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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für die St. Gallen-Mühlegg-Bahn (Vom 7. Februar 1968) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Erteilung einer neuen Konzession für die St.Gallen-Mühlegg-Bahn zu unterbreiten.

I.

Geschichtlicher Rückblick

Am 26. Juni 1889 (EAS 10, 144) erteilte die Bundesversammlung den Herren Gottfried von Süsskind und Adolf Naeff in St. Gallen zugunsten einer zu bildenden Aktiengesellschaft eine Konzession für den Bau und Betrieb einer Drahtseilbahn (Standseilbahn) mit Pendelbetrieb zwischen dem Stadtkern von St. Gallen und Mühlegg im Quartier St. Georgen. Die Konzession verpflichtet die Bahn zur Beförderung von Personen und Gepäck und sieht die Güterbeförderung nur im Rahmen der technischen und betrieblichen Möglichkeiten vor.

Die Dauer der Konzession wurde auf 80 Jahre befristet. Am 14. November 1892 ist die «Aktiengesellschaft der Drahtseilbahn St. Gallen-Mühleck» gegründet und am 14. Dezember 1893 der Bahnbetrieb eröffnet worden. Ursprünglich diente der Bahn Wasserballast als bewegende Kraft. Im Jahr 1950 wurde die Drahtseilbahn mit zwei pendelnden Wagen durch eine elektrische Zahnradbahn ersetzt (VAS 1951, 537).

II.

Die Bahn und ihre Bedeutung

Die Zahnradbahn St.Gallen-Mühlegg (StGM) ist eine Nebenbahn im Sinne des Artikels 2, Absatz l des Eisenbahngesetzes (AS 795*, 335). Ihre Spurweite beträgt 1,2 Meter und ihre grösste Neigung 228 Promille. Die Bahn überwindet auf einer Eigentums- und Betriebslänge von 326 Metern eine Höhendifferenz von 68 Metern. Die Talstation befindet sich beim Müllertor, in unmittelbarer Nähe der Kathedrale, acht Gehminuten vom Hauptbahnhof St. Gallen entfernt, die Bergstation an der St. Georgen-Strasse, auf der Höhe des MühleggWeihers. Das Trasse verläuft auf rund 7/g seiner Länge in einem Tunnel und

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kommt nirgends mit öffentlichen Strassen in Berührung. Das Rollmaterial besteht aus einem elektrischen Triebwagen, welcher 24 Sitz- und 26 Stehplätze aufweist.

Seit Aufnahme des Zahnradbahnbetriebes im Jahre 1950 wurden die Talstation renoviert und die Bergstation neu gebaut, die Steinach-Brücke ersetzt, das Tunnelgewölbe saniert und die Geleise umgebaut. Der Triebwagen wird periodisch revidiert. Sowohl die festen Anlagen als auch das Rollmaterial befinden sich in gutem Zustand.

Die St. Gallen-Mühlegg-Bahn zählt als Ortsbahn nicht zu den Bahnen des allgemeinen Verkehrs im Sinne der Eisenbahngesetzgebung und kann daher weder Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen noch Mittel des Bundes zur Förderung der Eisenbahnen und zur Hilfeleistung beanspruchen. Sie stellt die kürzeste Verbindung her zwischen dem Zentrum der Stadt St. Gallen mit insgesamt 78 000 Einwohnern und dem erhöht gelegenen Quartier St. Georgen mit ungefähr 5 500 Einwohnern. Die Bahn fährt nach starrem Fahrplan in 10-Minuten-Intervallen, welche in den Spitzenverkehrszeiten auf 6-Minuten-Intervalle verdichtet werden. Die Fahrzeit beträgt zwei Minuten. Bei voller Ausschöpfung der Transportkapazität könnten im 6-Minuten-Betrieb in der Stunde in jeder Richtung 500 Personen und während der täglichen Betriebszeit von gegenwärtig 16 Stunden und 10 Minuten insgesamt 16 200 Personen befördert werden.

