Auswirkungen von Freihandelsabkommen Stellungnahmen des Bundesrates vom 22. September 2017 und vom 16. Mai 2018 Kurzbericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 1. März 2019

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Bericht 1

Einleitung

Am 29. Januar 2015 beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N), die Auswirkungen von Freihandelsabkommen (FHA) zu untersuchen, und beauftragte die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer entsprechenden Evaluation. Am 26. Oktober 2016 gab die PVK der GPK-N ihre Evaluationsergebnisse1 bekannt. Am 4. Juli 2017 verabschiedete die Kommission ihren diesbezüglichen Bericht, in welchem sie vier Empfehlungen an den Bundesrat richtete.2 Mit Schreiben vom 22. September 2017 nahm der Bundesrat gegenüber der GPK-N Stellung.3 In einem unveröffentlichten Kurzbericht beurteilte die Kommission die Stellungnahme des Bundesrates, worauf dieser mit Schreiben vom 16. Mai 20184 erneut Stellung bezog. Ferner hörte sie an ihrer Sitzung vom 15. Oktober 2018 zwei Sachverständige5 für Nachhaltigkeitsstudien zu FHA an, um sich über die Machbarkeit, die Möglichkeiten und die Grenzen dieser Studien zu informieren. Mit vorliegendem Kurzbericht bewertet die Kommission die beiden Stellungnahmen des Bundesrates.

2

Durchführung von Nachhaltigkeitsstudien Empfehlung 1

Durchführung von Nachhaltigkeitsstudien

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, inskünftig im Rahmen der Beschaffung von Informationsgrundlagen für FHA-Verhandlungen die Durchführung von Nachhaltigkeitsstudien zu prüfen. Sollte der Bundesrat zur Auffassung gelangen, dass im Einzelfall keine Nachhaltigkeitsstudie durchgeführt werden soll, wäre diese Entscheidung in der Botschaft zum betreffenden FHA zu begründen. Die Resultate durchgeführter Nachhaltigkeitsstudien sind in der jeweiligen Botschaft auszuweisen.

1

2

3

4

5

Evaluation zu den Auswirkungen von Freihandelsabkommen, Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) vom 26. Okt. 2016 (BBl 2017 7597, nachfolgend Bericht der PVK vom 26. Okt. 2016) Auswirkungen von Freihandelsabkommen, Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 4. Juli 2017 (BBl 2017 7577, nachfolgend Bericht der GPK-N vom 4. Juli 2017) Auswirkungen von Freihandelsabkommen, Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017 zum Bericht der GPK-N vom 4. Juli 2017 (BBl 2017 7649, nachfolgend Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017) Auswirkungen von Freihandelsabkommen, Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018 zum unveröffentlichten Kurzbericht der GPK-N vom 23. März 2018 (unveröffentlicht, nachfolgend Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018) Dr. Elisabeth Bürgi Bonanomi, Senior Research Scientist, Centre for Development and Environment (CDE), Universität Bern; Christophe Bellmann, Resident Senior Research Associate am International Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD)

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2.1

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hebt einleitend hervor, wie wichtig es ist, die nachhaltige Entwicklung im Rahmen von FHA gemäss den strategischen Zielen des Bundes zu berücksichtigen.6 Diese strategischen Ziele hätten in den neueren FHA der Schweiz jeweils eine solide Grundlage. Als Beispiele erwähnt der Bundesrat hierbei u. a. entsprechende Verweise neuerer FHA auf die Übereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und auf den Bereich der Menschenrechte sowie eine spezifische Norm, wonach die Vertragsparteien ihren internationalen Verpflichtungen aus anderen Übereinkommen (z. B. in den Bereichen Soziales, Umwelt und Menschenrechte) auch unter Geltung dieser FHA weiter nachkommen müssen. 7 Der Bundesrat teilt mit, er lehne die Durchführung vorgängiger Nachhaltigkeitsstudien nicht grundsätzlich ab, und macht hierzu Argumente geltend, die in den folgenden Abschnitten erläutert werden.8

