonders in sprachlichen Misch gebieten eine grosse Bedeutung zukommt. So galt es z. B., Lehrmittel für den Romanischunterricht im surselvischen Idiom an deutschsprachigen

1271 Grundschulen zu schaffen. Die diesbezüglichen Arbeiten konnten zur Hauptsache in den Jahren 1962/1964 abgeschlossen werden, wobei der Kanton auf Antrag der LR die Finanzierung übernahm. Die Lehrbücher wurden teilweise auch in das Sutselvische übertragen. Schwierigkeiten für die Aufrechterhaltung eines minimalen Romanischunterrichtes in gemischtsprachigen Regionen ergeben sich ferner aus dem Mangel an geeigneten Lehrkräften.

Von grosser Wichtigkeit ist nach wie vor die verlegerische Tätigkeit der LR.

Auf diesem Gebiet werden die Nachteile einer Kleinsprache, die weitgehend auf sich selbst angewiesen ist, besonders spürbar. Der Absatz von Büchern ist im allgemeinen zu klein, um die Druckkosten zu decken, weshalb grosse Zuschüsse geleistet werden müssen. In der Zeit zwischen 1960 und 1966 hat die LR an die 60 Schriften und Bücher verlegt oder mitverlegt und die Herausgabe von über 20 Büchern durch finanzielle Unterstützung ermöglicht. Es handelt sich sowohl um belletristische Literatur wie um Werke der Sprachpflege und um wissenschaftliche Publikationen. Der Gesamtaufwand der LR für das Verlagswesen betrug in dieser Zeit 520000 Franken oder pro Jahr durchschnittlich 74000 Franken. Die Einnahmen aus dem eigenen Bücherverkauf ergaben 173000 Franken oder rund 25000 Franken im Jahr.

Aufmerksam verfolgt die LR auch die Entwicklung von Radio und Fernsehen. Einer ausreichenden Berücksichtigung der Bedürfnisse des Rätoromanentums misst sie grosse Bedeutung bei.

Eine besondere Förderung erfuhr sodann das romanische Volkstheater. Ihm kommt eine grössere Tragweite zu als die blosse Vermittlung von Unterhaltung und Wissen, da es darüber hinaus eine eigentliche Sprachschule darstellt, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für das schweizerische Volkstheater wurden in den letzten Jahren regelmässig entsprechende Schulungskurse durchgeführt. Daneben unterstützte die LR die Schaffung und Übersetzung neuer Theaterstücke durch finanzielle Beiträge.

Grosse Beachtung schenkt die LR den Sprachkursen für anderssprachige Bewohner in romanischen Gemeinden. Der Besuch war im allgemeinen gut. So konnten 1967/1968 26 Kurse durchgeführt werden.

Aus der übrigen Tätigkeit der LR sei noch die Schaffung eines Ausbildungszentrums für Bauern und Bäuerinnen, die « Scoula da
paurs da Lavin», erwähnt.

Während des Winters 1966/1967 wurde es von 97 Frauen und Töchtern besucht.

52 Bauern kamen in dieser Zeit an 6 Tagen zu Aussprachen über gemeinsame Probleme zusammen.

Schliesslich möchten wir auf die Wanderausstellung der Studentensektion «Romania» hinweisen, die bezweckt, die Probleme Romanischbündens aufzuzeigen. Sie wurde in vielen Gegenden des Kantons Graubünden, aber auch in Zürich, mit grossem Erfolg gezeigt.

b. Die bisherigen Leistungen des Bundes In unserer Botschaft vom 4. Juli 1958 (BB11958,1,253) haben wir die Unterstützung, die der Bund den Bestrebungen zur Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur bis dahin geliehen hatte, ausführlich dargestellt. Wir wiesen

1272 darauf hin, dass es zunächst die «Rätoromanische Chrestomathie» von Caspar Decurtins - ein Werk, das einen reichen Schatz rätoromanischen Schrifttums festhält - war, die der Bund in den Jahren 1892-1919 mit Beiträgen von insgesamt 32000 Franken förderte.