Die Anzahl und Art der bezogenen Abonnemente beweisen, dass die Bahn vorwiegend von Bewohnern des Quartiers St. Georgen im Berufs- und Geschäftsverkehr, das heisst im Abonnementsverkehr benützt wird. Im Jahr 1965 wurden 375 296 Inhaber von Abonnementen oder Mehrfahrtenkarten befördert, was 74,04 Prozent der Verkehrsleistung entspricht. Im gleichen Jahr entfielen 25,96 Prozent der Verkehrsleistung auf den Einzelreiseverkehr, was 131603 beförderten Personen gleichkommt. Diese Verkehrskategorie umfasst hauptsächlich Besucher der Badeanstalt Dreilinden, Spaziergänger sowie Touristen, welche insbesondere von ausländischen Gesellschaftswagen zur Talstation geführt werden und die Bahn zur Erreichung des Aussichtspunktes Dreilinden benützen. Die Zahl der jährlich beförderten Personen belief sich in den Jahren 1894 bis 1903 auf durchschnittlich 231100, schwankte von 1904 bis 1950 zwischen 265236 und 471 366, betrug im Jahr 1951 nach Einführung des
Zahnradbahnbetriebes 517 725, im Jahr 1955 528 373, im Jahr 1960 548 104 und im Jahr 1966 474 300. Der Verwaltungsrat der Bahn führt den beträchtlichen Frequenzrückgang im Jahr 1966 auf die Abwanderung von Fahrgästen zu den städtischen Verkehrsbetrieben mit günstigen Einheitstarifen zurück. - Der Güterverkehr beschränkt sich auf den Transport von Fahrrädern.

Das ständige Personal der St. Gallen-Mühlegg-Bahn umfasst drei Personen. Die Betriebsleitung der Bahn ist den Verkehrsbetrieben der Stadt St. Gallen anvertraut.

Seit der Gründung der Bahngesellschaft wiesen deren Betriebsrechnungen bis anhin stets Gewinne auf, welche die jährliche Ausschüttung von Dividenden erlaubten. Die kleinste Dividende betrug drei Prozent in den Jahren 1937 bis 1944, die grösste 6,186 Prozent im Jahr 1929. Die Bahnunternehmung war bis-

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her selbsttragend. Das Jahr 1966 ergab einen Betriebsertrag von 125 379 Franken und einen Betriebsaufwand von 110 049.85 Franken, somit einen Ertragsüberschuss von 15 329.15 Franken. Die Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 1966 schloss mit einem Aktivsaldo von 11 629.80 Franken ab. Gemäss Bilanz vom 31. Dezember 1966 stehen dem Anlagevermögen von 161 905 Franken, dem Betriebsvermögen von 206 033.30 Franken und den zu tilgenden Aufwendungen von 7000 Franken das Eigenkapital von 360 280 Franken (Aktienkapital von 300 000 Franken sowie eine allgemeine Reserve von 60 280 Franken) und das Fremdkapital von 3028.50 Franken gegenüber. Der Aktivsaldo gestattete die Ausrichtung einer Dividende von 3 y2 Prozent.

III.

Das Konzessionserneuemngsgesuch Die St.Gallen-Mühlegg-Bahn ersuchte das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement am o.September 1966 um Erteilung einer neuen Konzession mit Wirkung ab 26.Juni 1969 für eine Dauer von 50 Jahren. In der Begründung des Gesuches wird die Zweckmässigkeit des Verkehrsmittels erwähnt, welches in kurzen Intervallen preisgünstige direkte Verbindungen zwischen dem aufstrebenden Quartier St.Georgen und dem Stadtzentrum herstelle.

Ferner werden die gesunde finanzielle Lage und die Wirtschaftlichkeit des Betriebes hervorgehoben, welche der Einführung des Zahnradbahnbetriebes zu verdanken seien. Die bereits eingeführte teilweise Selbstbedienung der Fahrgäste an Billetautomaten und -entwerten! und die angestrebte automatische Steuerung des Trieb wagens sollen den Betrieb noch rationeller gestalten. Die Transportkapazität der Bahn werde nach heutigem Fahrplan zu 62,4 Prozent ausgeschöpft.