2.1.1

Umfassende Auswirkungsstudien wie jene der EU

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass solche Studien aufgrund der Anwendung von Modellen an bisweilen unüberwindbare methodologische Grenzen stossen. Damit die Forschenden die FHA-Auswirkungen nicht nur bezogen auf die Umwelt, sondern auch auf komplexere Aspekte wie z. B. die Einkommensverteilung beurteilen könnten, müssten ihnen zweckdienliche Daten vorliegen, und zwar nicht bloss zum Warenhandel. Ausserdem seien manchmal gar keine Daten vorhanden (z. B. zum bilateralen Dienstleistungshandel). Da nicht genügend verwertbare Daten vorliegen würden, seien die Forschungsergebnisse zum grössten Teil von der Subjektivität der Forschenden abhängig. In Kombination mit der Schwierigkeit, Kausalzusammenhänge nachzuweisen, führe dies zu unpräzisen Aussagen. Ausserdem würden die meisten Reaktionen auf veränderte Wirtschaftsbedingungen unmittelbar auf der Stufe der Unternehmen anfallen; dies führe ebenfalls zu einem Informationsmangel.

Zu berücksichtigen sei schliesslich auch das relative Gewicht der Schweiz im Welthandel, welches über zehnmal geringer sei als jenes der EU oder der USA.9 Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Ansicht, dass solche Studien trotz eines hohen (finanziellen und personellen) Aufwands zu keinen aussagekräftigen Resultaten führen.10

6 7 8 9 10

Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7651) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7651) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7651) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7652) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7652)

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2.1.2

Umweltbereich

Der Bundesrat führt aus, dass die erwähnten methodologischen Schwierigkeiten im Umweltbereich geringer sind, weil bei diesen Studien primär die Warenhandelsflüsse und die Veränderungen der Marktzugangsbedingungen auf tarifärer Ebene geprüft werden. In diesem Zusammenhang wird die Einführung des Aktionsplanes «Grüne Wirtschaft» im Jahr 2013 erwähnt.11 Der Bundesrat teilt mit, dass er die Zweckmässigkeit einer gezielten Umweltverträglichkeitsstudie von Fall zu Fall prüfen wird. Er sei nicht grundsätzlich gegen die Verwendung dieses Instruments. Dass bisher keine solchen Studien durchgeführt worden seien, liege daran, dass jene Freihandelsverhandlungen, welche seit der Einführung des zuvor genannten Aktionsplanes «Grüne Wirtschaft» lanciert wurden, Partner mit geringen bilateralen Handelsvolumen betrafen bzw. Partner, mit welchen die erhobenen Zölle für den Warenverkehr bereits relativ tief waren.12

2.2

Einschätzung der GPK-N

2.2.1

Vorbemerkungen

Mit der Resolution vom 25. September 2015 beschloss die UNO 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, welche verschiedene Unterziele enthalten, die als sogenannte Sustainable Development Goals (SDG) bezeichnet werden.13 Der Bundesrat verfolgt seit 1997 eine eigene Strategie Nachhaltige Entwicklung. In seiner zurzeit aktuellen Version dieser Strategie weist der Bundesrat darauf hin, dass er künftig eine möglichst genaue Ausrichtung seiner Strategie auf die Agenda 2030 und deren SDG beabsichtigt, um sicherzustellen, dass die Schweiz bis 2030 zur Verwirklichung dieser Ziele beiträgt.14 In seiner Stellungnahme vom 16. Mai 2018 betont der Bundesrat, dass er sich für die Aufnahme expliziter Verweise auf die Agenda 2030 in die FHA bzw. für entsprechende materielle Bestimmungen in den FHA einsetzt. Aus der PVK-Evaluation geht hervor, dass der Bundesrat aus grundsätzlichen Überlegungen bisher jedoch darauf verzichtet hat, Nachhaltigkeitsstudien durchzuführen.15 Die GPK-N erklärte in ihrem Bericht vom 4. Juli 2017, dass sie die Haltung des Bundesrates, der einerseits die Bedeutung der Nachhaltigkeit als Strategie betont, andererseits aber Nachhaltigkeitsstudien in anderen Bereichen als der Umwelt ab11