Seit 1905 gewährt sodann der Bund regelmässig Subventionen an die Bearbeitung und Publikation des bereits erwähnten «Dicziunari Rumantsch Grischun». Gestützt auf den heute gültigen Bundesbeschluss vom 15. März 1965 betreffend die Unterstützung der nationalen schweizerischen Wörterbücher (BB1 1965,1,795) übernimmt der Bund gegenwärtig 85 Prozent der jährlichen Kosten des «Dicziunari Rumantsch Grischun», höchstens aber 140000 Franken pro Jahr.

Im Rahmen des Bundesgesetzes betreffend die Unterstützung der öffentlichen Primarschule vom 19. Juni 1953 (AS 1953, 947) findet die vierte Landessprache eine besondere Berücksichtigung durch die Ausrichtung eines speziellen Sprachzuschlages, der für jedes Kind rätoromanischer Sprache jährlich 30 Franken beträgt.

Durch den Bundesbeschluss vom 21. September 1942 über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart (BS 4,252) erhält der Kanton Graubünden seit 1943 einen jährlichen Bundesbeitrag von 10000 Franken zur Wahrung der sprachlichen und kulturellen Eigenart seiner Talschaften rätoromanischer Sprache.

Schliesslich hat der Bund der LR schon bald nach ihrer Gründung direkt seine finanzielle Hilfe geliehen. Von 1921 bis 1947 erhielt sie jährlich - mit Ausnahme einer vorübergehenden Kürzung in der dreissiger Jahren - einen Beitrag von 10000 Franken; 1948 wurde dieser auf 50000 Franken und 1958 unter gleichzeitiger Verankerung im Bundesbeschluss vom 25. September 1958 (BB11958, II, 809) auf 100000 Franken erhöht.

Neben ändern indirekten Bundesleistungen zugunsten der vierten Landessprache, wie die Übersetzung wichtiger eidgenössischer Erlasse ins Romanische, sind hier vor allem noch Zuwendungen der mit Bundesmitteln arbeitenden Stiftung « Pro Helvetia » zu nennen. Im Zeitraum von 1958 bis 1967 bewilligte sie verschiedenen Gesuchstellern aus dem rät oromanischen Bereich Zuwendungen von insgesamt 162 400 Franken. Es handelt sich dabei stets um
Einzelbeiträge für engumschriebene Zwecke, vor allem umDruckzuschüsse an verschiedene Publikationen, wie Wörterbücher, Sprachlehrbücher für Zuzüger, Romane, Prosa- und Gedichtsammlungen, Jugend- und Kinderbücher, dramatische Wegweiser, Liederbücher, Jahrbücher sowie Gedenkschriften. Durch Bundesgesetz vom 17.

Dezember 1965 (BB11965,1,1433) sind bekanntlich die Mittel der Pro Helvetia wesentlich erhöht worden. So konnte die Stiftung ihrerseits grössere Beiträge für Aktionen zur Wahrung und Förderung der Kultur im rätoromanischen Sprachgebiet in ihr Budget einsetzen. Seit 1966 sind dafür jährlich 40000 Franken vorgesehen.

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D. Das neue Aktionsprogramm der LR Im Hinblick auf die andauernde Gefährdung der rätoromanischen Sprache und Kultur hat die LR ein neues Tätigkeitsprogramm für die nächsten zehn Jahre entworfen. Darin ist neben der Fortsetzung begonnener Massnahmen auch die Bildung neuer Schwerpunkte vorgesehen. Im einzelnen sieht das Programm folgendes vor : a. Weiterführung der bisherigen Massnahmen

Die LR hält insbesondere die Fortsetzung der nachstehenden Aktionen für unerlässlich : 1. Förderung der Herausgabe von Periodika, 2. Gründung neuer Ortssektionen, 3. Förderung des literarischen und musikalischen Schaffens, 4. Pflege des Volkstheaters, 5. Assimilation von Anderssprachigen durch Erteilung von Sprachkursen, 6. Aktionen «Vortragsdienst» und «Antlitz unserer Dörfer», 7. Führung und Unterstützung romanischer Kleinkinderschulen, 8. Förderung des Romanischunterrichtes in deutschsprachigen Grundschulen.