Die Bahn wäre somit ohne weiteres in der Lage, beträchtlichen Mehrverkehr zu bewältigen.

IV.

Das Vernehmlassungs- und Prüfungsverfahren Im Vernehmlassungs- und Prüfungsverfahren war gestützt auf Artikel 5 des Eisenbahngesetzes (AS 1958, 335) zu prüfen, ob die Interessen der Landesverteidigung einer Konzessionserteilung entgegenstehen. Gemäss Vernehmlassung der Generalstabsabteilung des Eidgenössischen Militärdepartementes trifft dies nicht zu. Ferner war zu untersuchen, ob der Verkehr nicht zweckmässiger und wirtschaftlicher durch ein anderes Verkehrsmittel bedient werden kann. Unter den gegebenen topographischen Verhältnissen ist auf der direkten Verbindung Stadtkern-Mühlegg zur Zeit kein anderes Verkehrsmittel in wirtschaftlicherem und zweckmässigerem Einsatz denkbar. Der Kanton St. Gallen befürwortete die Erteilung einer neuen Konzession und verzichtete auf sein Rückkaufsrecht, ersuchte jedoch, dem Antrag der Gemeinde St. Gallen um Einräumung eines Rückkaufsrechts Folge zu geben. Die Generaldirektion der Schweizerischen Post-, Telephon- und Telegraphenbetriebe sowie die Verkehrsbetriebe der Stadt St. Gallen brachten keine Einwendungen gegen die Erteilung einer neuen Kon-

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Zession vor. Die Voraussetzungen der Konzessionserteilung im Sinne des Artikels 5, Absatz l des Eisenbahngesetzes sind gemäss unseren Feststellungen und Untersuchungen gegeben.

V.

Der Konzessionsentwurf Der Ihnen hiermit unterbreitete Konzessionsentvrarf entspricht, soweit nachstehend nicht auf einzelne Artikel besonders eingetreten wird, der seit dem Inkrafttreten des neuen Eisenbahngesetzes üblichen Fassung.

Im Titel wird als neue amtliche Bezeichnung der Unternehmung «Mühleggbahn St. Gallen» vorgeschlagen. Dieser Name weist im Gegensatz zur bisherigen Bezeichnung «St.Gallen-Mühlegg-Bahn» eindeutig auf den Ortsbahncharakter der Unternehmung hin.

Die in Artikel 2 vorgesehene Konzessionsdauer von 50 Jahren entspricht der Regel.

Mit Rücksicht auf den Ortsbahncharakter der Unternehmung ist davon abgesehen worden, mit Artikel 6 bezüglich der festen Anlagen und des Rollmaterials eine Änderungspflicht aus Gründen der Landesverteidigung zu überbinden.

Die Beförderungspflicht gemäss Artikel 8 entspricht den bisherigen Konzessionsbestimmungen.

Das in Artikel 13 erwähnte Rückkaufsrecht ist im Vernehmlassungsverfahren geltend gemacht worden.

Das Baudepartement des beteiligten Kantons St. Gallen nahm in zustimmendem Sinne vom Entwurf des Bundesbeschlusses Kenntnis.

Die Verfassungsmässigkeit der Vorlage - in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses - ergibt sich aus Artikel 5, Absatz l und 2 des Eisenbahngesetzes, welches auf Artikel 23,24ter, 26, 34, Absatz 2, 36 und 64 der Verfassung beruht.

VI.

Antrag Gestützt auf diese Darlegungen beantragen wir Ihnen, dem folgenden Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Erteilung einer neuen Konzession für die St. Gallen-Mühlegg-Bahn Ihre Zustimmung zu geben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung Bern, den T.Februar 1968.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Spühler Der Bundeskanzler: Huber

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über die Erteilung einer neuen Konzession für die Mühleggbalm St. Gallen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 5 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 19571,) nach Einsicht in ein Gesuch der St. Gallen-Mühleck-Bahn vom 6. September 1966, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 7. Februar 1968, beschliesst:

I.