12 13

14

15

Bundesamt für Umwelt: Grüne Wirtschaft: Berichterstattung und Aktionsplan, 8. März 2013, www.admin.ch > Startseite > Dokumentation > Medienmitteilungen > Bundesrat verabschiedet den Aktionsplan Grüne Wirtschaft (8. März 2013) (Stand: 19. Feb. 2019) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7653) Vereinte Nationen, Generalversammlung: Resolution 70/1 ­ Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, 25. Sept. 2015, www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf (Stand: 19. Feb. 2019) Bundesrat: Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019, 27. Jan. 2016, Ziff. 1.1, S. 4, www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Politik und Strategie > Strategie Nachhaltige Entwicklung (Stand: 19. Feb. 2019) Bericht der PVK vom 26. Okt. 2016, Ziff. 3.1 (BBl 2017 7597 7613)

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lehnt, nicht zu überzeugen vermag. 16 Für die GPK-N stellt sich die Frage, wie der Bundesrat die Erreichung der Ziele überprüfen will, ohne die Auswirkungen der FHA hinsichtlich der entsprechenden Nachhaltigkeitsaspekte effektiv zu untersuchen. Der Bundesrat betont zwar in seiner zweiten Stellungnahme, sein Ansatz erlaube es auf allfällige negative Konsequenzen zu reagieren.17 Für die GPK-N ist jedoch nicht klar, wie er in einem solchen Fall konkret vorgehen wird.

In seiner Stellungnahme vom 22. September 2017 zum Bericht der GPK-N unterscheidet der Bundesrat zwischen Studien im Umweltbereich und umfassenden Auswirkungsstudien wie jene der EU (vgl. oben Ziff. 2.1).

2.2.2

Studien im Umweltbereich

Die GPK-N begrüsst, dass der Bundesrat die Zweckmässigkeit einer gezielten Umweltverträglichkeitsstudie künftig von Fall zu Fall prüfen will, und nimmt die Begründung des Bundesrates, weshalb bisher keine solchen Studien durchgeführt wurden, zur Kenntnis.

Auf der Website des SECO ist ersichtlich, dass zurzeit mit mehreren Staaten (Zollunion Russland-Belarus-Kasachstan, Algerien, Thailand, Indien, Vietnam, Malaysia, Mercosur-Staaten18) FHA-Verhandlungen im Gange sind.19 Die Kommission ist der Ansicht, dass bei diesen und bei künftigen FHA die Durchführung von Studien im Umweltbereich vertieft geprüft werden sollte. Sie begrüsst, dass im Rahmen der Verhandlungen für ein FHA zwischen den EFTA- und Mercosur-Staaten eine Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt wird, und wünscht, über das Resultat informiert zu werden. Die Kommission nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass der Bundesrat gemäss Stellungnahme vom 16. Mai 2018 die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen von Fall zu Fall analysieren wird.

Sollte der Bundesrat zur Auffassung gelangen, dass im Einzelfall die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht sinnvoll ist, fordert die GPK-N, dass diese Entscheidung in der Botschaft zum betreffenden FHA begründet wird.

2.2.3

Umfassende Auswirkungsstudien wie jene der EU

Gegenüber solchen Studien bekräftigt der Bundesrat seine kritische Haltung, wie sie schon im Evaluationsbericht der PVK festgestellt wurde.20 Die Stellungnahmen des Bundesrates enthalten keine wesentlichen neuen Angaben.

16 17 18 19

20

Bericht der GPK-N vom 4. Juli 2017, Ziff. 2.1.5 (BBl 2017 7577 7584) Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018, Ziff. 2.1, S. 3 Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay.