Über Sinn und Zweck der meisten dieser Massnahmen haben wir bereits berichtet. Ergänzend sei zu der unter Ziffer l erwähnten Förderung von Periodika noch bemerkt, dass alle der LR angeschlossenen Vereinigungen Jahrbücher oder Zeitschriften herausgeben. Die Jahrbücher der vier Regionalgesellschaften sind vorwiegend belletristischer Natur, während die «Annalas» der Società Retorumantscha, die allen rätoromanischen Idiomen ihre Spalten öffnen, wissenschaftlichen Charakter tragen. In verschiedenen Idiomen sind auch die Schulfunkzeitschrift «Radioscola» sowie die vervielfältigte Publikation der Uniun da Scripturs Romontschs, die «Novas literaras», abgefasst. Die Regionalgesellschaften geben jährlich auch Weihnachtsbücher für die Kinder heraus. Diese Publikationen stellen insgesamt einen wichtigen Beitrag zur Wahrung und besseren Kenntnis der eigenen Sprache und Kultur dar.

Durch Gründung neuer Ortssektionen der der LR angeschlossenen Gesellschaften sollen sodann möglichst viele initiative Kräfte geweckt werden, die sich in den Dienst der Wahrung der rätoromanischen Sprache und Kultur stellen. Auf diese Weise hofft man, die romanische Bewegung noch tiefer im Bewusstsein des Volkes zu verankern.

Der Information und Aufmunterung in abgelegenen Ortschaften dient die Aktion Vortragsdienst. Die Aktion «Antlitz unserer Dorf er» bezweckt vor allem, das romanische und eigenständige äussere Gepräge der Ortschaften wieder herzustellen oder zu bewahren. Es geht darum, fremdsprachige Inschriften an Häusern, Geschäften, Wegweisern durch romanische zu ersetzen sowie den Dörfern und Weilern ein bodenständiges Gesicht zu geben.

1274 b. Bildung neuer Schwerpunkte

Neben der Weiterführung dieser bewährten Aktionen beabsichtigt die LR, folgende Zweige der kulturellen Tätigkeit besonders zu fördern : 1. Kinder- und Jugendliteratur, 2. Theaterliteratur, 3. Vorbereitung und Herausgabe von praktischen Wortlisten für neue Ausdrücke des täglichen Lebens, 4. Ausbildung von Kindergärtnerinnen («mussadras»), 5. Kulturelle Beeinflussung der Freizeitbeschäftigung.

Zu den einzelnen Aktionen ist der Eingabe der LR u. a. folgendes zu entnehmen: adi. Kinder-und Jugendliteratur Während es für die schulpflichtigen Kinder der Unterstufe eine Verhältnismassig grosse Zahl von Schriften und Büchern gibt, die durch private Initiative oder durch romanische Vereinigungen laufend ergänzt werden, bestehen auf dem Gebiete der Literatur für die Kinder der oberen Klassen und für die schulentlassenen Jugendlichen schwerwiegende Lücken, die es nach Möglichkeit zu schliessen gilt. Die LR hat die Absicht, Manuskripte zu beschaffen, Übersetzungen anzuregen sowie die Publikation entsprechender Schriften durch finanzielle Beiträge zu erleichtern.

ad 2. Theaterliteratur An geeigneter Theaterliteratur, die eine Voraussetzung für den Erfolg der Aktion zugunsten des romanischen Theaters bildet, besteht ebenfalls ein spürbarer Mangel. Originalstücke sind nicht leicht erhältlich, weshalb man vor allem die Übersetzung fremdsprachiger Werke finanziell ermöglichen will.