Der St. Gallen-Mühleck-Bahn wird unter den nachstehend aufgeführten Bedingungen eine neue Konzession für Bau und Betrieb einer Zahnradbahn erteilt.

Art. l

Gesetzgebung Die Bundesgesetze sowie alle übrigen bundesrechtlichen Vorschriften über Bau und Betrieb der vom Bund konzessionierten Eisenbahnen sind zu beachten.

Art. 2 Dauer Die Konzession wird für die Dauer von 50 Jahren, d. h. für die Zeit vom 26. Juni 1969 bis 25. Juni 2019, erteilt.

Art. 3 Sitz Die Konzessionärin hat ihren Sitz in St. Gallen.

1) AS 1958, 335.

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Art. 4 Linie Die Konzession gilt für die Linie Müllertor-Mühlegg in St. Gallen.

Art. 5

Lärmbekämfung Soweit es mit der Sicherheit des Betriebes vereinbar ist, hat die Konzessionärin die ihr zumutbaren Massnahmen zur Verminderung des durch ihren Betrieb bedingten Lärms zu treffen. Artikel 6 bleibt vorbehalten.

Art. 6 Pläne Die dem Betrieb dienenden Anlagen sowie die Fahrzeuge dürfen nur nach Plänen und Vorlagen erstellt oder geändert werden, welche von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind. Diese Behörde ist berechtigt, auch nach Erstellung der Anlagen und Fahrzeuge deren Änderung zu verlangen, wenn die Betriebssicherheit es erfordert.

Art. 7 Fahrplan Die Zahl der täglichen Fahrten und deren Verkehrszeiten haben sich nach den Bedürfnissen zu richten. Die Fahrpläne sind nach den geltenden Bestimmungen aufzustellen und vor dem Inkrafttreten durch die Aufsichtsbehörde genehmigen zu lassen.

Art. 8 Beförderungspflicht Die Konzessionärin übernimmt die Beförderung von Personen und deren Reisegepäck.

Art. 9 Tarife 1

Die Konzessionärin ist verpflichtet, Abonnemente zu ermässigten Taxen auszugeben.

2 Die Tarife bedürfen vor ihrem Inkrafttreten der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.

Art. 10 Haftpflichtversicherung 1

Die Konzessionärin hat sich gegen die Folgen ihrer in der Bundesgesetzgebung über die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsunterneh-

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mungen und der Post umschriebenen Haftpflicht bei einer in der Schweiz zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmung oder einer ändern, von der Aufsichtsbehörde anerkannten Einrichtung zu versichern.

2 Die Verträge über die Haftpflichtversicherung sowie deren nachträgliche Änderungen bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde.

Art. 11

Personalfürsorge 1

Die Konzessionärin hat für das ständige Personal eine Dienstalterskasse oder eine Pensionskasse einzurichten oder es bei einer in der Schweiz zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmung oder einer ändern, von der Aufsichtsbehörde anerkannten Einrichtung zu versichern.

2 Die Konzessionärin hat dafür zu sorgen, dass das Personal gegen die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit versichert ist.

Art. 12

Kontrolle Den eidgenössischen Beamten, denen die Aufsicht über Bau und Betrieb der Eisenbahnen obliegt, ist zu jeder Zeit freie Fahrt und freier Zutritt zu allen Teilen der Anlagen und der Fahrzeuge zu gewähren. Das zur Vornahme von Untersuchungen nötige Personal und Material, Pläne inbegriffen, sind ihnen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Konzessionärin und ihr Personal haben ferner den mit der Kontrolle betrauten Organen alle hiefür notwendigen Auskünfte zu erteilen.

Art. 13 Rückkauf Der politischen Gemeinde St. Gallen steht das Recht auf Rückkauf der Bahn zu. Der Rückkauf ist entsprechend den Bestimmungen des zehnten Abschnittes des Eisenbahngesetzes vorzunehmen.

II.

Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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23.02.1968

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