zu 16.452 Parlamentarische Initiative Ausbau der Wasserkraft zur Stromerzeugung und Stromspeicherung.

Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 30. April 2019 Stellungnahme des Bundesrates vom 14. August 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 30. April 20191 betreffend die parlamentarische Initiative «Ausbau der Wasserkraft zur Stromerzeugung und Stromspeicherung. Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. August 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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BBl 2019 5575

2019-1838

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Verkehr des Nationalrates (UREK-N) beschloss am 27. Juni 2017, auf dem Weg der parlamentarischen Initiative eine Änderung des Wasserrechtsgesetzes vom 22. Dezember 19162 (WRG) auszuarbeiten.

Bei der Erneuerung einer Wasserrechtskonzession von bestehenden Speicher- und Laufkraftwerken mit einer installierten Leistung von mehr als 3 MW muss gemäss der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 19883 zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit des Vorhabens eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Die Basis der Prüfung bildet der Umweltverträglichkeitsbericht. Darin muss unter anderem auch der Ausgangszustand gemäss Artikel 10b Absatz 2 Buchstabe a des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 19834 (USG) dargestellt werden. Dieser dient als Referenzgrösse dafür, ob und in welchem Umfang Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen nach Artikel 18 Absatz 1ter des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 19665 (NHG) zu leisten sind. Der Begriff «Ausgangszustand» ist formell-rechtlich allerdings nicht definiert. Der Vollzug in der Vergangenheit hat gezeigt, dass Unsicherheiten bestehen, was im fraglichen Bereich unter dem Begriff «Ausgangszustand» zu verstehen ist. Nach bisheriger Praxis wurde anlässlich von Konzessionserneuerungen bestehender Kraftwerke hinsichtlich schutzwürdiger Lebensräume im Sinne von Artikel 18 Absatz 1bis NHG als Ausgangszustand derjenige Zustand betrachtet, der bestehen würde, wenn die frühere Konzession nie erteilt und die Anlage nie gebaut worden wäre. Entsprechend mussten für die Differenz zwischen diesem und dem Zustand im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung Ersatzmassnahmen geleistet werden. Rechtlich wurde diese Praxis davon abgeleitet, dass auf eine Konzessionserneuerung kein Rechtsanspruch besteht.

Die mit der parlamentarischen Initiative beabsichtigte Anpassung des WRG bezweckt, den Ausgangszustand in Zusammenhang mit Konzessionserneuerungen im Bereich Naturschutz eindeutig festzulegen, und zwar als Zustand zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung (Ist-Zustand). Die Festlegung des Ausgangszustands als Ist-Zustand hat zur Folge, dass dieser Zustand bei der Erstellung eines Umweltverträglichkeitsberichts sowohl im Hinblick auf ein Verfahren um erstmalige Konzessionserteilung als auch bei einer Konzessionserneuerung die massgebende Referenzgrösse zur Bemessung des zu leistenden Umfangs von Massnahmen nach Artikel 18 Absatz 1ter NHG bildet.

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SR 721.80 SR 814.011 SR 814.01 SR 451

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Der Beschluss der Kommission wurde gemäss Artikel 109 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20026 der Schwesterkommission des Ständerates (UREK-S) vorgelegt. Diese befasste sich an ihrer Sitzung vom 18. August 2017 mit dem Anliegen der Initiative und stimmte dieser zu. Die UREK-N arbeitete in der Folge einen Gesetzesentwurf aus.

Am 9. Oktober 2018 stimmte die UREK-N dem Vorentwurf zu und schickte ihn am 1. November 2018 mit einem Mehrheits- und einem Minderheitsantrag in die Vernehmlassung.

Die Kommission schlug vor, Artikel 58a WRG mit einem neuen Absatz 5 zu ergänzen. Darin sollte der Zustand zum Zeitpunkt der Einreichung des Konzessionserneuerungsgesuchs als Ausgangszustand festgelegt werden. Dadurch werde die geforderte rechtliche Klärung geschaffen, wie die Bemessung von Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen nach Artikel 18 Absatz 1ter NHG bei Konzessionserneuerungen vorzunehmen sei.

Eine Kommissionsminderheit wollte mit einem zusätzlichen Absatz 6 zu Artikel 58a WRG die Grundlage schaffen, damit bei einer Konzessionserneuerung verhältnismässige Massnahmen zu Gunsten von Natur und Landschaft geprüft werden müssen.