ad 3. Herausgabe von praktischen Wortlisten Angesichts der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung und des Einflusses von Radio, Fernsehen, anderssprachigen Tageszeitungen und Filmen wird es als dringend notwendig erachtet, praktische Wortlisten für neue Ausdrücke des täglichen Lebens zu erstellen. Bereits sind wertvolle Vorarbeiten geleistet worden. Die Aktion kann jedoch nur dann die gewünschten Resultate zeitigen, wenn sie systematisch und auf breiter Grundlage erfolgt. In diesem Sinne hat die LR eine interromanische Kommission bestellt, deren Aufgabe es ist, unter der Leitung von Philologen für alle Idiome möglichst gleiche neue Ausdrücke zu finden. Daneben muss durch geeignete Massnahmen dafür gesorgt werden, dass die Wortschöpfungen im Volke Verbreitung und Anwendung finden.

ad 4. Ausbildung der Kindergärtnerinnen («mussadras») Im Hinblick auf die Bedeutung der Kleinkinderschulen im Rahmen der Massnahmen zur Erhaltung und Pflege des Romanischen ist es von gröss-

1275 ter Bedeutung, dass die Kindergärtnerinnen für ihre Tätigkeit zweckmässig vorbereitet werden. Die LR hat sich von Anfang an der Lösung dieser Aufgabe annehmen müssen. Bereits im Jahre 1954 wurde der Posten einer Inspektorin geschaffen, der in erster Linie die Ausbildung der «mussadras » obliegt. Ein Reglement für die Kleinkinderschulen von 1955 sah für die Ausbildung neben der ständigen Betreuung durch die Inspektorin einen Einführungskurs von 4-6 Wochen sowie jährliche Ergänzungskurse von 1-6 Tagen vor, doch erwies sich dies als völlig unzureichend. Obwohl es in der Folge gelang, die Dauer der Kurse zu verlängern, befriedigt auch der heutige Zustand noch keineswegs. Es hat sich gezeigt, dass nur eine ganz erhebliche Ausdehnung der Ausbildungszeit für Kindergärtnerinnen den Bedürfnissen zu genügen vermag. Das neue Programm der LR umfasst eine Einführung von einem Jahr, bestehend aus einem Vorpraktikum von zwei Monaten in einer «scoletta» mit anschliessendem Kurs von rund drei Monaten, dann zwei Monate Praktikum und anschliessend an die Ferien einen weiteren Kurs von drei Monaten. Dazu kommen periodische Ergänzungskurse.

Die wesentliche Erweiterung der Ausbildungskurse bedingt aber die Anstellung einer neuen diplomierten Kindergärtnerin als Hilfe der Inspektorin. Zudem ist ein Beizug von fremden Hilfskräften für verschiedene Unterrichtsstunden erforderlich. Auch müssen zusätzliche Räumlichkeiten gemietet werden.

Die bessere Ausbildung der «mussadras » betrachtet die LR als eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der «scolettas» und damit als einen wesentlichen Teil der Anstrengungen zur Förderung des Rätoromanischen.

ad 5. Kulturelle Beeinflussung der Freizeitbeschäftigung Diese Aktion bezweckt, vor allem die Jugendlichen zu einer sinnvollen Freizeitgestaltung anzuleiten. Es ist u. a. an die Durchführung von Handfertigkeitskursen gedacht, wie beispielsweise für Holzbearbeitung und Holzmalerei. Es soll dabei vor allem darauf bedacht genommen werden, den Sinn für die Werte der eigenen Kultur zu wecken und zu fördern.

c) Der finanzielle Aufwand Für die Durchführung des oben skizzierten Programmes rechnet die LR mit folgenden jährlichen Ausgaben (in runden Zahlen) Franken 1. Organe und Personal 81 000 2. Allgemeine Unkosten 23 000 3. Beiträge an Mitgliedgesellschaften 30 000 4. Beiträge für Aktionen 31 000 5. Vortragsdienst 4000 6. Antlitz unserer Dörfer 4 000 Übertrag 173000

1276 Franken

7.

8.

9.

10.