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO: Freihandelsabkommen, www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Freihandelsabkommen > Liste der Freihandelsabkommen der Schweiz (letzte Änderung 18. Dez. 2018) (Stand: 19. Feb. 2019) Bericht der PVK vom 26. Okt. 2016, Ziff. 3.1 (BBl 2017 7597 7613)

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Die GPK-N ist der Auffassung, dass der Bundesrat teilweise von einem sehr engen Methodenverständnis ausgeht. Zutreffend ist, dass geeignete Datenbanken oft nicht vorhanden und Modellierungen nur in sehr beschränkter Form möglich sind. 21 Auch Fragen zur Kausalität sind in diesem Kontext generell schwierig zu beantworten. 22 Dennoch gibt es bereits Verfahren, die sich bei umfassenden Auswirkungsstudien bewährt haben, wie beispielsweise rechtliche Analysen, Befragungen bei den betroffenen Gruppen, das Einsetzen von Expertengruppen oder andere qualitative Methoden.

Die GPK-N teilt in gewissen Punkten die Meinung des Bundesrates. Auf der Grundlage der Informationen, welche die Kommission von den angehörten Sachverständigen erhalten hat, kommt sie ebenfalls zum Schluss, dass umfassende Auswirkungsstudien, wie sie etwa von der EU durchgeführt werden, für die Schweiz nicht voll und ganz gerechtfertigt wären. Einerseits sind die ökonometrischen Modelle bei schwächeren Handelsströmen wie im Falle der Schweiz sehr ungenau und andererseits sind die Kosten für solche Studien im Verhältnis zu deren potenziellem Nutzen zu hoch (die EU-Kommission beispielsweise budgetiert einen Zahlungsrahmen von 600 000 Euro pro Studie23).

2.2.4

Gezielte Auswirkungsstudien

In seiner zweiten Stellungnahme betont der Bundesrat, er verfolge einen anderen Ansatz als die EU-Kommission und bevorzuge hinsichtlich der untersuchten Themen gezieltere Studien.24 Der Bundesrat erläutert auch, «dass es auf internationaler Ebene weder einen Konsens noch anerkannte beste Praktiken oder erprobte Verfahren für Studien zur Auswirkung der Handelsabkommen in den genannten sozialen Bereichen25 gibt, [er aber] allfällige technische und methodologische Weiterentwicklungen solcher Instrumente auf internationaler Ebene im Auge behalten [werde]».26 Die GPK-N begrüsst die Bereitschaft, in gewissen Sektoren gezielte Studien durchzuführen, sie befürchtet aber, dass der Ansatz zu stark vereinfacht sein könnte. Laut den angehörten Experten könnten auf der Grundlage quantitativer und qualitativer Daten je nach Fall mehr oder weniger gezielte Studien durchgeführt werden, um potenziell problematische Sektoren zu eruieren. Diese Studien sollten ein relativ 21 22 23 24 25

26

Bericht der PVK vom 26. Okt. 2016, Ziff. 3.1 (BBl 2017 7597 7617) Bericht der PVK vom 26. Okt. 2016, Ziff. 3.2 (BBl 2017 7597 7619) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.1 (BBl 2017 7649 7652) Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018, Ziff. 2.1, S. 3 In seiner Stellungnahme vom 16. Mai 2018, Ziff. 2.1, erwähnt der Bundesrat unter anderem das Engagement zur «[...] Einhaltung und Umsetzung der internationalen Verpflichtungen der Vertragsparteien im Bereich Umweltschutz und Arbeitsnormen, die wirksame Durchsetzung der innerstaatlichen Umwelt- und Arbeitsgesetzgebung sowie die Erhaltung der bestehenden nationalen Schutzniveaus [...]. Weitere Bestimmungen betreffen die nachhaltige Bewirtschaftung von Waldressourcen und Fischbeständen, die Förderung menschenwürdiger Arbeit für alle sowie die Verbreitung und Verwendung von Nachhaltigkeitszertifikaten zur Förderung umweltfreundlicher Produktionsmethoden und von Sozialstandards».

Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018, Ziff. 2.1, S. 3

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genaues Bild der Folgen eines FHA vermitteln, ohne dabei umfassend sein zu müssen. Sie würden so erlauben zu beurteilen, inwieweit sich ein FHA auf spezifische Bevölkerungsgruppen auswirken könnte. Quantitative Analysen könnten durch qualitative Analysen ergänzt werden, sollten die Daten nicht ausreichen und mit solchen gezielten Auswirkungsstudien könnten relativ günstig zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden. Diese Studien könnten sich beispielsweise auf bestimmte Aspekte der SDG der Agenda 2030 konzentrieren, die für das jeweilige FHA relevant sind.

Was die Methodologie angeht ist die GPK-N der Auffassung, dass das Fehlen international anerkannter Praktiken den Bund nicht daran hindern sollte, eine eigene Methodik einzuführen. Nach Wissen der Kommission hatte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit Unterstützung des SECO Überlegungen zu diesem Thema angestossen und hatte einen Ausschuss aus Sachverständigen aus akademischen Kreisen sowie aus Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung gebildet. Dieser Prozess hätte zu einer Beurteilung der bereits bestehenden Methoden, zur Festlegung von einschlägigen Kriterien und zur Entwicklung einer auf die Schweiz anwendbaren Methode führen sollen, wurde aber nach der Veröffentlichung der ersten Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der GPK-N unterbrochen.

Die Kommission fordert den Bundesrat auf, diese Überlegungen zu Ende zu führen, und reicht deshalb folgendes Postulat ein: Postulat

Erarbeitung einer Methodik zur Beurteilung der Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die nachhaltige Entwicklung

Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht zu den methodischen ­ quantitativen und qualitativen ­ Möglichkeiten vorzulegen, anhand deren vor dem Abschluss von Freihandelsabkommen Nachhaltigkeitsstudien durchgeführt werden können. In diesem Zusammenhang wird er ersucht, die bestehenden Möglichkeiten für ein dynamisches und flexibles, an die Bedürfnisse der Schweiz angepasstes Analysemodell vorzustellen, welches einer breiten Definition der nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen Rechnung trägt.

Die GPK-N weist zudem darauf hin, dass Leitfäden, u. a. des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE), zur Durchführung von Nachhaltigkeitsbeurteilungen zur Verfügung stehen.27 Solche Verfahren und Instrumente werden vom Bundesrat in seinen Stellungnahmen jedoch nicht näher geprüft. So lehnt er z. B. die Anwendung 27

Europäische Kommission: Handbook for trade sustainability impact assessment, April 2016, www.cc.europa.eu > European Commission > Trade > Policy > Policy making > Analysis > Policy evaluation > Sustainability Impact Assessments (Stand: 19. Feb. 2019); Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Guidance on Sustainability Impact Assessment, 2010, www.oecd-ilibrary.org > Catalogue > Books > Environment > 2010 (Stand: 19. Feb. 2019);Bundesamt für Raumentwicklung: Nachhaltigkeitsbeurteilung ­ Rahmenkonzept und methodische Grundlagen, April 2004, www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Evaluation und Daten > Nachhaltigkeitsbeurteilung > Bund (Stand: 19. Feb. 2019)

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des Leitfadens des ARE grundsätzlich ab, weil dieser nicht auf den internationalen Handel übertragbar sei. Die GPK-N nimmt die Vorbehalte und kritischen Aspekte gegenüber diesen Verfahren und Instrumenten zur Kenntnis, ist jedoch der Ansicht, dass nicht gänzlich auf solche Verfahren und Instrumente verzichtet werden sollte.

Auch wenn der Leitfaden des ARE nicht direkt anwendbar ist, so sollte in den Augen der Kommission im Rahmen der Behandlung des Postulats der GPK-N die Option geprüft werden, einen spezifischen Evaluationsleitfaden auf der Grundlage des Leitfadens des ARE zu erstellen.