Am 30. April 2019 nahm die UREK-N das Ergebnis der Vernehmlassung zur Kenntnis. Anstelle des im Vorentwurf enthaltenen Minderheitsantrags (Art. 58a Abs. 6) beantragt eine Minderheit neu die Ergänzung von Artikel 58a Absatz 5 mit einem zusätzlichen Satz. Demnach sollen bei Konzessionserneuerungen nach Möglichkeit und soweit verhältnismässig Massnahmen zugunsten von Natur und Landschaft für durch den Bestand der Wasserkraftanlage beeinflusste natürliche Lebensräume vereinbart oder angeordnet werden.

Die Kommission stimmte dem Entwurf am 30. April 2019 zu.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat unterstützt das mit der parlamentarischen Initiative 16.452 verfolgte Bestreben, den Ausgangszustand klar festzulegen und dadurch Rechtssicherheit zu schaffen. Da es in der Vergangenheit zum Teil nicht einfach war, den Zustand vor dem Bau eines bereits bestehenden Kraftwerks abzuschätzen, gab die Herleitung des massgeblichen Ausgangszustandes immer wieder zu Diskussionen Anlass. Bei einigen Konzessionserneuerungen, bei denen ein Ersatz der früheren Beeinträchtigungen unverhältnismässig gewesen wäre, wurden bereits in der Vergangenheit abweichende Lösungen auf der Basis von Verhandlungen zwischen den Verfahrensbeteiligten gefunden. Mit der geplanten Festlegung des Ist-Zustandes als massgeblichen Ausgangszustand kann Klarheit geschaffen und können die Verfahren vereinfacht werden. Dies ist insbesondere deshalb von grosser Bedeutung, da in den nächsten Jahrzehnten die Konzessionen eines Grossteils der bestehenden Wasserkraftwerke

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erneuert werden müssen. Der Bundesrat beantragt deshalb Zustimmung zu Absatz 5 erster Satz entsprechend dem Antrag der Kommission.

Zudem begrüsst es der Bundesrat, wenn auch bei Konzessionserneuerungen, welche keine neuen negativen Auswirkungen auf schutzwürdige Lebensräume entfalten, Massnahmen zu Gunsten von Natur und Landschaft realisiert und damit die Auswirkungen der Wasserkraftnutzung reduziert werden. Immerhin wird dem Konzessionär mit der Konzessionserneuerung das Recht erteilt, die Wasserkraft an einem Standort für weitere Jahrzehnte exklusiv zu nutzen und die damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft aufrecht zu erhalten.

Gemäss dem Antrag der Kommissionsminderheit können Massnahmen in Gebieten angeordnet werden, die durch den Bestand der Wasserkraftanlage beeinträchtigt werden. Sie müssen sich zudem positiv auf die dort vorhandene Natur und Landschaft auswirken. Es drängt sich somit auf, die Massnahmen am Aufwertungspotenzial der beeinträchtigten Gebiete auszurichten. Die Massnahmen müssen verhältnismässig sein und wenn immer möglich zwischen dem Konzessionsbewerber und den Behörden einvernehmlich festgelegt werden. Erst wenn nach redlichen Verhandlungen keine Einigung zu Stande gekommen ist, soll das Gemeinwesen Massnahmen verfügen.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass gerade bei der Wasserkraftnutzung die Interessen am Natur- und Landschaftsschutz und die Nutzungsinteressen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen. Der Antrag der Kommissionsminderheit ist nach Ansicht des Bundesrates ein ausgewogener Kompromiss zwischen diesen Interessen, sofern er als Kann-Vorschrift ausgestaltet wird. Den Kantonen wird so die Möglichkeit eingeräumt, im Einzelfall unter Anwendung pflichtgemässen Ermessens sachgerechte Lösungen zu finden.

Der Bundesrat geht davon aus, dass Konzessionserneuerungsverfahren, bei denen die Gesuchseinreichung bei Inkrafttreten der neuen Gesetzesbestimmung bereits stattgefunden hat, von der neuen Regelung nicht betroffen sind.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Zustimmung zu Artikel 58a Absatz 5 erster Satz WRG entsprechend dem Antrag der Kommission sowie zum Antrag der Kommissionsminderheit, sofern der zweite Satz von Artikel 58a Absatz 5 WRG als Kann-Vorschrift ausgestaltet wird: Art. 58a Abs. 5 5

... der Gesuchseinreichung. In solchen Fällen können nach Möglichkeit und ...

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