Kinder- und Jugendliteratur Verschiedene Beiträge «Scolettas» Besondere Aufwendungen für die Sprachpflege

Total

Übertrag 173000 3 000 13 000 152000 43 000 384 000

Zu den verschiedenen Positionen sei folgendes bemerkt : a d i . Organe und Personal Es handelt sich dabei um Entschädigungen für die Vorstandsmitglieder sowie um die Ausgaben für das Personal des Zentralsekretariats. Die LR beschäftigt seit 1960 wieder einen vollamtlichen Sekretär und eine ständige Hilfskraft. Angesichts der grossen Arbeitslast ist die Personaldotierung des Zentralsekretariates als knapp anzusehen.

ad 2. Allgemeine Unkosten Diese Position umfasst vor allem Ausgaben für Bureaumiete und Bureaumaterial, Anschaffungen für die Bibliothek sowie die Kosten der allgemeinen Propaganda.

ad 3. Beiträge an Mitgliedgesellschaften Mit diesen Beiträgen unterstützt die LR die Herausgabe der Periodika der ihr angeschlossenen Vereinigungen. Angesichts der stark gestiegenen Druckkosten ist eine Erhöhung der Zuschüsse erforderlich, um zu verhindern, dass der Preis der Publikationen sichfür den Verkauf prohibitiv auswirkt.

ad 4., 5. und 6 Beiträge für Aktionen, Vortragsdienst, «Antlitz unserer Dörfer» Auf die Notwendigkeit, die Tätigkeit in den Talschaften mit Nachdruck fortzusetzen und zu vertiefen sowie die lokale Initiative vermehrt zu fördern, haben wir bereits hingewiesen, ebenso auf die Bedeutung der Aktionen «Vortragsdienst »und «Antlitz unserer Dörfer».

ad 7. Kinder- und Jugendliteratur Um die auf diesem Gebiete bestehenden Lücken baldmöglichst schliessen zu können, wurde der Kredit erhöht.

ad 8. Verschiedene Beiträge Es handelt sich hier vor allem um Beiträge an die «Uniun da Scripturs Romontschs » sowie um Druckzuschüsse der LR an literarische Werke.

ad 9. «Scolettas» Diese Aktion beansprucht am meisten Mittel. Gegenüber den bisherigen Ausgaben ist mit Mehraufwendungen von 25000 Franken im Jahr zu rechnen. Diese zusätzlichen Ausgaben sind zurückzuführen auf die Notwendigkeit der Anstellung einer diplomierten und erfahrenen Kindergärt-

1277 nerin als Mitarbeiterin der Inspektorin, auf den Beizug von Hilfskräften für besondere Fächer und auf die erhöhten Ausgaben für Lokalmieten.

Ferner sind die sehr bescheidenen Besoldungen der Kindergärtnerinnen den erhöhten Kosten der Lebenshaltung anzupassen.

ad 10. Besondere Aufwendungen für die Sprachpflege In dieser Position erscheinen vor allem die Ausgaben für die Pflege des Volkstheaters, des Romanischkurses für Anderssprachige, für die Schaffung von Wortlisten für neue Ausdrücke des täglichen Lebens und für die Aufrechterhaltung des Romanischunterrichts in Ortschaften mit deutscher Grundschule.

Die Verwirklichung des Aktionsprogrammes setzt voraus, dass der LR mehr Mittel zur Verfügung stehen als heute. Ihre gegenwärtige finanzielle Lage ist dadurch gekennzeichnet, dass sich bei steigenden Ausgaben, aber seit 1960 ungefähr gleichbleibenden Einnahmen, das Defizit der Rechnungen ständig vergrössert hat. So schloss die Rechnung 1966 bei Ausgaben von rund 277800 Franken und Einnahmen von rund 258 000 Franken mit einem Ausgabenüberschuss von 19800 Franken ab, die Budgets für die Jahre 1967 und 1968 sehen bei Ausgaben von 292 550 Franken bzw. 311330 Franken Fehlbeträge von 30 890 Franken bzw.

48 520 Franken vor. Unter Zugrundelegung des neuen Aktionsprogrammes werden für 1969 die Ausgaben auf 384000 Franken, die Einnahmen auf 264000 Franken veranschlagt, was einen Fehlbetrag von 120000 Franken ergibt. Die LR ersucht demzufolge den Bund und den Kanton Graubünden, ihre jährlichen Zuwendungen an die Vereinigung um insgesamt 120000 Franken zu erhöhen, wobei sie gleichzeitig eine Aufteilung dieser Summe im Verhältnis von 2 : l (Bund 80000 Franken, Kanton 40000 Franken) vorschlägt.