In diesem Zusammenhang hält die GPK-N demnach an ihrer Empfehlung fest und fordert den Bundesrat auf, künftig die Durchführung von Auswirkungsstudien zu Sektoren und Bereichen, denen bei der Beschaffung von Informationsgrundlagen für FHA-Verhandlungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist, zu prüfen. Sollte der Bundesrat im Einzelfall eine Nachhaltigkeitsstudie nicht für sinnvoll erachten, ist diese Entscheidung in der Botschaft zum betreffenden FHA zu begründen.

Die GPK-N ist der Auffassung, dass mit solchen Studien nicht nur die Qualität der FHA und deren Nutzen optimiert werden können, sondern auch die Akzeptanz dieser Abkommen in der Bevölkerung erhöht wird.

3

Verbesserung der Datenlage Empfehlung 2

Verbesserung der Datenlage

Die GPK-N bittet den Bundesrat, zu prüfen, mit welchen Massnahmen die Datensituation verbessert werden könnte. In diesem Rahmen empfiehlt die Kommission, bei künftigen FHA Möglichkeiten des Zugangs zu Zolldaten der anderen Vertragspartei zu prüfen, um diese Daten gegebenenfalls systematisch auszuwerten und dabei zu analysieren, wie Schweizer Unternehmen das betreffende FHA nutzen. Die Erkenntnisse dieser allfälligen Analyse sollten für spätere FHA berücksichtigt werden. Der Bundesrat wird gebeten, darüber Bericht zu erstatten.

3.1

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat stimmt mit der GPK-N überein, dass die Qualität der Zolldaten, welche mit (potentiellen) Partnerstaaten ausgetauscht werden, wichtig für die Durchführung von Analysen ist. Andererseits weist der Bundesrat darauf hin, dass nicht alle Partnerstaaten zur Offenlegung dieser Daten bereit sind; teilweise würden Zolldaten zwecks Verhinderung der detaillierten Offenlegung der Struktur der Importe als «nicht spezifiziert» ausgewiesen, womit eine Verwendbarkeit dieser Daten in Frage gestellt sei.28

28

Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.2 (BBl 2017 7649 7653)

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Der Bundesrat erklärt jedoch in seiner zweiten Stellungnahme, dass das WBF über das SECO entsprechende Arbeiten im Sinne der Empfehlungen der Kommission aufgenommen hat. Die Schweiz habe u. a. mit den EFTA-Partnern eine Modellbestimmung zum gegenseitigen Austausch von Zollstatistiken erarbeitet und mit der EU den Austausch von detaillierten Einfuhrstatistiken beschlossen.29

3.2

Einschätzung der GPK-N

Die GPK-N kann die Argumentation des Bundesrates nachvollziehen und ist mit seiner Antwort zufrieden. Sie begrüsst, dass der Bundesrat der Empfehlung der GPK-N gefolgt ist und entsprechende Arbeiten aufgenommen hat.

4

Mehr Transparenz bei den Gemischten Ausschüssen Empfehlung 3

Mehr Transparenz bei den Gemischten Ausschüssen

Die GPK-N bittet den Bundesrat, darauf hinzuwirken, dass die in den Gemischten Ausschüssen vertretenen Schweizer Behörden jeweils einen konsolidierten Jahres- bzw. Tätigkeitsbericht zu allen bestehenden Gemischten Ausschüssen der FHA erstellen und diesen publizieren.

4.1

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat teilt mit, dass mit der Berichterstattung über die Aussenwirtschaftspolitik bereits eine Zusammenfassung der Tätigkeiten der Gemischten Ausschüsse erfolgt. Die Diskussionen innerhalb der Gemischten Ausschüsse könnten gegenüber der Öffentlichkeit nicht vollständig transparent ausgewiesen werden, da hierbei u. a.

vertrauliche Themen erörtert würden. Der Bundesrat vertritt aber die Auffassung, dass über nicht sensible Informationen ausführlicher berichtet werden sollte und schlägt vor, in seinem jährlichen Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik detaillierter über die Tätigkeit der Gemischten Ausschüsse zu informieren.30