Die heutigen Einnahmen der LR setzen sich aus dem durch den Bundesbeschluss vom 25. September 1958 festgelegten Beitrag von 100000 Franken, der Subvention von 10000 Franken gemäss Bundesbeschluss vom 2I.September 1942, dem Kantonsbeitrag von 80000 Franken, Leistungen einzelner Gemeinden von rund 3000 Franken sowie aus «Verschiedenen Einnahmen» (Mitgliedbeiträge, Zuschüsse der Gemeinden an die Betriebskosten der Kleinkinderschulen usw.) in der Höhe von rund 71000 Franken zusammen. Die Leistungen von Bund und Kanton machen also weitaus den grössten Teil der jährlichen Einnahmen der LR aus. Zu diesen regelmässigen
Einkünften kommen Beiträge aus anderen Quellen zur Finanzierung von Einzelaktionen oder für bestimmte Zwecke, insbesondere von der Stiftung Pro Helvetia, vom kantonalen Kulturfonds, von der Bundesfeierspende und aus Legaten.

E. Würdigung der Eingabe Das in Ziffer 4 skizzzierte Aktionsprogramm der LR erachten wir als zweckmässig. Es wird auch vom Kanton Graubünden nachdrücklich empfohlen. Die Weiterführung der bisherigen Massnahmen ist infolge der oben geschilderten Lage des Rätoromanischen notwendig. Aber auch die neuen in Aussicht genom-

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menen Aufgaben dürften geeignet sein, das rätoromanische Sprach- und Kulturgut zu erhalten und zu fördern. Die Bestrebungen der LR verdienen deshalb, weiterhin unterstützt zu werden. Wir erachten es aus diesem Grunde als angezeigt, dass der Bund durch Erhöhung seiner bisherigen Leistungen zur Verwirklichung des neuen Programms der LR beiträgt, da mit der Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache der Fortbestand der romanischen Sprachkultur ein nationales Anliegen geworden ist.

Was die Höhe der Bundesleistungen anbelangt, so ist allerdings, wie wir bereits in unserer Botschaft vom 4. Juli 1958 dargelegt haben, darauf Bedacht zu nehmen, dass diese in ein angemessenes Verhältnis zu den Aufwendungen, die der Kanton Graubünden zugunsten der LR erbringt, zu stehen kommt, denn nach der föderalistischen Struktur unseres Landes sind die Kantone die primären Träger kulturpolitischer Aufgaben. Es ist daher in erster Linie Sache des Kantons Graubünden, die rätoromanische Sprache und Kultur zu betreuen. Zu den finanziellen Begehren der LR möchten wir deshalb wie folgt Stellung nehmen : Der Wunsch nach einem Ausgleich der Teuerung, die für die letzten 10 Jahre mit rund 30 % in Rechnung zu setzen ist, erscheint als gerechtfertigt, ebenso auch eine gewisse reale Erhöhung des Bundesbeitrages. Diese muss sich aber in etwas bescheidenerem Rahmen halten. Wir sind der Auffassung, dass der Vorschlag der LR, der Mehrbedarf von 120 000 Franken sei zwischen Bund und Kanton im Verhältnis von 2 : l aufzuteilen, zu weit geht. Als angemessen betrachten wir eine Erhöhung des Bundesbeitrages um 60000 Franken. Der Mehrbedarf der LR wäre dann allerdings nur gedeckt, wenn sich der Kanton Graubünden, der jetzt jährlich 80000 Franken aufbringt, ebenfalls zu einer Beitragserhöhung von 60000 Franken entschliessen könnte. In Berücksichtigung der verhältnismässig hohen Aufwendungen des Kantons für das kulturelle Leben, insbesondere für das Schulwesen, möchten wir jedoch die Mehrleistung des Bundes nicht von einer ebenso hohen Leistung des Kantons abhängig machen. Es darf aber immerhin erwartet werden, dass der Kanton Graubünden seinen bisherigen Beitrag um mindestens 40000 Franken heraufsetzt.

F. Der Entwurf zu einem Bundesbeschluss Die Zuständigkeit des Bundes zur Unterstützung einer schweizerischen Nationalsprache ergibt
sich aus Artikel 116 der Bundesverfassung. Wie wir bereits in unserer Botschaft vom 4. Juli 1958 bemerkt haben, kommt der Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache nicht nur die Bedeutung zu, dass die romanische Sprache Nationalsprache ist, sondern auch, dass sie es bleiben soll. Mit der Anerkennung wird der Bestand einer Nationalsprache garantiert und die Erhaltung der überlieferten Ausdehnung sichergestellt (Fleiner/Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 1949, S. 394). Wenn daher Artikel 116 der Bundesverfassung bezweckt, den Bestand der Nationalsprachen zu sichern, so muss diese Bestimmung auch die Kompetenz des Bundes einschliessen, für die Erhaltung einer Nationalsprache zu sorgen. So bietet denn derNationalsprachenartikel eine feste verfassungsrechtliche Grundlage für die Ausrichtung von Bun-

1279 dessubventionen an die LR. Wir weisen daraufhin, dass sich auch der Bundesbeschluss vom 21. September 1942 über die Bewilligung einer jahrlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart u. a. auf Artikel 116 der Bundesverfassung stützt.

Artikel l des Beschlussesentwurfes setzt den jährlichen Bundesbeitrag an die LR auf 170000 Franken fest. Das sind einmal - wie erwähnt - 60000 Franken mehr, als die LR gestützt auf den Bundesbeschluss vom 25. September 1958 erhält. Der Betrag schliesst aber auch die 10000 Franken ein, die bisher gemäss Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b des Bundesbeschlusses vom 21. September 1942 über die Bewilligung einer jahrlichen Bundessubvention an den ,Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart dem Kanton Graubünden zuhanden der LR ausgerichtet worden sind.

Aus Gründen der Zweckmässigkeit soll diese Zuwendung fortan direkt an die LR zur Auszahlung gelangen. Artikel 4 des Beschlussesentwurfes trägt diesem Erfordernis dadurch Rechnung, dass er die erwähnte Bestimmung im Bundesbeschluss vom 21. September 1942 aufhebt. Der Kanton Graubünden erklärt sich mit dieser Regelung einverstanden.

Gestützt auf die obigen Ausführungen empfehlen wir Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 22. Mai 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Spühler Der Bundeskanzler : Huber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 116 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 22. Mai 1968.

beschliesst: Art. l Der Bund gewährt der Lìgia Romontscha/Lia Rumantscha für ihre Tätigkeit zur Wahrung und Förderung der rätoromanischen Sprache und Kultur im Kanton Graubünden einen jährlichen Beitrag von 170000 Franken.

Art. 2 Die Ausrichtung des Beitrages erfolgt unter der Voraussetzung, dass der Kanton Graubünden seine eigenen regelmässigen jährlichen Leistungen zugunsten der Ligia Romontscha/Lia Rumantscha im Vergleich zum Jahre 1968 um mindestens 40000 Franken erhöht.

Art. 3 Die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha hat durch Vermittlung der kantonalen Behörde dem Eidgenössischen Departement des Innern jeweilen Bericht und Rechnung über das abgelaufene sowie das Tätigkeitsprogramm und den Voranschlag für das kommende Jahr einzureichen.

Art. 4 Artikel 4, Absatz l, Buchstabe b des Bundesbeschlusses vom 21. September 19421) über die Bewilligung einer jährlichen Bundessubvention an den Kanton Tessin und an die Talschaften italienischer und rätoromanischer Sprache des Kantons Graubünden zur Wahrung und Förderung ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart wird aufgehoben.

Art. 5 Dieser Beschluss ist nicht allgemein verbindlich und tritt am l. Januar 1969 in Kraft.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt.

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J

)BS 4, 252; AS 1963, 223.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Ligia Romontscha/Lia Rumantscha (Vom 22. Mai 1968)

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1968

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23

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9960

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07.06.1968

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1265-1280

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