4.2

Einschätzung der GPK-N

In ihrem Bericht vom 4. Juli 2017 hält die GPK-N fest, dass im FHA mit China aus den Bestimmungen zur Überprüfung der Erreichung der Ziele betreffend Umweltfragen (Kapitel 12) nicht klar hervorgeht, wie der Gemischte Ausschuss konkret dabei vorgeht und ob bzw. wie dieser bei fehlenden Fortschritten tätig wird.31 Die 29 30 31

Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018, Ziff. 2.2, S. 4 Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.3 (BBl 2017 7649 7654) Bericht der GPK-N vom 4. Juli 2017, Ziff. 2.2.2.2 (BBl 2017 7577 7587)

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GPK-N wies im Weiteren darauf hin, dass es für die Kommission sowie die Öffentlichkeit generell schwierig ist, die Arbeit der Gemischten Ausschüsse zu beurteilen, weil diese keine Jahres- bzw. Tätigkeitsberichte veröffentlichen. Die Kommission würde es also sehr begrüssen, wenn die in den Gemischten Ausschüssen vertretenen Schweizer Behörden jeweils einen konsolidierten Jahres- bzw. Tätigkeitsbericht erstellen und publizieren würden.32 Die GPK-N verlangte nicht, alle Details der Beratungen in den Gemischten Ausschüssen offenzulegen. Sie hat Verständnis dafür, dass eine gewisse Vertraulichkeit erforderlich ist, damit die Gemischten Ausschüsse reibungslos funktionieren. Die GPK-N ist allerdings der Ansicht, dass die Gemischten Ausschüsse hinsichtlich des Vollzugs von FHA auch auf eine gewisse Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung bzw. der Wirtschaft angewiesen sind, was wiederum eine gewisse Transparenz erfordert. Daher ist es der Kommission ein Anliegen, dass die Schweizer Behörden, die in diesen Gemischten Ausschüssen Einsitz nehmen, die Öffentlichkeit über die Zusammensetzung dieser Gremien und ­ soweit möglich ­ über deren Tätigkeit sowie deren Funktions- und Vorgehensweise (insbesondere bei der Lösung von Vollzugsproblemen) informieren.

In ihrem Bericht vom 4. Juli 2017 ersuchte die GPK-N den Bundesrat, darauf hinzuwirken, dass die in den Gemischten Ausschüssen vertretenen Schweizer Behörden jeweils einen konsolidierten Jahres- bzw. Tätigkeitsbericht zu allen bestehenden Gemischten Ausschüssen der FHA erstellen und diesen publizieren (vgl. oben Ziff. 4). Ein solcher konsolidierte Bericht kann nach Auffassung der Kommission ­ wie vom Bundesrat vorgeschlagen ­ durchaus Teil des Aussenwirtschaftspolitikberichtes sein. Die GPK-N wertet es als positiv, dass diese Berichterstattung nun im Bericht vom 10. Januar 201833 zur Aussenwirtschaftspolitik 2017 erfolgt ist. Sie hatte ebenfalls das Anliegen vorgebracht, dass der Bundesrat zu allen FHA Bericht erstattet, zu denen im Berichtsjahr eine Sitzung des jeweiligen Gemischten Ausschusses stattgefunden hat. Sie stellt fest, dass dies im Bericht vom 16. Januar 2019 über die Aussenwirtschaftspolitik 2018 erfolgt ist.34

32 33 34

Bericht der GPK-N vom 4. Juli 2017, Ziff. 2.2.2.2 (BBl 2017 7577 7588) Bericht vom 10. Januar 2018 zur Aussenwirtschaftspolitik 2017 und Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2017 (BBl 2018 821) Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2018 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2018 (BBl 2019 1605)

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5

Genauere Erläuterungen zum konkreten Einzelfall hinsichtlich der Auswirkungen zu Diskriminierungen Empfehlung 4

Genauere Erläuterungen zum konkreten Einzelfall hinsichtlich der Auswirkungen zu Diskriminierungen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, im Rahmen von FHA-Botschaften hinsichtlich der Auswirkungen auf tatsächliche oder potenzielle Diskriminierungen präzisere Angaben zu machen und dabei die Grundlagen seiner Aussagen klarer darzulegen. Weiter soll der Bundesrat genauer erläutern, weshalb das Diskriminierungspotenzial respektive eine bestehende Diskriminierung für Schweizer Unternehmen durch das konkret zu erläuternde FHA zumindest verkleinert werden könnte.

5.1

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Analyse allfälliger bestehender Abkommen ein integraler Bestandteil der Überlegungen ist, welche zum Entscheid über die Aufnahme von Verhandlungen führten. Die Resultate dieser Analyse würden in den Verhandlungen vollumfänglich berücksichtigt. Nach Abschluss der Verhandlungen würden diese Punkte in der Botschaft genannt, und zwar primär in den entsprechenden sektoriellen Kapiteln (ausführliche Erläuterung und Vergleich der erhaltenen Konzessionen). Zwecks Vermeidung von Wiederholungen beschränkten sich die Ausführungen zu den FHA-Auswirkungen bezüglich Diskriminierungen im Kapitel Auswirkungen daher häufig auf allgemeine Formulierungen.35 Allerdings räumt der Bundesrat ein, dass sowohl Präsentation als auch Genauigkeit der Informationen zu den FHA-Auswirkungen verbessert werden können. Folglich habe er das WBF bzw. das SECO aufgefordert, künftig die betreffenden Aspekte präziser und detaillierter zu schildern.36

5.2

Einschätzung der GPK-N

Die Evaluation der PVK zeigt, dass in den entsprechenden sektoriellen Kapiteln der FHA-Botschaften die Diskriminierungen von Schweizer Unternehmen primär mit Standardformulierungen beschrieben werden, ohne konkret auf das betreffende FHA Bezug zu nehmen,37 weshalb die GPK-N in ihrem Bericht die Empfehlung 4 dazu formuliert hat.38

35 36 37 38

Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.4 (BBl 2017 7649 7657) Stellungnahme des Bundesrates vom 22. Sept. 2017, Ziff. 2.4 (BBl 2017 7649 7657) Bericht der PVK vom 26. Okt. 2016, Ziff. 4.2 (BBl 2017 7597 7628) Bericht der GPK-N vom 4. Juli 2017, Ziff. 2.3.4 (BBl 2017 7577 7592)

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Die GPK-N nimmt mit Genugtuung zur Kenntnis, dass der Bundesrat die Auffassung der Kommission teilt, wonach die Darstellung wie auch die Genauigkeit der Angaben betreffend die Auswirkungen der FHA auf die tatsächlichen oder potenziellen Diskriminierungen verbessert werden können. Sie begrüsst es daher, dass der Bundesrat in den Botschaften zu FHA künftig genauere Angaben zu Diskriminierungen machen und dabei präziser über die zugrundeliegenden Daten orientieren wird.39

6

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N schliesst die Inspektion mit diesem Kurzbericht ab und wird in ein bis zwei Jahren eine Nachkontrolle durchführen.

1. März 2019

Für die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates: Die Präsidentin, Doris Fiala Die Sekretärin der Geschäftsprüfungskommissionen, Beatrice Meli Andres Die Präsidentin der Subkommission EFD/WBF, Yvonne Feri Der Sekretär der Subkommission EFD/WBF, Pierre-Alain Jaquet

39

Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Mai 2018, Ziff. 2.4, S. 5

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Abkürzungsverzeichnis ARE

Bundesamt für Raumentwicklung

BBl

Bundesblatt

DEZA

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EU

Europäische Union

FHA

Freihandelsabkommen

GPK

Geschäftsprüfungskommission(en)

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

IAO

Internationale Arbeitsorganisation

PVK

Parlamentarische Verwaltungskontrolle

SDG

Sustainable Development Goals

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

UNO

Vereinte Nationen

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

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